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»-
*l
i
v'Jt'
Berlins antike Bildwerke
i.
Die Gypsabgüsse im Neuen Museum
in historischer Folge erklärt
Ton
Br. C. Friedeiichs^
Professor an der UnWersit&t und Directorial-Assistent am Mnsenm in Berlin.
'-, U-* ■■••| l'r"
Düsseldorf.
Yerlagshandlung yon Julius Buddeus.
1868.
Bausteine
zur
Geschichte der griechisch-römischen Plastik.
Gesammelt
von
Dr. C. Friederichs^
Professor an der Universität and Directorial-Assistent am MTiseiun in Berlin.
Düsseldorf.
Yerlagshandlung von Julius Buddeus.
1868.
I.J2 ■ /• . 7-
Vorwort
Der Verfasser des vorliegenden Werks hat sich eine
gleich im Titel ausgesprochene doppelte Aufgahe gestellt^
eine engere das hiesige Maseom betreffende und eine weitere
von Berlin unabhängige.
Die engere Aufgabe ist diese^ fOr sämmtliche Antiken
des hiesigen Museums eine Keihe wissenschaftlicher Hand-
bücher zu liefern^ etwa d^n Anforderungen entsprechend^ die
man an einen eingehenden Commentar zu einem alten Schrift-
steller macht Es handelt sich also nicht um eine äusserliche
Beschreibung oder noch weniger um einen blossen Index der
hiesigen Antiken^ sondern um eine genaue und allseitige Er-
klärung. Handbücher^ die in diesem Sinn geschrieben wären^
sind zu keiner Abtheilung unserer Antiken vorhanden^ der
Verfasser ist aber überzeugt, dass nichts so sehr geeignet ist,
das Studium der alten Kunst, das offenbar am besten in den
Museen, vor den Dingen selbst getrieben wird, zu beleben
und fruchtbar zu machen, als eingehende Commentare. Er
hat versucht, seinem Buch eine Form zu geben, durch welche
es auch für den gebildeten Dilettanten brauchbar werden kann.
Der vorliegende erste Band, dem die übrigen, für welche
seit zehn Jahren vorgearbeitet ist, schnell folgen werden,
umfasst die Gypsabgüsse der antiken Bildwerke, die sich im
Neuen Museum befinden. Eine kleine Anzahl derselben, näm-
lich einige Abgüsse römischer Geräthe aus Mainz und kleiner
Broncen aus Arolsen glaubte der Verfasser ausschliessen zu
dürfen, weil sie ihm theils zu unbedeutend schienen, theils in
einer anderen Abtheilung dieses Werks, in der Erklärung
der Broncen, passender und eingehender besprochen werden
können. Als Ersatz dafür hat er etwa dreissig bedeutendere
nicht im Neuen Museum befindliche Werke aus der Samm-
lung des hiesigen Gewerbeinstituts, aus der Humboldt'schen
Sammlung in Tegel und aus dem archaeologischen Apparat der
hiesigen Universität aufgenommen und er würde sich freuen,
wenn er dadurch diesen oder jenen seiner Leser veranlassen
VI Vorwort.
könnte, die schöne und nicht kleine Sammlung des Gewerbe-
instituts, die nach der Erfahrung des Verfassers, der sich
fast immer allein dort befand, in grösseren Kreisen ganz un-
bekannt ist, öfter zu besuchen. Durch diese Werke be-
reichert, umfasst das Buch die bedeutendsten Sculpturen des
Alterthüms und die Absicht des Verfassers ging dahin, aus
der reichen Literatur, die durch diese Werke hervorgerufen
ist, alle ihm richtig oder wenigstens wichtig scheinende Be-
merkungen anzuführen und mit dem, was er etwa selber vor-
bringen zu können glaubt, zu vereinigen. Die Reihenfolge
aber, in welcher die Abgüsse des Neuen Museums aufgestellt
sind, konnte nicht eingehalten werden, der Verfasser hat viel-
mehr versucht, die Abgüsse nach ihrer historischen Folge
zu ordnen, so dass sie ein Bild der kunstgeschichtlichen Ent-
wicklung geben. Es braucht kaupi bemerkt zu werden, dass
dem Besucher des Neuen Museums die Auffindung der zu den
einzelnen Werken gehörigen Erklärungen durch übersichtliche
Tabellen am Schluss des Buchs und durch Anweisungen unter
dem Text so leicht wie möglich gemacht ist. Auch werden
um mit dem stets wachsenden Bestand des Museums gleichen
Schritt zu halten, von Zeit zu Zeit je nach der Anzahl der
neu hinzukommenden Werke Nachträge zu diesem Buch er-
scheinen.
Durch die historische Anordnung hoflft der Verfasser
auch der weiteren Aufgabe zu dienen, ein vom Berliner
Museum unabhängiges, überall benutzbares Handbuch zum
Studium der antiken Plastik zu liefern. Das Buch kann als
eine Bearbeitung des wesentlichsten monumentalen Materials
der alten Plastik angesehen werden, und somit als Vorarbeit
zu einer Geschichte der Plastik, die alle irgendwie be-
deutenden Werke in eine historische Entwickelung zu ver-
arbeiten sucht. Denn dies scheint mir die nächste Aufgabe
einer Kunstgeschichte zu sein, wenn auch weder Winckel-
mann noch irgend einer seiner Nachfolger sich diese Aufgabe
gestellt hat. Der Verfasser hofft daher, dass das Buch auch
ausserhalb Berlins, sei es zum Studium kleinerer Gypssamm-
lungen, deren Inhalt sich, von einzelnen Ausnahmen abgesehen^
ja auch im Neuen Museum befindet, oder auch ohne Kück-
sicht auf irgend ein Museum zum Studium der antiken Plastik
nützlich befunden werde.
Berlin.
C. Friederichs.
InhaitsverzeJchniss.
I. Die Vorzeit der griechischen Plastik . . n. i.
U. Die altgriechische Kunst n. 2—55.
A. Werke des siebenten und sechsten Jahr-
hunderts n. 2 — 10.
B. Werke aus der ersten Hälfte des fünften
Jahrhunderts n. 11 — 55,
a) Die attische Kunst n. 11 — 26.
b) Die lycische Kunst n. 27—31.
c) Die äginetische Kunst n. 32 — 49.
d) Werke aus anderen griechischen Kunst-
schulen n. 50 — 55.
*
m. Die archaisirende, nur scheinbar alter-
thtimliche Kunst n. 56—79.
IV. Die erste Hälfte der griechischen Kunst-
blüthe n. 80—410.
A. Die frei statuarischen Werke n. 80 — 105.
B. Die Tempelsculpturen n. 106 — 356.
C. Die Reliefs von Grabsteinen, Weihgeschenken
und öffentlichen Dekreten n. 357—410.
a) Grabreliefs n. 357—389.
b) Votivreliefs n. 390—406.
c) Reliefs über öft'entlichen Dekreten . . n. 407 — 410.
YIII Inhaltsverzeichniss.
V. Die zweite Hälfte der griechischen Kunst-
bltithe n. 411—570.
a) Mythologische Darstellungen . . . . n. 411 — 498.
b) Genre und historische Darstellungen . n. 499 — 570.
VI. Die Nachbltithe der griechischen Kunst . n. 571—697.
Vn. Die griechische Kunst unter Barbaren . . n. 698—714.
Tni. Die griechisch-römische Kunst n. 715 — 969.
a) Mythologische Darstellungen . . . . n. 715 — 794.
b) Genre und historische Darstellungen . n. 795 — 841.
c) Pompejanische und herkulanische Alter-
thümer n. 842—920.
d) Thiere und Miscellaneen ...... n. 921—969.
IX. Anhang. Die etruscische Kunst . . . . n. 970—987.
Nachtrag
zu
Berlin's antike Bildwerke
von
Dr. Carl Friederichs.
I« Band.
Durch die im königlichen Museum zu Berlin vor-
genommene Umstellung der Gypsahgüsse war der Gehrauch
von Friederichs Bausteinen wesentlich erschwert worden. Dem
soll durch nachfolgende Register abgeholfen werden. Das erste
zeigt an wo die einzelnen Nummern des Friederichs'schen Buches
jetzt im Museum zu suchen sind (die lateinischen Zahlen be-
zeichnen die Säle, I = früher Ljcischer Hof, 11 = Treppen-
haus, III = Griechischer Saal, IV = Cabinet des Laokoon,
V = Saal des Farnesischen Stieres, VI = Kuppelsaal, VII =
Niobidensaal, VIII = Saal der Thiere und Bronzen, IX =
Römischer Saal, X = Römischer Kuppelsaal), während No. II,
nach den laufenden Nummern des Museums angeordnet, das
Auffinden in den Bausteinen erbleichtem soll. Einzelnes nacli
1867 hinzugekommene findet sich bei Friederichs nicht. Daher
die mancherlei Lücken im 2. Register. Dass auch im I. sich
welche finden, kommt einestheils daher, dass Friederichs
Monumente in den Kreis seiner Betrachtungen liineingezogen
hatte, die in Gypsabgüssen im Museum damals nicht vertreten
waren und auch heute noch fehlen, anderntheils, dass eine
Anzahl von Monumenten bei der auf Prof. Böttichers Veran-
lassung vorgenommenen Umstellung aus dem Museum gänzlich
entfernt worden sind, theils um Raum zu gewinnen (so die
Abgüsse, deren Originale in Berlin sind), theils weil ihre Echt-
heit bezweifelt worden (so namentlich Friederichs No. 731 und
839), theils aus anderen Gründen.
I. Register.
1 -= I 70.
2 = 1 92.
3 = V 534.
4 u. 5 = I 93—94 A.
6—9 = 1 6G— G9.
10 =- I 75.
11 = VI 077.
12 = V 613.
13 -- VIII 809.
14-1 79.
15—17 --- I 89—91.
18 = I 78.
19 -= I 77.
20 =-- I 7G.
21 == I 84.
22 = I 81.
23 = VI 68G.
24—25 = VII 71G.
2G = VII 729.
27-30 -= I 55—58.
31 -^ I 83.
32—48 = 111497—513.
49 = VIII 1031.
50 -= VIII 897.
51u.52=I54u.54A.
53 = V 531.
54 = VII 792.
55 = VII 767.
56 = V 553.
57 -= VI 662.
58 ^-= Gewerbeinst.
59 = IX 1102.
60 = VII 773.
61 = V 554.
62 = IX IUI.
63 = X 1278.
64 = I 80.
65 = Gewerbeinst.
66—67 = X 1285 A.
68 = X 1275.
69 = X 1284.
70 = V 549.
71 = V 548.
72-- V 546 A.
73 = V 562.
74 = V 547.
75 = X 1276.
76 = IX 1150.
77 = IX 1149.
78 = V 551.
79 == I 82.
SO = VII 728.
81 = VI G68.
82 = VI 664.
83— 85= VI 665— 667.
86 = VI 674.
i 87 = VI 672.
83 = VI 671.
89 = VII 695.
, 90 = V 537.
; 91 = VII 727.
; 92 = VII 713.
93 = V 528.
94 = V 533.
95 = V 529.
96 = VII 719.
97 = VII 720.
98 =-- VI 658.
99 = VII 705.
100 = IX 1089.
101 = Gewerbeinst.
102 -= VII 790.
103 -= VII 7G3.
10411.105=11 1349 u.
1350.
106^109=1152—156
110-129 = 1 182 und
183u. V 624
130— 297 = 111 361 bis
494.
298 = 1 125.
299 = 1 95.
300 = 111 350.
301-323=1194— 21()
324—334 -- III 495 —
496 u. III 352-360.
335—355=1184—187
u. III 340—347.
356 — III 338.
357=11 217.
358 = 111 351.
359=11 218.
360=111 234.
VI
861=111 254.
362=111 256 u. 257.
363 = 11 219.
364=m 223.
365=111 231 A.
366 = II 221.
367 = II 222.
368 = III 225.
369 = III 259
370 = III 258.
871 = III 255.
372 --= III 233.
373 = III 227.
374 = III 230 A.
375 = III 229.
376 = III 226.
377 = III 250.
378 = m 232.
379 = m 231.
380 = III 228.
381 = III 335.
382 = III 270.
383 = III 269.
384 = III 246.
885 = III 244.
386 = III 261.
387 = m 240.
888 IL 389 = III 235
u. 236.
390 = III 310
391 = VI 684.
392 = III 320.
393 = m 321.
394 — I 111.
395 = III 314.
396 = m 304.
397 = III 301.
398 == III 806.
399 = III 300.
400 = III 293.
401 = III 305.
402 = III 302.
403 = III 298.
404 = III 811.
405 = ni 312.
406 = III 336.
407 = m 303.
408 = III 807.
409 = III 295.
410 = III 294.
411 = IV 527.
412—429 = VII 736
bis 750 u. 753.
430 u. 431 = VI 691
u. 690.
432 = V 530.
433 = VII 699.
434 = VII 700.
435 = VII 694.
436 = X 1233.
437 -= IX 1084.
438 = IX 1159.
439 = IX 1152.
440 = IX 1094. i
441 = VI 692.
442 = VI 659. I
443 = \i 693.
444 = V 657.
445 = V 542.
446 = V 541.
447 = IX 1057.
448 = IX 1056. I
449 = IX 1071. i
450 u. 451 = IX 1173
u. 1172.
452 = VII 789.
453 = III 329.
454 = III 330.
455 = 111 330 A
456 = III 339.
457—475 = I 188—
193 H.
476=492= IX 1117!
bis 1133.
493 = VI 669.
494 = I 97.
495 = VI 685.
496 = III 837. i
497 = VIII 855.
498 = Berl. Mus.
499 = VII 723.
500 = VII 707.
501 = VII 721.
502 = VII 761.
503 = VII 760.
504 = VII 775.
505 = VII 776.
506 = VII 778.
507—508 = VU 779 ;
u. 780. •
509 = VII 777.
510 = VII 782.
511 =
512 =
513 =
514 =
515 =
516-
517 =
518 =
519 =
520 =
521 =
522 =
523 =
524 =
525 =
= VII 757.
- VII 756.
= VII 759.
= VII 758.
= VII 762.
= VII 774.
= VII 755.
= VIII 829.
= VII 768.
= VII 770.
= VII 769,
= VII 771.
= VII 754.
= VII 765.
-- VII 764.
- I 127 —
-=III 32&
526—5^7-
151.
5t)6 u. 569 :
u. 327.
570 = III 348 u. 349.
571 = V 525.
572-578 = III 514- -
521.
579 =. VII 725.
580 = Tegel.
581 = IX 1053.
582 = IX 1058.
583 = Gewerbeinst.
584 = IX 1065.
585 = IX 1075.
586 = IX 1079.
587 = IX 1074.
588 = IX 1069.
589 = IX 1073.
690 = IX 1068.
591 == Magazin.
592 = Gewerbeinst.
593 = IX 1080A.
594 = IX 1076.
595 = IX 1070.
596 = IX 1077.
597 = IX 1078.
593 = IX 1081.
599 = VIII 1003.
600 = VIII 1001.
601 = Gewerbeinst.
602 = VIII 1000.
603 = VIII 998.
(K)4 = IX 1054.
605 = VIII 1009.
606 = IX 1072.
VII
607 = Gewerbeinst.
608 = IX 1055.
609 = VIII 800.
610 = Gewerbeinst.
611 = IX 1064.
612 = Berl. Mus.
613 = IX 1178.
614 = IX 1063.
615 = IX 1082.
616 = I 115.
617 = IX 1080.
618 = VI 679.
619 = IX 1106.
620 = IX 1167.
621 = IX 1095.
622 = Gewerbeinst.
623 = IX 1 105.
624 = Bprl. Mus.
625 = IX 1 100.
626 = IX 1104.
627 = IX 1101.
628 = IX 1116.
629 = IX 1114.
630 = X 1277.
631 = IX 1140.
632 = IX 1136.
633 = IX 1085.
634 = IX 1115.
635 = VII 733.
636 u. 637 - I 123 u-
124.
638 = X 1274.
639 = IX 1134.
640 = IX 1135.
641 = II 1256.
642 = X 1254.
643 = Gewerbeinst.
644 = I 114.
645 = IX 1139.
646 =- IX 1138.
647 = IX 1137.
648 = IX 1113.
649 = IX 1112.
650 u. 651 = IX 1098
u. 1099.
652-
653 =
654 =
655 =
656 =
657 =
UI 324.
IX 1090.
VIII 1037.
ni 323.
IX 1087.
IX 1088.
658 = IX 1093.
659 = Berl. Mus.
660 = X 1235.
661 = VII 697.
662 = VII 698.
663 = V 538.
664 = V 550.
665 = V 552.
666 = VII 796.
667 = IX 1174.
668 = VII 701.
669 = IX 1183.
670 u. 671= VIII 821
u. 822.
672 = VII 793.
673 ^ IX 1177.
674 =- I 108.
675 -- VI 681.
676 = VI 683.
677 = Gewerbeinst.
678 = Gewerbeinst.
679 = IX 1059.
680 = 1 118.
681 = VII 722.
682 = VII 724.
683 = X 1234.
684 = Gewerbeinst.
685 = VII 798.
686 = VII 784.
687 -- VII 783.
688 = IX 1169.
689 - - Berl. Mus.
690 =- I 112.
691 = Vin 1008.
692 = VII 766.
693 = VII 704.
694 = IX 1176.
695 = VII 787.
696 = VII 788.
697 = VIII 830.
698—700 = VIII 941
u. 943 u. 944.
701 u. 702 = VIII 946
u. 947.
703 = VIII 958.
704 = VIII 957.
705 = VIU 956.
706 = VIII 856.
707 = VIII 857.
708 — VIII 858.
709 = VIII 860.
710 = VIII 878.
711 =- VIU 862.
712 = VIII 950.
713 = Magazin.
714 = VIII 861.
715 = Tegel.
716 --IV 522.
717 = IV 523.
718 = IV 524.
719 = VII 726.
720 = VII 717.
721 = VII 718.
722 = IX 1162.
723 = VI 660.
724 = V 526.
725 = VI 673.
726 - VIII 1182.
727 = VIII 823.
728 = VIII 831.
729 = VIII 835.
730 --= VII 799.
731 = Magazin (mo-
dern).
732-735= VIII 70b-
711.
I 736 = VII 761.
, 737 == X 1255.
' 7a8 --= I 105.
: 739—744 -- 1 9R. 103.
104. 109. 110 VI 670.
745 = I 107.
746 = I 120.
! 747 = IX 1165.
: 748 — - IX 1166.
! 749 = IX 1063.
i750-= I 119.
751 = I 106.
752 = I 100 u. 101.
753 = IX 1205.
I 754 = IX 1160.
755 = IX 1206.
■ 756 = IX 1208.
! 757 --= IX 1210.
! 758 = IX 1211.
i 759 = VII 703.
'760 = 1X1091.
, 761 = I 113.
; 762 = IX 1103.
•763 = IX 1171.
764 = IX 1060.
705 u. 766 --VIII 819
u. 820.
VIII
767 -= IX 1170.
768 = IX 1092.
769 = VI 660.
770 = IX 1181.
771 = IX 1096.
772 -- V 557
773 -= VII 794.
774 ■= IX 1180.
775 - V 559.
776 -- I 102.
777 -= I 99.
778 - X 125Ö.
779 -- X 1273.
780—782 = X 1283 u.
IX 1156.
783 = X 1268.
78 1 = Vn 751.
785 = IX 1217.
78G = IX 1216 una
1216A.
787 = III 325.
788=1X1218—1219.
789 =- KI 328.
790 = VIII 879.
791—794 = X 12S1.
795 = Vm 828.
796 == Vni 824.
797 = IX 1175.
798 = IX 1179.
799 - IX 1097.
800 -- X 1293.
801 = VIII 849.
802 = IX 1197.
803 = IX 1202.
804 = IX 1201.
805 = IX 1200.
806 = 1X1163—1164.
807 = IX 1194.
808 --= X 1266.
809 = X 1231.
810 = Gewerbeinst.
811 = IX 1185.
812 = X 1232.
813 = Tegel.
814 = IX 1196.
815 = X 1238.
816 -= X 1237.
817 u. 818 = VII 730
u. 731.
819 = IX 1184.
820—828 -- X 1241— j
1252.
829—831 = 1X1187—
1189. ,
832u. 833 = X 1239— I
1240.
834 = X 1236. I
835 = IX 1203.
836 = IX 1198.
837 = IX 1199.
838 = IX 1204.
839 == Magazin.
840 \ = Mittclalterl.
841 i Sculpt.
842 u. 843 = V 543 u.
555.
844 = Griech. Hof
(Bronzeabguss).
845 -= VII 791.
846 = IX 1086.
847 == XI 687.
848 = VIII 826.
849 = IX 1107.
850 = V 544.
851 = VIII 1046.
852 = VI 676.
853 = V 556.
854 = VIII 1004.
855 - VIII 1033.
856 = VIII 1041.
857 = IX 1108.
858 = VIII 1023.
859 =1X1109.
860 = VIII 1040.
861 = VIII 1039.
862 = V 560.
863 und 864 = IH
496 A.B.
865 -= V 533 A.
866 = VIII 1032.
867 = VIII 1022.
; 868 - VIII 1030.
869 = VII 785.
870 = VII 786.
871 = IX 1151.
872 = Magazin (als
modern).
873 = X 1330.
874 = X 1291.
875-881 --- VIII 912
bis 919.
882 u. 883 = VIII
910-911.
884 = X 1292.
885-889 = VIII 882
bis 886.
890 = VUI 880.
891—893 = VIII 852
bis 854.
894 = VIII 850.
895 -= VIII 851.
896-909 = VIII 863
bis 876.
910-914 = VIII 887
bis 893.
915 -= VIII 877.
916—919 = VIII 942
u. 951 u. 952.
920 = VIII 908.
921 = VIII 801.
922 -= VIII 802.
923 = VIII 803.
924 = X 1225.
925 = VIII 810.
926 = VIII 805.
927 = VIII 806.
928 = VIII 813.
929 = VIII 814.
930 -= I 126.
931 = IX 1220.
932 = VIII 818.
933 = vm 807.
934 = VIII 811.
935 = VIII 815.
936 = VIII 816.
937 = X 1288.
938 = X 1289.
939 = X 1287.
940 = X 1290.
941 -= X 1270.
942 = IX 1145.
943 =- VI 689.
944 = III 308.
945 == Magazin.
946 = VIII 859.
947 = X 1257.
948 - = X 1258.
949 = X 1260.
950 = X 1259.
951 = X 1261.
952 = X 1262.
953 = X 1263.
IX
954 = X 1348. OGl =- X Vööty. 969 - X 1331.
955 = X 1340. 962 = X 1347. 970—983 = VIII 830
956 --= X 1341. 963 = X 1335. bis 846. 894. 895.
957 == X 1338. 964 = VIII 90b A. 984 = VIII 890.
958 --= X 1343. 965 = III 331. 985 = VI 08H.
958a.b X1344U.1345. 966 == III 224. 986 = IX lim.
959 = X 1337. 967 = IX 1146. 9s7 -= VIII 1083.
960 -- X 1342. 968 - IX 1147.
II. Register.
Gallerie I.
(fr. Lycischer Hof).
1—53 Assyr. Phoenik.
54 = 51.
54A = 52.
54B-C =
55—58 = 27—30.
59—64 =
65 u. 65A ^
66—69 = 6—9.
70= 1.
71 =
72-73 =-
74 =
75 = 10.
76 = 20.
77 = 19.
78 = 18.
79 -= 14.
80 = 64.
81 = 22.
82 == 79.
83 = 31.
84 = 21.
85 =
86 =
87 =
88 = 45.
89-91 -= 15—17.
92 = 2.
93— 94Ä = 4-5.
95 = 299.
96 =
^7 = 494.
98 ■-= 744.
99 = 777.
100 u. 101 = 752.
102 = 776.
103 = 740.
104 = 739.
105 = 738.
106 = 751.
107 = 745.
I 108 = 674.
1 109 = 743.
110 = 741.
111 = 394.
112 = 690.
113 = 761.
114 = 644.
115 = 616.
116—117 =
118 = 680.
119 = 750.
120 = 746.
121 122 =
123u.l24=636u.637.
125 = 298.
126 = 930.
127—151 =
152—156 =
157—181 =
S. 152.
526—567.
106—109.
130-297
182 u. 183:
184—187 =
! 188—193 :
'194—216 =
216A =
i216B =
= 110—129.
335—355.
457—475.
301—323.
II. Treppenhaus.
1349u.l350=104u.l05
217 = 357.
218 = 359.
219 = 363.
220 =
221 = 366.
222 = 367.
Saal III.
(Griechischer Saal).
223 = 364.
324 = 966.
225 = 368.
226 = 376.
227 = 373.
228 = 380.
229 = 375.
230 =
230A = 374.
231 = 379.
231 A = 365.
232 = 378.
233 = 372.
234 = 360.
235 u. 236 = 388 u.
389.
237 =
238 =
239 =
240 = 387.
241—243 =
244 = 385.
245 =
XI
240 384.
247
248 -
249--
250 : - 377
251 --
252
258 -
254 - 361.
255 371.
256 u. 257 ■^-. 362.
25S 370.
259 - 369.
260-
2(51 ^ 386-
202—263 =
264--
205 -
206—267 =
20S
209 383.
270 382.
271-291 -=
292
2;»3 400.
294 410.
295 - 409.
2!u;
2JI7
29S
2i»9.
3i)0
3nl
on2
3(>3
o04
3nO
SO-«-
Snfi
iJlo
iJlI
312
313
403.
399.
307.
402.
407.
396.
401.
398.
403.
944.
390.
404.
405.
31 \ 395.
:-;i5
yir,
vi "*
SIS— 319 =- S. 217*.
321» = 392.
321 -- 393.
322--
323 = 655.
324 - 652.
825 u. 325 A =787.
826 = 568.
327 =^ 569.
328 — 789.
329 -- 453.
i 330 - 454.
i 330A = 455.
831 = 965.
332 --
333--
1334 --
.335 - 381.
336 - 406.
337- 496.
338 - 350.
339 - - 456.
, 340-347 = 335—355
(S. 190).
348 u. 349 = 570.
349 A - ..
349 B ...
350 -= 300.
351 ^ 358.
1352-360-320-334.
361—467 = 130-297
(S. 155).
468—478 -= 130—297
(S. 141 .
1479—487 = 130-297
! (S. 148 .
488—494=130-297.
495-490 = 321—325.
, 496 Au.B =803-804.
497—513 = 32-48.
514- 521 = 572—578.
IV. Cabinet.
(Cabinct desLaokoon).
522 710.
523 717.
524 -718.
Saal und Cabinet V.
(Saal des Farnesischen
Stiers).
,525 - 571.
526 724
527-411.
528 - - 93.
529- 95.
530 - 432
531 -53.
532u.532A =
533 = 94.
533 A = 805.
534 = 3.
535 u. 535 A
536 =
536A =
536B =
537 = 90.
538 = 063.
539 =
540 =
j 541 = 440.
I 542 = 445.
543 = 842.
544 = 850.
545 =
546=.
'546A = 72.
547 74.
548- 71.
,549 - 70.
550 ---^ 004.
551 78.
i552- 005.
' 553 50.
554 — 01.
555 843.
550-- S53.
557 - 772.
558 ■ ■
559
500
501
502
i 503-012 -■
' 013 -- 12.
' 014— (»23
;624 = 110.
' 625—050
057 = 444.
i
Saal VI.
i (Kuppel).
1 058 98.
' 059 - 442.
660-- 709.
775.
802.
73.
XII
661 -~
■. 707A :
■ 778 - 506.
662 - 57.
708— 711 --
732—735.
779 =- 507.
663
712
780 - 508.
664 - 82.
713 - 92.
781 - 736.
665 u. 666 — 83 u. 84.
714 -
782 -- 510.
667 85.
715
783 ----- 687.
668 - 81.
716 - 24 u
. 25.
784 - 686.
669 - 493.
717 : 720.
785 869.
670 - - 742.
718- 721.
786 -:- 870.
671 - 88.
719 — 96.
787U.788 --695u.()96
672 - 87.
720 -- 97.
789 - 452.
673 — 725.
721 - 501.
790 - 102.
674 86.
722 — 681.
791 -— 845.
675-
723 499.
792 - 54.
676 -852.
724 - 682.
793 -- 672.
677 --- 11.
725 -- 579.
794 773.
678 -
726 - 719.
795 - --
679 ■-^- 618.
727 91.
796 -- 666.
680 - 723.
728 ---80.
797 -
681 -675.
729 26.
793 685.
682--
730 u. 731
817U.818.
799 - 730.
683 - 67().
732 -
684 ^ 391.
733 - 635.
Saal VIII.
685 - 495.
686 23.
734 u. 735 =-
736—750
412-429.
S. d. Thiere u. Broiizeu.
687 847.
751 -- 784.
800 609.
688 985.
752 -
801 921.
689 - 943.
753 - 412—
429(8.238)
802 -= 922.
690 431.
754 - 523.
803 - 923.
691 430.
755 — 517.
804 --
692 441.
756 - 512.
805- 926.
693 443.
757 -- 511.
806 - 927.
758 - 514.
807 - 933.
Saal TU.
759 — 513.
1
808 -
(Kiobideusaal).
760 -- 503.
761 ■■^= 502.
809 — 13.
810 - 925.
694 --- 435. .
762 - 515.
811 — 934.
695 89.
763 - - 103.
812 -
696 -
764 - 525.
813 U.814 -92811.929
697 - 661.
765 : -- 524.
815 935.
698 - 662.
766 r-. 692.
816 - 836.
698AU.B —
767 - 55.
817 -
699 -- 433.
768 -^ 519.
818 ^ -. 932.
700 — 434.
769 - 521.
819 u. 820 765 u. 766
701 - 668.
770 - 520.
821U.822 670U.671
701A--
771 -- 522.
823 - 727.
702
772 .^
824 : 796.
703 759.
773 -60.
825-
704 - 693.
774 .:- 516.
826 == 848.
705 99.
775 : - 504.
827 —
706 -
776 - 505.
828 795.
707 -- 500.
777 -509.
829 -_ 518.
XIII
830 - G97.
831 = 728.
832—834 =
835 -^ 729.
836-846 = 970—983.
847 =
848-
849 =- POl.
850 - - 894.
851 =- 895.
862—854 = 891-893.
855 -- 497.
856 = 706.
857 -- 707.
858 - - 768.
859 - = 946.
860 =- 709.
861 -^ 714.
862 = 711.
863—876 = 896—909.
877 -- 915.
878 - - 710.
879 -- 790.
880 --890.
881 ^
882—886 --- 885—889.
R87— 893- 910—914.
894 u. 895 - 970—983.
(S. 548)
896 - 984.
897 - 50.
898— 900 A --
CM)1— 906
907 --
908 - -■ 920.
908A - 964.
909 -
910u.911=^882u.883.
912— 919=^875— 881.
920 — 921 -
922—940 --
941 -- 698.
942 -- 916.
943 -699.
944 --- 700.
945 ---
946 -947= 701 u. 702.
94H — 949 --
950 - 712.
951— 952=918u.919.
953—955 --
956 - 705.
■ 957 -- 704.
! 958 - 703.
; 959— 969
;970-970A--
971 =-
972—979
I 980-981 --
' 982—986 =-
!987— 990-.
991 --
992
993—997
998 603.
999 =
1000 =- 602.
1001 - 600.
1002 =
1003 ^ 599.
1004 = 854.
1005—1007 =
1008 -- 691.
1009 - 605.
1010-1013 =
1014 --
1015—1018 =
1019—1020 - =
1021 --
1022 - 867.
,1023 - 858.
, 1024 -
1 1025 =--
i 1026 — 1027 -
1028---
. 1029 - -
1 1030 =- 868.
1031 - 49.
1032- 866.
1033^ 987.
1 1034—1036 =
1037 - 654.
1038 855.
1039 861.
1 1040 - 860.
; 1041 -- 856.
' 1042
1043—1044 =
1045 --
1046 --- 851.
1047 ^--
1 1048—1050 =
1 1051 -
I 1052 -
Saal IX.
(Römischer Saal).
1053
581.
11054
6ai.
1055^
^608.
: 1056
-448.
1057
447.
1058
582.
! 1059
679.
'1060
764.
i 1061-
■1062
: 1063
749.
'1064
GH.
1065
584.
1066
-
1067
■
1068
590.
1069
588.
1070
- 595.
1071 ^
-:449.
1072
606.
1073-
- 589.
1074
587.
1075-
-585.
1076
594.
1077 -
.. 59().
1078
597.
1079-
- 58G.
1080 -
. G17.
1080 A
- 593.
1081
. 598.
1082 -
615.
1083
614.
1084
437.
1085
- G33.
1086 --
_ 846.
1087
(!5G.
1088
657.
1089
. 100.
1090
Gr)3.
1091
760.
1092
-. 768.
1093
.658.
1094-
_440.
1095
621.
1096-
771.
1097
.799.
1098
: 650.
1099 r
-: 651.
1100 -
. 625.
1101
627.
XIV
= 476—
1102 = 59.
1103 - 762.
1104 = 626.
1105 = 623.
1106 = 619.
1107 = 849.
1108 = 857.
1109 = 859.
1110 =
1111 = 62.
1112 = 649.
1118 = 648.
1114 = 629.
1115 = 634.
1116 = 628.
1117—1133
492.
1134— 1135= 639 u.
640.
1136 = 632.
1137 = 647.
1138 = 646.
1139 = 645.
1140 = 631.
1141—1144 =
1145 = 942.
1146 = 967.
1147 = 968.
1148 =
1149 = 77.
1150 = 76.
1151 = 871.
1152 = 439.
1153 =
1154 = 986.
1155 =
1150 = 780.
1157—1158 =
1159 = 438.
1160 = 754.
1161 =
1162 = 722.
1163 — 1164 = 806.
1165 = 747.
1166 = 748.
1167 = 620.
1168 =
1168A =-
1169 = 688.
1170 = 767.
1171 = 763.
1172 = 451.
1173 = 450.
1174 = 667.
1175 = 797.
1176 = 694.
1177 = 673.
1178 -- 613.
1179 = 798.
1180 = 774.
1181 = 770.
1182 = 726.
1183 = 669.
1184 == 819.
1185 = 811.
1186 =
1187—1189 = 829—
831.
1190 =
1191—1192 =
1193 =
1194 = 807.
1195 =
1196 = 814.
1197 = 802.
1198—1199 = 836 u.
837.
1200 = 805.
1201 = 804.
1202 = 803.
1203 = 835.
1204 = 838.
1205 = 753.
1206—1207 = 755.
1208—1209 = 756.
1210 = 757.
1211 = 758.
1212—1215 =
1216— 1216 A= 786.
1217 = 785.
1218—1219=788.
1220 = 931.
1221—1224 =
1225 = 924.
1226— 1230A =
Saal X.
(Rom. Euppelsaal).
1231
1232
1233
1234
1235
809.
812.
436.
683.
660.
236 = 834.
L237 = 816.
[238 = 815.
[239 — 1240 = 832 u.
833.
[241—1252 = 820—
828.
[253 = 778.
254 = 642.
[255 = 737.
[256 = 641.
[257 = 947.
[258 = 948.
[259 = 950.
[260 = 949.
[261 = 951.
[262 = 952.
:263 = 953.
[264-1205 =
[266 = 808.
1267 =
[268 = 783.
[269 =
1270 = 941.
.271 — 1272 =
273 = 779.
,274 = 638.
275 = 68.
[276 = 75.
[277 = 630.
,278 = 63.
[279 =
[280 =
[281 = 791-794.
.282 =
[283 = 780—782.
[284 = 60.
[285 =
[285A=66 u. 67.
[286 =
[287 = 939.
[288 = 937.
[289 = 938.
[290 = 940.
.291 = 874.
[292 = 884.
[293 = 800.
[294 =
[295—1329 =
[330 = 873.
[331 = 969.
1332 =
XV
1333 =
1334 =
1335 =
1336 =
1337 =
1338 =
1339 =
963.
961.
959.
957.
1340 = 955.
1341 = 956.
1342 = 960.
1343 = 958.
1345 } = 958 a u. b.
1346 =
1347 -= 962.
1348 = 954.
Anhangr. Treppen-
haus.
1349 u. 1350 =- 104 u.
105.
Druck von Bär \ Hermann in Leipzig.
I. Die Vorzeit der griechischen Plastil(.
Vor dem siebenten Jahrhundert scheint sicli eine natio-
nale Kunst in Griechenland nicht entwickelt zu haben, noch
in diesem Jahrhundert gab es nur Anfänge. Allerdings wa-
ren die hölzernen puppenhaften Grötterbilder in den Tempeln
Werke griechischer Meister, aber was Kunstreicheres in Stein
oder Metall existirte, war ausländischen Ursprungs oder Cha-
rakters. Griechenland wurde von der älteren Kunst des
Orients beherrscht, spätere Anregungen kamen aus Aegypten.
Aus dieser Vorzeit ist uns das folgende Bildwerk erhalten.
1. Löwenthor von Mykenä*. Das Original besteht
aus hartem graugelblichem Kalkstein und befindet sich über
dem Hauptthor der Burgmauer von Mykenä. Die dreieckige^
giebelartige Form ist durch die umgebende Architektur ver-
anlasst. Um nämlich den Thürsturz gegen jeden Bruch zu
sichern^ führte man die Mauer nicht über ihn hinweg, sondern
sparte eine dreieckige Oeffhung aus, indem man die Mauer-
steine von beiden Seiten in schräger Linie über einander vor-
treten und erst in der Spitze sich wieder berühren Hess.
Diese Oeffhung wurde dann durch eine leichtere Steintafel
verschlossen.
Die eigenthümliche Form der zwischen den Thüren be-
findlichen Säule näher zu. erörtern, liegt ausser unserer Auf-
gabe, wir bemerken nur, dass sie der Träger eines jetzt feh-
lenden, die Spitze des Dreiecks ausfüllenden Symbols gewesen
• Im üriechischen Hof.
Friederichs, griech. Plastilr.
2 Vorzeit der gnechischen Plastik.
ZU sein scheint. Die Thiere, von welchen sie umgeben ist^
sind Löwen und als solche charakteristisch dargestellt. Das
Schwanzende hat die dem Löwen eigenthümliche Form und die
Mähne, die durch eine leise Erhöhung angezeigt ist, setzt sich
unter der Brust fort, wie der an dieser Stelle behndliche
Vorsprung andeutet. Gewiss war das ganze Relief nach dem
Brauch der ältesten Kunst bemalt, wodurch alle Details deut-
licher hervorgehoben wurden. Die Köpfe sprangen frei aus
dem Relief heraus und blickten dem ans Thor Herantretenden
entgegen, sie hätten ohne grosse Arbeitsverschwendung nicht mit
dem Uebrigen aus einem Block gearbeitet werden können
und waren daher besonders gearbeitet und dann eingesetzt.
Die Bedeutung der Thiere ist diese, dass sie Wächter
des Thores sind, sie sollten gleichsam jedem feindlichen An-
griff mit grimmigem Gesicht entgegentreten. Freilich darf
man nach der Kunststufe des Monuments nicht erwarten, die-
sen Gedanken in voller Lebendigkeit ausgesprochen zu sehen,
der Eindruck des steifen Figurirens, wie bei Wappenthieren^
überwiegt und wird dadurch verstärkt, dass die Hinterfüsse
der Thiere, ohne festen Grund unter sich zu haben, aus der
Fläche des Reliefs hervortreten. Die Formen der Löwen
sind bei nicht geringer Naturwahrheit doch etwas schlaff und
weichlich, und schon dies deutet auf ungrieohischen Ursprung
des Werks, der durch folgende Umstände höchst wahrschein-
lich gemacht wird.
Zunächst durch die antike Tradition, welche dies. Löwen-
thor den Gy klopen zuschreibt, jenen sagenhaften Bauleuten,
die von Lycien . nach Argos herübergekommen und dort die
uralten nach ihnen benannten Mauern gebaut haben sollen.
Sodann aber gehört dieses Werk einer zu frühen ^eit an^
als dass es dem Zusammenhang der griechischen Plastik, die
im siebenten Jahrhundert noch in den Anfängen stand, einge-
fügt werden könnte. Denn die cyklopischen Werke cfes ar-
givischen Landes müssen sowohl nach den Andeutungen der
alten Schriftsteller als nach ihrem architektonischen Charakter
in vorhomerische Zeit gesetzt werden, ohne dass wir freilich
im Stande wären, eine genauere Zeitbestimmung zu geben.
Es muss uns genügen die Thatsache: zu constatiren, dass das
Relief ausser allem Zusammienhang mit der griechischen. Kunst
steht.
Die beste Abbildung Archaeol. Ztg. 1865 Taf. 193 p. 1 ff. Vgl.
Aimali 1861 p. 18. Conze Reise auf den Inseln des thräkischen Meeres
Vorzeit der griechischen Plastik. 3
\K 9. Bötticher Nachtrag zum Verzeichniss der Gypsabgüsse des Neuen
Museums p. 143. 0. Müller Handb. der Archaeol. p. 26. 42 und die
iu diesen Schriften citirte Literatur. Ueber die Bedeutung der Löwen
als Thorwächter vgl. Weicker Alte Denkm. V. p. 73 ff. In der Be-
stimmung der Thiergattung hatte ich mich der gütigen Belehrung von
Professor Peters zu erfreuen, der auch die in der Archaeol. Ztg. a. a.
0. ausgesprochene Meinung, dass die Schwänze der Löwen zu kurz
seien, bestritt. Ueber die an den Contouren der Beine und Zehen hin-
ahlaufenden kreisförmigen Einschnitte, auf welche Strack Arch. Anz.
1862 p. 329 aufmerksam macht, habe ich von einem mir befreundeten
Bildhauer keine nähere Auskunft erhalten können.
1
II. Die altgriechische Kunst.
Im siebenten Jahrhundert zeigen sich die Anfänge einer n
tionalen Kunst, die zwar noch nicht völlig frei sind von d
Einwirkungen ausländischer, namentlich ägyptischer Kunst, ab
doch überwiegend ein specifisch hellenisches Gepräge trage
Die künstlerische Thätigkeit entfaltete sich gleichzeitig ;
mehreren Orten Griechenlands, und wenn wir auch nur Nac
rieht haben von zwei besondern Kunstschulen, der attisch
und äginetischen, so ist doch vorauszusetzen, dass die Kur
an allen Orten, wo sie lebhafter geübt wurde, sich in indr
dueller Weise ausgebildet habe. Es ist uns indessen no
nicht möglich, sämmtliche erhaltene Werke zu kleineren Gru
pen, deren jede einem bestimmten Lokalstil entspräche, 2
sammenzulegen, nur die attische und die ihr nah verwand
lycische, femer die äginetische und endlich die aus dem sii
lischen Selinunt und aus Sparta bekannte Kunst treten u
als scharf von einander unterschiedene Gruppen entgegen, i
ben welchen die übrigen Werke zunächst noch vereinzelt c
stehen. Die zeitliche Ausdehnung der altgriechischen Kui
erstreckt sich über zwei Jahrhunderte, noch nach der Mi
des fünften Jahrhunderts begegnen wir einzelnen Spuren c
alterthümlichen Stils. Wir theilen diesen ganzen Zeitraum
zwqi Perioden, in deren erster "wir die aus dem siebent
und sechsten Jahrhundert erhaltenen Werke erläutern, w^
rend die zweite die ungleich zahlreichere Classe der in c
ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts entstandenen Der
mäler umfasst.
Altgriechische Kunst.
A. Werke des siebenten und sechsten Jahrhunderts.
2 und 3. Apollo von Thera und Tenea*, beide
vou Marmor. Der erste ist im Anfang der 30er Jahre auf
der Insel Thera (Santorin) gefunden und durch Vermittlung
von Prof. Ross im J. 1836 für Athen erworben, wo er sich
im Theseion befindet. Der Kopf, aus einem besondem Stück
gearbeitet, ist durch einen eisernen Zapfen mit dem Rumpf
verbunden. Der zweite ist im Jahr 1846 an der Stelle des
alten Tenea (im Dorf Athiki, am Fuss von Akrokorinth) ge-
fanden, vom Freiherm von Prokesch an Ort und Stelle er-
worben und später in den Besitz der Glyptothek zu München
tibergegangen. Arme und Beine waren in sechs Stücke ge-
brochen, doch fand sich Alles bis auf ein kleines Stück, so
dass die Figur im Wesentlichen ohne Restauration ist.
Es ist in den beiden Figuren ein und derselbe Typus
dargestellt, aber in sehr verschiedenem Grade der Ausbildung.
Die theräische ist weit roher und üppiger, besonders in der
Brust, und am Rücken ist kaum etwas von anatomischem
Detail ausgedrückt. Man sieht hier an einem recht instruk-
tiven Beispiel, wie die Kunst von einer mehr umrissartigen
Dai-stellung zu immer sorgfältigerer Nachahmung des Details
fortging.
In der Münchner Figur ist Alles knapp und schlank
oiid besonders charakteristisch ist die straffe Anspannung der
Muskeln. Man beachte namentlich die Stellung der Knie-
scheibe, die eben nur durch diese Anspannung veranlasst ist.
Im Einklang mit der strammen Stellung der Beine stehen die
>traflf herabhängenden Arme und die zusammengeballten Hände,
das Leichte, Zwanglose in der Anordnung der Glieder ist
diesem Stil noch fremd. Die Figuren sind übrigens stehend,
nicht schreitend zu denken, man kannte eben noch nicht die
leichte, graziöse Stellung der spätem Zeit, wo das Gewicht
des Körpers nur auf einem Bein ruht, während das andere
entlastete, leicht gekrümmt, nur mit der Spitze den Boden
berührt. Im alten Stil tragen beide Beine in gleicher Weise
den Oberkörper und sind mit der vollen Fussfläche auf den
B<iden gestemmt.
Das kantig Abgeschnittene der Formen im alten Stil,
• Im Lvcischen Hof n. 206 und 205.
ß Altgrieohische Kunst.
WO man später die Natur nachahmend Rundungen bildete, ist
an diesen FiguriBn noch sehr merklich. Man betrachte z. B.
die Seitenfläche der Hinterbacken, oder die Ferse.
Die Köpfe stehen im ältesten Stil gerade auf den Schultern
ohne eine Wendung zu machen, die in das Zwangssystem
dieses Stils nicht passen würde. Die Stirn tritt zurück, die
Nase stark hervor; später, als man nach geistigem Ausdruck
strebte, wird die Stirn mehr vorgeschoben. Die Augen treten
aus dem Kopf heraus; erst als man Acht gab auf den Aus-
druck des Auges, erhielt es die tiefere Lage wie in der Na-
tur. Der Mund ist geschlossen, auch dies im Einklang mit
dem starren Charakter des Ganzen, später leicht geöffnet.
Eine allgemeine Erscheinung an den alterthümlichen Köpfen
ist endlich der lächelnde Ausdruck, mögen Götter oder Men-
schen, Lebende oder Sterbende dargestellt sein. Es ist der
erste Anfang zur Darstellung des Seelenlebens und erklärt
sich, wie später noch näher zu zeigen, aus dem der alter-
thümlichen Kunst eignen Streben nach Innigkeit, Freundlich-
keit und Anmuth. Das Grübchen im Kinn der Münchner
Figur, das sich auch sonst in diesem Stil findet, geht wohl
aus demselben Streben hervor.
Der Kopf des theräischen Apollo übrigens mit seiner ge-
bogenen Nase und den schräg stehenden Augen hat noch
entschieden etwas Ungriechisches.
Das Haar der Figuren und die dasselbe zusammenhal-
tenden, in sehr flachem Relief angegebenen Bänder waren
gewiss bemalt. Namentlich an der von Tenea, wo es nur
sehr wenig ausgearbeitet ist. Denn während an der andern
die einzelnen auf den Rücken herabfallenden Streifen angege-
ben, auch die Löckchen über der Stirn etwas ausgeführt sind,
bemerkt man an dieser über der Stirn nur rohe Wülste und
im Nacken nur horizontale Abtheilungen, die aber auch an
der andern nicht fehlen. Es soll dadurch welliges Haar
dargestellt werden^ man wollte etwas Leben und Bewegung
hinein bringen. Die Löckchen über der Stirn des theräi-
schen Apoll sind eine aus dem Leben genommene Tracht,
der Künstler vermochte aber noch nicht, sie frei und natür-
lich herabhängend darzustellen.
Höchst wahrscheinlich stellen diese Figuren den Apollo
vor. Wir wissen von einem alterthümlichen Apollo, freilich
aber auch von einer Athletenstatue, die beide dieselbe Hal-
tung hatten, wie unsere Figuren. Denn in den ältesten Zeiten
Altgriechische Kunst. 7
<ler Kunst ist das Bedürfiiiss, verschiedene Charaktere durch
verschiedene Stellungen zu bezeichnen, noch schwach entwic-
kelt and man scheute sich nicht, denselben Typus für ver-
schiedene Zwecke zu wiederholen. Doch wird die allgemeine
Uebereinstimmung gewisse, wenn auch rein äusserliche Unter-
schiede im Einzelnen nicht ausgeschlossen haben. Apollo
wird von den ersten Anfängen der Kunst an mit sehr weni-
gen Ausnahmen so dargestellt wie ihn die Dichter schildern,
als unbärtiger Jüngling mit lang herabwallendem Haar, es
ist sehr zweifelhaft ob jene Athletenstatue auch in diesem
Punkte übereinstimmte, da die Athleten in der Kunst wie im
Leben kurzgeschnittene Haare trugen. Auch spricht noch
dieser Umstand für Apollo, dass ausser diesen beiden Statuen
mehrere andre tibereinstimmende, übrigens von älterem Stil
als die von Tenea, an verschiedenen Orten zum Vorschein
gekommen sind. In so alter Zeit aber waren die Athleten-
stiituen noch selten, während Apollo- und überhaupt Götter-
statnen schon lange üblich waren.
An beiden Statuen bemerkt man noch deutliche Spuren,
dass die ägyptische Kunst Einfiuss gehabt hat auf die alt-
^echische. Die gegen die Naturwahrheit hochstehenden
Ohren des theräischen Apollo, eine Eigenthümüchkeit vieler
alterthümlicher Werke, die sich selbst am Parthenonfries noch
vielfach tindet, können nur durch eine Einwirkung von aussen
erklärt werden. Dann sind das Vorsetzen des linken Fusses,
das sich an allen acht alterthümlichen griechischen Statuen
findet, und die am Leibe herabhängenden Arme, beson-
ders aber die Schmalheit der Hüften im Gegensatz zu der
Breite der Schultern Eigenthümlichkeiten der ägyptischen
Kunst, auf welche ein sich frei aus sich selbst entwickelndes
Volk nicht kommen konnte. Nur darf man nicht glauben,
dass diese oder irgend eine andere griechische Statue von
ägyptischen Werken copirt sei. Vielmehr wie sich schon in
der Nacktheit der Figuren ein specifisch hellenisches Princip
ausspricht, das den frühern Völkern nach ihren Sitten und
ethischen Anschauungen fremd war, so regt sich auch in der
Bildung der Formen überall griechische Individualität. Man
braucht nur einen ägyptischen und altgriechischen Fuss mit
einander zu vergleichen um den Unterschied zu fühlen. In
jenem wird die Krümmung des kleinen Zehs ignorirt, die
übrigen ganz parallel gestellt und flach gebildet, so dass er
wie ein abstractes Schema der Natur erscheint, während die
3 Ahgiiechiscbe Kunst.
ältesten griechischen Werke bereits Blick für die Natur und
das Bestreben verrathen, die gegebenen Formen nachzubilden»
Was die Entstehungszeit dieser Figuren betrifft; so ist
mit dem Einfluss der ägyptischen Kunst eine Zeitgrenze nach
rückwärts gegeben. Denn schwerlich konnte ein nachhaltige-
rer Einfluss derselben stattfinden, ehe Griechen einen dau-
ernden Aufenthalt in Aegypten hatten. Das aber geschah
nach Herodot erst unter Psammetich. Auch scheint die
Verfertigung freier Statuen aus Stein in Griechenland nicht
über das siebente Jahrhundert hinüber zu reichen. Der Apoll
von Thera gehört wahrscheinlich noch diesem Jahrhundert
an; er hat wenigstens einen so primitiv rohen Charakter, dass
schwer zu glauben ist, ihm gehe bereits eine längere Ent-
wickelung der Kunst voran. Diese setzt dagegen die Statue
aus Tenea in ihrer bewussteren, präciseren, stilvollercQ Bil-
dung nothwendig voraus, sie scheint im sechsten Jahrhundert
und wohl eher in der zweiten als ersten Hälfte desselben ent-
standen zu sein. Diesem Jahrhundert gehören auch die oben
erwähnten Figuren des Apollo und des Athleten an.
Fimdnotiz über den Apoll von Tlieni im Knnstbl. 1836, n. 18, über
den von Tenea Annali dell' inst. 1847 p. 305. Der erstere ist abg. bei
Scholl Archaeol. Mittheil. Taf. 4, 8 (luigenügend), der andere in den
Monum. ined. dell' inst. IV., 44 und weniger gut bei Overbeck Gesch.
d. griech. Plastik I. Fig. 7. Vgl. Conzc und Michaelis in Annali 1861
p. 79, bullet. 1861 p. 44. 0. Jahn in den Nuove memorie dell' inst.
1865 p. 20. lieber den Einfluss der ägyptischen Kunst auf die grie-
chische sind die Meinungen noch getheilt, ich inusste mich hier begnü-
gen, einige Eigenthümlichkeiten altgriechischer Werke hervorzuheben,
die sich in der ägyptischen Kunst und zwar in ihrer Gesammtheit
nur in dieser wiederfinden und auch nur aus einem Einfluss derselben
abgeleitet werden können, weil sie bei der Annahme einer ganz selbst-
ständigen griechischen Kunstentwicklung mierklärbar sind. Eine jener
Eigenthümlichkeiten, nämlich die Stellung der Figuren, hat man zwar
damit zu erklären gesucht, dass dadurch „das Cultusbild zum Abbild
der ewigen, dem Wechsel des Menschlichen enthobenen, von Leiden
und Leidenschaften befreiten Gottheit" (Overbeck Gesch. d. PI. I., 94)
gemacht werden sollte, aber die Statue des Athleten Arrhachion (Paus.
8, 40) hatte ja dieselbe Stellung wie der Apoll von Tenea, die daher
aus einem allgemeineren Grinide hergeleitet werden muss. Zudem würde
jene Erklärung noch immer nicht diese besondere, mit der ägyptischen
übereinstimmende Stellung, sondern nur eine im Allgemeinen ruhige
Haltung begründen. Es läugnet Niemand, dass die ägyptische Kunst
im Grossen und Ganzen von der griechischen principiell verschieden
ist, aber in den Anfängen der letzteren, um die es sich hier allein
handelt, ist, wie der Text ausfuhrt, trotz aller imverkennbaren Regung
griechischer Individualität doch auch die Abhängigkeit von den Aegyp-
tern in bestimmten einzelnen Zügen sichtlich. Es wird ein ähnliches
Ailgriechische Kirnst. 9
Verhältiüss gewesen sein, wie zwischen der modeiueu iiucl byzantinischen
Kunst.
4. 5. Fries von Assos*,* aus Granit, im Anfang dieses
Jahrhunderts in den Ruinen eines dorischen Tempels entdeckt,
1838 durch Raoul Rochette für Frankreich erworben und
dort im Louvre aufgestellt.
Die Reliefs befanden sich am Architrav des Tempels,
wie man deutlich an ihrem obem Rand sieht, wo der Abakus
und die Regula der Triglyphen, freilich ohne Tropfen, ange-
geben ist. Nur ein Theil des Erhaltenen befindet sich hier
im Abguss, es fehlen die Platten mit den Centauren, und die-
jenigen mit den sehr lebendig dargestellten Thierkämpfen.
Indessen sind überhaupt nur einzelne und unzusammenhän-
gende Stücke erhalten, und es scheint, dass auch ursprünglich
nur ein äusserst loser Zusammenhang zwischen den einzelnen
Gruppen bestand. Es ist wenigstens sehr schwer, die Verei-
nigung der dargestellten Scenen — Thierkämpfe, Centauren,
Herakles und Triton, ein Gelage — zu einem Ganzen zu mo-
tiwen. Vielleicht ist gerade diese harmlose Zusammenstellung
verschiedener gerade beliebter oder bekannter Vorstellungen
ohne verknüpfenden Gedanken charakteristisch für die primi-
tive Kunststufe, welcher diese Reliefs angehören.
Von den beiden grössten Tafeln, die sich nebst .einer
Sphinx hier im Abguss befinden,** enthält die eine das Bild
eines Trinkgelages, wobei die Theihiehmer bereits liegend
dargestellt sind, eine Sitte, welche die Griechen, die ursprüng-
lich, wie aus Homer bekannt ist, zu Tische sassen, von Asien
her angenommen haben. Das Relief der anderen Tafel bezieht
sich wahrscheinlich auf den Kampf zwischen Herakles und
Triton, es kommt wenigstens auf Vasenbildeni eine ganz über-
einstimmende Darstellung vor, wo ein fischleibiger Dämon
mit Menschengesicht, inschriftlich Triton genannt, unter un-
sanften Umarmungen des Herakles zu leiden hat. Auch hier
sieht man wie der Meergott dem Heros zu entwischen strebte,
dieser ihn aber ereilt hat und an beiden Händen festhält.
Was mit dem einem Hörn ähnlichen Gegenstand gemeint ist,
den Triton in der Linken hält, ist schwer zu sagen; auf dem
Rücken des Herakles bemerkt man seinen Köcher.
Die klein'en Figuren die im Ausdruck des Entsetzens
* [>ii Lycisrluui Hof n. 209. 210.
*♦ Die Tafehi hätten aber nicht verbunden werden sollen, denn sie
s<h Hessen nicht unmittelbar an einander.
10 Altgriechische Kunst. .
davon eilen^ sind gewiss Frauen und sollen wahrscheinlich die
Nereiden vorstellen, die durch den wilden Streit aufgescheucht
sind. Man sieht an dem untern Rand des Gewandes, dass
die Figuren lang bekleidet waren, zudem ist Bewegung und
Ausdruck der Figuren für Frauen passender.
Die Reliefs sind hochalterthümlich, wie aus äussern und
innem Gründen hervorgeht. Herakles hat noch nicht die
Löwenhaut, was hier gewiss nicht zufällig ist, sondern da wir
wissen, dass er mit dieser Tracht nicht vor dem Ende des
siebenten Jahrhunderts ausgestattet wurde, als ein Zeichen
höhern Alters angesehn werden muss. Die Architektur des
Tempels hat ferner einiges Ungewöhnliche was auf entfernte
Zeit deutet, es fehlen die Tropfen an dem Tropfenleisten,
und ganz abweichend von dem späteren dorischen Bau, der
bildliche Verzierung nur an den struktiv nicht thätigen Thei-
len zulässt, ist die Bedeckung des Architrävs mit Reliefs.
Endlich weist auch die Composition dieser Reliefs auf durch-
aus primitive Kunst hin, fast komisch wirkt die Zusammen-
stellung der kleinen puppenartigen Gestalten der Nereiden
und des Mundschenken mit den langen und mächtigen Ge-
stalten der übrigen Figuren. So findet man auch auf den
andern Platten komische Verschiedenheiten, gewaltige Stiere
und ganz kleine schwächliche Centauren. Der Grund hierfür
liegt in einem hier zwar unbehülflich ausgesprochenen aber
in weniger empfindlicher Weise auch in der Blüthe der Kunst
befolgten Gesetz, dem des Isokephalismus, d. h. dass die Fi-
guren eines Frieses mit ihren Köpfen gleich hoch hinaufrei-
chen, wodurch es denn freilich nothwendig wurde, den liegen-
den Figuren bedeutend mächtigere Verhältnisse zu geben als
den stehenden. Am Parthenonfries sind die sitzenden, rei-
tenden und stehenden Figuren gleich hoch, gegen die Natur-
wahrheit, aber 'man bemerkt es kaum, weil es durch die
Raum Verhältnisse geboten ist. Es wäre unerträglich, ' wenn
dort die Wirklichkeit befolgt wäre, wodurch über den sitzen-
den Figuren .eine hässliche Lücke entstanden sein würde.
Noch in der letzten Zeit der antiken Kunst, auf römischen
Sarkophagen, kann man dies Verfahren bemerken, das auf
dem Princip beruht, dass Bild und Raum Eins sein müssen
selbst auf Kosten der Naturwahrheit. Auf den griechischen
Vasen findet man ebenfalls viele Beispiele und in früher Zeit
ähnlich komische, wie hier.
Dass diesen Reliefs keine sehr lange Kunstübung vor-
Altgrieoliische Kuust. U
angegangen sein kann^ ist demnach klar^ sie stehen am Anfang
der griechischen Kunst und entsprechenden ältesten griechi-
schen Vasenbildem, auf denen wir ebenfalls die von der
orientalischen Kunst entlehnten Thierkämpfe mit griechischen
und griechischer Sitte entsprechend dargestellten Mjrthen
vereinigt finden. Eben in den letzteren treten uns die ersten
Anfange einer nationalen ^ selbstständigen Kunst entgegen.
Wir werden nicht irren, wenn wir die Reliefs von Assos
und die ihnen entsprechenden Vasen nicht höher als in das
siebente Jahrhundert hinaufrücken.
Abgeb. Mouum. d. inst. Ul., 34 wozu de Witte Auiiali 1841 p. 317
eine kurze Beschreibung gegeben hat. Ein IiTthum ist in der Zeichnung
und im Text begangen, indem die von mir als Nereiden bezeichneten
Frauen hier als nackte Epheben charakterisirt sind. Die Abbildung und
<ier Text bei Ciai^ac musee de sculpturc pl. 116 A und B, II., 2,
p. 1152 flf. sind in diesem Punkt genauer. Vgl. Texier l'Asie mineure
II. pl. 112 — 114 p. 200, der mit überzeugenden Gründen die Bestim-
mung der Reliefs zum Schmuck des Architravs beweist.
Dass die nachhomerische Sitte, bei Tische zu liegen, vom Orient zu den
<yriechen gekommen, schlicsse ich aus einem im britischen Museum befind-
lichen, soviel ich weiss noch nicht pubiicirten assyrischen Relief, auf welchem
i^Bxiz wie bei den Griechen der Mann liegt und die Frau neben ihm sitzt.
Ueber die Tracht des Herakles vgl. 0. Müller Dorier I., 446. Audi
auf den ältesten Vasenbildern ist Herakles noch ohne Löwenhaut und
Keule wie schon von Preller Arch. Ztg. 1854 p. 294 hinsichtlich der
Vase bei Welcker A. D. III., 6 bemerkt ist. Vgl. Anhaeol. Ztg. 1859
Taf. 125. Monum. d. inst. VI., 33. 56.
Ein Beispiel für den Isokophalismus auf römischen Sarkophagen
giebt das obere Bild des Berliner Musensarkophags Archaeol. Ztg. 1.
Taf." 6, ein recht komisches aus der alten Vasenmalerei die von Michaelis
Annali 1862 Tav. d'agg. B. publicirte Vase und die mit ihr überein-
stimmende in Berlin. Viele Beispiele bietet ausserdem die altetruskische
Kunst. Vgl. z. B. im Berliner Museum n. 503 a.
Dass die mit Thierfiguren verzierten Vasen kaum etwas von grie-
«hischer Individualität veiTathen, bedarf jetzt keines Beweises mehr, die
national griechische Malerei beginnt erst da, wo griechische Mythen und
griechischiß Darstellungsformen, z. B. die Nacktheit, auftreten. Die obige
Bemerkung über das Kostüm des Herakles bietet uns einen terminus
ante quem für die ältesten griechischen Vasen, bedenkt man aber, dass
«lie noch durchaus primitiven Vasen mit Dai*stellungen der Geburt der
Pallas nach Stesichorus gearbeitet sind (vgl. Schol. Apollon. Rhod. IV.,
1310), so wird man mit den Anföngen der eigentlich griechischen Va-
senmalerei nicht über das siebente Jahrhundert hinaus kommen. Bei
solchem • Ansatz erscheint uns die Vasenmalerei in stetigem Fortschritt
begriffen, der einer lebendig str€yi)enden Kmist natürlich und nothwendig
i:»t, setzt man aber die Anfönge höher an, so ist man genöthigt, einen
nicht zu motivirenden Stillstand in der Entwickelung anzunehmen. Vgl.
die Bemerkungen Bnum's bullet. 1861 p. 9 über die von Conze heraus-
gegebenen melischen Thongefasse.
12 Altgriechische Kuii&t.
6 — 9. Metopenreliefs von Selinunt*. Die drei zu-
nächst folgenden Reliefs, in Tuf stein gearbeitet, wurden im
Sommer 1822 von den englischen Architekten William Harris
und Samuel Angell unter den Trümmern eines alterthiUnlichen
dorischen Tempels auf der Burg von Selinunt entdeckt und
befinden sich seitdem im Museum von Palermo.
Das erste, aus 32 Stücken zusammengesetzt, stellt den
Perseus dar, in Gegenwart seiner Schutzgöttin Athene der
Meduse das Haupt abschneidend. Er ist wie es scheint, nur
mit einem Schurz bekleidet, wenn nicht vielmehr anzunehmen,
dass dieser Schurz nur das Ende eines knapp anliegenden
kurzen Gewandes ist, dessen oberer Rand durch Farbe be-
zeichnet sein konnte. Die Schuhe sind nicht Flügelschuhe,
mit denen der Mythus den Perseus ausstattet, sondern die im
alterthümlicheh Stil, unter Anderm auch bei Hermes sehr ge-
wöhnlichen Schnabelschuhe; eine einfache runde Kappe mit
schmalem Rande, die auch Hermes oft trägt, bedeckt den
Kopf. Die Meduse, die wohl mit einem durch Malerei ange-
deuteten kurzen Gewände bekleidet war, ist kraftlos ins Knie
gesunken und hält in ihren Armen mit naiver Zärtlichkeit
den Pegasus, der aus ihrem Blute entstand. Die unschöne
Art, wie die Geburt des Pegasus sonst in alterthümlicher
Kunst dargestellt wird — er ragt nämlich mit halbem liCib
aus dem blutenden Halse der Medusa hervor — hat der
Künstler hier vermieden, Pegasus ist bereits aus den herab-
fallenden Blutstropfen entstanden, und das Wunder sich be-
greiflich zu machen, bleibt dem Betrachtenden überlassen. Die
Meduse ist entsprechend der naiven Neigung des alten Stils
zu wilden Schreckgestalten in höchster Scheusslichkeit dar-
gestellt, doch fehlen ihr noch die schlangendurchflochtenen
Haare, die sie später unter dem Vorgang des Aeschylus und
Pindar erhielt. Pallas steht starr da, nicht um die feierliche,
affektlose Ruhe der Gottheit zu repräsentiren, sondern in
Folge des alterthümlichen Stils, der die bei einer Handlung
nicht direct betheiligten Personen in absoluter Regungslosig-
keit bildet. Ihre rechte Hand scheint auf der Brust gelegen
und vielleicht einen Speer gehalten zu haben, die Aegis war
durch braunrothe Farbe an Hals und Brust angedeutet. Mit
derselben Farbe war auch der Grund der Figuren bemalt,
und die in Form eines Mäanders an der breiten vordem
* Im Lycischen Hof n. 270 — 273.
Altgriechische Kunst. 13
Falte des Gewandes der Göttin herablaufende Verzierung.
Auch sonst noch fand man Farbenreste am Gewände, und
Augen und Augenbrauen der Göttin waren schwarz gemalt,
die Augen der Meduse roth. Der eine von Pegasus sicht-
bare Flügel zeigt auch Farbenspuren*.
Das zweite aus 48 Bruchstücken zusammengesetzte Re-
lief stellt den Herakles mit den Kerkopen dar. Er hat die
neckischen und diebischen Kobolde, die ihm keine Ruhe Hessen,
eingefangen und an Händen und Füssen gebunden und trägt
sie nun auf einem Tragholz wie ein paar erbeutete Thiere
davon. Der starke Schritt und die straffe Anspannung der
Beine, wodurch es veranlasst ist, dass beide Füsse gegen die
Naturwahrheit mit der vollen Fläche der Sohle auf dem Bo-
den stehen, sind charakteristisch für den Stil der alterthüm-
lichen Plastik und Malerei, die vor Allem nach dem Ausdruck
von Kraft und Tüchtigkeit strebt. Während Herakles in an-
dern Kunstschulen Griechenlands in älterer Zeit bärtig dar-
gestellt wurde, ist er hier jugendlicher aufgefasst, und trägt
im Gegensatz zu den Kerkopen, kurze Haare, worin schon
ein Gefühl für das Eigenthümliche seines Wesens sich aus-
spricht. Bekleidet ist er mit einem kurzen durch Malerei
deutlicher bezeichneten Gewände, das durch einen Gürtel ge-
halten wird, sein Schwert hängt eigenthümlicher Weise ganz
horizontal, vielleicht um es sichtbar zu machen oder um die
Lücken vor und hinter dem Körper symmetrisch zu durch-
schneiden. Der Schwertriemen und der Gürtel sind durch
einen rothgemalten Streifen bezeichnet, ebenso die Bänder,
womit die Kerkopen, deren Gewandung gleichfalls durch einen
rothen Strich am Hals und an den Armen angedeutet ist, an
Knöcheln, Knien und Händen gebunden sind. Auch der Grund
des Reliefs war roth bemalt, und an der obem Platte hat
man noch deutliche Spuren eines roth gemalten Mäanders be-
merkt.
Das dritte Relief ist aus 59 Stücken zusammengesetzt,
doch fehlt noch viel um die Darstellung deutlich zu erkennen.
Die Restauration hat dem Relief die Metopenform und deren
Maass gegeben, und es ist auch immer am wahrscheinlichsten,
dass es, wie jene anderen, ursprünglich eine Metope gefüllt
• In demselben Saal hängt ein farbiger Abguss dieses Reliefs,
dessen Bemalung aber nicht mit den Ausgrabungsberichten, wonach das
,^ .-. •-'Mtokte der Figuren farblos war, übereinstimmt.
rf.- ■
14 .Altgriechische Kunst.
hat. Der Vorsprung der untern Platte, auf welcher die Fi-
guren stehen, ist allerdings beträchtlicher, hier 14—15, dort
nur 6 Zoll, allein diese Ungleichheit, die durch die Darstel-
lung der Pferde in der Vorderansicht veranlasst scheint, die
schon jetzt verkürzt sind, konnte durch die Aufstellung für
das Auge verschwinden. Der Stil ist aber nicht in dem
(jrade vorzüglicher um eine gleichzeitige Verfertigung auszu-
schliessen.
Es scheint dass die vier Pferde, die in einer im alten
Styl typischen Weise so dargestellt sind, dass die innern und
äussern und zwar letztere mit auswärts gewandten Köpfen
unter sich correspondiren, von der mittlem Figur gelenkt
werden. Von dieser ist erhalten der Kopf, der Leib über
dem Wagen, dessen Vorderwand, Deichsel, Achse und Räder
man sieht und der linke Vorderarm mit der Hand, welche
tlie nach dem rechten Eckpferd und seinem Nachbar führen-
den Zügel hält. Die äussern Pferde stehen den innern etwas
voran, vermuthlich um den hinter ihnen befindlichen Figuren,
Frauen mit lang herabhängenden Gewändern, Platz zu machen.
Eine neben dem Kopf der mittleren Figur befindliche linke
Hand gehört der Figur zur Linken an, ein rechter gleichfalls
erhobener Vorderarm ist von der zur Rechten sichtbari Ueb-
rigens sind die neben dem Wagen stehenden Figuren eben
so hoch wie die auf demselben stehende, nach, dem beim
Fries von Assos (n. 4) berührten Gesetz, die Pferde aber sind
zu klein im Vergleich zu den Menschen, vielleicht um die
Verdeckung der hinter ihnen stehenden Figuren zu vermeiden,
doch könnte diese Abweichung von der Natur, die auch in
der späteren Kunst und unter andern Verhältnissen vorkommt,
auch schon hier aus dem Bestreben erklärt werden, di« der
Bedeutung nach wichtigeren Figuren auch äusserlich als sol-
che hervorzuheben. Am Pferdegeschirr, am Wägen und auf
dem Grunde des Reliefs haben sich auch hier Spuren rother
Farbe gefunden. Auf eine Erklärung dieses Stücks muss
durchaus verzichtet werden.
Das Relief dieser Werke steht dem Ursprung des. Re-
liefstils noch sehr nahe, die Figuren sind an. den Seiten nicht
gegen den Grund zu gerundet und auf ihrer - Vorderseite
durchaus flächenartig gehalten. Erst später werden die Re-
lieffiguren vom und an den Seiten nach Art freier Figuren
gerundet, ursprünglich waren sie, mochte das Relief hoch oder
niedrig sein, Flächenfiguren, für die Fläche, geschaffen^ deren
. Altgriechische. Kunst. j^5
Schmuck sie sein sollten. Um dieser Anfordernng zu ent-
sprechen, begeht der älteste strengste Reliefstil sogar die
stärksten Verstösse gegen die Naturwahrheit. Gewöhnlich
werden nämlich, auch in der ältesten Malerei, Kopf und Beine
der Figuren ins Profil gestellt, während man, wie hier, die
Brust von vom sieht. Auf ägyptischen und assyrischen Re-
liefs bemerkt man dasselbe. Offenbar wollte man durch die
Profilstellung von Kopf und Beinen das Heraustreten vorra-
gender Theile, der Nase und der Füsse, aus der Fläche ver-
meiden, wäre aber auch die Brust ins Profil gestellt, so
würde sie mit der einen Schulter aus dem Niveau der Fläche
herausgetreten sein, während sie von vom gesehen durchaus
darin bleibt. An den selinuntischen Reliefs sieht man aller-
dings auch die Köpfe von vom, weil deir Künstler hier bei
ilem hohem Vorsprang des Reliefs ohne wesentliche Beein-
trächtigung der fiächenartigen Behandlung wenigstens Kopf
und Brust in Harmonie setzen konnte. Die von vom gesehe-
nen Köpfe machen auch einen- lebendigeren Eindrack und
insbesondere konnte derjenige der Meduse, dem erst in spä-
ten Zeiten der Kunst Profilstellung gegeben wird, sich nur
von vorn präsentiren, wenn die schreckhafte Wirkung, die
dem Medusenkopf beigelegt wird, zur Anschauung kommen
sollte. Die Haltung der Arme an den ältesten Relieffiguren
wird ebenfalls durch die Rücksicht auf Innehaltung der Fläche
bedingt, der rechte auf der Brast liegende Arm des Herakles
soll nichts Besonderes ausdrücken, sondern ist nur hierdurch
veranlasst. Auch die Köpfe der äussern Pferde auf dem
dritten Relief scheinen nicht bloss der Abwechslung wegen
herumgedreht zu sein, sondern um in einer Fläche zu bleiben
mit den Köpfen der zurückstehenden mittleren.
E^inige Einzelheiten, die hochstehenden Ohren, die ausser-
dem, namentlich bei der Meduse, nicht am Kopf anliegen,
sonderh in merkwürdiger Weise herausgebogen sind, wie man
es an ägyptischen Werken findet, weisen auch hier auf fremde
Einflüsse, im Ganzen aber tragen diese Sculpturen den. Cha-
rakter primitiver IJnbehülflichkeit; eine längere Kunstübung,
die zur Begründung eines festen Stils erforderlich ist, kann
ihnen nicht vorausliegen. Bemerkenswerth ist in dieser Hin-
sicht das Schwanken in den Proportionen der Figuren, He-
rakles, ist 5 Kopflängen hoch, Minerva 4^/4, Perseus aber
nur 4^4.
Diese Angaben charakterisiren zugleich den derben, un-
1(5 Altgriechische Kunst.
tersetzten Bau dieser Figuren. Die Tendenz dieses Stils
scheint der Ausdruck möglichster Bj*aft zu sein, daher das
Gedrungene und die gewaltige Muskelfülle der Gestalten.
Dies stimmt zusammen mit dem schweren, gedrückten Cha-
rakter der Architektur, mit welcher diese Sculpturen in Ver-
bindung standen. Doch ist er nicht dadurch veranlasst, denn
es sind auch anderswo ganz ähnliche Monumente, die sich
nicht an einem Tempel befanden, zum Vorschein gekommen,
in Selinunt ist er in drei verschiedenen Entwicklungsstadien
zu beobachten und immer bleibt ihm die Neigung zum Der-
ben und Kräftigen wenn auch in geringerm Grade eigenthüm-
lich. Man hat ihn in neuerer Zeit, als man anfing, innerhalb
der altgriechischen Kunst verschiedene Richtungen zu unter-
scheiden, als dorischen Stil bezeichnet, da ja Selinunt und
Sparta, wo er auch vertreten ist, dorische Städte waren und
ausserdem die angegebene Eigenthümlichkeit dem Wesen des
dorischen Stammes zu entsprechen schien, nur darf man nicht
glauben, dass alle dorischen Städte in dieser Weise bildne-
risch thätig gewesen seien.
Die Reliefs können nicht früher als gegen den Schluss
des 7. Jahrhunderts — der Erbauungszeit von Selinunt —
entstanden sein, doch auch schwerlich lange nachher. We-
nigstens ist der Tempel, zu dem sie gehören, unzweifelhaft
im Anfang der Stadt gebaut, da er von allen der alterthüm-
lichste ist und sich auf der Akropolis befindet, deren Heilig-
thümer zuerst erbaut wurden. Gewiss aber sind die Re-
liefs mit dem Bau gleichzeitig, die Tracht des Herakles
giebt uns hier, wie beim Fries von Assos (n. 4) eine Zeit-
grenze und der primitive Charakter der Sculpturen ist dieser
Annahme nur günstig.
Nicht von einem Tempel der Akropolis von Selinunt,
sondern der Unterstadt stammt endlich das vierte Metopen-
relief, mit einem andern ähnlichen von den oben genannten
englischen Architekten gefunden und auch in Palermo befind-
lich. Die Metopentafel bestand aus zwei durch metallene Ha-
ken verbundenen Stücken, von denen sich nur das untere er-
halten hat. Doch ist wenigstens genug übrig geblieben, um
die Handlung zu verstehen. Die schwerbekleidete Frau zur
Linken schwang, wie aus der Stellung des Unterkörpers zu
schliessen, mit der Rechten eine Waffe gegen den bereits ins
Knie gesunkenen Gegner; gewiss ist der Kampf einer Göttin
gegen einen Giganten gemeint, der auch in dem andern von
Altgriechiscbe Kuost 17
demselben Tempel stÄmmenden Metopenfragment dargestellt
scheint. Es wtirden demnach an diesem Tempel mehrere
Metopen sich auf einen und denselben Mythus bezogen haben,
wie es meistens in der vollendeten Zeit der Knnst der Fall
war, während an jenem älteren Tempel kein sachlicher Zu-
sammenhang zwischen den einzelnen Reliefs gewesen zu sein
scheint Der Gigant ist nach älterer Weise ohne Schlangen-
fOsse und bekleidet dargestellt, ttber dem kurzen Rock trägt
er einen Lederpanzer und darüber soU auch noch ein Fell
bemerklich sein, das jedenfalls durch Farbe deutlicher her-
vorgehoben war. An einem Tragriemen h^gt seine Schwert-,
scheide, das Schwert hielt er gewiss zu seiner Vertheidigung
in der Rechten, hinter ihm steht sein Schild.
Dies Relief zeigt allerdings noch die breite, vierschrötige
Bildung der Gestalten der früheren Zeit, es ist auch in der
ReUefbehaadlung noch sehr verwandt, doch aber im Stil be-
deutend vorgeschritten und auch darin, dass die Metope nur
zwei Figuren enthält, wie es der durchgehende Brauch in der
Blüthezeit der Kunst ist. Denn so lange man steife, gradli-
nige Gestalten bildete, bedurfte man wie jene alten Metopen
zeigen, ihrer drei zur Ausfüllung dieses Raums, der Fortschritt
zu bewegteren Stellungen — namentlich Kämpfergruppen wa-
ren willkommen für die Metopenreliefs — brachte die Be-
schränkung auf zwei mit sich. Durch die Darstellung beweg-
ter Gestalten wurde zugleich der etwas monotone Parallelismus
zwischen den vertikalen Linien der Gestalten und der be-
grenzenden Triglyphen aufgehoben.
Dem Stil nach niöchten wir das Relief der zweiten Hälfte
des sechsten Jahrhunderts oder einer noch etwas späteren
Entstehungszeit zuschreiben.
Üeber die Auffindung der Reliefs vgl. Klenze bei Thiersch Epochen
d. bild. Kunst d. Gr., 2. Aufl. p. 405 ff., wo sie auch ungenügend ab-
gebildet sind. Am besten dagegen bei Serradifalco Antichitä di Sicilia
II. Tav. 25 ff. (der übrigens die Löwenhaut als Tracht des Herakles an-
giebt, was ich nach den Abbildungen nicht glauben kann) und danach
bei Müller- "Wieseler I. Taf. 4. 5. und Overbeck Gesch. d. gr. Plast. I.
Rg. 6, endlich auch bei Hittorf architecture de la Sicile, livraison 4,
pl. 24. 25, (wo aber etwas weniger Farbenspuren angegeben, als nach
Serradifalco vorhanden sind) und das fragmentirte Relief livr. 8 pl. 49
(mit etwas verfehlter Ergänzung), Aeltere Literatur bei 0. Müller Hand-
buch §. 90, 2. Zu vergleichen ist das spartanische Relief in Annali
1861 Tav. C. p. 34. Ueber die Wahl von Kampfscenen zur Verzierung
der Metopen Bröndsted Voyage en Grece H.
Friederichs, griech. Plastik. 2
18 Ahgriechische Kunst.
10. Samothracisches Relief*, aus Marmor, 1790 auf
der Insel Samothrace entdeckt, und in den Besitz des Grafen
Choiseul- Bouffier gekommen, seit 1816 in Paris im Louvre.
Es ist hier in eine Wand eingelassen und dabei zu Schaden
gekommen. Den Rand desselben bildete nämlich ursprünglich
der geschuppte Hals und offne Rachen eines gehörnten ün-
thiers, der nun fast ganz zerstört ist. Doch ist wenigstens
in Zeichnungen der ursprüngliche Zustand erhalten.
Die Bestimmung dieses Reliefs ist nicht klar. Man hat
vermuthet, es sei ein Stück der Armlehne eines Sessels oder
auch eines Tischfusses, da an Geräthen beiderlei Art der aus-
geschweifte Rand oft mit einem Thierkörper ähnlicher Art
verziert ist. Indessen spricht gegen erstere Annahme dies,
dass sich an der Platte wohl schon eine Spur der Krümmung
zeigen müsste und gegen beide, dass sich an der Hinterseite
und oben und unten Spuren erhalten haben sollen, die auf
eine Befestigung an einer Wand schliessen lassen. Der eigcn-
thümliche volutenartige Körper zur Rechten ist offenbar das
phantastisch behandelte Hörn des den Rand bildenden Unge-
thüms. Die Verzierung am obern Rand, aus Blüthen und
Palmetten zusammengesetzt, findet sich sehr gewöhnlich am
Hals der bemalten Vasen alterthümlichen Stils und ist sehr
passend als Bekrönung, als Abschluss nach oben. Unten ist
ein Saum angebracht in Form eines Geflechts, eine Verzierung,
die wie jene erste in griechischer und etruscischer und orienta-
lischer Kunst sehr beliebt ist.
Ueber die Darstellung lassen die beigefügten Inschriften
keinen Zweifel. Es ist Agamemnon vorgestellt, auf einem
Klappstuhl sitzend, hinter ihm sein Herold Talthybios mit dem
Heroldstab und Epeios (von dessen Namen nur die drei ersten
Buchstaben erhalten sind), der Erbauer des hölzernen Rosses,
der aber in der Dichtung auch als ein Diener der Könige
auftritt. Vielleicht hielt auch er einen Heroldstab, der dann
durch Malerei angedeutet sein musste. Die feierliche Erschei-
nung des Agamemnon mit den Dienern hinter seinem Stuhl
lässt vermuthen, dass irgend eine wichtige Scene der Bera-
thung oder königlichen Entscheidung vorgestellt war, von
welcher uns nur dies Bruchstück übriggeblieben.
Das Relief ist sehr interessant für die Geschichte dieser
Kunstgattung. Wir deuteten schon bei den selinuntischen
* Im Lycischen Hof n. 207.
Altgriechische Kunst. 19
Reliefs (n. 5) darauf hin; dass die ältesten Relieffiguren; wie
sie uns in ägyptischen, assyrischen, altgriechischen und alt-
etruscischen Werken entgegentreten, nichts weniger als hal-
birte Menschen sind. Dazu wurden sie erst später, als man
das Bedttrfniss nach einer der Realität mehr entsprechenden,
runden Bildung fühlte. Ursprünglich aber ist jede Figur nur
ein stehengebliebenes Stück einer Fläche, das sich daher auch
mit kantigem Contour vom Grunde abhebt. Denn das Cha-
rakteristische des ältesten Reliefs liegt darin, sich der Archi-
tektur, an der es sich befindet, unbedingt unterzuordnen und
aufs Engste zu assimiliren und eben darum bleibt es selbst
Fläche, während die ganze spätere Entwicklung des Reliefs
darauf gerichtet ist, die Plastik vom architektonischen Hin-
tergrunde zu lösen und selbstständiger zu machen. Je flächen-
artiger aber das Relief gehalten, um so nothwendiger ist die
Hinzufügung der Farbe, damit das, was plastisch nur leise
angedeutet werden konnte, zur Wirkung komme.
In den ältesten Werken ist nun das Flächenartige des
Reliefs bis zu dem Grade festgehalten, dass manche Figuren
ganz glatte Flächen sind. Und eben dies ist der Fall an der
Figur des Agamenmon. In der Blüthezeit der griechischen
Kunst dagegen wird zwar auch noch das flächenartige Relief
festgehalten — und darin liegt vornehmlich der ruhige und
edle Eindruck des griechischen Reliefs im Gegensatz zum rö-
mischen begründet — aber doch nicht in der extremen Weise
jener alten Werke, sondern innerhalb der Fläche wird.Vor-
und Zurücktreten und Rundung der einzelnen Glieder ausge-
drückt In dem samothracischen Relief sind aber die Beine
der beiden Diener in gleicher Höhe gehalten, so dass man
nicht weiss, welches das vor- und welches das zurückstehende
ist. An den Gewändern dieser beiden Figuren sind übrigens
schon ganz feine Falten angegeben. Malerei unterstützte un-
zweifelhaft auch hier die Wirkung des Reliefs, es sollen sich
auch Farbenreste erhalten haben.
Die Figuren, die nach der Weise der ältesten Kunst in
Stellung und Anzug sich genau wiederholen, sind im Ganzen
mager und schlank, gerade im Gegensatz zu den selinunti-
schen Reliefs. Aber auch mit den altattischen Reliefs haben
sie wenig Verwandtschaft. Die Frisur ist ähnlich der des
Apollo von Tenea, Agamemnon ist wahrscheinlich zum Aus-
druck höherer Würde, durch längeres Haar ausgezeichnet.
Die Inschriften sind nach einer dem alten Stil eignen
2*
20 Altgriechische Kunst.
Weise nicht gerade fortiaufeud, sondern in gewundner Linie
geschrieben. Per alterthümliche Yasenstil giebt dazu reich-
liche Belege und zugleich die Erklärung, da wir von der Va-
senmalerei hinreichendes Material besitzen, um die historische
Entwicklung genau verfolgen zu können. In der Kindheit
der Kunst nämlich, da man noch nicht die edle Einfachheit
der spätem Zeit kannte, Hess man die Zwischenräume der
Figuren nicht gerne leer, sondern füllte sie aus mit Orna-
menten oder mit Inschriften, die desswegen manchmal in den
wunderlichsten Windungen die Darstellung durchziehn. Sie
sind hier in altjonischem Alphabet abgefasst, doch ist aus
ihnen keine genaue Zeitbestimmung zu entnehmen. Aus dem
Stil wird man nur soviel bestimmen dürfen, dass das Werk
schwerlich später als um's Jahr 500 zu setzen ist
Abg. Millingen Anc. unedited monuments Ser. 2 pl. 1. Clarac
musee de sculpt. pl. 116, 238. Stackelberg in Annali d. inst. I. tav.
C, 2. Müller -Wieseler Denkm. d. A. Kunst I., 11, 39. Vgl. Dubois,
catalogue d'antiquitös de feu le comte de Choiseul-Gouffier 1818 p. 38
n. 108. Clarac description du Louvre n. 608. 0. Müller Kl. Sehr. II
598 fP. und in Völkel's Archaeol. Nachlass p. 171.
In der Art des Reliefs stehen diesem Werk am nächsten ein lako
nisches und ein lycisches Relief, beide im britischen Museum und, so-
viel ich weiss, noch nicht publicirt. Ob die Griechen selbstständig auf
diese Anfange des Reliefs und auf die bei den selinuntischen Metopen
hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten gekommen sind, ist mir sehr zwei-
felhaft. Denn wenn sie überhaupt in irgend einem Punkt von Andern
gelernt haben, so ist es natürlicher, auch hier die Uebereinstimmung
mit den Werken fremder Völker aus demselben Grunde abzuleiten.
Ueber die Anordnung der Inschriften vgl. Völkel's Archaeol. Nach-
lass p. 152 und Friederichs, die Philostratischen Bilder p. 211. 212.
Dass wegen des (sicher vorhandenen) £i im Namen des Agamemnon die
Inschrift und damit das Werk nicht nach Ol. 70 entstanden zu sein
brauche, wie meistens angenommen wurde, wird jetzt nicht mehr be-
stritten werden. Vgl. Kirchhoff Studien zur Gesch. d, griech. Alphabets
in d. Abhandl. der Berliner Akad. d. Wiss. 1863 p. 141 ff. 145.
B. Werke aus der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts.
a)Die attische Kunst
11. Athene*, Statuette von Bronce, von Prof. Ross
1836 im Unterbau des Parthenon gefunden, in Athen befindlich.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 222.
Attische Kunst. 21
Die Gröttin ist in Angriffsstellang; sie hatte in der Linken
den Schild^ dessen Handhabe zurückgeblieben^ in der Rechten
die Lanze ; oben auf dem Helm befindet sich ein Loch zum
Einsetzen eines Helmbusches. In der Tracht entspricht sie
der Göttin des äginetischen Giebels und der Dresdener Pallas*,
letzterer auch in der Stellung, es ist daher die der letzteren
gegebene genauere Bestimmung auch auf sie anwendbar. Ver-
muthlich war die Figur ein Weihgeschenk.
Dass das kleine Werk, welches sich übrigens nicht durch
l>esonders feine Ausführung auszeichnet , älter ist als der
Parthenon, geht aus Fundort und Stil hervor; eine nähere
Zeitbestimmung ist schwerlich möglich**.
Abg. Ross Arcliaeol. Aufs. I. Taf. 7 p. 106, wo aber der IiTthum
hinsichtlich der Kopfbedeckung zu berichtigen ist. Eine ganz überein-
stimmende Bronce ist auf Aegina gefunden, buUeU d. inst. 1864 p. 78.
12. Gorgonenhaupt***, an einem S^irnziegel aus Terra-
kotta, 1836 von Prof. Ross im Unterbau des Parthenon ge-
funden, in Athen befindlich.
Das Gorgonenhaupt ist hier, wie überhaupt in der ganzen
älteren Eunst^ nur als ein abschreckendes Symbol behandelt,
nicht als ein abgeschlagener,/ sterbender Kopf, wie es in
späterer Zeit aufgefasst wurde. Auch die breite, fast kreis-
runde Form des Gesichts und die wilde Hässlichkeit der
Züge sind specifisch alterthümlich. Diese Maske ist der
selinuntischen Meduse (n. 6) sehr ähnlich und unterscheidet
sich nur durch die Schlangen, die wie ein Halsband umge-
knüpft zu sein scheinen, und durch den naiven Schmuck der
Ohrringe, der an Medusenköpfen selten ist und auch dem
Charakter derselben eigentlich widerspricht. Die ganze Maske
war bemalt und zwar der Natur entsprechend: das Gesicht
gelblich, die Haare bläulich-schwarz, Lippen und Zunge roth,
Zähne weiss, die Schlangen bläulich, die Ohrringe roth. lieber
den letzteren bemerkt man an jeder Seite mehrere abwechselnd
blau und roth bemalte Streifen, deren Bedeutung uns nicht
klar ist.
• Im Griechischen Saal u. 23 u. 57.
•• Wir haben dieses und die beiden folgenden altattischen Werke,
Toii d^neu sich uur sagen lässt, dass sie vor der Mitte des fünften
Jaiirhnnderts entstanden, bloss desswegen unter dem obigen Zeitabschnitt
au%efuhi-t, um sie nicht von den übrigen altattischen Sculpturen, welche
deins«*lben mit Sicherheit zugewiesen werden können, zu trennen.
*** Im Griechischen Saal n. 362.
22 Attische Kunst.
Abg. mit den Farben bei Ross Archaeol. Aufs. I. Taf. 8. p. 109
und Laborde, le Parthenon, Titelbild. Medusenköpfe mit Ohrringen bei
Levezow Gorgonenideal, Abh. der Berl. Akad. d. Wiss. 1833 Taf, 2,
n. 21. 22. Vgl. die Bemerkungen über die Meduse Rondanini im
Treppenhaus n. 133. 158.
13. Kolossale Eule*;, aus Marmor, auf der Akropolis
von Athen gefunden, in der Nähe von alterthümlichen Säulen,
auf deren einer sie ursprünglich gestanden haben wird; in
Athen befindlich.
Es war etwas sehr Gewöhnliches, als Weihgeschenk an
die Götter die ihnen lieben Thiere in der verschiedensten
Grösse und Materie zu schenken, auch diese Eule ist ein
solches Geschenk an die Pallas, das auf einer Säule im
Heiligthume der Göttin aufgestellt war. Der Stil und die
Inschriften der beiden Säulen, deren eine die Eule getragen
haben wird, sind noch sehr alterthümlich. Das Detail der
Figur, das nur mit* schwachen Zügen bezeichnet ist, war
ursprünglich gewiss durch Farbe wirksamer hervorgehoben.
Abg. Ross Archaeol. Aufs. I. Taf. 14, 3 p. 205.
14. Pferdekopf**, Rest eines Marmorreliefs, im Jahre
1835 am Parthenon gefunden^ in Athen befindlich.
Die leeren Augenhöhlen waren, nach einer im alten Stil
nicht seltenen Praxis, mit einer farbigen Masse, Glas oder Stein,
ausgefüllt, auch die Ohren waren besonders gearbeitet und ein-
gesetzt, wie es bei frei abstehenden Gliedern, namentlich bei
den Geschlechtstheilen, der Bequemlichkeit wegen nicht selten
geschah. Die unausgearbeitete Mähne wird farbig gewesen
sein. Der Charakter der Formen ist schon derselbe, wie
am Fries des Parthenon. Da bereits die Adern ausgedrückt
sind, so gehört das Werk jedenfalls schon dem fünften Jahr-
hundert an. Wir haben eine Nachricht, dass die Adern zuerst
von einem Künstler aus der ersten Hälfte des fünften Jahr-
hunderts dargestellt seien und unsere Monumente bestätigen
durchaus die Richtigkeit dieser Angabe. Wie wir schon bei
der Vergleichung des Apoll von Thera und Tenea (n.. 2. 3)
bemerkten, schreitet die Kunst von einer mehr ümrissartigen
Darstellung zu immer genauerer Angabe des Details fort.
Vgl. Ross Archaeol. Aufs. I. p. 93. Scholl Arch. Mitth. p. 119
* Im Griechischen Saal n. 50.
** Im Lycischen Hof n. 204.
Attische Kunst. 23
•
iu 163. Aehnliche Behandlung der Augen an dem kalbtragendeu Her-
mes Arch. Ztg. 1864 Taf. 187 p. 171 und an dem zum Parthenon ge-
rechneten Fragment im Griech. Saal n. 21. Die Bemerkung des Plinius,
dass Pythagoras von Rhegium zuerst die Adern an seinen Statuen aus-
gedrückt habe, wird gewöhnlich nicht in strengem Sinne des Wortes
genommen, vgl. Bruim Gesch. d. griech. Künstl. I. 140 und Overbeck
tiesch. d gr. PI. I. p. 166, (der sich etwas künstlich mit den nach sei-
ner Ansicht vor Pythagoras entstandenen Aegineten auseinandersetzt).
Wenn wir aber ganz von Plinius absehn und uns nur an die Monu-
mente halten, so erhalten wir dasselbe Resultat. An den Statuen des
Harmodios und Aristogeiton aus Ol. 75 (n. 24. 25) sind die Adern aus-
gedrückt, aber an keinem einzigen frühem Werk, ja nicht einmal an
solchen, die wie der sog. Odysseus in Neapel (n. 21) mindestens gleich-
zeitig, wenn nicht später entstanden sind.
15 — 17. Drei Torsen kleiner, weiblicher Figu-
ren*, aus Marmor, in Athen befindlich.
Eine Erklärung dieser Fragmente zu geben, ist uns un-
möglich, sie sind aber kunsthistorisch nicht ohne Interesse.
Wir sehen schon hier das Bestreben, verschiedene Stoffe im
Ober- und Untergewand auszudrücken und dadurch die ganze
Gestalt zu beleben. Das Untergewand ist, wie auch an den
folgenden altattischen Sculpturen (n. 18. 19), von Wolle und
dieser Umstand berechtigt uns, diese Werke nicht früher, als
in die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts zu setzen. Denn
bis dahin trug man in Athen den linnenen jonischen Chiton.
Charakteristisch ist auch die Art, wie das Obergewand an
den beiden, ziemlich übereinstinunenden Torsen getragen
wird. Es ist nämlich wie ein modernes Umschlagetuch um-
genommen, so dass die beiden Zipfel über Schulter und Arme
vollkommen symmetrisch herabhängen. Diese Tracht ist im
alten Stil ungemein häufig und entspricht dem strengen
Parallelismus dieses Stils, in der Zeit der Kunstblüthe wurde
sie aufgegeben. Das an dem grossesten dieser Torsen vom
Hals herabhängende Gewandstück ist uns unverständlich.
Abg. Le Bas, monum. fig. pl. 2. 3. Vgl. Scholl, Arch. Mitth.
p. 24 n. 5 (wo nur das Versehn zu corrigiren, dass nicht das rechte,
hondern das linke Bein vorgesetzt ist) n. 8 und 9.
18. Hermes oder The'seus (?) **, Fragment eines
Marmorreliefs, im Jahre 1859 auf der Akropolis von Athen
gefunden, ebendaselbst befindlich.
* Im Griechischen Saal n. 51=53.
•* Im Lycischen Hof n. 283.
24 Attische Kunst.
Dieses äusserst liebenswürdige Stück altattischer Eonst
wird als Hermes oder Theseus erklärt. Es finden sich näm-
lich auf alterthümlichen Yasen genau entsprechende Gestalteu
des Theseus, wo er, mit vorübergeneigtem Körper, das Schwert
in der Rechten, die Linke ausgestreckt, auf den Minotaur
zueilt, um ihn zu erwürgen. Die Möglichkeit, dass denmach
auch dies Fragment zu einer solchen Scene gehört habe,
lässt sich nicht bestreiten, indessen Hesse es sich doch ebenso-
gut zu einem Hermes ergänzen, etwa so, wie er auf alter-
thümlichen Vasen die Göttinnen zum Paris führt, und noch
Anderes wäre möglich, so dass wir lieber auf eine Erklärung
verzichten. In der eigenthümlichen Frisur des Hinterkopfes,
die ach oft im alterthümlichen Stil an Männern und Frauen
findet, hat man kürzlich den Krobylos, die Haartracht der
alten Athener, zu erkennen geglaubt, was wir bezweifeln.
Das Relief ist ausserordentlich frisch und naiv und an-
muthig, die Ausführung sehr sauber. Man hat mit Recht
bemerkt, dass es der wagenbesteigenden Göttin (n. 19) im
Stil sehr verwandt sei.
Am besten aber auch noch nicht ganz (namentlich im Mund) ge-
nügend publicirt von Conze: Nuove memorie dell' instituto Tav. XIII.
A. p. 408 ff. Vgl. bullet. 1859 p. 196, 1860 p. 53. Conze bestreitet
in überzeugender Weise die gewöhnliche Ansicht über den Krobylos,
aber seine eigne Ansicht kann ich nicht für richtig halten, weil ich auf
das Zeugniss des Heraclides Ponticus Werth legen muss. Dieser sagt
ausdrücküoh, dass die goldne Cicade sich über der Stirn befand und
■aus Thucydides erfahren wir (was übrigens auch in der Stelle des He-
raclides angedeutet liegt) dass sie im Krobylos steckte, also auch dieser
sich über der Stirn beiand. Was nun unter dem Krobylos zu verstehen
sei, kann aus Xenophon anab, 5, 4, 13 gefolgert werden, der von bar-
barischen Helmen sagt x^dvtj axvriva xQxußvXov ^xovra xtnä fiSaov,
iyyvrara riaQOSiÖTJ, der XQwßvkog also war eine nach vom überge-
bogene Spitze, so dass der ganze Hehn wie die ebenfalls vom über-
gebogene persische Mütze aussah. Etwas Aehnliches muss nun auch
4er Krobylos des Haares gewesen sein, d. h. ein Haarbüschel, der über
-der Stirn sich erhob und nüt der Spitze sich vornüber senkte, und ich
glaube, das neapoütanische Relief mit dem sog. Odysseus (n. 21) giebt
ein Bild dessen was wir suchen.
Hiernach tritt uns der Krobylos als eine signifikante und gleich in
die Augen fallende Tracht entgegen, während ich in dem von Conze
als Krobylos bezeichneten Zusammenbinden der lang herabhängenden
Haare des Hinterkopfs nur eine einfache praktische Vorrichtung (um Un-
bequemlichkeit oder Unreinlichkeit zu verhindern) sehe, die eben dai^um
auch nichts speciflsch Attisches ist. Denn dieselbe Frisur findet sich
auf assyrischen Reliefs und mit unwesentlicher Verschiedenheit auf dem
Harpyienmonument.
Attische Kunst. 25
19. Wagenbesteigende Göttin*, Mannorrelief, auf
der AkroiM)lis von Athen gefunden und ebendaselbst befind-
lich. Das vordere Stück, die Schwänze der Pferde und ein
Theil der Deichsel des Wagens, ist erst sp&ter und an einer
andern Stelle der Akropolis gefunden, gehört aber unzweifel-
haft dazu.
Es ist die Frage aufgeworfen, ob die wagenlenkende
Figur männlich oder weiblich sei, und allerdings sind die
entscheidenden Theile des Körpers verdeckt und Haar- und
Gewandanordnung für beide Geschlechter passend. Doch
halten wir wegen der ausserordentlich zarten Arme und
Hände die letztere Annahme für wahrscheinlicher. Ist es
aber eine Frau, so liegt es näher, an eine göttliche als an
eine menschliche Wagenlenkerin zu denken, nicht sowohl,
weil die Figur tmverhältnissmässig gross ist im Vergleich
zum Wagen, denn es ist ein allgemeines Princip in der
griechischen Kunst, alles Nebensächliche, ohne Rücksicht auf
seine natürliche Grösse, der Hauptfigur unterzuordnen, sondern
weil wagenlenkende Frauen mit der Sitte des athenischen
Lebens schwer vereinbar sind. Man hat daher der Figur
den Namen einer ungeflügelten Nike gegeben, da gerade
diese Göttin so oft als Lenkerin eines Gespanns erscheint.
Die Meinung, dass das Relief zu einem Friese und zwar
zum Friese des älteren, vorperikleischen Parthenon gehört
habe, ist wohl nur durch die Voraussetzung veranlasst, dass
auch die Wagen am Fries des Parthenon von weiblichen Ge-
stalten gelenkt würden, was aber, wie wir sehen werden, ein
Irrthum ist
Sehr richtig hat man die grosse Aehnlichkeit im Stil
dieses Werks mit dem Harpyienmonument** hervorgehoben.
Sie bestätigt den Zusammenhang zwischen lycischer und atti-
scher Kunst, nur ist freilich das attische Relief bedeutend
feiner und graziöser.
Abg. bei Scholl Archaeol. Mittheil, aus Griecheulaud Taf. 2, ii. 4.
p. 25. Le Bas, Voyage archeologique, monum. figui'es pl. 1. Vg-l.
Gerhard Annali 1837 p. 116. Bmnn im bullet, d. inst. 1860, p. 58.
Michaelis an ders. Stelle p. 114, J. Braun Gesch. d. K. II. p. 188.
Bursian in der Encyclopädie von Erscli und Gniber, Bd. 82 p. 418.
Die Aehnlichkeit mit dem Harpyienmonument ist zuerst von Fellows
Lycia p. 170 Anm. 2 hervorgehoben.
* Im Lycischen Hof n. 286.
** Ebendaselbst n. 259—262.
26 Attische Kunst.
20. Grabstein des Aristion *, Marmorrelief, im
Jahre 1838 zu Velanideza im östlichen Attika von Pittakis
gefunden, in Athen in der Sammlung des Theseion befindlich.
Das feine Relief lässt auf die Hinzufügung von Farbe schliessen,
die sich auch reichlich, doch nicht am Nackten, mit Ausnahme
von Lippen und Auge, erhalten hat. Der Grund des Reliefs
war roth bemalt, blau der Panzer und wieder roth die Ver-
zierungen auf demselben. Die Achselklappe war auf der
Schulter mit einem Stern und der auf der Brust liegende
Theil mit einem Thierkopf verziert, den Panzer selbst umzog
ein dreifaches, mit eingeritzten, mäanderartigen Ornamenten
verziertes Band, unter der Brust, über der Hüfte und in der
Mitte der über den Leib herabhängenden, metallbeschlagenen
Lederstreifen. Der Helmbusch war von Metall angesetzt,
man bemerkt noch die Spuren der Einfügung. Auch das
Schamglied war, wie es scheint, besonders gearbeitet und
angesetzt, da sich an der betreffenden Stelle Löcher erhalten
haben. Die Beinschienen sind ganz den Formen des nackten
Beins nachgebildet, der Panzer nicht. Er ist vielleicht von
Leder zu denken, wie der Panzer der äginetischen Statuen,
oder, was wohl richtiger, als ein Metallpanzer der älteren
Form, als man noch nicht die anatomischen Details von Brust
und Rücken im Panzer wiedergab, wie es auf spätem Monu-
menten und in allen erhaltenen griechischen wie römischen
Panzern der FaU ist. Jedenfalls sieht man aber doch an
den Beinschienen, wie sich schon hier das griechische Princip
Bahn bricht, die Bewaffaung, ähnlich wie die Gewandung, in
einer den Formen der Natur genau entsprechenden Weise zu
bilden. Die uns erhaltenen Beinschienen sind sämmtlich in
dieser Weise gearbeitet.
Das Monument schmückte das Grab eines alten Atheners,
dessen Name, Aristion, auf der (hier nicht vorhandenen) Basis
angegeben ist. Es giebt ein Bild des Verstorbenen, zwar
noch steif figurirend, ohne Handlung und Ausdruck, aber
doch in charakteristischer Weise, nur ohne Portraitähnlich-
keit im Gesicht. Wir sehen einen jener alten Athener vor
uns, einen der Marathonskämpfer, von denen namentlich
Aristophanes eine lebendige Vorstellung giebt, der ihre alt-
fränkische Tracht verspottet, aber ihre sittliche Tüchtigkeit
bewundert. Diese Statue ist die anschaulichste Erläuterung
* Im Lycischen Hof n. 281.
Attische Kunst. 27
ZU den Worten des Dichters und zugleich der Zustände da-
maliger Zeit.
Das Werk ist mit grösster Sorgfalt gearbeitet; hätten
noch alle die zierlichen, durch Malerei angegebenen Details
am Panzer üire frühere Frische, wir würden sogleich einen
den feinsten alterthümlichen Vasen und Skarabäen ähnlichen
Stil erkennen. Denn diesem bis ins Kleinste treu und sorg-
fältig detaillirenden Eunststii, der dem Stil des Epos auf dem
Gebiet der Poesie entspricht, gehört das Werk an. Im
Nackten ist freilich nicht dieselbe Vollendung, man hat mit
Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die rechte Hand
noch ohne alle Angabe des anatomischen Details gebildet ist.
Die Art übrigens, wie der Arm herabhängt, ist, im Gegen-
satz zu den straff angespannten Armen der alten Apollo-
statuen, schon frei und natürlich, nur dass die Hand noch
festgeschlossen ist.
Charakteristisch scheint auch für diesen Stil der enge
Raum, in den die Figur „hineinökonomisirt^^ ist, es ist an
andern, ähnlichen Grabreliefs ebenso. Später bewegen sich
die Figuren viel freier auf ihrem Raum.
In alterthümlichen Schriftzügen sind unter der Figur die
Worte angebracht: Werk des Aristokles. Dieser altattische
Künstler ist wahrscheinlich ein Zeitgenosse jenes Kritios, von
dem wir die Gruppe der Tyrannenmörder (n. 24. 25) haben,
nnd des Künstlers der Penelope (n. 26), an welcher wir eine
ähnliche Bildung der Hand bemerken. Wenn uns sein Werk
nicht so bedeutend erscheint, wie jene, so mag das wenigstens
zum Theil von der Verschiedenheit des Gegenstandes her-
rühren.
Abg. ^EtprjfiSQlg ccqx^^oX. 1838 Aug. u. Sept. Scholl Archaeol»
Milth. Taf. I. p. 28. Stephan! Rhein. Mus. 1846 Taf. I. p. 4 (der die
Bohrlöcher am Schooss richtiger erklärt als Scholl). Overbeck Gesch.
d. gr. PI. I. fig. 9 p. 97 ff. Conze Archaeol. Ztg. 1860 Taf. 135 p. 19.
Karbig bei Laborde le Pai-thenon pl. 7. Sharf im Classical museum I.
zu p. 252. Revue archeol. 1844 Taf. 2.
Was die Form des Panzers betrifft, so geht aus der interessanten
Stelle bei Xenoph. Memorab. 3, 10, 9. hervor, dass er bereits zur Zeit
des Socrates, wenn auch noch nicht allgemein, in der den erhaltenen
Exemplaren entsprechenden Weise gearbeitet wurde. Unter den Monu-
menten liefert wohl der Parthenon fries die frühsten Beispiele dieser
Form.
Die Annahme Brunn's bullet. 1859 p. 195 dass die Inschrift der
Basis API2TI0N02 mit der andern zusammenhänge, so dass sie den
Vatemamen des Aristokles enthalte, scheint mir schon wegen des zwi-
schen beiden Inschriften gelassenen Zwischenraums unwahrscheinlich.
28 Attische Kunst.
•
Für die Zeitbestimmang- des Aristokles g-iebt uns die Inschrift einen
terminus a. q., Ol. 86, 1 ; einen terminus p. q. haben wir nicht, da Brunn's
Combination (Gesch. d. g. Künstler 1, 106) doch bedenklich ist. Vgl.
Bursian in Jahns ^Jahrb. 1856 p. 514. Auch die andre, denselben
Aristokles, wie ich glaube, betreffende Inschrift lässt sich nicht sicher
datiren. Man schwankt daher in der Zeitbestimmung" des Reliefs um
etwa 20 Olympiaden, der frühste Ansatz ist derjenige Overbeck's, der
das ReUef an das Ende der 50er Olymp, setzt, aber vom Unsichern, näm-
lich von den Sculptm*en des Theseion als Werken cimonischer Zeit aus-
geht. Nach meiner Ansicht ist das Werk zwischen Ol. 70 und 80 ent-
standen, weil es gewissen Vasenbildem (z. B. dem Innenbild der Sosi-
asschaale), die wir mit Sicherheit dieser Zeit zuweisen können, auf das
Genaueste entspricht. Ich meine diejenigen Vasen, die nach Polygnot
entstanden sein müssen, weil sie die von diesem Maler eingeführten
Neuerungen bereits aufgenommen haben, und vor Ol. 86, 1, wegen des
altattischen Sigma, das sich noch auf ihnen findet. Vgl. die Anm. su
n. 24. 25.
21. Grabrelief*, aus Marmor, in Neapel befindlich,
wohin es aus der Sammlung Borgia gekommen ist.
Wie in dem eben besprochenen Relief, so steht auch
hier die Figur des Verstorbenen auf möglichst knappem
Raum. Aber ein Fortschritt liegt darin, dass statt des steifen
Figurirens bereits Bewegung und Ausdruck der Empfindung
dargestellt ist. Und zwai* ist es der den besseren griechi-
schen Grabreliefs eigene Zug der Trauer, der sich hier,
wenn auch noch nicht im Gesicht, aber doch in der ganzen
Stellung kundgiebt. Der Mann ist durch die am Handgelenk
hängende, kleine Oelflasche von Seiten seiner gymnastischen
Beschäftigungen charakterisirt, er stützt sich auf einen langen,
bis unter die Arme reichenden Stock, der nach den Monu-
menten besonders in Athen gebräuchlich gewesen zu sein
scheint. Die aus dem Kopf band hervorragende, gekrünmite
Spitze halten wir für einen Haarbüschel und zwar für den
Krobylos, die Haartracht der alten Athener. Ein gemüth-
licher Zug, ^ie sie sich so oft auf den griechischen Grab-
steinen finden, ist es, dass er seinem treuen Hunde die Hand
hinhält zur Liebkosung. Der Daumen derselben hat übrigens
eine etwas gezwungene Stellung, vielleicht deswegen, um die
Hand nicht noch mehr aus der Fläche herausspringen zu
lassen. Besonders merkwürdig ist aber das rechte Bein,
dessen Fuss, ins Profil gestellt, am Grunde anliegt, während
das Knie und der übrige Theil sich von vorn präsentiren und
* Im Lycischen Hof n. 280.
Attische Kunst. 29
somit einen aus der Fläche herausspringenden Fuss erwarten
lassen. Aber eben dies Herausspringen aus der Fläche wollte
man vermeiden^ selbst um den Preis der Natnrwahrheit. Es
ist ein sehr sprechender Beleg dafür, mit welcher Strenge
der Flächencharakter des Eeliefs in der älteren Zeit festge-
halten wurde.
Der alterthümliche Stil ist in Gewandung und Körper-
bildung noch sehr bemerkbar, doch kann das Eelief nicht
lange vor der Mitte des fünften Jahrhunderts entstanden sein.
Einmal wegen der Fortschritte, die es dem Grabstein des
Aristion gegenüber zeigt, dann weil die Bekrönung des RrC-
liefs genau mit den Stimziegeln des Parthenon übereinstimmt,
wodurch zugleich der attische Ursprung des Werkes wahr-
scheinlich wird, auf welchen auch die Eörperbildung der
Figur hinweist Die Bekrönung kommt häufig auf den atti-
schen Grabsteinen vor und besteht ans einer, zwischen zu-
sammengekrümmten Ranken aufsteigenden Palmette, die einen
schönen, in einer Spitze zusammenlaufenden AbscMuss bildet.
Sie ist hier in flachem und strengem Stil gebildet, dessen
Wirkung durch Malerei unterstützt gewesen sein muss, wie
auch wohl an der Figur einzelne Details, z. B. das flach
anliegende Kopfband, durch Färbung wirksamer hervorgehoben
wurden. Auf diese flach gehaltenen Pahnetten des alten
Stils folgen später die runder hervortretenden, reich und
prächtig gebildeten, die dann endlich in willkürliches Schnörkel-
wesen ausarten. Es ist ein Uebergang von einer mehr an-
deutenden zu einer realistischeren Auffassung, der sich in
allen Künsten wiederholt.
Abg. Mus. borbon. XIV, tav. 10. Schon Gerhard Annali I, 138
wollte das Werk lieber für ein Grabrelief nehmen als für eine Darstel-
lung des Odysseus, wie es früher erklärt wurde, nur sagt er, es sei ein
defunto cacciatore, wie es scheint, wegen des Hundes. Vgl. 0. Müller
Kl. Sehr. II, 457. Handbuch d. Archaeol. p. 80 n. 28. Conze und
Michaelis Annali 1861 p. 81 ff. Die gekrümmte Spitze, die ich für den
Krobylos halte, findet sich auf Vasen häufiger, z. B. Berl. Mus. n. 834.
Man kann allerdings zweifeln, ob sie etwas zum Bande Gehöriges oder
ein Haarbüschel ist, letzteres scheint mir hier, wo das Band, wie man
deutlich sieht, herumgewickelt ist, unzweifelhaft. Vgl. die Bemerkungen
zu n. 18.
22. Grahrelief*, von Marmor, in Orchomenos be-
findlich.
* Wird wahrscheinlich im Lycischen Hof aufgestellt werden.
30 Attische Kunst.
Dieses Relief ist dem eben betrachteten ausserordentlich
ähnlich, wir haben es deswegen hier eingeschaltet, wiewohl es
von einem naxischen Künstler herrührt. Nur ist es viel flächen-
artiger gehalten, als jenes und in der Modellirung entschieden
zurück. Das Vorspringen des Fusses aus der Fläche, das
nach der Stellung des einen Beines zu erwarten war, ist hier
in anderer Weise vermieden, als dort, der Künstler hat sich
nämlich eine unschöne, im alterthümlichen Stil sehr seltene
Verkürzung erlaubt.
Der Mann hält seinem Hunde spielend eine Heuschrecke
hin, ein dem Leben entnommenes Motiv, dergleichen sich, in
der Regel freilich schöner und angemessener J nicht selten
auf Grabsteinen findet. Die Kopfbedeckung, ein glatt an-
liegendes Käppchen, ist nicht gewöhnlich.
Der Künstler des Reliefs hat sich in der Inschrift als
Anxenor von Naxos bezeichnet und lebte in der ersten Hälfte
des fünften Jahrhunderts.
Vgl. Conze und Miphaelis in den Annali 1861 p. 81 ff., wo auch
die ungenügenden Abbildungen angeführt sind, und wegen der Inschrift
Michaelis in d. Archaeol. Ztg. 1865 p. 118, dem ich aber entgegnen
muss, dass nach dem Gypsabguss zu urtheilen, die Inschrift sehr wohl
um 2 — 3 Buchstaben länger gewesen sein kann, da die vorspringende
Leiste, auf der sie steht, an der betreffenden Stelle abgebrochen ist.
Mir scheint daher Kirchhoff's Lesung des Schlusses aX)^ iaiöeaS'e
sehr wahrscheinlich. Das Käppchen ist ähnlich wie das des Patroklus
auf der Sosiasschaale.
23. Herakles und die Hindin, Marmorrelief, zwischen
1770 und 1780 für die Townley'sche Sammlung angekauft,
seit 1807 im britischen Museum befindlich.
Der über die Umrahmung vorstehende Rand des Reliefs
lässt vermuthen, dass es irgendwo eingelassen war. Wahr-
scheinlich war es, nach seiner länglichen Form zu urtheilen,
an einem Altar oder an der Basis eines Candelabers an-
gebracht.
Herakles, das Knie auf den Rücken der Hindin legend,
drückt mit dem ganzen Gewicht seines Körpers auf sie, um
sie zu Fall und damit zur völligen Unterwürfigkeit zu bringen.
Wie es scheint, ist eine Hindin, nicht ein Hirsch, dargestellt,
die Künstler aber scheuten sich nicht 'nach dem Vorgang
der Dichter, der Hindin ein Geweih zu geben, indem sie die
Naturwahrheit der Schönheit nachsetzten.^
Die Gestalt des Herakles ist schon treffend charakteri-
sirt. Ausser der gewaltigen Muskelfülle ist ihm besonders
Attische Kunst. 31
der starke Nacken eigen, — die Linie vom Hinterkopf bis
an die Schulter ist fast eine gerade — als Zeichen der
ünbengsamkeit in allen Mühen, die ihm aufgeladen wurden.
Die Stirn ist niedrig und tritt in ihrer untern Hälfte stark
hervor, nicht Intelligenz, sondern Energie und Willenskraft
ausdrückend. Lange Haare wären für ihn zu weich und ideal,
schlichte ausdruckslos, die kurzen, kraus zusammengerollten
Locken, mit denen der ganze Kopf bedeckt ist, entsprechen
allein der störrigen Kraft dieses Heros.
Das Relief ist, wiewohl charaktervoll gearbeitet, doch
kein Originalwerk. Es genügt in dieser Beziehung darauf
hinzuweisen, dass der linke Fuss mit der rechten Wade
unterschiedslos zusammenfliesst. Doch repräsentirt es für
uns ein berühmtes Werk, denn wir finden dieselbe Composi-
tion in einer grossen Anzahl von Reliefs und freien Gruppen
späterer Zeit, in welchen freilich die befangene Stellung und
die ganze Darstellung ein lebendigeres, affectvoUeres Aussehen
erhalten haben, ausserdem aber nur geringe Modificationen
vorgenommen sind. Wahrscheinlich ist das Werk aus der
attischen Schule hervorgegangen, die Gestalt des Herakles
wenigstens, die an verschiedenen Orten verschieden aufgefasst
wurde, — ganz anders z. B. in Selinunt — erscheint in sehr
ähnlicher Bildung auf den alterthümlichen attischen Vasen.
Abg-. Specimeus of aucient sculpt. I. pl. 11. Marbles of the bri-
tish museum II, 7. Müller- Wieseler I, 14, 49. Vgl. Vaux haudbook
to the British museum p. 181. Ellis, Towuley galery II, p. 98. Keil
Anuali 1844 p. 157 ff.
24. 25. Harmodios und Aristogeiton*, Marmorstatuen
aus Famesischem Besitz, seit 1790 in Neapel. Ergänzt
(schon vor ihrer Versetzung nach Neapel) sind an der einen
Figur, die das Gewand über dem Arm hat, beide Arme, die
Restauration ist aber bis auf den Schwertgriff in der Linken,
der hinwegzudenken, richtig, in die rechte Hand gebe man
ihr ein Schwert von Bronce. Der Kopf ist antik, aber nicht
zugehörig, er ist von ganz anderm Stil und den Meleager-
köpfen ähnlich. Der andere hat auch neue Arme, deren ur-
sprüngliche Richtung gleichfalls getroffen ist, nur denke man
den Schwertgriff in der Linken fort und in die Rechte gebe
man ihm ein längeres broncenes Schwert. Ausserdem ist
* Niobidensaal n. 94 und 95.
32 Attische Kunst.
das rechte Bein von der Hüfte abwärts, das linke unterhalb
des Knies neu. Am Original bemerkt man quer über die
Brust laufend einen weissen Streifen , gewiss von dem in
Bronce hinzugefügten Schwertband herrührend, das die unter
ihm liegende Stelle des Marmors weisser erhielt.
Dass diese beiden Figuren zusammen eine Gruppe bil-
deteu; geht schon aus der Uebereinstimmung des Stils hervor,
eine weitere Bestätigung dafür und zugleich die Art der
Gruppirung; die Namen der Figuren und ihres Verfertigers
liefern ein Relief aus Athen und einige Münzen derselben
Stadt in Verbindung mit Nachrichten alter Schriftsteller. Es
sind nämlich Marmorcopien einer Erzgruppe des Harmodios
und Aristogeiton, ausgeführt von Kritios^ einem altern Zeit-
genossen des Phidias, und OL 75, 4 zum Ersatz einer altem
Gruppe desselben Gegenstandes ^ die von Xerxes entfiLhrt
worden war, in Athen aufgestellt.
Die Gruppirung ist diese: Die Figur mit dem nicht zu»
gehörigen Kopf; die im Original — wenn nämlich das Eelief
in diesem Punkt treu copirt ist — einen bärtigen Kopf trug
und darum Aristogeiton benannt werden darf, welcher der
Aeltere, der Liebhaber des Andern war, ist an die rechte
Seite der andern Figur zu setzen, doch nicht in gleicher
Linie mit ihr, sondern ein wenig zurückstehend. Harmodios,
der Jüngere, Leidenschaftlichere, der zugleich direkter be-
leidigt war, als Aristogeiton, ist der eigentliche Angreifer,
der in heftiger, wenn auch durch den Stil, der sich noch
nicht in der reinen Sprache der Leidenschaft auszudrücken
vermag, etwas gehemmter Bewegung vorstürzt, um den tödt-
lichen Schlag zu führen. Der ältere Aristogeiton steht schüt-
zend, wie ein Sekundant, neben ihm, er breitet den Mantel
wie einen Schild aus und hält in der Eechten das Schwert
zu Nachhülfe und Beistand bereit. Die Anordnung der Glie-
der ist nach dem Princip des Gegensatzes durchgeführt, die
• linken Glieder des Einen entsprechen den rechten des Andern,
wodurch sich die Figuren zur Einheit der Gruppe zusammen-
schliessen. Der frühere Stil kennt die Bedeutung des Ge-
gensatzes weder in der Einzelfigur noch in der Gruppe, er
liebt die Wiederholung der Stellungen, wodurch die Figuren
auseinander fallen. Das Vorschreiten des Einen übrigens,
das freier, natürlicher und schöner aussieht, als wenn sie in
gleicher Linie wie aufmarschirt daständen, ist auch für den
Zusammenschluss des Ganzen vortheilhaft, indem die Beine
Attische Kunst. 33
sich kreuzen und in ihre Zwischenräume gegenseitig hinein-
treten. Die stützenden Stämme sind für das in Erz ausge-
führte Original hinwegzudenken.
Man versteht es diesen Werken gegenüher^ wenn die
Werke des Eritios zugeschnürt^ d. h. knapp und straff ohne
weichere Fülle, sehnig und hart und scharf abgeschnitten im
Umriss genamit werden. Man betrachte z. B. den rechten
Schenkel des Aristogeiton, an dem die straffste Anspannung
der Muskeln ohne weiche, vermittelnde Uebergänge erstrebt
ist Solche Eörperbildung ist charakteristisch für das alte
mannestüchtige Athen, das bei Marathon siegte, und ebenso
das herb alterthümliche Gesicht des Harmodios mit seinem
quadratischem Umriss und den scharf abgeschnittenen Wan-
gen, so ganz im Gegensatz zu dem lieblichen Oval späterer
Zeit.
Der Künstler Kritios, der nach den Nachrichten zu den
bedeutenderen Künstlern seiner Zeit gehörte, scheint eine
ähnliche Eichtung verfolgt zu haben, wie sein Zeitgenoss My-
ron, nämlich die Kunst aus der alten Steifheit zu grösserer
Lebendigkeit und Naturwahrheit in SteUungen und Formen
hinüberzuföhren. In dem lebendig Bewegten steht er dem
Myron allerdings nicht ganz gleich, aber ausgezeichnet ist
die Bildung der Körper, die Winckelmann so sehr bewun-
derte, dass er diese Statuen unter die schönsten in Kom
zählte.
Die Gruppe gehört zu den frühsten Ehrenstatuen, die
in Griechenland errichtet wurden. Schon damals also be-
folgte man den Grundsatz, historische Figuren nicht im Ko-
stüm der Wirklichkeit, sondern in einer ihrem Charakter ent-
sprechenden Weise darzustellen, so dass man also denjenigen,
der sich durch kühne ritterliche Thaten ausgezeichnet hatte,
in heroischer Nacktheit bildete. Es ist einer der tiefsten
Qrrnndzüge der griechischen Plastik namentlich in der Zeit
ihrer Blüthe, das Historische, Individuelle ins Allgemeine und
Ideale zu übertragen.
Abg. aber ungenügend im Mus. borbon. VIII, Taf. 7, 8. Vgl.
Archaeol. Ztg. 1859 p. 65 ff. (wo noch Winckelmanns Bemerkung, Kunst-
gesch. 9, 2, §. 31 hinzuzufügen) und den Nachtrag von Michaelis eben-
das. 1866 p. 13 ff. Derselbe macht auf eine üeberarbeitung und Glät-
tung der Figur des Aristogeiton aufmerksam; haben dadurch auch die
Beine geHtten, die mir ganz unberührt scheinen? üebrigens sind hin-
sichtlich des rechten Arms des Harmodios und des Aiistogeiton das
ReUef und die Restauration nicht völlig im Einklang mit einander, so
Friederichs, griecb. Plastik. 3
34 Attische Kunst.
dass man vermuthen könnte, letztere sei nicht ganz richtig. Ich über,
lasse das Bildhauern zur Entscheidung, mir scheint es wahrscheinlicher-
dass die Hände und die Schwerter in dem Relief eine etwas veränderte
Haltung erfahren haben, eben wegen disr Uebertragung ins Relief. Das
Schwert des Aiistogeiton hätte aus dem Grunde heraus und das des
Halmodios in den Grund hineintreten müssen, beides war im Relief
nicht möglich. Ausserdem ist der rechte Arm des Aristogeiton straffer
gespannt, als im Relief, ich glaube, auch hier hat die Restauration das
Richtige und Stilgemässe getroffen.
Die in der Archaeal. Ztg. a. a. 0. gegebene Reconstruction der
Gruppe hat allgemeinen Beifall gefunden, nur Bursian (in der Encyclo-
pädie von Ersch u. Gruber Bd. 82 p. 419) bezweifelt sie, indem er die
eine Figur, deren Kopf erhalten ist, für ein Originalwerk, die andere
für ein in der Ausführung zurückstehendes, wohl erst der römischen
Zeit angehörendes Werk erklärt. In Betreff des ersteren Punktes möchte
ich wohl fragen, ob nicht Jeder Werke wie den Discobol Massimi für
Originalwerke halten würde , wenn wir das Gegentheil nicht aus-
drücklich wnssten? Ich meine, der Zustand unsers Materials, der Maugel
an originalen Meisterwerken sollte uns in der Entscheidung solcher Fra-
gen zur grössten Reserve veranlassen. In Betreff der andern Figur ist
wenigstens soviel gewiss, dass sie die Copie eines mit der ersten gleich-
zeitigen alterthümlichen Werkes ist, dies entscheidet ein äusserliches,
demonstrables Kriterium, es sind nämlich die Schaamhaare der beiden
Figuren genau einander entsprechend gebildet. Wenn sie nun aber an ein-
ander gestellt, dieselbe Gruppe bilden, wie die auf dem Relief und den
Münzen, sollte das Zufall sein?
Ueber die Werke des Kritios vgl. Ross Arcliaeol. Aufs. 1, p. 161
ff. ßnmn Künstlergesch. I, p. 102 ff. Dass übrigens in diesen Statuen
die Gruppe des Ki'itios, nicht die ältere des Antenor, nachgebildet ist,
scheint mir luizweifelhaft, sie stehen den Werken eines Myron zu nahe
lun jene ältere sein zu können. Zudem wird man für den Marmorsessel
gewiss die schönere der beiden Gruppen copirt haben. Ist das aber
richtig, dann gewinnen wir ein festes Datum, welches für die Zeitbe-
stimmung der alterthümlichen Werke von grosser Bedeutung ist, und
mir für die in diesem Buch gegebene chronologische Anordnung einen
wichtigen Anhaltspunkt gegeben hat. Man hat vielfach die alterthüm-
lichen Werke zu früh angesetzt, während doch auch die Vasenmalerei
deutlich zeigt, dass der alterthümliche Stil sogar bis an den Schluss
des fünften Jahrhunderts fortlebte. Icli verkenne nicht den Unterschied
zwischen einer künstlerisch abhängigen Gattung, wie der Vasenmalerei,
und der freien bahnbrechenden Thätigkeit grosser Meister, aber die Zeit,
die darüber verstreichen musstc, bis die Neuerimgen der letzteren ins
Handwerk eindrangen, darf, da es sich um die künstlerische Thätigkeit
in einer und derselben Stadt handelt, nicht zu lang ausgedehnt werden.
An einer Classe von Vasen lässt sich noch jetzt zeigen, wie schnell
sich die Vasenmaler die Fortschritte der grossen Meister aneigneten,
ich meine diejeiügeu Vasen, auf welchen wir die von Plinius dem Po-
lygnot beigelegten Neuermigen wiederfinden. Diese Vasen sind nach
Polygnot und doch, da sie noch das altattische Sigma haben, vor Ol.
86, 1 gearbeitet. Nach meiner Ansicht ist daher die Vasenmalerei, die
uns in lückenloser Entwicklung vorliegt mid etwas mehr Anhaltspunkte
zu chronologischer Datirung bietet, das beste Ei'gänzungsmittel für die
Attische Kunst. 35
lückenhafte Sculptur und es lässt sich ans ihr mit Sicherheit abnehmen,
dass um die Mitte des 5. Jahrhunderts in Athen noch in durchaus al-
terthümlichem Stil gearbeitet wurde.
26. Penelope*); Marmorstatae im Vatikan. Ergänzt
sind: das Stück des Gewandes über dem Kopfe (während
der Kopf selbst zwar aufgesetzt^ aber zagehörig ist); die Nase^
die rechte Hand; das rechte Bein vom Knie abwärts und
der linke Fuss. Auch ist der Fels, worauf die Figur sitzt,
erst durch moderne Bearbeitung entstanden. Ursprünglich
sass sie, nach mehreren antiken Wiederholungen zu schliessen,
auf einem mit Fussschemel versehenem Stuhl, unte**' welchem
ein Arbeitskörbchen stand.
Der Name Penelope wird durch folgende, ansprechende
Bemerkungen motivirt: Die Stellung dßr Figur, namentlich
dass sie die linke Hand aufstütze um den zusammensinken-
den Körper zu halten, deute auf Ermattung von Sorge und
Schmerz, das üeberschlagen des einen Schenkels über den andern,
gegen die strengen Begriffe der weiblichen Schicklichkeit,
zeige ebenfalls ein in Betrübniss auf sich selbst zurückge-
zogenes und des Aeusseren unachtsames Gemüth und das
Arbeitskörbchen unter ihrem Stuhl sei eine Hindeutung auf
eine durch häusliche Tugenden ausgezeichnete Frau. Dies
Alles wäre aber nicht entscheidend ohne einige Keliefs aus
gebrannter Erde, auf welchen dieselbe Figur nur mit einigen
ganz unwesentlichen Abweichungen vorkommt und zwar durch
die umgebenden Figuren und durch die dargestellte Handlung
deutlich als Penelope charakterisirt. Denn mit der von
Dienerinnen umgebenen trauernden Frau vereinigen diese
Reliefs die Scene der Fusswaschung des Odysseus durch die
alte Amme Eurykleia, und stellen daher die Penelope in
dem Moment dar, wo sie, nichts merkend von all den Vor-
gängen bei der Fusswaschung — Athene hatte ihr Gemüth
abgewendet, wie es bei Homer heisst — in trauriges Nach-
denken versunken dasitzt, schwankend, ob sie dem alten Ge-
mahl treu bleiben oder einem der Freier als Gattin folgen
solle. Der Urheber dieser Erklärung nimmt an, dass unsre
Figur zu einer jenen Reliefs entsprechenden Gruppe freier
Figuren gehört habe, ohne welche sie unverständlich sei.
Ein Fund auf Ithaka bestärkt ihn in dieser Meinung. Dort
ist nämlich eine kleine Broncefigur des zum Fussbade sitzen-
* Im Niobidensaal n. 115.
36 Attische Kunst.
den Odysseus von alterthümlichem Stil zum Vorschein ge-
kommen; die mit anderen^ nicht näher bekannten; stehenden
und sitzenden; männlichen und weiblichen Figuren auf einer
Basis in einem Halbkreis vereinigt gewesen sein soll. Diese
kleine Broncegruppe sei ebenso wie jene Reliefs die Copie
einer in der Heimat des Odysseus verfertigten Gruppe
freier Figuren, zu welcher diese Marmorfigur oder ihr Ori-
ginal einst gehört habe.
Nach einer anderen Meinung war die Figur zum Schmuck
eines Grabes bestimmt und stellte die idealisirte Verstorbene
in trauelnder Haltung dar. Es finden sich allerdings auf
griechischen Grabsteinen sehr ähnliche Darstellungen; doch
ist es wegen der Autorität jener Terrakottareliefs gerathen,
an der Deutung au{ I^enelope festzuhalten.
Die Figur ist reliefartig componirt, die ganze Stellung;
namentlich die Herumbiegung des Oberkörpers entspricht der
Reliefcomposition; der Künstler hat nur für einen Profilanblick
gearbeitet. Der Stil ist allerdings noch alterthümlich; aber die
Starrheit der Linien schon merklich gemildert. Man beachte
namentlich den leichten, lockern Fall der Falten vom XJeber-
schlag des Untergewandes. Besonders zart und ausdrucksvoll
ist das Gesicht. Es hat eine länglich schmale Form, die so
passend ist zum Ausdruck von Bekümmemiss oder Sehnsucht,
die Lippen sind wie von Unmuth leise aufgeworfen und die
gelöst herabhängenden Locken charakterisiren eine betrtlbte,
gegen äussere Zierde gleichgültige Stimmung. Sehr alter-
thümlich ist dagegen noch der linke Arm; die Hand hat
noch die eckige Form und von anatomischem Detail ist so
gut wie nichts ausgedrückt. Der Künstler war bereits in
der Darstellung des Empfindungslebens weit vorgeschritten,
während er in der Bildung des Körperlichen noch in alter-
thümlicher Weise befangen war. Eine gerade entgegenge-
setzte Richtung zeigen die äginetischen Statuen ; in welcher
das Körperliche mit grosser Naturwahrheit dargestellt ist,
während der Ausdruck des Geistigen zurücktritt
Die Figur muss nach ihrer ganzen Erscheinung den
attischen Schule zugeschrieben werden; ja es darf wohl darad
erinnert werden; dass zur Zeit; als diese Statue entstanr,
nämlich in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts; kurz
vor der Blüthe der Kunst; in Athen ein Künstler thäüg war,
dessen Richtung diese Figur vollkommen entsprechen würde.
Dies ist KalamiS; den man die Knospe der attischen Kunst
Attische Kunst. 37
nennen könnte. Zwar noch befangen in steifen Stellungen,
in strengem Faltenwurf, scheint er doch die Kunst nicht
gering gefördert zu haben hinsichtlich der Darstellung des
Seelenlebens. Das Keusche , Liebliche, Innige, das allen
Perioden des Werdens in Natur und Kunst eigen zu sein
pflegt, rühmte man im Alterthum an Kaiamis, die Penelope
ist noch besser, als das Harpyienmonument (n. 27) geeignet,
diese Richtung der alten Kunst zu veranschaulichen.
Abg. und erklärt von Thiersch Epochen d. bild. Kunst, 2. Aufl.
p. 426 flf. Müller-Wieseler I, 9, 35. Overbeck Gall. her. Bildw., Taf.
33, n. 23 p. 807. Vgl. Meyer zu Winck. Werke V. p. 468 der Ausg.
T. Eiselein, wo auch die Ergänzungen lichtig angegeben sind. Den
Zweifel Overbeck's Gesch. d. griech. Fl. I, p. 143 an dem acht alter-
thümlichen Stil dieser Figur muss, wie mir scheint, schon die Betrach-
tung der Unken Hand beseitigen. Pervan9glu (d. Grabsteine d. alten
Gr. p. 41) ist geneigt, die Figur als ein Grabrelief aufzufassen, und al-
lerdings sind z. B. die Dai^tellungen bei Stackeiberg Gräber der Helle-
nen Taf. 2 und im Berl. Mus. n. 21 sein* ähnlich, sie gehen aber nicht
aof denselben Typus zurück wie die Terrakottareliefs.
b) Die lycische Kunst.
27 — 30. Sogenanntes Harpyienmonument*. Der
Engländer Charles Fellows entdeckte im Jahre 1838 auf
einer Reise in Lycien, und zwar auf der Akropolis von
XanthuS; der Hauptstadt dieses Landes, das Grabmal, welchem
diese Platten angehören. Es besteht aus einem viereckigen
Thurm von Kalkstein, der flach gedeckt und unter dem Dach
mit einem Friese von Marmorreliefs geschmückt ist, deren
Abgnss eben diese Tafeln sind. Der Fries befand sich in
einer Höhe von 20 Fuss über dem Boden, der blaugefärbte
Grund aber und andere farbige Zuthat Hess die flachen
Figuren auch in ihren Details deutlich hervortreten. Er
umschloss die Grabkammer, in Lycien nämlich findet sich die
Sitte, den Gestorbenen nicht in der Tiefe der Erde, sondern
hoch in der Spitze eines thurmartigen Baues zu bestatten,
ganz in der Weise, wie vom Grabmal des Kyros berichtet
wird. Der Eingang in die Grabkammer liegt auf der West-
seite, unter dem Bilde der säugenden Kuh und ist so eng,
dass er wohl nur auf das Hineinschieben eines Aschenbehälters
berechnet war. Auch in der Beschreibung des Kyrosgrabes
• Im Lycischen Hof n. 269—262.
38 Lycische Kunst.
wird der enge Eingang als besonders merkwürdig hervorge-
hoben. Das Monument ist einige Jahre nach seiner Ent-
deckung ins britische Museum transportirt.
Die Erklärung der Reliefs muss sich darauf beschränken^
die Handlung und den Sinn des Ganzen anzugeben ; das
Einzelne ist dunkel.
Auf allen vier Tafeln empfangen thronende Gottheiten
Verehrung und Opfergaben von Sterblichen, denn dass in
den sitzenden Figuren Götter zu erkennen seien, ist nach
den Attributen, mit denen sie ausgestattet sind, nicht zu be-
zweifeln.' Die Opfernden auf der Eingangsseite sind drei
Frauen, von denen die erste, die ohne etwas zu tragen, nur
mit graziöser Geberde ihre Gewänder fasst, die vornehmere
zu sein scheint, die etwa das Gebet an die Göttin sprechen
wird, während die beiden andern eine Blüthe, eine iSrranat-
frucht und ein Ei zur Göttin hintragen. Gewiss stehen diese
Gaben in besonderem Bezug zu der Göttin, da sie selbst
dieselbe Frucht und Blüthe in ihren Händen hält. Die
Figur dieser Göttin macht auch jetzt noch einen ausser-
ordentlich anmuthigen Eindruck, der ursprünglich als die
feine Malerei noch vorhanden war, noch grösser gewesen
sein muss. An der Seite des Sessels sind die früher farbigen
Ornamente, geschützt durch die Farbe, erhaben stehen ge-
blieben, während der umgebende Grund niedergeätzt ist»
Ob der Widder- und Schwanenkopf, in welchen die Seiten-
und Eücklehnen des Sessels auslaufen, eine Beziehung auf
die Natur der Göttin -haben oder nur allgemein ornamen-
taler Art sind, ist schwer zu entscheiden. Dasselbe gilt von
den Ornamenten der übrigen Thronsessel.
Gegenüber , hinter der Grabesthür , sitzt auf einem mit
einer Sphinx verzierten Sessel eine im Ganzen ähnliche Göttin^
die nur einen etwas mehr matronalen und ernsten Charakter hat*
Sie hält in der Rechten die für das Empfangen der Spende
bestimmte Schaale, das gewöhnliche Attribut der Götterstatuen^
auch in der Linken hielt sie etwas, doch ist der Gegenstand
nicht mehr zu bestimmen. Dass die opfernden Frauen sich
nicht zu ihr wenden, möchte ich nicht aus der Absicht er-
klären, hier eine einsame, gemiedene Todesgöttin darzustellen
und auf der andern Seite eine heitere Lebensgöttin, vielmehr
scheint es durch den Zwang der Composition veranlasst
Denn auf den drei übrigen Seiten zerfällt die Composition in
eine Mittelgruppe mit zwei Seitenflügeln, sollte nun auch die
Lycische Kunst. 39
Emgangsseite symmetrisch gebildet werden, wie sie ja auch
architektonisch den andern Seiten entspricht, zugleich aber
die beiden Göttinnen dargestellt werden, so konnte der Künstler
nur in der Weise verfahren, wie es geschehen ist. Die Thür
durfte nicht in die Mitte gelegt werden, weil sonst die Com-
position in zwei Hälften zerfallen und unsymmetrisch geworden
wäre, sie konnte nur zur Mittelgruppe gezogen werden und
musste folglich eine der Göttinnen isoliren. Ohnehin scheint
es mir aujQPallend und unverständlich, anzunehmen, dass diese
Göttin nur vorhanden sei um des Gegensatzes zur andern
willen^ vielmehr ist sie ihrer selbst willen dargestellt und
gehört auch zu dem Kreise von Gottheiten, die den opfern-
den Sterblichen besonders werth sind. Es sind mehrere
Benennungen für dies Götterpaar vorgeschlagen, am meisten
Beacht^g verdient nach meiner Meinung die Benennung
Demeter und Persephone, letztere wird auch sonst mit Blüthe
and Granate vorgestellt.
Den Göttinnen opfern Frauen, den Göttern an den übrigen
Seiten Männer. Und zwar tritt auf der zunächst anschliessen-
den Platte einem jugendlichen Gott, der im Arm ein Scepter
und in den Händen Granatäpfel hält, ein Jüngling entgegen,
der in der Linken als Opf ergäbe eine Taube hält, während
die Rechte die Geberde der Adoration macht. Man sieht
die innere Fläche der Hand, genau dargestellt würde die
Hand von der Seite gesehen werden müssen, also aus dem
Relief herausspringen, was eben vermieden werden sollte.
Auf der folgenden, breiteren, der Eingangsseite gegen-
überliegenden Platte ist ein bärtiger Gott mit Scepter und
Blüthe dargestellt, der nach der reicheren und vornehmeren
Gestalt seines Stuhles zu schliessen, eine höhere Bedeutung
in Anspruch nimmt, als die einfacher aussehenden Götter zu
seiner Rechten und Linken. Der Sessel ist an der Seite
mit feinen, durch Malerei ausgedrückten Ornamenten verziert
und eine fischschwänzige Figur stützt die Lehne. Ein
Knabe bringt dem Gott einen Hahn und Apfel und hinter
diesem geht ein Jüngling gemüthlicher Weise von seinem
Hund begleitet, der auch eine freilich nicht mehr erkennbare
Gabe in der Rechten • hält. Von der anderen Seite kommen
auch zwei Männer heran mit denselben Gaben, die wir schon
an der Eingangsseite bemerkten, Ei, Granatapfel und Blüthe.
Auf der letzten Seite übergiebt ein jugendlicher Krieger
dem Gotte seinen Helm (an dessen Busch Spuren von rother
40 Lycische Kunst.
Farbe entdeckt wurden), eine Scene, die den andern ihrer
Bedeutung nach parallel zu stehen scheint. Es ist die Dar-
bringung einer dem Krieger natürlichen Gabe, aus der grie-
chischen Poesie und Kunst sind mehrere Beispiele bekannt,
wo ein Krieger die eigenen oder vom Feind erbeuteten
Waffen einem Gotte darbringt. Das Thier unter dem Sessel
des Gottes ist ein Bär, doch gewinnen wir damit keinen
weiteren Anhalt zur Benennung der Figur, für deren Wesen
das Thier unzweifelhaft ein Symbol war.
Auf den Flügeln der beiden Schmalseiten sind in sym-
metrischer Weise eigenthümliche t^iguren, mit kleinen Kindern
auf dem Arm, angebracht, in welchen man die Harp)den mit
den geraubten Töchtern des Pandareos zu erkennen glaubte.
Es sind Frauen, nach unten in einen Yogelleib auslaufend und
in diagonaler Richtung, wie im Fluge, dargestellt, i?ypdurch
zugleich eine angenehme Abwechselung mit den senkrechten
Linien der übrigen Figuren hervorgebracht wird. In ihrer
Bildung entsprechen sie ganz den Gestalten der Sirenen, nur
dass die Flügel etwas unorganisch von den Armen, nicht von
den Schultern, ausgehen. Indess sind Sirenen hier schwerlich
gemeint, weil es nicht in ihrem Wesen liegt, ihre Beute im
Fluge davonzuführen , sondern richtiger scheint der Name
der Harpyien, die wir auf anderen Monumenten wenigstens
als geflügelte Frauen dargestellt finden. Sie sind Bilder des
fortraffenden Sturmwindes und könnten daher wohl in der
Bedeutung von Todesgöttinnen, die mit den Seelen der Ge-
storbenen davoneilen, hier dargestellt sein. Denn die Kinder-
figuren auf ihren Armen sind jedenfalls Bilder menschlicher
Seelen, man stellt in der alterthümlichen Kunst den Schatten
eines Verstorbenen in kleiner Gestalt vor, um das Unwesent-
liche seiner Existenz anzudeuten. Gewöhnlich haben freilich
die Schatten Flügel, indessen ist dieser Unterschied hipr, wo
sie nicht selbstständig schweben, sondern getragen werden,
wohl nicht von Belang.
Ein Zusammenhang der Handlung zwischen diesen Fi-
guren und der Mittelgruppe der beiden Platten existirt nicht,
den geistigen Zusammenhang aber, der sie mit der übrigen
Darstellung verknüpft, scheint die kleine unter einer derselben
knieende Figur anzudeuten, die wir bis jetzt noch übergangen
haben. Sie stört in auffallender Weise die Symmetrie, umso-
mehr ist vorauszusetzen, dass sie nicht bedeutungslos ist
Ihre Stellung ist die einer tief Trauernden, die Hände an
Lycische Kunst. 4j
die Wange gelegt^ blickt sie der forteilenden Harpyie nach;
wir vermathen; es ist die trauernde Stifterin des Monuments^
das von ihr zn Ehren verstorbener Angehörigen errichtet
wurde. Dass sie sich in bescheidener Kleinheit hat darstellen
lassen^ ist natürlich^ ähnlich wie auf griechischen Yotivreliefs
nnd in der neuem Kunst die Donatoren so oft ganz klein dar-
gestellt werden. Den Gedanken des Ganzen würden wir
nun in dieser Weise ausdrücken: Die Bilder der Harpyien
vergegenwärtigen das Geschick, das der Trauernden die Ihrigen
^tführte, in jenen Gruppen Opfernder aber erkennen wir die
Verstorbenen nach ihrer Sinnesweise, die sie im Üielien hatten,
charakterisirt Denn dies ist ein die griechischen nnd, wie es
scheint, auch die lycischen Grabsteine beherrschender Gedanke,
die den Verstorbenen in einer für sein Wesen charakteristischen
Weise darzustellen. Hier ist nun in der Darbringung von
Opfern die Frömmigkeit als die charakteristische Eigenschaft
der Verstorbenen hervorgehoben, was meines Wissens nur
hier geschehen ist. Es knüpft sich unwillkürlich, wenn wir
Menschen in einem Act der Frömmigkeit auf Grabsteinen
dargestellt sehen, der Gedanke daran, dass die Götter, zu
denen sie beten, ihnen auch schützend beistehen werden in
den Schrecken des Todes, und diesen Gedanken mochte wohl
die Stifterin des Denkmals beabsichtigen.
Hinsichtlich des Stiles zunächst einige Einzelheiten. Man
hat mit Recht die lebensvolle Darstellung der Thiere, der
Taube und des Hahns hervorgehoben, während die mensch-
liche Gestalt noch verhältnissmässig starr ist. Dieser Gegen-
satz ist auch sonst in der altgriechischen und ähnlich in der
Kunst vorgriechischer Völker nachweisbar und erklärt sich
wohl daher, dass man das Thier gleich von Anfang an frei
nach dem lebendigen Eindruck der Natur bilden konnte,
während in der Bildung der Menschengestalt die Naturwahr-
heit nicht sogleich als Ziel el'strebt wurde. Bei dieser kam
es vielmehr zunächst darauf an, gewisse Ideen auszudrücken,
deren Darstellung nach der Gefühlsweise der damaligen Zeit
noch wichtiger schien, als Naturwahrheit, die Figuren sollten
einen feierlichen, frommen und ernsten Eindruck machen, und
man irrt, wenn man die steifen Stellungen und Gewandungen
blos aus Unbehülflichkeit erklärt, da sie vielmehr einer be-
stimmten Gefühlsweise entspringen. Gerade hier am Harpyien-
monnment lässt sich in den leisen Schritten und in der feier-
42 Lycische Kunst.
liehen Haltung der Figuren ein bestimmtes Hinwirken auf
einen ernsten Gesammteindruck gär nicht verkennen.
Im Allgemeinen hat der alte Stil die Neigung, gleich-
artige Figuren vollkommen gleich zu bilden, so dass die eine
nur wie die Wiederholung der andern aussieht. Hier bemerkt
man an den Figuren der drei adorirenden Frauen in der
Haltung der Arme doch schon ein Streben nach Abwechselung,
auch an dem Kopfputz der Harpyien, in der Haltung der
Kinder u. s w. sind Unterschiede bemerkbar.
An den Gewändern ist die Eigenthümlichkeit hervorzu-
heben, dftiEdf sier nicht nur da, wo sie angezogen werden,
sondern auch an den Figuren, deren Hände nicht das Ge-
wand berühren, straff angespannt sind, so dass der Umriss
des Körpers deutlich hervortritt. Es zeigt sich hier im Keim
jenes griechische Bestreben, das Gewand dem Körper unter-
zuordnen, so dass es nur die darunter liegenden Formen
wiedergiebt, es verhüllt nicht, wie auf den assjrrischen Reliefs,
sondern ist nur das „Echo der Gestalt".
An diesem Monument ist recht deutlich der Sinn jenes
vielbesprochenen Lächelns der alterthümlichen Bildwerke
zu erkennen. Man sehe die Göttin an, der die drei Frauen
nahen, eine Figur, in welcher das Ideal einer Aphrodite sich
ankündigt, oder noch lieber den Kopf der rechts von dem
Gott, dem die Taube gebracht wird, befindlichen Harpyie,
und man wird begreifen, wie es nur das Streben nach Innig-
keit, Anmuth und Lieblichkeit ist, das diesen Zug hervorge-
rufen hat. An einer Figur des Kaiamis, eines älteren Zeit-
genossen des Phidias, wird das „ehrbare und verstohlene
Lächeln" hervorgehoben ; was damit gemeint sei, können diese
Figuren lehren.
An einigen Incorrectheiten fehlt es übrigens nicht, die
Hände der von den Harpyien getragenen Kinder sind meist
unförmlich gross und besonders hässlich ist die herabhängende
linke Hand des Kindes zur Linken des jugendlichen unter
den drei Göttern. Die Augen sämmthcher Figuren sind
wie von vorn gesehen dargestellt, worin übrigens dieses
Relief nur dem Brauch der ganzen alterthümlichen Plastik
und Malerei folgt, der die Profilstellung des Auges zu schwierig
gewesen zu sein scheint. Das Relief ist auf der Oberfläche
der Figuren meistens noch ganz platt.
Charakteristisch ist an diesem Werk eine grosse Neigung
zum Weichen, ja Ueppigen, es steht darin den selinuntischen
Lycische Kunst. 4S
Reliefs diametral gegenüber. Man vergleiche z. B. die Brust
an den Frauen, und unter den Männern ist namentlich der
letzte zur Linken auf der Ostseite geradezu fett zu nennen.
Eine etwas unförmliche Figur ist auch der jugendliche Gott.
Mit diesem Hang zum Weichen vereinigt sich ein Streben
nach Grazie, das sich besonders in der Haltung der Arme
und Finger beim Anfassen von Gegenständen verräth. Und
an Schmuck fehlt es auch nicht, die Frauen tragen alle
Armbänder und wären die Farben erhalten, so würden auch
die Sessel der Figuren sich weit zierlicher präsentiren. Die
Ausführung aber zeigt überall jene Sorgfalt und Treue, die
der werdenden, lernenden Kunst besonders eigenthümlich ist.
Man hat mit Kecht auf die grosse üebereinstinmiung
dieses Werkes mit altattischen Sculpturen aufmerksam gemacht.
Der Krieger, der dem Gott seinen Helm übergiebt, ist dem
Aristion (n. 20) überraschend ähnlich, und schon oben wurde
die Stilverwandtschaft mit der wagenbesteigenden Göttin (n. 19)
hervorgehoben.
Woher diese Uebereinstimmung ? Ist sie durch Ein-
wirkung der attischen Kunst auf die lycische, oder umge-
kehrt der lycischen Kunst auf die attische zu erklären ? ,
Denn dass kein Zusammenhang bestehe, scheint uns ganz
unwahrscheinlich. Nun ist aber Eins gewiss, dass nämlich
dies Werk nicht als ein rein attisches angesehen werden
kann, in der oben hervorgehobenen Neigung zum Weichlichen
und Fetten scheint uns ein Anklang an asiatische Kunst ge-
geben, den wir in attischen Kunstwerken vergebens suchen.
Es könnte freilich darum immer noch ein wenigstens durch
attische Kunst angeregter Lycier sein, von dem das Werk
herrührte. Aber wahrscheinlicher scheint doch die Annahme
einer einheimischen Kunstschule, die auf die attische Kunst
Einfluss gehabt hat, denn Lycien erscheint wenigstens in
firüherer Zeit nach der beim Löwenthor (n. 1) erwähnten Sage
von den Cyclopen als ein Land, das Griechenland in künstle-
rischer Hinsicht gegeben, nicht von ihm empfangen hat.
Dass sich aber hier eine so bedeutende und dem griechischen
Gefühl so verwandte Kunstrichtung bilden konnte, scheint
weniger aujffallend, wenn wir bedenken, dass Lycien in Keligion
und Sprache den Griechen sehr verwandt war.
Hinsichtlich der Zeitbestimmung können wir nur einen
gleichzeitigen Ursprung mit jenen oben erwähnten attischen
Reliefs aus der Zeit der Perserkriege annehmen. So ver-
44 Lycische Kunst.
wandte Werke können auch der Zeit nach nicht weit aus-
einander liegen.
Die erste zuverlässige Abbildung ist die in den Monum. d. inst.
IV, Tav. 2. 3., wozu E. Braun eine sehr lesenswerthe Erläuterung ge-
schrieben in Annali 1844 p. 133 ff. Vgl. Rhein. Mus. N. F. 3, 144 f.
Einige kleine Irrthümer sind darin zu berichtigen, nämlich p. 137, dass
die Göttin links von der Grabesthür geschlossene Augen habe, femer
p. 143, wo die Figur, welche dem jugendlichen Gott adorirend entge-
gentritt, für weiblich angesehen wird, da sie doch entschieden männlich
ist, wie die Vergleichung mit den Frauen der Eingangsseite ergiebt.
Das Thier unter dem Sessel des als Pluto bezeichneten Gottes erklärt
Braun für 9iiu$n Bären und dafür hält ihn auch auf das Bestimmteste
eine zoologische Autorität, Hr. Prof. Peters. Die Vermuthung Braim's,
daös der Gott, dem die Taube präsentirt wird, Zeus sei und die andern
Poseidon und Pluto, stimmt einmal nicht wohl mit der Unbärtigkeit der
betreffenden Figur und zweitens nicht mit dem weniger vornehmen Sitz,
den sie im Vergleich mit dem angeblichen Neptun einnimmt. Die von
Braun p. 150 in Abbildung mitgetheilte lycische Grabstele spricht sehr
dafür, die geflügelten Figuren des Harpyienmouuments als Sirenen an-
zusehen, denn jene Figur auf der Säule ist gewiss eine Sirene, wie sie
aus Attika und andern Orten bekannt ist. Indessen hielt mich doch das
im Text geäusserte Bedenken zurück und zudem haben ja die Sirenen
auf den Grabsteinen eine ganz andre Funktion als die, die Seelen der
Gestorbenen davonzutragen.
Nächst E. Braun hat sich besonders E. Curtius mit dem Denkmal
beschäftigt, Arch. Ztg. 1855 p. 1 ff., Taf. 73, dessen Bemerkungen ich
mir indess, so geist- und gemüthvoll sie sind, wegen unzulänglicher
Begründung lücht aneignen kann. Es ist schon im Text darauf Rück-
sicht genommen, ich bemerke nur noch folgendes. Die Verzierungen
an den Thronsesseln können symbolisch gemeint sein, aber sie brau-
chen es nicht. Der Schwanenhals z. B. ist ein in der griechischen
Tektonik seit den ältesten Zeiten — nämlich seit der Periode der
schwarzfigurigen Vasen — sehr gebräuchliches Ornament an Stühlen,
gewissen Löffeln, an der Wagendeichsel u. s. w., und so leicht es ist,
den künstlerischen Sinn desselben zu bestimmen, auf den ich in der
dem Verzeichniss unsrer Broncen vorauszuschickenden Einleitung aus-
führlicher eingehen werde, so schwer dürfte es sein, überall symbolische
Beziehungen zu entdecken. Bei bedeutenden Kunstwerken sind sie eher
vorauszusetzen, aber doch auch bei diesen kann manches nur zum Zweck,
die Schönheit und Grazie der Form zu steigern, hinzugefügt sein und
ich wüsste nicht, warum nicht aus diesem Grunde die Stuhllehne der
liebUchen Göttin an der Ostseite des Monuments nüt einem Schwanenkopf
veraiert sein könnte. An der Gestalt der Harpyien ist nichts Auffallen-
des, die Form ihres Vogelleibes findet sich auch an wirklichen Vögeln,
worauf schon Ann. 1859 p. 399 aufmerksarh gemacht ist. Ueberhaupt
kann ich weder in der Gestalt der Harpyien noch in andern Dingen den
Glauben an die Unsterblichkeit der Seele, der nach Curtius das Thema
der ganzen Composition ist, klar ausgesprochen finden.
Ueber die Darstellung der Harpyien vgl. auch Ann. 1845 p. 1 ff.
(wo p. 8 die Zeit des Harpyienmouuments richtig bestimmt wird als
kurz der Verwaltung des Perikles vorangehend) und 0. Jahn Archaeol.
Lycische Kunst. 45
fidtr. p. 101. Mit den Sirenen stellt Gargallo-Grimaldi, su la pittura di
un vaso greco inedito Napoli 1848 (ich kenne dies Buch nur aus dem
Bericht im Bullet. 1849 p. 174) die Figuren des Harpyienmonuments
zusammen. Vgl. ausserdem Welcker zu Müllers Handb. § 90 und die
dort citirte ältere Literatur. Nur wird Welcker's Zeitbestimmung mit
Recht bestritten von Overbeck Ztschr. f. Alterthumswissensch. 1856
D. 37 und Gesch. d. gr. Plast, p. 188. Ueber die Gruppe der säugen-
den Kuh vgl. die Nachweisungen von Longperier Notice des antiquit^
assyriennes du musee du Louvre Paris 1854 n. 390.
31. Sogenannte Leukothea*, Marmorrelief, in Villa
Albani. Ergänzt sind an der Lenkothea Nase and Lippen
und Einiges an der rechten Hand, am Kinde die rechte Hand
und der linke Unterarm; an der ersten der drei Frauen
das Gesicht; die linke Hand und ein Theil des Kranzes,
den sie hält.
Winckelmann erklärte die Darstellung aus unzureichenden
Grrfinden als die Pflege des jungen Bacchus durch Leukothea.
Der Mangel aller näheren Charakteristik führt vielmehr zur
Annahme; dass die Vorstellung dem Kreise des täglichen
Lebens angehöre. Nur könnte der stattliche Thronsessel und
die wie zu einer feierlichen Adoration dastehenden beiden
hintern Figuren glauben machen, die sitzende Frau sei eine
GR^in. Allein das letztere wird wohl richtiger der starren
Unbehülflichkeit des alten Stils zugeschrieben und auch die
Formen des Sessels entsprechen der Vortragsweise dieses
Stils besser, als die leichteren und geschweifteren Formen
der späteren Zeit. Zudem führt auch das unter ihm be-
merkliche Arbeitskörbchen in die Sphäre menschlicher Ver-
hältnisse.
Es ist ein griechischer Grabstein, mit einem Familienbild
inniger Art geschmückt. Der leitende Gedanke war, dem
Verstorbenen ein Denkmal der Liebe und Pietät zu stiften,
mit der die Seinen im Leben an ihm gehangen. Zwar tritt
dieser Gedanke recht deutlich erst in der spätem, die Mittel
des Ausdrucks beherrschenden Kunst hervor, doch ist ein
Anfang schon hier zu merken. Die Frau, die mit ihrem
Kindchen tändelt, ist gewiss die Verstorbene, die beiden
kleineren Figuren, die der Kaum nicht anders zu stellen er-
laubte, scheinen ältere Töchter zu sein, und die grösste der
drei Frauen, die dem Kinde, wie es scheint, einen Kranz
aufsetzen will — was auch nur als ein gemüthliches Motiv
Im Lycischen Hof n. 287.
46 Lycische Kunst.
ohne weitere Bedeutung aufzufassen — , ist auch wohl eine
Angehörige oder Dienerin.
Das Relief zeigt im Stil die auffallendste Verwandtschaft
mit dem Harpjdenmonument, so dass es gewiss derselben Zeit
und Kunstschule zuzuschreiben ist. Nur ist es freilich nicht
mit der Sauberkeit und Feinheit im Einzelnen gearbeitet, wie
jenes.
Abg-. bei Winckelmann monum. ined. n. 56. Zoega bassiril. I. Tav
4:1. Müller-Wieseler I, 11, 40.
Die im Text befolgte Erklärung ist angedeutet von Zoega und nä-
her begründet von Friedländer de operibus anaglyphis in monumentis
sepulcralibus Graecis Königsbg. 1847 p. 16. Ich glaube sie wird jetzt,
da so viele ähnliche Grabsteine bekannt sind, keiner weitern Begründung
bedürfen, so dass ich die mythologischen Deutungen dieses Reliefs über-
gehn kann. Ueber das Verhältniss des Werkes zum Harpyienmonument
vgl. E. Braun Rh. Mus. N. F. III. p. 488. Annali 1844 p. 153.
c) Düe äginetische Kunst.
32—48. Aeginetische Statuen*, MarmorgruppeU; im
Jahre 1811 von einer Gesellschaft Deutscher und Engländer
(Linkh, Haller, Cockerell; Foster) auf der Insel Aegina in den
Ruinen eines Tempels entdeckt. König Ludwig kaufte sie
1812 als Kronprinz für 20,000 scudi, liess sie 1816 — 1817
von Thorwaldsen ergänzen und dann in der Glyptothek zu
München aufstellen. Die Restauration Thorwaldsen's gehört
zu den besten, die je gemacht sind, und scheint auch ihn
selbst befriedigt zu haben, denn man erzählt sich, dass er, um
die von ihm* herrührenden Stücke befragt, geäussert habe
„ich erinnere mich ihrer nicht mehr und sehen kann ich sie
nicht,^^ indessen scheinen doch einige Fehler begangen zu
sein. Wir betrachten zunächst die einzelnen Figuren und
zwar zunächst diejenigen des westlichen Giebelfeldes, dessen
bildnerischer Schmuck fast ganz vollständig erhalten ist
Die Mittelfigur, Pallas, ist bis auf einige Stücke des Ge-
wandes und der Aegis ganz erhalten. Dass sie in der Mitte
des Giebelfeldes stand, folgt aus ihrer Grösse, ausserdem ist
sie gerade unter der Mitte des Giebels gefunden. In dieser
ihrer Stellung im Mittelpunkt liegt auch gewiss der nächste
Grund, warum sie en face dargestellt ist. Man sollte erwar-
* Im Griechischen Saal n. 23—39.
Aeginetische Kunst. 47
teil, wie man es so oft auf andern Monumenten sieht; Pallas
trete auch hier als Führerin ihres Volkes gegen den Feind aui^
aber wenn sich die Göttin einer Partei enger angeschlossen
hätte; so wäre das strenge Gleichgewicht der beiden Hälften
gestört; das in den Giebelgruppen des Alterthums innegehalten
wurde. Ausser dieser formellen Rücksicht mochte es der
Künstler vielleicht auch für diesen Ort; für den Tempel; an-
gemessener finden; die Göttin 'als unsichtbare Schlachtenlen-
kerin zwischen die Parteien zu stellen als dass sie sich nach
homerischer Weise in das Getümmel der Menschen mischt
Die Beine und Füsse der Göttin übrigens stehen mehr im
Profil, was gewiss nur dadurch veranlasst ist; dass der vor
ihr liegende Krieger sonst nicht genügenden Raum hatte.
Von unten bemerkt man es kaum; hätte der Künstler dabei
die Absicht gehabt die Göttin als Yorkämpferin der Griechen
zu bezeichnen; so würde er sich wohl etwas deutlicher und
entschiedener ausgedrückt haben.
Manche Theile der Figur waren bemalt. Der HehU; des-
sen Bügel durch eine Schlange getragen wird, war blau; der
Helmbusch roth (was für alle Helme vorauszusetzen), jene
Farbe sollte gewiss Metallfarbe bezeichnen; während die rothe
Farbe des Busches, wie auch eine Stelle Homers anzudeuten
scheint; als besonders prächtig und imponirend .angesehen
wurde. Ausserdem ist die Oberfläche und der Schirm des
Helms mit kleinen eingebohrten Löchern übersäet, die zur
Befestigung broncener Zierrathen, vermuthlich Nägel, dienten.
Im Nacken unter dem Helm finden sich noch mehrere Löcher,
die zur Anfügung freigearbeiteter metallner Locken bestimmt
waren. Die Ohren der Göttin sind durchbohrt, um Ohrringe
aufzunehmen. Die Aegis war schuppenartig bemalt, wie man
es in späterer Zeit plastisch dargestellt hat, und glich somit
einem Schuppenpanzer, an ihren Spitzen ist sie durchbohrt
zur Aufnahme einer Verzierung, die nach der Praxis der
spätem Kunst in Schlangenköpfen, nach der Beschreibung
Homer's aber in Troddeln bestehen würde. Der Schild, den
die Göttin an einem Tragbande trug, war wie alle übrigen
Schilde an der innem Seite bis auf einen fingerbreiten Strei-
fen am Rande, roth bemalt, womit das Futter bezeichnet
werden sollte, aussen aber blau und; wie man es so gewöhn-
lich auf den bemalten Vasen findet, mit einem charakteristi-
schen Symbol versehen. Ein Bruchstück eines Schildes hat
sich erhalten mit Spuren einer weiblich gekleideten Figur in
48 Aeginetische Kunst.
flachem Relief. Am Saum des Gewandes hat man Spuren
rother Farbe gefunden, doch fragt sich ob das ganze Ge-
wand bemalt war. Die Riemen der Sandalen waren nur
durch Bemalung ausgedrückt, die Plinthen der Figuren, die
in den obem Theil des Kranzleistens eingelassen waren, zeig-
ten rothe Farbe und der Hintergrund war blau. Am Nackten
waren nur die Augäpfel bemalt und die Lippen. Theils ha-
ben sich Spuren davon gefunden, theils geht es daraus her-
vor, dass sie sich viel glatter und reiner, weil geschützt durch
den Farbenüberzug, erhalten haben. Die Göttin hatte blaue
Augen und hellbraune Haare, beides dem Schönheitsideal der
Griechen, Wie wir es auch sonst kennen, entsprechend.
An dem vor den Füssen der Göttin liegenden Krieger
ist nur Unwesentliches ergänzt. Er ist verwundet hingesun-
ken und hält sich nur noch durch die rechte Hand aufrecht,
man sieht wie die Glieder ermatten und der Helm ihm vom
Haupt fällt. Es ist interessant, mit dieser Figur analoge Dar-
stellungen auf älteren Monumenten, auf denen der Kampf um
einen Gefallenen, den das homerische Epos so lebendig schil-
dert, öfter dargestellt ist, zu- vergleichen. Auf den ältesten
Vasenbjldem liegt der Gefallene lang hingestreckt da, später
stellt man ihn so dar wie es hier geschehen, wodurch sowohl
die Gruppirung gewinnt als auch die Wirkung aufs Gemüth
eine höhere wird. Uebrigens verbot schon die Aufstellung
im Giebel die Darstellung einer platt hingestreckten Figur,
die von unten gesehen nicht zur Wirkung kommt Das
Schwert dieses Kriegers springt ganz aus dem Giebelfeld her-
aus, wir wissen nicht, ob dies ursprünglich der Fall war.
Vielleicht ist bei der hiesigen Aufstellung das Giebelfeld nicht
tief genug angenommen, so dass auch die Geschosse nicht
vor der Göttin hinüber und herüber fliegen könneu, wie es
doch nothwendig zu sein scheint.
Die Vorkämpfer der beiden Parteien sind bei der hiesigen
Aufstellung leider vertauscht, die Stelle, wo sie gefunden
wurden, lässt über ihre Aufstellung keinen Zweifel übrig, der
Vorkämpfer auf trojanischer Seite ist derjenige an welchem
der Kopf erhalten, während der griechische erst durch die
Restauration einen Kopf und zwar, was schwerlich richtig ist^
einen unbärtigen — jener ist bärtig — erhalten. Indessen
ist diese Vertauschung für das Verständniss des Ganzen wenig
erheblich. Wichtiger ist die Haltung der Speere, die gewiss
anders zu denken ist. Die Krieger stechen nicht mit den
Aüginetische Kunst. 49
Speeren; sondern sind im Begriff^ sie fortzoschlendern; und
hielten sie in horizontaler Richtung. Dadurch wird auch
die Lücke über dem Kopf des Sterbenden ausgefällt Ergänzt
ist an dem griechischen Vorkämpfer; ausser dem Kopf; nur
Unbedeutendes; an dem trojanischen beide Beine vom Leibe
an und der rechte Vorderarm. An diesem bemerkt man
auf der rechten Schulter und unter dem linken Arm meh-
rere Löcher zur Befestigung eines Schwertriemens. Zu be-
merken ist auch der Helm desselben; einmal hinsichtlich der
Form; die eine schon spätere zu sein scheint; da man auf
den ältesten Monumenten immer nur eckig; nicht rund ge-
schnittene Backenschirme sieht; besonders aber wegen der
Art; wie der Krieger ihn trägt. Die Helme wurden im wirk-
lichen Kampfe ganz über den Kopf gezogen; wofUr ja auch
ihre den ganzen Kopf mit Backen; Auge und Nase nachahmende
Form bestimmt ist; in dieser Weise sieht man sie aber nur auf
den ältesten Monumenten; später opfert man die Anforderung
der Wirklichkeit dem künstlerischen Bedürfiiiss; das Gesicht
unverhüllt darzustellen. Unter dem Helm kommt das Käpp-
chen zum Vorschein; das man trug; um den Druck des Helms
aufzuheben.
Es folgen ^ks und rechts je ein Bogenschütz. Der
troischC; im Begriff den Pfeil abzuschiessen; ist fast unversehrt
erhalten. Seine Tracht; enganliegende Hosen und Jacke, die
schuppenförmig bemalt waren, und Filzhut mit überhängender;
hier fehlender Spitze; ist die asiatischer Völkerschaften; den
Bogen trägt er an der linken Seite, gleichfalls nach asiatischer;
z. B. persischer SittC; welche von den Griechen; die ihn ur-
sprünglich auf der Schulter trugen, später angenommen wurde.
Die Griechen haben auch, wie aus vielen Monumenten her-
vorgeht; die enganschmiegenden Jacken und Hosen für ihre
Bogenschützen adoptirt; hier indessen musste scffon zur Unter-
scheidung der griechische Bogenschütz in griechischem Costüm
dargestellt werden. An diesem sind ergänzt der Kopf, beide
Vorderarme und das linke Bein vom Knie abwärts. Auf der
äussern Fläche seines Köchers ist noch eine Schwertscheide
angebracht; auf der obem Fläche desselben bemerkt man
die Löcher zum Einstecken der Pfeile. Er scheint eben ab-
geschossen zu haben. Dass man ihn, sowie den trojanischen
Schützen, mit einem ledernen Panzer bekleidet dargestellt
hat, davon liegt der Grund gewiss darin, weil die Bogen-
schützen keinen Schild tragen konnten. Zugleich gewähren
Friederichs, giiech. Plastik. 4
50 Aeginetische Kunst.
diese bekleideten Figuren eine angenehme Abwechselnng
zwischen den übrigen; sämmtlich nackten Kriegern. Die
knieende Stellung, zunächst durch das Giebelfeld veranlasst^
ist doch für Bogenschützen auch natürlich und findet sich
öfter in den Monumentens Sie mussten sich möglichst zn-
sanmienschmiegen; weil sie keinen Schild hatten. Es darf
übrigens vorausgesetzt werden, dass der Panzer des Griechen
bemalt war, entsprechend dem des Trojaners.
Von dem folgenden Paar von Kriegern ist derjenige auf
der trojanischen Seite sehr stark ergänzt. Es fehlten Kopf
und Hals, der linke Vorderarm, das Unke Knie und das
rechte Bein vom Knie abwärts. Die Haltung des Kopfes kann
unmöglich richtig sein, der Krieger sieht nach unten, wofür
gar kein Grund abzusehen, und zugleich hebt er den Speer
zum Stoss, wodurch die Neigung des Kopfes noch auffallender
wird. Die entsprechende Figur auf der griechischen Seite
ist bis auf die Hände nnd den linken Vorderarm erhalten.
Der Platz, welchen diese Krieger und die Bogenschützen iin
Giebelfeld einnahmen, ob die letzteren vor oder hinter den
ersteren standen, war nach den Umständen des Fundes nicht
zu bestimmen, auch die Grösse entscheidet hier nicht, weil
die Figuren nicht vollständig erhalten sind. Na^jh Thorwaldsen's
Restauration sind allerdings die Bogenschützen um ein paar
Zoll höher als ihre Hintermänner, wenn aber der auf trojani-
scher Seite ergänzte Kopf, an dessen Neigung wir Anstoss
nahmen, mehr gehoben wird, so verschwindet diese Differenz,
und die Richtigkeit der Ergänzung des griechischen Bogen-
schützen ist uns auch aus andern Gründen zweifelhaft. Thor-
waldsen hat ihm einen Helm mit hohem Busch aufgesetzt,
wie ihn die übrigen Krieger tragen, aber auf Vasenbildem
finden wir die Bogenschützen sehr oft mit enganliegenden
Hauben ohne Busch bekleidet und diese ungleich charakte-
ristischere Tracht wird hier noch dadurch empfohlen, dass auch
die übrigen drei an diesem Tempel dargestellten Bogenschützen
von den Lanzenträgem durch charakteristisches Costüm unter-
schieden sind. Dadurch würde auch auf griechischer Seite
die Differenz der Grösse verschwinden. Wir glauben, dass
die Bogenschützen nicht die dritte, sondern die zweite Stelle
im Giebelfeld (von der Ecke an gerechnet) eingenommen haben.
Zunächst deswegen, weil sie, wie wir unten sehen werden, in
dem correspondirenden Ostgiebel bestimmt diese Stelle ein-
nahmen, sodann weil die Bogenschützen ihrer Waffe wegen
Aeginetische Kunst 51
nicht nöthig haben, in den vorderen Reihen zu kämpfen^
vielmehr da sie keinen Schild tragen konnten, sich im Hand-
gemenge mehr rückwärts zu halten hatten, und endlich darum^
weil dann die knieenden Lanzenträger, die jetzt eigentlich
müssig sind, lebendig in die Aktion eingreifen und überhaupt
erst verständlich werden. Denn man begreift nicht, aus
was für Gründen diese Figuren, die nach ihrer Waffe auf
den Nahkampf angewiesen sind, sich soweit vom Mittelpunkt
des Kampfes entfernt halten, noch weniger aber, warum sie
niederknieen. Man hat dies einfach aus dem Zwang des
Raumes erklärt, aber das heisst doch zu schnell dem Künstler
einen Fehler zutrauen. In der griechischen Kunst, selbst in
den untergeordneten, ans Handwerk streifenden Werken der-
selben, ist die Beschränkung des Raumes gewöhnlich so glück-
lich überwunden, dass man bei einem so bedeutenden Kunst-
werk dieselbe Voraussetzung machen darf. Das Knieen und
überhaupt die ganze Thätigkeit dieser Krieger ist vollkommen
motivirt, sobald sie vor den Bogenschützen stehen. Sie liegen
im zweiten Gliede gleichsam auf der Lauer und erspähen
die Gelegenheit, ob nicht ein unvorsichtiger Feind sich vor-
wagen werde, um den Sterbenden auf seine Seite herüber-
zuziehen. Ständen sie aufrecht hinter den Vorkämpfern und
deren Schilden, so wären sie eben durch diese gehindert;
gerade ihr Knieen macht ihnen den freien Blick und die
freie Aktion möglich. Man versteht dann auch die vorwärts
strebende Bewegung dieser Krieger, die an dem entfernteren
Platz hinter den Bogenschützen, von wo aus kein Stoss den
Feind erreichen kann, unverständlich wäre. Auch die ganze
Situation wird durch diese Umstellung lebendiger und span-
nender.
Von den beiden Sterbenden in der Ecke des Giebels
ist der Grieche beschäftigt sich einen Pfeil aus der Brust
zu ziehen. Die eigenthümliche Haltung seiner Beine soll
vielleicht den Schmerz der Wunde ausdrücken. Ergänzt
sind an ihm das rechte Bein vom Knie bis auf die Knöchel
und der rechte Vorderarm. Die je drei Löcher an den
Schultern dieser Figur können nicht zur Befestigung eines
Halsschmuckes, der hier durchaus unpassend wäre, gedient
haben, ihre Bestimmung ist nicht klar, vielleicht hingen hier
auch Locken herab. Der verwundete Trojaner greift mit
der Linken nach der Wunde an seinem Schenkel. Diese
Figur hat an der Vorderseite besonders gelitten, ergänzt
4*
52 Aeginetische Kunst.
sind der Kopf, der linke Arm (bis auf die Spuren der Finger
an der Wunde), der rechte Arm und beide Beine vom Knie
abwärts.
Dies sind die vom westlichen Giebelfeld des Tempels
erhaltenen Figuren. Es fehlt zur Vollständigkeit nur eine,
von der trojanischen Seite, die nur vier Figuren hat, während
auf der griechischen fünf stehen. Und zwar war dies, wie
sich theils aus Fragmenten, theils aus der Vergleichung
der sehr genau entsprechenden Vorderseite des Tempels er-
giebt, ein nackter Jüngling, der zwischen dem trojanischen
Vorkämpfer und der Göttin stehend, nach dem sterbenden
Griechen griff, um ihn herüberzuziehen und seiner Waffen
zu berauben. Vom Ostgiebel ist diese Figur erhalten und
eben diese ist hier, um wenigstens ein Giebelfeld ganz voll-
ständig zu haben, in den Westgiebel eingeschoben. Es war
hier also eine Scene dargestellt, wie Homer sie oft beschreibt,
der Kampf um einen Gefallenen, den die Freunde vertheidigen,
die Feinde auf ihre Seite herüberzuziehen suchen.
Vom östlichen Giebelfeld sind nur fünf Statuen einiger-
massen vollständig erhalten, aber es geht aus ihnen und aus
zahlreichen Fragmenten hervor, dass die Darstellung ganz
mit dem Westgiebel übereinstimmte. Auch hier nahm Pallas,
deren Kopf sich erhalten, die Mitte ein, und an ihrer rechten
Seite standen die Griechen, an ihrer Linken die Trojaner,
unter welchen sich, wie das Fragment eines rechten Arms
zeigt, eine jenem Bogenschützen im Westgiebel durchaus ent-
sprechende Figur befand. Erhalten ist zunächst die Eckfigur
der griechischen Seite, ein schwer verwundeter älterer Krieger,
der sich nur mit Mühe noch etwas über dem Boden hält.
Sein rechtes Bein von der Mitte des Schenkels abwärts ist
ergänzt, auch der Helmbusch fehlt, der in eine oben auf
dem Helm bemerkbare Vertiefung eingelassen war. Am
rechten Gesässmuskel dieser Figur ist eine antike Ergänzung
zu bemerken. Es folgt sodann der Bogenschütz, der nach
dem über seinen knapp anliegenden Helm gezogenen Löwen-
fell als Herakles zu bezeichnen ist. Im Uebrigen ist er
ähnlich gekleidet wie der griechische Bogenschütz des West-
giebels. Sein Panzer ist von Leder und besteht aus einem
Stücke, dessen Enden unter dem linken Arm zusammen-
genestelt sind. Er wird nur von einem Achselriemen über
der rechten Schulter gehalten, um dem linken Arm, der den
Bogen führte, grössere Bequemlichkeit zu gewähren. Der
Aeginetische Kunst. - 53
Köcher ist nicht erhalten, drei grosse Vertiefungen am Nacken
und Rücken lassen vermuthen; dass er auf dem Rücken hing.
Ergänzt sind der rechte Vorderarm; beide Hände und das
linke Bein vom Knie abwärts.
Herakles kann nur die zweite Stelle im Giebel, von der
Ecke an gerechnet, eingenommen haben. Er schliesst sich
nach seinen Maassen unmittelbar an den in der Ecke liegen-
den Krieger an, den er nur um einen halben Fuss an Höhe
überragt, während er dagegen von dem ebenfalls erhaltenen
Vorkämpfer um fast zwei Fuss überragt wird. Unmittelbar
neben diesem kann er also nicht gestanden haben, es wäre
das ein Sprung, der ganz dem allmählichen Aufsteigen der
Figuren im Giebelfeld widerspräche. Steht aber Herakles an
seiner richtigen Stelle, so dürfen wir daraus bei der grossen
Uebereinstinunung der beiden Giebelfelder ein entscheidendes
Argument für die gleiche Stellung der Bogenschützen des
Westgiebels entnehmen, die wir oben zu beweisen suchten.
Der griechische Vorkämpfer der Ostseite wurde in sehr
verstümmeltem Zustande gefunden. Es fehlten der Kopf,
beide Hände und Beine, mit Ausnahme des rechten Unter-
beines. Ob er in der rechten Hand Speer oder Schwert ge-
halten hat, ist nicht sicher zu sagen.
Endlich der Gefallene, um den gestritten wird, an welchem
man zwei Wunden bemerkt, unter der rechten Brust und
anter dem linken Arm, Neu sind der Kopf, der rechte Arm,
der linke Vorderarm, das rechte Bein vom Leibe an imd das
linke vom Knie abwärts. Nach der Ergänzung soll die Figur
als nach hinten über gefallen und sich noch mit dem Schwert
vertheidigend gedacht werden. Die Stellung ist, wenn auch
durchaus naturwahr, doch weniger schön und poetisch, als
die der entsprechenden Figur im Westgiebel, sie ist aber
auch schwerlich richtig. Legen wir nämlich die Figur nach
der trojanischen Seite hin, worauf sie berechnet scheint —
sie präsentirt sich dann mit ihrer Vorderseite — , so wird
die Symmetrie gestört. Denn der Sterbende, um den gekämpft
wird, muss mit demjenigen correspondiren, der ihn herüber-
zieht, es ist keine andere Figur da, der er entsprechen könnte;
derjenige aber, der ihn herüberzieht, gehört sicher auf die
trojanische Seite, er hat nur Platz neben einem Vorkämpfer,
der seinen Schild nach aussen kehrt, also neben einem Trojaner.
Folglich kann der Gefallene nur auf die griechische Seite
gelegt werden. Aber in der Stellung, die ihm der Ergänzer
54 Aeginetische Kunst.
gegeben, können wir ihn auch da nicht gebrauchen. Denn
abgesehen davon, dass er sich mit seiner Rückseite präsen-
tiren würde, so kann er in dieser Lage des Oberkörpers
nicht wirksam genug mit dem ihn herüberziehenden Feinde
correspondiren — ein Liegender kann nicht einem, wenn
auch gebückt, aber doch aufrecht Stehenden gegenübergestellt
werden — , auch greift er nicht ein in die durch die Be-
wegung des griechischen Vorkämpfers entstehende Lücke, wie
es aufs Schönste der Fall ist bei der entsprechenden Figur
des andern Giebels. Endlich beweist der im Gegensatz zur
Vorderseite ganz glatte Rücken der Figur, dass sie die Brust,
nicht den Rücken nach aussen kehrte.
Wird aber die Figur, wie es auch in einer von einem
der Entdecker ausgehenden Skizze vorgeschlagen ist, so ge-
legt, dass sie sich auf den rechten Arm stützt, so erhalten
wir eine dem Sterbenden des anderen Giebels durchaus ent-
sprechende Figur. Die Gesetze der Composition und die
Uebereinstimmung mit dem andern Giebelfeld lassen, wie mir
scheint, keinen Zweifel übrig, dass dies in der That die
richtige Restauration ist. Die Figur braucht somit nur anders
gelegt, nicht anders ergänzt zu werden.
Ausserdem sind noch die kleinen weiblichen Figuren
zu beiden Seiten der Firstverzierung zu erwähnen. Ihr
Maass und ihre Symmetrie — sie sind sich ganz gleich,
nur dass, was die eine mit dem rechten Arm und Bein, die
andere mit dem linken thut — führten auf die Vermuthung,
dass sie als Verzierung der Architektur dienten. Köpfe und
Hände sind ergänzt. Der Typus dieser Figuren ist im alten
Stil sehr gewöhnlich, namentlich an Statuen der Aphrodite,
die mit der einen Hand ihr Gewand hebend und mit der
anderen eine Blüthe haltend dargestellt wird. Welche Be-
deutung sie aber hatten, ist ganz ungewiss.
Dass in den Gruppen der Giebelfelder Thaten griechischer
Heroen dargestellt sind, folgt schon aus der Anwesenheit des
Herakles; dass es sich femer um einen Kampf zwischen
Griechen und Asiaten handelt, ergiebt die Tracht des feind-
lichen Bogenschützen ; dass endlich Thaten äginetischer Heroen
gemeint sind, ist nach dem Fundort der Statuen eine natür-
liche Voraussetzung. »Nun giebt es einen Krieg eines ägine-
tischen Heros gegen Asiaten, unter dem Beistand des Herakles,
nämlich den Kriegszug des Telamon gegen Laomedon von
Troja, und diesen Kampf stellt unzweifelhaft, wie auch die
Aeg^ietische Kunst. 55
allgemeine Annahme ist, das vordere Giebelfeld dar. Aller-
dings war nach dem Myt&ns Herakles der eigentliche Führer
nnd Telamon nor Bundesgenosse; dämm sollte ersterer als
Vorkämpfer der Griechen und nicht in der untergeordneten
Rolle eines Bogenschützen erscheinen, aber gerade bei dieser
Expedition wird ihm ausdrücklich der Kampf mit der ihm
in älterer Zeit eigenthümlichen .Waffe, dem Bogen, zuge-
schrieben und so hatten die Aegineten einen willkommnen
Grund, dem einheimischen Heros die hervorragendere Stelle
anzuweisen.
Der Vorkämpfer auf der östlichen Seite also wird
Telamon sein sollen, von den andern Kriegern, ausser Herakles,
können wir keinen mit Namen nennen.
Nach der grossen Uebereinstimmung zwischen den beiden
Giebelfeldern ist auch im westlichen Giebel ein Kampf ägine-
tischer Heroen gegen Troja vorauszusetzen. Und. darüber
nun kann wohl kein Zweifel sein, dass der Heldenthat des
Vaters Telamon auf der Ostseite am passendsten eine That
des Sohnes, des gewaltigen Ajax, auf der Westseite gegenüber-
stehen würde, nur darüber herrscht Meinungsverschiedenheit,
ob in dem Gefallenen, den Ajax vertheidigt, Patroklus zu
erkennen sei oder AchiU. Zur Unterstützung der letztem
Meinung führt man namentlich an, dass Achill unter die
äginetischen Heroen zähle, während Patroklus keine Beziehung
zu Aegina habe. Das ist gewiss richtig, aber hat denn auch
der Grieche^ um welchen im andern Giebel gekämpft wird,
Beziehung auf Aegina ? Wird nicht der strenge Parallelismus
der beiden Gmppen, der doch nicht blos ein Parallelismus
der Form, sondern auch des Gedankens sein wird, auf's Em-
pindlichste gestört, wenn wir dem Sterbenden der einen Seite
eine Bedeutung beilegen, die dem der anderen ganz fremd
ist? Es kommt nicht sowohl darauf an, um wen, als darauf,
dass um einen sterbenden Griechen gekämpft wird. Aegine-
tische Heroen als Vorkämpfer der Griechen in bedrängter
Lage, das ist der klare und einfache Gedanke, der in diesen
Compositionen ausgesprochen liegt. Denn hier, wie dort, sind
die Griechen Vertheidiger, nicht Angreifer, ein Grieche ist's,
«m den gekämpft wird. Dieser Gedanke ist es, welcher, wie
ich glaube, den Mangel individueller Bezeichnung des darge-
stellten Vorgangs zum guten Theil erklärt.
Ich läugne natürlich nicht, dass auch die jener Kunst-
stofe eigenthümliche strenge architektonische Symmetrie dazu
56 Aeginetische Kunst.
mitgewirkt hat, die eine Giebelgruppe nur als eine Wieder-
holung der andern und die eine' Hälfte jeder Gruppe nur
als eine Wiederholung der andern erscheinen zu lassen, aber
ist es denkbar, dass dies Verfahren in solcher Strenge
eine allgemeine Praxis bei den Giebelgruppen des alten
Stils war ?
Denn wäre das die Absicht des äginetischen Künstlers
gewesen, zwei bestimmte Scenen aus der Geschichte der
Heroen zur Darstellung zu bringen, so würde er sie gewiss
unbeschadet der architektonischen S3anmetrie mehr indivi-
dualisirt haben. Wie leicht war es z. B., wenn er den Kampf
um die Leiche Achiirs hätte darstellen wollen, den sterbenden
Helden durch einen in der Ferse steckenden Pfeil deutlich
zu bezeichnen. Aber gerade eine grössere Individualisirung
der Begebenheit hätte das Allgemeine des Gedankens, der
ausgedrückt werden sollte, nicht so klar hervortreten lassen.
Wenn sich nun ergeben wird, dass diese Gruppen kurz
nach den Perserkriegen verfertigt sein müssen, dann gewinnt
die Vermuthung, dass der Bildner durch diese troischen
Scenen an die Kämpfe mit den Persem erinnern wollte, grosse
Wahrscheinlichkeit. Jedenfalls ist es echt griechisch gedacht,
wenn wir annehmen, dass die Aegineten zur Feier und zum
Andenken ihrer eigenen, ruhmvollen Thaten im Kampfe mit
Asien ihre Landesheroen als Retter der Griechen in ähnlicher
Noth aufstellten. Aehnlich ist es in Pindar's Siegesliedem,
die weniger den Ruhm des Siegers, als den seiner Landes-
heroen feiern.
Von einer individuellen Charakteristik der einzelnen
Heroen sind nach der Kunststufe der Werke erst Anfänge
sichtbar, wenn wir daher den Bogenschützen der Griechen
Teukros, den der Trojaner Paris und den trojanischen Vor-
kämpfer Hektor nennen, so wäre das nicht möglich, wenn
wir diese Namen nicht im Mythus fänden. Doch fällt Paris
als eine besonders schlanke und graziöse Erscheinung auf
und mehr noch ist in der Gestalt des Herakles ein Bewusst-
sein von dem Charakter der darzustellenden Figur wahrnehm-
bar. Es ist eine verhältnissmässig kleine aber sehr kräftig
gebildete Figur, so wie auch Pindar den Herakles schildert
und wie es dem Charakter dieses Helden, dessen Virtuosität
das Aushalten ist, am angemessensten erscheint. Auch in
seinem Gesicht fehlt es nicht ganz an Ausdruck, der Mund,
der an dem neben ihm liegenden Krieger wie klagend oder
Aeginetische Kunst. 57
schwer athmend sich öffiiet^ ist bei ihm fest geschlossen, wie
es natürlich ist für die gespannte Aufmerksamkeit, die den
Herakles, der gerade die Bogensehne anzieht, beherrscht. Im
Allgemeinen freilich ist weder von Individualität noch von
Ansdrack der Gesichter zu reden.
Die Bewegungen der Figuren, die aufs Schönste in ein-
ander greifen und vollkommen naturwahr sind, haben doch
noch etwas Gebundnes. Es ist noch nicht der volle Ausdruck
der Leidenschaft erreicht, der heftigere, wildere Bewegungen
erfordern würde. Dagegen sind die Formen des Nackten bis
auf Zufälligkeiten der Haut und der Adern mit der grössten
Natnrtrene wiedergegeben. Die durchgängige Schmalheit der
Htiften ist freilich noch eine Concession an die frühere Kunst-
Übung und namentlich an einigen Figuren des Westgiebels
fallt eine gewisse Magerkeit auf. Besonders auffallend ist
aber der Contrast zwischen Kopf und Körper. Es ist das
zwar eine Eigenthümlichkeit des ganzen alterthümlichen Stils,
auch sind die Formen des Kopfes, z. B. das besonders gross
gebildete Kinn sowie die altvaterische Frisur, allen alterthüm-
lichen Werken gemein, indess ist hier eben wegen der gros-
sen Vollendung des Körperlichen der Contrast am fühlbarsten.
Dieser Contrast bleibt aber auch noch später, die griechische
Kunst geht einen der modernen Kunst gerade entgegengesetzten
Weg. Während es dort zuerst der Kopf ist, der künstlerisch
ausgebildet wird, ist es hier der Körper. Diesen naturgetreu
darzustellen, war die nächste, emsig und darum einseitig ver-
folgte Aufgabe der griechischen Kunst, erst später in einer
ganz andern Periode der Kunst und unter ganz andern Ver-
hältnissen versuchte man das Leben des Geistes und der
Seele darzustellen.
Die Ausführung dieser Werke verdient die höchste Be-
wunderung. Alle und jede Stütze, wie sie sonst bei Marmor-
iiguren zum sichern Stand erforderlich ist, wussten die Künstler
entbehrlich zu machen, trotz der Schilde, die das Gewicht der
Figur und besonders des ausgestreckten Arms so beträchtlich
vermehren. Diese sind freilich darum so dünn wie möglich,
bis höchstens auf einen Zoll Dicke ausgearbeitet. Bewiin-
demswerth ist auch der fast ganz hohl gearbeitete Helm des
Patroklus. Die Figuren sind aber nicht bloss an der Vor-
derseite sondern auch an der gar nicht sichtbaren Rückseite
mit der grössten Treue und Sorgfalt ausgearbeitet. Der
Künstler dachte nicht daran, nur den Anforderungen des
58 Aeginetische Kunst.
Betrachtenden zu genügen, er wollte etwas ganz in sich Vollen-
detes schaffen, das würdig wäre zum Schmuck des Tempels.
Erst später, als die Kunst die mühevollen Lehrjahre längst
hinter sich hatte, als eine freiere aher oft auch leichte Gre-
nialität mit dem sauer erwbrhenen Gute mühelos schaltete,
verliert sich diese Treue im Kleinen und Kleinsten, die allen
Perioden dieser Zeit, den Vasengemälden sowohl wie den ge-
schnittenen Steinen eigen ist Ohne diesen emsigen und hin-
gehenden Fleiss der alten Zeit hätte die griechische Kunst
nie die wundervolle Freiheit ihrer Blüthezeit erlangt.
Die Haare in ihrer drahtartigen Form scheinen Bronce-
werken. nachgebildet zu sein, in Bronce ist wenigstens diese
Art der Behandlung natürlich und auch noch in späteren
Zeiten üblich, als sie im Marmor längst aufgegeben war. Das
künstliche Gekräusel der Locken ist aber gewiss aus dem
Leben der damaligen Zeit genommen, die historische Figur
des Harmodios (n. 24) hat eine ganz ähnliche Lockenfrisur,
wie die äginetischen Heroen. Ebenso werden wir hinsicht-
lich der Gewandung der Minerva eine ähnliche knapp anlie-
gende Tracht des Lebens voraussetzen dürfen. Der bedeu-
tungsvolle Uebergang der Kunst von knappen Gewändern zu
faltenreich und frei wallenden setzt eine entsprechende Um-
änderung in der Sitte des Lebens voraus.
Es ist an sich vorauszusetzen und durch die Verschie-
denheit der einzelnen Figuren einleuchtend, dass nicht alle
Statuen von einer Hand herrühren. Man vergleiche nur z.
B. die wundervolle für die Ecke des Ostgiebels bestimmte
Figur des sterbenden Kriegers mit den entsprechenden Figu-
ren der Westseite und man wird dort, auch ganz abgesehn
von den durch das verschiedene Alter nothwendigen Verschie-
denheiten, eine viel weichere, fleischigere Behandlung finden
als hier. Im Allgemeinen scheinen die Figuren der Ostseite
vorzüglicher, es ist auch natürlich, dass für die Eingangsseite
des Tempels die vorzüglicheren Kräfte benutzt wurden. An
der Westseite verdient die Figur des Patroklus besonders
hervorgehoben zu werden.
Dass die Statuen nicht vor den Perserkriegen gearbeitet
sein können, wird jetzt, da uns eine genauere Vergleichung
der altattischen Kunst möglich ist, wohl nicht mehr so eifrig
bestritten werden wie früher. Denn vergleicht man die Stele
des Aristion (n. 20) und die Gruppe der Tyrannenmörder
von Kritios (n. 24. 25), attische Werke aus der Zeit der Per-
Aeginetische Kunst. 59
serkriege; so sind die äginetischen Statuen dem ersten Werk
entschieden überlegen und dem andern stehn sie nicht nach;
ja in den Metopenreliefs des Parthenon finden sich mehrere
Figuren, mit denen die Aegineten sogar zu ihrem Vortheil
sich vergleichen lassen. Dass sie aber nicht lange nach den
Perserkriegen verfertigt sein können, geht aus ihrem alter-
thümlichen Charakter hervor, einen äussersten Grenzpunkt
giebt Ol. 80, 3, in welchem Jahre Aegina seine politische
Selbstständigkeit verlor.
Wie wir aus alten Nachrichten wissen, blühte auf Aegina
'ein eigner Kunststil, dessen Eigenthümlichkeiten aber, obgleich
wir ein so bedeutendes gewiss im landesüblichen Stil verfer-
tigtes Werk vor uns haben, schwer anzugeben sind. Ein
alter Berichterstatter bemerkt, dass der äginetische Stil im
Allgemeinen hinter dem attischen zurückstand und scheint an
einer andern Stelle eine gewisse Magerkeit an den Figuren
dieses Stils als charakteristisch hervorzuheben. Diese Bemer-
kung passt allerdings auf die meisten unsrer Figuren, wäh-
rend wir in den Sculpturen von Selinunt eine Neigung zur
derbsten Fülle fanden und auch in der attischen sowohl wie
lycischen Kunst den Körpern eher zu vitel als zu wenig Fülle
gegeben wird. Möglich also, dass hierin etwas Unterschei-
dendes liegt.
Vergleicht man die Vorkämpfer der äginetischen Grup-
pen mit den Statuen des Harmodios und Aristogeiton, die
eine ähnliche Stellung haben, so ist wohl dies der augenfäl-
ligste Unterschied, dass an den äginetischen Figuren, die sich
doch auch in der Leidenschaft des Kampfes befinden, keine
Spur jener straffen Anspannung aller Muskeln bemerkbar ist,
welche die attische Gruppe auszeichnet. Daher ist die letzte
soviel lebensvoller und trotz ihres alterthümlichen Charakters
Begeisterung erweckend, weil man das Streben des Künstlers
empfindet, Kraft, Leidenschaft, Kampfesungestüm in charakte-
ristischer Weise zum Ausdruck zu bringen. Für die Aegine-
ten kann man sich eigentlich nicht begeistern, sie sind ohne
Feuer und Schwung. Ganz hingegeben an die treue und
genaue Nachbildung der Natur, sind die Künstler der ägine-
tischen Figuren weniger den Anforderungen gerecht geworden,
welche unser Gemüth und unsre Phantasie an eine Darstel-
lung kämpfender Heroen machen. Indess wäre es ungerecht,
dies von allen Figuren zu behaupten, der sterbende Krieger
in der Ecke des Ostgiebels, den ich für die schönste Figur
50 Aeginetische Kunst.
von allen halte; ergreift auch das Gemüth in der tiefsten and
rührendsten Weise.
Am besten abgeb. in der Expedit, de Moree HI. pl. 58 ff. Von
den übrigen zahlreichen Abbildungen genüge es die bei Müller- Wieseler
I, Taf. 6 — 8 zu erwähnen.
Die Entdeckung der Statuen dui'ch die vier im Text genannten Män-
ner (0. Müller Handbuch der Archaeol. §. 90, 3 führt irrthümlich .7
Namen auf) ist kurz beschrieben in einem durch Hughes travels in Si-
cily, Greece and Albania, London 1820 Vol. I. p. 282 ff; mitgetheilten
Briefe Cockerell's. Um 800 Ptaster wurden die Werke den Einwohnern
abgekauft. Ueber Thorwaldsen's Restauration vgl. Thiele Thorwaldsen's
Leben I. p. 267. 283. Förster Gesch. d. dtschen Kunst IV, 141.
Von der zahlreichen Literatm* über diese Werke erwähnen wir zu-
nächst zwei Artikel Cockerell's im Journal of scieuce and the arts 1819
Vol. VI. p. 327 ff. Vol. VII. p. 229 ff., die für den Thatbestand bei
der Auffindung, für die Restauration und Gruppirung und für die künst-
lerische Beurtheilung sehr werthvoll sind. Seine dem ersten Artikel
beigegebeuen Zeichnungen sind die Gmndlage aller spätem Besprechun-
gen geworden, nur hat man mit Recht seine ungenügend motivirte An-
nahme abgelehnt, dass der Ostgiebel eine grössere Anzahl von Figuren
enthalten habe, als der westliche. Seine Restauration weicht von der
Thorwaldsen's in zwei Figuren ab, er hat zimächst dem hinter Paris be-
findlichen Trojaner eine andre Haltung des Kopfes gegeben und dann
die dem Patroklus ents^vi'echende Figur des Ostgiebels ganz anders an-
geordnet. In beiden Punkten müssen wir ihm nach den im Text ent-
wickelten Gründen beitreten. Feuerbach bemerkt zwar (Gesch. d. griech.
Plastik I., 131) von der letztern Figur: „Cockerell hat diese Figur in
seiner Zeichnung falsch restauriit. Ihre ursprüngliche Stellmig entdeckte
erst Thoi-waldsen durch Zufall an der Lage der Geschlechtstheile."
Vgl. Schorn im Catalog der Glypothek n. 57. Aber sollte die Lage
der Geschlechtstheile — ich weiss freilich nicht ob das Glied alt odor
neu ist — sich nicht auch mit Cockerell's Anordnmig vertragen ? Ferner
hat Cockerell den Bogenschützen des Ostgiebels die zweite Stelle im
Giebelfeld, denjenigen des Westgiebels aber die dritte angewiesen und
gegen diese Unsymmetrie polemisirt der Text. Cockerell bemerkt, die
Anordnung der Eckflguren und der Vorkämpfer im westlichen Giebel-
feld »ei sicher, weniger sicher aber sei die der vier andern Kriegör.
Ich füge zur Rechtfertigung der im Text vorgeschlagenen Umstellung
noch folgendes hinzu: Die in Schorn's Catalog zur Glyptothek angege-
benen Maasse der Figuren sind durchaus nicht genau. Schom giebt
zum Beispiel zwischen den Vorkämpfern des Westgiebels eine Differenz
der Höhe von 8" an, was bei correspondirenden Figuren an sich nicht
recht glaublich erscheint. Nach meiner Messung, die unter ungünstigen
Verhältnissen ausgefülu't doch den Anspruch machen darf, sich nicht
mehr als höchstens um einen Zoll vom Thatbestande zu entfernen, sind
die Vorkämpfer gleich hoch, nämlich 4',1 — 2". (Ich habe preussisches
Maass, Schorn scheint ein andres zu haben, was aber gleichgültig ist,
da es nur auf die Verhältnisse der Figuren zu einander ankommt.) Pa-
ris ist (ohne »die Spitze der Mütze, die hi unserm Abguss fehlt) 2', 10 —
11" hoch und ebenso hoch ist der hinter ihm befindliche Krieger, der,
wenn der nach Thorwaldsen's Restauration gesenkte Kopf gehoben
Aeginetische Kuust. ßl
wird, mindestens ebenso hoch, ich glaube noch etwas liöher wird, als
Paris mit der restaurirten Mütze. Teukros ist 3', 2 — 3" hoch, der hinter
ihm befindliche Krieger 3", wenn aber der erstere statt des hohen Helms
eine auÜegende Lederkappe erhält wie z. B. bei Welcker A. D. V, 15
oder auf der Beriiner Schaale n. 1004, so verschwindet die Diffei'enz.
Am Ostgiebel ist der Sterbende in der Ecke, d. h. sein Schild 2' 1",
Herakles 2' 6'', Telamon 4' 2 — 3'' hoch, es ergiebt sich aus diesen
Ibassen, dass hier Cockerell's Anoinlnung richtig ist. Uebrigens ist am West-
giebel, mag man nun die Umstellung vornehmen oder nicht, der Ueber-
ging von dem Sterbenden zu der nächsten Figm* plötzlicher und schroffer,
denn der sterbende Grieche ist nm* T 6" hoch, der Trojaner V 2".
Endlich ist noch an Thorwaldsen's Restauration der Irrthum zu be-
merken, auf den 0. Jahn im bullet. 1845 p. 147 aufmerksam macht,
dass nämlich Ajax einen unbäitigen Kopf erhalten hat, was zu seinem
Charakter und mit den erhaltenen Darstellungen nicht stimmt.
Näclist Cockerell ist die Schi'ift des Bildhauers Martin Wagner
(Bericht über die Aeginetischen Bildwerke. Mit kunstgeschichtlichen
Anmerkungen von Schelling 1817) hervorauheben, in welcher eine sehr
detaillirte Beschreibung der Figuren nach ihrem Zustand vor der Rt»-
stauration und ausserdem eine eingehende stilistische Würdigung ent-
halten ist. Wir heben daraus zur Ergänzung unsers Textes noch fol-
l^de Bemerkungen hervor: „Die Leiber sind etwas schmal über den
Hüften imd die Anzeige der Rippen und der gesägten Muskel (dcmtali)
ein wenig mager und kleinlicht." „Bei allen diesen ^Figuren ist der
st'hwertformige Brustknorpel (ensiforrais) mehr oder weniger sichtbar,
welches doch nur der Fall zu sein pflegt, wenn der Leib stark riick-
wärt» gebogen ist." „Bei allen diesen Figuren weicht die Abtheilung
des geraden Muskels, welcher von dem Ende der Bnist gegen den Na-
bel perpendikulär heninter läuft, von der sonst gewöhnlichen Art ihn
m bilden ab, denn gewohnlich macht man, wie es sieh auch an allen
sinteren Kunstwerken findet, die obere Abtheilung dieses Muskels grös-
ser als die untere, welche dem Nabel zunächst ist, hier aber ist es der
amgekehrte Fall, die unlere Abtheilung ist bei vi<'len grösser, bei an-
dern aber eben so gross, als die obere." „Dem bildenden Künstler und
jedem beobachtenden Auge ist es bekannt, dass dtts Knie, wenn es
Mark gebogen ist, seine etwas spitzige oder hervorstehende Form zum
Theil verliert und einen etwas stumpfen Winkel bildet. Diese der Na-
tur gpmässe Veränderung des Knies, nach dem Verliältnisst^ der Bie-
giuig desselben, ist an unsern Figuren bloss bei denjenigen Knien be-
obachtet, auf welchen eine Figur ndit oder eigentlich kniet; bei allen
andern aber, wenn schon das Knie naturgemäss dtMi gleichen Winkel
bildet, ist hierauf kehie Rücksicht genommen;* iWv. Kni(? sind vielmehr
durchgängig so gebildet, wie sie sich in der Natur dann zeigen, wenn
das Bein gar nicht otler nur wenig gebogen ist." „Die Zehen sind etwas
laug und laufen ganz parallel und weichen hieri^n von den Füssen der
Kuutftwerke aus spätem Zeiten ab, wo die Zehen etwas weniges ein-
wärts d. h. gegen den mittelsten zu gebogen oder gekrümmt sind.
Audi ist zu bemerken, dass die beiden mittleren Zehen (ich meine den
ersten und zweiten nach der grossen Zehe) bei den meisten Füssen von
ganz gleicher Länge sind, der dritte sodann stark zurücktritt, der klein-
:rte noch mehr. Es ist nicht zu läugnen, dass diese also gestalteten
Füsse grosse Aehnlichkeit mit denen haben, die man an 'den altägyp-
62 Acgiuetische KunsU
tischen Figuren findet und welche immer sehr lange und parallel lau-
fende Zehen haben, nur mit dem Unterschiede, dass diese mehr von
barbarischer Foiin und unendlich geringer in der Bearbeitung sind."
Zu Wagner's Angaben über die Bemaluug der Figuren vgl. die ergän-
zenden und bestätigenden Bemerkungen Hittorfs und Cockerell's in der
Revue archeol. 1854, XI. p. 357.
Dass Herakles als Bogenschütz an der Expedition gegen Laomedon
betheiligt war, sagt Apollod. 2, 6, 3, 4. vgl. Eurip. Troad. 804. Auf-
fallend ist, dass er den Bogen auf dem Rücken, Teukros dagegen nach
orientalischer Weise an der linken Hüfte trägt. Altgriechische Weise
ist es, ihn auf dem Rücken zu tragen cf. Hom. II. 1, 45; 21, 490.
schol. z. Pind. Ol. 2, 91, und die Figm'en von Apollo und Artemis tra-
gen ihn mit seltensten Ausnahmen in dieser Weise. Auf den Vasen-
bildern tragen ihn die griechischen Schützen in der altern Zeit verhältniss-
mässig selten an der Seite, weit häufiger dagegen im rothfigmigen Stil,
man vgl. z. B. die Darstellungen des Herakles. Das älteste literarische
Zeugniss für die neue gewiss vom Ausland herübergenommene Sitte
dürfte Pind. Ol. 2, 91 (Olymp. 76, 1) sein.
Für die Erklärung der Gruppen sind besonders die Bemerkungen
0. Müllers (Kl. Sehr. 2, 677) zu vergleichen, denen ich im Wesentlichen
gefolgt bin. Nur das ist mit Recht bestritten dass die Tracht des Paris
specifisch persisch sei. Die Erklänmg des westlichen Giebelfeldes auf den
Kampf um die Leiche Achill's wird besonders vertheidigt von Tliiersch
(Amalthea I, 137 ff.) mid Welcker (A. D. I, 30 ff.) Es ist im Text da-
gegen polemisirt, man vermisst in dieser Erklärung die Rücksicht auf
das andre Giebelfeld. Unklar ist mir, was aus der Ei*scheinung des Paris
gefolgert wird und besonders die „ausgezeichnete Stellung" desselben.
Am Ostgiebel kam auf trojanischer Seite dieselbe Figur vor, wie das er-
haltene Bruchstück lehrt, Paris ist also nicht als Paris, sondern als troja-
nischer Bogenschütz anwesend. Die Wiederholung der Gmppen m allen
Figuren lässt wie mir scheint, die dieser Erklärung zu Grunde flegende Vor-
aussetzung, dass es sich um individuelle Scenen handle, gar nicht zu.
Ueber das Eigenthümliche des äginetischen Stils — dass auf Aegina
ein eigner Stil geherrscht habe, und dass in der griechischen Plastik
verschiedene Stile zu unterscheiden seien, dürfte jetzt wohl allgemein
anerkaimt werden — sind manche Vermuthungen aufgestellt, doch liegt
es wohl in der Unzulänglichkeit misei*s Materials begründet, dass sie
wenig Ueberzeugendes haben. Vgl. Schelling's Anmerkungen zu Wagner
mit Welckei*'s Polemik, dann Brunn Geschichte der griech. Künstler I,
108 ff. und Friederichs, nationum Graecarum diversitates etiam ad artis
statuariae et sculptm'ae discrimina valuisse, Erlangae 1855 (wo aber
p. 23 der starke Irrthum begangen ist, den aeginetischen Stil mit dem
allgemein dorischen zu identificiren). Am nächsten stehn diesem Stil,
wie ich glaube, die merkwürdigen, meist von den griechischen Inseln,
namentlich Melos, stammenden Terrakottareliefs (Bursian hat zuletzt in
d. Encyclop. v. Ersch u. Gruber Bd. 82 p. 405 einen Theil derselben,
aber mit Verschiedenartigem gemischt zusammengestellt), die sich durch
eigcnthünüich magere und schmächtige Figuren auszeichnen und vom
attisch-lycischen und selinuntisch-spai^taiiischen Stil durchaus verschie-
den sind.
Was schliesslich die Zeitbestimmung der Gruppen betrifft, für wel-
che wir allein auf den Stil angewiesen sind — denn in Overbeck's
Aeginetische Kunst. 65
(Ztsohr. f. Alterthumswiseensch. 1856 n. 51 u. 52) Versuch, das Datum
aus äussern Gründen festzusetzen, finde ich nichts irgendwie Entschei-
dendes — , so ist die einseitige Betrachtung der alterthümlichen Ge-
sichtszüge vielfach die Veranlassung einer zu frühen Datirung gewesen.
Die Figur des sterbenden Kriegers in der Ecke des Ostgiebels, deren
Schönheit von Hirt und Cockerell sehr richtig gewürdigt ist, wäre, wenn
sie noch dem sechsten Jahrhundert angehörte, eine für luis unverständ-
liche Singularität, der wir nichts Analoges an die Seite zu stellen hätten.
Sodann kann ich nicht umhin, an die Darstellung der Adern zu erin-
nern, an welche sich eine nicht zu verwerfende Angabe des Plinius
knüpft, vgl. n. 14 mit Anm. Endlich möchte ich auch. hier wieder auf
die Analogie der Vasenbilder hinweisen. Welchem Stil der Vasenbil-
der entsprechen nämlich die äginetischen Statuen? Doch gewiss dem
rothflgurigen, und zwar eben demjenigen, der unter dem Einfluss der
Neueiningen Polygnot's steht. Der Patrokhis auf der Sosiasschaale, der
unter den Schmerzen der Wunde klagend seinen Mund öffnet, lässt
sich dem oben erwähnten sterbenden Krieger des Ostgiebels — natür-
lich jedes Werk nach dem Maassstabe seiner Gattung betrachtet — an
die Seite stellen*.
49. Wagenlenker*, Erzfigur, im Jahre 1798 aus dem
Nachlass eines Herrn Tux in das Antikencabinet zu Tübingen
übergegangen. Es fehlen nur die Fingerspitzen der rechten
Hand und der lang herabhängende Helmbusch, dessen Spuren
man aber noch oben auf dem Helm und am Rücken bemerkt.
Die Stellung ist deutlich die eines Wagenlenkers, der
mit der Linken die Zügel zurückzieht und mit der flach aus-
gestreckten Rechten die Geberde der Beschwichtigung gegen
seine Pferde macht. Dieser letztere Umstand hat Veran-
lassung gegeben, an Baten zu denken, den Wagenlenker des
Amphiaraus, der die vor dem geöffneten Erdspalt sich zurück-
bäumenden Pferde zu beschwichtigen suche. Man kann die
Möglichkeit dieser Situation zugeben, aber es sind doch auch
andere Möglichkeiten denkbar.
Die Figur ist, mag sie Original oder Copie sein, eine
schöne Probe echt alterthümlichen Stils. Die Haltung des
linken Armes ist zwar noch etwas gezwungen, die Hüften
noch sehr schmal, im XJebrigen aber ist der Körper sowohl
wie das Gresicht lebendig und originell und durchgehends
mit Sorgfalt und Liebe ausgeführt. Dem Stil nach steht
das Werk der äginetischen Gruppe am nächsten.
* Ich mache noch aufmerksam auf Brnnn's eben erschienenen Vortrag über das
Alter der äginetischen Bildwerke (Sitzungsber. d. köniel. bair. Akad. d, Wiss., Philo -
8oph.-Histor. Cl., vom 4. Mai 1867), mit dessen Inhalt ich nach den hier gegebenen
Erörterungen nur übereinstimmen kann.
• Im Saal der Thiere und Broncen n. 254.
G4 Aeginetische Kunst.
Abg. und erklärt von Grüneisen im Kunstblatt v. 1835 n. 6 — 12,
dessen Deutung aber von 0. Müller Kl. Sehr. 2, 686 und namentlich
von Scholl in Kugler's Museum f. bild. Kunst 1835 p. 270 ff. 273 ff.
mit Recht bestritten ist. Des Letztern Deutung und kunsthistorischen
Bemerkungen ist aber wieder mit Recht widersprochen von Kugler a. a.
0. p. 315 ff. Die Deutung auf Baton rührt von Welcker her, A. D.
2, 181 ff. Vgl. Overbeck Gesch. d. griech. Plastik I, 146 und Walz
Jalu'b. des Vereins von Altedhumsfreunden im Rheinlande 1847 p. 71.
Die Aehnlichkeit mit den Aegineten hebt auch Bursian hervor, fincyclop.
V. Ei-sch u. Gruber, Bd. 82, p. 414.
d) Werke aus andern griechischen Kunstschulen.
50. Peleus und Thetis*, Fuss eines Geräthes von
Bronce, im Museum zu Florenz, wo sich noch ein zweiter
Fuss desselben Greräthes befindet mit der ganz entsprechen-
den Darstellung des Perseus als Medusentödters.
Die Verwandlungen der Thetis, durch welche sie dem ihr
bestimmten sterblichen Gatten Peleus zu entrinnen suchte,
wurden, da man sie nicht direct darzustellen vermochte, durch
äusserlich hinzugefügte Zeichen für die Phantasie angedeutet.
Die Thiere, die der bedrängten Göttin, welche sich vergeblich
aus der Umarmung des Peleus zu befreien sucht, als Bundes-
genossen zugesellt sind, sollen eben an ihre Verwandlungen
erinnern.
Die Composition hat etwas Gezwungenes und Gewaltsames
in der Haltung der Beine der beiden Figuren, was veranlasst
ist durch die für das Geräth erforderliche dreieckige Form.
Die Ausführung sowohl des Ornaments als der Figuren ist .
sauber und fein.
Abg. Gori museum Etruscum I., tab. 144. (*
51. Sogenannte Schlangensäule**, Broncewerk auf
dem Hippodrom in Constantinopel.
Nach Berichten der Alten wurde aus der Beute von
Platäa dem delphischen Apollo ein goldener, auf einer ehernen
dreiköpfigen Schlange ruhender Dreifuss geweiht. Pausanias,
der Oberfeldherr bei Platäa, setzte darauf eine Inschrift,
in welcher er nur von sich als dem Sieger über die Perser
sprach, sein Epigramm wurde aber später ausgemeisselt und
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 439.
** Im Lycischen Hof n. 284. 285.
Andere griechische Kunstschulen.! Q^
Statt dessen die Namen der einzelnen Städte aufgeschrieben^
die an dem £ampf gegen die Perser Theil genommen hatten.
Im phokischen Kriege wurde der Dreifuss seines Goldes be-
raubt^ der übrige erzene Theil blieb noch Jahrhunderte lang
in Delphi, bis Kaiser Constantin ihn auf den Hippodrom zu
Constantinopel versetzte, wo er in bycantinischer Zeit als
Fontaine benutzt wurde. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
hatte das Schlangengewinde noch die drei jetzt fehlenden Köpfe,
schon etwas früher aber war der Boden des Hippodrom er-
höht worden, wodurch die gerade an den unteren Windungen
befindlichen Inschriften verdeckt wurden. Im Jahre 1856,
zur Zeit des Krimkrieges, legte durch Lord Napier angeregt
der Engländer Newton die untere Hälfte bloss und in Folge
davon wurden durch Frick und Dethier die Inschriften ent-
deckt. Ein Stück eines der drei Schlangenköpfe, nämlich
ein Oberkiefer, war bereits im Jahre 1848 von dem Archi-
tekten Fossati bei einer Ausgrabung in der Nähe der Sophien-
kirche gefunden und befindet sich jetzt in dem kleinen tür-
kischen Museum der Waffensammlung von St Eirene.
Man hat in neuerer Zeit an der Echtheit des Werkes
gezweifelt, doch ist der Stil des Schlangenkopfes ebenso wie die
Formen der Inschrift ganz im Charakter der Zeit nach den
Perserkriegen. Es herrscht aber unter denen, die das Werk
f&r authentisch halten, keineswegs Uebereinstimmung hin-
sichtlich der Restauration desselben. Einige wollen den
goldenen Dreifuss von den drei Schlangenköpfen getragen
wissen, wobei aber zunächst auffällt, dass auf dem erhaltenen
Fragment des einen Kopfes keine Spur einer Befestigung
bemerkbar ist. Sodann hat man mit Recht bemerkt, dass
man schwerlich Schlangen als Träger von Geräthen benutzt
habe, weil nach der Natur dieses Thieres das Geräth eine
sehr unsichere Position haben würde. Yiehnehr ergiebt die
Vergleichung mehrerer erhaltener Dreifüsse, dass wir uns die
drei Schlangen — Herodot und mehrere neuere Berichter-
statter sprechen von einer dreiköpfigen Schlange, was
aber ein leicht erklärlicher Irrthum ist — um die Mittelstütze
des Dreifusses gewunden denken müssen, welche von den
drei Beinen desselben in der Art umgeben wurde, dass zwischen
je zweien derselben, nah unter dem Kessel, immer ein Schlangen-
kopf hervorragte. Die Köpfe sprangen frei ab mit geöffnetem
Rachen, die Schlangen waren hier als Beschützer und Wächter
des heiligen Geräthes angebracht und ihre Dreizahl ist durch
Friederichs, griech. Plastik. 5
ßß (Andere griechische Kunstschulen.
die Form des Dreifüsses veranlasst Die drei Schlangen, an
deren zweien die Schwanzspitze fehlt, die an der dritten voll-
ständig erhalten und deutlich zu unterscheiden ist, umringeln
die inwendig zu denkende Stütze unten in mehr horizontaler^,
oben in diagonaler Weise, es ist als ob sie sich unten durch
enge Umringelung eine möglichst feste Stütze suchen. Hier-
durch und durch das der Natur gemässe Anschwellen und
Wiederabnehmen des Schlangenleibes wird alle Einförmigkeit
vermieden. Die unterste Windung und auch die zunächst
folgenden springen etwas vor, um der Stütze eine breitere
Standfläche zu geben.
Die Geschichte der Ausgrabung erzählt Newton, travels and disco-
verles In the Levant II, 25 ff. Die Geschichte des Dreifüsses ausführ-
lich bei Frick „das platäische Weihgeschenk In Constantlnopel. Aus
dem dritten Suppl. der Jahrb. f. kl. Phil. 1859" und Dethier und Mordt-
mann, Epigraphik von Bycantion und Constantinopolis. Erste Hälfte.
Wien. 1864. Aus den Sitzungsberichten der Wiener Akad. Vgl. den duc
de Luynes in den nouvelles annales publiees par la section fran9aise de
l'institut archeologique 11, 1839 p. 260. Die Polemik, die namentlich
E. Curtius „Ueber die Weihgeschenke der Griechen nach den Perserkr.
und insbesond. über d. platäische Weihgeschenk in Delphi, Gott. Gesellsch»
der Wissensch. 1861 p. 361 ff. und Arch. Anz. 1865 p. 56 gegen die
in diesen Schriften vorgetragenen Meinungen über die Verbindung des
Dreifüsses mit der Säule fuhrt, ist sehr treffend (denn wenn schlangen-
füssige Figuren als Stützen vorkommen nach Wieseler, Jahn's Jahrb.
1864^ p. 258 Anm. 11 und Monum. d. inst. II, 4, so folgt daraus nicht,,
dass die Schlangen selbst in dieser Weise angeordnet wurden), aber
seine eigne Meinung, dass das Werk bycantinischen Ursprungs sei,,
kann ich aus den im Text angegebenen Gründen nicht theilen. Vgl.
Arch. Anz. 1862 p. 349 und Jahn's Jahr,b. 1862 p. 441 ff. Die rich-
tige Restauration ist die von Strack, welche von Mordtmann a. a. 0*
mitgetheilt ist. Sie stinmit mit antiken Monumenten (vgl. Wieseler
a. a. 0. p. 246 und Archaeol. Anz. 1864 p. 115) im Wesentlichen
überein. Dass die Schlangen mit Beziehung auf Apollo gewählt seien,,
wie Welcker Gr. Götterl. II, 816 meint, scheint mir nicht sicher, die
Schlange könnte doch auch in dem allgemeineren Sinn einer Schützerin,,
eines Apotropäon aufgefasst werden. Und die Zahl derselben ist gewiss-
nur durch die Form des Geräthes veranlasst, sowie an dem früher in
der Sammlung Pourtales, jetzt in Berlin befindlichen Dreifuss von Me-
tapont an jedem Bein je zwei kleine Schlangen angebracht sind.
53. Amazone*, Marmorstatue in Wien.
Die Wunde auf der linken Brust erklärt die Stellung
der Figur, es ist eine im Tode zusammenbrechende Kriegerin
vorgestellt. Schon neigt sich der Kopf, und die Augen sind
Im Griechischen Saal n. 250.
Andere griechische Kunstschulen. ^7
■
im Begriff sich zu schliessen. Der rechte Arm hing schlaff
henmter^ am rechten Oberschenkel ist noch der Ansatz einer
Sttttze zn bemerken ; die ihn mit dem Körper verband^ und
fthnlich hat man sich anch wohl die Haltung des linken zu
denken. Während aber die Stellung sehr ausdrucksvoll und
rflhrend ist; verhält das Gesicht sich noch starr und unbeseelt.
Es ist schwer zu denken^ dass diese Statue allein ge-
standen habC; sie bedarf nothwendig eines Anhalts. An-
sprechend ist daher die Vermuthung, es möge die in den
Armen Achills sterbende Penthesilea dargestellt sein, nur
versteht man nicht, in welcher Weise Achill sie umfasst hielt,
da sich an dem erhaltenen Bruchstück keine Spur einer
zweiten Figur entdecken lässt.
Die Statue vergegenwärtigt den Amazonentypus aus der
Zeit vor Phidias. In der ältesten griechischen Kunst wurden
die Amazonen, wie überhaupt die Ausländer, nicht in ihrem
nationalen, asiatischen Costüm vorgestellt, sondern hellenisirt.
Bald nach den Perserkriegen aber scheint die andere Auf-
fassang in die Kunst eingeführt zu sein, indess machte die
Plastik davon weit weniger Gebrauch, als die Malerei. Nament-
lich die Hosen, die an gemalten Amazoneiv sehr gewöhnlich
sind, finden sich nur selten an plastischen, da die nackten
Beine in der Plastik ungleich schöner und sowohl dem
Charakter der griechischen Plastik als auch dem Wesen dieser
heroischen, mehr männlichen als weiblichen Jungfrauen ange-
messener sind. Der griechische Helm ist auch gewöhnlicher
als die phrygische Mütze, während die für die Amazonen so
charakteristischen Waffen, die Streitaxt und der halbmond-
förmige Schild schon früh auch in die Plastik Eingang
fanden.
Hinsichtlich der körperlichen Bildung entspricht diese
Statue schon ganz der spätem Charakteristik. Volle und
kräftige Formen sind nothwendig für den kriegerischen
Charakter dieser Jungfrauen. Nur die Gewandung ist noch
abweichend. Statt des doppelten Gewandes haben die Ama-
zonenstatuen später ein einfach leichtes Kleid, wodurch
sie formell und hinsichtlich der Charakteristik gewinnen.
Der alte Stil, der mehr abhängig ist von der Sitte des
Lebens, umhängt manche Statuen mit doppelten Gewändern,
was in der Blüthezeit zu Gunsten treffenderer Charakteristik
und höherer Schönheit, insofern die Formen des Nackten
unter dem einfachen Gewände wirksamer hervortreten können,
5*
63 Andere griechische Kunstschulen.
abgeändert wurde. Das Obergewand dieser Statue lässt die
linke Schulter unbedeckt, wodurch ^in belebender Contrast
zwischen den durch die Verschiedenheit des Stoffes bedingten
Falten des Ober- und üntergewandes entsteht. Statt dieses
im alten Stil sehr beliebten Motivs tritt in der Blüthezeit
der Contrast zwischen Nacktem und Gewandung hervor, schon
in Phidias Zeit wird an den Amazonen die eine Brust ent-
blösst. Es ist auch dieser Zug gewiss sehr bezeichnend für
den Charakter der Amazonen.
Der Helm dieser Figur ist dem niedrigen, kappenartig
gestalteten attischen Helm ähnlich. Die zur Befestigung er-
forderlichen Bänder sind, wie häufig, aus künstlerischen
Gründen weggelassen. Oben darauf sieht man noch Spuren
davon, dass eine Spitze vorhanden war, wie sie auch sonst
an Amazonenhelmen sich findet.
Abg. in den Ber. der sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1850 Taf. 6 und
erklärt ebendas. von 0. Jahn, der aber durch die ungenügende Abbil-
dung irregeleitet ist. Ebenso ungenügend ist die Abbildung bei Steiner, Ueber
den Amazonenmythus in der antiken Plastik Taf. 3, wo auch die Wunde
fehll. Steiners Beschreibung p. 61 ff. ist hinsichtlich des Helms und
der Gewandung irrthümlich. Vgl. v. Sacken und Kenner, die Samm-
lungen des K. K. H^ünz- und Antikencabinets, Wien 1866 p. 40 n. 62,
die übrigens den Stil nicht richtig bem'theilen, wenn sie nur an „Re-
miniscenzen oder absichtliche Nachahmung des älteren Stils" oder auch
an eine „freie Copie eines archaischen Bildwerkes" denken. Richtig 0.
Müller Handb. §. 121, 2. Die Gruppirung mit Achill ist von Schone
(bull. d. inst. 1865 p. 115. Arch. Anz. 1865 p. 65) auf Grund einer
Gemme vorgeschlagen, die indess nicht in allen Einzelheiten überein-
stimmt. Aehnliche Helme sieht man auf der Roger'schen Amazonen-
vase, Gerhard Auserles. Vasenb. IV, 329. 330. und an dem Orpheus
auf dem bekannten Relief im Niobidensaal n. 114.
54. Apollo*, Broncekopf aus Herkulanum, am 28.' April
1758 gefunden, im Museum von Neapel befindlich.
Der Kopf hat nichts Individuelles und ist daher nicht
für ein Porträt zu halten. Auch die eigenthümliche Frisur
desselben erinnert zunächst an alterthümliche Götterköpfe.
Die langen Haare sind nämlich zu Flechten zusammengedreht,
die vom Ohre ausgehend den Kopf umkreisen und über der
Stirn zusammengeknüpft sind, vorn hängen kleine Locken
herab, die wir schon öfter im alten Stil fanden.
Gehört der Kopf einem Gotte an, so kann man wohl
nur schwanken zwischen Hermes und Apollo. Die derben
Im Niobidensaal n. 103.
Andere ^iechische Kunstschulen. 69
Formen desselben scheinen eher für Hermes passend, doch
sind sie auch dem letzteren nicht fremd. Wir entscheiden
ans für Apollo wegen einer im Louvre befindlichen, mit höch-
ster Wahrscheinlichkeit auf diesen Gott gedeuteten Bronce-
Statue, deren Kopf mit dem herkulanischen durchaus über-
einstimmt.
Der alte Stil ist gut copirt, denn nur an eine Copie
ist wohl schon nach dem Fundort zu denken. Die Augen-
brauen sind, wie an mehreren alterthümlichen Werken, darunter
auch an dem angeführten Pariser Apollo, durch eine Erhöhung
angegeben.
Die Büste hat an den Seiten gelitten oder vielleicht zu
einer Statue gehört. Sie ist im Abguss in eine Herme
eingelassen.
Abg. bronzi d'Ercolano I, 71. 72. Die Statue im Louvre, auf wel-
ihe der Text Bezug nimmt, ist die in den Monum. d. inst. 1, 58 abge-
bildete, die ich nur fin* einen Apollo halten kann, vgl. Welcker zu
0. Müller» Handb. §. 422, 7. Eine ähnliche Frisur an dem Apollo des
Britischen Museums, Marbles of the Brit. Mus, XI, 32, mit welchem
der Kopf des hiesigen Museums n. 175 übereinstimmt, an Hermes auf
Münzen von Aenus und an einem Kopf des hiesigen Museums n. 228,
an Poseidon und Athene auf den Terrakottareliefs in der Glyptothek
zo München n. 39 und an einer der äginetischen Figuren.
Die Augenbrauen sind auch ausgedriickt an der alten Broncestatue
in Palast SciaiTa, vgl. Michaelis Arch. Anz. 1863 p. 122, und an einem
alterthümlichen cyprischen Kopf aus Sandstein im hiesigen Museum
n. 57.
r
55. Sogenannter Pherecydes*, in Tivoli von dem
Ritter Nicola d'Azara gefunden und aus dessen Besitz in
das Museum zu Madrid übergegangen. Neu sind die Nase,
der rechte Theil des Schnurrbartes, das linke Ohr und die
Hälfte des rechten, und die ganze Brust mit der Inschrift,
die ohne genügenden Grund hinzugefügt ist. Denn es ist
uns keine sichere Darstellung des Pherecydes aus dem Alter-
thum erhalten.
Der Kopf ist als eines der wenigen uns erhaltenen
Portraits alterthümlichen Stils sehr merkwürdig. Er mag
etwa derselben Zeit angehören, wie die unter n. 24. 25. be-
sprochenen Statuen des Harmodios und Aristogeiton. Eigen-
thtlmlich ist die ganz schematische Behandlung des Haares,
das nur durch einander kreuzende Striche angedeutet ist.
Im Niobidensaal n. 86.
70 Andere griechische Kunstschulen.
Abg. bei Fea in der Uebersetzung von Winckelmann's storia d<
arti del disegno 3 p. 416. Vgl. Hühner, die antiken Bildw. in Madi
Berlm 1862 p. 110 n. 176. Michaelis Arch. Anz. 1863 p. 123 erwä
Beispiele ähnlicher Haarbehandlung, nur kann ich wenigstens an die
Büste keine Aehnlichkeit mit „Federn" finden, sondern es sind raut
formige Flächen, durch gekreuzte Linien gebildet. Visconti hat eii
im Mus. Worsl. Cl. 2 pl. 4 abgebildeten Kopf für Pherecydes erkl
nur wegen des nach oben gerichteten Blicks, der an einer von Chi
todor beschriebenen Statue hervorgehoben wird, offenbar genügt a
ein solcher einzelner Zug nicht zu einer sichern Benennung.
1
ill. Die acchaisirende, nur scheinbar alterthOmliche
Kunst.
Die alterthümlichen Götterbilder wurden durch den späte-
ren Fortschritt der Kunst nicht antiquirt. Sie blieben an
ihrer Stelle in den Tempeln und Tempelhöfen und waren
aach in der Zeit der blühendsten £unst die eigentlichen
Objecte des Cultus. Dies zeigen am anschaulichsten die
Vasenbilder mit ihren nicht seltenen Darstellungen von Opfern,
die einem Götterbild gebracht werden, wobei eben das letztere
in ganz primitiv alterthümlichen Formen dargestellt zu werden
pflegt. Als man nun neben diesen alten und kunstloseren
Bildern die neuen, prächtigen Werke der vollendeten Kunst
aufstellte — und zwar scheute man sich nicht, sie unmittel-
bar neben einander zu stellen, wie in einem Heiligthum des
Dionysos ein Satyr des Praxiteles aus parischem Marmor
neben einem alten Schnitzbild des Dionysos stand — , da
musste auf jene, die im Besitz der Cultusehre waren und
zugleich um ihres einfacheren, alterthümlichen Aussehens
willen, der Schein grösserer Heiligkeit fallen, und so soll denn
auch Aeschylus, in dessen Lebenszeit gerade der Uebergang
ans der alten in die neue Kunst hineinfallt, gesagt haben,
dass die alten Bilder zwar einfachier, aber göttlicher seien,
als die kunstvoller gearbeiteten neuen. Wir werden dies
zwar von unserm Standpunkt aus nicht zugeben können, aber
es war jedenfalls eine verbreitete und erklärliche Anschauung,
72 Archaisirende Kunst.
und eben daher kommt es, dass der alte Stil auch in der
späteren Kunst wenigstens für religiöse Zwecke in fortwähren-
dem Gebrauch blieb. Wir besitzen eine Anzahl von Statuen
und Reliefs, deren Bestimmung für den Cult als Tempelbild
oder Tempelgeräth theils sicher, theils mit Wahrscheinlichkeit
anzunehnüen ist und die zwar nicht genaue Copien alter-
thümlicher Werke sind, aber sich doch wenigstens insoweit
dem alten Stil anschliessen, dass sie den Schein eines echt
alterthtimlichen Werks erwecken. Wie gut den späteren
Künstlern diese Nachahmung einer früheren Kunstweise
manchmal gelang, geht daraus hervor, dass noch heutigen
Tages bei einzelnen Werken die Meinungen über den echt
oder scheinbar alterthümlichen Ursprung derselben getheilt
sind. Für die grosse Mehrzahl der alterthümlichen Werke
ist freilich diese Unterscheidung nicht schwer^ der naehab«
mende Künstler, dem der frühere Stil nicht mehr natürlich
ist, offenbart sich durch Einmischung späterer Typen, freierer
Formen und Linien und besonders auch durch Karikirung»
Es versteht sich von selbst, dass ausser dieser Verwen-
dung des alten Stils für Zwecke des Cultus auch andere
Gründe, namentlich die einer bestimmten Zeit eigene Ge-
schmacksrichtung, zur Imitation desselben Veranlassung geben
konnten, sowie man in Hadrian's Zeit sogar in dem noch
steiferen ägyptischen Stil componirte. Für die grosse Mehr*
zahl der erhaltenen Werke, deren Zeit übrigens nur in den
seltensten Fällen genauer bestimmt werden kann, ist aber
der erstere Gesichtspunkt fest zu halten. So wenig künstle-
rische Befriedigung diese Werke aber, als von Nachahmern
herrührend, gewähren mögen, so sind sie doch wegen der
Lückenhaftigkeit der echt alterthümlichen Denkmäler eine
sehr willkommene Ergänzung für unsere Kenntniss der alter-
thümlichen Göttertypen und selbst in künstlerischer Hinsicht^
nämlich für das bessere Verständniss des echt alterthümlichen
Stils sehr anregend.
56. Arterais*, von Marmor, am 19. Juli 1760 in
Pompeji gefunden und zwar innerhalb eines kleinen Tempels;
die Statue war ein Cultusbild. Ergänzt sind die Finger an
beiden Händen und das kleine (}ewandstück, das sie mit der
Rechten hält. In der Linken scheint sie ein Attribut, Bogen
oder Fackel, gehalten zu haben ; darf man einer Nachbildung
* Im Niobidensaal n. 15.
Arcbaisirende Kunst. 73
der Figur anf einer Glaspaste des hiesigen Museums Autorität
beilegen^ so war es eine Fackel.
Die Statue ahmt mit grosser Sorgfalt die alterthümlichen
griechischen Cultusbilder nach^ die ursprünglich und auch
später sehr häufig nicht in Lebensgrösse^ sondern in puppen^
hafter Kleinheit vorgestellt wurden. Sie ist äusserst graziös
und hat auch darin den Charakter ihrer Yorbilder glücklich
getroffen. Besonders zierlich sind die Füsse und das Gesicht
mit dem Grübchen im Eann (das sich im edlern Stil der
Kunst wohl nur an Kindern und schelmischeren Wesen , wie
am Satyrgeschlecht, vereinzelt auch an der Venus findet),
graziös ist auch das Aufnehmen des Gewandes mit der
Rechten, ein Lieblingsmotiv des alten Stils. Dass aber die
Figur nicht echt alterthümlich ist, ergiebt sich aus der
runderen Bildung des Nackten, aus der Lage der Augen, den
fireieren Linien der herabfallenden Locken u. s. w.
Der Charakter der Artemis ist in diesem Typus noch
nicht recht zum Ausdruck gekommen. Später bildete man
sie leichter und schlanker, mit einfachem, ärmellosem Gewand
und ohne die herabhängenden Locken, mit denen der alte
Stil ziemlich ohne Unterschied alle Götter ausstattet. Dass
indessen die Figur nicht stehend, sondern vorwärtsschreitend
dargestellt ist, soll zur Charakterisirung der Artemis beitragen,
deren meiste Statuen eine freilich noch lebhaftere Bewegung
haben.
Sehr merkwürdig sind an dieser Figur die erhaltenen
Farben, die, obgleich nfcht mehr in voller Lebhaftigkeit, wie
bei der Auffindung, doch noch zum Theil zu sehen sind.
Die Sandalen und ihre Riemen und die Ränder des Unter-
kleides sind roth bemalt, das Oberkleid hat einen breiteren,
gleichfalls rothen, aber mit weissen Palmetten, wie mit einer
Stickerei verzierten und mit Gold eingefassten Saum, wodurch
es sich aufs Klarste von dem übrigens auch im Stoff ver-
schiedenen Untergewand abhebt. Man trug solche Gewänder
im Leben und sieht sie daher oft in der Kunst. Auch das
Köcherband war roth mit weissen Verzierungen. Das Haar
ist vergoldet, um blond zu erscheinen, welche Farbe man
für die schönste hielt. Die Dichter geben vielen der schönsten
Gestalten des Mythus, z, B. dem Achill, der Ariadne, auch
der Artemis, blonde Haare und die Frauen färbten sich
vielfach die Haare blond. Den Kopf der Figur umgiebt ein
Diadem, das jeder Göttin zukommt, später aber wenigstens
74 Arcliaisirende Kunst.
an den schönsten ^ mehr mädchenhaft einfach anfgefassten
Darstellungen der Artemis fehlt. Es ist kranzartig mit golde-
nen oder rothen Rosen verziert.
Abg. Müller- Wieseler I, 10, 38. Mus borboii. II, Tav. 8, mit den
Farben bei Raoul Rochette Peintures antiq. ined. pl. VII. Walz über
die Polychromie, Programm von Tübingen 1853, Taf. 1, 1.
Der Fundort der Statue wird durch das Ausgrabungsprotokoll bei
Piorelli, Pompejanarum antiquitatum historia I, 114 so festgestellt, wie ihn
bereits Winckelmann, Sendschreiben v. d. Herkulan. Entdeckgen §. 44
angegeben hatte. Vgl. Gesch. d. K. Buch 3, Kap. 2 §. 11. Annali d.
inst. 1838 p. 190. Kugler Gesch. d. Kunst, 3. Aufl. p. 124, welcher
mit Recht aufmerksam macht auf die „feine Durchbildung und das Ge-
präge jungfräulicher Schüchternheit, welches die ei'wachende Kunst lie-
benswürdig charakterisirt", hält sie für ein Originalwerk. Richtiger
Overbeck Gesch. d. Plastik 1, 153 und E. Braun Vorschule der Kunst-
mythologie zu Taf. 53.
57. Pallas*, Marmorstatue aus der Chigi'schen Samm-
lung, seit 1728 in Dresden. Ergänzt, oder wenigstens nicht
zugehörig, sind die Füsse, soweit sie aus dem Gewände her-
vortreten.
Die Ergänzung dieses Torso kann nach erhaltenen Wieder-
holungen und nach den in der Figur selbst gegebenen An-
zeichen nicht zweifelhaft sein, es ist eine Pallas in Angriffs-
stellung, in der erhobenen Rechten den Speer, in der Linken
den Schild haltend. So hat auch Bauch einen Abguss der
Figur restaurirt.
Der Typus, den diese Figur repräsentirt, ist in der
alterthümlichen griechischen Kunst nioht selten, die Pallas in
der äginetischen Gruppe hat z. B. fast dieselbe Gewandan-
ordnung. Nur ist bei der Letzteren der herablaufende Saum
des Obergewandes glatt gelassen oder höchstens durch Malerei
verziert gewesen, der hier mit kleinen, rund gearbeiteten
Reliefs besetzt ist. Schon dieser Unterschied verräth für
die Dresdener Figur eine spätere Zeit, als das steife Aussehen
derselben vorauszusetzen scheint, indem in der älteren Kunst
dergleichen Ornamente gewöhnlich malerisch, oder wenn
plastisch, in flachem Relief ausgedrückt wurden. Noch mehr
beweist der freiere Stil, in dem die Reliefs gearbeitet sind,
dass die Figur in späterer Zeit in absichtlich alterthümlicher
Weise ausgeführt wurde. Diese Reliefs stellen in elf Scenen
Kämpfe zwischen Göttern und Giganten dar. Man sollte
* Im Griechischen Saal n. 57.
Ai'chaisireiide Kunst. 75
zwölf erwarten; indess scheint es dem £ünstler ebensowenig
aof Genauigkeit der Zahl; als der Charakteristik der einzel-
nen Grötter angekonunen zu sein. Denn nur auf dem ersten
ist Zeus auf seinem Streitwagen und auf dem fünften Pallas
zu erkennen; die übrigen sechs Götter und drei Göttinnen
sind unbestimmbar. Auch strebte der Künstler nicht sehr
nach Abwechslung in den einzelnen Gestalten; im fünften;
sechsten und siebenten Felde wiederholt sich dieselbe Figur
des ins Knie gesunkenen Giganten und noch andere Wieder-
holangen kommen vor.
Wir besitzen in dieser Statue die Nachahmung eines
hochalterthümlichen und berühmten athenischen Götterbildes;
nämlich der Athene Polias; die im Erechtheum verehrt wurde.
Ihr wurde alljährlich ein Gewand dargebracht; in welches
der Kampf der Götter mit den Giganten hineingewebt war;
der Torso zeigt; wie wir uns dasselbe zu denken haben.
Abg. Augusteum Taf. 9. 10. Müller- Wieseler I, 10, 36. Vgl.
Hetlner, Die Bildw. d. Kgl. Antikensammlung zu Dresden 11. 143 (wo aber
irrthümiich bemerkt ist, dass ursprünglich 12 Reliefs vorhanden gewesen,
deren unterstes abgeschlagen sei). Wiederholungen der Figur sind in
kleinen Broncen z. B. n. 11 und eine andre in Wien (Archaeol. Anz.
1854 p. 452), und Gemmen z. B. Dänische Sammig. n. 208. Sauiralg.
Thorwaldsen n. 242. Petersbmger Sammlung VI. 27. 26. VII. 31. 32
nicht »elt€fn, wodurch Overbeck's (Gesch. d. gr. Plastik I, 152) Zweifel
au der Richtigkeit von Rauch's Restauration wohl gehoben werden.
Nach Böttiger Amalthea I, im Vorbericht p. XXXII soll Thorwaldsen
sich diese Pallas ebenso wie die äginetisohe als „an den Schild schla-
gend" gedacht haben, was mir sehr unwahrscheinlich scheint. Pyl
(Archaeologische Zeitg. 1857 p. 61 ff.) sucht die einzelnen Figuren
auf den Reliefs zu bestimmen, ohne genügenden Anhalt, wie ich glaube.
Den Gott im vierten Relief nennt er Hephästus, der durch die Exomis
charakterisirt sein soll, allein man bemerkt über dem Chiton einen Pan-
zer. Auch seine Stellung und die seines Gegners, der einen Stein auf
ihn zu schleudern im Begriff ist, scheint sehr einfach, sowie auch alle
übrigen Scenen nicht bestimmte mythologische Facta, sondern allgemeine
Scenen des Kampfes vorstellen.
üeber die Gestalt der Athena Polias und ihre Identität mit der
Dresdner Statue hat 0. Jahn sehr überzeugend gesprochen in der Ab-
handlung De antiquissimis Minervae simulacris Atticis. Bonnae 18G6.
58. Pallas*, Marmorstatue aus Herkulanum, in Neapel
befindlich und bis auf den Speer, der von Holz oder Metall
war, vollständig erhalten. Das Haar war dick vergoldet,
auch am Gewände entdeckte man Spuren von Vergoldung.
Im Gewerheinstitut.
76 Archaisirende Kunst.
Die Figur ist, wie die vorhergehende, lanzenschwingend
zu denken, hat aber eine lebendigere Bewegung, die freilich
noch nicht ganz natürlich ist. Das rechte Bein sollte, um
einen bequemeren und natürlicheren Stand zu bewirken, mehr
vortreten, wodurch aber die gleichförmige starre Fältelung
des Gewandes, die gerade beabsichtigt ist, unmöglich geworden
wäre. Die Aegis dient der Göttin als Schild, sie wird in
der älteren Kunst entweder als Schild oder als Panzer be-
trachtet, während sie später oft nur wie ein Schmuck ohne
practischen Zweck behandelt wird. Charakteristisch ist für
den alterthümlichen Stil das zierliche Halsband der Göttin,
auch die Ohren tragen ihren Schmuck. Doch verräth die
grosse Stumpfheit der Gewandfalten auf den ersten Blick
den nachahmenden Künstler, der echt alterthümliche Stil
zeichnet sich gerade durch Schärfe und Präcision aus.
Abj<. Millingen anc. uned. monum. II, 7. Müller -Wieseler 1, 10>
37. Vgl. Winckelmann Gesch. d. K. Buch 7, Kap. 2 §. 12.
59. Bacchus*, Marmörstatue, früher im Palast Braschi
zu Rom, jetzt in der Glyptothek zu München. Ergänzt sind
der Kopf, die Vorderarme und die Füsse.
Der Ergänzer ist von der Annahme ausgegangen, dass
die Figur einen Bacchuspriester darstelle, sie stellt aber viel-
mehr den Bacchus selbst dar, wie die Vergleichung sehr ähn-
licher Figuren auf Gemmen und anderen Monumenten ergiebt
Schaale und Kanne sind daher hinwegzudenken, der Gott
hielt wahrscheinlich in der Rechten den Becher, in der Linken
den Thjrrsus. Er ist vorgestellt in der Weise der alten
Tempelbilder, doch ist das Werk, wie die Freiheit in der
Darstellung des Nackten beweist, nur eine Nachahmung des
alten Stils.
Eigenthümlich ist die Gewandung, lieber dem fein-
wolligen Untergewande liegt zunächst ein nur um die Beine
geschlagenes Obergewand und sodann ein Pantherfell, beide
vom Gürtel gehalten, von dem nur hinten ein Stück sichtbar
ist. Auf den Armen trägt der Gott leicht und zierlich ein
Mäntelchen mit symmetrisch herabhängenden Zipfeln, eine
Gewandanordnung, die, wie schon bemerkt, im alten Stü sehr
beKebt ist. Auch die eckige, rechtwinkelige Biegung des
Armes ist specifisch alterthümlich. Die Arbeit ist vortrefflich.
* Im Römischen Saal n. 120.
Archaislreude Kimst. 77
Abg. bei Sickler und Reiiihart, Almanacli aus Rom, 2. Jahrg. 1811
n. 9 u. 10 p. 131 (wo aber der Kopf als antik angeselin wird.) Vgl.
Sehern Catalog zur Glyptothek n. 51 und die Gemme der Sammlung
Thorwaldseu n. 323 nebst dem Wandgemälde bei Mi'iller-Wieseler, Denk. •
II, 618 und £. Braun im bull. 1850 p. 73.
60. Sogenannter Trophonios*, Marmorkopf; an-
geblich aus Griechenland stammend; früher im Besitze des
Fürsten Talleyrand, jetzt im Louvre.
Für die Deutmig auf Trophonius ist nichts Entscheiden-
des angeführt; dagegen ist eine gewisse Aehnlichkeit mit dem
sogenannten indischen Bacchus nicht zu verkennen; nur dass
letzterer gewöhnlich ein volleres und breiteres Gesicht hat.
Der Kopfschmuck; aus Palmetten ui^d Blumen bestehend;
deutet auf eine Naturgottheit. Der eigenthümliche Schnitt
des BarteS; die schematische Trennung zwischen Kinn- und
Backenbart; ist für die Köpfe alten Stils charakteristisch.
Doch ist der alte Stil nur in Aeusserlichkeiten imitirt; die
Formen und der Ausdruck des Kopfes sind ihm völlig fremd
und es war nicht die Absicht des Künstlers, einen wenigstens
scheinbar alterthümlichen Kopf, der allenfalls den Eindruck
einer Copie machen könnte, zu bilden; sondern vielmehr in
eklektischer Weise das Steife und Schematische der alten
Zeit mit dem elegantesten Stil späterer Kunst zu ver-
einigen. Es ist ein Verfahren; demjenigen der hadrianischen
Zeit ähnlich, in welcher sogar der ägyptische Stil eine un-
natürliche Verbindung mit den weichen und eleganten Formen
des damaligen Geschmacks eingehen musste. Nicht unmöglich,
dass dieser Kopf auch erst in hadrianischer Zeit entstanden,
wir haben ihn aber von den übrigen archaisirenden Denk-
mälern, durch deren Vergleichung seine Eigenthümlichkeit
deutlicher wird, nicht trennen wollen.
Abg. Arch. Ztg. 1843 Taf. 1 mit der Deutung auf Trophonius,
die Brunn bull. 1845 p. 200 als unbegründet bezeichnet und dafür die
Aehnlichkeit mit dem indischen Bacchus hervorhebt, für welchen ihn Mi-
chaelis Arch. Ztg. 1866 p. 254 freilich aus einem Grunde den ich nicht
anerkennen kann, erklärt. Derselbe weist sehr richtig die Zurückfüh-
rung dieses Kopfes auf Praxiteles ab und setzt ihn in die hadi'ianische
Zeit. Ueber den Schnitt des Bartes vgl. Conze Arch. Anz. 1864, p. 209
und den herkulanischen Dionysoskoi)f im Saal der Thiere und ßroncen
n. 239.
61. Diana**, Büste, von einer Marmorstatue genommen.
* Im Niobidensaal n. 40.
** Im Niobidensaal n. 119.
78 Archaisirende Kunst.
die im Jahre 1792 zu Gabii gefunden in die Sammlung
Braschi zu Rom und aus dieser in die Glyptothek zu Mün-
chen kam.
Leider besitzen wir nur die Büste dieser höchst merk-
würdigen Statue, indessen ist doch auch diese hinreichend^
das Eigenthümliche des Werks, die Imitation alterthümlicher
Motive mit allen Mitteln der elegantesten Kunst, erkennen
zu lassen. Es ist dem eben betrachteten Kopf im Einzelnen
und Ganzen sehr ähnlich.
Von dem Charakter der Diana, wie die frei entwickelte
Kunst ihn darstellt, ist dieser Typus noch weiter entfernt^
als derjenige, dem wir in der pompejanischen Statue (n. 56)
begegneten. Statt des der Jungfrau so angemessenen offenen^
freien Kopfes die Verschleierung, statt der jungfräulich nach
hinten zusammengebundenen Haare die lang herabhängenden
Locken und die alterthümliche Flechte, über welche noch
ganz ähnlich, wie an dem vorhergehenden Kopfe, zwei Haar-
'büschel herabhängen, kurz, es fehlt noch der Charakter der
schlichten, einfachen Jungfräulichkeit. Der Stimschmuck be-
steht aus kleinen Kehböcken, zwischen denen unbestimmbare
Gegenstände sich befinden, gerade in älterer Zeit scheinen
solche zierlich gearbeiteten und mit charakteristischen Sym-
bolen versehenen Kronen häufiger gewesen zu sein, wie wir
von der berühmten Statue der Nemesis in Rhamnus, einem
Werk aus Phidias Zeit, etwas Aehnliches erfahren. Auch
das Köcherband ist mit einer Jagd in flachem Relief verziert
und erinnert an das ähnlich verzierte Wehrgehenk des ho-
merischen Herakles. Ueberhaupt ist der Reichthum an sym-
bolischem Zierrath ganz im Geist der älteren Kunst.
Abg. bei Sickler und Reinhart Almanach aus Rom, 2. Jahrg. 1811
n. 12 p. 141 ff. und bei Müller- Wieseler II, 16, 168. Vgl. Catalog zur
Glyptothek n. 87. Ein Dianenkopf im hiesigen Museum (n. 52) eben-
falls in archaisirendem Stil gearbeitet, hat eine ähnliche Stirnkrone.
62. Pansherme*, von Gavin Hamilton 1779 bei Civita
Lavigna gefunden, in die Townley'sche Sammlung und mit
dieser ins britische Museum übergegangen. Ergänzt sind
der rechte Arm, ein Theil des linken Unterarms, der grösste
Theile der Pfeife und das Ende der Herme unter dem Ge-
wände.
* Im Niobideiisaai n. 32.
Archaisirende Kunst. 79
Die Physiognomie dieser durch die Thierohren als Wesen
niederer Ordnung bezeichneten Figur ist unverkennbar die
des Pan*, wenngleich sie durch den feinen Palmettenkranz
und besonders durch den stilisirten Vortrag, in' dem das
Ganze gehalten, edler aussieht, als in einem freieren, mehr
naturalistischen Stil der Fall sein würde. Das gewöhnliche
Instrument des Pan ist allerdings die Syrinx, aber auch die
Flöte ist ihm nicht fremd.
Die Figur ist eine mit grosser Eleganz ausgeführte Imi-
tation eines alterthümlichen Cultusbildes. Denn hölzerne
Pfeiler* mit einer Göttermaske oben darauf und mit einem
Gewand umhängt, das dann mit genauester Symmetrie gefältelt
wurde, sind uns als Cultbilder sehr bekannt.
Abg. anc. marbles of the brit. museum II, 35. Die Literatur bei
MichaeliB Arch. Ztg. 1866 p. 254. Aehnlich bekleidete Paushermen
sind im lateranischen Museum. Michaelis weist die Deutung auf Pan
ab, allein die Physiognomie, die gebogene Nase, das vortretende Unter*
gesiebt erinneni durchaus an Pan s Ziegenphysiognomie.
63. Vierseitige Basis**, von Marmor, 1857 in Attien
auf der Ostseite des Parthenon gefunden und ebendaselbst
befindlich. Am Original bemerkt man noch die Spuren der
Befestigung des Gegenstandes, den die Basis trug.
Vermuthlich war eine Statue als Weihgeschenk auf dieser
Basis errichtet und nach den Reliefs liegt es nahe, an eine
Statue des Hephästos zu denken. Denn unter den vier Götter-
gestalten, welche die Seiten zieren, nimmt dieser an seinem
Hammer kenntliche Gott offenbar die vornehmste Stelle ein,
weil ihm die drei übrigen Götter entgegenkommen. Die Seite
des Hephästos war also die Frontseite. Von den andern
Göttern sind Pallas und Hermes deutlich erkennbar, letzterer
an dem kurzen Gewände, das er, der Götterbote, schon in
den ältesten Monumenten trägt, während die dritte Figur
bei dem Zustande des Werks nicht sicher bestimmbar ist.
Einen Grund für diese Zusammenstellung von Göttern können
wir nicht angeben.
Der alterthümliche Stil ist fein und geschmackvoll imi-
tirt, nur scheint die angespannte Stellung der Beine hie und
da ein wenig übertrieben zu sein, auch ist Pallas sehr dünn
in der Taille. Man erkennt aber die Nachahmung gleich
• Vgl. n. 13 im Saal der Thiere und Broncen.
•* Im Griechischen Saal n. 367.
30 Archaisirende Kunst.
daran, dass einige Figuren nur mit der Spitze des Fusses
den Boden berühren, was dem alten Stil fremd ist und nur
als eine absichtliche Uebertreibung der alterthtimlichen Zier-
lichkeit und Grazie angesehen werden kann.
Abg. und erklärt in Welckers A. D. V, Taf. 5 p. 101. Eine vage
und höchst unwahrscheinliche Hypothese bei Bötticher im Philol. XXII,
1 p. 96. Die Spuren des Thy^*sos, die Michaelis an dem Stab der von
mir unbestimmt gelassenen Figur entdeckt zu haben glaubt, sind mir
am Abguss nicht aufgefallen.
64. Kriegsscene*, fragmentirtes Marmorrelief in Athen.
Von der Hauptgruppe ist wenigstens soviel erhalten, dass
die Handlung noch zu erkennen ist. Ein nackter Krieger ist
verwundet oder sterbend in die Arme eines andern gesunken^
der ihn stützt und zugleich rückwärts gewandt die Rechte'
ausstreckt, als wolle er der folgenden Figur eine Weisung
geben. Diese ist ein Jüngling, der das Gesicht mit der
Hand bedeckt, indem er offenbar trauert über den Fall des
Freundes. Eine nähere Erklärung zu geben, ist wegen der
grossen Verstümmelung des Reliefs unmöglich.
Das Werk ist nicht sehr sorgfältig ausgeführt, der rechte
Arm des trauernden Kriegers ist beträchtlich zu kurz gera-
then. Den nachgeahmt alterthümlichen Stil verräth sofort
das Gewand, das nach seiner Richtung und Bewegung frei
flatternde Falten haben sollte, aber statt dessen in der steif-
sten Geradlinigkeit verharrt. Ein solcher Widerspruch ist
dem acht alterthümlichen Stile fremd, in welchem die starren
Linien des Gewandes doch der Richtung und dem Fall der
einzelnen Theile desselben im Allgemeinen entsprechen und
daher bei aller Steifheit nicht eigentlich den Eindruck des
Unnatürlichen machen.
Abg. Le Bas Voyage archeol., Monum flg. pl." T.liJ 35
65. Die Hochzeit des Zeus und der Hera**, Mar-
morreliefs von einem vierseitigen Altar in Villa Albani, Er-
gänzt ist der Kopf und rechte Arm des Hermes; von der
hinter ihm befindüchen Figur ist nur ein Arm übrig geblie-
ben, wie von der vor Artemis gehenden nur ein G^wandzipfel,
ausserdem fehlt die vierte Platte.
Unzweifelhaft ist die Hochzeit des Zeus und der Hera
* Im Lycischen Hof n. 282.
** Im Gewerbeinstitut.
Archaisirende Kunst. g-^
oder genauer die festliche Procession welche das Brautpaar
zum Hause des Bräutigams geleitete ^ dargestellt ^ und zwar
so, wie es Sitte war im griechischen Leben und auch auf
Vasenbildem vorkommt. Voran geht Artemis, die Hochzeits-
göttin, mit Fackeln leuchtend, da der Zug hei Abend statt-
fand, es folgt Leto, die wir auf n. 72 ähnlich mit ihrer
Tochter gruppirt finden und dann das Brautpaar, Zeus mit
dem Donnerkeil und Vogelscepter, dem Abzeichen des Königs,
und Hera mit dem Scepter und Schleier, durch den gesenkten
Bück, der ihr sonst so fremd ist, deutlich als verschämte
Braut charakterisirt. Hinterher kommen Poseidon, Demeter,
Aefaren und Mohn in den Händen und auf dem Kopf den
Modius, das Fruchtmaass, als Symbol ihrer reichen Gaben
tragend, Dionysos mit einem Fell bekleidet und Hermes. Die
Götter sind sämmtlich festlich bekränzt und auch die zier-
lichen von Riemen geflochtenen Schuhe sind vielleicht durch
das Fest veranlasst.
Hinsichtlich der fehlenden Figuren dürfen wir uns die
Yermuthung erlauben, dass der neben der Artemis übrigge-
bliebene Gewandzipfel dem Apollo angehörte und dass dieser
Gott den Zug eröffiiete. Für ihn gab es keinen passenderen
Platz als den neben der Schwester und an der Spitze des
Zuges, da ihm jedenfalls das Amt zufiel, den Hymenaeus zu
spielen. Er wird aber derselben Platte angehört haben, auf
welcher sein Gewandzipfel, der sonst um die Ecke herum-
reichen würde, erhalten ist, so dass wir für diese erste und
die ihr correspondirende Platte je 4, für das Ganze also 14
Figuren vorauszusetzen hätten.
Die Composition war ursprünglich wohl nicht für diesen
Raum bestimmt, wenigstens fällt auf, dass Braut und Bräu-
tigam auf verschiedene Seiten vertheilt sind. Das Werk ist
mit Sorgfalt ausgeführt, den absichtlich alterthümlichen Stil
verräth aber schon die jugendliche Gestalt des Dionysos, der
im alten Stil nur bärtig dargestellt wurde.
Abg. Zoega bassiril. II, 101. Weicker A. D. JI, Taf. 1, 1 p. 14,
wo auch die übrige Literatur angegeben ist.
66. 67. Zwölf Götter*, Relief, über dessen Original
wir keine Kunde haben.
Die Götter sind in zwei einander entgegengehende
• Im Treppenhaus n. 168 und 170.
Friedericlu, griech. Plastik.
32 Archaisireiide Kunst.
"1 ■
Abtheilungen von je sechs Figuren getrennt. Von links kom-
men heran Zeus, mit Donnerkeil und Vogelscepter, Hera, ein
Scepter haltend und mit der andern Hand ihr Obergewand
zierlich anfassend, wie es gerade an Darstellungen der Hera
öfter vorkommt, dann Hephästus und hinter ihm Aphrodite,
mit zwei Bltithen, darauf leichten, tänzelnden Schrittes der
jugendliche Götterbote Hermes, endlich Artemis, kurz bekleidet,
in der einen Hand den Bogen haltend, mit der andern einen
Pfeil aus dem Köcher ziehend. Ihnen kommen von rechts
entgegen der jugendliche Herakles, dann Demeter, ein Scepter
nebst Aehren und Mohn haltend, Apollo mit der Rechten in
die Saiten greifend und mit dem Piektrum in der Linken
darüber streichend, darauf Pallas, Ares und Poseidon.
Wir hegen einige Zweifel, ob das Relief wirklich antik
sei, jedenfalls muss, wenn es antik ist, Bedeutendes daran re-
staurirt sein. Denn ein unantikes Motiv findet sich an der Figur
des Hephästus, indem nämlich der Zipfel des Gewandes in
absichtlicher und unmöglicher Weise die Geschlechtstheile der
Figur bedeckt, gerade so wie es die modernen Ktinstier ma-
chen. Höchst auffallend ist ferner, dass Apollo in der linken
Hand das Piektrum hat und mit der rechten in die Saiten
greift, was umgekehrt sein sollte. Auch die Zusammenstel-
lung der Götter, namentlich die Trennung von Apollo und
Artemis ist befremdlich. Endlich machen wir aufmerksam
auf die grosse Aehnlichkeit dieses Reliefs mit dem eben be-
sprochenen, namentlich in den Figuren des Zeus, Hermes,
Poseidon und der Demeter.
In der Glyptothek zu München befindet sich unter n. 95 ein Relief,
welches mit den drei ersten Figuren zur Linken, Zeus, Hera, Hephästus,
soviel ich mich erinnere, übereinstimmt. Es hängt aber zu hoch, als
dass ich es genauer hätte mitersuchen können.
68. Sogenannter Zwölfgötteraltar*, Marmorbasis,
früher in der Sammlung Borghese, seit 1808 im Louvre.
Das Werk ist sehr stark ergänzt und zwar nicht allein
stilwidrig sondern auch unverständig. Von der oberen Göt-
terreihe der Hauptseite sind nur Zeus und Hera vollständig
erhalten, ersterer könnte ein Scepter in der Linken gehabt
haben, doch müssten wohl Spuren zurückgeblieben sein. Am
Poseidon ist der ganze Oberkörper neu, doch ist die rechte
* Im Niobidensaal n. 70.
Ai'chaisireude Kunst.] 33
Spitze und ein Stück yom Schaft des Dreizacks erhalten,
auch wird der Gott durch die Stelle, welche er einnimmt,
zur Genüge bezeichnet. An der folgenden Figur ist der
ganze Oberkörper von der Mitte der Oberschenkel an ergänzt,
mit Eecht aber hat der Ergänzer eine Demeter an dieser
Stelle vorausgesetzt Wenden wir uns nach rechts, wie es
die Rangfolga der Götter verlangt, so folgt zunächst Apollo,
an dem auch nur die untere Hälfte alt ist. Die erhaltene
Rechte mit dem Piektrum und das lange Gewand zeigen,
dass der Gott in seiner Eigenschaft als Kitharspieler darge-
stellt war, der Ergänzer hätte ihm daher eine Kithar in den
linken Arm geben sollen. Auch in der Figur der Artemis
ist gefehlt, an welcher der ganze Oberkörper zu restauriren war.
An dem Bogen fehlte nur ein kleines Stück, dessen Ergän-
zung durch das andre Ende vorgezeichnet war, allein der
Ergänzer wusste nicht, dass Artemis wie Apollo einen geraden
Bogen trägt und hat ihr daher einen ganz fremdartigen, sogar
unförmlichen Bogen gegeben. Die folgende Figur, Hephäst, an
welcher wieder der Oberkörper fehlte, hat sogar eine weibliche
Brust erhalten, wiewohl die Zange in der Rechten den Gott
deutlich, genug bezeichnet An Pallas ist nur alt der Lanzen-
schaft bis an den erhobenen Arm, das rechte Bruststück mit
der Aegis, das rechte Bein vom Knie abwärts und vom linken
etwas mehr als der Fuss, Besser erhalten ist die letzte Seite.
Am Mars sind neu das Ende des Lanzenschaftes, der obere
Theil des Helms und die Oberschenkel, an der Venus nur
der obere Theil des Kopfes, Hermes ist unversehrt, an der
Ilestia sind Kopf, Brust, linker Arm und die Füsse neu. Die
unteren Figuren sind an allen drei Seiten bis auf unbedeu-
tende Stücke vollständig.
Ueber die Bestimmung des Werkes schwanken die An-
sichten. Man hält es für einen Altar oder auch für die Ba-
sis eines dreieckigen Geräthes, eines Dreifusses oder eines
Candelabers. Wir halten es für eine Dreifussbasis, weil ganz
dieselbe, im Grundriss einem dreiseitigen korinthischen Kapi-
tal entsprechende Form sich an sichern Dreifussbasen findet
Was zu der Auswahl der Reliefs Veranlassung gegeben
habe, ist dunkel, da wir die historischen Umstände, unter
denen das Werk entstanden, nicht kennen. Der Stil giebt
sich deutlich als nachgeahmt alterthümlich zu erkennen, schon
der eine Umstand, dass auf jeder Seite in der oberen Reihe
die Füsse mehrerer Figuren en face stehen und daher um
6*
34 Archaisirende Kunst.
nicht zu weit herauszuspringen verkürzt werden mussten, wo-
durch sie nun wie verwachsen aussehn, schon dies charakte-
risirt den nachgeahmt alterthümlichen Stil. Denn in alter Zeit
werden wenigstens der Regel nach alle Figuren so gestellt,,
wie Mars und Venus oder wie die Figuren der unteren Reihen.
Die Auswahl und Gruppirung dieser zwölf Götter ist die-
jenige, welche in Athen üblich und später die gewöhnliche
war, auch im Stil scheinen dem Künstler attische Muster vor-
geschwebt zu haben, namentlich erinnern daran Gestalten wie
die der Hera.
Die untere Hälfte der Basis enthält die Gruppen der
Chariten, Hören und Parzen. Sie sind in grösseren Figuren
dargestellt, was ihrer untergeordneten Stellung im Götterkreise
allerdings nicht entspricht, aber durch architektonische Rück-
sichten, welche der unteren Abtheilung der Basis eine grös-
sere Höhe zu geben zwangen, veranlasst ist. Der Grund
ihrer Vertheilung auf die drei Seiten ist uns nicht klar.
Ihre Darstellung, namentlich die der Parzen und Hören, ist
von den späteren Monumenten in einigen Punkten abweichend.
Die ersteren sind vollkommen einander gleich, nur als ernste
majestätische Göttinnen mit Sceptem in den Händen gebildet^
während sie später zufolge einer bei den Musen in ganz ähn-
licher Weise wiederkehrenden Entwicklung individualisirt wur-
den und verschiedene Thätigkeiten erhielten. Auch die Hören
sind hier gleichartiger als später, sowohl in ihrer Tracht als
in ihren Attributen, Zweig, Traube, Knospe (wenn nicht auch
hier eine Frucht gemeint ist), die nicht als Symbole verschie-
dener Jahreszeiten, sondern nur allgemein als Symbole des
Werdens und Wachsens der Vegetation aufzufassen sind.
Die Chariten sind tanzend vorgestellt, wie die Dichter von
ihnen singen und wie es zur Entfaltung derAnmuth am na-
türlichsten ist.
Abg. Visconti monum. Gabini tav. agg. a. b. c. Clarac musee
de sculpt. pl. 173. 174. Müller-Wieseler I, 12. 13. Vgl. Welcker
(jötterl. 2, 168 und wegen der architektonischen Form des Wei'ks die
Dreifussbasis im Griechischen Saal n. 366.
69. Brunnenmündung*, von Marmor, in der Umge-
gend Roms vor Porta del popölo gefanden, seit mehr als
Im Niobidensaal n. 51.
Ai'cliaisireude Kunst. 35
huadert Jahren im capitolinischen Museum befindlich. Die
Restaurationen sind nicht bedeutend^ sie betreffen ausser eini-
gen Füssen hauptsächlich den Kopf der Aphrodite^ der ganz
neu and die Köpfe der Artemis und Hestia^ die zum Theil
neu sind.
Das Werk gilt mit Recht als eine Brunnenmüudung,
denn wenn auch die an dem Innern Rande entdeckten Spuren
von Stricken; mit denen man den Eimer heraufzog^ erst in
neaerer Zeit entstanden sein sollten^ so entspricht doch das
Geräth so sehr dem vorausgesetzten Zweck^ dass wir daran
za zweifeln nicht berechtigt sind. Es haben sich mehrere
ähnliche erhalten^ und unter den Römern waren solche mit
Reliefs verzierte Brunneneinfassungen^ die ja auch der neueren
Kunst Gelegenheit zu schönen Darstellungen gegeben^ beliebt^
wir wissen wenigstens ; dass Cicero sich dergleichen Werke
f&r seine Villen aus Athen kommen liess. Das vorliegende
Werk hat indess nicht zu profanem Gebrauch gedient, son-
dern Stil und Darstellung führen darauf; dass es den Brunnen
eines Tempels schmückte.
Es sind zwölf Götter dargestellt, in ungleiche Hälften
getlieilt und in marschartiger Bewegung, wie es der Form
des Werks entspricht. Von rechts her kommen Hephäst,
Poseidon, Hermes und Hestia, von links lauter Götterpaare,
Zeus und Hera, Pallas und Herakles, Apollo und Artemis,
Ares und Aphrodite. Leider fehlt das dritte dieser Paare
auf dem Abguss.
Der Grund dieser Theilung der Götter und ihres Zu-
sammentretens ist nicht ganz klar. Am wahrscheinlichsten
ist die Annahme, dass ein zwar durch keinen alten Schrift-
steller berichteter, nach einer Anzahl von Kunstwerken aber
vorauszusetzender Mythus dargestellt sei, nämlich die Hochzeit
der Pallas und des Herakles. Das Relief wäre dann so auf-
zufassen, dass die drei Götterpaare, welche das Brautpaar
geleiten, die dieser Ehe günstigen Gottheiten repräsentirten,
mid den >'ier andern, dem Ehbund weniger günstigen Göttern
offenbar in versöhnendem Sinne entgegenträten. Denn Zeus
und Hera, Apollo und Artemis und endlich Aphrodite, der
sich Ares nothwendig gesellen musste, sind die Schutzgötter
der Ehe und Liebe, von den vier andern Göttern aber lässt
sich wenigstens hinsichtlich des voranstehenden Hephäst be-
haupten, dass er, der sich die Pallas als Lohn für seinen
Hammerschlag, wodurch sie geboren war, zur Gattin erbeten
86 Archaisirende Kunst.
hatte, diesem Ehbund nicht günstig sein konnte. Die Zag-
haftigkeit und Bescheidenheit, mit welcher der Bräutigam
Herakles, der übrigens nur hinter, nicht vor der vornehmeren
Braut gehen konnte, auftritt — er ist nämlich der einzige^
der die Füsse nicht fest auf den Boden setzt — , würde zu
dieser Erklärung gut passen.
Das Werk ist sehr interessant, weil es uns, wenn auch
in den Formen der Nachahmung, Züge überliefert, die für die
Auffassung der Götter im alterthümlichen Stil charakteristisch
sind. Denn dass wir allerdings nur eine Nachahmung vor
uns haben, beweist schon allein die jugendliche Gestalt des
Hermes, der früher bärtig vorgestellt wurde. Derselbe Gott
aber zeigt uns in der Art, wie er seinen Ziegenbock mit sich
führt, das gemüthliche Verhältniss, in welches im alten Stil
die Götter und ihre Lieblingsthiere mit einander treten. Es
kommt vor, dass Apollo seinen Greif förmlich an die Brust
drückt, Artemis ihren Hirsch an der Hand führt und Aehn-
liches, während später, als dies kindliche und gemüthliche
Verhältniss den Formen und der Auffassung der reiferen
Kunst nicht mehr entsprach, eine losere und kältere Bezie-
hung zwischen dem Gott und seinem Thier eintrat.
Auch in den Formen ist der alte Stil gut imitirt. Die
Verhältnisse sind schwer, die Figuren haben meistens nur 6^2
Kopflängen und zeichnen sich durch grosse Fülle der Mus-
culatur aus. Auch die steif herabhängenden Locken fehlen
nicht, nur für Artemis und Aphrodite hat der Künstler sie
nicht angemessen gefunden.
Abg. Winckelmann mon. iiied. n. 5. Müller -Wieseler II, 18, 197.
Vgl. Meyer z. Winckeim. Kunstgesoh. III, 328 und V, 457 (Eiselem)
und 0. Jahn Archaeol. Aufs. p. 108. Welcker A. D. II, 36. E. Braun
Ruinen und Museen Roms p. 152.
70. Apoll und Nike*, Marmorrelief, aus der Sanamlung
von W. Hamilton ins britische Museum übergegangen.
In einem korinthischen Tempel sind Apoll und Nike ver-
einigt, letztere dem ersteren aus hocherhobener Kanne, wie
graziöse Mundschenken zu thun pflegen, in seine Schaale ein-
giessend. Auf den ersten Blick scheint nur dies dargestellt^
dass Apollo nach beendigtem Kitharspiel von der Nike, die
man in dem allgemeinen Sinn einer Mundschenkin des Olymps
* Im Treppenhaus n. 162.
k
Aichaisirende Kirnst. g7
auffassen könnte; einen labenden Trank erhält, doch lassen
der Stil und die Analogie andrer Reliefs diese etwas genre-
artige Auffassung nicht zu. Es giebt nämlich Votivreliefs
wegen eines Sieges im musikalischen Wettkampf gestiftet,
welche die Nike darstellen, wie sie dem Gott des betreffenden
Festes seinen Becher füUt, und daher deutlich den Gedanken
ausdrücken, dass der Sieger oder statt seiner die Siegesgöttin
dem Festgott als Dank für den erworbenen Sieg ein Trank-
opfer darbringt. Nach dieser Analogie ist auch das vorlie-
gende Eelief dahin zu deuten, dass es ein dem Apollo als
Gott eines Festes und zwar da er als Kitharöde dargestellt
ist, als Gott eines musikalischen Festes dargebrachtes Sieges-
opfer darstelle. Die Vorstellung dieses Reliefs wiederholt
sich auf vielen mehr oder weniger übereinstimmenden Exriü-
plaren, die aber nicht alle, von denen sogar kein einziges
wirklich als Weihgeschenk eines siegreichen Musikers ge-
stiftet zu sein braucht, denn der von uns entwickelte Gedanke
gilt nur für die Originalcomposition, die ihrer blossen Schön-
heit wegen ohne Rücksicht auf die praktische Verwendung,
für welche sie bestimmt war, wiederholt werden konnte.
Und gerade bei dieser Composition ist im Hinblick auf die
höchst anmuthige Gestalt der Nike eine solche Vervielfälti-
gung wohl begreifllich.
Hinsichtlich des Details ist auf das Band an der Kithar
des Apollo aufmerksam zu machen, das gewiss dazu diente,
der linken Hand des Spielers eine feste Lage zu geben.
Denn die griechischen Saiteninstrumente werden mit beiden
Händen gespielt und zwar so, dass die Rechte mit dem Plek-
trum, die Linke mit den Fingern die Saiten berührte. Viel-
leicht spielte jene nur Accorde, diese einzelne Töne.
Das Relief ist sehr fein und graziös, dass es aber nur
nachgeahmt alterthümlich ist, geht schon aus den korinthischen
Säulen hervor, die zur Zeit des äoht alterthümlichen Stils
noch nicht existirten.
Abg. in den marbles of the british musenm II, 13. Vanx liancl-
book to the brit. mus. p. 184. Ellis the Townley galery II, 113.
Die Literatur bei Welcker A. D. 2, 37 ff., der dieses Relief mit
n. 10 bezeichnet. Die früheren Erkicäruugen sind von Welcker besei-
tijort, dessen ei^me Erklänmg ich aber auch nicht annehmen kann. Von
der \'oraussetzung- ausgehend, dass in Delphi an den Pytliien dem
Sieg-er im Kitliarspiel eine silbcne Schaale als Kam])fpreis gegeben sei,
w'w man dies von den offenbar den deiphisciien nachgebildeten sicyoni-
bchfn Pythien wisse — auch dies ist übrigens nur Voraussetzung, denn
33 Arcliaisireiide Kunst.
I
Pind. Nem, 9, 51 sind die Schaalen nicht Preis eines Kitliaröden, son-
dern eines Siegei*s im Wagenkampf und Nem. 10, 43 ist keine Gattung
des Wettkampfs genannt — meint nämlich Welcker, dass hier die
üeberreichung der natürlich weingefüllten Schaale an Apollo dargestellt
sei. der als Urbild und Vorbild der wirklich siegenden menschlichen
Kitnaröden aufgefasst werden müsse. Allein wie soll man erkenne^
dass hier die Ueberreighung der Schaale gemeint sei, da doch nur
die Füllung derselben durch Nike dargestellt ist? Wie ungeschickt
wäre ein Künstler, der, wenn er ersteres darstellen wollte, es so dar-
stellte, dass jeder Betrachtende nur an das Letztere denken kann!
Die namentlich von 0. Müller hervorgehobene Auffassung dieser
Reliefs oder wenigstens ihres Originals als eines Weihgeschenks wegen
eines Sieges im musikalischen Wettkampf wird besonders unterstützt
durch die Vergleichung der Reliefs an der attischen Dreifussbasis im
Griechischen Saal n. 3t>6.
lieber die Art, wie die Saiteninstrumente gespielt werden vgl. v.
Jan Archaeol. Ztg. 1858 p. 190.
71. Aehnliches Relief*, von Marmor, früher in Villa
Albani, jetzt im Louvre. Das Relief ist vielleicht nicht ganz
vollständig, da es in neuerer Zeit um das fragmentarische
Aussehn zu beseitigen, an den Rändern zugeschnitten ist.
Es ist dieselbe Darstellung wie auf n. 70, nur erweitert
durch die Figur der Artemis und roher in der Ausführung.
Abg. bei Clarac musee de sculpi. 122, 40; bei Welcker A. D. II,
p. 40 mit n. 5 bezeichnet. Vgl. n. 70 mit der Anmerkung.
72. AehnlichesRelief**, von Marmor, aus Villa Albani,
durch Napoleon nach Paris und von dort nach Berlin versetzt,
indem es „bei der Rückgabe der preussischen Kunstwerke
von der französischen Regierung für ein anderes in Hinsicht
der Vorstellung einziges gegeben ist".
Dies Relief ist reicher, aber auch weniger stilvoll, als
die beiden vorhergehenden. Es zeigt uns Apollo von Mutter
und Schwester begleitet, deren erstere, die ausser ihren
Attributen, Fackel, Bogen und Köcher, auch durch den schlan-
keren Wuchs ausgezeichnet ist, das Gewand des Apollo an-
fasst, wahrscheinlich um ihre enge Zusammengehörigkeit mit
dem Bruder anzudeuten. Gerade in diesem Stil kommt dieses
freilich äusserliche Motiv bei verwandten Figuren öfter vor.
Bas Lokal der Handlung ist aufs Reichste angedeutet. Hinter
einer Umfassungsmauer, auf deren Bekrönung drei Messpunkte
* Im Treppenhaus n. 165.
♦* Im Tre^enhaus n. 163.
Archaisireude Kunst. go
mit deatlichen Spuren des Zirkels zurückgeblieben sind, ragt
ein korinthischer Tempel mit einer Platane hervor, in welchem
wir den delphischen Tempel mit seiner berühmten Platane
m erkennen haben, ohne dass freilich der Künstler bemüht
gewesen wäre, denselben der Wirklichkeit gemäss zu bilden.
Die Ecken des Giebels waren nach den zurückgebliebenen
Resten — Flügeln und Stücken von flatternden Gewändern —
mit Siegesgöttinnen verziert, im Giebelfeld ist ein Medusen-
haapt, von phantastischen Figuren, wie sie der Raum erforderte,
getragen, und am Fries ein Wagenwettkampf dargestellt
Sehr Singular aber und uns unverständlich ist die den Fries
und Architrav trennende, mäanderartige Verzierung. Ausser-
halb der Umfassungsmauer (welche übrigens ftlr die künstle-
rische Wirkung der Figuren nothwendig war), im weiteren
Bezirk des Tempels, ist rechts ein Pfeiler aufgerichtet, auf
dem ein kleines, nacktes Götterbild mit ausgestreckter Schaale,
gewiss auch ein Apollo, steht. Es ist dies eines jener uralten
Götterbilder, die ihrer Puppengestalt wegen auf hohe Pfeiler
gestellt werden mussten und als Weihgeschenke in dem Gehege
des Tempels aufgestellt wurden. Links steht ein entsprechen-
der Pfeiler mit den Resten eines Dreifusses, da es ebenfalls
Sitte war, Dreifüsse, häufige Siegespreise in Wettspielen, den
Göttern, die den Sieg gegeben, zu weihen und im Bezirk
ihres Tempels aufzustellen. Alle diese Zuthaten heben nur
den Begriff eines heiligen Lokals hervor, können aber die
Bedeutung des Ganzen, die auch in den einfacheren Exem-
j)hiren dieser Vorstellung voll enthalten sein muss, nicht
alteriren und sind auch nicht dem Stil des Originals ange-
messen. Eine so reiche Ausstattung mit Beiwerk ist dem
einfachen Reliefstil der früheren Kunst durchaus fremd.
Dass dieses Relief nur ein nachgeahmt alterthümliches
sei, geht auch hier schon aus dem korinthischen Stil des
Tempels hervor. Man braucht femer nur das flatternde
Obergewand der Artemis anzusehen, um zu bemerken, dass
es mit den strengen Linien nicht ernstlich gemeint ist. Die
Ausführung ist nicht sehr sorgfältig, namentlich sind die
kleinen Zickzackfalten an den Säumen der Gewänder nur
oberflächlich angegeben.
Vgl. die (uicht ganz correcte) Beschreibung bei Gerhard Berl. Ant.
Bildw. p. 91 n. 146 und für die Erklärung n. 70 mit der Anmerkimg,
liebst Michaelis Ann. 1863, p. 296. In Welcker's Verzeiclmiss diesei
DciiknifiierclHSse A. Denkm. II, ]). 37 ist das Relief mit u. 4 bezeichnet.
90 Archaisireiide Kunst.
73. Aehnliches Relief*; von Marmor, aus Villa
Albani, im Louvre befindlich. An der nackten Figur ist
nur das linke Bein vom Knie abwärts alt, an den übrigen
Figuren sind die Köpfe ergänzt.
Die Figur der Nike ist dieselbe, wie auf den vorher-
gehenden Reliefs, auch die Handlung stimmt überein. Aber
es ist Artemis, welche hier die Spende erhält, so dass man
vermuthen möchte, es handle sich um ein der Artemis dar-
gebrachtes Dankopfer. Die dritte Figur ist, da zu wenig
davon erhalten, unbestimmbar, der Ergänzer hat einen Dio-
nysos angenommen, dessen Anwesenheit in dieser Gesellschaft
schwer zu motiviren sein dürfte.
Die Verschiedenheit des Stils in den Figuren der Nike und
Artemis ist ein deutlicher Beweis späterer Entstehungszeit**»
Abg. bei Winckelmann monum. ined. n. 23. Clarac musee de
sculpt. 122, 40. Vgl. Welcker, Annali V, 148.
74. Apollo mit Artemis und Leto***, Marmorrelief
aus Villa Albani, im Louvre befindlich. Ergänzt sind die
untere Hälfte des Pfeilers zur Rechten und der Gewandzipfel
des Apollo unter seiner Kithar.
Ob dieses Relief mit den eben betrachteten, im Moment
der Handlung und durch die Hinzufügung der Nike verschie-
denen, in eine Classe zu setzen, also auch als ein Votivrelief
zu betrachten sei, muss zweifelhaft bleiben. Den archaisiren-
den Stil erkennt man sofort an der bewegten Gestalt des
singenden Gottes. Denn im alten Stil sowohl der Malerei
wie Plastik, pflegt der kitharspielende Apollo ruhig und ernst
dazustehen, erst im Beginn des vierten Jahrhunderts stellte
Scopas ihn in schwärmerisch bewegter Gestalt dar, das vor-
liegende Relief ist daher nach Scopas entstanden, folglich
nicht echt alterthümlich.
Die Säule mit dem kleinen Götterbild begegnete uns
bereits auf n. 72. Sie hat hier denselben Zweck, wie dort
und es ist nicht daran zu denken^ dass Apollo seinem eignen
Bilde einen Hymnus sänge, wie man beim ersten Anblick ver-
muthen könnte.
* Im Treppenhaus n. 164.
•** Im Römischen Saal unter n. 43. 44. befinden sich noch zwei
übereinstimmende Darstellungen der Nike, deren Originale das britisclie
Museum besitzt. Sie sind übrigens unbedeutend.
*** Im Treppenhaus n. 161.
Archaisirendc Kunst. 91
Abg. Clarac musee de sculpt. 122, 38. Müllor-Wieseler I, 13, 46.
Vgl. Weicker A. D. II, 37 und wegen der Figur des Apoll« die Münze
mit dem Apollo Palatinus des Scopas bei Miilter-Wieseler I, 32, 141 c.
75. Dreifussbasis *, aus Marmor, mit der Chigi-
schen Sammlung in das Museum zu Dresden gekommen.
Die vielbesprochenen Darstellungen dieser Basis sind, jede
für sich genommen, vollkommen klar. Auf der einen Seite
ist der Kampf des Herakles und Apollo um den delphischen
Dreifuss dargestellt. Zwischen den Kämpfenden liegt, mit
Binden behangen, der kegelförmige delphische Stein, den man
als den Nabel der Erde bezeichnete. Die beiden übrigen
Felder enthalten einander verwandte Vorstellungen, nämlich
die Weihung eines heiligen Geräthes, einen Vorgang, der in
der Umwickelung mit Binden besteht. Hier ist es ein Drei-
fuss, dort eine Fackel, die von einer zum Auffangen des
Abfalls und somit zum Schutz der unten anfassenden Hand
bestimmten Schaale umgeben ist, beide auf Pfeilern aufge-
richtet, wie wir es schon früher bei Weihgeschenken fanden.
Sie sind umgfeben von je zwei Figuren, die wir theils nach ihrer
Handlung, theils nach ihren Attributen als priesterliche Per-
sonen zu betrachten haben, einer unter ihnen hält einen
Besen, um sein Amt, die Reinigung des Tempels, zu be-
zeichnen.
Nicht so klar wie das Einzelne, ist der Zusammenhang
und die Bedeutung dieser Scenen, da nicht einmal feststeht,
was für ein Geräth die Basis getragen. Man denkt an einen
Candelaber oder Dreifuss, uns scheint wegen der in der
]klitte der oberen Fläche befindlichen Vertiefung nur die
letztere Annahme möglich. Es stand ein Dreifuss darauf mit
einer vierten, runden Stütze in der Mitte, wie sie so sehr
gewöhnlich sind. Ist dies aber richtig, so erinnern wir uns
der schon bei n. 72 erwähnten Sitte, Dreifüsse, die als
Siegespreise in Wettkämpfen der verschiedensten Art ge-
wonnen waren, auf höheren oder niedrigeren Basen aufge-
stellt, dem Gotte des Festes zu weihen, und die Vermuthung
liegt dann nahe, auch diese Basis möge für ein solches Weih-
geschenk bestimmt gewesen sein. In dieser Voraussetzung
hat man folgende sinnige Deutung den Reliefs gegeben: Die
Scene zwischen Apoll und Herakles sei ein Bild des Kampfes,
in welchem um den Dreifuss gekämpft wurde, das Bild zur
* Im Niobidensaal u. 52.
92 Archaisii ende Kunst.
Rechten stelle die Weihung des gewonnenen Dreifusses und
dasjenige zur Linken die Weihung des Geräthes, mit dem der
Sieg gewonnen, der Fackel, dar (indem man nämlich eben
wegen dieses Bildes voraussetzt, der Wettkampf, in welchem
der Preis gewonnen, sei ein Fackellauf gewesen).
Welchem Gott der Dreifuss geweiht war, deuten theils
die epheubekränzte Figur mit dem Besen an, theils die Ver-
zierungen unter den Reliefs. Baiieende Silene stützen die
Ecken der Basis, denen die Flügel natürlich nur aus tekto-
nischen Gründen, zur Verbindung und Vermittelung der Figur
mit dem Körper der Basis, gegeben sind. Man bemerkt an
den Ecken von Geräthen, z. B. Candelabern, sehr häufig der-
artige Motive. Zwischen den Silenen befinden sich andere,
auch silenenartige Gestalten, welche einen Becher, wie ihn
Dionysos zu tragen pflegt, an den Henkeln fassen.
Dass das Werk den alterthümlichen Stil nur imitirt,
geht schon aus der völlig freien Zeichnung der unter den
Reliefs befindlichen Figuren und Arabesken hervor.
*
Abg. in Becker'» Augusteum Taf. 5 6. 7. Vgl. Hettner die Bildw.
d. Kgl. Antikensammlg zu Dresden n. 201. Der Text befolgt die Er-
klärung, die von 0. Müller im Handbuch §. 96 n. 20 kurz angedeutet,
von Pervanoglu Ann. 1861 p. 120 näher ausgeführt ist. Eingehend
hat sich Bötticher im Programm zum Berliner Winckelmaniisfest v. J.
1858, betitelt „das Grab des Dionysos" und in der Archaeol. Ztg. 1858
p. 197 ff. 213 ff. über die Basis ausgesprochen und zwar die von Stark
^endas. p. 133 ff. gegebene Erkläiung sehr richtig widerlegt, aber eine
l%pe wie mir scheint noch imhaltbarere aufgestellt oder wenigstens, da
er sie schon früher ausgesprochen, näher zu begründen versucht. Ich
vermisse jede Begründung dafür, warum die Fackel und der Dreifuss,
die in den Reliefs geweiht werden, gerade diese besondern mit dem
delphischen Cult verbundenen Geräthe sein müssen und ein entschie-
dener Interpretationsfehler (an welchem auch Petersen im Pliilol. XV,
p. 78 Anstoss nimmt) ist es, wenn die Bedeutung der dritten, deu Kampf
um den Dreifuss darstellenden Seite darin gesucht wird, dass sie das
Lokal andeute, wo die Handlung der beiden andern Seiten vor sich
gehe. Denn dadurch wird diese Seite den übrigen subordinirt, sie
muss aber, da sie architektonisch den übrigen gleich ist, auch nach dem
Werth und Gewicht der Darstellung ihnen gleich stehn. Bötticher fügt
hinzu, dass diese Seite ausser der Angabe der Oertlichkeit, auch noch
eine gewisse näher von ihm ausgeführte „heilige Moral" andeute, ohne
aber anzugeben, wo sie auf dem Bildwerk zu finden sei. Auch die
Annahme Böttichers, dass die Basis eine Fackel getragen, ist eine tekto-
nische Unmöglichkeit, und es müsste gerade ihm, wie ich meine, ein
so unproportionales und irrationales Verhältuiss zwischen Tragendem
und Getragenem besonders auffallend sein. Zur Motivirung dieser An-
nahme geht er von der Bemerkung aus, dass die in den Reliefs darge-
stellten Pfeiler dreiseitig gedacht seien, da die eine derselbe einen Drei-
Arcliaibiivude Kunst. • 93
fuss trage. Damit ist ein gewiss richtiges tektonisches Priiicip ausge-
sprochen, aber darauf kommt es ja niciit au, sondei^ nur darauf, wie
der Künstler sich die Sache gedacht hat, und eben dies, wie er sie sich
denkt, deutet er diurch seine Darstellung an. Es stand ihm nichts im
Wege, dreiseitige Pfeiler zu bilden wie wir sie auf den sogenannten
choragischen Reliefs sehen, aber aus irgend einem Grunde, den man
nicht wissen wollen muss, hat er es nicht gethan. Bötticher aber statt
den gegen Stai'k angewandten Grundsatz, von dem Thatsaclüichen aus-
zugehn, auch auf sich selbst anzuwenden, benutzt seine Supposition um
vermittelst ihrer für den Pfeiler, auf dem die Fackel aufgerichtet ist, auch
eine dreiseitige Form zu erhahen und dadurch die Hauptsupposition^
dass nämlich diese Basis eine Fackel getragen, zu motiviren. Gegen
die Annahme, dass ein Dreifuss auf derselben gestanden, wird der Man-
g^el aller zur Befestigiuig erforderlichen Vorrichtungen auf der oberen
Fläche, die Bötticher sorgfaltig untersucht hat, angeführt, allein dieser
Grund wäre nur dann entscheidend, wenn wir wüssten, dass dieses
Exemplar wirklich in praktischen Gebrauch gekommen wäi*e, was ja aus
irgend einem Grunde unterblieben sein kann. Dass es seuier Form nach
für einen Dreifuss, und zwar nur für diesen zugerichtet, scheint mir sicher.
76. Dionysos mit den Hören*, Marmorrelief, aus
Villa Albani in den Besitz des Louvre übergegangen.
Es ist Dionysos dargestellt als Führer der drei Hören,
die ihm in tanzender Bewegung folgen. Die erste hat einen
Schurz mit Früchten, die andere ein paar Aehren. Das
Relief ist gewiss ein Votivrelief, da die ganze Composition
mit anderen durch die Inschrift als solche bezeichneten Vo-
tivrelief s übereinstimmt, auch der absichtlich alterthümliche
Stil auf die Verwendung des Werks für den Cult schliessen
lässt. Die Zusammenstellung des Dionysos und der Hören
wird daher wohl durch einen gemeinschaftlichen Cult dieser
einander so nahe verwandten Gottheiten zu erklären sein.
Die Nachahmung des alterthümlichen Stils streift hier
in den Figuren der Hören an Verzerrtheit, die Gestalten sind
ganz unnatürlich verbogen. Daraus, dass die letzte Höre sich
umsieht — was nur geschehen ist, um das steife Hinter-
einander des alten Stils etwas zu beleben — , darf man aber
nicht schliessen, dass das Relief nur Fragment sei. Es sind
mehrere Wiederholungen erhalten, die eben auch nur diese
vier Figuren enthalten.
Abg. bei Clarac musee de sculpt. 132, 110. Vgl. Welcker Akad.
Kunstmus. z. Bonn, n. 337 (wo aber irrthfimlich von eines entblössten
Bnist an den beiden letzten Hören gesprochen wird).
Im Treppenhaus n, 169.
94 Ai'chaisireiide Kunst.
77. Satyr mit den drei Hören*, Marmorrelief, in
Horta gefundeA und im Capitolinischen Museum befindlich.
Die Frauen, welche der Satyr führt, wurden früher für
Bacchantinnen erklärt, doch ist wegen der Blume in der
Hand der mittleren und ihres Aussehens im Allgemeinen, der
Name der Hören gewiss passender, auch bietet das eben er-
wähnte Relief eine treffende Analogie. Wie dieses, ist es
auch gewiss als Votivrelief zu betrachten. Der Stil ist zwar
auch der nachgeahmt alterthtimliche — eine glatt anliegende
Gewandung, wie an der letzten Höre, kennt der echt alter-
thtimliche Stil nicht — , doch weit anmuthiger, als in dem
vorhergehenden Relief. Die Inschrift, die einen Kilnstler
Kallimachos nennt, liefert einen äusseren Beweis für spätere
Entstehungszeit, da die Buchstabenformen höchstens noch ins
vierte Jahrhundert, aber nicht höher hinaufreichen können.
Abg. Mus. Capitol. IV, tab. 43. iVgl. Welcker Akad. Mus. z.
Bonn n. 336.
78. Apollo und Herakles**, Marmorrelief, im Louvre,
früher in Villa Albani. Ergänzt sind die Beine des Herakles
ganz, die des Apollo fast ganz, ausserdem der unter dem
linken Arm des Apollo herabhängende Gewandzipfel und der
grösste Theil des Baums. Nach Vergleichung übereinstim-
mender, aber besser erhaltener Exemplare, ist anzunehmen,
dass auch hier zwischen den Streitenden der kegelförmige
Stein lag, der das delphische Lokal bezeichnet.
Die Darstellung, welche den Raub des delphischen Drei-
fusses durch Herakles und seine Verfolgung durch Apollo
enthält, ist in derselben Weise, wie wir sie hier sehen, oft
• auf verschiedenen Denkmälergattungen wiederholt und setzt
ohne Zweifel ein berühmtes Original des altgriechischen Stils
voraus. Die Motive des alten Stils in Haar- und Gewandan-
ordnung des Apollo sind bis auf die phantastische Frisur am
Hinterkopf treu beibehalten, auch seine Stellung ist viel
weniger frei und lebendig, als die des Herakles, und eben
dieser Gegensatz ist ein deutliches Zeichen späterer Nach-
ahmung.
Die Dresdener Basis n. 75, auf welcher wir dieselbe
Vorstellung fanden, hat diesen Gegensatz nicht, da sie sich
dem Original näher anschliesst.
* Im Treppenhaus n. 166.
** Im Treppenhaus n. 160.
Archaiäircnde Kunst. 95
Lorbeer und ScWange sind häufige Attribute des Apollo,
die auf den entsprechenden Darstellungen fehlen und hier
nur den Zweck haben, die Scene zu beleben.
Abg. bei Visconti Op. vaiv 4, 17. Ciarac musee 119. • Vgl. de-
scription du Louvre n. 168. Zoega bassiril. II, 99. Welcker A. D.
2, 298.
79. Die drei Grazien*, Marmorrelief, in der Nähe
des Lateran gefunden und im Vatikan befindlich. Ergänzt
sind nur die Begrenzung des Reliefs und der rechte Fuss
der ersten Figur.
Dass die Grazien vorgestellt seien, kann wohl nicht be-
zweifelt werden, drei schwesterlich verbundene, attributlose
Frauen sind schwerlich anders aufzufassen, wir fanden sie
auch am borghesischen Altar (n. 68) in dieser Form. Nach
älterer Weise sind sie vollständig bekleidet.
Man kann zweifeln, ob der alterthümliche Stil dieses
Reliefs nur imitirt oder ursprünglich sei. Die grosse Plump-
heit der Figuren könnte den Schein primitiver ünbehtilflich-
keit her\'orrufeu , allem die ganze Composition entspricht
nicht der Art des alten Stils. Denn während dieser eine
entschiedene Neigung hat, gleichartige Figuren auch gleich-
förmig darzustellen, hat der Künstler dieses Reliefs seine
Figuren in allen möglichen Beziehungen, in der Stellung des
Körpers und Kopfes, in der Gewandung und in der Haartracht,
von einander zu unterscheiden gesucht. Auch ist ein Gewand-
motiv der ersten Figur nicht so deutlich, wie man es von
einer originalen Kunst erwarten sollte, der Mantel nämlich,
den die Frau mit der Rechten fasst, hängt nur mit einem
Zipfel über der linken Schulter, in einer Lage, die unmög-
lich dauernd gedacht werden kann. Es mag daher die grosse
Plumpheit der Figuren wenigstens zum Theil dem übertreiben-
den Nachahmer zur Last fallen.
In Athen befinden sich Relieffragmente, auf welchen sich
die Figur zur Rechten genau, die andern ähnlich wieder-
holen, sie sollen in echt alterthümlichem Stil gearbeitet sein.
Abg. bei Cavaceppi raccülta III, 13. Vgl. Bcschreibg. Roms II, 2
p. 62 n. 358. Die in Aniiali 1865 p. 267 Aiim. 1 ausgesprochenen
V#*rmuthungen über den italischen Ursprung des Reliefs werden, wie
ich ^-laube, durch den Hinweis auf die {[»griechischen Fragmente (Scholl
Arch. Mitth. p. 26. 27. n. 12. 13) widerlegt.
Im Saal des Farnesischen Stiers n. 19.
IV. Die erste Hälfte der griechischen KunstblQthe.
Die griechische Plastik steht von der Mitte des fünften
bis gegen den Schluss des vierten Jahrhunderts auf einer
solchen Höhe, dass wir diesen ganzen Zeitraum als die Periode
der Blüthe bezeichnen müssen. Doch treten innerhalb des-
selben erhebliche Verschiedenheiten hervor, die am fühlbarsten
sind an den Götterstatuen. Die Zeit des Phidias glaubt an
die Götter und glaubt sie so, wie die edelsten Zeugen dieser
Zeit, Pindar und Aeschylus, sie verkünden, ernster, reiner,
heiliger als in Homer's Dichtungen, die Künstler des vierten
Jahrhunderts aber sind Söhne einer ungläubigen Zeil und
konnten die Götter zwar wohl wie liebliche Phantasiebilder
mit allem Reiz der Anmuth darstellen, aber den ethisch
ernsten und strengen Charakter der früheren Götterbilder,
der aus dem Bewusstsein von der Realität der Götter hervor-
geht imd zur Andacht und Verehrung stimmt, erreichten sie
nicht mehr. Die Entwickelung der religiösen Kunst ist in
der Kürze diese, dass zuerst in den ältesten Cultusbildem
nur das religiös Bedeutsame ohne irgendwelche Rücksicht
auf künstlerische Schönheit, ja sogar nicht selten mit ge-
flissentlicher, empfindlicher Verletzung derselben ausgedrückt
wurde, dass aber allmählich und immer mehr das Element
der formellen Schönheit sich geltend machte und zuletzt allen
religiösen Gehalt überwucherte und aufzehrte. Diese Ent-
wickelung war nun im fünften Jahrhundert so weit gediehen^
Griechische Kunstblüthe. 97
dass das Element der formellen Schönheit zwar zu seinem
Recht gekommen war, aber noch nicht die erste Stelle ein-
nahm. Bas Charakteristische dieser Zeit liegt eben darin^
dass die Schönheit gern and freiwillig dem religiösen Zweck
dient; um dessentwillen sie sogar einzelne Züge des frtiheren
typischen und starren Stils beibehält.
Fast alle aus dieser Periode erhaltenen Werke gehören
Athen an^ was wir andern griechischen Kunstschulen zuschreiben
dürfen^ ist theils zu wenig; theils seiner Herkunft nach nicht
sicher genug beglaubigt^ als dass wir eine Trennung der
Werke nach Schulen in diesem Abschnitt hätten versuchen
mögen. Die Ordnung ^ die wir beobachtet haben ^ ist diese^
dass wir zuerst die freien, nicht zum Schmuck der Archi-
tektur bestimmten Sculpturwerke, sodann die Tempelsculp-
toren, denen wir, um nicht Verwandtes zu trennen, einige
andere Werke hinzufügen, und endlich die Eeliefs von Grab-
steinen, Welhgeschenkeu und öffentlichen Decreten auffähren.
Von den letzteren sind aber nicht nur die dem fünften Jahr-
hundert angehörigen, sondert alle hier vorhandenen, natürlich
mit Angabe ihrer Zeit, in diesen Abschnitt aufgenommen, denn
die Zusanmienstellung des Gleichartigen schien mir in diesem
Fall zu wichtig, als dass ich sie wegen einer formellen In-
correctheit hätte unterlassen mögen. Den einzelnen Classen
der Reliefs sind orientirende Einleitungen vorangeschickt.
A. Die frei statuaxischen Werke.
80. Hestia*, Marmorstatue, früher im Palast Giusti-
niani, jetzt im Besitz von Torlonia, der sie im Palast Corsini
zu Rom ziemlich unsichtbar hält. Ergänzt ist der Zeigefinger
der linken Hand, die ursprünglich ein Scepter hielt, denn
man bemerkt im Innern der Hand eine durchgehende Höhlung,
ausserdem ist das Scepter das gewöhnliche Attribut der Hestia.
Von dem feierlichen Ernst der griechischen Götterbilder
m der Periode des hohen Stils vermag kein erhaltenes Werk
einen so reinen Begriff zu geben, wie diese Hestia. Es war
die Absicht des Künstlers, eine Göttin zu bilden, welche die
Heiligkeit und zugleich ünverrtickbarkeit des häuslichen Heer-
des, als des Mittelpunktes der Familiengemeinschaft repräsent irt.
* Im Saal des Barberinischeii Fauns 11. 12.
Friederichs, griech. Plastik. 7
*98 Statuarische Werke.
Mit fast herber Strenge weist diese Figur alle weibliche An-
mnth zurück. Das Gewand ist im Faltenwurf so sparsam wie-
möglich und keine leise Unordnung stört den streng symme-
trischen Lauf der Linien. Der Fuss darf nicht unter d«n
Gewände hervortreten, denn es müsste eine Brechung der
senkrechten Falten eintreten, die störend wäre ftir den Säulen-
artigen Stand, auch biegt sich die Gestalt nur unmerklich
in der rechten Htlfte, auf welcher sie ruht, so dass die
Wirkung der senkrechten Lmien nicht beeinträchtigt wird^
Nur die kleinen, krausen Falten unter dem üeberschlag des
Gewandes beleben ein wenig die Gestalt, sowie auch die
Wendung des Kopfes nothwendig war, wenn die Statue nicht
alterthümlich starr erscheinen sollte.
Das Kopftuch ist nicht bedeutungslos an der Hestia.
£s charakterisirt in der Kunst gewöhnlich matronale Gestalten^
Rhea, Hera, Demeter, im Gegensatz zu der leichtem, freiem
Erscheinung der Jungfrau. Eben diesen Zweck, 'das Würde-
volle, Emste der zwar jungfräulichen, aber doch für jung-
fräuliche Anmuth zu ernsten Hestia zu charakterisiren, scheint
es auch hier zu haben. Auch die Haare sind nicht aus der
Stirn weggestrichen, sie hängen tief herab, wie an den Köpfen
des Unterweltsgottes und verstärken den Eindrack des Ernsten»
Das Scepter in der Linken, das nahe bei der Figur stand^
um nicht den geschlossenen Charakter derselben zu beein-
trächtigen, bezeichnet allgemein die Göttin, die Geberde der
Rechten ist nicht ein leichtes, graziöses Handauflegen, das
in diesem Stil ganz ungehörig wäre, sondern ein festes An-
stemmen der Hand, das den Charakter des Sichern, Festen
verstärkt.
,pDas Gesicht ist schön, aber strenge; die Augenbrauen
und Augenlider sind schneidend scharf, die Lippen durch
einen Einschnitt umzogen und die Nase hat einen flachen
Rücken mit scharfen Kanten". Die Markirung der Lippen-
ränder durch einen Einschnitt ist an Broncen und Copien
von Broncen nicht selten, findet sich indessen auch bei Mar-
morstatuen, z. B. bei den Aegineten. Auch die etwas draht-
artigen Haare begründen nicht die Annahme einer Copie nach
broncenem Original, da man sie im alten Kunststil, dem
dieses Werk noch nahe steht, auch in Marmor drahtartig
bildete. Man möchte vielmehr glauben, dieses vortreffliche
Werk sei eine griechische Originalarbeit und habe einst zum
Cultus gedient.
Statuarische Werke. 99
Oewiss aber ist es nicht alterthümliches Unvermögen,
woraus der herbe Charakter der Statae zu erklären, sondern
der Künstler hat mit vollem Bewasstsein gearbeitet, er hat
nicht anders gewollt. Er dachte sich die Götter noch nicht
schmeichelnd mid gefällig; sondern ernst und streng nnd hat
diesen Charakter des Ernsten so gesteigert, wie es das Wesen
der Hestia ihm zu erfordern schien.
Abg. E. Braun Vorschule der Kunstmythol. Taf. 33. Müller- Wie-
»eler II, 30, 338. Vgl. Wmckelmann Vorlauf. Abhandl. zu den monnm.
ined. §. 99. Welcker A. D. V p. 1 ff. Michaelis Archaeol. Anz.
1865 p. 12.^
81. Athena Parthenos*, Marmorstatnette, in Athen,
in der Nähe der Pnyx, zn Anfang des Jahres 1859 gefunden,
ebendaselbst im Theseion befindlich.
Diese bis auf das Gesicht unvollendete Statuette erhält
dadurch einen grossen Werth, dass sie eine Copie der be-
rühmten im Jahre 437 v. Chr. vollendeten Athena Parthenös
des Phidias ist, die wir aus Beschreibungen alter Schrift-
steller genauer kennen.
Die Statue des Phidias stand aufrecht und war mit dem
Chiton bekleidet. Sie trug auf der Rechten die Nike, auf
welche auch die nach oben geöffiiete Rechte dieser Statuette
berechnet ist, und berührte mit der Linken den Schild, der
aussen mit einer Darstellung des Amazonenkampfes geschmückt
war. Eine Schlacht ist auch hier in den Umrissen deutlich
zu erkennen und die eine Gruppe, in welcher ein Krieger
seinen fliehenden Feind an den Haaren fasst, macht es aller-
dings wahrscheinlich, dass ein Amazonenkampf dargestellt sei,
fftr welchen gerade dies Motiv charakteristisch ist. Neben
dem Schild befand sich an der Statue des Phidias die
Schlange, die als ein Bild des erdgeborenen Erichthonius
angesehen wurde. Man hat mit Recht hervorgehoben, dass
ilie Position der Schlange, wie diese Statuette im Einklang
mit dem Werk des Phidias sie zeigt, ebenso plastisch an-
gemessen, wie charakteristisch für die Natur der Schlange
sei, die sich in Winkel zu verkriechen liebe. Diese Ueber-
einstimmungen scheinen hinreichend zu sein, um das Werk,
wenigstens seiner ganzen Anlage nach, als eine Copie nach
Phidias bezeichnen zu dürfen. Einiges fehlt allerdings zur
völligen Uebereinstimmung, nämlich der Speer, der zugleich
* Im Griechischen Saal 11. 272.
100 Statuarische Werke.
mit dem Schild von der linken Hand gefasst wurde, die Re-
liefs an der innem Seite des Schildes, die Verzierungen des
Helms und das Medusenhaupt auf der Brust, und die Reliefs
an der Basis, so undeutlich sie sind, können doch jedenfalls
nicht auf die Geburt der Pandora bezogen werden, welche
Phidias an der Basis seiner Statue dargestellt hatte.
Neuerdings ist in einem aus Athen stammenden, jetzt
im britischen Museum befindlichen Marmorschild eine Copie
des Schildes der Parthenos entdeckt. Es ist nur ein Frag-
ment, aber man erkennt, dass*er auch die kreisrunde, argo-
lische Form hatte, die überhaupt am Schild der Pallas ge-
wöhnlich ist. Die Reliefskizzen am Schild der Statuette
stimmen im Wesentlichen mit den Reliefs dieser Copie überein,
worin ein neuer Beweis dafür liegt, dass die Statuette nach
der Parthenos copirt ist. Es ist auf der englischen Copie
deutlich ein Amazonenkampf dargestellt und auch die Figur
des Phidias erkennbar, welcher nach dem Bericht der Alt^n
sich selbst unter den Kämpfern dargestellt hatte, einen Stein
über dem Haupte erhebend.
lieber den Charakter dieser Statue und ihres Originals
schreibt ein Berichterstatter so: „Dasjenige, was in der
Copie einer Colossalstatue, zumal in einer in kleinen ^'o-
portionen ausgeführten, vom Original beibehalten werden
kann, ist vorzugsweise die Anordnung der Figur. Und in
dieser Beziehung muss vor Allem auffallen die sehr symme-
trische Anordnung der beiden correspondirenden Hälften: der
Kopf steht gerade und streng nach vorn gerichtet (ein wenig
ist er nach rechts gewandt), zu beiden Seiten fallen die
Locken auf die Schultern, die Aegis ist in zwei gleiche
Hälften getheilt gerade mitten auf der Brust, aber besonders
zeigt sich diese Symmetrie in den Armen, die in gleichem
Winkel von den Schultern herabgehen. Die gerade Linie,
die Ruhe überwiegt im ganzen übrigen Körper und wird be-
sonders hervorgehoben durch die senkrechten Linien der Ge-
wandung. Denken wir uns diese Pallas hineingesetzt in die
Mitte des dorischen Baues des Parthenon, dessen Architektur
vom strengsten Gesetz der Symmetrie beherrscht wird, so
werden wir nicht nur einsehen, wie schön ihre symmetrische
Anordnung sich einfügt in das architektonische System, son-
dern auch behaupten dürfen, dass an einem solchen Ort eine
bewegtere Stellung, sei es auch nur ein erhobener Arm, wie
an der Pallas von Velletri, nicht mit der Architektur im
^ Statnarische Werke. IQl
Einklang stehn und die Harmonie des Ganzen stören würde,
da Phidias die Parthenos gewiss in Beziehung auf dies Ganze
entworfen hatte^ von dem sie einen Theil, ja den Mittelpunkt
bilden sollte. Aber es ist nicht genug, dass die Figur der
dorischen Architektur entsprechend gebildet ist, auch der
Ausdruck der göttlichen Erhabenheit basirt vornehmlich auf
jener Ruhe und Symmetrie der Linien, welche die Glieder
einschliessen.^^
Die Bemerkung, dass die strenge Composition der Figur
durch den Ort bedingt ist, für den sie bestimmt war, ist sehr
einleuchtend. Man würde irren, wollte man glauben, Phidias
habe nicht anders componiren können nach der Kunststufe,
die er einnahm. Die Statuen in den Giebelfeldern des Par-
thenon würden den Gegenbeweis liefern. Unter ihnen ist
aach ein Fragment der Pallas vom westlichen Giebel, ein
Stück der Brust, an welchem die Aegis viel freier angeordnet
ist, nämlich diagonal die Brust durchschneidet, während sie
hier in einer seltneren FDrm aus zwei symmetrischen Hälften
besteht. Man sieht deutlich, wie Phidias für das Innere des
Tempels den ganzen religiösen Ernst der früheren Kunst be-
wahrte, während er — anders als am Giebelfeld des ägine-
tischen Tempels — am Aeussern die Freiheit der Compo-
sition benutzte, welche das Giebelfeld gewährt oder fordert.
In der altern und oft auch in der spätem Kunst trägt
Pallas ein doppeltes Gewand. Phidias hatte die Parthenos
zn bilden und stellte sie darum so schlicht und mädchenhaft
vor, wie man auch zu seiner Zeit die gleichfalls jungfräuliche
Artemis zu bilden anfing. Und zwar ist es das dorische,
ärmellose Gewand, das die Pallas hier und in vielen andern
Darstellungen trägt, das auch bei Artemis gewöhnlich und für
jimgfräuliche Gestalten unläugbar das schönste ist.
Erwägt man übrigens die Einfachheit und Strenge der
(.'«nuposition, so leuchtet ein, dass sie auf ehie Ausführung
in grossem Maassstabe berechnet ist.
Abg. Aiiiiali doli' inst. 1861 tav. 0. P. p. 334, aus wckliem Auf-
^alz (von Con»e) die im Text angeführte Stelle entnommen ist. Vgl.
ilefeselbeii Verf. Schrift „Die Athenastatue des Phidias im Parthenon und
ilie neuesten auf sie bezüglichen Entdeckungen", wo auch der im Text
i-ivialinte Scliild abgebildet und die frühere Literatur angegeben ist.
82. Pallas*, Marmorstatue, früher in der französischen
Im Niobidensaal n. 78.
1Q2 Statuarische Werke.)
Akademie (Villa Medici) in Rom^ seit mehreren Decennien
in Paris in der £cole des beaux arts. Von den metallnen
Schlangen ; welche die Aegis umsäumten ^ sind nur noch die
Löcher zurückgeblieben.
Eine ganz übereinstimmende Wiederholung dieser Figur,
vermittelst deren dieselbe ergänzt werden könnte, scheint
nicht zu existiren, der linke Unterarm ging, wie man aus
dem Faltenwurf abnehmen kann, in die Höhe und hielt ver-
muthlich die Lanze. Jedenfalls war die Göttin in duTchaus
ruhiger Stellung, sie eignet sich ihrem ganzen ernsten Cha-
rakter nach vortrefflich für eine Tempelstatue.
Unter allen erhaltenen Statuen der Pallas steht diese
der Parthenos des Phidias, die wir eben betrachtet haben,
am nächsten. Nur ist freilich die grosse Einfachheit der
letzteren doch schon durch manche Zuthaten und Aende-
rungen modificirt. Das Gewand, das in ähnlichen ernsten
und feierlichen Falten herabfliesst, bricht sich doch über
dem vortretenden Fuss in reichere Falten, das rechte Bein
tritt aus dem Obergewand heraus und bringt das ganz ver-
schiedene Untergewand zum Vorschein, endlich ist über die
linke Schulter eine Chlamys geworfen , Alles nur zu dem
Zweck, die grosse Einfachheit des Vorbildes reicher zu
beleben. Indessen bleibt doch der Eindruck des Würdevollen
und Erhabenen vorwiegend.
Auch die Ausführung ist vortrefflich, die Falten über
dem Gürtel fallen besonders leicht und schön. Trotzdem
muss die Figur, wenn sie wirklich, wie versichert wird, aus
carrarischem Marmor gearbeitet ist, der römischen Zeit zu-
geschrieben und als eine, wenn auch freie Gopie betrachtet
werden.
Abg. Monuiu. d. iiist. III tav. 13. Clarac musee pl. 474 A. Vgl.
Meyer zu Winckelmann V, 463 ff. (Eiselein), Annaii 1841 p. 87. bullet.
1861 p. 36.
83 — 85. Kleine Pallastorsen*, aus Marmor, sämmt-
lich in Athen befindlich, der zweite ist im Jahre 1835 auf
der Akropolis gefunden, auch die beiden andern sind in Athen
zum Vorschein gekommen.
Diese drei Torsen sind einander so ähnlich, dass wir
sie zusanmien aufführen durften, sie schliessen sich alle im
Wesentlichen an die Parthenos des Phidias als an ihr Vor-
* Im (griechischen Saal n. 46. 47. 48.
Statuarische Werke. IQS
bild ao; nur dass sie von weicherem Stil sind und in der
Haltung der Arme abweichen. Am nächsten kommt in dieser
Beziehnng die erste^ die in der Rechten eine Nike oder Schaale
gehalten ; mit der Linken den Schild berührt haben könnte^
während die zweite in der erhobenen Rechten die Lanze
hielte die anch wohl für die dritte vorauszusetzen. Merklich
anders aber ist die Aegis gestaltet^ die an der ersten und
dritten fast wie ein Halsband umgebunden ist^ während
sie an der zweiten ebenfalls als ein schmales Band quer
über die Brust läuft. Hier sind die Schlangen in Marmor
dargestellt; dort waren sie von Bronce angesetzt. Die zweite
trägt ausserdem ein feines Halsband, im Einklang mit dem
an der Form der Aegis bemerkbaren Bestreben, den ernsten
Typus des Phidias leichter und spielender zu behandeln, denn
die Aegis dieser Figuren ist zu einem praktischen Zweck, zu
einem panzerartigen Schutz, wie Phidias im Einklang mit
der früheren Kunst sie darstellte, nicht mehr geeignet. Am
schönsten von den dreien ist der dritte Torso, von welchem
am wenigsten erhalten ist. '
Vgl. die Beschreibung von Schoeli Archaeol. Mittii. p. 51. 52
ü. 21. 23. 24, der auch Abbildiiugeu der beiden letzten giebt auf Taf.
1 n. 2 u. 3. Den Fundort der zweiten giebt Ross an, Archaeol. Auf».
1, i>. 85, zu dessen von 0. Jahn Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1855
p. 60 Anm. 120 imterstützter Wmiuthung, dass in dieser Figin* eine
Arrhephore dargestellt sei, ich keine Vemnlassnng sehe,, weil der ganze
Habitus derselben der Pallas entspricht.
•
86. Pallas*, Marmorstatue der Villa Albani. Ergänzt
sind der rechte Arm, soweit er nackt ist, der halbe linke
und die vorderen Theile der Füsse. Der Ergänzer hat an-
genonmien, dass die Figur in der Hechten eine Lanze hielt,
und für die Linke würde etwa eine Schaale vorauszusetzen
sein. Es ist auflfallend, dass die übereinstimmenden Statuen
gerade umgekehrt die Lanze in der Linken und die Schaale
in der Rechten hielten, doch kann die Bewegung der Arme
keine andere gewesen sein.
Dies Bild schildert uns die Göttin nicht als ernst sin-
nende Jungfrau, wie sie etwa in der Giustinianischen Statue**
aofgefasst ist, sondern als die Göttin der kriegerischen That.
Während jene in der Stellung stiller Sammlung dasteht, ent-
fernen sich hier die Arme energischer vom Körper und der
* Im römischen Saal u. 5.
** In demselben Saal u. 6.
104 Siatuarischt^ Worke.
Kopf macht eine entschiedenere Wendung. Auch das Löwen-
fell, das die Göttin statt des Helmes über den Kopf gezogen
hat, verstärkt diesen Eindruck. Wie homerische Helden, z. B.
Agamemnon, ein Löwenfell umwerfen, um das Kriegerische
ihrer Gestalt zu heben, wie wir in der Kunst die Amazonen
und Artemis mit einem Fell umgtlrtet sehen, so dient es auch
hier dazu, die Göttin kriegerischer erscheinen zu lassen.
Dies ist die Statue, die für die Kunstanschauung Winckel-
mann's, der sie täglich unter Augen hatte, so wichtig ist,
wie kaum eine zweite. Denn aus ihr vornehmlich abstrahirte
er das, was er über den hohen Stil und seine Grazie, „die
dem Pöbel störrisch und unfreundlich scheint^^, schreibt. Und
in der That hatte Winckelmann Recht, sie als ein Werk aus
der Zeit des Phidias anzusehen, wie sich aus der Betrachtung
der Einzelheiten ergeben wird.
Die Statue ist im geraden Gegensatz zu späterer Schlank-
heit kurz und untersetzt, die Falten des Gewandes sind
straff und scharfkantig, ja selbst das Motiv der Gewan-
dung, indem das Obergewand nicht frei umgeworfen, sondern
auf einer Schulter befestigt ist und die andere frei lässt, er-
innert sehr an so viele alterthümliche Statuen. Auch der
Kopf mit seinem spröden, herben Ausdruck hat unter den
alterthümlichen Göttertypen seine Analogien und das Profil
Hähert sich noch demjenigen des alterthümlichen Stils, in
welchem Nase und Stirn mit einander einen Winkel bilden,
der im vollendeten Stil fast ganz verschwindet.
Die Arbeit ist sehr vorzüglich, doch wagen wir nicht
zu behaupten, dass die Statue ein Originalwerk sei.
Abg. Clarac musee de sculpt. pl. 472. E. Brauu, Tages, des Her-.
kules und der Minerva heilige Hochzeit 1839 Taf. 5. Vgl. Winckelmann
Kimstgesch. Buch 8, Kap. 2 §. 4. E. Braun Ruinen und Museen
p. 648 (dessen Deutung des Löwenfells ich aber nach dem Text nicht
theilen kann). Schöne im Archaeol. Anz. 1866 p. 229 hält diese Figur
wegen ihrer Aehnlichkeit mit der dem Polyklet zugeschriebenen Neapler
Hera für polykletisch, ich bin nicht sicher, ob die allerdings unläugbare
Aehnlichkeit (die sich übrigens nicht auf das Profil erstreckt) nicht ebenso
gut aus der Gleichheit der Entstehungszeit abzuleiten sei. Auch die
Köpfe der epbesischen Amazonenstatuen sind sich ähnUch, ohne dem-
selben Meister anzugehören. Das Profil der Statue kann jedenfalls nicht
polykletisch genannt werden, es ist eben viel älter als Polyklet, wie
schon die altattischen Vasen lehren, auf welchen man die Entwicklung
des Profils auf das Anschaulichste verfolgen kann.
■ Statuarische Werke. 1Q5
87. Pallas*, im September 1797 in der Nähe von
VeUetri und zwar in den Ruinen eines Landhauses gefunden
und nach Frankreich verkauft, wo sie sich noch jetzt im
Louvre befindet. Nur einige Finger sind ergänzt. Bei der
Ausgrabung entdeckte man am Auge, an den Lippen und
an der Umgebung dieser Theile Spuren violetter Farbe, wo-
rüber noch kein befriedigender Aufschluss gegeben ist.
Grewiss hielt die Göttin in der Rechten den Speer, in
der Linken eine Schaale, oder vielmehr, da der linke Ober-
arm sich zur Stütze an den Körper anlehnt, die Nike; eine
Schaale würde freier gehalten werden. Beide Attribute waren
natürlich von Bronce. Die Neigung des Kopfes drückt nicht
ein Versunkensein in Gedanken aus, sondern ist — bei einer
Colossalstatue doppelt erklärlich — eine freundliche Herab-
neigung zu dem andächtig Nahenden. Vermuthlich war das
Original dieser Statue ein Cultbild.
Die Figur ist nur eine etwas harte und trockene römi-
sche Copie. Jede Falte des Gewandes zeigt es, man beachte
nur, wie die Falten des üntergewandes starr auf den Fuss
herabhängen. Aber ein griechisches Original und zwar aus
der Zeit des hohen Stils, liegt dieser Statue, die oft wieder-
holt ist, jedenfalls zu Grunde, denn der Kopf ist von sehr
alterthümlichem Charakter und entspricht in seinem scharfen
Schnitt den Amazonenstatueu aus der Zeit des Phidias.
Der Typus des Kopfes, den eine in München befindliche
Wiederholung am besten wiedergiebt, ist vielleicht der schönste
unter allen Pallastypen. Er näheit sich in seiner länglichen
Form dem männlichen Kopf und hat wenig Fülle in den
Backen. Ganz anders das vollere, runde Gesicht der kleinen
Copie der Parthenos des Phidias, das wir, wenn der Copie
in diesem Punkt Autorität zukommt, für den Charakter der
Pallas nicht so angemessen finden würden.
Abg. bei Millin Monnni. iiied. II, pl. 23 p. 189. Clarac musec de
s^iilpi. 320. Müller-Wiesftler II, 19, 204. Vgl. Visconti Opere varie
IV', 240. Meyer z. Wiuckelmaiin IV, p. 388 (Eiselein). Kugler Ueber
die Polychromie p. 63. Feuerbach Vatican. Apollo p. 22. Dass der ko-
rinthische Helm den nicht attischen Ursprung der Statue anzeige, scheint
mir nicht so gewiss wie 0. Müller Handb. §. 369, 4 annimmt.
88. Pallas**, Marmorstatue, mit der Chigf sehen Samm-
lung ins Museum zu Dresden gekommen. Ergänzt sind der
* Im Treppenhaus n. 191.
** Im Römischen Saal n. 2.
106 Statuarische Werke. •
HalS; die halbe Brust; ein Stück der Aegis und der obere
Theil der Sphinx auf dem Helm.
Yon den Armen ist wenigstens so viel eirhalten, um ihre
Bichtung erkennen zu lassen, die linke Hand hielt den Speer,
die rechte eine Victoria oder eine Schaale.
Offenbar liegt eine Statue des hohen StiLs dieser Figur zu
Orunde, die ganze Composition ist sehr streng und einfai^h, der
£opf sitzt gerade auf den Schultern und ist ohne alle Be-
ziehung auf den Betrachtenden, im Gewände dominiren die senk-
rechten Linien und nur die diagonal gelegte Aegis bringt einige
Abwechselung in die Figur. Aber ein griechisches Original-
werk ist diese Pallas darum nicht und schon die Starrheit
der Gewandung verräth die römische Copie. Auch bezweifeln
wir, ob die fast männliche Schmalheit der Hüften, die an spätem
Darstellungen der Pallas allerdings nicht selten ist, bereits im
hohen Stil üblich war. Die Figur ist der Karyatide des Kriton
und Nikolaos in Villa Albani''' sowohl im ganzen Arrangement, als
in den einzelnen Falten der Gewandung überraschend ähnlicL
Der Kopf ist abgebildet im Aug^teum Taf. 15. Vgl. Hettiier, d.
Biidw. d. Königl. Autikensammlg zu Dresden u. 194 und n. 191.
Schom in der Amalthea II, 206 ff.
89. Hera**, Marmorkopf, früher im Palast Famese in
Kom, seit 1790 in Neapel im mus. borbon. Ergänzt ist die
Nasenspitze und Einiges an der Büste, die Büstenform ist
aber ursprünglich.
In dem Charakter der Hera, wie ihn Homer schildert,
ist besonders bemerkenswerth eine gewisse unbändige Leiden-
schaft. Die Scenen, in denen Zeus seine den Trojanern gün-
stigen Pläne der Götterversammlung mittheilt, zeigen es deut-
lich. Pallas, die Troja ja ebenso hasste, wie Hera, bleibt
doch still und bemeistert ihren Zorn, Hera aber kann sich
nicht fassen, sondern bricht mit ihrem Unwillen hervor. Wenn
nun auch in der bildenden Kunst die Gestalt der Hera viel
mehr geadelt erscheint, als bei Homer, so musste ihr doch
die Eigenschaft des Unbeugsamen bleiben. Der Farnesische
Kopf zeigt sie in vollster Schärfe, ungemildert durch weib-
liche Eigenschaften, durch Anmuth und Weichheit, er ist
ein schönes Beispiel für den hohen Stil der Kunst, als man
die Götter ohne freundliche Hinneigung in ernster abge-
schlossener Göttlichkeit bildete.
* Ein Abguss derselben im Niobidensaal.
** Im Niobidensaal n. 74.
Statuaiische Werke. 107
Eine Yergleichong mit der Ludovisischen JanO; in der das
Herbe des älteren Stils völlig abgestreift ist, wird dies deut-
lich machen.
Der Neapler Kopf steht senkrecht auf den Schultern,
der Ludovisische neigt sich leise nach der linken Seite, jener
ist so schlicht und schmucklos wie möglich, und das Abzeichen
der Götterkönigin, die Stimkrone, ist in strengster Einfachheit
gehalten, hier dagegen umgiebt ein zierlicher Perlenkranz
das Haar und darüber erhebt sich eine mit aufspriessenden
Blflthen geschmückte Stimkrone, die zugleich, indem sie
nach der Mitte zu anwachsend die Höhenrichtung betont, den
erhabenen Eindruck des Kopfes steigert. Und während jene
auf alle reichere Fülle herb verzichtet, fallen hier, im Ein-
klang mit der voll schwellenden Schönheit des Kopfes, lange
Locken am Halse herab. Das Haar an jener ist straffer
gezogen und erinnert noch an die drahtartige Manier des
alten Stils, linder und flüssiger ist das Haar der andern.
Die Stirn wölbt sich an beiden in ihrer unteren Hälfte vor,
zum Ausdruck der Willensenergie, aber an jener so stark, dass
die reine Glätte derselben durch eine Einbiegung unterbrochen
wird. Die Augen dehnen sich an jener mehr in die Breite,
als in die Höhe, und lang und scharf, mehr noch, als im
alten Stil üblich ist, springen die Augenlider vor, an der
Ludovisischen dagegen wölbt sich höher das gross aufgeschla-
gene Augenlid und der Augapfel tritt nach oben zu in schräger
Profillinie hervor. Scharf geschnitten und mit geringer Fülle
nach Art des alten Stils sind die Wangen an jener, hier
von blühender Fülle und Rundung, und was jener besonders
den Ausdruck des Herben und Unbeugsamen verleiht, das
starke Vortreten des Kinns erscheint hier sehr gemildert.
Es ist die Meinung ausgesprochen, dass der Neapler
Kopf uns die berühmte Juno des Polyklet vergegenwärtige.
Wir wissen nichts Näheres über sie und nur dies kann man
nach Vergleichung anderer, der Zeit des Polyklet angehören-
der Werke, insbesondere der Amazonenstatuen, behaupten,
dass er nach dem Grade der Strenge dem Stil des Polyklet
entspricht. Er gehört in eine Zeit, als die alterthümlichen
Reminiscenzen — auch die Ohren stehen noch zu hoch —
noch nicht völlig abgestreift waren, d. h. in die Mitte des
fünften Jahrhunderts.
Die Präcision des Stils und der Arbeit wird durch eine
Vergleichung der abgeschwächten Copien im Vatikan und im
108 Statnaris»;hp Werk^.
Berliner Museum sehr anschaulich. Indessen muss der Neapler
Kopf selbst schon als Copie betrachtet werden, zumal wenn
er in dem oben erwähnten Verhältniss zu Polyklet stehen
sollte, dessen Statue von Gold und Elfenbein war. Aber
auch abgesehen davon, liegt schon in der Büstenform ein
Grund, ihn als Copie zu betrachten, denn schwerlich war in
der Zeit, als dieser Typus entstand, schon Veranlassung, blosse
Büsten von Göttern zu bilden.
Der neapolitanische Kopt* Ist am besten abgebildet in Monum. d.
insst. VIII tav. 1. Das Verdienst ihn zu Ehren gebracht und ihm seine
kunsthistorische Stelle angewiesen zu haben, gebührt Bnum bullet. 184S
p. 122 ff. Annali 1864 p. 297 ff. Nur kaim ich die an der ersten
Stelle versuchte Ableitung der Formen des Kopfes aus dem homerischen
Epitheton der Hera ßowTiig zunächst im Allgemeinen nicht für richtig^
halten, weil ja in der Entstehung eines Kunstwerks wie bei allem Or-
ganischen nicht der ThQil das Erste ist, sondern das Ganze, sodann aber
zweifle ich sehr ob Homer mit scnnem Epitheton das meint, was B. an-
nimmt, denn Homer giebt ja dies Epitheton nicht allein der Hera, son-
dern auch sterblichen Frauen sogar untergeordneter Art, er bezeichnet
also damit nur eine allgemein menschliche Eigenschaft. Endlich ist
doch die Ludovisische Juno nicht bloss der Zeit nach abweichend von
iivr Farnesischen, gerade das Auge ist ganz verschieden und ungleich
scJiöner und ausdrucksvoller an der Lndovisischeii Juno gebildet, wie
im Text ]iervorge]n)ben ist.
90. Apollo*, Marmorstatue im Museum zu Mantua.
Willkürlich ergänzt (und zwar nm* am Abguss) ist die Fackel
in der Rechten, doch geht aus zwei, an der Hüfte und ober-
halb des Kniees erhaltenen Stützen — die erste ist an diesem
Abguss weggenommen — hervor, dass sich auch an dieser
Seite ein Attribut befand, vermuthlich ein Dreifuss als Gegen-
gewicht zu dem Lorbeerbaum der andern Seite. Ein Rest
de^ Köchers scheint hinter der rechten Ferse auf einer
kleinen Erhöhung sich erhalten zu haben und ist vermuth-
lich die Veranlassung zur Ergänzung der Fackel geworden..
Am rechten Arm beginnt die Ergänzung oberhalb des Ell-
bogens, am Baum ist das Mittelstück, vom Kopf der Schlange
an bis fast zu dem Vogel hin, neu. In diesem Vogel, einem
seltenen Attribut des Apollo, muss wohl der Habicht (x/gxog),.
„der schnelle Bote des Apollo^', erkannt werden. Er ist frei-
lich etwas winzig ausgefallen, doch kann dies Absicht sein,,
wie auch der Panther des Dionysos oft so unnatürlich klein
* Im Römischen Saal n. 76.
Statuarische Werke. 109
erscheint, um nicht die Wirkung der Hauptfigur zu beein-
trächtigen.
Da die Figur in mehreren hinsichtlich der Attribute
nicht ganz tibereinstimmenden Exemplaren erhalten ist, so
fragt sich zunächst, in welchem derselben die ursprtingliche
Anordnung bewahrt ist. Den gegründetsten Anspruch darauf
hat das in Pompeji gefundene, in Bronce ausgeführte Exem-
plar, in welchem der Gott viel einfacher erscheint, nur mit
der Kithar in der Linken, mit dem Plektum in der herab-
hängenden Rechten. Denn wie die Haltung des Kopfes zeigt,
ist der Gott in sich versunken, an eine Stimmung hingegeben,
und hierfür würde das Attribut der Kithar, deren Klängen er
sein Haupt zuneigt, die treffendste Motivirung geben, während
die Attribute der Mantuanischen Statue nur gleichgültig und
ohne Zusammenhang mit der Stimmung des Gottes dastehen.
Letztere ist also eine etwas freiere Copie und war wahr-
scheinlich, wie man aus der Fülle der Symbole, von denen
die Figur umgeben ist, geschlossen hat, für den Cultus be-
stimmt. Der strenge, ernste Charakter der Statue würde
diesem Zweck durchaus entsprechen. Ein Theil der Symbole
war freilich schon aus technischen Gründen, nämlich zur
Stütze nothwondig, deren das Originalwerk, welches wie das
pompejanische Exemplar gewiss von Erz war, nicht bedurfte.
Die drahtartige Behandlung des Haares an der Mantuanischen
Statue ist aucli ein Beweis für die Nachahmung einer Erzstatue.
Die Originalcomposition gehört gewiss der Mitte des
fünften Jahrhunderts an, denn auf den Zusammenhang mit
dem alterthümlichen Stil deuten die zu hoch gestellten Ohren,
die flachen Wangen, die breiten, eckigen Schultern, die schma-
len Hüften und die ganze Auffassung. Es ist noch nicht der
schwärmerisch bewegte Typus des musicirenden Apollo, der •
mit Scopas Eingang in die Kunst fand, sondern eine gött-
lichere, ernstere, strengere Auff^sung, noch nicht die gra-
ziösere Stellung, die weicheren, rundlicheren Formen, in denen
das \ierte Jahrhundert sich den Apollo dachte, sondern fast
herbe und hart, mehr zurückweisend als anlockend tritt uns
der Gott entgegen.
Die Mantuanische Copie scheint erst in römischer Zeit
verfertigt zu sein, denn die Aushöhlung des Augensterns
war, wie es scheint, den griechischen Marmorarbeitem, die
ihn durch Farbe* bezeichneten oder auch aus besonderer Masse
110 Statuarische Werke.
einsetzten^ unbekannt Doch muss sie zu den besseren Co-
pien gerechnet werden.
Abg. Museo di Mantova I, 5. 6. Vgl. Brunn im Archaeol. Anz.
1857 p. 35 und Kekule Annali 1865 p. 67, der für diese und die pom-
pejanische Statue nur eine Benutzung einzelner Züge der alterthümlichen
Kunst statuirt und sie unter Brunns Vorgang auf Pasiteles zurückzu-
jführen sucht, was für mich nach dem im Text Bemerkten nicht über-
zeugend ist.
91. Wettläuferin*; Marmorstatue im Vatikan, aus dem
Besitz der Barberini von Clemens XIV. angekauft. Ergänzt
sind die Arme von der Mitte des Oberarms an, ihre Haltung
namentlich die der Hände war, wie sich weiter unten ergeben
wird; ursprünglich wohl etwas anders ; es scheint , dass der
Restaurator sich die Figur wie über irgend einen Anblick
staunend gedacht hat, wofür kein Grund einzusehn ist.
In Olympia fanden zu Ehren der Hera Wettläufe von
Jungfrauen statt. Die Mädchen trugen dabei ein wenig über
die Knie herabreichendes Kleid, das Haar hing gelöst herab^
die rechte Schulter bis zur Brust war entblösst. Die Siege-
rinnen erhielten einen Olivenkranz und ein Stück von dem
der Hera geopferten Rinde, es stand ihnen auch frei, wie
den Siegern, ihren Sieg durch eine mit Inschrift versehene
Statue zu verewigen.
In dieser Nachricht hat man mit Recht die Erklärung
unsrer Figur gefunden, denn wenn auch die Tracht derselben
nicht ganz mit dem Wortlaut jener Notiz übereinstimmt, so
sind doch die Abweichungen so gering, dass sie nur als leichte
künstlerische Freiheiten betrachtet werden dürfen. Der
Künstler hat durch das gekürzte Gewand die Wettläuferin,
die in ihrer Bewegung möglichst ungehindert sein muss, noch
treffender charakterisirt. Dasselbe ist nach der spartanischen,
etwas unweiblichen Sitte, die bei jenen olympischen Wett-
läufen vielleicht maassgebend war, nur an einer Seite ge-
schlossen und eng anliegend, um den schnellen Lauf zu er-
leichtem. Durch den breiten Gürtel wird es noch enger an-
geschlossen. Und wie das Gewand, so ist auch die Gestalt
des Mädchens dem Wettlauf entsprechend gebildet, ohne weib-
liche Fülle und Ueppigkeit, kräftig in Schulter und Brust-
kasten, schmal in der Hüfte, schlank und graziös und dabei
echt jungfräulich.
Im Niobidensaal n. 110.
Statuarische Werke. Hl
Das Mädchen ist im Moment des Ablaufs dargestellt»
Schon neigt sich der Körper vorn über, und der rechte Fuss,
der auf einer kleinen Erhöhong steht, die wohl das Mal des
Ablaufs bezeichnen soll, ist bereits gehoben. Die Arme hin-
gen gestreckt herab, eine in der Spannnng der Erwartung
natürliche Bewegung; der gesenkte Kopf giebt den Eindruck
des Gesammelten, auf die Sache Gerichteten, oder auch des
Züchtigen, Jungfräulichen.
Das an dem nebenstehenden Stamm angebrachte Sieges-
s\7nbol, der Palmzweig, bezeichnet das Mädchen als Siegerin
im Wettstreit, die Statue war demnach zur Verewigung eines
Sieges gearbeitet und wahrscheinlich der Sitte gemäss am
Orte des Sieges, Olympia, möglichenfalls auch in der Heimat
der Siegerin aufgestellt. Man hat sich die Mehrzahl der
Siegerstatuen Olympia's ähnlich zu denken, wie diese Figur,
nicht situationslos, bloss figurirend, sondern in einer für die
Gattong des siegreichen Kampfes charakteristischen Stellung.
Doch ist diese. Figur schwerlich ein Originalwerk, denn die
Siegerstatuen, die im Freien aufgestellt wurden, waren der
Regel nach von Bronce. In diesem Fall ist für das Original
wohl der zur Stütze dienende Stamm hinwegzudenken, wodurch
die Figur auch an Leichtigkeit gewinnt.
Der Stil dieser liebenswürdigen, acht griechischen Figur
weist auf die Mitte des fünften Jahrhunderts, als der alter-
thümliche Stil noch nicht ganz überwunden war. Im Einzel-
nen heben wir die noch zu hoch stehenden Ohren, die Bil-
dung der Augen und der untern Gesichtspartie hervor und
die für den alten Stil charakteristische Linie, die das Gewand
nach hinten bildet. Auch ist im Ganzen noch etwas von den
knappen und scharfen Umrissen und von der liebenswürdigen
Befangenheit des alten Stils fühlbar.
Schwerlich rührt die Figur aus einer attischen Werkstatt
her. Sie ist zu verschieden von dem Charakter der attischen
Werke, auch scheint die Verfertigung der olympischen Sieger-
statnen ganz überwiegend den Kunstschulen des Peloponnes
zugefallen zu sein.
Abg. und erklärt von Visconti Pioclem. III tav. 27. Vgl. Braun
Kiiiut'n und Museen Roms p. 503. Kekule (Annali 1865, p. 66) be-
irarhiet die Figur als ein nur unter dem Einfluss des alten Stils ste-
hfudo Werk aus der Schule des Pasiteles; für mich ist sie eine ein-
farhr Copie und ich gestehe, dass ich kaum ein Werk kenne, das so
*»lir dsa> bestimmteste Gepräge der liebenswürdigen alterthümlich grie-
«hiixhen Naivetät trägt, wie dieses. Die dort verglichene Figur des
112 Statuarische W»Tke.
hiesigen Museums hat iibrig^eiis nichts damit zu thun, es ist ein ^aiiz
andrer Typus.
92. Orestes*, Marmorfigur in Villa Albani, im J. 1789
gefunden. Ergänzt sind der Hinterkopf, der rechte Arm, der
linke Vorderarm und die Zehen beider Füsse, die Ergänzung
ist aber, nach einer besser erhaltenen Wiederholung zu
schliessen, richtig, nur dass der rechte Arm ganz unthätig,
ohne etwas zu halten, herabhing.
Es sind zwei Gruppen vorhanden, in denen dieselbe Fi-
gur, das eine Mal mit Elektra, das andre Mal mit Pylades
gruppirt, sich wiederholt, und da sie nun als Einzelfigur we-
gen des Gestus der Linken, dej sie als redend bezeichnet,
nicht recht verständlich ist, man müsste denn annehmen wollen,
sie habe einen Monolog gehalten, so ist wahrscheinlich, dass
die Gruppe das Frühere ist, aus welcher dann die eine Figur
herausgenommen und copirt wurde. Freilich ist in jenen
Gruppen, die beide späterer Zeit angehören, nicht das Origi-
nal dieser Figur, das wir nur im alterthümlichen Stil suchen
können, enthalten, es wäre möglich, dass die Figur ursprüng-
lich ganz anders gruppirt war und eine ganz andere Bedeu-
tung hatte, uns bleibt aber nichts Anderes übrig, als einstweilen
an der Erklärung auf Orest, die dem Habitus der Figur voll-
kommen entspricht, festzuhalten. Und zwar ist Orest in dem
Augenblick dargestellt, wo er einem Theilnehmer den Plan
zur Rache des Vaters mittheilt, also in ernster, fast trauernder
Stimmung, wie es natürlich ist.
Das Original dieser Figur haben wir, wie gesagt, im
alterthümlichen Stil zu suchen. Die ganze Stellung, die
eckigen Schultern, die stark vorgewölbte Brust, der hohle
Rücken, namentlich aber der Kopf weisen deutlich darauf
hin. Der Künstler Stephanos, der sich am Baumstamm ein-
geschrieben, ist daher nur als Copist eines älteren griechi-
schen Werks zu betrachten. Er nennt sich in der Inschrift
Schüler des Pasiteles, der zur Zeit des Pompejus in Rom
thätig war.
Abg. Ann. d. hist. 1865 tav. D. mit der Erklärung von Kekule
p. 58 ff. Vgl. 0. Jahn ßer. d. suclis. Gesellsch. d. Wiss. 1861 p. 100 ff.
Brunn Gesch. d. griech. Künstl. I i). 596 ff.
Die Meinungen über diese Statue sind nicht mit einander in Ueber-
einstimmung. j^Jahn betrachtet dit* herkulanische Marmorgnippe, Orest
Ist noch nicht aufgestellt.
Statuai'ische Werke. 113
und Elektra darsteUend, als ein Werk aus der Zeit unmittelbar vor
Phidias und demnach als das Original, aus dem diese Einzelfigur heraus-
genonmien sei. Kekulö bestreitet unter dem Vorgang von Stephani
wegen der (jewandung der Elektra diesen frühen Ausatz, worin ich ihm
durchaus beistimmen muss. Andrerseits halte ich mit Jahn daran fest,
dass die Figur des Stephanos eine Copie nach einem altgriechischen
Werk sei und der Hauptgrund Brunn's, welcher dem Künstler eine ge-
wisse Selbstständigkeit, wenn auch nur die eines Eklektikers, vindiciren
wollte, scheint mir durch die von Jahn mitgetheilten Messungen Conze's
widerlegt. Vgl. auch Conze im Archaeol. Anz. 1864 p. 222.
93. Amazone*, früher in Villa Mattei, seit Clemens XIV.
im Vatikan. Ergänzt sind das rechte Bein mit Ausnahme
des Passes, die beiden Arme, Nase, Kinn und Unterlippe.
Der Kopf war abgebrochen. Am Gewände will man früher
%Niren von Farben entdeckt haben. Die Inschrift auf der
Basis „Translata de schola medicorum^^ ist alt, wir wissen aber
nichts Näheres über diese schola medicorum.
Das Motiv der Figur ist Gegenstand vieler Debatten ge-
wesen. Eine mehrfach gebilligte Ansicht ist diese, dass die
Amazone mit der Rechten im Begriff sei, den Bogen, den sie
über die Schulter gehängt zu tragen pflege, abzunehmen und
za den übrigen auf der Basis liegenden Waffen zu legen,
sie sei nämlich, worauf auch der trübe Ausdruck ihres Ge-
sichts deute, als besiegt und sich unterwerfend gedacht. Allein
wir vermissen die Begründung dafür, dass der Bogen in der
vorausgesetzten Weise getragen wäre, er wurde vielmehr nach
orientalischer, auch für die Amazonen geltender Sitte unter
dem seitwärts hängenden Köcher getragen. Und dass auch
diese Amazone ihn in derselben Weise getragen, geht aus
dem gleich zu erwähnenden, genau übereinstimmenden Torso
von Trier hervor, an welchem sich noch an der bezeichneten
Stelle Reste des Bogens finden. Wäre der Köcher der Mat-
tei'schen Amazone von moderner Restauration unberührt, so
wären unzweifelhaft auch an ihm Fragmente des Bogens zu-
rückgeblieben, denn man bemerkt daran die Riemen, mit de-
nen der Bogen unter den Köcher gebunden wurde, die also
die Existenz desselben voraussetzen. Zudem ist die unter
dem Köcher hinlaufende Stange etwas ganz Singuläres an an-
tikeh Köchern und offenbar nur durch Abmeisselung der
Fragmente des Bogens entstanden.
Nach einer andern Meinung war die Amazone ohne alle
Handlung und die rechte Hand lag ausruhend über dem Kopf.
* Im Saale des Barberhiischcii Fauns n, (5.
Friederichs, griech. Plastik. 8
114 Statuarische Werke.
Allein abgesehn davon; dass sich auf dem Kopf wohl Sporen
erhalten haben müssten, so ist die Stellung der Figor, na-
mentlich die des linken Beins dieser Annahme entgegen. Das
Bein springt zu weit vor^ als dass es im Zustande eines
leichten und natürlichen Kuhens sein könnte^ und die Figur
würde eine nichts weniger als behagliche Stellung erhalten.
Wir denken uns nach Anleitung einer ganz übereinstim-
menden Gemme, deren Aechtheit mit Unrecht in Zweifel ge-
zogen ist, dass die Figur mit der über den Kopf erhobenen
Kechten und mit der nach unten gerichteten Linken einen
Speer fasste, der natürlich von Bronce hinzugefügt war. Sie
stützte sich auf den Speer wie eine Ermattete, und gerade
einer solchen Annahme scheint die Stellung, die einer Stütze
bedarf, zu entsprechen.
Es giebt mindestens drei oft wiederholte Amazonentypen,
die ihrem Stil nach auf ein Vorbild aus der Zeit des Phidias
schliessen lassen, zugleich aber im Motiv, indem sie alle eine,
sei es durch eine Wunde oder durch andre Umstände, ge-
beugte Amazone darstellen) in der Grösse, in der Tracht,
ja in der Haltung der Arme, indem bei allen der rechte
Arm ganz ähnlich gehoben, der linke gesenkt ist, so sehr über-
einstimmen, dass eine äussere Veranlassung zur Erklärung
dieser Uebereinstimmnng angenommen werden muss. Diese
Veranlassung glaubt man mit Recht in einem von Plinius be-
richteten Wettkampf mehrerer Künstler aus der Zeit des
Phidias zu finden, die alle eine Amazonenstatue gemacht hätten,
unter denen die des Polyklet als die erste, die des Phidias
als die zweite anerkannt worden sei. Die Statuen dieser
Künstler hätten sich in Ephesus im Tempel der Diana befunden.
Die Uebereinstimmnng der drei erwähnten Typen wird
also durch die den Künstlern vorgeschriebenen Bedingungen
zu erklären sein, und in der That existirte eine Sage, durch,
welche die Ephesier veranlasst sein konnten, für die zum
Schmuck ihres berühmten Heiligthums bestimmten Amazonen
ein Motiv vorzuschreiben, das dem der genannten Statuen ent-
sprach. Die Amazonen, heisst es, seien von Dionysos gedrängt
als Schutzflehende zum ephesischen Heiligthum gekommen.
Unter diesen Werken werden nur zwei etwas genauer
charakterisirt, eine nämlich war mit einer Wunde dargestellt^
eine andre, die des Phidias, stützte sich auf den Speer.
Wir werden das Motiv der letzteren theils nach den Wortea
des Berichterstatters, theils wegen der Uebereinstimmnng mit
Statiiaiische Werke. 115
^en übrigen so zu denken haben; dass sie als eine ermattete
oder irgend wie gebengte Amazone sich an den Speer als
an eine ihr nothwendige Stütze anlehnte^ es ergiebt sich also
ein mit der Mattei'schen Amazone übereinstimmendes Motiv
und wir stehn desswegen nicht an, das vorliegende Werk als
eine Copie der Statue des Phidias anzusehn.
Denn allerdings ist die Mattei'sche Amazone nur eine
Oopie nnd zwar nach einem Original von Bronce, aus wel-
<!hem Material- jene ephesischen Statuen gearbeitet waren.
Daranf führt schon die drahtartige Behandlung des Haares,
die im alten Stil zwar auch den Marmorwerken, später aber
nr den Erzarbeiten eigenthümlich ist
Es ist aber dieses Werk das schönste und strengste
Exemplar unter den zahlreichön Wiederholungen, die wir von
diesem Typus besitzen*, sie giebt daher den Stil des Origi-
mIs am treuesten wieder. Verglichen mit der verwundeten
Amazone, die wir ebenfalls in Nachbildungen besitzen und
<fie auf einen Künstler Kresilas zurückgeführt wird, hat sie
«men ernsteren Charakter, während jene eine an's Elegische
«öreifende Schönheit hat, verglichen mit der dritten zu jenen
ephesischen Statuen gehörenden Amazone, deren weitaus
schönstes Exemplar sich im braccio nuovo des Vatikans be-
findet, ist sie dagegen weniger streng und einfach componirt.
Namentlich ist das Gewand, dessen Zipfel hier über dem lin-
ken Bein aufgenommen und unter den Gürtel gesteckt ist,
so dass im Einklang mit der Stellung der Beine ein schöner
Gegensatz der Faltenbewegung entsteht, dort einfacher und
strenger angeordnet.
Das zierliche Band am linken Fuss diente zur Befesti-
gung des Sporns, der nur an einem Fuss getragen wurde.
Von den auf der Basis liegenden Waffen, deren Ablegung
ftr eine ermattete Amazone charakteristisch ist, entspricht
der Helm einer aus griechischen Fundorten bekannten Form,
der Schild dagegen hat die spätere, zierlichere Gestalt, die
ztt praktischem Gebrauch nicht so angemessen scheint, wie
die frühere. Die Perserschilde auf dem Fries des Niketem-
pels, die der Amazonen am Mausoleum und am phigalischen
Weg haben mehr Fläche und einen einfachen halbkreisför-
* Im Gewerbeinstitul sieht zu belehrender \'ergleicliiiiig neben der
MatU'i'scIuMi Amazone die Capitolinische , die denselben Typus mit nn-
kIHcIi «^ennf?erer Strenge und Treue wiederg-iebt.
8*
llß Statuarische Werke.
migen Ausschnitt statt des später üblichen doppelten. Er
wäre übrigens nicht unmöglich; dass diese Waffen erst bei
der Uebertragung des broncenen Originals dieser Figur in
den Marmor hinzugefügt wären.
Abg. bei Visconti Pio-Clem. II, tav. 38. Müller -Wieseler I, 31,.
138 a — c. Vgl. Visconti Opere yarie IV, 117 ff. Göttling Das archaeoL
Museum zu Jena 1854 p. 60 n. 294 und das dort citirte Programm.
0. Jahn in den Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1850 p, 50 ff. Stei-
ner Ueber den Amazonenmythus p. 48 ff. (dessen Jleinung wie mir
scheint schon durch Göttling's Bemerkung, dass man zum Springen
keinen Köcher, zumal wenn der Bogen darunter gebunden ist, gebrau-
chen könne, widerlegt wird) Scholl im Philol. XX p. 416 ff. (der ver-
muthlich zu andern Resultaten gekommen wäre, wenn er die Amazone
des braccio nuovo berücksichtigt hätte und für die Zurückfuhrung der
Mattei'schen Amazone auf Strongylioa ein Argument aufstellt, das schwer-
lich als beweiskräftig anerkannt werden wird) Klügmann im Rhein. Mus.
1866 p. 321 (der zu 0. Müllers mir unmöglich scheinenden Auffassung
der Statue zurückkehrt und, was ich auch nicht zugeben kann, den
Kopf als nicht zugehörig und von der verwundeten Amazone entnom-
men ansieht, sehr richtig dagegen die Aechtheit der Gemme vertheidigt.
Ueber die Inschrift vgl. 0. Jahn Arch. Ztg. X, 416. ' Wie Bogen und
Köcher nach orientalischer Weise getragen wurden, kann man an einer
Perserfigur am Fries des Niketempels und an einer Amazone der Ro-
gers'schen Amazonenvase (Gerhard Auserles. Vasen IV, 329. 330) sehn.
94. Amazonentorso*, von Marmor, in Trier in den
Ruinen eines römischen Gebäudes gefunden und ebendaselbst
befindlich. Zugleich mit dem Torso wurde das Fragment
eines Kopfes** gefunden; das mit Unrecht als zugehörig be-
trachtet wird. Das breite Band und die krausen kurzen
Locken unterscheiden diesen Kopf sehr erheblich von dem-
jenigen der Mattei'schen Amazone, mit welchem er doch, da
auch der übrige Körper denselben Typus wiedergiebt, tiber-
einstimmen müsste.
Das unter dem Köcher erhaltene Fragment kann nur,
wie schon in der Erklärung von n. 93 bemerkt ist, zu dem
Bogen gehört haben, der an dem Köcher befestigt war. Der
Torso ist frisch und lebensvoll, steht aber doch der Mattei'-
schen Amazone nach.
*
^ Abg. Jahrb. des Vereins v. Alterthumsfreunden im Rheinlande IX,
Taf. 5. Das zugleich gefundne Fragment eines Arms ist nicht zugehö-
rig, vgl. bull. 1864 p. 64. Archaeol. Anz. 1864 p. 196.
* Im Saal des Barberiuischen Fauns n. 7.
** Im Römischen Saal n. 45.
Statuarische Werke. 117
95. Amazone*; Marmorstatae; im Jahr 1813 von
'Stackeiberg auf Salamis gefänden mid 1845 aus der Samm-
lung des Finders in das Dresdner Museum übergegangen.
Ergänzt sind von Thorwaldsen der Kopf; dessen Neigong
fibrigens indicirt zn sein scheint^ der linke Arm vom Ellen-
bogen an; dessen Krümmung ebenfalls durch den erhaltenen
Theil indicirt ist; die rechte Hand; beide Beine vom Knie
ibwärt^ und der unterste Theil des Mantels nebst der Streit-
axt^ deren Schaft sich aber; wenn auch zerbrochen; erhalten
hat Ob die Beine ursprünglich die Keiterstiefeln getragen,
ist fraglich.
Das Motiv der Figur ist offenbar das einer besiegten
oder ermüdeten oder aus ähnlichen Gründen muthlosen Krie-
j^rin. Sie hat eine nicht ganz gewöhnliche Tracht; da sie
an beiden Brüsten bedeckt und ausserdem init einem Thier-
feU umgürtet ist. Letzteres ist indessen eine nicht seltene
Zothat der heroischen Tracht. Auch an Amazonen findet es
sich zuweilen.
Es ist die Meinung ausgesprochen; dass dieser Figur
ein Original zu Grunde liegC; das zu den berühmten ephesi-
schen Amazonenstatuen (vgl. n. 9B) gehört habe. Allerdings
ist das Motiv der Figur dem der übrigen durchaus verwandt
imd für das ephosische Heiligthum passend; aber das ganze
Aussehen derselben doch zu verschieden von den übrigen
witer sich so gleichartigen. Auch scheint der bis auf die
Erde reichende Mantel; der sonst kürzer ist bei den Ama-
zonen — sie tragen; ebenso wie die rüstigen Jünglinge, eine
Chlamys; was auch ihrem Wesen gewiss besser entspricht — ,
auf ein Marmororiginal; wo man ihn als Stütze benutzte; hin-
zudeuten; während jene ephesischen Statuen von Erz waren.
Es wäre freilich nicht unmöglich; dass diese Verlängerung
des Mantels erst in der Marmorcopie hinzugekommen wäre.
Die Ausführung der Figur ist flüchtig.
Vgl. Hettiier: die Bildwerke der Kgl, Antikensammlung zu Dresden
". 178, besonders aber 0. Jahn Berichte der Sachs. Gesellsch. der Wiss.
1860 p. 32 ff., wo auch die beste Abbildung gegeben ist. Wenn Jahn^s
ßoiehang der Figur auf die ephesischen Statuen richtig ist, dann kann
^ Thierfell noch eine andre, als die im Text ausgesprochene allge-
''lanere Bedeutung haben, obwohl sie auch dann nicht nothwendig ist.
"^ an den Reliefs vom Mausoleum sind auch mehrere Amazonen mit
*wiem Thierfell bekleidet, wie Polygnot's Penthesilea, welcher dadurch
* Im Niobidensaal n. 30.
11g Statuarische Werke.
im Gegensatz zu Paris ein kriegeritjcheres Aussehn gegeben werde»
sollte, Paus. 10, 31, 8. Die Auffassung Stephanies Compte-rendu 186^
p. 219 kann ich mir nach dem Gesagten nicht aneignen. Auch SchöU
Philol. XX p. 416 ff. betrachtet das Costüm der Figur als allgemein
heroisch und scheidet sie von den ephesischen Statuen aus. Ebenso»
Steiner, der Amazonenmythus p. 60, der sie vor Phidias setzt, was mir
nicht sicher scheint. Dass der linke Arm richtig ergänzt ist, kann ich
nach einer kürzlich angestellten Untersuchung des Originals versichern..
96. Speertragender Jüngling*, Marmorstatue aus
Herkulamim, im Museum zu Neapel befindlich. Ergänzt sind
die Hände.
In' der linken Hand hielt die Figur offenbar einen Speer,
der auf der Schulter lag und am Hinterkopf durch einen
Zapfen, dessen Stelle man noch bemerkt, gehalten wurde, die
rechte Hand hing, gewiss, wie der Ergänzer angenommen, un-
thätig herab. Es ist eine einfache Darstellung, nämlich ein
Jüngling, der durch sein Attribut und durch die Formen
seines Körpers in seiner kriegerischen Neigung und Tüchtig-
keit charakterisirt werden soll.
Die Statue hat etwas alterthümlich Schweres und Unter-
setztes, wie namentlich ein Vergleich mit dem Apoxyomenos
des Lysippus** lehrt. Auch der Typus des Gesichts ist alter-
thümlich und die flach anliegenden Haare, die man später
voller bildete, sind ein weiteres Zeichen früherer Zeit. Die
drahtartige Behandlung derselben deutet auf ein Original von
Bronce, in welchem dann der stützende Stamm fehlen würde^
Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in dieser Figur^
von welcher sehr viele Wiederholungen erhalten sind, die
Copie eines im Alterthum sehr berühmten Werkes besitzen^
nämlich des Doryphorus des Polyklet. Wir kennen dasselbe
aus den Nachrichten als Broncestatue eines kräftigen Jüng-
lings, der einen Speer als charakterisirendes Attribut trug
und das Gegenstück bildete zu einem weichlichen Jüngling^
der ein schmückendes Band um sein Haar legte. Die schwere
Statur, die wir an der Figur hervorgehoben, war dem Polyklet^
wie wir wissen, im Gegensatz zu Lysippus eigen und der
Grad der Strenge, den sie hat, ist nach den Werken, die
wir aus der Zeit dieses Künstlers besitzen, namentlich nach
den Amazonenstatuen, vorauszusetzen. Das vorliegende Exem-
plar ist aber keineswegs die beste der uns erhaltenen Ck>pien*
* Im Niobidensaal n. 108.
** Im Niobidensaal n. 22.
Statuarische Werke. 119
Abg. im Berliiier Winckelmannsprogramm 1863. Vgl. bullet. 1864
p. 29 f. Archaeol. Ztg. 1864 p. 130. 149.
97. Büste eines jugendlichen Athleten*, von
BroncC; gefunden in Herkulanum und im Museum zu Neapel
befindlich.
Der Kopf ist eine Copie des unter n. 96 besprochenen
Typus von sorgfältiger^ aber im Haar^ dessen einzelne Streifen
stachelförmig auslaufen und emporstehen, etwas manierirter
Behandlung. An diesem Kopf sind die Athletenohren sehr
deutlich zu beobachten, an denen der scharfe innere Band
rond und dick geschwollen aussieht. Der Künstler hat sich
in der Inschrift als Apollonius des Archias Sohn aus Athen
bezeichnet und muss nach den Buchstabenformen derselben
. um die Zeit des Augustus gelebt haben.
Abg. Bronzi d'Ercol. I, 45, 46. Vgl. das Berliner Wüickclmanus-
programm v. J. 1863 p. 4. Brunn, Gesch. d. griech. Künstler, I, 543.
98. Athlet**, MarmorstatuC; aus der Chigi'schen Samm-
lung in das Museum zu Dresden gekommen.
Im Original ist noch etwas mehr erhalten, als der Ab-
gnss wiedergiebt; es sind aber auch fast vollständig erhaltene
Wiederholungen dieses Typus vorhanden, aus denen das
Motiv der Figur zu entnehmen ist, der Athlet hielt nämlich
in der hocherhobenen Rechten ein Oelfläschchen und goss
es aus in die vor dem Leib liegende Linke. Der Kopf ist
überall, wo er erhalten, unbärtig.
Die grosse Zahl der Wiederholungen, die von diesem
Typus auf uns gekommen, deutet auf ein berühmtes Original,
•iem dieses Dresdener Exemplar am nächsten stehen möchte.
Auch auf einem griechischen Grabstein*** ist es copirt, was
uns berechtigt, ihm griechischen Ursprung zu vindiciren.
Die ausserordentlich ungünstige Beleuchtung lässt eine nähere
Betrachtung nicht zu, doch deutet die kräftige Anlage auf
ein dem Lysippischen Apoxyomenos**** der Zeit nach voran-
gehendes Werk und es könnte die Meinung, dass das Original
von Polyklet herrühre, wenigstens hinsichtlich der Zeitbe-
stimmung desselben richtig sein.
Abg. im Augusteum T. 37. 38. Hettner, d. Bildw. d. König). An-
likensammlg. zu Dresden n. 384. Im Palast Pitti befinden sich zwei
* Im Niobidensaal n. 102.
•• Im Saal des Barberinischen Fanus n. 1.
*•• Im Treppenhaus n. 186.
«««•
Im Niobidensaal n. 122.
120 Statuarische Werke.
Copien, deren eine fast ganz erhalten, zwei kleinere im braccio nuovo
des Vatikan n. 99. 103, von denen eine in der ^aarbehandiung Spuren
des alten Stils bewahrt hat, ausserdem eine im Palast Mattei. Vgl. Fea
zu Winckelmann II p. 106 ff. (Eiselein).
99. Diskobol des Myron*, Marmorstatue, im Jahre
1791 von Grraf Fede in der Villa Hadrians bei Tivoli aus-
gegraben und im Vatikan befindlich. Ergänzt sind von Albagini
der Kopf; der linke Arm und das linke Bein vom Knie ab-
wärts, ausserdem der grössere Theil des Diskus. Der Kopf
ist, wie aus alten Nachrichten, aus andern besser erhaltenen
Copien und aus den Halsmuskeln dieser Figur hervorgeht,
falsch ergänzt, er ist etwas rückwärts gewandt zu denken,
von dem gewaltig ausgestreckten rechten Arm herumgerissen.
. Eingehende Beschreibungen alter Schriftsteller haben es
möglich gemacht, in dieser Statue die Qopie des berühmten
Diskobol von Myron zu erkennen, doch ist wohl nur das
Motiv des Originals noch übrig geblieben, in den Formen
ist sie, wie die Vergleichung mit der Copie im Palast Massimi
ergiebt, sehr abgeschwächt. Aber auch schon das Motiv —
ein Diskobol in einem heftig bewegten und zwar ganz flüch-
tigen Moment fixirt, indem nämlich der linke Fuss bereits
auf dem Boden schleift und das Fortschleudern des Diskus
sofort erfolgen muss — charakterisirt den Myron als einen
Künstler, dessen hauptsächliches Bestreben dahin ging, die
Starrheit des alten Stils durch lebensvolle Gestalten zu durch-
brechen. Wir kennen noch andere Figuren von ihm, die
ebenfalls in bewegten und ganz flüchtigen Momenten fixirt
waren. Die Lebendigkeit des Werks steigert sich noch, wenn
wir uns die Stütze hinwegdenken, die dem Original, das von
Erz war, fehlte, es lässt sich dann auch auf diese Statue
anwenden, was von einer andern desselben Meisters gesagt
wurde, ,es scheine, als ob sie von ihrer Basis herabspringen
wolle".
An der Stütze ist eine Striegel, ein athletisches Instru-
ment, welches die Jünglinge täglich in der Palästra benutzten,
angebracht, auch befindet sich daran die (freilich in diesem
Gyps nicht sichtbare) Künstlerinschrift.
Abg. Musäe des Antiques II pl. 18. Pistolesi II Vaticano ülustrato
VI, 9, 2. Vgl. Weicker A. D. 1, 417 flf. u. Michaelis Arch. Anz. 1862
p. 337. In Betreff der Inschrift meint Weicker, sie lühre von dem
* Im Niobidensaal n. 57.
Statuarische Werke. 121
Erganzer her, £. Braun Ruinen p. 467 bemerkt dagegen: „Die zart ge-
haltenen und geschmackvoll behandelten Buchstaben scheinen ganz den
Anschein der Originalität zu haben und vielleicht erst beim Putzen zum
Vorschein gekommen zu sein. Dies ist um so wahrscheinlicher, als das
Scheidewasser, dessen man sich dabei bedient hat, nicht in die Tiefen
der Schriftritzen eingedrungen ist. und diese daher noch jetzt mit einem
«isenfesten Tarter angef&Ilt sind.^''
100. Silen*; Marmorstatue; in den 20er Jahren dieses
Jahrhunderts auf dem Esquilin von L. Yescovali gefunden.
An der Stelle , wo sie zum Vorschein kam, scheint sich eine
antike Bildhauerwerkstatt befunden zu habeU; man fand näm-
lich MarmorblöckC; in denen noch Sägen steckten, auch den
zum Schneiden gebrauchten Sand; Hände und Köpfe, und elf
Statuen, meist Satyrn vorstellend. Unsere Statue wanderte
zaerst in die Magazine des Vatikan und steht seit 1852 im
Museum des Lateran. Ergänzt sind beide Arme.
In dieser Figur ist sehr scharfsinnig die Copie eines
Werkes des Myron erkannt, nämlich seines Satyrs, der mit
Minerva zu einer Gruppe vereinigt war und die Flöten an-
staunte, die jene weggeworfen. Die Ergänzung der Arme ist
falsch, sie waren, der eine nach oben, der andere nach unten,
wie staunend ausgestreckt. Wir können uns nämlich die
Gnippe des Myron mit Hülfe eines attischen Reliefs, auf
welchem nicht allein die dieser Statue entsprechende Satyr-
figur, sondern auch die Minerva erhalten, reconstruiren. Da-
nach hatte der Künstler die Göttin in dem Augenblick dar-
gestellt, wo sie zornig und leidenschaftlich die ihr Gesicht
entstellenden Flöten von sich wirft und davoneilt, während
der Satyr, der herangeschlichen war, um den Tönen des neuen
Instruments zu lauschen, zwar vor der plötzlichen, leiden-
schaftlichen und ihm unerwarteten Bewegung der Göttin zu-
rückweicht, ohne aber das wunderbare Instrument zu seinen
Füssen aus den Augen zu lassen. Dies ist die Stellung der
lateranischen Statue, man glaubt noch zu erkennen, wie der
'Satyr auf den Fussspitzen neugierig heranschlich, ehe er
durch den Gestus der Minerva zurückgeschreckt wurde. Es
ist abemnur ein momentanes Zurückweichen dargestellt, der
Satyr scheint keineswegs gewillt, sich definitiv von den Flöten
zu trennen.
Da das Original dieser Figur von Erz war, so hat man
sich den Baumstamm und die Stützen unter den Füssen
• Im Niobideiii^aal n. 80.
122 Statuarische Werke.
hinweg zu denken, sodass die Figur auf den Fussspitzen balan-
cirend dasteht. Wir sehen daher auch hier eine jener
flüchtigen vaxd darum so lebendigen Situationen, wie Myron
sie liebte.
Die straffen, schlanken Formen des Satyrkörpers sind
vortrefflich ausgedrückt, und höchst charakteristisch und ko-
misch ist das Gesicht, in dem man deutlich an den hinaufge-
zogenen Brauen den Ausdruck höchster Verwunderung er-
kennt. Myron scheute sich nicht, zuweilen das Gebiet de»
Komischen und Burlesken zu berühren. Auch in dem wenig
ausgeführten Haar des Bartes und Kopfes erkennt man eine
Eigenthümlichkeit des Myron, denn gerade die Nachlässigkeit
in der Ausführung des Haares wurde ihm zum Vorwurf ge-
macht Doch kann wenigstens bei dieser Statue von keinem
Vorwurf die Rede sein, denn an den struppigen Haaren de»
Satyrs wird man die feinere Ausführung nicht vermissen,,
vielleicht nicht einmal wünschen.
Abg. und erläutert von Brunn in den Monum. d. inst. VI, 23 An-
nali 1858 p. 374 tf. vgl. bullet. 1853 p. 145. Garucci monum. del
museo Lateranense tav. 24, 1 p. 36. Hirzel Annali 1864 p. 235. Ste-
pliani Compte-rendu pour l'annee 1862 p. 88 ff. Petersen Archaeol. Ztg.
1865 p. 86. Ob Hirzel wirklich die zur Gruppe gehörige Minervenstatue
gefunden, ist mir noch zwi'ifelhaft, vgl. die Bemerkung zu dem attischen
Relief im Griechischen Saal n. 271. Die von Pausanias beschriebene
Gruppe muss bei dieser Untersuchung, wie ich glaube, ganz aus dam
Spiel bleiben.
101. Aktäon*, Marmorgruppe, im Jahre 1774 von
Gavin Hamilton in den Ruinen einer Villa bei Civita Lavigna
gefunden. Ergänzt sind der rechte Arm und die linke Hand
Der Kopf ist nicht zugehörig.
Wir besitzen auf einem herrHchen Cameo des britischen
Museums die Copie des echten Kopfes dieser Figur oder
vielmehr ihres Originals und haben darin zugleich einen ent-
scheidenden Beweis dafür, dass der jetzt ihr aufgesetzte, auch
nach Ausdruck und Richtung unpassende Kopf nicht zugehörig
ist. Ausserdem aber berechtigt uns der Cameo, der ein
Original von noch etwas strengem Stil voraussetzt, das Ori-
ginal der Gruppe dieser Periode zuzuschreiben.
Die Marmorgruppe, aus .welcher wir nur von der Com-
Position, nicht von dem Stil des Originals eine Anschauung
gewinnen können, stellt den erfolglosen Widerstand des Aktäon
Im Gewerbeinstitut.
Statuarische Werke. 123
gegen die Wiith der eigenen Hunde dar. Der ganze Körper
flieht zurück vor dem Angriff der Thiere und der Kopf (wie
ihn die Glemme zeigt) war mit schmerzlichem Ausdruck tief
gesenkt. Die ganze Stellung ist derjenigen des ehen erklärten
Satyrs auffallend ähnlich.
Eine Andeutung der Verwandlung des Aktäon^ die ge-
wöhnlich durch das Hirschgeweih über der Stirn bezeichnet
wird 9 war nach der Autorität der Gemme hier nicht vor-
handen; wie sie auch an andern Monumenten fehlt; der Künstler
befolgte wohl die auf Stesichorus zurückgeführte Wendung
der Fabel; wonach die erzürnte Göttin dem Aktaeon ein
Thierfell umwarf; um ihn dadurch zu einem Angriffsob-
ject fElr seine Hunde zu machen. Es soll freilich ein Hirsch-
fell gewesen seiU; während diese Figur ein Löwenfell trägt;
doch könnte der Sinn derselbe sein. Freilich lässt sich auch
die Möglichkeit nicht in Abrede stellen; dass das Fell nur
eine für den rüstigen Jäger charakteristische Tracht ohne
alle weitere Bedeutung sei.
Abg. Marblcs of the british miiseum II, 45. Vaux haudbook to
the british museum p. 212. Müller-Wieseler Ii; 17, 186. Der im Text
crvihnte Cameo ist meines Wissens nicht publicirt, er trägt unter den
Abgüssen der englischen Gemmen, die sich im liiesigen Antiquariiwi
Mnden, die n. 287. Die Stelle des Stesichorus bei Paus. 9, 2, 3.
102. Jugendlicher Heros*; Fragment einer Marmor-
statüC; im Museum zu Madrid. Ergänzt ist der grösste Theil
des Helms ; die Nase und die untere Hälfte des Medusen-
haupteS; welches sich auf der Aegis befindet.
Eine sichere Erklärung dieses Fragments ist noch nicht
gefunden; doch kann man wohl nur an eine Heroengestalt
denken; für welche freilich die AegiS; die wie ein Mäntelchen
aof der Schulter hängt; ein ungewöhnliches Attribut ist Der
Stil ist griechisch und zwar sind in den AugeU; Haaren und
in der Stellung der Ohren noch einige Nachwirkungen des
alterthümlichen Stils bemerkbar; so dass wir das Werk noch
ins fünfte Jahrhundert setzen möchten.
Abg. in den Berichten d. sächs. Gesellsch. d. Wiss, 1864, Taf. 1
mit der Erklärung von Stark, die mir aber durchaus imwahrscheinlich
whfiut. Von allem Andern abgesehn, ist die Büste viel zu zart für
Ares. Stark ist vermuthlich durch die ungenügende Abbildung irre-
geleitet.
• Im Niobidensaal n. 81.
124 Statuarische Werke.
103. Perikles*, Mannorkopf, im Jahre 1781 in der
sogenannten Villa des Cassius bei Tivoli gefunden. Er kam
in den Besitz von Gavin Hamilton, dann in die Townley'sche
Samnünng und mit dieser ins Britische Museum. Ergänzt
sind der grössere Theil der Nase und einige kleine Stücke
vom am Helm.
Nach Plutarch's Bericht war Perikles im Uebrigen von
untadeliger Gestalt; nur hatte er einen etwas zu langen Kopf.
Deswegen trügen fast alle Bildsäulen desselben einen Helm,
wodurch, wie es scheine, die Künstler diese Hässlichkeit
hätten verdecken wollen. Nach einer neueren Meinung be-
zeichnet dagegen der Helm den Perikles als „Oberfeldherm
von Athen, denn die Würde des Strategen, welche er eine
Keihe von Jahren nach einander bekleidete, war die eigent-
liche Basis jener Macht, mit welcher er das ganze Staats-
wesen beherrschte''. Indessen ist die Bemerkung über den
etwas langen Kopf nach dieser durch Inschrift beglaubigten
Büste nicht unbegründet, es kann daher Plutarch's Meinung
wohl richtig sein, zumal da der Helm, der nach allen Ana-
logien als Abzeichen eines kriegerischen Mannes gefasst
werden muss, für Perikles, dessen Verdienste doch vorwiegend
auf andern Gebieten liegen, nicht recht passend erscheint.
Der Charakter des Kopfes lässt weniger auf einen ener-
gischen Willen und Thatkraft schliessen, als auf zartere,
idealere Neigungen. Sehr ausdrucksvoll ist «üe leise Neigung
zur Seite, die gerade sehr zu dem angegebenen Charakter
beiträgt
Die Nachwirkungen des alterthümlichen Stils sind noch
deutlich sichtbar in den Augen, dem kurz gelockten Haupt-
haar und dem flach anliegenden Bart, auch stehen die Ohren
noch zu hoch. Aus diesem Grunde kann die Büste oder
wenigstens ihr Original nur dem fünften Jahrhundert ange-
hören und zwar, da sie den Perikles bereits in reiferem
Mannesalter darstellt, nur der Mitte oder zweiten Hälfte
desselben. Nun aber wissen wir, dass ein Künstler dieser
Zeit, Kresilas, eine Statue des Perikles bildete, und kennen
diesen Künstler auch aus einem Werk, einer sterbenden
Amazone, die ebenfalls nicht undeutliche Spuren alterthüm-
lichen Stils an sich trägt, es erscheint daher gerechtfertigt,
wenn wir das Original dieses Werks auf Kresilas zurück-
* Im Niobidensaal n. 75.
Statuarische Werke. 125
fähren. . Plinius bemerkt mit Beziehung anf das Werk des
Kresilas^ dass die Porträtbüdnerei edle Männer noch edler
mache. Dies Wort ist sehr bezeichnend für die Porträts
der älteren Zeit; besonders für das vorliegende. Das Indi-
viduelle des Gesichts wird früher weniger hervorgehoben; als
später^ wie z. B. die Wangen dieses Eopfes; wo sich in der
Natur Forchen nnd Falten zeigen and individuellen Ausdruck
bewirken; ganz glatt sind.
Abg. bei Stuait Antiqiüt. of Athens II o. 5. Vaux haiidbook to
ihe British museum n. 91 p. 199. Der vatikanische Perikleskopf (Vis-
conti Icon. gr. I, 15) geht auf dasselbe Original zurück, ist aber weniger
irea im Stil, derjenige, den man in München zu besitzen glaubt (Schorn
Catalog zur Glyptothek n. 158. Müller Handb. §. 420, 6) ist gar kein
Perikles. Vgl. Archaeol. Ztg. 1860 p. 40.
104. 105. Colosse von Monte Cavallo*, Marmor-
btatnen auf dem Quirinal in Rom^ der von ihnen Monte
Cavallo genannt ist.
Früher standen diese Colosse vor den Thermen des Con-
KtantiO; worüber die Inschrift, die ihnen bei der Versetzung
gegeben wurde, Auskunft giebt Sie lautet: Sixtus V. pont.
max. colossea haec signa temporis vi deformata restituit ve-
teribttsque repositis inscriptionibus e proximis constantianis
thermis in quirinalem aream transtulit anno salutis MDLXXXIX,.
pontificatus quarto. Die Restaurationen, die in diesen Worten
angedeutet sind, betreffen hauptsächlich die Pferde, nament-
lich das dem Phidias zugeschriebene, an welchem nicht viel
mehr als der Kopf und die linke Seite alt sind. Die In-
'^chriften, welche der Papst für die neue Aufstellung von den
alten copiren liess, befinden sich an den (hier nicht vorhan-
•lenen) Fussgestellen und zwai* ist die Figur, welche ihr Pferd
an der Linken führt, als OPVS PHIDIAE, die andere als
OPVS PRAXITELIS bezeichnet.
Ueber die ursprüngliche Aufstellung der Figuren hat
•ler schwedische Bildhauer Fogelberg einen ausserordentlich
genauen und überzeugenden Bericht gegeben, der diese viel-
besprochene Frage zum Abschluss gebracht zu haben scheint.
Zonächst nämlich ist klar, dass die Figuren nicht von allen
Sdten frei standen, denn betrachtet man die Rückseiten der-
selben, so bemerkt man an vielen Stellen rohe, unbearbeitete
• Im Treppenhaus n. 187. 188.
126 Statiiari«ch(» Worke.
Massen; die man überall sehen würde ^ wenn sie nicht zum
Theil dorch die Ergänzung verdeckt wären. Zunächst ist die
hintere Hälfte des Harnisches neben der Figur des Phidias
ergänzt; man bemerkt aber noch an der Stelle^ wo oben die
Restauration ansetzt; eine rohe Masse; die annehmen lässt;
dass die Hinterseite dieses Harnisches ursprünglich ganz so
aussah; wie diejenige des anderen. Ausserdem sind die innem
Seiten der PferdC; die ursprünglich nicht ausgearbeitet waren
und nicht ausgearbeitet sein sollten; ergänzt. Man sieht dies
besonders deutlich an dem Pferde des Praxiteles, wo an der
BasiS; an der Innern Seite des stützenden Pfeilers und an
dem innem Hinterbein die rohe Masse stehen geblieben; am
Bauch aber durch die Restauration verdeckt ist; die gerade
an der Stelle beginnt, wohin die rohe Masse treffen würde,
wenn man sie sich fortgesetzt denkt. Ursprünglich also
waren die Innern Seiten der Pferde und ihrer Lenker nicht
bestimmt; gesehen zu werden. Die Figuren standen wie Haut-
reliefs an einer Wand, worauf auch ihre dem Relief ent-
sprechende Stellung und noch ein besonders schlagender Grund
hinweist. An der Statue des Phidias ist nämlich zwischen
dem linken Bein und dem herabhängenden Grewand eine glatte
Fläche, ein Stück eines Hintergrundes stehen geblieben, ebenso
unter dem Gewände des andern, ja, an dieser füllte die Fläche,
wie man sich aus den Verletzungen an der hintern Seite des
Beines überzeugen kann, den ganzen Raum zwischen den
Beinen aus und die Stütze ist nur ein Rest derselben, den
der Restaurator stehen liess. Die Figuren standen also wie
Relieffiguren auf einem Hintergrunde. In die Schulterblätter
beider Statuen sind kreisrunde Marmorstücke eingesetzt, ge-
wiss um die Löcher zuzudecken, die zur Befestigung an der
Wand dienten, vor welcher die Figuren aufgestellt waren.
Alle diese Restaurationen sind offenbar veranlasst durch die
veränderte Aufstellung; sollten die Gruppen von allen Seiten
freistehen, so musste die rohe Masse der inneren Seiten mög-
lichst verdeckt werden.
Gegen die Meinung, die auöh jetzt noch von Künstlern
getheilt wird, dass die Pferde der beiden Figuren vertauscht
werden müssten, weil ein am Zügel geführtes Pferd den Kopf
nach dem Zügel hinrichte, bemerkt Fogelberg, das sei voll-
kommen richtig bei gezähmten Pferden, aber hier habe der
Künstler, wenn nicht durchaus ungebändigte, so doch sehr
feurige Thiere bilden wollen, jedenfalls aber setze die Kraft-
Statuarische Werke. 127
aDwendong des Mannes einen entsprechenden Widerstand des
Pfi^es voraus. Auch würde bei einer Vertauschung der
Pferde gerade die rohe, unbearbeitete Seite derselben nach
«issen kommen.
Fogelberg setzt nun die Golosse als Hautreliefs an den
Eingang eines Gebäudes und zwar so, dass die Ecken des-
selben in die Winkel hineinstossen, den Mensch und Thier
mit einander bilden. Vor dem Eingange stehend, sah man
daher die Pferde in der Vorderansicht und neben ihnen im
rechten Winkel, wie es der Wirklichkeit entspricht, ihre
Lenker, in den Eingang hineingehend aber passirte man die
Pferde ihrer Länge nach. Es ist daher die jetzige Zusam- *
nenstelhing von Pferd und Lenker im Wesentlichen richtig,
rar moss das erstere etwas mehr zurückgeschoben werden,
schon deswegen, weil die Vorderbeine zu weit vorspringen.
Noch mehr wird dies durch folgenden Umstand empfohlen.
Die Pferde werden durch Pfeiler gestützt, von welchen der-
jenige unter dem Pferd des Praxiteles eine Basis hat, an
welcher die rechte Seite ganz fehlt. Dies kann ursprünglich
nicht so gewesea sein, Fogelberg meint daher, das Piedestal
mOsse zunächst bis an die Grrenze der Basis des Lenkers
zarftckgeschoben, dann aber etwas einwärts gerückt werden,
sodass das an der Basis desselben fehlende Stück durch das
rechte Bein des Lenkers verdeckt würde. Den jetzt leeren
Winkel am Zusammenstoss der Basen von Pferd und Lenker
haben i^ir uns ursprünglich gewiss ausgefüllt zu denken.
Denken Yivc uns die Figuren also am Eingang eines
grossen Gebäudes aufgestellt, so stehen sie wie kolossale
Thorwächter da und dieser Function entspricht sehr gut ihre
Bedeutung. Denn es sind Statuen der Dioskuren. Als solche
werden sie zunächst durch ihre Attribute bezeichnet, sie trugen
in den Händen, die nicht den Zügel hielten, Speere, wie aus
dem Gestus derselben hervorgeht, und auf ihren Köpfen siml
Löcher zurückgeblieben, die nur zum Einsetzen metallener
Sterne, dem Abzeichen der Dioskuren, dienen konnten. Auch
im Uebrigen entsprechen sie dem Typus dieser Götter, die
wir gewöhnlich als rüstige Jünglinge zu Pferde und mit Lanzen
bewaffiiet finden, und der Ausdruck des Kopfes, namentlich
aber die über der Stirn emporsteigenden Haare charakte-
lisiren sie wie schon Winckelmann bemerkte, als Söhne des
Zeus. Es sind uns aber mehrere Beispiele bekannt, dass
die Zwillingsbrüder als Thürhüter an den Eingang von Ge-
128 Statuarische Werke.
bänden gesetzt wurden, wovon der Grund wohl in dem ritter
liehen und kriegerischen Charakter der Jünglinge gesuch
werden muss.
Die Pferde sind im Verhältniss zu ihren Lenkern zu
klein, was aus dem schon erwähnten Princip der alten Kunst er-
klärt werden kann, die Hauptfiguren selbst auf Kosten der
Naturwahrheit hervorzuheben. Hier war es indessen schon
wegen der architectonischen Verwendung nothwendig, zwischen
Pferd und Lenker ein Gleichgewicht der Masse herzustellen.
Die Figuren entsprechen sich in ihrem Stil, doch wird
man der Figur des Phidias den Vorzug geben müssen. Zum
Theil freilich rührt die geringere Wirkung der andern da-
her, dass die Basis derselben sich nach dem rechten Fuss
hin senkt, wodurch die Bewegung weniger kräftig und aus-
drucksvoll wird. Aber auch abgesehen von diesem Mangel^
der nur den Restaurator angeht, von welchem der grösste
Theil der Basis herrührt, ist namentlich in den Köpfen und
in der Anordnung der Gewänder ein erheblicher Unterschied.
Der Kopf des dem Phidias zugeschriebenen Dioskur ist weit
kräftiger und lebendiger, der des andern schwächer und mas-
kenartiger, und die Gewandung des ersteren fliesst in einfachen^
grossen Linien herab, während das Gewand des anderen um den
gesenkten Arm herumgesteckt ist und einen grossem Eeichthum
an Detail entwickelt, der dem Eindruck des einfach Grossen
und Erhabenen nicht günstig ist. Es war dies freilich schwer
zu vermeiden, denn da das Gewand nur am linken Arm ge-
tragen werden kann, um die freie Bewegung des rechten nicht
zu hindern, so konnte der Künstler in diesem Zusammenhang
auf keine Weise die grossen und einfachen Linien gewinnen^
die an dem andern so schön wirken.
Neben den Figuren stehen Harnische von entschieden
römischer Form. Die Ausdehnung des Brustpanzers über die
Bauchpartie ist wenigstens den griechischen Panzern früherer
Zeit fremd und ganz fremd sind den griechischen Panzern
die troddelartigen Tressen über den Schultern und an den
unter dem eigentlichen Harnisch befindlichen Lederstreifen.
Hieraus geht unzweifelhaft hervor, dass diese Statuen erst in
römischer Zeit verfertigt sind, aber ebenso unzweifelhaft, dass
sie nicht Originalwerke sind. Denn die Harnische haben
durchaus keinen andern Zweck, als den äusserlichen, den
colossalen Figuren eine entsprechende Stütze zu geben, sie
sind im Uebrigen ohne allen Zusammenhang mit der Figur
^^
Statuarische Werke. 129
und widersprechen der gewöhnlichen Darstellung der Dioskuren
als nackter, nur mit einem Mäntelchen bekleideter Jünglinge.
Es ist wahrscheinlich, dass die Originale von Bronce
waren und dass eben erst bei der Uebertragung in Marmor
die stützenden Harnische hinzugefügt wurden. Die Köpfe
haben, wie der erfahrene Bildhauer, Martin Wagner, bemerkt,
ganz den Stil broncener Arbeiten, die Nasenflügel sind sehr
dünn und die Haare ziemlich drahtartig gearbeitet.
und welcher Zeit sind die Originale zuzuschreiben ? Die
lateinischen Inschriften, die von Werken des Phidias und Pra-
xiteles reden, können schwerlich auf Autorität Anspruch
machen, die Namen des Phidias und Praxiteles, an welche
sich der Glanz griechischer Kunst knüpfte, scheinen nur als
Repräsentanten höchster Kunst, die man in diesen Werken
bewunderte, hinzugefügt. Andererseits aber dürfen wir die
Originale dieser Colosse, welche durch die Meister der neue-
sten Kunst, Canova, Carstens und Thorwaldsen, wieder zu
Ehren gebracht und Werke der Bewunderung und Nacheife-
rung geworden sind, gewiss in die Blüthezeit griechischer
Kunst setzen. Man hat auf die mit der Figur des Phidias
übereinstimmende Bewegung eines Jünglings an d^ Westseite
des Parthenonfrieses aufmerksam gemacht, doch könnte diese
üebereinstimmung zufällig sein. Wir gestehen unser Schwan-
ken zwischen dem fünften und vierten Jahrhundert, denn
später sind die Originale gewiss nicht entstanden. Der Zeit
des Phidias entspricht allerdings die grossartige Auffassung,
andererseits erinnern uns die Köpfe mit ihrem freien, leben-
digen Ausdruck und die Behandlung des Haares an die Zeit
des Lysippus.
Die Figuren der Dioskuren sind je aus einem Marmor-
block gemacht. An dem Kinn des dem Phidias zugeschriebe-
nen ist ein Messpunkt stehen geblieben.
Das Beste, was über die Colosse von Monte Cavallo geschrieben,
ist die Abhandhing- des schon im Text genannten Bildhauers Fogeiberg
in den Annah 1842 p. 194 ff., von drei erläuternden Abbildungen be-
gleitet. Die übrige Literatur führt Welcker an, Akadeni. Museum zu
Bonn 2. Aufl. p. 133 ff. und bemüht sich zugleich, die V(ui den Meisten
gebilligte und zuerst von Visconti ausgesprochene Vermuthung zu be-
weisen, dass den Statuen griechische Originale der besten Zt*it zu Grunde
liegen. Nur kann ich das nach Gerhard's Vorgang aus dem Ausdmck
des Plinius „fecit (Phidias) et alterum colossicon nudum" hergenommene
Argument für Phidias nicht anerkennen, vgl. 0. Jahn in den Ber. d.
Sachs, (jesellsch. d. Wiss. 1858 p. 115. Auch scheint mir Welckers
Vermuthung, dass die Dioskuren als Götter des Ein- und Ausgangs an
Frioderichs, g^ech. Plastik. 9
130 Tempelsciilpturen. -
den Thüren aufgestellt seien, die er in seiner Götterlehre 2, 430 wie-
derholt, problematisch.
B. Tempelscolptoren.
106 — 109. Metopen von Olympia*. Aufgefunden im
Jahr 1829 in den Ruinen des Zeustempels zu Olympia und
von da nach Paris versetzt. Die Entdecker sind die Fran-
zosen Dubois und Blouet, die Leiter der wissenschaftlichen
Commission, welche die militärische Expedition der Franzosen
begleitete. Alle bedeutenderen Stücke sind im hinteren Theil
des Gebäudes gefunden.
Pausanias bemerkt in seiner Beschreibung des Zeustem-
pels von Olympia, dass sich daran auch die meisten der He-
raklesthaten befänden, und zwar über den vordem Thüren
des Tempels die Abenteuer mit dem erymanthischen Eber^
mit den Rossen des Diomedes, mit Geryon, mit Atlas und
die Reinigung des Augiasstalles, über den hinteren Thüren
aber der Kampf gegen die Amazone, der Fang der Hirsch-
kuh und des kretischen Stiers, die Erlegung der stymphali-
schen Vögel, der Hydra und des nemeischen Löwen. Von
diesen Darstellungen ist fast ganz vollständig erhalten das
Abenteuer mit dem Stier. Wir sehn den Helden mit der
Linken den Kopf des Thieres am Hörn packen und herum-
reissen, während er in der Rechten drohend die Keule empor-
hob. Die höchst lebendige Darstellung ist in späterer Zeit
nicht ohne Nachahmung geblieben. Femer ist von dem Lö-
wenkampf wenigstens soviel erhalten, um sich die Darstellung
im Allgemeinen vergegenwärtigen zu können. Das Vorder-
und Hintertheil des Löwen nämlich sind erhalten und hier
im Abguss durch Einschiebung eines vielleicht etwas zu kurzen
Stückes verbunden. Auf jenem bemerkt man einen rechten
Fuss, an diesem vor dem Hinterbein des Löwen ein linkes
männliches Schienbein und hinter demselben den Rest einer
Keule, man denke sich also den Herakles auf dem besiegten
Thiere stehend, die Linke auf die Keule stützend. Sodann
hat sich ein grösseres auf den Kampf mit dem dreileibigen
Geryon bezügliches Fragment erhalten, das an der Vorder-
seite des Tempels gefunden ist. Das linke Schienbein des
Herakles tritt gegen den Leib des Geryon, dessen Kopf
* Im Treppenhaus n. 32 — 35.
^*
I Tempelsculptureu. 131
gesenkt ist, vermuthlich weil sein Gegner ihn am Kopf
gefasst hatte und niederdrückte. Es war ein Moment des
leidenschaftlichsten Kampfes gewählt^ doch so^ dass der Sieg
des Herakles nicht zweifelhaft war. Geryon war gewiss, wie
überall auf den altem Monumenten, als ein dreifacher Mann
dargestellt, während in späterer Zeit die Unform von drei
aas einem Unterleib herauswachsenden Oberkörpern vorkommt.
Man erkennt dies auch auf dem Fragment. Denn unter dem
vollständig erhaltenen runden Schild, der die dahinter betind-
liche Figur ganz verdeckt — es ist eine naive Eigeuthüm-
lichkeit des altem Stils, besonders der Vasenbüder, die Krie-
ger so zu stellen, dass sie den Schild nach aussen kehren
und dadurch sich fast ganz für den Betrachtenden verdecken
— kommt noch ein Stück eines zweiten Schildes zum Vor-
schein, der nur einem zweiten von den drei Männern ange-
hören konnte, aus denen Geryon bestand. Der erhaltene, an
der Vorderseite gefundene Pferdekopf gehörte wohl in das
Abenteuer mit den Rossen des Diomedes.
Endlich ist noch — von kleineren Fragmenten, die hier
nicht vollzählig sind, abgesehn — eine auf einem Felsstück
sitzende Frau erhalten, welche wahrscheinlich die Pallas vor-
steUt. Die Figur hat zwar einen naiv mädchenartigen Cha-
rakter, der für Pallas nicht ganz geeignet zu sein scheint,
aber in der Kunststufe des W^erks seine Erklärung lindet.
Pallas ist deutlich charakterisirt durch das ausgezackte, der
Aegis genau entsprechende Fell, das wir uns gewiss bemalt
zu denken haben in ähnlicher Weise wie au der Göttin des
iginetischen Tempels. Es ist ausserdem nach der Praxis der
ganzen altem Kunst nur Pallas, die wir bei den Kämpfen des
Herakles anwesend finden, während auf späteren Werken eine
Ortsnymphe hinzutritt, welche Andre hier erkennen wollen,
hß Sitzen auf einem Felsen ist allerdings für solche Wesen
charakteristisch, indess doch auch an der Pallas als ein naiver
Zag verständlich, die Göttin schaut rahig dem kämpfenden
Heros zu. In der Rechten scheint sie etwas gehalten zu
^ben, der Speer passt vortrefflich hinein. Welcher Aktion
des Herakles sie zusah, ist nicht mit Sicherheit anzugeben,
jedenfalls einer solchen, wo die Gruppe des kämpfenden Hel-
den nicht viel mehr als den Raum einer einzelnen Figur ein-
'Äiun, weil sonst die Platte zu breit werden würde. Es
^de beispielsweise die alterthümliche Grappe des Herakles
out der Hirschkuh, die wir oben besprachen, nach ihrer Com-
9*
V •
132 Tempelsculptui-en. f
Position sich sehr wohl mit diesem Fragment zu einem Gan-
zen zusammenschliessen. Andre Bruchstücke weiblicher Fi-
guren lassen schliessen, dass die Pallas nicht bloss in einem
Abenteuer vorkam.
Dass diese Relieftafeln zur Ausfüllung von Metopen
dienten, unterliegt keinem Zweifel, schon die Art des Reliefs
führt darauf. Der Löwe nämlich mit seinem stark vorsprin-
genden Relief setzt nothwendig die Flankirung durch vor-
springende Triglyphen voraus, er würde sehr hässlich und
stillos erscheinen, wenn er nicht in die Vertiefung der Metope
zurückwiche. Ob aber die Tafeln sich in den innem Me-
topen über dem Pronaos und Opisthodom, oder in den äussern
des Peristyls befanden, ist noch nicht ausgemacht. Gewöhn-
lich nimmt man das erstere an, aber der Text des Pausanias
führt bestimmt auf die letztere Annahme.
Es folgt schon aus dieser Bestimmung der Reliefs, ein
Schmuck der Architektur zu sein, eine wenigstens theilweise
Bemalung derselben. Der Stier ist noch jetzt ganz braunroth,
der Löwe gelblich, auch der Schild des Geryon war schwer-
lich ohne Farbe und deutlich zeigen die glatten Köpfe, dass
die Haare durch Malerei ausgedrückt waren. Man will aber
auch am Nackten des Herakles bei der Ausgrabung Spuren
braunrother Farbe entdeckt haben.
Die Reliefs scheinen ungefähr um die Zeit entstanden
zu sein, als Phidias für den Tempel arbeitete, an dem sie
sich befanden, d. h. um Ol. 86. Dieser verfertigte bekannt-
lich die Goldelfenbeinstatue des Zeus im Innem dieses Tem-
pels und sein Schüler Alkamenes die Giebelgruppe an der
hintern Seite. Es ist aber unwahrscheinlich, dass man den
entbehrlichen Schmuck des Aeussern vor der für das Innere
bestimmten Statue, durch welche der Tempel erst benutzbar
wurde, habe anfertigen lassen. Viel früher als Ol. 86 können
demnach die Reliefs nicht entstanden sein, aber auch nicht
viel später wegen der mannigfachen Spuren des alterthüm-
lichen Stils, z. B. in dem strengen Faltenwurf der Pallas und
in dem Gesichtsausdruck des den Stier bändigenden Herakles,
wo auch das Lächeln noch nicht ganz geschwunden. ^
Man könnte glauben, die Werke rührten von einem at-
tischen Meister her, einem Schüler des Phidias, da dieser'
eine so hervorragende Rolle bei der bildnerischen Ausstattung
des Tempels spielte. Indessen sind sie durchaus verschieden
von attischer Art. Sie haben etwas Schweres und Derbes^
«
Tempelsculptureii. .133
— auch die Pallas ist bei aller natürlichen Anmuth etwas
schwerfällig und auffallend einfach — ^ was den attischen
Werken dieser Zeit nicht eigen ist. Verniuthlich sind sie
von einem einheimischen Künstler verfertigt, es ist glaublich,
dass die Eleer wenigstens für die untergeordneten Werke
einheimische Künstler zu beschäftigen wünschten. Die Archi-
tektur des .Tempels war auch einem solchen übertragen.
Abgr. in der Expedit, soieiitifique de la Moree I ])1. 74 — 78. Cia-
rar rausee de sculpt. II, 195 B und Müller- Wieseler 1, 30. Ueber ^i^w
Fund lind seine Ergebnisse giebt Lenormant im Bulleti. d. inst. 1832
I». 17 ff. genaue Notizen.
Die Bestimmung der Reliefs zu Metopentafeln zeigt i^loiiet Ann.
IV j». 212 ff.; dass sie die innern Metopen schmüekten, wird aber von
ihm nicht bewiesen. Pausanias, nachdem er die Statuen in den Gie-
bdfddern besehrieben, fiihrt darauf (V, 10, 9) so fort: „6(JT« rfe iv
\)Xrfjini(f xal "^HgaxXtovQ tä noXXä twv hQywv^ vnho fihv tov vaov
mnoirixai xwv d-v^wv tj i^ 'AQxaöiaq o.vQa tov voc, xal xh n^bg
JiOfti^StjV xbv SQüxa xal iv ^EQvH-sifi nQoq PtjQvovt^v, xal ^Axkav-
tog Tf xö ipoQtißa ixöaxsai^ai uiXkoßv xal xtjg xotiqov xa^aiQwv
xiiv ytfV iaxlv Hkeloig, i';re() 6e xov oTiio&oöofiov x(ov &v()aiv xov
tfüOxTiQog xr^v ^AfjLalCfOva iaxlv dtpaiQOVfjiavog xal xa ig r/)v i'Acf-
fov xal xbv iv Kvcttatp xav^ov xal OQVid^ag xag inl ixvfi^tjkio
xul ig i'Spav xe xal xbv iv xy yy xy ^ÄQyeici Xtovxa. Tag S-v^ag
6h tgiovxt xäg x'^'kxäg eaxiv iv öe^ia n^b xov xt'ovog ^Itpixog
vnh yvvaixbg axs<pavovf4jEvog ^ExexsiQiag , <i)g xb iXeyelov xb
h' avxolg (prjoiv. saxtjxaoi 6h xal ivxbg xoi' vaov xioveg xxX.
Au> (loii Worten xag d-v^ag xxX. geht hervor, dass mit diesen Thüreu
•lie das IVristy! verschliessenden gemeint sincl, ch'un, sagt Pausanias,
wenn man in sie hineingeht, so trifft man vor der Säule zur Rechten
♦■ine Statue, mit dieser Säule aber kann nur eine Säule des Pronaos
gemeint sfcin. Verstände er imter den Erzthiiren Thüreu des Pronaos,
wo IM dann die Säuh', vor welcher man beim Eintritt in die Thiir die
SiÄtne bemerkt? Eiiu* Säule im -Innern der Cella kann nicht gemeint
i^in, weil er erst mit den folgenden Worten eottjxaoi dh xal ivxbg
Tof vaov xioveg die Cella berührt und die Säulen derselben von den
ansserhalb derselben befindliehen unterscheidet. Die Erzthüren also sind
die Thnn-n <les Peristyls, es sind eben die, von denen er sagt vn^Q
tof vaov xwv d-VQwv, (nicht xov TiQoSofiov). Zudem muss nach
dtra Zusammenhang, da Pausanias eben von dem am Aeussern befind-
Inheu Schmuck des Giebels gesprochen, seine unmittt^lbar ohne irgend
welche Bemerkung sich anschliessende Beschreibung des über der Tem-
Hthür Befindlichen auch auf den Sclnuuck des Aeussern bezogen wer-
^% man würde eine orientirende Bemerkung vermissen, wenn sie sich
'»uf das Innere bezöge. Pausanias also sah in den äussern Metopen des
T'-nipelh die „meisten" Heraklesthaten dargestellt, nämlich die elf, die
T namemli<'h auffuhrt. Warum es nicht zwölf waren, sucht Forchham-
'"**'' im Bnllet. 1832 p. 44 ansprechend zu erklären, die übrigen Me-
i"P^n der Schmal-, vielleicht auch der Langseiten waren wohl mit an-
''^•ni Darhtellungen geschmückt. Die Ansicht Forchhammer's übrigV'us,
***»» diese Reliefs einen fortlaufenden Fries i'iber den Säulen des Pro-
134 Tempelsculpturen.
naos und Opisthodom g^ebildet hätten, ist wohl als aufgegeben zu V
trachten, da sich ja herausgestellt hat, dass auch die innere Ordni:».
des Tempels dorisch war.
In Welcker's Abhandlung (Akad. Mus. z. Bonn 2. Aufl. p. 160
wo auch die weitere Literatur angegeben) ist ein eigenthümliches
sehen zu bemerken. Vom Löwen nämlich sind, wie im Text beme:
2 Stücke erhalten, das Vorder- und Hintertheil, zwischen denen a
ein Stück fehlt. Das Hintertheil nun nahm Welcker für ein besondc
zu einer andern Gruppe gehöriges Fragment und zwar für einen „j
schnitt aus dem Oberkörper einer weiblichen Figur, unter deren gev^s
sam aufwärts gedrängtem, ganz oben abgebrochenem Arm eine iii^a
Masse sichtbar ist." Es begreift sich, dass er über das so beschrieb» e
Fragment keine Auskunft von Paris erhalten konnte, es ist dort efc
mit dem andern Theil des Löwen verbunden, sowie jetzt auch l"ti<
während Welcker (p. 162) es hier noch unverbmiden sah. Stei/ie
Ueber den Amazonenmythus p. 84 will die auf Geryou bezügliche Me
tope als Kampf des Herakles um den Schild der Amazone deuten in
Widerspnich mit dem Fragment selber und mit Pausanias.
110 — 129. Sculpturen vom Theseustejrapel*. Es
sind uns die Reliefs der Metopen und des innern Frieses er-
halten und noch am Tempel selbst befindlich. Der ersteren
sind aber nur achtzehn, die übrigen fünfzig Metopen dieses
Tempels waren ohne plastischen Schmuck, denn es ist keines-
wegs Regel, sondern eher Ausnahme, dass, wie am Parthenon,
alle Metopen mit Reliefs verziert" waren. Jene achtzehn
Reliefs befinden sich in den zehn Metopen der vordem, öst-
lichen Seite und in den nächst anschliessenden vier Metopen
der Nord- und Südseite des Tempels. In den ersteren sind
Thaten des Herakles, in den letzteren des Theseus dargestellt
Wir besitzen nur eine der letzteren, und zwar die an der
östlichen Ecke der Nordseite befindliche, die aber zu den
vorzüglichsten zählt * * .
Es ist nicht bestimmt anzugeben, welche That des The-
seus hier dargestellt ist, doch wird entweder das Abenteuer mit
dem Keulenträger Periphetes oder mit Prokrustes gemeint
sein, weil diese in den übrigen sechs auf Theseus bezüglichen
und sicher zu erklärenden Metopen nicht vorkommen.
Die Handlung ist sehr lebendig und charakteristisch
vdedergegeben, man sieht, dass Theseus seinen Gegner so eben
zu Boden geworfen hat und ihn nun mit der Lanze fast nach
Art eines wilden Thiers abthut. Die linke Hand des Theseus
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 22 und im Treppenhaus
n. B6— 54.
** Im Saal des Farnesischeu Stiers n. 22.
Tempelsculptnren. 135
ist erhalten und kann nar die Lanze geführt haben^ die rechte
lag unzweifelhaft höher am Ende des Schaftes, um dem Stoss
mehr Nachdruck zu geben. Wundervoll ist der Gegensatz
zwischen der sichern Kraft des Theseus und der vollkommenen
Hfllfslosigkeit des Gegners, dessen Beine noch in der Luft
zappeln und dessen Arme, wenigstens der linke, bemüht waren,
den Todesstoss abzuwehren. Auch der Gegensatz in den
Formen ist sprechend. Theseus, den man in alter Zeit bärtig
darstellte, wie Achill und selbst Paris und Hyakinthos, ist
hier bereits der kräftige, aber auch schlanke und leichte
Jüngling der späteren Kunst, der als Nationalheld der Athener
fftr das Herpenideal seines Stammes ebenso bezeichnend ist,
ide die gedrungenere Mannesgestalt des Herakles für die
Dorier, sein Gegner aber ist eine derbere, vollere und bärtige
Figur. Dem Stil nach herrscht in Bewegungen und Formen
die vollste Freiheit, das Gesicht des Unterliegenden aber hat
noch einen durchaus alterthümlichen Charakter, ein Gegensatz,
den wir aber auch noch später finden. Die Haare sind, wie
an den Sculpturen von Olympia, nicht ausgeführt, was der
Malerei überlassen blieb.
Der Fries*.
Schon in der Zeit des Perikles war an den dorischen
Tempeb die Neuerung eingeführt, dass nur am äussern Fries
der dorische Stil festgehalten, am innern aber mit dem joni-
«chen vertauscht wurde. So unter andern Beispielen am
Parthenon, wo aber unter dem jonischen Fries, der Cella und
Vorder- mid Hinterhaus umgiebt, noch wie eine nicht sehr
sciiöne Reminiscenz des dorischen Stils, die Tropfenleisten
beibehalten sind. Ebenso finden wir am Theseustempel hinter
dem äussern dorischen Fries einen innern jonischen und der
Orund dieser Abweichung von dem strengem, altern Doris-
inus liegt gewiss in einer Concession, die man der Plastik
niachte. Der in Trigl}'phen und Metopen gesonderte dori-
sche Fries ist der freien Bewegung der Sculptur nicht so
Wnstig, wie die lange, ungetheilte Fläche des jonischen, weil er
Künstler zwingt, immer für einen bestimmten, knappen
1, der ihm manches versagt, zu coraponiren, und zudem
• Im Treppenhaus n. 36 — 54.
136 Tempelsculpturen.
gewinnt das Einheitliche der Composition, wenn die einzelnen
Gruppen derselben nicht durch Triglyphen getrennt sind, son-
dern auch äusserlich mit einander zusammenhängen.
Der Fries des Theseion umgiebt aber nicht, wie der des
Parthenon, das ganze innerhalb des Peristyls befindliche Ge-
bäude, sondern nur über der Vorder- und Hinterseite ist ein
Friesstreifen angebracht, jener länger als dieser, da er über
die Anten hinübergreift, während dieser von ihnen begrenzt
wird. Beide Friese befinden sich noch am Tempel selbst.
a) Der östliche Fries.
Zum Verständniss der Composition ist es nothwendig^
sich die architektonische Eintheilung des gegebenen Raums
zu vergegenwärtigen. Gerade über den Anten des Tempels
befinden sich die beiden aus je drei sitzenden Figuren be-
stehenden Gruppen, die hinter ihnen stehenden Figuren er-
strecken sich von den Anten nach dem Peristyl zu, die zwi-
schen ihnen befindlichen sind über den beiden Säulen des
Pronaos angebracht. Hierdurch erklärt sich der beim ersten
Anblick befremdliche Umstand, dass die sitzenden, dem Kampf
zuschauenden Figuren nicht, wie man erwarten sollte, an den
äussersten Ecken der Composition ihren Platz haben, wodurch
die zusammengehörenden Mittel- und Eckgruppen auch äusser-
lich verbunden sein würden, sondern dass sie mitten hinein-
gesetzt sind. Der Platz, den sie an den äussersten Ecken
der Composition eingenommen haben würden, war nämlich
einmal ihrer Würde — es sind Götter, wie wir sehen werden,
— nicht angemessen, ausserdem aber war es wünschenswerth,
den Ruhepunkt der Handlung, den diese Gruppen bezeichnen,
mit architektonischen Ruhepunkten zusammentreffen zu lassen.
Zwischen diesen Göttergruppen geht die Haupthandlung vor
sich, hinter ihnen, auf den über die Anten hinausgreifenden
Stücken, sind in Harmonie mit der geringeren Bedeutung
dieses Raums Begebenheiten dargestellt, die sich zu der
Haupthandlung wie begleitende Nebenumstände zu verhalten
scheinen. An der linken Seite sehen wir die Fesselung eines
Gefangenen, an der rechten ist der Vorgang wegen zu grosser
Verstümmelung der Figuren nicht mehr zu erkennen.
Aber auch die Kampfgruppe der Mitte ist dunkel. Dass
freilich kein historischer, sondern mythischer Vorgang gemeint
'rempcisculpturen. I37
sem kann^ geht wohl aus den steineschlendemdeii Figuren
hervor, die sich unter der von rechts herankommenden Partei
befinden. Gewiss sind damit wildere und rohere Wesen be-
zeichnet, es handelt sich offenbar um einen Kampf gegen ähn-
liche Unholde, wie sie der correspondirende Westfries zeigt,
und man würde nach den Gestalten selbst am liebsten glauben,
dass die steineschleudemden Giganten dargestellt seien. Ihre
Partei ist die unterliegende, denn die letzte, bereits vor den
Göttern der rechten Hälfte befindliche Figur ist sichtlich eine
fliehende, die von einem Feinde verfolgt wird, wemi nicht
auch dieser, was aber doch weniger wahrscheinlich, ein zweiter
ritichtling ist. Zudem ist an einer der drei Gottheiten dieser
Seite eine gewisse Niedergeschlagenheit zu bemerken, nämlich
an der in der Mitte sitzenden Frau mit dem gesenkten Kopf,
deren rechter Arm schlaff über dem Schooss hängt, während
die Linke, die erhoben war, etwa die Geberde schmerzlichen
Erstannens machte. Die beiden Göttergruppen sind offenbar
die Schutzgottheiten der streitenden Parteien, die sich auf
Felsen gegenübersitzen, ähnlich wie bei Homer die Troja
günstigen und feindlichen Götter dem Kampf der Menschen
mrter sich zusehen. Die Götter der linken Seite sind mit
Sicherheit zu benennen, es sind Athene, Hera und Zeus. Die
erste wird noch von dem Architekten Stuart, der vor etwa
100 Jahren das Werk sah und zeichnete, mit einem behelmten
Kopf abgebildet, ausserdem sind Löcher auf ihrer Brust er-
halten, die auf Anfügung einer metallenen Aegis schliessen
lassen. In der Rechten hielt sie, wie ebenfalls Bohrlöcher andeuten,
die Lanze. Durch ihre Bestimmung ist für die beiden andern
Gottheiten, denen sie nach ihrem Platz an Rang nachsteht,
lüunn eine Wahl gelassen, auch sind die beiden ihrem Aus-
sehen nach nicht zu verkennen. Die breite und volle, mit
emem Schleier am Hinterkopf bedeckte Frau kann nur die
Götterkönigin sein, für deren leidenschaftlichere Art vielleicht
weh die lebhafte Geberde der Rechten, mit der sie sich zur
Athene herumwendet, charakteristisch ist. Neben ihr sitzt Zeus,
der in der Linken ein, wie es scheint, nur durch Malerei
•»sgedrflcktes Scepter aufstützte. Es folgt auch aus den
Namen dieser Götter, dass die Partei, die sie beschützen,
siegreich sein muss.
Die Symmetrie, die wir in den Eckgruppen und in den
Göttergruppen bemerken, herrscht auch in der Mitte, bis auf
eine leise Verschiedenheit. Die Kampfscene besteht nämlich
138 Tempelsculpturen.
aus 6 Gruppen, von denen eine drei, die übrigen aber je zwei
Figuren enthalten. Aber diese Verschiedenheit wird kaum be-
merkt, denn die drei Gruppen zur Linken und Rechten sind
sich im Allgemeinen überraschend ähnlich, und namentlich
dienen die in gleichen Distanzen vertheilten Leichname dazu,
die Symmetrie auffällig zu machen, gewiss in Einklang mit
der durch die Säulen gegebenen Eintheilung des Raums.
Offenbar ist die Hauptscene des Kampfes die in der Mitte
befindliche, wo ein kräftiger Jüngling, den man ohne hin-
längliche Sicherheit Theseus nennt, einen zwei Steine auf ihn
stossenden Gegner abwehrt.
b) Der westliche Fries.
Auch hier finden wir eine grosse Symmetrie, indem, wenn
wir von den Ecken nach der Mitte zu gehen, drei« Gruppen,
deren mittlere aus drei, die übrigen aus zwei Figuren be-
stehen, sich genau entsprechen, es bleiben dann in der Mitte
noch 6 Figuren, die sich auch in Gruppen zu je drei Figuren
zerlegen lassen, denn wiewohl sich eine Figur aus der Gruppe
zur Rechten nach der Gentaurengruppe zur Linken hinwendet,
so bleibt sie doch räumlich mit den beiden übrigen Figuren
ihrer Gruppe in engem Zusammenhang.
Es scheint in diesen* Gruppen der Kampf der Centauren
und Lapithen dargestellt, der bei der Hochzeit des Pirithoos
zum Ausbruch kam. Ijpnn die in der Mitte besonders her-
vorstechende Gruppe des unverwundbaren Käneus, der von
zwei Centauren vermittelst gewaltiger Steine in die Erde ge-
drückt wird, versetzt uns eben in jene Begebenheit Auffal-
lend ist freilich, dass wir keine Andeutung des Gelages und
des Weiberraubes finden, welche bei der Hochzeit, wie der
Mythus erzählt, stattfanden und die an dem so ähnlichen
phigalischen Fries nicht fehlen. Wir wissen hierfür keinen
Grund anzugeben, ausserdem ist noch eine zweite Abweichung"
von der Erzählung der Dichter anzumerken. Käneus, so heisst
es, wurde mit Fichtenstämmen geschlagen oder belastet in die
Erde gedrückt, hier dagegen sind die Centauren im Begriff^
grosse Steine auf ihn zu wälzen, gegen welche er sich, schon
halb eingesunken, mit seinem Schild, dessen Umriss deutlicli
zu erkennen — der Schild selbst war nach einem Loch za
schliessen, wohl in Bronce angefügt — zu vertheidigen sucht.
Tempelsculptureii. 139
Diese Abweichung soll das Wunder anschaulicher und begreif-
licher fülr das Auge machen, wir würden, wenn der Künstler
die dichterische Erzählung wörtlich befolgt hätte, den ge-
meinten Vorgang allenfalls mit der Kenntniss des Mythus er-
rathen, aber nicht \nrklich vor uns sehen.
Sowohl dieser als der vordere Fries, deren Beziehung
auf die Gottheit des Tempels wir leider nicht näher angeben
können, da es nicht feststeht, wem der Tempel geweiht war,
sind bewunderungswürdig in der Freiheit und Lebendigkeit
der Bewegungen, in der Kraft der Körper. Die Details des
Nackten sind freilich noch etwas hart und scharf angedeutet
nnd die Köpfe, von denen sich freilich nur einer an der
Westseite in hinlänglich gutem Zustande erhalten hat, zeigen
ihnlich wie die Köpfe am Fries von Phigalia, nocli keinen
Ausdrock der Leidenschaft. In dem Kopf des einen der
beiden Centauren, die den Käneus bezwingen, ist sogar noch
eine Spur des alterthümlichen Lächelns bemerkbar. Die Bil-
dung der Centauren ist übrigens ähnlich wie am Parthenon
und phigalischen Tempel und noch nicht so harmonisch durch-
geführt, wie in späterer Zeit, wo der Rücken des Pferde-
körpers sich in einem Schwünge an den menschlichen Theil
anschliesst, während er hier etwas höckerig aussieht.
Das Relief ist völlig rund, wie es Regel zu sein sclieint
im jonischen und dorischen Fries, und bereits mit grosser
Freiheit behandelt, in einem der Todten des östlichen Giebels
hat sich der Künstler eine kühne Verkürzung erlaubt. Ge-
wiss wurde es in seiner Wirkung durch Malerei und metalli-
sche Zuthaten unterstüzt, doch fehlen uns genauere Angaben.
Man hält den Tempel, an dem sich diese Reliefs be-
linden, gewöhnlich für den von Cimon gebauten Theseustempel.
Ist diese Annahme, die wir hier nicht näher zu untersuchen
haben, richtig, so muss der bildnerische Schmuck desselben
später hinzugefügt sein. Denn sonst würden diese Reliefs der
alterthümlichen Gruppe des Harmodios und Aristogeiton (u. 24.
25) nahe rücken, während sie vielmehr den Sculpturen des
Parthenon verwandt sind, unter dessen Metopenreliefs sogar
einige entschieden alterthümlicheren Charakter haben. Eine
Gmppe des Centaurenkampfes, die äusserste zur Linken,
sttmmt mit einer Metope des Parthenon überein, die Gruppe
<ies Käneus wiederholt sich an dem Fries von Phigalia, auch
wn Niketempel finden sich übereinstimmende Figuren, aber
^1 können daraus keinen Schluss auf frühere oder spätere
140 Temi)elsculptureu.
Entstehungszeit ziehen, weil wir nicht wissen, auf welcher
Seite die Originalcomposition anzunehmen ist, ja, ob über-
haupt eine dieser Compositionen als Original betrachtet
werden darf.
Die Metope ist abgebildet bei Stuart antiqiiities of Athens III, eh.
1 pl. 6 und 13. Marbles of the british museum IX pl. 20. p. 100.
Ellis, the Elgin and Phigaleian marbles II n. 155; der Fries bei Stuart
pl. 4. 18. 19, in den marbles pl. 12 ff., bei Ellis, U n. 136 ff. (auf den
beiden letzten Abbildmigen fehlt übrigens der Torso des hinter Pallas
befindlichen Kriegers der Ostseite , und noch unvollständiger ist die
Westseite), Müller- Wieseler I, 21. Leake in der Topographie p. 367
vertheidigt besonders die Deutimg auf den Gigantenkampf des Hera-
kles und hält es für eine freie künstlerische Abweichung, dass Zeus und
die andern Götter ruhig dasitzen, was denn doch eine etwas starke
Zumiithung ist. 0. Müller in Gerhard's Hyperboreisch-Röm. Stud. I
p. 276 gab eine Erklärung, wonach an der östlichen Seite Theseus im
Kampf mit den Pallantiden dargestellt sei, was von Ulrichs Reisen
und Forschungen in Griechenland , herausg. von Passow II p. 135
ff. scharfsinnig widerlegt ist. Dieser selbst erklärte unter Beistimmung
von E. Curtius Archaeol. Ztg. 1843 p. 104 ff. den Fries als den
Kampf des Theseus gegen Eurystheus, verstösst aber zu sehr in der
Deutung des Einzelnen, als dass seine Deutung haltbar wäre. Die
Scene der Gefangennahme zur Linken sollte, wenn Ulrichs' Deutung
richtig wäre, nicht an der Seite, sondern in der Mitte dargestellt sein
und ganz verfehlt ist die Erklärung der mittlem Göttin zur Linken als
Hebe, oftenbar nur dadurch veranlasst, dass Ulrichs die Hera auf der
andern Seite nöthig hat. Da aber Hera vollkommen sicher ist, so
scheitert eben daran die Erklänmg. Auch im Einzelnen, in der Deu-
tung der Bewegungen irrt Ulrichs öfter. Die letzte Figm* zm* Rechten
soll ein Grabender sein, was nach den Resten am Gypsabguss nicht
möglich ist. Freilich sind auch die von Stuart und Leake über diese
Figur aufgestellten Vermuthmigen nichts weniger als sicher. Ein Ver^
dienst von Ulrichs aber ist, den Fehler der Stuart'schen Zeichnung in
der Anordnung der Platten corrigirt zu haben, der auch den Erklärer
in den ancient marbles irregeleitet hat. Vgl. Wieseler im Text zu
Müller's Denkm. Sehr kühn ist die Vermuthung des neuesten Erklärers
Heydemann, Analecta Thesea, ßerol. 1865 p. 20, es möge Theseus im
Gigantenkampf dargestellt sein.
Die erhaltenen Farbenspuren hebt am entschiedensten Leake p. 374
hervor, von andrer Seite werden sie bezweifeh. Vgl. Gailhabaud Denkm.
der ^ukunst Heft 12. Ueber die Wiederholungen von Gnippen des
Theseion am Parthenon, am phigalischen Tempel und am Niketempel
vgl. 0. Jahn Ann. 1860 p. 18 und den Text in den ancient marbles of
the british museum.
130 — 297. Die Sculpturen vom Parthenon*. Der
Parthenon und seine Sculpturen waren bis zum Jahr 1687
* Im Griechischen Saal n. 1—21, 230—242, 371. 372. 126—223.
Im Trepi)enhaus n. 1—19, 125—128, 183, 21—29.
Tempelsculpturen. 141
noch ziemlich gut erhalten^ denn es fehlten nur die Mitte
des östlichen Giebels und ein paar Statuen des westlichen.
Wir entnehmen dies aus den Zeichnungen des Malers
Carrey, der im Jahre 1674 im Gefolge des französischen Ge-
sandten in Constantinopel; Marquis de Nointel; Athen bereiste
und den grössten Theil der Sculpturen des Parthenon zeich-
nete. Diese Zeichnungen; die sich auf der Pariser Bi-
bliothek befinden^ sind, weil eben vor der zerstörenden vene-
tianischen Belagerung verfertigt , von grosser Wichtigkeit,
trotz ^ieler stilistischer und materieller Unrichtigkeiten, die
sich einmal daraus erklären, dass Carrey ohne Gerüst und
in sehr kurzer Zeit — in weniger als einem Monat — seine
Arbeit vollendete, dann aber auch aus dem künstlerischen Ge-
schmack, in dem Carrey, ein Schüler Le Brun's, befangen war.
Bei der Belagerung Athens durch die Venetianer hatten
die Türken den Parthenon zu einem Pulvermagazin einge-
richtet, eine Bombe schlug hinein und riss den Tempel aus-
einander. Diese Explosion schadete den Sculpturen der Me-
topen und des Frieses ungemein, weniger den Giebelfeldern
ond gar nicht dem östlichen. Denn was Carrey von dem-
selben sah und zeichnete, ist mit Ausnahme einiger Köpfe
noch vorhanden, ja, wir besitzen noch mehr, was bei späte-
ren Entdeckungen zum Vorschein gekommen ist. Diese Sculp-
turen des Ostgiebels und der grösste Theil der übrigen, so-
weit sie noch am Tempel vorhanden waren oder durch Aus-
grabungen zum Vorschein kamen, wurden in den ersten Jahren
dieses Jahrhunderts von Lord Elgin, dem damaligen englischen
Gesandten bei der Pforte, nach England gebracht und nach
langen Verhandlungen im Jahre 1815 für das britische Mu-
seum angekauft, dessen vorzüglichsten Besitz sie jetzt bilden.
Es wird im Einzelnen näher angegeben werden, was nicht
Mch London gekommen ist.
I. Die Giebelfelder.
A. Der ostliche Giebel*.
Wir besitzen, wie gesagt, nur die Ecken, ' nicht die Mitte
^eses Giebels, wissen aber aus Pausanias, dass die Geburt
* Im Griechischen Saal n. 5. 6. 11—19. 230.
142 Tempelsculpturen.
der Athene darin daxgestellt war. Wie wir uns diese Scene
zu denken haben, ist völlig ungewiss, nur ist es unwahrschein-
lich, dass sie so dargestellt war, wie auf älteren Vasenge-
mälden, wo nämlich Pallas als kleines Kind aus dem Haupte
des Zeus hervorgeht. Gewiss erschien sie völlig erwachsen
in furchterregender Erscheinung, wie griechische Dichter die
Scene ihrer Geburt schildern, wie es der Würde der Gott-
heit und der Würde des Ortes allein angemessen, wie es end-
lich auch nach Ausdruck und feewegung der erhaltenen Fi-
guren nothwendig vorauszusetzen ist.
Denn aus diesen sehen wir, dass das Staunen, ja zum
Theil Entsetzen der olympischen Götter das Thema der Com-
position war. Phidias konnte seine Göttin nicht erhabener
schildern, als indem er um sie den Olymp versammelte,
in Staunen und Entsetzen über die gewaltige, neugeborene
Göttin !
Aehnlich wie am äginetischen Tempel war auch hier
das Princip befolgt, hauptsächlich durch die Verschiedenheit
der Stellungen die für den Raum des Giebelfeldes nothwen-
dige Abstufung der Figuren hervorzubringen. Dies Princip ist
keineswegs das einzige im Alterthum übliche, an Giebelfeldern,
die wir aus Lycien und Etrurien kennen, wird nicht durch die
Stellungen, sondern durch allmähliche Verkleinerung der Fi-
guren die Congruenz mit dem gegebenen Raum bewirkt, was
zwar ein sehr einfaches, aber auch unkünstlerisches Mittel
ist, weil es komische und unmotivirte Gontraste zwischen den
puppenhaften Eckfiguren und colossalen Mittelfiguren hervor-
ruft und den Raum als Zwang empfinden lässt. Am Parthenon
dagegen fanden zwar auch, wie die Reste des Westgiebels zeigen,
Grössenunterschiede statt, aber doch nicht so bedeutende,
dass die Figuren ihre Gleichartigkeit verloren hätten und der
Raum als Zwang empfunden wäre. Eben dies konnte nur
vermieden werden, wenn die bedeutendsten Differenzen durch
die Stellungen ausgeglichen wurden.
Wir beginnen die Betrachtung des Einzelnen mit einem
in Athen befindlichen männlichen Torso*, der im Jahre 1836
bei den durch Professor Ross geleiteten Ausgrabungen an
der Ostseite des Parthenon gefunden ist.
Er stanunt* nach Fundort und Stil ge>viss aus dem öst-
lichen Giebelfeld und kann, da die Ecken des Giebels er^
* Im Griechischen Saal n. 6.
Tempelsculptnren. 145
halten sind, nur der im üebrigen verlorenen Mittelgruppe
angehört haben, worauf auch seine Stellung und Bewegung
hinweisen. Die Figur stand aufrecht mit erhobenen Armen
und drehte, wie die Halsmuskeln schliessen lassen, den Kopf
nach rechts, sie gehörte also in die rechte (vom Beschauer)
Hälfte der verlorenen Mittelgruppe und stellte einen Gott dar,
der mit staunend erhobenen Armen auf das wunderbare Ereig-
niss zu seiner Rechten hinsah.
Der veiiorenen Mittelgruppe zunächst stehen links und
rechts zwei lebhaft bewegte weibliche Gestalten, sie sind
die letzten aufrecht stehenden Figuren, auf welche dann die
sitzenden und liegenden folgen. Derjenigen zur Linken*
fehlen Kopf und Arme, doch kann kein Zweifel darüber sein,
wie sie zu restauriren ist. Schon die ganze Stellung, insbe-
sondere aber der Hals zeigt, dass der Kopf rückwärts ge-
wandt war, nach dem Ereigniss der Mitte, während die Arme
den frei flatternden Mantel hielten- und in ihrer Richtung mit
der steigenden und sinkenden Linie des Giebels correspon-
dirten. Das Mädchen also — denn es ist eine zarte, kaum
entwickelte Mädchengestalt — scheint entsetzt von der ge-
waltigen Erscheinung der Pallas, in eiliger Bewegung sich
entfernen zu wollen, und gerade für ein solches Alter ist dies
Motiv bezeichnend. Ihre Kleidung ist der bei den spartani-
schen Mädchen übliche, nur an einer Seite zusammengenähte
Rock, der das linke Bein nackt heraustreten lässt, in der
Kunst sieht man diese dem alten Stil noch fremde Tracht
namentUch an jungfräulichen Figuren, insbesondere an der
Nike. Man hat diese Figur nach einer irrthümlichen Auf-
fassung ihrer Bewegung Iris genannt, indem man glaubte, sie
verkünde den vor ihr sitzenden Frauen etwas. Sie könnte
er aber dann nicht den Kopf rückwärts wenden, und zudem
IC ^^fi diese anderen Frauen, die sich ja auch im Olymp be-
..> tinden, den wunderbaren Vorgang mit eigenen Augen. Wir
^n ihren Namen unbestimmt, sowie den der beiden folgen-
^ reiferen Frauen, die, wiewohl ruhig auf ihren Stühlen
■atzend, doch von dem Ereigniss der Mitte nicht unberührt
sind. Die der Iris nächste hebt verwundert den linken Arm
^ theUt der Nachbarin, welcher, wie die Halsmuskeln er-
•tennen lassen, ihr Kopf zugewandt war, ihre Empfindungen
^Y. ^^ Jedenfalls sind es zwei in näherem Bezug zu einander
I
• li. 15.
•n
'S.
•"».*
144 Tempelsculptureu.
stehende Göttinnen, die hier so traulich gruppirt sind. Auf
sie folgt eine völlig unbetheiligte Figur, unter deren zahl-
reichen Benennungen die Deutung auf Herakles am wahr-
scheinlichsten ist. Ihr entspricht zunächst der Charakter der
Formen, sodann liegt die Figur auf einem LöwenfeU und end-
lich kommen auf Münzen ganz übereinstimmende Herakles-
figuren vor. Nicht unmöglich, dass die rechte Hand, wie auf
diesen Münzen, eine Schaale hielt, so dass Herakles in olym-
pischer Seligkeit ruhend dargestellt wäre. In der Ecke des
Giebelfeldes endlich steigt Helios aus den Wellen, die deut-
lich angegeben sind, empor, man sieht von dem Gott nur die
hervorragenden Arme und den Hals, dessen Kopf leider fehlt
Von seinen vier Pferden, die etwas vor einander hervortreten,
befinden sich die beiden hier vorhandenen im britischen
Museum, die beiden anderen, in niedrigerem Relief angegeben,
noch am Gebäude selbst.
An der rechten Seite ist die erste Figur * zunächst
der verlorenen Mitte ein weiblicher Torso, mit einem ein-
fachen, dünnen Gewände bekleidet, wie es der schnellen,
leichten Nike — denn das ist die Figur — so sehr ange-
* messen ist. Man bemerkt nämlich am Rücken grosse Löcher
zum Einsatz von Flügeln, von denen sich auch Fragmente
in Athen befinden. Der rechte Oberschenkel dieser Figur
ist durch den Engländer Lloyd in einem in London befind-
lichen Fragment** glücklich entdeckt, und wir erhalten da-
durch ein noch \1el lebendigeres Bild von der Sturmeseile,
mit welcher Nike der Mitte zustrebt. Der rechte Arm war
nach derselben Richtung wie verlangend ausgestreckt, Nike
eilt der neugeborenen Göttin zu, deren unzertrennliche G^
fahrtin sie werden sollte. Diese Figur entspricht nach ihrem.
Platze und auch nach ihrer Bewegung der sogenannten Iris
auf der andern Seite, nur ist in der Uebereinstimmung doch.
, auch eine wichtige Verschiedenheit, insofern sich die eine
abwärts nach der Ecke des Giebels, die andere aufwärts nach
der Mitte zu bewegt. Man sieht, dass die alterthümlich.
strenge Compositionsweise des äginetischen Giebels, alle Fi-
guren nach der Mitte hin zu richten, hier einer freieren An-
ordnung Platz gemacht hat, was bei der grossen Anzahl der
Figuren — wir dürfen nach dem uns näher bekannten west-
* n. 16.
** 11. 230.
Tempelsculpturen. 145
liehen Giebel mindestens zwölf für die verlorene Mittelgruppe
voraussetzen — um so nothwendiger war, wenn das Ganze
nicht einförmig erscheinen sollte. Ausser Nike sind drei
Figuren erhalten^ eine Einzelfigur und eine Gruppe, die in
nmgekehrter Ordnung wie an der entsprechenden link-en Ecke
auf einander folgen, worin sich wieder eine freiere Compo-
sitionsweise anktindigt. Zunächst eine Göttin, die durch die
Richtung ihres Kopfes ihre Theilnahme zu erkennen gab,
freilich weniger lebhaft als die folgende Figur, die, mit der
Rechten den Zipfel des Obergewaudes fassend (wie man nach
der Bewegung des Arms und nach den Gewandfalten schlies-
sen muss), im Begriff ist, vom Stuhl aufzuspringen, während
die letzte noch völlig unbetheiligt daliegt. Es fehlt uns durch-
aus an Anhaltspunkten, diesen Figuren, von denen die beiden
letzten gewiss wieder schwesterlich oder in ähnlicher Weise
verbundene Göttinnen darstellen, bestimmte Namen zu geben.
In der Ecke des Giebels waren auch hier vier Pferde-
köpfe angebracht, darunter der berühmte, in London befind-
liche*, während zwei der übrigen, die hier nicht in Gyps
vorhanden, noch am Gebäude selbst sind. Dieser Kopf hing
zum Theil über das Kranzgesimse herab, ebenso me der
äosserste Pferdekopf auf der Seite des Helios und wie manche
Glieder der Figuren, Füsse und Knie über das Gesimse vor-
sprangen, so dass die Gruppe, aus der strengen Begrenzung
des Rehefs heraustretend, die Linien der Architektur mehr-
fach durchschnitt und dadurch eine grössere Freiheit gewann,
ohne die architektonische Strenge allzusehr zu verletzen.
Die Lenkerin dieser hinabtauchenden Rosse fehlte zur
Zeit Carrey's, ist aber neuerdings durch den Engländer Lloyd
in einem später an der Südwestecke des Parthenon entdeckten,
in Athen befindlichen Torso** scharfsinnig wiedererkannt.
Ke Figur ist bereits mit halbem Leibe mitergetaucht zu
denken, die Brust ist vorübergeneigt, der Leib eingezogen,
^eau einer Wagenlenkerin, die sich bemüht, ihre ungestümen
I^wde zurückzuhalten. Die Kreuzbänder, die man vielfach
Äß den verschiedensten Figuren findet, scheinen ein aus dem
Lehen genommenes Motiv zu sein, um das Herabgleiten der
Ränder von den Schultern zu verhindern und gaben den
ßildhauem Gelegenheit zu den anmuthigsten Gewandmotiven.
\ •* ". 5.
Friederichs, griech. IMaatik. 10
}
146 ■ Tempclsculpturcn.
Die Löcher am Gürtel dienten zur Befestigung eines Metall-
schmuckS; an andern Figuren waren auch Hals- und Armbänder
von Metall hinzugefügt und der Herakles hatte Sandalen von
Metall; wie man ebenfalls aus den zurückgebliebenen Löchern
abnehmen kann.
Es sind verschiedene Meinungen darüber aufgestellt^ in
welchem Sinne hier der aufsteigende Helios und die nieder-
steigende Selene angebracht seien. Gewiss ist es am ein-
fachsten und natürlichsten zu glauben^ dass sie nur zur Ver-
herrlichung der Scene dienen, indem sie den Ort derselben
als den Hinmielsraum, an dem die Gestirne auf und nieder-
steigen, bezeichnen.
Von Farbenspuren hat sich wenig erhalten, der Hinter-
grund war jedenfalls bemalt. Auch einige Einzelheiten setzen
Malerei voraus, nämlich das Schulterband an der zweiten
Figur der rechten Ecke und die Wellen, aus denen Helios
emporsteigt, wir können aber nicht mehr bestimmen, wie weit
man in der Anwendung der Farbe ging.
Die Rückseiten der Figuren sind fast sämmtlich, mit Aus-
nahme der sogenannten Iris, mit gleicher Sorgfalt ausgeführt
wie die Vorderseiten. Man hat daraus geschlossen, dass di^
Statuen, bevor sie an ihren Bestimmungsort kamen, öffentlich
zur Besichtigung ausgestellt wurden. Indessen scheint die
Vollendung der Rückseite mehr eine Eigenthümlichkeit ge-
wisser Eunstperioden, nämlich der älteren Zeit zu sein, und
erklärt sich leicht aus der künstlerischen Stimmung jener
Zeit, der das flüchtige Virtuosenthum noch fremd war. Sehr
schön sagt hierüber der Bildhauer Rietschel*: „Es hat midi
immer mit einer Art Rührung und Bewunderung erfüllt, dass
die parthenonischen Giebelfiguren an der Rückseite ebenso
vollendet sind, als vom. Der Künstler wusste, dass, wenn
dies Werk aus seiner Hand und seiner Werkstatt war, nie
ein menschliches Auge dahin blicken könne, wo seine Liebe,
Mühe und Sorge das Reizendste geschaffen und gepflegt hatte»
Jetzt, nach über 2000 Jahren, ist es uns, mehr durch glück-
lichen Zufall, als durch geschichtliche Nothwendigkeit, ver-
gönnt, diese treuen Liebesopfer einer echten Kfinstlerseele
zu entdecken. Warum that dies der Künstler, da soviel Zeit
und Mühe verloren schien? Er that es aus wahrhaft gött-
lichem Schaffensdranges das, was da werden sollte, voUkommea
* Efnst Rietschel von A. Oppermaim, Leipzig 1863, p, 226.
Tempelsculpturen. 147
und seiner selbst wegen werden zu lassen^ wie die Blnme auf
einsamem Abhänge in menschen- und thierlosen Einöden blüht;
sie nutzt nichts als Nahrungsmittel für Thiere^ sie erfreut
kein menschlich Auge und doch ist sie so vollkommen ent-
wickelt; wie die prachtvollste Blume des Ziergartens. Da ist
kein Nebenzweck^ nur harmonisch vollkommene Entwickelung^
um ihren göttlichen Schöpfer zu preisen/^
Dass diese Sculpturen gleichzeitig mit der Erbauung des
Parthenon entstanden^ ist wohl nicht zu bezweifeln. Es sind
in ihnen noch manche Zttge erhalten^ die ihren Zusammen-
hang mit dem alterthümlichen Stil beweisen^ bei der Annahme
späterer Entstehung aber schwerlich vorhanden wären. Dies
l^t namentlich von den Köpfen der Figuren^ von denen sich
zwar nur einer^ der des Herakles^ auf einer Figur erhalten,
doch ist noch ein zweiter da*; der zwar nicht einer bestimm-
ten Figur ; nicht einmal einem bestimmten Giebelfelde , wohl
aber einem der beiden mit Sicherheit zugeschrieben werden
kann. Er ist unter dem Namen des Weber'schen Kopfes
bekannt^ da er bei einem Kaufinann Weber tu Venedig zuerst
zun Vorschein kam^ stammt aber aus dem Besitz des Secre-
tirs von Morosini, dem venetianischen General, der im Jahre
1687 Athen beschoss, und hat hiemach die äussere, nach
seinem Stil aber auch die innere Wahrscheinlichkeit, zum
Parthenon zu gehören, für sich. Der Kopf ist vom Grafen
Laborde in Paris gekauft und befindet sich jetzt in dessen
Besitz. Die Löcher über der Stirn und in den Ohrläppchen
setzen die Hinzufügung eines metallnen Diadems und Ohr-
gehänges voraus 7 übrigens sind Nase, Lippen, Kinn und
Hinterkopf ergänzt.
Nichtsdestoweniger sieht man deutlich noch jenes alter-
thflnüiche Lächeln der frühem Zeit, zwar ohne alles Unan-
genehme, wie eine milde Freundlichkeit, aber doch noch als
etwas Ueberkonunenes, so dass der Ausdruck noch nicht frei
ist Und Aehnliches bemerkt man in dem wiewohl verstüm-
melten Kopf des Herakles. Man darf auch behaupten, dass
der Marmor im Vergleich zu späteren Werken, z. B. dem
HtkBchener Niobidentorso*, zu wenig Stimmung hat, als dass
wirklich seelenvolle Köpfe damit vereinbar wären. Wir spre-
chen damit natürlich keinen Tadel aus, sondern suchen nur die
* lin Griechischen Saal n. 20.
•• Im Niobidensaal n. 20.
10'
)
148 Tempelsculpturen.
Eigenthümlichkeit der Werke zu präcisireu, die darin besteht,
dass der Marmor gleichsam in Fleisch verwandelt, dass alle
Muskeln elastisch und schwellend erscheinen und alle Härte
des Stoffs überwunden ist. Die Figuren sind der Natur nach-
geschaffen, nicht nachgeahmt, wie die Aegineten, und wiewohl
an diesen majestätischen und mächtigen G-estalten auch das
kleinste Detail, z. B. die Hautfalten, sorgfältig angegeben ist,
so scheinen sie doch leicht und mühelos geboren, wie ein
platonischer Dialog. Und ebenso bemerkt man an den Ge-
wändern nirgends die Spur der todten Regel, sie hängen leicht
und locker am Körper und das Material ist auch hier völlig
tiberwunden. Scharfkantig sind die Falten noch gebrochen
in deutlicher Nachwirkung des alten Stils, aber das findet
sich auch noch später und dient nur dazu, den Eindruck der
Hoheit, den die Gestalten bei aller Freiheit machen, zu erhöhen.
Ob Phidias selbst an diesen Statuen gearbeitet, ist zwei-
felhaft. Jedenfalls sind sie nicht von einer Hand. Die Ge-
stalt der Iris verräth einen ganz andern Meister, als z. B.
die in dem Schooss der Schwester ausgestreckt liegende Eck-
figur. An jener ist weit weniger Detail als an dieser, dort
hat sich der Meister vielleicht in Rücksicht auf die hohe
Aufstellung, mit der Angabe der Hauptsachen begnügt, über
diese hat er eine Fülle des anmuthigsten Details ausgegossen,
die der Gestalt eine wunderbare Mischung von Hoheit und
Anmuth verleiht. Es giebt keine zweite Figur der Plastik,
die in der Poesie der Situation, in Schönheit, Adel und zu-
gleich Lebensfrische der Formen und in Freiheit und Zn-
fälligkeit der Gewandfalten mit dieser wunderbaren Gestalt
wetteifern könnte.
B. Der westUche Giebel*.
Von diesem Giebel ist noch weniger erhalten, als von
dem vorderen, doch sind wir durch die Zeichnungen Oarre/s,
der dies Giebelfeld bis auf wenige Figuren noch vollständig
sah, in den Stand gesetzt, sowohl den einzelnen erhaltenen
Figuren ihre Plätze anzuweisen, als auch die Composition des
Ganzen zu verstehen.
Während im östlichen, vordem Giebel Athene als di©
Im Griechischen Saal n. 1 — 4, 8 — 10, 21.
Tempelsculptureii. 149
olympische Göttin verherrlicht war, erschien sie in diesem
westlichen als die attische Landesgöttin. Und zwar- war sie in
dem erhabenen imd poetischen Moment dargestellt^ wo sie
dem ihr LAiid beanspruchenden Meeresgott entgegentrat und
ihn znm Rückzuge zwang.
Die ganze Figur des Poseidon ist nur in Carrey's Zeich-
nung erhalten, es geht aber klar daraus hervor, dass der
wilde Meeresgott mit gewaltigem Schritt auf die Seite der
Pallas hinübergetreten ist, um Besitz von dem ihr zugehörigen
fioden zu nehmen, dass er aber in demselben Augenblick,
von einer ihm entgegentretenden Gewalt gehemmt, den Ober-
körper nickwärts sinken lässt im Gefühl, weichen zu müssen.
Die Ursache seines Zurückweichens liegt in der Erscheinung
der Pallas, die mit erhobenem rechten Arm, in dem sie ver-
muthlich den Speer hielt, ihm jedes weitere Vordringen ver-
bietet. Es kann kein erhabnerer Moment gedacht werden, um
die gewaltige, imponirende Erscheinung der Pallas und zu-
gleich ihre Sorge für ihr Land zur Anschauung zu bringen.
Von der Figur des Poseidon besitzt London den brust-
losen Rumpf*, während die Brust**, die erst später bei den
Ausgrabungen in den 30er Jahi'en gefunden wurde, sich in
Athen befindet. Durch diesen Poseidonstorso, in dem Kraft
und Leben ihren höchsten Ausdruck gefunden, und tiberliaupt
»Inrch sämmtliche in den Giebeln wie am Fries dargestellte
Göttergestalten, wurde die Meinung Winckelmann's, dass die
griechischen Bildhauer ihre Götter ohne Adern, um ihnen
einen mehr ätherischen Leib zu geben, dargestellt hätten,
widerlegt, oder richtiger, auf eine spätere Zeit der Kunst, für
die sie allerdings noch richtig scheint, beschränkt. Von der
Pallas ist ein Stück der Brust*** erhalten, an welcher die
Aegis, deren Schlangen und Medusenkopf, wie die zurückge-
bliebenen Löcher zeigen, von Metall angefügt waren, schräg
«elegt ist. Ausserdem glaubt man, und wohl mit Recht, noch
ein Stück ihres Kopfes zu besitzen, wiewohl das betreffende
Fragment**** einige Besonderheiten hat. Das Haar ist näm-
lich viel drahtartiger gearbeitet, als an den übrigen Köpfen,
wid während an diesen die Augen in Marmor ausgeführt
* II. 10.
•• 11. 8.
*•• n. 9.
•••• ... 21.
150 Tempelsculpturen.
waren ^ sieht man dort Löcher zum Einsetzen glänzender
Steine. Trotzdem ist das Fragment zugehörig, weil es im
Giebel selbst gefunden wurde, und dass es* zum Kopf der
Pallas gehört habe, ist wegen der Proportionen wahrschein-
lich.' Auch lassen die am Original bemerkbaren Löcher
schliesseü, dass der Kopf einst von einem broncenen Helm
bedeckt war.
Die beiden streitenden Götter sind, wie die Carrey'sche
Zeichnung zeigt, in feierlicher Weise mit ihren Gespannen
herangekommen, um jeder seine Ansprüche auf das Land
geltend zu machen. Wir dürfen in den Figuren ihres Ge-
folges befreundete Gottheiten oder Dämonen voraussetzen,
deren Benennung aber nur bei sehr wenigen mit Sicherheit
möglich ist. Von der Figur, die den übrigens schon zu
Carrey's Zeit verschwundenen Wagen des Poseidon lenkte,
ist ein Torso* übrig, welchen man auch jetzt noch an der zu-
rückgelehnten Stellung und Bewegung der Arme sogleich als
den einer Wagenlenkerin erkennt. Es ist Amphitrite, und
das Gewand, welches den linken Schenkel, wie man noch jetzt
erkennt, entblösst liess, ist charakteristisch für die Meergöttin.
Ausser diesem Torso sind noch drei andere zum Gefolge des
Poseidon gehörige und theils in London, theils in Athen be-
findliche erhalten, deren Abgüsse aber hier noch fehlen.
Auf die Seite der Athene gehört zunächst ein männlicher
Torso**, der auf Carrey's Zeichnung hinter den Pferden der
Göttin*** steht und nach seiner Bewegung, die man auch am
Torso erkennt — der Kopf war nach rechts herumgewandt,
während der rechte Arm nach links hin auf die Pferde wies — ,
der Wagenlenkerin wegen der wilden Pferde etwas zuzurufen
scheint. Sodann sind die drei letzten Figuren zunächst der
Ecke erhalten****, von denen zwei eine Gruppe bilden, die sich
in Athen und zwar noch an ihrem ursprünglichen Ort be-
findet. Die Bewegung dieser Figuren ist nicht misszuver-
stehen, beide hatten, wie man an dem Hals sieht, ihre Köpfe
ach der Mittelscene gerichtet und sind in lebhafter Erregung.
Die Frau, eine jungfräuliche Gestalt, schmiegt sich wie er-
* 11. 4.
** n. 3.
*** Von diesen sind nur unbedeutende Fragmente erhalten, da sie
von Morosini zu einer Trophäe für Venedig bestimmt bei der Herab-
nahme unglückliclierweise zertrümmert wurden.
**** n. 2. 1.
'' I
Tempelsoul ptureh. 151
schreckt an den älteren, (bei Carrey) bärtigen Mann und ist
im Begriff aufzustehn, ihr linker Arni; der^ wie man aus den
gespannten Muskeln sieht^ erhoben war^ drückt Staunen und
Schrecken aus und veranlasst zugleich das anmuthige Motiv^
dass die Spange auf der Schulter sich löst und die eine Brust
entblösst wird. Aehnlich der Mann^ denn auch er ist im
Begriff sich aufzurichten und stemmt zu dem Zweck den lin-
ken Arm fest auf die Erde. Hinter ihm bemerkt man einen
«inem Schlangengewinde nicht ganz unähnlichen Gegenstand^
an dessen glatten^ mit einem Loch in der Mitte versehenen
Abschlnss ein hier nicht befindliches Fragment einer Schlange
sich anschliessen soll. Ich gestehe^ dass es für mich noch
nicht ganz ausgemacht ist^ ob der fragliche Gegenstand wirk-
lich eine Schlange darstellt und kann daher auch nicht die
darauf begründete Deutung der Figur anerkennen.
Die letzte, jugendliche Figur, die zu den lebensvollsten
und schönsten gehört und auf der geschützten Rückseite ganz
frisch erhalten ist, fasste mit der Rechten das Gewand und
sachte sich auf die Linke gestützt herumzudrehen, um das
Ereigniss in der Mitte des Giebels, auf welches der Kopf,
wie man aus den Halsmuskeln sieht, bereits hingerichtet war,
besser beobachten zu können. Denn während am Ostgiebel
die Eckfiguren noch ganz unberührt sind von der Wirkung
des in der Mitte vorgehenden Ereignisses, pflanzt sich hier
ebenfalls von der Mitte ausgehend die Erregung bis auf diese
letzte Figur fort. Man hält dieselbe für einen Flussgott, da
es öfter vorkommt, Flussgötter in den Ecken der Giebelfelder
anzubringen, wozu sie ihrer liegenden Stellung wegen so an-
gemessen waren. Die Figur ist demnach Jlissus oder besser
Kephissus genannt, der als grösserer Fluss eher Anspruch
bat, die attische Lokalität zu vertreten.
Unter den Fragmenten ist noch ein weiblicher gewand-
bedeckter rechter Oberschenkel* zu erwähnen, einer Figur
Jaigehörig, die so tief sass, dass das Knie höher steht als
^ Gesäss. Man hat ihn einer bestimmten Figur zuweisen
wollen, doch passt er nach Carrey's Zeichnung zu mehreren
itn westlichen Giebel sitzenden Frauen.
Im Griechischen Saal n. 7.
J
152 Tempelsculptiu-en .
IL Die M e t 0 p e n*.
Von den Metopenreliefs, deren ursprünglich 92 waren,
sind diejenigen der Ost- und Westseite noch an ihrer ur-
sprünglichen Stelle, aber durch absichtliche Zerstörung in
einem traurig verstümmelten Zustande**. Die Metopen der
Nord- und Südseite wurden zwar auch durch die Explosion
von 1687; welche die Mitte des ganzen Tempels wegnahm^
zum Theil zerstört, und was an der Nordseite übrig geblieben,
befindet sich jetzt gleichfalls im Zustande grösster Zerstörung***^
aber die Keste der Südseite hatten ein günstigeres Loos,
indem sie fast alle, nämlich 15 an der Zahl, durch Lord El-
gin herausgenommen und nach London transportirt wurden*****
Eine sechzehnte!, schon vorher durch den Grafen Choiseul
Gouffier entführt, befindet sich seit dem Jahr 1818, nachdem
sie mancherlei Schicksale erfahrenff, im Louvre. Dies ist die
einzige Metope, welche eine Restauration erfahren hat, die
Köpfe und das linke Bein der Frau, soweit es aus dem Ge-
wände hervortritt, sind mit Hülfe von Carrey's Zeichnung,
der Vieles noch vollständiger sah, von dem französischen
Bildhauer Lange restaurirt. Endlich besitzt auch Kopenhagen
zwei Fragmente der Südseitefff , den Kopf eines Centauren
und eines Griechen, beide zu einer und derselben noch erhal-
tenen Metope gehörig, mit welcher Carrey sie noch verbunden
sah. Sie sind durch einen Officier der venetianischen Armee,
die 1687 Athen belagerte, nach Kopenhagen gekommen.
* Im Treppenhaus n. 1 — 19, 125 — 128, im Griechischen Saal
n. 371. 372.
** Von der Ostseite besitzt das Museum eine Platte n. 10., auf wel-
cher ein geflüg-eltes Pferd zu erkennen ist. Man hat die Darstellung
als die Zähmimg des Pegasus durch Pallas gedeutet.
*** Von der Nordseite stammt die kleine gefliigelte Gestalt auf n. 126,
in welcher man euie anima zu erkennen glaubt, ebendahin gehören ver-
muthlich die unter n. 125. 127. 128. verzeichneten, in Athen befindli-
chen Fiagmente.
**** Im Treppenhaus n. 1—3. 7—9. 11—19.
t Ebendas. n. 5. Derselben Seite gehören die noch in Athen be-
findlichen Metopen n. 4. und 6. an.
tt Sie wurde dem Grafen auf seiner Rückreise weggenommen, kam
nach England, wurde dort von Lord Elgin gekauft und dem früheren
Besitzer zurückgegeben.
ttt Im Griechischen Saal n. 371. 372.
'Tempelsculptureu. j^53
Auf einer noch in Athen befipdlichen Metope haben sich
Sparen von rother Farbe am Grunde des Keliefs und von
gniner an einem Gewände erhalten, es ist daher für alle Me-
topen eine wenigstens theilweise Bemalung vorauszusetzen.
Auch die Haare sind an einigen Köpfen nicht ausgearbeitet,
also bemalt gewesen. Die Waffen waren von Metall ange-
fügt, wie die zurückgebliebenen Löcher beweisen.
Die 32 Metopen der Südseite, welcher, wie wir sahen,
alles in leidlichem Zustand Erhaltene angehört, sind von
Carrey vollständig gezeichnet. Die grosse Mehrzahl derselben,
nämlich 23, enthält Centaurenkämpfe, merkwürdiger Weise
sind aber diese Kampfgruppen gerade in der Mitte der Süd-
seite von 9 andern fremdartigen Darstellungen miterbrochen.
Die letzteren, meist aus ruhigen Figuren bestehend, geben
zwar einen willk^mnen Ruhepunkt zwischen den Kampf-
scenen, aber die Unterbrechung des Zusammenhangs bleibt
ans unverständlich. Denn die Kampfgruppen zur Linken und
Rechten dieser Mittelscenen bilden ein Ganzes und stellen ein
bestimmtes mythologisches Faktum dar, nämlich den Kampf
der Centaaren und Lapithen, der bei der Hochzeit des Piri-
tbous ausbrach. Hieraus erklärt sich die Anwesenheit der
Frauen, welche die Centauren zu entführen suchen, hieraus
aneh die Weinkrüge, die am Boden liegen oder von den Cen-
tauren als Waffe benutzt werden.
Fragt man nach der Beziehung, in welcher diese Sculp-
turen zum Tempel standen, so scheint dieselbe doch nur eine
sehr allgemeine zu sein. Man kann behaupten, dass fast alle
Metopen dieses Tempels Kampfsceneu enthielten, auch auf der
Nordseite befanden sich Centaurenkämpfe, auf der Ostseite
erkennt man die Pallas in einem Kampf und andre Kampf-
>cenen, und ebenso auf der W^estseite. Da. wir nun aber den
Centaurenkampf an den Tempeln der verschiedensten Gott-
heiten wiederfinden, z. B. am Athenetempel in Sunium, am
Apollotempel in Phigalia, am Theseustempel, am Zeustempel
in Olympia, so wird ihm schwerlich ein speciellerer Sinn un-
tergelegt werden dürfen, als der, eine Verherrlichung helleni-
scher Götter und Heroen als Ueberwinder des rohen Frevels
^ sein, und diesen Gedanken drücken auch wohl die übrigen
Kampfscenen in den Metopen des Parthenon aus. Es kom-
"l^n, wie schon früher bemerkt wurde, künstlerische Gründe
*|in2u, um solche Kampfscenen für die Friese der Tempel be-
liebt zu machen, man fühlte das Bedürfniss, die strengen,
►
154 Tempelsculpturen,
geraden, entweder vertikalen oder horizontalen Linien der
Architektur durch mehr diagonale und überhaupt belebtere
Linien zu mildem und zu vermitteln.
Wie gewöhnlich in den Kampfscenen griechischer Kunst,
erscheinen auch hier die Griechen durchweg in jugendlichem
Alter und erhalten dadurch den Centauren gegenüber, die
immer wild und mit struppigen Barten dargestellt werden,
ein um so idealeres Ansehn. Die Gruppen sind sehr mannig-
faltig, wenn sich auch einzelne Figuren, wie es bei dem
Zwang des gegebenen Baumes nicht aufallen kann, nahezu
wiederholen. Selbstverständlich waren mehrere Hände daran
thätig, man bemerkt auch erhebliche Verschiedenheiten des
Geschmacks und des Stils. In der Begel haben die ausfüh-
renden Künstler ihren Figuren Gewänder §f geben, um leere
Flächen zu beleben, die nackten Körper abzuheben und den
Eindruck leidenschaftlicher Bewegungen zu verstärken, in
zwei Metopen, die im Allgemeinen zu den weniger vorzügli-
chen gehören, fehlen sie. Es ist ferner dem Griechen ein
verschiedenes Grössenverhältniss zum Centauren gegeben, dem
er bald winzig klein, bald in imponirender Grösse gegenüber-
steht, letzteres besonders in der äusserst effektvollen Gruppe*,
in welcher der Centaur mit der Bechten in heftigem Schmerz
nach einer Wunde im Bücken greift, während die Linke be-
schäftigt war, sich von der Hand des Griechen zu befreien,
der bereits zu einem zweiten Stoss ausholt. Auch der Stil
ist verschieden, indem mehrere Beste alterthümlich harter
und magerer Körperbildung zurückgeblieben sind**. Zu den
vorzüglichsten dürfte ausser der schon erwähnten die Me-
tope gehören, wo der Centaur triumphirend über den ge-
tödteten Gegner davoneilt***, femer diejenige, wo der Grieche
seinen Gegner mit der Linken zurückdrückt und mit der
Bechten zum Stoss ausholt****. Auch die beiden Metopen,
wo der Centaur den über ein Weinfass gefallenen Griechen
am Bein ergriffen hat und wo er auf ihn ein Weinfass la
schleudern im Begriff istf, gehören zu den bedeutenderen.
Die letzte Metope ist diejenige zu welcher die in Kopenhagen
*-ii. 17.
** Namentlich auf n. 14.
*** n. 11.
**** n. 16.
t n. 9 u. 18.
Tempelsculptiiron. I55
befindlichen Köpfe * gehören , der Kopf des Griechen hat
einen leisen ergreifenden Zug der Trauer.
Das Relief ist ganz anders gearbeitet^ als an den alter-
thümlichen Metopenreliefs von Selinunt. Während dort die
Figuren nur gleichsam herausgehobene Flächen bildeten, kan-
tig abgeschnitten und auf der Oberfläche flächenartig behan-
delt waren, sind hier die Körper rund und gelöst von der
Fläche. Die durch den Vorsprung der Triglyphen gegebene
Grenze des Reliefs ist nicht streng innegehalten, einzelne
Theile der Figuren springen weit darüber hinaus, wie wir an
den Giebelfeldern eine ähnliche Freiheit bemerkten.
IIL Der Fries der Cella**.
Für den inneren hinter dem Peristyl befindlichen Fries
des Parthenon war ähnlich wie am Theseustempel die dorische
Triglj-phentheilung aufgegeben, ein fortlaufendes Reliefband
von 524 Fuss Länge umgab die Cellä des Tempels. Dieser
Fries musste schon aus optischen Gründen, um deutlich ge-
sehn zu werden, ein sehr flaches Relief haben. Er befand
sich nämlich in einer Höhe von 40 Fuss über dem Auge
des Betrachtenden, der genöthigt war seinen Standpunkt in-
nerhalb des 15' breiten Umgangs zu nehmen, so dass bei
stärker vorspringendem Relief die obern Theile der Figuren
dem Auge entzogen worden wären. Zudem forderte der Fries
als Saum einer Wand das flache Relief, ein höheres Relief
würde unruhig gewirkt und seine Zusammengehörigkeit mit
der Wand unterbrochen haben, während er jetzt in seinem
gleichsam bescheidenen Relief und in der flächenartigen Be-
handlung der Figuren sich der Wandfläche anpasst und ohne
die architektonische Ruhe zu beeinträchtigen, sich wie ein zie-
rendes Band um das ganze Gebäude schlingt. Es sind uns
etwa zwei Drittel des Frieses erhalten, darunter, wie es
scheint, alles zum Verständniss Nothwendige, die Lücken,
hauptsächlich durch die Explosion vom Jahre 1687 veran-
lasst, treffen namentlich in die Mitte der beiden Langseiten,
mm Theil bieten uns aber auch hier die Carrey'schen Zeich-
* Im Grietrliisch«!! Saal n. 371. 372.
** Im (ji-iechischeii Saal 11. 126—223, im Treppenhaus 11. 21—21), 183.
156 Tcmpclsculpturen.
nungen einigen Ersatz^ ausserdem jhaben die in den Jahren
1833 — 37 unternommenen Ausgrabungen noch manche schöne
und wohlerhaltene Platte zum Vorschein gebracht Etwa die
Hälfte des Ganzen befindet sich seit Lord Elgin im britischen
Museum, das Uebrige mit Ausnahme einer im Louvre befind-
lichen Platte in Athen ; kleinere Fragmente sind tiberall hin
verstreut.
Die Betrachtung beginnt am passendsten mit dem Fries
der hinteren, westlichen Seite*, da sich von hier aus der
Festzug, der den Gegenstand des Frieses bildet, in Bewegung
setzt. Er ist vollständig erhalten und, wie aus Carrey's Zeich-
nung hervorgeht, im Wesentlichen noch in dem Zustande,
wie ihn dieser Maler sah. Auch befindet er sich noch, bis
auf eine in London befindliche Platte, die erste an der nach
Norden gelegenen Seite**, am Gebäude selbst.
Es sind die Vorbereitungen des Keiterzuges dargestellt,
der an den beiden anschliessenden Langseiten sich reich und
glänzend entwickelt. Einzelne Keiter auf der nach Norden
gelegenen Hälfte sind auch bereits aufgesessen und galoppiren
fort um den Zug zu erreichen, während zunächst der Stidecke
die Vorbereitungen noch am wenigsten beendet sind. Hier
wirft noch einer (die Eckfigur) seinen Mantel um, der fol-
gende zieht seinen Schuh an, der dritte legt seinem Pferde
die Zügel um, dann will ein Pferd nicht pariren, ein andres
kratzt sich gemüthlich am Bein. Auch die nun folgenden
Beiter reiten noch einzeln, nicht in dichtgedrängten Zügen
wie an den Langseiten, und werden immer noch unterbrochen
von Gruppen Säumender. Die allgemeine Bichtung dieses
Zuges geht von der Südecke nach Norden zu, man könnte
erwarten, dass entsprechend der gegenüberliegenden Ostseite
und im Anschluss an die Züge der Nord- und Südseite auch
hier die Bewegung von der Mitte aus sich nach beiden Seiten
entfaltete, allein absichtlich verlnied der Bildhauer diese Tren-
nung des westliehen Frieses, die den ganzen Fries halbirt
und seine Continuität zerrissen haben würde, seine Absicht
war gerade, die westliche Seite wie ein vermittelndes, ver-
knüpfendes Band zwischen die Nord- und Südseite zu legen.
Es versteht sich freilich von selbst, dass die eine dominirende
Richtung der Bewegung nicht so streng durchgeführt ist, dass
* Im Griechischen Saal.n. 208—223.
** Ebendas. n. 222.
Tempelsculptureii . 157
sie nicht durch einzehie Figuren unterbrochen würde, der
Künstler hat der praevalirenden Richtung gleichsam kleine
retardirende Hindemisse in den Weg geworfen, um einer
durch strenge Durchführung einer Richtung etwa entstehen-
den Monotonie entgegenzuwirken.
Die Tracht der Jünglinge ist mit der grössten Mannig-
faltigkeit, ganz frei nach künstlerischen Rücksichten behan-
delt, indem nackte und leichtbekleidete Figuren mit gehar-
nischten abwechseln. Unter den letzteren fällt besonders ein
Jüngling auf*, dessen Panzer sehr fein und von den gewöhn-
lichen abweichend ist. Ein Medusenkopf ziert ihn auf der
Brust und die Verbindung von Brust- und Rückenstück des
Panzers wird durch geschuppte Platten hergestellt, die wie
alle derartigen Details gewiss durch Malerei hervorgehoben
waren. Auffallend sind die einer phrygischen Mütze ähn-
lichen, an zwei Figuren dieser Seite vorkommenden Kopfbe-
deckungen**, deren besondre Beziehung uns unbekannt ist,
besonders schön aber die breitkrämpigen Hüte, mögen sie
nun am Nacken herabhängen, oder aufgesetzt sein***. An
der Nordwestecke steht eine ruhige Figur****, wie wir es noch
an mehreren Ecken wiederfinden werden, sie hielt in der
Rechten einen Stab oder dgl., der in Metall angefügt war,
wie die zurückgebliebenen Löcher beweisen. Wir haben in
dieser mit dem Himation bekleideten Figur gemss einen Ord-
ner des Zuges zu erkennen, und dasselbe gilt wohl von der
ebenso bekleideten in ihrer Nähe befindlichen Figur, denn
die activen Theilnehmer der Cavalcade sind, wie es den
leichten und freien Jünglingen geziemt, nur mit dem kurzen
Chiton und dem flatternden Mäntelchen, diesem charakteri-
stischen Kleidungsstück der Jugend, bekleidet. Noch sind
einige kleinere Figuren zu bemerken, die auch an andern
Theilen des Frieses wiederkehren, in denen wir die Burschen
der Jünglinge, nach unsrer Weise zu reden, zu erkennen ha-
ben, Sklavenknaben, zur persönlichen Dienstleistung bestimmt.
Sie machen eine Ausnahme von dem schon früher bemerkten
(jesetz, dass alle Figuren gleich hoch hinaufreichen müssen,
♦ n. 218.
•* 11. 216. 220. Eine Doubletü; der erslereii Platte im Tre|)i)eiiliau8
ü. 21.
*** Besonders schön die Fig^ur auf n. 215.
•♦** n. 223.
1 58 Tempelsculpturen.
indessen war es nothwendig, um sie als solche zu kennzeich-
nen und ihr seltenes Vorkommen lässt die gelinde Störung
verschwinden.
Gehen wir fort in der Richtung des Zuges auf die nörd-
liche Langseite des Tempels*, deren Eckfigur ein kleiner
Sklave ist, der seinem Herrn den Gürtel befestigt, so beginnt
sie im Anschluss an die Westseite mit noch ruhigen Figuren,
die aber bald dem bewegten Leben der Eeiterprocession
Platz machen. Doch ist auch hier eine allmähliche Steigerung
wahrnehmbar, denn während die ersten Pferde noch ruhiger
sind, steigert sich die Lebendigkeit der Thiere in dem Maasse,
dass mehrere derselben völlig vom Boden aufspringen. Doch
ist keiner der Reiter unsicher oder machtlos, sondern bei
allem Feuer der Thiere bewegen sie sich doch nicht schneller
vorwärts, als die Fussgänger zu Anfang der Procession. Mit
Recht wird dieser Theil des Frieses, namentlich die d%r Nord-
Bestecke zunächst befindlichen Platten, besonders gerühmt,
die Pferde sind von ' der feurigsten Art und der viel geta-
delte dicke Hals und die vortretenden Augen besonders
geeignet, den Eindruck von Muth, Kraft und Leben zu
erhöhen, auch die kurz geschnittenen Mähnen charakterisiren
vortrefflich die straffe, gespannte Haltung der Thiere. Es
ist dieser Theil des Frieses und überhaupt der ganze Fries
ein deutlicher Beweis für die in alten Zeugnissen gerühmte
Meisterschaft athenischer Bildhauer und Maler in der Bildung
des Pferdes, denen aber auch eine entsprechende Neigung
des ganzen Volkes entgegen kam. Denn der athenischen Ju-
gend höchste Freude war es, sich mit Pferden herumzutnm-
meln, attische Dichter, namentlich Sophokles, entlehnen gern
ihre Gleichnisse von dem edlen Thier, und selbst unter den
attischen Namen hat man eine auffallend grosse Anzahl sol-
cher die mit YfCTCog zusammengesetzt sind, bemerkt.
* Im Griechischen Saal n. 127—138, 160—176, 208—205. Aus-
serdem sind in den Reiterzug dieser Seite einzuschieben die Fragmente
^ 126. 206. 207 und die drei Platten im Treppenhaus n. 27—29. Die
.''^«benda befindliche n. 26 ist nur eine unvollständige Doublette von
', n. 165. Vertauscht sind die Plauen n. 161 u. 162, und die in die Süd-
seite eingeschobene Platte n. 481 gehört auf die Nordseite zwischen
173 u. 174.
•• In Athen befinden sich n. 138. 160. 166. 168. 171. 173— 176-
204. 205 vom Griechischen Saal und n. 27 — 29 vom Treppenbaus, die
übrigen in London.
Tempelsciilpturen. 159
Im alterthümlichen Keliefstil scheint man es vermieden
za haben; dass die Figuren sich zum Theil decken , hier da-
gegen drängen sich die Reiter an einander und erregen da-
durch den Eindruck einer unaufhörlich strömenden^ reichen^
dichten Masse. Und dabei auch hier wieder die grösste
Mannigfaltigkeit der Tracht ^ bald nackte ^ bald bekleidete
Figoren, mit oder ohne Mantel, mit oder ohne Aermel, und
dasselbe Bestreben, ein ritardando hineinzubringen durch ent-
gegentretende oder sich umwendende Figuren.
Auf die Reiter, deren Ungestüm sich mehr und mehr
legt, je näher sie dem voraufgehenden Theile der Procession
sind, folgt der Zug der Wagen, zwar lückenhaft, aber doch
soweit erfialten, dass der Zusammenhang des Ganzen deutlich
bleibt. Auch hier ist in der Mitte mehr Bewegung als am
Anfang und am Ende. Die Wagen deren ursprünglich
mindestens 10 gewesen sind, werden von Jünglingen gelenkt,
deren Tracht, wie aus den Vasenbildem zu entnehmen, für
die Wagenlenker charakteristisch gewesen sein muss, es ist
ein langherabreichendes Gewand, bald mit, bald ohne Aermel,
gelegentlich auch durch Kreuzbänder über der Brust gehal-
ten. Neben ihnen steht mit einem Fuss im Wagen ein mit
Helm und Speer gerüsteter Jüngling, und neben den Pferden
ist gewöhnlich ein Ordner sichtbar, dessen Gestalt zur Aus-
fUlung des über den Pferdekörpem entstehenden leeren Rau-
mes sehr ¥allkommen war. Es versteht sich, dass auch hier
die Pferde voll Leben und Feuer sind, so dass sich die Wa-
genlenker zurücklehnen um sie zu halten, dass die Ordner
winken und zurufen und zurückscheuchen müssen um nicht
selbst ins Gedränge zu kommen.
Den Wagen und Reitern vorauf geht der lange Zug der
Fossgänger, zunächst eine Anzahl von Männern, die ohne be-
stiflQQnte Charakteristik sind, so dass mr nicht wissen, welche
Fvnktion ihnen zufiel. Einer von ihnen setzt sich einen
Kränz auf, die Andern sind mit einander in Gespräch*. Dar-
mf folgte die Processionsmusik , nach Carrey vier Kithar-
«nd vier Flötenspieler, von denen sich nur wenige aber doch
noch kenntliche Fragmente erhalten* *. An diese schliessen akh
ner Jünglinge mit weingefüllten Krügen, über deren letztdki^
* n. 181, welche Tafel wie in der vorigen Anm. gesagt ist, auf
fie Nordseite gehört.
•• n. 176. 176.
160 Tempelsculptiiren.
der seinen Krug gerade aufzuheben im Begriff, isf, sich das
Fragment des Flötenspielers befindet. Die Krüge sind drei-
henkelig und von der altern, unter den schwarzfigurigen
Vasen gewöhnlichen Form. Den Krugträgern voran gehen
drei Jünglinge mit Schüsseln auf der Schulter, auf denen
Opferkuchen lagen, sodann folgen die Opferthiere, zunächst
Widder und darauf die Ochsen mit ihren Führern, die auch
nicht alle erhalten sind, da Carrey vier derselben mittheilt
Der Zug der Ochsen reichte bis an die Ecke der Nordseite
und wir biegen nun um zur Ostseite*.
Hier schliessen sich unmittelbar Frauengestalten an, von
denen zwar die beiden äussersten nur noch in Zeichnungen
erhalten sind, die sich aber nicht wesentlich von den erhal-
tenen Figuren unterscheiden. Die Mädchen sowohl auf dieser
als auf der andern Hälfte der Ostseite machen einen wesent-
lich verschiedenen Eindruck von den Jünglingen der übrigen
Seiten. Bei diesen herrscht eine grössere Mannigfaltigkeit
und Freiheit, bei jenen mehr Gleichförmigkeit, dort erhält
man mehr den Eindruck unbefangener, freier Natürlichkeit,
hier den Eindruck der Zucht und Sitte. Dies schliesst indess
einzelne Verschiedenheiten der Tracht nicht aus, das Unter-
gewand ist bald nach dorischer Sitte ärmellos, bald wie es
in Jonien getragen wurde, mit Aermeln versehn, die aufge-
schlitzt und dann wieder in sehr graziöser Weise zusam-
mengenestelt sind. Die Mädchen tragen sämmtlich Opferge-
räthe, nämlich einhenklige Kannen, mit denen man aus den
grossen Krügen schöpfte und in die Schaalen oder Becher
vertheilte, sodann runde Schaalen mit einem Buckel in -der
Mitte, in welchen die Finger beim Anfassen hineingreifen,
und endlich (die fünfte von ihnen) ein leuchterartiges Geräth,
dessen Details gewiss durch Farbe näher bezeichnet waren.
Wir haben es als ein Weihrauchbecken (Thymiaterion) zu
betrachten und die Spitze des Geräthes als aus Schaale und
Deckel bestehend zu denken. Letzterer war durchlöchert um
den Weihrauch zu entlassen. Die folgende im Louvre befind-
liche Platte** ist die einzige, welche durch moderne Restau-
%
* 11. 139 — 157 im Griechischen Saal und n. 25 im Treppenhaus.
Das ebendaselbst unter n. 183 befindliche Stück ist nui' die Doublette
eines Stücks von 143.
In Athen befiiiclet sich ii. 144, im Louvre (früher im Besitz des
Grafen Choiseul-Goiifftier) n. 140. 141.
** n. 140. 141.
Tempelsculpturen. iß\
ration gelitten hat, indem von den Köpfen der 8 Figuren
nur 2 alt sind, nämlich der Kopf des rechts stehenden Mäd-
chens in dem ersten Paar und derjenige des vorletzten Mäd-
chens. Die beiden Männer dieser Platte haben die Tracht,
die wir an den Ordnern des Zuges bereits kennen lernten,
und scheinen den Mädchen Anweisung zu geben; der erstere
von ihnen hält ein Geräth, das jeinigermaassen den Schüsseln
oder Platten gleicht, die wir an der Nordseite getragen sahen.
Auf der folgenden Platte* sind jüngere und ältere Männer
vorgestellt, denen gleichfalls wohl irgend eine besondere Func-
tion bei der Feier oblag; was der zweite von ihnen (von
rechts) in der erhobenen Rechten hielt oder ob er nur mit
der ^md winkte, ist schwer zu sagen.
Wir sind nun in unsrer Betrachtung bis zur Mittelgruppe
der Ostseite, der Eingangsseite des Tempels, gelangt, ehe wir
aber diese betrachten, wird es passend sein, zunächst zur
Westseite, Ton der wir ausgingen, zurückzukehren und die
andere, im Süden anschliessende Langseite** zu verfolgen.
Auch hier finden wir zunächst einen Beiterzug, dessen
Ende und Anfang leider nicht zum besten erhalten ist. Er
wird sich, wie das entsprechende Stück der Nordseite, nicht
plötzlich, sondern in allmählichem Uebergang vom Ruhigen
zum Belebten an die Westseite angeschlossen haben. Die
ruhig stehende Eckfigur, nach ihrer Tracht ein Festordner,
ist nns erhalten***. Im Allgemeinen steht der Reiterzug der
Südseite dem der Nordseite nach, die Arbeit ist an mehreren
Platten nicht so vorzüglich und besonders fehlen fast ganz
die dichtgedrängten Gruppen, die dort so lebendig wirken.
Die Reiter reiten mehr in gleichförmigen Distanzen, ihr Zug
iit regehnässiger, aber darum auch weniger feurig und man-
nigfaltig. Auf die Reiter folgen auch hier die Wagen, von
denen 5 in Fragmenten erhalten sind, darunter zwei mit noch
nihig stehenden Pferden, die sich zunächst dem Reiterzuge
i
* Das Original dieser Platte ist durch absichtliche Bescliädigung
»^T zerstört, namentlich ist die dritte Figur, der auf seinen Stab ge-
»'ötÄc Manu, ganz ausgemeisselt, ausserdem die Köpfe der beiden fol-
ffndeu. Doch existiren Abgüsse, die vor dieser Beschädigung genom-
™«i büid.
•• n. 202 — 182. 180 — 177. 159. 158 und im Treppenhaus n.
-0-24. Die letzten drei und n. 178 befinden sich in Athen, die übri-
'«'<;" in London.
*** Im Treppenhaus n. 22.
Friedcrichü. griech. Plastik. 11
162 Tempelsculpturen.
anschliessen. Sodann kommen Männer za FusS; eine ähnliche
Gruppe wie wir sie auch auf der Nordseite fanden, von
der aber nur geringe Fragmente erhalten sind*. Zwischen
diesen Fragmenten und den folgenden Gruppen der Kühe ist
wieder eine erhebliche Lücke zu statuiren, die wir uns in
einer der Nordseite entsprechenden Weise ausgefüllt denken
müssen, denn darüber kann wohl kein Zweifel sein, dass die
Darstellungen der Nord- und "Südseite, die ja zusammen ein
Ganzes, einen nur durch räumliche Bedingungen in Hälften
getheilten Zug bilden, in einem strikten Parallelismus zu ein-
ander standen, so dass die Lücken der einen Seite aus der
andern ergänzt werden können. Dagegen ist das letzte Stück
der Südseite, die Kühe mit ihren Treibern, weit vollständiger
erhalten als auf der Nordseite, und dieser Theil der Südseite
gehört in der That zu den schönsten des ganzen Frieses.
Zum Theil gehn die Ochsen ruhig neben ihren Treibern, aber
nicht alle, und gerade die Platte, wo ein Ochse sich losreissen
will und mit Mühe von zwei Jünglingen gehalten wird, deren
einer den an seinen Hörnern befestigt zu denkenden Strick
hält, während der andere ihn direkt am Hörn fasst, ist eine
der lebensvollsten Darstellungen der alten Kunst. Man ver-
gleiche, um sich dessen bewusst zu werden, ähnliche Scenen
auf römischen Werken, z. B. am Titusbogen, und man wird
im Einklang mit römischem Wesen nur eine strenge feier-
liche Ceremonie, eine gravitätische Ruhe, an welcher auch die
Opferthiere Theil nehmen, bemerken, während am Parthenon-
fries zwar auch die Feierlichkeit einer religiösen Handlung
fühlbar ist, aber doch nicht die Aeusserungen freier Natür-
lichkeit unterdrückt, die der Kälte und Einförmigkeit entge-
genwirken, welche bei der Darstellung von feierlichen Pro-
cessioneu so leicht eintritt.
Die Stricke, an denen die Thiere geführt wurden, haben
wir farbig ausgeführt zu denken, wiewohl man erwarten sollte,
dass sie, wie die Zügel der Pferde, in Metall angefügt waren.
Aber es haben sich an diesen Platten keine Löcher gefunden,
auch von den Kränzen, welche mehrere Figuren aufgesetzt
•"/haben oder im Begriff sind, aufzusetzen, muss man annehmen,
dass sie bald in Metall, bald in Farbe ausgedrückt waren,
ohne dass wir einen Grund dieses Wechsels erkennen könnten.
Die Gruppen der Kühe reichen bis ans Ende dieser
Im Griechischen Saal n. 180 u. im Treppenhaus ii. 24.
Fempelsculpturen . 163
Seite y auch die Eckgrappe ist erhalten^ woran sich als erste
Figur der Ostseite ein Ordner des Zuges schliesst, der, wie
man treffend bemerkt hat, den Zug der Südseite gleichsam um
die Ecke heromwinkt*. Auf ihn folgt, wie auf der andern Hälfte
der Ostseite, der Zug der Mädchen, meistens mit denselben
Gerftthen, wie dort, abweichend sind nur gewisse trompetenför-
mige Gegenstände, die wir in den Händen einiger der vorde-
ren Mädchen bemerken. Es sind gewiss Fackeln, die wie
.alle flbrigen Geräthe zum Opfer gebraucht werden sollen.
Nachdem wir sodann, wie an der andern Hälfte, drei Gruppen
nihig stehender älterer und jüngerer Männer passirt, sind wir auch
von dieser Seite bei der Centralgruppe der Ostseite angelangt.
Diese besteht aus fünf stehenden Mittelfiguren, umgeben
von je drei Gruppen, deren Mitglieder auf Stühlen sitzen.
Wir haben die letzteren als Götter zu betrachten, nicht so-
wohl wegen ihrer grösseren Proportionen, die sich vielmehr
durch das schon öfter berührte und gerade an diesem Fries
so deutliche Gesetz erklären, stehenden, sitzenden, reitenden
Figuren dieselbe Höhe zu geben, sondern weil sich in der
letzten Gruppe zur Rechten eine. Figur befindet, die deutlich
als Amor charakterisirt ist. Diese Gruppe besteht aus einer
iitzenden mit einer Haube bekleideten Frau, an deren linkem
Arm sich noch der Rest einer zweiten Frau, ein Stück ihres
rechten Arms, erhalten hat. Von dem hierauf folgenden
Stück sind am Original nur geringe, gleich zu erwähnende
Reste übrig geblieben, wir besitzen dagegen zwei vollständi-
gere Gypsabgüsse, von denen aber einer willkürliche Yerän-
denmgen erfahren hat. Von diesem letzteren ist unser Abguss * *
genommen, der einen Knaben mit einem Stab in der Linken
an die Reste einer Frau gelehnt darstellt, deren linke Hand
auf seiner Schulter liegt und den Knaben mit ausgestrecktem
Zeigefinger auf den herankommenden Zug aufmerksam zu
niachen scheint. Dieses Stück gehört, wie aus Carrey's Zeicli-
nnng hervorgeht, zu dem Rest des rechten Frauenarms, der
anf dem vorhergehenden Stück erhalten, es ist aber darin
öicht treu, dass es die Reste der Flügel, die man auf dem
andern hier nicht befindlichen Gypsabguss an den Schultern
'ies Knaben bemerkt, nicht wiedergiebt, so wenig wie die
ober dem Stabe des Knaben befindliche schirmförmige Masse.
Im Treppenhaus ii. 25.
11
1
j
1 64 Tempelsculpturen.
Auch schneidet das Stück zu kurz ab; auf dem andern Ab-
guss sind nicht allein die Beine der Frau nebst ihrem mit
einem Tuch behängten Sessel vollständig erhalten; sondern
auch ihr gewandbedeckter Oberarm und ein Fuss der
zweiten; neben ihr sitzenden Frau. Ausserdem ist die zur
Hechten anschliessende auf dem Original sehr verstümmelte
Figur eines auf seinen Stab gestützten älteren Mannes in
diesem Abguss fast vollständig erhalten. Die noch am Ori-
ginal im britischen Museum sichtbaren Spuren* lassen wenig-
stens die linke EUind der Frau und den Stab des Knaben
mit dem darüber befindlichen schirmförmigen Gegenstand deut-
lich erkennen.
Der geflügelte Knabe in dieser Gruppe ist offenbar ein
göttliches Wesen, und für solche müssen daher nothwendig
die mit ihm verbundenen gleichartigen Figuren gehalten wer-
den. Er darf als Amor bezeichnet werden und das Geräth, das er
in der Hand hält; kann nur ein Sonnenschirm gewesen sehu
Man hat dieses auf den Monumenten in der Hand von Frauen
nicht seltene Geräth auf den Amor selbst bezogen; da er der
einzig nackte unter den Göttern sei, allein es fragt sich, ob
er es nicht gewissermaassen als Diener der neben ihm sitzen-
den Venus — denn diese ist durch die Bestimmung des
Amor zugleich mit bestimmt — trägt; so dass der Schirm
eigentlich ihr gilt, für die er als weichlichste Göttin sehr
charakteristisch ist; die ihn auch auf andern Monumenten
öfter theils selbst trägt, theils durch eine Dienerin hal-
ten lässt.
Sind hienach diese sitzenden Figuren für Götter zu
halten; so fragt sich; ob und wie sie im Einzelnen zu benen-
nen sind; und allerdings scheint die Mehrzahl derselben be-
stimmt werden zu können. Die Gruppe zur Linken der flüif
Mittelfiguren stellt gewiss ZeuS; Hera mit Hebe oder Nikft
dar**. Denn der Platz den sie zunächst der JVfitte einneh-
men; ist der vornehmste, ferner unterscheidet sich der Sessel
des ZeuS; dessen Armlehnen durch eine Sphinx gestützt sind^
von allen übrigen durch ein reicheres Aussehn und in der
Rechten derselben Figur hat sich der Rest eines Scepters
erhalten. Man hat mit Recht auf den Gegensatz zwischen.
* Im Gi'iechischen Saal auf n. 143 in der linken Ecke.
** n. 148.
Tempelsculpturen. 155
diesem Zeus und der Büste von Otrikoli*; die gewöhnlich
aaf ein Original des Phidias zurückgeführt wird; aufmerksam
gemacht um die Grundlosigkeit dieser Annahme darzuthnn^
der hier dargestellte Zeus mit dem alterthümlich knappen
und spitz zulaufenden Bart hat noch deutliche Verwandtschaft
mit dem alten Stil, die bei jenem völlig gelöst ist; und statt
des lebhafteren; effektvolleren Aussehns jener Büste liegt über
dieser (xestalt eine Stille und Würde; die zum Ausdruck des
Göttlichen geeigneter ist. Die Frau neben ihm ist unzwei-
felhaft Hera, die ihren Schleier ausbreitet um den Zug unge-
hinderter sehn zu können, ein Motiv, das ihrer Gestalt ein
reicheres und vornehmeres Ansehn verleiht. Die neben ihr
stehende Figur scheint Flügel gehabt zu habeu; man bemerkt
wenigstens über ihrer linken Schulter einen nicht wohl anders
ZI verstehenden Rest; der durch Farbe deutlicher charakte-
risirt sein konnte; in den Händen wird sie einen Kranz ge-
halten haben. Nach ihrer Stellung ist sie eine untergeordnete
Göttin, man kann nur schwanken zwischen Nike und Hebe.
In der links folgenden Gruppe ist nur eine Figur mit Sicher-
heit zu erkennen, n&mlich Demeter, durch das Attribut in
ihrer Linken, eine aus einzelnen zusammengebundenen Stäben
bestehende Fackel charakterisirt**, auch entsprechen die brei-
ten vollen Formen ihrem specifisch matronalen Charakter.
Endlich ist in der letzten Gruppe zur Linken in der dem
Zage entgegen gewandten Figur*** höchst wahrscheinlich
Hermes anzunehmen, denn ihm eignet vor aUen übrigen
Oöttem die Tracht der kräftigen Jugend, der Hut (Petasos)
der auf seinem Schooss liegt, und die Chlamys. Es kann
femer die erste Gruppe zur Kechten der Mittelfiguren be-
stimmt werden, wenn wir nämlich von dem Satz ausgehn
dtarfeU; dass in dieser Götterversammlung unmöglich die Pallas
sdber fehlen konnte. Für sie bleibt uns dann nur die Wahl
zwischen der neben Aphrodite sitzenden mit einem Häubchen
bedeckten Frau und der ersten neben der Mittelgruppe , die
a den anmuthigsten Figuren des Frieses gehört* * * *. Jene, der
■«n sehr ansprechend den Namen der Peitho gegeben hat;
«Äspricht zu wenig dem Charakter der PallaS; auch deutet
* Im Saal des Barberinischeii Fauns ii. 19.
•• u. 149.
••• n. 150.
•••• n. 146.
1
166 Tempelsculpturen.
ihr Platz auf eine weniger hervorragende Göttin, während
bei dieser noch ein besondrer Umstand die Deatong auf
Pallas empfiehlt. An dem rechten Arm entlang haben sich
nämlich drei Bohrlöcher erhalten, womit ein stabähnliches
Geräth, vermuthlich also die Lanze, angefügt war. Dass wir
aber die Pallas so schlicht und friedlich ohne ihre Aegis dar-
gestellt finden, wird hier, wo die Göttin unter ihrem feiernden
Volke erscheint, nicht auffallen. Durch Pallas ist aber wieder
die Nebenfigur bestimmt, die sich auf den Stock stützt, die
kein andrer sein kann, als Hephäst, der in der attischen
Sage in engster Yerbindung mit ihr stand und seinem Wesen
gemäss ganz so bürgerlich aussieht, wie die Athener zur Rechten
und Linken der Götterversammlung. Möglich ist es übrigens
auch, dass der Künstler ihn durch den Stab als den Gott^
der nicht fest auf den Füssen ist und der Stütze bedarf, hat
bezeichnen wollen. Die folgende Gruppe* wird nicht ohne
Wahrscheinlichkeit auf Poseidon und Apollo gedeutet, denn
letzterer trug, wie viele Bohrlöcher beweisen, einen Krani,.
das ihm vor Allem zukommende Attribut, und ersterer ist in
Attika ein zu bedeutender Gott, als dass er hier fehlen dürfte,,
eine andre Figur aber passt für ihn nicht. Wir hätten dann
in seiner Figur wieder einen sprechenden Beweis, wie weit
man in der Zeit des Phidias entfernt war von jener wüderen
pathetischeren Auffassung des Poseidon, welche die erhaltene
Darstellungen dieses Gottes charakterisirt. Allerdings war
dieselbe hier in dieser Situation durchaus nicht am Platze,
allein es scheint doch — auch die gleichzeitigen Vasenbilder
sprechen dafür — , dass man überall in die Götterköpfe un-
abhängig von der Situation eine stille, feierliche Würde zu
legen suchte. Diese Tafel zeichnet sich durch besonders glück-
liche Erhaltung aus, leider ist am Original neuerdings die-
herabhängende Hand des Poseidon frevelhafter Weise ab-
gebrochen.
Die Göttergruppen sind mit grosser Symmetrie, doch
ohne Strenge angeordnet. Wir finden je drei Gruppen links
und rechts, deren eine aus je drei Figuren besteht, während
die übrigen nur zwei enthalten und zwar je zwei Männer
und ein gemischtes Paar. Die correspondirenden Gruppen
aber sind nicht nach dem am äginetischen Tempel befolgten
strengeren, sondern nach dem freieren Princip, das wir am
* n. 144.
Tempelsculpturen. 167
Östlichen Giebel des Parthenon fanden, angeordnet, wonach
es nicht nothwendig ist, dass die correspondirenden Theile
55ich auch in gleicher Entfernung vom Centrum befinden.
Und wozu sind diese Götter hier erschienen? Gewiss
um das Opfer entgegenzunehmen, das die Procession ihnen
entgegenbringt, doch haben sie sich der göttlichen Würde
und Feierlichkeit so sehr begeben, dass sie mehr den Ein-
druck zwangloser, unbefangener Zuschauer machen als den
höherer Wesen.
Es bleibt uns noch die Mittelgruppe* zwischen den sitzen-
den Gottheiten, fünf Figuren, die auffallend unsymmetrisch
angeordnet sind, indem zu den schön entsprechenden Gruppen
von je zwei Figuren noch eine fünfte sich merklich isolirende
hinzutritt. Wir wissen hievon den Grund nicht, so wie wir
überhaupt den Sinn dieses ganzen Vorgangs nicht' kennen.
In der Gruppe zur Rechten nimmt ein älterer Mann einem
Knaben ein grosses zusammengefaltetes Tuch ab mid in der
entsprechenden Gruppe hebt eine Frau dem an sie herantre-
tenden Mädchen einen gepolsterten Sessel vom Kopf. Nur
das eine Bein dieses Sessels war in Marmor angegeben, das
andere, wie ein erhaltenes Bohrloch zeigt, war in Metall hin-
zugefügt, woraus zugleich eine Bemalung des ganzen Geräthes
folgt, da doch Einheit der Farbe nothwendig war. Das Ge-
räth, welches das zweite Mädchen trägt, ist offenbar wieder
ein Sessel, zugleich trägt sie aber in der Linken einen andern
Gegenstand, der nicht näher bestimmbar ist.
Gewöhnlich wird die Gruppe zur Rechten als die üeber-
reichung des Peplos erklärt, welcher in der Procession des
grossen Panathenäischen Festes der Athene dargebracht wurde.
Allein dieser Peplos, ein mit reichem Bildersclimuck verse-
henes Obergewand, wurde nicht der im Parthenon wohnenden
Göttin, sondern der Athene Polias, die im Erechtheum ver-
ehrt wurde, dargebracht und diente zur Bekleidung ihres al-
terthümlichen Holzbildes. Man versteht daher einmal nicht,
wie die üebergabe dieses Peplos am Partlienon dargestellt
sein konnte, sodann aber entspricht der dargestellte Gegen-
stand, der einem mehrfach zusammengelegten Teppicli gleicht,
nicht der Form eines solchen Peplos, und endlich sieht man
nicht, dass der Peplos von der Procession tiberreicht wird.
Denn die Spitzen des Zuges sind die Mädchen; schon die
• II. 146. 147.
16Ö Tempelsculpturen.
Mänuer, die ihnen theils entgegentreten, theils sich mit ein-
ander unterhalten, gehören nicht mehr zur Prozession, und
dasselbe muss in noch höherem Grade von dieser Mittelgruppe
angenommen werden. Noch weniger befriedigend sind die
Erklärungen der andern Gruppe, ja es wird in der Regel die
so deutliche Form der gepolsterten Stühle verkannt.
Wir vermögen, wie gesagt, nicht den Sinn dieser Gruppen
anzugeben, die nach der centralen Stelle, die sie im Friese
gerade über der Thtir des Tempels einnehmen, etwas Bedeu-
tungsvolles zu enthalten scheinen. Freilich ist auch bei die-
ser Annahme auffallend, dass sich Niemand um diese Gruppen
kümmert, und es ist ferner schwer einzusehn, was für ein be-
deutungsvoller Vorgang in der Ueberreichung von Stühlen,
die doch nur zum Sitzen dienen können, gemeint sein möge.
Aber nicht, allein diese Gruppen, sondern die Bedeutung
des ganzen Zuges ist noch durchaus nicht ermittelt. Wenn
wir kurz Alles zusammenfassen, so sind die Elemente dessel-
ben folgende: Reiter, Wagen, Musikanten, Schüsseln- und
Krugträger, Opferthiere, Mädchen mit Schaalen, Kannen,
Fackeln und Räucherfass. Nun ist die gewöhnliche Meinung
diese, dass der Zug die Prozession der grossen Panathenäen
vorstelle, deren Zweck eben war, der Athene einen neuge-
wirkten Peplos, der segelartig an einem Rollschiffe befestigt
war, zu überbringen. Allein wir bemerkten schon, dass die-
ser Peplos für die Athene Polias und nicht für die Göttin
des Parthenon bestinmit war und dass auch die als Ueber-
reichung des Peplos gedeutete Gruppe nicht darauf bezogen
werden könne, so dass damit der für dies Fest charakteri-
stische Zug aus der Darstellung schwinden würde, und da
wir nun auch andere für die Panathenäen charakteristische
Züge vermissen, die Kanephoren und die Schirm- und Sessel-
trägerinnen, so scheint diese Vermuthung unbegründet zu sein.
Auch in Betreff des Reiterzuges wissen wir zwar, dass er ein
Bestandtheil der Prozessionen überhaupt, nicht aber, dass er
den Panathenäen ausschliesslich eigenthümlich war.
Wenn also der Peplos und seine Ueberreichung nicht
der Zweck dieser Prozession ist, wer wird denn in 'Prozes-
sion hingeführt zu den Göttern, die in der Mitte des Frieses
thronen? Es ist klar, dass die vordere Hälfte des Zuges,
die Mädchen mit ihren Geräthen, die Opferthiere und die
Musikanten, nicht die Pointe des Ganzen sondern nur Ele-
mente enthält, die in ähnlicher Weise bei allen Opferzügen
Tempelsculptureii. XGd
wiederkehren. Auf den Vasen finden wir Prozessionen, wo
Opferthiere unter dem Klang von Kithar und Flöte, wo Schüs-
seln mit Opfergahen und Kauchfässer herzugetragen werden,
und so scheint auch hier die ganze vordere Hälfte des Zuges
nur die Bedeutung zu hahen, alle zu einem grossen Opferfest
wichtigen und nothwendigen Erfordernisse herbeizubringen.
Ebenso wenig aber kann in der Schaar der Reiter der gei-
stige Mittelpunkt des Ganzen gefunden werden, schon ihr
Platz am Ende der Prozession hindert. Wohl aber könnten
die Wagen^ welche die räumliche Mitte des Zuges einnehmen,
auch der Bedeutung nach das wichtigste Element desselben
sein, dasjenige, dem die Prozession gilt, und zu dem sich
die Fussgänger und Reiter wie Anfang und Ende verhalten.
Nun ist die Yermuthung ausgesprochen, dass im Par-
thenon die Sieger in den grossen Panathenäischen Spielen
ihren Siegerkranz erhalten hätten, eine Yermuthung, die uns
sehr wahrscheinlich scheint in Hinblick auf eine Classe später
zu erwähnender Votivreliefs aus Athen, in welchen die Pallas
ganz in dem Habitus der Göttin des Parthenon, wie Phidias
sie dargestellt hatte, als siegverleihende Göttin einem Sterbli-
chen gegenüber erscheint. Ausserdem war die Göttin des Tempels
als Siegverleiherin eben durch die Victoria auf ihrer Hand
charakterisirt. Dürften wir nun dies voraussetzen, so läge
hierin ein willkommner Anlass zur Deutung des Frieses. Die
Jünglinge auf den Wagen nämlich wären dann als die Sieger
in den Spielen zu betrachten, die in feierlicher Prozession
zum Tempel geführt würden, um dort ihre Kränze zu erhalten
und das grosse Siegesopfer zu feiern. So sehr wir indessen
an die Möglichkeit einer. solchen Feier glauben, so müssen
wir doch gestehn, dass wir uns auf dem Boden blosser Hy-
pothesen bewegen und nur nach Anleitung des Bildwerkes
eine entsprechende Wirklichkeit vorausgesetzt haben.
Von dem künstlerischen Charakter und der Schönheit
der Darstellung ist schon bei der Erklärung des Einzelnen
die Rede gewesen, hier bemerken wir nur noch, dass die
Arbeit, wie sich nicht anders erwarten lässt, sehr ungleich ist,
da ein Fries von mehr als 500 Fuss Länge nicht von einem
Künstler herrühren kann. Man vgl. z. B. die analogen Figu-
ren zweier Ordner im Westen und Osten an der Nordwest-
und Südostecke*, von denen erstere fiach und unbedeutend
• Im Griechischen Saal n. 223 u. 157.
170 Tempelsculpturen.
ist im Vergleich mit letzterer. Auch die Mähnen der Pferde
sind sichtlich verschieden behandelt, bald ganz straff, bald
wilder und bewegter, und geradezu fehlerhaft ist es, dass an
einem Pferde des Westfrieses, welches den Kopf gesenkt hat^
die Mähne nicht nach unten herabfällt*. Durchgängig ist
aber der flache Reliefstil meisterhaft gehandhabt, indem nur
einzelne Ftisse gelegentlich verkürzt sind. Endlich erwähnen
wir noch wenngleich zweifelnd die Bemerkung eines bedeu-
tenden Archaeologen, dass aus dem Friese des Parthenon
viele spätere Künstler die Motive zu ihren Werken genom-
men hätten, wie dies sichtlich der Fall sei mit einer Figur
der Ostseite**, die dem Mars in der Villa Ludovisi***, und
mit zwei Figuren der Westseite****, deren eine dem Dioskur
des Phidiasf, die andere dem sogenannten Jason ff ent-
spreche. Wir zweifeln an def Richtigkeit dieser Bemerkung^
weil die Aehnlichkeit, soweit sie vorhanden, eine direkte
Entlehnung nicht nothwendig voraussetzt. Uebrigens kommt
eine jener Figuren auf der Westseite noch einmal vor, und
zwar nach sehr kurzer Distanz, während sonst zwar auch
übereinstimmende Figuren gefunden werden, aber doch mit so
bedeutenden Zwischenräumen, dass sie nicht gleich in die
Augen fallen.
Im Jahre 437 v. Chr. wurde der Parthenon durch die
Aufstellung des Tempelbildes dem Cultus übergeben, und
damit ist ein Anhalt für die Datirung dieser Sculpturen ge-
geben. Wie lange man an dem Bau und Seinem bildnerischen
Schmuck gearbeitet habe, wissen wir nicht. '^
Die Geschichte der Zerstörung des Partlienou giebt Laborde Athenes
aux XVe, XVIe et XVIIe siecles Vol.* 2, wo audi die Carrey'schen
Zeichnungen der Giebelfelder und eine frühere und spätere Abbildung de»
Weber'schen Kopfes mitgetlieilt ist. Die besten Abbildungen der in
London befindlichen Werke in den marbles of the british museum VI^
der athenischen Fragmente bei Laborde le Parthenon pl. 26 — 28. üeber
die Auffindung und den Bestand der letzteren Ross Archaeol. Aufs. I
p. 90. 114. Curthis bull. 1840 p. 135. Stephan! Rh. Mus. 1846 p. 7.
Beule, l'acropole d'Athenes II chap. 2. Ein zur Orientining nützliches
Buch ist Ellis the Elgin and Phigaltüan mai'bles II.
* Im (iriechischen Saal n 212.
•• n. 149.
Wird nächstens aufgestellt werden,
n. 210 und 209.
t Im Treppenhaus n. 187.
tt In^ Niobidensaal n. 25.
\
Tempelsculpturen. 17X
In der von Cockerell (in den marbles of the british museiim) ver-
suchten Restauration des Ostgiebels ist die sogenannte Iris richtig mit
zurückgewandtem Kopf ergänzt , nichtsdestoweniger aber folgt der
Text der gewöhnlichen Erklänmg, dass sie etwas verkündige. Die
fehlenden Glieder der vorhandenen Figuren sind durchweg richtig an-
gegeben, nur Ist die Bewegung der rechten Hand an der liegenden
Figur der rechten Ecke gewiss nicht richtig, da diese Figur noch ganz
unbetbeiligt ist. Dass endlich die ganze Mitte, die CocktTell mit ruhig
stehenden Figuren angefüllt hat, ganz verschieden zu denken i%>t, geht
einmal aus der Scenc an sich hervor, die nicht so ruhige Zuschauer
duldet und ausserdem aus dem dahingehörigen Fragment, das Cockerell
freilich noch nicht kannte. Dieser Fehler ist in Falkener's Restauration
(im classical museum I) vermieden, dessen Gedanke übrigens, die Palla»
emporschwebend darzustellen, mir unplastisch und für die Zeit des Phi-
dias unmöglich scheint. Auch weiss ich nicht wohin sie denn schwebt.
Die Recension der Literatur beginnen wir mit Welcker's Aufsatz
in den A. D. I, 67 ft'., indem wir wegen der früheren Literatur eben
auf diesen verweisen. Hinsichtlich des Ostgiebels erklärt Welcker dit^
erhaltenen Figuren der Ecken als attische Dämonen, indem er für das
Ganze anninunt, dass Phidias darstellen wollte, „wie die neugeborene
Göttin zunächst für Athen geboren war." Ich gestehe, dass mir dieser
Gedanke klein und unpoetisch erscheint, ausserdem wird der klare Ge-
gensatz zwischen Ost- und Westgiebel verwischt, da in letzterem das
Verhältniss der Pallas zu ihrem Land deutlich ausgesprodieu war. Auch
vermisse ich in den einzelnen Figuren jeden Anlass, sie auf attische
Dämonen zu beziehen. Die Erklänuig des Herakles als Kekrops ist in
Welcker's Sinn, der die drei Frauen zur Rechten als seine Töchter er-
klärt, mindestens bedenklich, denn einen unbärtigen Mann als Vater drei
erwachsener Frauen einzuführen, konnte euiem Künstler schwerlich ein-
fallen, aber auch wenn wir die letztere Erklännig fallen lassen, so
würde Kekrops als unbärtiger Mann immer auffallend bleiben. Ob die
flrei Frauen zur Rechten schwi*sterlich zusanmiengehören, ist mir sehr
zweifelhaft, denn dass die mittlere der vorderen den Ann auf den
St'hooss lege, scheint zwar nach Carrey's Zeichnung der Fall zu sein,
nach dem Original aber ist es nicht so. Aber auch wenn sie zusam-
mengehörten, würde ich hier und in allen übrigen Fällen von einer Na-
mengebung abstehn, die ohne allen Anhaltspunkt im Gegebenen ist.
Nur das eine lässt sich mit Sicherheit annehmen, dass die in den Ecken
des Giebels befindlichen Figuren nach ihrem Platz nicht vornehmere,
simdern mehr untergeordnete Gottheiten vorstellen müssen. Ancli die
symbolischen Erklärungen Welcker's, wonach die letztt^ Figur zur Rech-
ten als Pandrosos genommen wird, „weil die ausgedehnte (tcstalt der
Verbreitung des Thaus oder dem Namen Pandrosos entspricht," und das
über die sogenannte Iris, die Welcker für Oreithyia erklärt. Gesagte, dem
ein Verkennen des Motivs ihrer Bewegung zu Grun<le liegt, sind für
mich nichts weniger als übei-zeugend.
In d#»r Erklänmg des Westgiebels geht Welcker ebenfalls, wie ich
glaube, zu wenig auf das in den erhaltenen Fragmenten Gegebene ehi,
wi dass er p. 110 meinen konnte, dass nur die mittleren Figuren auf
die Entscheidung zwischen den beiden Göttern gerichtet seien, da doch
das auf Seit(?h der Athene Erhaltene überall das Gegentheil wahrnehmen
lässt, wie es ja auch sowohl nach der Bedeutung der in <ler Mitte vor-
1 72 Tempelsculptureii.
gehenden Handlung — wie könnten dabei wohl die Anwesenden ruhig
sein ! — als nach den Gesetzen einer Giebeleomposition nothwendig ist.
Auf Carrey's Zeichnung, deren zahh-eiche Fehler und Ungenauigkeiten
eine genaue Vergleichung der Originale, die wir jetzt besser anstellen
können, als er, erkennen lässt, kann man sich in solchen Fragen- nicht
verlassen. Völlig in Widerspruch mit den Originalwerken ist das über
die Bewegung in der Gruppe von „Herakles und Hebe" p. 122 Be-
merkte, aber auch das Motiv der Mittelgruppe ist ebenso wenig ge-
troffen, wie in der Erklärung 0. MüUer's. Denn wie könnte Minerva bei
dieser Stellung sich ihrem Wagen zuwenden ? Sie müsste ja doch mehr
im Protil stehen und wenigstens den Kopf nach den Pferden hinwenden.
Besonders aber felilt jede Motivirung für die Stellung des Poseidon, die
deutlich nicht eine freiwillig erfolgte, sondern durch eine entgegentre-
tende Gewalt veranlasste ist. Aber auch abgesehn von dieser gegebe-
nen Stellung, wodurch wird denn — den Gedanken Welcker's einmal
zugegeben — Poseidon zum Zurückweichen veranlasst ? Der Mythus
erklärt dies vortrefflich dadurch, dass er ein Eingreifen des Zeus in den
Streit der Götter und die Einsetzung eines Gerichtshofes dichtet; wäre
dies auch im Bilde gemeint, so hätte der Künstler es andeuten müssen,
denn sonst muss man glauben, dass Poseidon- aus freien Stücken weicht,
was ja doch eine nach dem Charakter des Gottes unmögliche Annahme
ist. Vielmehr Phi«lias hat nicht einen Moment nach dem Streit, son-
dern den Streit selbst dargestellt, aber er hat dabei seine Landesgöttin
in einer Weise charakterisirt, die das Eingreifen des Zeus, durch wel-
chen der Mythus den Streit schlichtet, überflüssig erscheinen lässt. Dass
er sich* nicht gescheut hat, die Möglichkeit eines Conflicts zwischen
Pallas und Poseidon anzudeuten, scheint mir im Hinblick auf die Götter-
kämpfe des Epos keiner weiteren Rechtfertigung zu bedürfen. Nach
meiner Ansicht hat daher der von Welcker nicht sehr gerecht beur-
theilte Lloyd die Bewegung der Hauptfiguren im Wesentlichen richtig
aufgefasst.
Overbeck (Gesch. d. gr Plast, l. 243 ö'.) schüesst sich au Welcker
an, nicht ohne einige meistens gegründete Ausstellungen im Einzelnen,
aber er behält den alten Irrthum bei, dass die Ins etwas verkündige
und fügt den neuen grösseren hinzu, dass auch Nike abwärts, also nach
der Ecke des Giebels, gleichfalls um etwas zu verkündigen schwebe.
Von der Verkennung der Bewegung abgesehn, so steht schon dies
seiner Ansicht entgegen, dass wir dann den einheitlichen Raum des
Giebelfeldes in zwei Lokalitäten, Olymp und Erde, zu zerlegen hätten,
was doch wohl seine Schwierigkeiten hätte.
Die Abhandlung Lloyd's on the eastern pediment of the Parthenon,
London 1861, ist mir leider nicht zugänglich gewesen, ich habe nur
durch den Archaeol. Anz. 1860 p. 84 von seinen beiden schönen Ent-
deckungen der Selene und des rechten Oberschenkels der Nike Kunde.
Stephani Compte-rendu i>our l'annee 1864 i>. 80 meint, der Torso der
Selene könne ebenso gut einer Artemis angehört haben, aber wie soll
dann die Stellung erklärt werden, die gerade für Selene so charakteri-
stisch ist? Derselbe meint ferner a. a. 0. p. 54 ff., dass die Erschei-
nung des Helios und der Selene die bewundernde. Theilnahme der Na-
tur an der Geburt der Pallas ausdrücken solle. Allein dann müssten
sie ja doch in irgend einer Theilnahme ausdrückenden lUition darge-
stellt sein, so wie auf dem christliclien Diptychon, das Stephani p. 68
Tempelsculpturen. 1 7 3
für seine Auffiusung anführt, da es ihr doch widerspricht Denn sie
sind hier nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur dargestellt und wirken
nur durch ihre Präsenz, nicht durch besonderu individuellen Ausdnick.
Die Vermuthung von Beule Pacropole d'Athenes, II chap. 2, dass
das westliche Giebelfeld von Alcamenes, das östliche von Phidias sei,
scheint mür zu denjenigen zu gehören, die mau im Hinblick auf das
geringe uns erhaltene Material gar nicht aufstellen sollte.
Die 16 in London und Paris befindlichen Metopen sind am besten
abgebildet und erklärt in den Marbles of the Brit. mus. VIL Die Car-
rey'schen Zeichnungen und die Metopen, die sich noch am Tempel befin-
den, bei Laborde le Parthenon pL 5 ö*., darunter pl. 5 u. 7 die Metope
mit dem Pegasus. Die kleine Flügelgestalt von der Nordseite ist abge-
bildet Revue archöol. 184Ö p. 16; vgl. bullet, d. inst. 1845 p. 169. 0.
Jahn Arch. ßeitr. p. 128. Ueber das Ganze vgl. Bröndsted Voyage
en Grecc IL Beulö l'acropole d'Atheues 11, eh. S. Overbeck Gesch. d.
gr. Plastik I, 256 und das dort Citirte.
Der Fries ist, soweit er sich in London befindet, abg. in den
Ancient marbles of the british musenm VIII. Dazu kommen als Er-
cränzung die Carrey'schen Zeichnungen und die Abbildungen einiger
späterer Funde bei Laborde le Parthenon, endlich Stuart antiquities of
Athens II pl. 13—30. IV pl. 6—28. Ueber die spätem Funde luid das
noch in Athen Befindliche vgl. Ross Archaeol. Aufs. I p. 5. 8. 113.
bullet. 1833 p. 89. 140. 1840 p. 66. Stephani im Rhein. Mus. 1846 p. 7.
Hinsichtlich der Erklärung ist besonders der Text zu den ancient
marbles von Hawkins oder wie E. Braun, Annali 1854 p. 17 sagt, von
Birch zu vergleichen. Hier sind zuerst die Stühle an der Ostseite als
das erkannt was sie sind, wenngleich noch eine unhaltbare Vermuthung
daran geknüpft wird, und es ist Overbeck (im Rhein. Mus. 1859 p. 161),
dessen Polemik gegen Petersen ich vollkommen beistimme, nicht gelun-
gen, die Stühle zu beseitigen. Mir scheint es am wahrscheinlichsten,
dass die beiden Stühle keinen andern Zweck haben als diesen, der Frau
neben den Mädchen und dem Mann neben dem Knaben Sitze zu ver-
achaffen und dass die correspondirende Scene der angeblichen Peplos-
liberreichung auch etwas Analoges bedeuten mnss, dass aber mit dieser
äiis»erlich bedeutmigslosen Handlung ein für das Ganze wichiip^er Mo-
ment indicirt wurde. Ausserdem ist besonders 0. Müller Kl. Sehr. II,
555 zu vergleichen, dessen Apobaten und Hamillen ich mir freilich
nicht aneignen kann, der aber namentlich das Verdienst hat, die letzte
Güiiergruppe zur Rechten richtig erklärt zu haben. Seine Bemerkung
über die Gypsabgüsse, in denen dieselbe am richtigsten erhalten, wurde
über»ehn oder für/ irrthümlich erklärt, ist aber neuerdings sehr sx-harf-
»inidg von Michaelis Nuove memorie dell' inst. p. 183 tav. 8 als voll-
kommen richtig nachgewiesen. Der überzeugenden Ahhan<llimg des
Letzteren über die Göttergnippen folgt in den meisten Punkten unser
Text. Von Bötticher's Vermnthungen über den Parthenon (Erbkam's
Zisrhr. f. Bauwesen 1852. 1853) kann ich mir nur diejenige aneignen,
düs* die Sieger in den panathenäischen Spielen im Tempel ihren Kranz
♦•riiahen hätten. Vgl. ausserdem Beule Pacropole d'Athenes II, eh. 4
u. Overbeck Gesch. d. gr. Plastik I p. 264.
\T4: Tempelsculpturen.
298. Die eleusinischen Gottheiten*, Marmorrelief,
1859 in Eleusis gefunden und in Athen befindlich.
Es ist kein Zweifel, dass in den beiden Frauen Cora
und Demeter zu erkennen sind, aber man schwankt in der
Vertheilung der Namen. Uns scheint die Figur zur Linken
entschieden jugendlicher und namentlich lässt der deutlich be-
absichtigte Gegensatz zwischen einer strenger gehaltenen, in
Haar und Gewandung einfacheren und einer mit reicherem
und prächtigerem Detail bedeckten Figur nicht zweifeln, wo
wir die Jungfrau und wo die Matrone zu suchen haben. Es
ist ein die ganze griechische Kunst durchdringender und auch
sehr natürlicher Zug, die Jungfrau möglichst schlicht und an-
spruchslos, die Matrone dagegen reicher darzustellen.
Aber wie der Knabe in der Mitte der Frauen zu be-
nennen und welche Handlung zwischen ihnen vorgehe, ist
sehr schwer zu sagen. Die Frau mit dem Scepter, Cora,
scheint ihm etwas zu übergeben, was ein kleiner Gegenstand
gewesen sein muss, da sie ihn mit spitzen Fingern gefasst
hielt, die andere Frau, Demeter, setzt ihm einen Kranz auf.
Man bemerkt vor dem Kopf des Knaben ein Bohrloch, das
zur Befestigung des Kranzes gedient haben wird, der andrer-
seits durch den freiabstehenden Daumen der Demeter gehaf-
ten wurde. Der Knabe ist Triptolemus, Jacchos, auch Plutos
genannt, aber jeder dieser Benennungen stehen erhebliche Be-
denken entgegen.
Farbenspuren haben sich nicht erhalten, aber ausser
dem Kranz waren noch andere Zierrathen von Metall ange-
fügt, wie die zurückgebliebenen Bohrlöcher beweisen. De-
meter nämlich hatte Armband, Halsband und Ohrringe und
auch dieser Schmuck trug dazu bei, ihr im Gegensatz zu
ihrer Tochter einen reicheren Charakter zu verleihen.
Es giebt kaum ein zweites Werk der griechischen Kunst
von so eminent religiösem Charakter wie dieses. Die Götter
am Parthenonfries machen im Vergleich mit der ernsten
Feierlichkeit, ja man möchte sagen, Andacht, die über die-
ser Cömposition ausgebreitet ist, den Eindruck heiterer An-
muth. Gerade in dieser Beziehung ist das- Relief wahrhaft
imschätzbar, es ist der schönste Repräsentant einer Kunst-
richtung, die vom Glauben getragen wird.
Indessen darf uns der freiere Charakter der Götter des
* Im Archaeolog-ischen Apparat der Kgl. Universität.
Tempelsculpturea. 1 7 5
Parthenonfrieses nicht abhalten, dem Relief eine gleichzeitige
Entstehung zu vindiciren. Die Cora stimmt nämlich über-
raschend mit den Mädchen an der Ostseite dieses Frieses
überein und der hervorgehobene Unterschied in der Darstel-
lung der Götter kann ebensowohl aus der Verschiedenheit
der Situation wie aus der Verschiedenheit der Zeit abgeleitet
werden. .Wenn sich die Götter zur Theilnahme an einem
Fest ihres Volkes versammeln, so wird ihr Benehmen freier
und zwangloser sein, als wenn sie, wie wir hier voraussetzen
müssen, in einem religiös bedeutsamen Sinn vorgestellt sind.
Das Relief hat gewiss dem Cultus gedient, aber wir wissen
nicht, wo es angebracht war, es würde in schönster Harmonie
mit einer ernsten architektonischen Umgebung stehn.
Vgl. buUet. 1859 p. 200. Abg. Monum. d. inst. VI, tav. 45 mit
der Erklärung von Welcker Ann. 1860 p. 454 und dem Zusatz von
Michaelis p. 470 ff. Vgl. Welcker's A. D. V p. 104 ff. und Arch. Auz..
1861 p. 166. TrijJtoIemus ist als Knabe dargestellt auf dem in Annali
1854 tav. 10 publicirten Relief, mit dem es aber, wie auch der Heraus-
geber meint, eine besondre Bewandtniss haben mag. Jacchos dagegen
wurde als kleines Kind gedacht, wie Stephani Compte-rendu p. ranne»»
1859 p. 40 bemerkt; was dagegen angeführt ist, scheint mir nicht b«!-
weisend. An Plutos endlich mit Stephani a. a. 0. p. 106 Anni. 2 zu
<l»?nken, hindert mich schon der Mangel aller Attribute.
299. Orpheus und Eurydice*, Marmorrelief in Villa
AlbanL Ergänzt sind beide Ftisse des Orpheus, der rechte
Fasi» der Eurydice, die rechte Wade und der halbe Unter-
ann des Hermes. Die Hand desselben ist übrigens, wie die
beiden Wiederholungen des Reliefs in Neapel und Paris zei-
gen, richtig ergänzt, nur musste sie viel flacher gehalten
werden, sie springt in unangenehmer Weise aus der Fläche
heraus.
Die Deutung dieses Reliefs auf Orpheus und Eurydice ist
dorch die Darstellung selbst und auch durch Inschriften^ die ein
andres in Neapel befindliches Exemplar hat, gesichert. Die
gewöhnliche Sage berichtet, dass Orpheus, als er gefolgt von
der wiedergewonnenen Gattin auf die Oberwelt zurückkehrte
und nun das Gebot sich nicht umzusehn übertrat, nur einen
letzten Blick auf die Entschwindende habe werfen können,
der Künstler dieses Reliefs hat statt dessen ein kurzes Bei-
sammensein in schmerzlicher Zärtlichkeit dargestellt. Eurydice
neigt sich innig hin zu Orpheus und hat, als könne sie nicht
Iqi Niobidensaal n. 114.
1 76 Tempelsculpturen.
von ihm lassen, die Hand auf seine Schulter gelegt, ihr ant-
worten die Bewegungen des Orpheus, der sanft seine Hand
auf die ihrige zu legen im Begriff ist Aber es ist nur ein kur-
zer Moment des Wiedersehens, denn schon hat Hermes, der
Seelenführer, di^ Eurydice bei der Hand ergriffen, um sie
wieder hinab zu führen. Doch auch dem Gott wird es
schwer, das Paar zu trennen, ein Zug des Mitleids ist auf
seinem Antlitz zu lesen und die Rechte presst sich wie in
schmerzlicher Bewegung zusammen. Sein Herz widerstrebt
der Pflicht des Berufs.
Den Helm des Orpheus findet man öfter an Amazonen,
es ist jedenfalls eine ausländische Tracht gemeint; an den
Stiefeln, die den Wandernden charakterisiren, ist der über-
fallende Rand nur durch einen Einschnitt bezeichnet, ver-
muthlich weil der Künstler auf malerische Zuthat rechnete.
Hermes trägt nach älterer Weise ausser seinem kurzen Man-
tel ein Untergewand, charakteristisch ist an ihm der herab-
fallende Hut und der krauslockige Kopf, seine ganze Erschei-
nung stimmt merkwürdig überein mit den Jünglingen am
Parthenonfries. Es ist derselbe Schnitt des Kopfes mit den
kleinen, auch noch zu hoch stehenden Ohren, und das gra-
ziöse Motiv des aufgeschürzten Rockes findet sich dort ebenso.
Aber auch die übrigen Figuren tragen in der Gewandung
und in dem zarten Ausdruck den Stempel attischer Kunst
und zwar der Biüthezeit. Das Relief kann nicht lange nach
dem Parthenonfries entstanden sein, es gehört an das Ende
des fünften Jahrhunderts.
Original ist es übrigens so wenig, wie jene anderen Exem-
plare. Dagegen sprechen mehrere auffallende Fehler, z. B.
ist die linke Wade des Hermes verzeichnet, der rechte
Daumen der Eurydice zu kurz u. s. w.
Es wäre möglich, dass diese Copien zum Schmuck von
Gräbern liebender Gatten bestimmt waren. Dies würde we-
nigstens der römischen Sitte entsprechen. Die Sarkophag-
darstellungen zeigen, wie man durch analoge Bilder des
Mythus die Verhältnisse des Gestorbenen und der Ueber-
lebenden auszudrücken liebte.
Das Relief ist eines der schönsten Beispiele für die
schon von Winckelmann richtig erkannte, wenn auch nicht
richtig begründete Eigenthümlichkeit der griechischen Kunst,
den Affekt möglichst zn mildem in der Darstellung. Wie
zart und leise, nur durch sanfte stumme Geberden ist hier
T«*miM'lsciilj)tnnMi. 177
der grosse Schmerz ausgedruckt! Die Poesie kann sich
freier bewegen in der Schilderung von Seelenbewegungen,
der Plastik ziemt es das Natürliche im Ausdruck der Iiinipfin-
dnng, das immer mit Heftigkeit verbunden ist, gleichsam zu
dämpfen und in edle Zucht zu nehmen, wodurch es an Wir-
knng nicht verliert. Dies Gedämpfte und Gemässigte ist'
aber nur der Bltithezeit der Kunst eigen, später machte die
Xatnr ihre Ungebundenheit geltend.
Abg. Zo^ga bassirü. I, 42. Dhi Boisohrit't«n lies Pariser Exeiiiplain
.\ii]{»biüii, Antiopa, Zethus sind nach den Bemerkungen von Zoega bei
Weicker A. D. 2, 319 Anm. für modern zu halten, womit, wie (.). Jalm
Archaeol. Ztg. 1853 p. 84 mit Recht bemerkt, jeder Grund zu der An-
iiahme wegfällt, man habe eine ursprünglich auf Orpheus bezügliche Dar-
stellung für einen andern Mythus benutzt. Und das um so mehr, weil die
Composition, wie Zoega I, p. 196 sehr überzeugend ausgeführt hat,
gar nicht der nach jenen modernen Inschriften vorauszusetzenden Scene
entspricht. Jahn a. a. 0. bezweifelt auch die Aechtheit der griechisclien
Inschriften des Neaplers Exemplars mit erlieblichen Gründen. Anderer-
seits vgl. Gerhard Neap. Ant. n. 206, wo nur HPMH2J, nicht aber
HYPIJIKU sondern EYPYdIKH angegeben wird.
Zoega, der zuerst die richtige Deutung gab gegen Winckelmann
(monum. ined. 85), irrte doch in der Bestimmung des Moments, was in
der Beschreibg. Rom's 3, 2, 531 hervorgehoben wird. Aber wie er
den Gestus des Orpheus auffasst (ella tntta rivolta al suo consort«; ed
amante la man gli pone sulla spalla ed egli allerra la mano di lei,
come se cambievolmente cercasser d'accertarsi avore l'uno l'altro riavuto,
anco Ic lor facce chinandosi I'una ver l'altra come per riunirsi) scheint
mir richtiger als Jahn's Bemerkung, er berühre mit seiner Hand sanft
die ihrige, als wolle er sie entfernen \md „er sucht seines Fehls einge-
denk in schmerzlicher Resignation den Abschied herbeizuführen." Ich
linde dies nicht so schön und natürlich, auch scheint mir die Bewegung
der Hand mehr Zoega's Annahme zu empfehlen. Ueber den Helm des
Orphens vgl. die Anm. zur Wiener Amazonenstalue n. 53. Das harte Ur-
theil Zoega's über den Stil des Reliefs, das er vor Phidias entstanden
glaubt, scheint jetzt unbegreiflich, es gehört (üner Zeit an, als man die
Sculpturen vom Parthenon und überhaupt griechischen Stil noch nicht
genauer kannte. Besonders zu empfehlen ist die Schilderung des Re-
liefs in E. Braun's Ruinen und Museen Rom's p. 649 tt'., wo es mit
Recht nicht als Original (wie in der Beschreibg Rom's a. a. 0. gemeint
ist) sondern als Wiederholung eines Werks aus der Schule des Phidias
angesehn wird. Nur die Schlussbemerkung: „Man sollte vermuthen,
dass Hei-mes den Schlangenstab gehalten habe. Von dem Vorhanden-
sein des letzteren zeigt sich indess keine Spur, was um so weniger
Wunder nehmen wird, als die Alten in ähnlichen Darstellungen derar-
tiges Beiwerk, selbst Waffen und was zur <largestellten Handlung gehört,
nur durch den ausdnicksvollen Gestus der Hand und des Arms anzu-
deuten pflegen" — ist im Allgemeinen gewiss richtig, aber gilt nicht
für so flachgehaltene Reliefs wie das unsrige, wo nichts hinderte, das
Attribut anzugeben.
Friederichfl, griech. Plastik. 12
178 Tempelsculptureu.
300. Angeblicher Hermes mit dem kleinen Bac-
chus*, Fragment eines Marmorreliefs, im Jahre 1840 in
Athen an der Akropolis gefunden, ebendaselbst befindlich.
Man nimmt an, dass dieses Bruchstück zu der Figur
eines Hermes, der ein Kind, Bacchus oder Jon, davontrage,
gehört habe, indem man darin eine Uebereinstinunung mit
vollständig erhaltenen Gruppen dieses Gegenstandes zu er-
kennen glaubte. Doch ist dabei die Stellung des rechten
Beins nicht beachtet, das, wenn es einer einfach fortschrei-
tenden !Figur angehört hätte, mehr ins Profil gestellt sein
müsste. Möglich wäre nur, diese Beine zu einer fortschrei-
tenden und zugleich sich umschauenden Figur zu ergänzen,
aber auch Andres, z. B. ein Krieger in der Stellung der se-
kundirenden Figur in der Gruppe des Kritios n. 24. 25., wäre
möglich, so dass der Gegenstand unbestimmt bleiben muss.
Was den Stil betrifft, so weisen die kräftigen und lebendigen
Formen in die schönste Zeit der attischen Kunst und nicht
mit Unrecht sind die Metopen des Parthenon verglichen.
Abjj. bei Ussiiig Griech. Reisen und Studien Taf. 2, der annimmt,
das Fragment gehwe zu einer Gruppe, die den Hennes darstelle, das
ßacchuskind den drei Grazien überbringend, und von dem Phiiosopheu
Socrates, der in friilieren Jahren Bildhauer war, herriihre. Dem stimmt
ßmun im bullet. 1858 p. 128 bei, während 0. Jahn Arch. Ztg. 18G0
p. 128 daran zweifelt und auf Göttling's Angabe ehies andern Fundorts
gestützt, Hermes mit dem kleinen Jon dargestellt glaubt. Auch Stephani
Compte-rendu p. l'annee 18G1 p. 17 A. 3 zweifelt an Ussing's Annahme,
und uns erselieint sie nach dem im Text Bemerkten irrthümlich, indem
höchstens ein sich umschauender Hermes, wie auf dem Relief bei Müller-
Wieseler II, 34, 392 dargestellt sein könnte, der hi Ussing's Scene nicht
hineinpassen würde. Beule I'acropole d'Athenes I, 290 findet den Stil
den Äletopeil des Parthenon ähnlich.
301 — 323. Reliefs vom Apoliotempel in Phigalia*,
im Jahre 1812 durch dieselbe Gesellschaft von Deutschen
und Engländern, welche die äginetischen Statuen auffanden;
entdeckt und im britischen Museum befindlich.
Der Fries befand sich im Innern der Cella des Tempels
über den Halbsäulen, welche den offnen Raum des Innern,
das Hypaithron, umgaben. Er ist von einigen leicht zu er-
gänzenden Verstümmelungen abgesehn vollständig erhalten,
da seine Ausdehnung mit den durch die Dimensionen der
* Im Trejipenhaus n. 31.
** Ebendas. n. 134—156.
Tt'iiipelsculptui'eii. 179
Cella gegebenen Maassen übereinstimmt^ die beiden ungleich
langen Hälften desselben^ der Amazonen- und Centaurenkampf
können daher nicht so vertheilt werden, dass jede derselben
je zwei Seiten, eine längere und eine schmalere Seite ein-
nahm, sondern die längere Amazonenschlacht griff noch mit
einer Platte auf die zweite LAngseite hinüber. Die Eck-
platten konnten ausfindig gemacht werden, innerhalb dersel-
ben ist aber die ursprüngliche Anordnung nicht mehr mit
Sicherheit anzugeben, denn die einzelnen Platten schliessen
in der Regel mit vollen Figuren ab, der Künstler hat die-
selben abweichend von der sonstigen Praxis so eingetheilt,
dass ihre Fugen gewöhnlich nicht mitten in eine Figur hin-
ein, sondern in den Zwischeiuraum zweier Figuren fallen.
Aas den Kampfscenen selbst aber Aufschlüsse über ihre
nrsprüngliche Disposition zu gewinnen, ist uns nicht gelungen,
and wir bezweifeln, dass ein bestimmter Fortgang der Aktion
darin aufzufinden sei.
Der Grund für die Theilmig des Reliefs in ungleich
lange Hälften liegt vielleicht darin, dass eine enge, die
architektonische Trennung möglichst aufhebende Verbindung
aller Seiten des Frieses beabsichtigt war, besonders aber in
der dem Götterpaar, Artemis und Apollo, zugedachten Rolle.
Wurden der Amazonen- und Centaurenkampf auf je zwei
Seiten des Frieses genau vertheilt, so konnten die Götter,
die übrigens in keinem Fall eine architektonisch wichtige
Stelle eingenommen haben, nur zu einer oder der andern
Scene hinzugezogen wurden, jetzt dagegen befinden sie sich
in der Mitte zwischen beiden und zwar ohne durch eine Ecke
von einer derselben getrennt zu sein, sie müssen also als
Helfer in beiden Kämpfen aufgefasst werden, wenngleich sie
sich zunächst den Centauren als den gefährlicheren Gegnern
der Griechen zuwenden.
Die Composition dieses Frieses ist von der liöchsten
Lebendigkeit, in keiner Scene des Amazonen- noch des Cen-
taurenkampfs, soviel wir ihrer kennen, offenbart sieh eine
so kecke und erregte Phantasie. Schon in der Erfindung,
indem wir nur hier gewisse kleine Züge finden, welche die
Wildheit des Kampfs ungemein steigern. So bemerken wir
auf der Seite der Amazonen einen Altar, von dem eine
Schutzttehende gewaltsam fortgerissen wird, und eine ähnliehe
Scene am Schluss der Centaurenschlacht, wo bei einem klei-
nen Götterbild alterthümlicher Art zwei Frauen Schutz suchen.
12*
130 Tempcisc'ulptureii.
Dahin gehört auch die Einführung der Kinder in die Cen-
taurenschlacht.
Weder am Parthenon noch Theseion linden wir ähnliche
Züge und man möchte glauben ^ dass der Künstler sie au»
eigner Phantasie um Schrecken und Verwirrung zu steigern
hinzugefügt habe. Auf beiden Seiten wogt der Kampf mit
der äussersten Wildheit; während aber das Wilde und
Schreckliche auf der Seite der Centauren ziemlich ohne
Milderung, wie bei solchen Gegnern nicht anders zu erwar-
teU; dominirt, wird es im Amazonenkampf durch viele rührende
Scenen unterbrochen, durch die Sorge um die Verwundeten^
die sich besonders schön in der Gruppe ausspricht, wo ein
Freund den andern aus dem Gefecht führt*, oder durch die
sanfte Schönheit Sterbender, wie in der unvergleichlichen Figur
der mit schlaffen Knien und Armen zusammensinkenden Ama-
zone**. Auch regt sich in Freund und Feind das Mitge-
fühl mit einander, wie in der Gruppe wo eine Amazone einen
verlorenen Griechen vor dem Todesstreich ihrer Gefährtin
zu retten sucht***, und in der andern, wo ein Grieche mit
theilnehmender Geberde eine auf den Tod verwundete Ama-
zone vom Pferde hebt****.
Von einzelnen bestimmten Figuren lässt sich im Ama-
zonenkampf nur Theseusf hervorheben, der durch das Ld-
wenfell kenntlich die Keule gegen eine berittene Amazone
schwingt, in welcher wir die feindliche Führerin voraussetzen
dürfen; in dem Centaurenkampf ist ausser dem bogenschiessen-
den Apollff, den Artemis als Lenkerin des Hirschgespannes
begleitet, in der letzten Figur, hinter welcher der Baum mit
dem Löwenfell steht, ebenfalls Theseusf ff zu erkennen,
ausserdem noch Käneusffff, den die Centauren in die Erde
drücken, in einer mit dem westlichen Fries des Theseion
übereinstimmenden Gruppe.
Es sind also Thaten des attischen Nationalhelden The-
seus in diesen Reliefs verewigt, ohne dass wir einen Grund
* 11. 145.
** II. 135.
*** 11. 136.
**** II. 141.
t n. 141.
tt H. 146.
ttt ". 156.
ttü- ". 153.
Teiii|»elscul|)lni'ei). lÖl
fär die Wahl dieses Gegenstandes au diesem Ort angeben
könnfen. Wir bemerkten auch schon oben, dass der Ceutau-
renkampf ein zu häufig an griechischen Tempehi vorkommen-
der Gegenstand sei, als dass man überall speciellere Bezie-
hnngen annehmen dürfe. Nur das ist klar, dass die Einführung
des Apoll als Beistandes der Griechen durch die Rücksicht
auf den Gott des Tempels, der hier speziell als Epikurios,
als Helfer in der Noth verehrt wurde, veranlasst ist.
Für die Zeitbestimmung des Werkes haben wir daran
«inen Anhaltspunkt, dass Ictinos, der Erbauer des Parthenon,
aach diesen Tempel erbaut hat. Gewiss aber ist der Bau
oder wenigstens das Relief nach dem Parthenon entstanden,
äe Sculpturen haben einen leidenschaftlich erregten Charak-
ter, der uns bereits an die Weise des vierten Jahrhunderts
erinnert. Auch ist die Composition von ähnlicher Freiheit
wie am Niketempel, indem die Kämpfer paare abwechsehi
mit figurenreicheren Scenen, und mehrere Male ist gegen den
strengen Reliefstil gefehlt, besonders fühlbar und unschön in
dem stark verkürzten Oberkörper eines todten Centauren*.
Andrerseits ergiebt eine Vergleichung mit den Reliefs vom
Mausoleun^, dass sie diesen noch beträchtlich an Alter vorange-
hen. Die Gesichter sind ohne allen pathetischen Ausdruck, ja
meistens ganz unbetheiligt, und statt der schlankeren Figuren
der späteren Zeit finden wir hier vielmehr derbe, untersetzte
Gestalten. Auch das ist vielleicht nicht zufällig, dass die
Tracht der Amazonen hier fast durchgängig die hellenische ist.
Dass der Fries übrigens kein Originalwerk ist, zeigt
schon die erwähnte Uebereinstimmung mit dem Theseion in
der Käneusgruppe. Zudem ist ein entschiedener Widerspruch
vorhanden zwischen der schönen, lebensvollen Erfindung und
der oft handwerksmässigen Ausführung. Man vergleiche z.B.
die Hand an der oben erwähnten schönen zusammenknicken-
den Amazone.
Abj^. bei Stufkelberjj^, der A|M»llotem|)t.'l zu Hassae 1828. Bassiri-
lievi della (ircria disegu. da G. M. Wa{?ii(T 1814. Marbles of tho
British nuisouni I\'. Vgl. Ovcrbcck Gesch. d. grieeh. PI. I \k 331 fl'.
Fig. 61. 02.
Ueber die \'«Ttheihuig der Friesplatteii hat küi-zlith Ivaiiotf in Ann.
1865 p. 29 tav. A naeli geiKin<'n Messnngen eine Ansicht anfgestelh,
der ich mich anschÜessen musste, ohne freilich in alh*in Einzehien, wo-
rin er ja selbst Freiheit hlsst, mit ihm übereinstimmen zn können. So
* n. 148.
132 Tompelsculpturen.
glaub« ich nicht, dass die fünfte und sechste Tafel auf der linken dem
Amazonenkampf angewieseneu Langseite, die zusammen vier sehr analoge
Paare enthalten, unmittelbar auf einander folgten.
324 — 334. Sculpturen vom Erechtheum.
a) Zwei Karyatiden*, die eine aus Athen, die andre aus
London.
Die Karyatidenhalle an der Südseite des Erechtheums
hat in verhältnissmässig gutem Zustande die Stürme der
späteren Zeiten überdauert. Noch fünf Mädchen standen an
ihrem Platze, als die englischen Architekten Stuart und Re-
vett im Anfange der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
die Monumente des alten Athen aufnahmen, die sechste war
verschwunden, der Torso derselben und der gänzlich zer-
schmetterte untere Theil sind aber im Jahre 1837 wieder
aufgefunden. Wahrscheinlich ist sie bei der venetianischen
Belagerung im Jahre 1687 von einer Bombe getroffen wor-
den, doch konnten die Reste zusammengesetzt und ergänzt
und die Figur im Jahre 1846 wieder aufgerichtet werden.
Eine weitere Beschädigung erfuhr das Gebäude im Anfange
dieses Jahrhunderts durch Lord Elgin, der eine Kjyyatide,'die
mittlere nach Westen zu**, nach London entfühi-te, wo sie
sich jetzt im britischen Museum befindet. An ihre Stelle ist im
Jahre 1846 ein Abguss mit eiserner Axe getreten und auch
eine dritte Karyatide, die am Boden lag, ist mit unbedeu-
tender Restauration im Jahre 1837 wieder aufgerichtet, so dass
also der ursprüngliche Zustand des Gebäudes so weit es
möglich war restituirt ist. Die Hände sind an keiner einzi-
gen Karyatide erhalten. Die Gewänder waren wahrscheinlich
bemalt, man will wenigstens Spuren blauer Farbe in den
Falten der Londoner Karyatide bemerkt haben.
Der Gedanke, menschliche Figuren an die Stelle von
Säulen zu setzen, ist von den Griechen, wenn auch nicht aus-
gegangen, doch in der edelsten und zweckmässigsten Weise
realisirt. Kleinere Geräthe, Thronsessel, Dreifüsse, Spiegel
u. s. w. durch belebte Träger zu stützen, war schon lange
üblich, in der Architektur ist es wohl vor den Perserkriegen
nicht der Fall gewesen. Und zwar hat man, wie es scheint,
* Im Grieohisehen Saal n. 40. 41. Im Treppenhaus befindet sich
eine Naehbildimg der ganzen Halle, wo nnr hinter jeder Eckfignr eine
Karyatide zn suppliren ist.
** n. 41 ; die andere n. 40 ist ihre Nachbarin an der westlichen Seite.
Tempelsciilplureii. 133
zuerst Repräsentanten besiegter Völkerschaften zur Verrich-
tung (lieser Sklavenarbeit ausersehn, denn nach glaubhaften
Nachrichten stammt der Name der Karyatiden von der im
frtnflen Jahrhundert wegen irgend einer Schuld zerstörten
Stadt Karya, deren Frauen als Trägerinnen schwerer Lasten
dargestellt Schuld und Strafe der Stadt verewigen sollten.
Eine derartige, sei es historische oder in der Bestinmmng
des betreffenden Gebäudes begründete Beziehung wird wenig-
stens in der Bliithe der griechischen Kunst wohl immer die
Wahl solcher Figuren veranlasst haben, einen rein omamen-
talen Charakter erhielten sie wahrscheinlich erst später.
Die Karyatiden vom Erechtheum sind Mädchen mit einem
Korbe auf dem Kopf, Korbträgennnen, Kanephoren, welcher
Name die attischen Mädchen bezeichnet, die bei Götterfesten
Opfergeräthe in einem Korbe auf dem Kopfe trugen. Ent-
weder liegt ihnen nur dieser allgemeinere Gedanke zu Gnnide,
dass sie als Gehülfinnen heiliger Handlungen auch die kleine
Seitenhalle des Götterhauses tragen, oder sie stehen in noch
speziellerem Bezug zu demselben als Arrhephoren d. h. als
die Mädchen, die priesterliche Dienstleistungen im Erechtheum
verrichteten und namentlich alljährlich an einem bestimmten
Tage gewisse verborgene Heiligthümer in einem Korbe auf
dem Kopf nach der Unterstadt trugen. Docli ist die letztere
Annahme weniger wahrscheinlich, weil die Arrhephoron viel
jünger waren als diese Karyatiden.
Die Mädchen tragen eine nur leiclite I^ast, ein Gebälk
jonischen Stils, welchem noch zur möglichsten Erleichterung
der Fries fehlt. Ueberhaupt ist wohl nur unter leichteren
Insten die menschliche Figur, zumal die -der Frau, passend,
als Hauptsttitze blieb bei den Griechen die starre, unbeweg-
liche Säule fortwährend in Gebrauch.
Aus der Bestimmung der Mädchen, gleich Säulen zu
tragen, kann ihre ganze Erscheinung abgeleitet werden, das
architektonische Gesetz beherrscht sie, ohne freilich alle und
jede Freiheit auszuschliessen. Zunächst können sie so wenig
wie die Säulen, individuell verschieden sein, sie sind auch
bis auf eine auch wieder aus einer architektonischen Forde-
rang resultirende Verschiedenheit — . kleine Abweichungen in
Haaranordnung und Gewandfalten sind unwesentlich — unter
einander völlig gleich. Diese Verschiedenheit besteht darin,
dass die drei zur Rechten des vor ihrer Front Stehenden
tdch auf das linke, die drei zur Linken auf das rechte Bein
1Ö4 TempelstMil|>turen.
stützen. Es war uämlich nothwendig, dass die vier Karyatiden^
die eine Aussenseite haben, das Stützbein mit seiner sich der
senkrechten nähernden Linie nach aussen richteten, die ge-
krümmte Linie des Spielbeins wäre an der Aussenseite schwach
und unharmonisch erschienen, dami aber mussten sich um
der Symmetrie willen die beiden mittlem Karyatiden die eine
nach rechts die andre nach links anschliessen. Dass die
Mädchen aber nicht fest auf beiden Beinen stehn, ist ihnen durch
die Leichtigkeit der Last, möglich gemacht, sie tragen sicher
und doch leicht, die zwanglose Haltung des einen Beins ist
eine leise Milderung des strengen architektonischen Gesetzes,
die der jonische Stil des Gebäudes, zumal dieser reichere
anmuthigere jonische Stil erforderte. Es sind uns Karyatiden
erhalten von streng symmetrischer Stellung und mit erhobeneu
Armen, andre von freierer Art nur einen Arm an den Korb
legend, hier war eine Erhebung des Arms schon um dess-
willen unzulässig, weil die Rücksicht auf die gegenüberliegende
nördliche und die gleichfalls von Säulen gestützte östliche
Vorhalle einen möglichst einfachen, säulenartigen Umriss der
Karyatiden wünschenswerth machte. Derselbe Grund verbot
die vom Körper abspringenden Arme, eine Stillosigkeit, an
welcher die neueste Architektur geringern Anstoss zu nehmen
scheint, als die alte. An den Mädchen vom Erecht henm
fasste der eine Arm leicht den Zipfel des hinten herabhän-
genden Mantels, der andre hing ruhig herab, gewiss ohne
etwas in der Hand zu halten*. Auch das Gewand ist mit
Rücksicht auf den Zweck der Figuren so angeordnet, dass
die senkrechten Linien dominiren, ein weniger strenger Ge-
schmack giebt sich in vielen Karyatiden römischer Zeit** zu
erkennen, an welchen das Obergewand so angeordnet ist, dass
diagonale Linien entstehn. Aber die gradlinige Strenge,
welche die architektonische Stütze erfordert, ist aufs Glück-
lichste verbunden mit dem weicheren Linienfluss, den die
menschliche Stütze beanspruchen darf. Die Karyatiden
erfüllen allerdings ihren architektonischen Zweck, aber gehn
nicht in ihm auf, wie die weit strenger stilisirten Giganten,
die im agrigentinischen Zeustempel die Decke stützten.
Die Körperbildung der Mädchen ist ihrem Zweck ent-
* Ii» (I(T Nachbildimjif der Halle im Treppenhaiise tragen ilie M«nci-
rbeii in einer Hand Aeliren, wofür j«'der Grund fehlt.
** V/fi. die Karyatidi^n über den Thüren des Niobideiisaals.
TempelsciüptiiiTii. 135
sprechend kräftig^ die zartere Stelle des Halses hat durch
die zu beiden Seiten herabhängenden Flechten eine Unter-
st&tznug erhalten^ die indessen wohl weniger mechanisch als
stilistisch uotihweudig ist, damit nämlich nicht der einfaclie,
säulenartige Umriss durch die Einbiegung des Halses zu sehr
unterbrochen werde. Auf dem Kopf liegt • zunächst ein wei-
cher Wulst, die nothwendige Unterlage füi- Geräthe die auf
dem Kopf getragen werden, dann folgt ein korbartig gebil-
detes Glied, das wie ein jonisches Kapital, mit Eierstab und
Perlenschnur verziert ist. Römische Karyatiden liaben einen
ganz nach der Wirklichkeit gestalteten Korb auf dem Kopfe,
was für korinthischen Stil und eine mehr realistische Auffas-
sung passend sein mag, hier dagegen kam es darauf an, sich
dem jonischen Stil anzunähern und doch zugleich die besondre
Natur des Säulenschaftes — der Mädchengestalt — zu be-
rflcksichtigen, für welche das gewöhnliche jonische Kapital
fremdartig gewesen wäi-e. Sei es nun, dass der Künstler
vom dorischen Kapital ausging oder das jonische mit Weg-
lassang des Volutenkörpers zu Grunde legte, genug or bildete
ein seiner Form nach einem Korbe ähnliches, aber auf jo-
nische Weise verziertes Kapital, das eben jener doppelten
Rücksicht entsprach.
An künstlerischem Werth stehn sicli übrigens diese beiden
Karyatiden nicht gleich, die Londoner ist entschieden bedeu-
tender und rührt auch von andi'er Hand her. So sind z. B.
die Falten unter der Brust und an dem vortretenden Bein
bei dieser nur fein angedeutet, dort derber und effect voller
hervortretend. Besonders dürfte aber die Vergleichung der
Gewandpartie oberhalb der rechten Hüfte deutlich machen,
dass die Londoner Figui- edler und stilvoller gehalten ist.
b. Der Fries*, gefunden bei den Ausgrabungen im Jahre
18*36 und in Athen befindlich.
Der Fries des Erechtheums, von welchem mr nur si)är-
liche Trümmer besitzen, war nicht wie gewöhnlich, aus grösse-
ren, mehrere Figuren enthaltenden Platten zusammengesetzt,
sondern die einzelnen Figuren waren für sich aus pentelischem
Marmor gearbeitet und dann auf einen Grund von schwarzem
eleusinischem Stein aufgesetzt. Auf diesem Grunde und auf
dem Vorsprung des Architravs haben sich noch eiserne Ha-
* Im Gr'u'chisfhen Saal n. 101 — 10J>, (;s sind aber nicht alle nhaltt»-
iifii Fragnieiilt* hier in (iyps v(»rhau(i<'ii
Igß t'ompelsculptnren.
ken erhalten, durch welche die Figuren unten und an ihrer
glatten Hinterfläche festgehalten wurden. Um den grellen
Abstand der weissen Figuren und des schwarzen Grundes zu
mildem, wird eine wenigstens theilweise Bemaluhg der ersteren
anzunehmen sein, der schwarze Grund tibrigens berechtigt
uns auch für die Friese, an denen sich keine Spuren von
Bemalung erhalten, einen farbigen Grund vorauszusetzen.
Wir besitzen die Reste einer Inschrift, welche eine
Rechnungsablage über die für das Erechtheum verausgabten
Gelder enthält und unter Andrem auch die Preise und Ver-
fertiger einzelner Figuren des Frieses aufführt. Diese Figuren
werden darin ganz allgemein als Männer, Frauen und Kinder
mit näherer Angabe ihrer Aktion bezeichnet, so dass wenig-
stens ein Theil des Frieses aus dem Leben genommene Sce-
nen enthielt. Andrerseits erfordern einige hier nicht im Ab-
guss vorhandene Fragmente eine mythologische Deutung,
wir werden daher annehmen dürfen, dass an diesem Fries wie
an dem des Parthenon, Götter und Menschen vereinigt waren.
Zu welcher Classe von Wesen die hier vorhandenen
Fragmente gehörten, ist nicht gewiss zu sagen, denn keins
derselben ist mit einer in der Inschrift erwähnten Figur
zu identificii'en. Man hal die Frau, die den Knaben auf
dem Schooss hat*, für eine Göttin erklärt, allein sie kann
doch ebensowohl eine aus dem Leben genommene Figur
sein, zumal da dieselbe Gruppe ganz ähnlich wiederkehrt**.
So dürftig das Erhaltene ist, so ist es doch seinem Stil
nach, der den Reliefs von der Balustrade des Niketempels
nahe steht, nichts weniger als werthlos. " Auch hier finden
wir die allgemeinen Eigenschaften des attischen Stils wieder,
die Grazie und weiche, schöne Fülle, und besondere Beachtung
verdient, dass wir hier zuerst die glatt anliegenden, auch den
Nabel ausdrückenden Gewänder sehn, die der früheren Kunst
fremd sind, später aber, als man einem leisen sinnlichen Reiz
nicht mehr abgeneigt war, sehr beliebt wurden. Wir müssen
nach Anleitung der Inschrift annehmen, dass die Verfertiger
dieser Fragmente nicht eigentliche Künstler, sondern halbe
Handwerker waren, denn die dort aufgeführten Arbeiter wer-
den sonst nirgends erwähnt, und es ist nicht wahrscheinlich,
dass berühmte Künstler einzelne Figuren eines Frieses über-
* n. lOG.
** II. 108.
Tompelsculpturcn. 137
nommen und für Preise, wie sie dort angegeben werden —
der Durchschnittspreis für die Figur ist 60 Drachmen (nach
unserem Gelde etwa 15 Thlr.) — gearbeitet haben sollten. So
bestätigt denn dieser Fries, wie alle uns erhaltene antike
Handwerksarbeit, den oft ausgesprochenen Satz, dass die
Griechen nicht allein als Schöpfer bedeutender Kunstwerke^
sondern besonders dadurch so gross waren, dass die Kunst
auch die ganze Thätigkeit des Handwerkers durchdrang.
Das Erechtheum wurde nicht vor den letzten Jahren
des fünften Jahrhunderts vollendet, die erwähnte Inschrift
gehört in das Jahr 406 (OL 93, 2.)
Die Karyatiden jsind abg*. bei Stuart antiquities 11, [eh. 2. Die
in London befindliche (über deren Bemahing Semper, Stil I, 4GÖ) aucli
in den anc. marbles of the brit. muscum IX, 6. Müller- Wieseler I, 20,
101. und Overbeck Gesch. d. PI. 1, p. 27G.
Vgl. den Bericht von Ross aus dem Jahre 1837 in den Archat»ol.
Aufs. 1, 122 ff., wodurch die volltönenden BenKirkimgen Beule's (l'acro-
pole d'Athenes 2, 274) über Frankreich'« Verdienste um die Karyatiden-
halie etwas modiilcirt werden.
Dass die Erzählung Vitruv's (I. 10) über die Karyatiden ihrem Kern
nach glaubwürdig sei, zeigt Preller Annali 1843 p. 396 ft'. Sie ist ganz
im Einklang mit den ältesten Beispielen, dit^ wir für die Verwendung
mensclilicher Figuren als architektonischer Stützen kennen, nämlich mit
«len Persern als Trägern des Dachs der persischen Halle in Sparta und
den Giganten im agrigentniischen ZcMistempcl, die eine unverkennbare
Negerphysiognomie haben.
üvr Fries ist abg. Le Bas pl. 15—17. 'EcprjfÄFQlg dgX' h 33—48.
Rangabe antiquites helleniques 1 pl. 3. 4. Overbeck Gesch. d. gr. PI.
t 1, p. 281. Vgl. Beule, l'acropole d'Athenes II p. 284 ft'., der aber mit
L'nrecht in n. 102 das in der Inschrift erwähnte Pferdepaar wiederfindet,
«ia jent»s Fragment vielmehr Reste von drei Pferden zeigt. Ebenso we-
nig ist in n. 109 die in der Inschrift erwähnte (iruppe einer Frau an
welche ein Kind lehnt, zu erkennen, da die Reste der kniench'u Figur
des Fragments nicht auf ein Kind schliessen lassen.
Sicher mythologischen Inhalts sind eine Frau mit einem Löwen auf
«lern Schooss und eine zweite mit einem Löwen zur Seite.
Die Gruppe der Frau mit dehi Kinde wird von Welcker Annali
1860 p. 461. Götterl. 2, 552 für Demeter nnt Jacchos, von Stephani
Ann. 1843 p. 310 für die Polias mit Erechtheus erklärt. An lezterer
Stelle ist auch die Inschrift am vollständigsten mitgetheilt, vgl. Brunn
Knnstlergesch. I p. 248. Scholl Archaeol. Mitth. |). 129.
335 — 355. Sculpturen vom NiketempeL
a) Der Fries*.
Der Niketempel hat ein ähnliches Schicksal gehabt
wie der Parthenon. Er stand bis zur venetianischen Bela-
Im Treppenhaus n. 65 — 77.
Igg Tempelsculpturen,
Belagerung Athens unversehrt da und wurde dann durch
Menschenhände zerstört. Die Türken brachen ihn ab um
das schöne Material zum Bau einer Batterie zu verwenden.
Doch war dies Loos immer noch weit glimpHicher als zer-
schossen zu werden, wie es dem Parthenon erging, denn man
konnte daran denken, die abgebrochenen Stücke wieder neu
zusammenzufügen. Dieser Versuch ist im Jahre 1835 unter
Leitung des Prof. Ross von den Architekten Schaubert und
Hansen gemacht und so glücklich gelungen, dass der Tempel
bis auf Dach und Giebelfelder wieder fertig dasteht. Vom
Fries freilich fehlen fast ganz die Nord- und Westseite*, die
Lord Elgin bereits früher gefunden und nach London ge-
bracht hatte, wo sie sich jetzt befinden. Sie sind indessen
am Gebäude durch einen Abdruck in Terrakotta ersetzt.
Der Fries der Ost- und Südseite** ist dagegen wieder auf
seiner alten Stelle eingesetzt und bis auf Weniges vollstän-
dig erhalten. Leider sind die einzelnen Figuren an allen
Theilen sehr verstümmelt, zum Theil durch absichtliche Be-
schädigung, zum Theil, weil der jonische Fries, der wegen
des vorspringenden Architravs, hinter den er zurückweicht,
ein höheres Relief erfordert, der Zerstörung so sehr ausge-
setzt ist.
Die östliche Seite des Frieses, die Eingangsseite, steht
in sehr entschiedenem Gegensatze zu den übrigen. Sie ist
bis auf ein Stück der rechten Seite, das etwa 4 — 5 Figuren
enthalten haben wird, erhalten, aber der Gegenstand der ^
Darstellung ist kaum mehr zu erkennen. Nur das lässt sich
behaupten, dass wir eine Götterversammlung vor uns haben,
denn am linken Ende bemerken wir zwischen zwei Frauen
einen geflügelten Knaben und in der Mittelgruppe zwischen
den beiden sitzenden Männern eine Frau, die durch den
Schild am linken Arm und die noch im Umriss erkennbare
schräg über die Brust laufende Aegis sich als Pallas zu er-
kennen giebt. Sie ist durch ihre Stellung im Mittelpunkt
und zwischen den beiden sitzenden Figuren als Hauptfigur
bezeichnet, und zwar scheint es, dass sie als Sprecherin in
einer Berathung der Götter fungirte. Denn eine bestimmte
Scene ist unzweifelhaft gemeint, und die eraste und ruhige
Haltung der Mittelfiguren spricht sehr dafür, eine Berathung
* Im Treppenhaus ii. 76. 77 w. 68—70.
** Ebondas. n. 65—67 und 71—75.
Tempelsciilpturen. 189
der Götter zu statoiren. Freilich ist diese Ruhe nur in der
nächsten Umgebung der Göttin vorhanden^ nämlich in den
je 5 Personen hinter den beiden in der Mitte sitzenden Fi-
gnren^ dann folgen wieder, die senkrechten Linien der ste-
henden Figuren wohlthuend unterbrechend und symmetrisch mit
einander correspondirend, sitzende Göttinnen (die zur Linken
ist fast bis zur Unkenntlichkeit zerstört), und bei diesen herrscht
ein bewegteres Leben, das sich auf der allein vollständig er-
haltenen linken Seite nach dem Ende zu wieder etwas be-
ruhigt. Wir wissen keinen Grund für diese bewegten Figu-
ren anzuführen, sie schliessen indess nicht die Annahme einer
Götterberathung aus, und wenn es nun als wahrscheinlich
angenommen werden muss, dass der Fries der Vorderseite
nicht ohne Znsammenhang war mit den Darstellungen der
amieren Seiten, so könnte das Thema desselben so gefasst
Verden, dass Pallas hier im Götterkreise als Fürsprecherin
für ihr Land erscheine in Hinblick auf die Gefahren, welche
auf den anderen Seiten geschildert sind.
Die Darstellung auf den sich entsprechenden Langseiten
Ivezieht sich auf die Kämpfe von Griechen und Persem, die
*jich sichtlich zum Nachtheile der letzteren entscheiden, die
im Westen auf Kämpfe von Griechen gegen Griechen. Dass
eine bestimmte Schlacht gemeint sei, wird durch nichts ange-
tleutet, wir glauben auch, dass der bildnerische Schmuck an
einem Heiligthum der Nike passender auf eine allgemeine
Darstellung aller Kämpfe der Vergangenheit, als auf ein
einzelnes Faktum bezogen wird.
Die Gegenüberstellung der verschiedenen Kleidung und
liewafi^ung der Perser, deren Führer ähnlich wie in den
Amazonenkämpfen beritten dargestellt sind, gab Gelegenlieit
zur reichsten Mannigfaltigkeit, bemerkenswerth ist auch das
liier wie an Amazonenkämpfen häufiger vorkommende Motiv,
dass der Grieche seinen Gegner am Schopf fasst, worin sich
das Gefühl der Ueberlegenheit charakteristisch ausspricht.
Auch an der Westseite in den Griechenkämpfen herrscht die
grösste Mannigfaltigkeit und der Künstler hat die Freiheit,
«iie ihm der jonische Fries bot, eine grössere Anzahl von
Figuren zu einer Gruppe zu verbinden, in reiclistem Maasse
benutzt und dadurch eine grosse dramatische Lebendigkeit
erreicht. Man vergleiche, um sich des Unterschiedes bewusst
zu werden, die Friesreliefs vom Theseustempel, die im Gan-
zen noch dem Princip der paarweisen Gruppirung folgen,
190 Tempelsculpturen.
das eine Nothwendigkeit für den dorischen Fries ist und von
daher noch beibehalten zu sein scheint, während hier sich
gleichsam breitere Mittelpunkte der Aktion bilden — z. B.
der Kampf um den Gefallenen — , an welche sich kleinere
Gruppen anschliessen. Eine dichtere Art der Gruppirung ist
nothwendig mit dieser Anordnung verbunden, so dass die
Figuren sich zum grossen Theil decken, worin ebenfalls die
Friese des Theseustempels merklich abweichen.
Die Lebendigkeit der Darstellung wird noch gesteigert
durch die Wahl der Motive, in denen zum Theil ganz flüch-
tige Augenblicke, z. B. der^on seinem Pferd herabstürzende
Perser*, fixirt sind, und durch die ausserordentlich schlanken
und feinen Gestalten. Dass es freilich nicht an Flüchtigkei-
ten fehlt, sind wir jetzt schon bei griechischen Friesreliefs
gewohnt, man rechnete darauf, dass es in der Höhe wenig
oder gar nicht auffalle, wie z. B. ein auf der Leiche eines
Persers befindliches Griechenbein aus ihr heraus zu wachsen
scheint**. Auf derselben Tafel ist noch ein ähnlicher Fall,
auf anderen sind die Beine der Figuren bis zum Unmöglichen
verlängert***.
Was die Entstehungszeit der Sculpturen betrifft, so
haben .wir an der Pallas der östlichen Seite einen festen
Ausgangspunkt, sie entspricht nämlich in ihrer Tracht
durchaus der Parthenos des Phidias. Schwerlich aber ist
diese schöne und für die Parthenos so charakteristische Tracht
von einem anderen Künstler als von Phidias erfunden und
wir müssen demnach annehmen, dass diese Friesreliefs nach-
her entstanden. Wie lange nachher, ist schwer zu sagen,
jedenfalls entfernen sich die Figuren in ihrer Körperbildung
und auch durch eine mehr dramatische Lebendigkeit nicht
wenig von den Gestalten des Parthenonfrieses.
b) Die Balustrade
««4:4:
Der Niketempel stösst in schräger Kichtung mit sei-
ner Nordwestecke an die zu den Propyläen hinaufführende
Treppe, so dass zwischen dieser und dem Tempel ein
♦ n. 71.
** 11. 75.
*** Vgl. iiHnu'iitlicli n. G9.
**** Im Treppenhaus u. 79—87.
Tempelsculptuicii. 191
dreieckiger Raum übrig bleibt^ dessen Hypothenusc die nörd-
liche Langseite des Tempels bildet ^ während die längere
Kathete parallel läuft mit der Treppe und die kleinere
rechtwinklig auf dieselbe stösst. Dieses dreieckige Stück
der Terrasse; auf welcher der Tempel steht, war mit einer
durch Reliefs verzierten Balustrade umgeben, die als zier-
liche Bekrönung dem die Treppe Hinaufsteigenden erschien.
Bei der Wiederaufrichtung des Niketempels im. Jahre 1835
bemerkte man eine am Rand der Terrasse hinlaufende Furche,
in welche genau wie in einen Rahmen die freilich nur frag-
mentirt aufgefundenen Marmortafelu hineinpassten. Diese
waren unter sich durch Klanunern verbunden und der obere
Rand ergab, dass sich über ihnen noch ein Metallgitter be-
. fand. Die schönsten Fragmente sind bei der ersten Ausgra-
bung im Jahre 1835 gefunden, später ist noch einiges Un-
bedeutendere zum Vorschein gekommen*. Die Originale
befinden sich in Athen und zwar grösst^ntheils in der Cella
des Niketempels.
Es war zu erwarten, dass die Reliefs der Balustrade
eine Beziehung auf den Tempel hatten, den sie umgaben. Und
so haben sich denn auch mit Ausnahme eines hier nicht vor-
bandenen Fragments, das eine Pallas darzustellen scheint, nur
Darstellungen von Siegesgöttiimen gefunden. Sehr wahrschein-
lich ist, dass die einzelnen Figuren zu einer gemeinsamen
Handlung verbunden waren, von drei Stücken lässt sich dies
mit genügender Sicherheit zeigen. Auf dem einen derselben,
(las hier nicht vorhanden ist, sieht man den linken Arm einer
Siegesgöttin, die einen Helm auf ein Tropaion setzt, ihr
gegenüber stand eine fast ganz erhaltene Nike**, deren aus-
gestreckte Arme gleichfalls etwas hinreichten oder mit der
Krrichtung des Siegeszeichens beschäftigt waren. Dazu konmit
drittens eine Nike, welche im linken Arm eine Beinschiene
liält***, die ebenfalls nur für das Tropaion bestimmt ji^ewesen
^in kann. Diese Scene der Errichtung des Siegeszeichens
kann wie man ansprechend vermuthet hat, sehr wohl den
Mittelpunkt des Ganzen gebildet haben. An sie schliesst
•''ich auf leichte und natürliche Weise das grösste Fragment
* Was sich hier in (iyps Ix.'fiiidot, ist bei der ersten Ausj^rahnug
^'"fmuli'ii, ilorh sind nicht alle damals ü^eiundenen Stücke liier.
•* 11. 8<J.
**«
n. 82.
192 Tempelsciilptiiren.
an, auf welchem zwei Niken mit den Vorbereitungen zum
Siegesopfer beschäftigt sind*. Die eine hält den Opferstier
am Strick und sucht das etwas wilde Thier zurückzuhalten,
indem sie sich zurückbiegt und den Fuss gegen einen Stein
stemmt, die andere eilt lebhaft vorwärts. Schwierig ist an-
zugeben, in welchem Bezug die äusserst graziöse Figur der
die Sandalenbänder auflösenden Nike** zu den übrigen steht,
und auffallend ist auch, dass das Fragment***, auf welchem
sich die übergeschlagenen Beine einer Frau mit einem schwer
bestimmbaren Geräth (etwa einem Helm?) auf dem Schooss
erhalten haben, nach sicheren Spuren an der äussersten Ek;ke
zur Rechten angebracht war, so dass also diese Figur den
übrigen den Rücken kehrte.
Von Bemalung hat sich zwar keine Spur erhalten, doch
muss sie vorausgesetzt werden. Denn mehrere Flügel von
Xiken sind ganz unausgeführt gelassen, und der Umstand,
dass das Nackte der Figuren sorgfältig geglättet, das Uebrige
aber rauh gelassen ist, scheint auch auf Bemalung mit Aus-
nahme des Nackten zu deuten. Einiges war auch von Bronce
angefügt, zur Befestigung von Gürtelschnallen sieht man Lö-
cher eingebohrt
Der Stil der Reliefs deutet wenigstens im Allgemeinen
auf eine etwas spätere Zeit, als die reiner und strenger
stilisirten Friesreliefs des Tempels, unverkennbar aber ist
ihre Verwandtschaft mit den Figuren vom Fries des Erech-
theums. Eine gewisse weiche Ueppigkeit der Formen, ein
grosser Reichthum des Details und das Bestreben durch
knapp anliegende Gewänder das Nackte hervortreten zu las-
sen sind charakteristisch. Von einer Hand sind die erhal-
tenen Figuren schwerlich verfertigt, die Sandalenlöserin, eine
der graziösesten Figuren der alten Kunst, zeigt ganz ver-
schiedenen Geschmack von der dem Stier voraufeilenden Nike.
Die reichen prächtigen Falten an jener sind scharfkantig,
ähnlich wie in den Sculpturen der Parthenongiebel, dagegen
runder an dieser, und der sonst überall beobachtete Gegen-
satz zwischen dem feinbrüchigen leinenen Untergewand und
dem dickeren Mantel ist an dieser nicht zu bemerken. Ueber-
haupt ist diese Figur zwar sehr schön gedacht, aber sie hat
* n. 81.
** II. 79.
*** II. 83.
Tempelisculptiiren. 193
ein freieres, Täuschenderes Wesen, nicht so viel Adel
wie die anderen, der Künstler hatte weniger Stil als seine
^Mitarbeiter. Die Reliefs scheinen daher, wie wir es vom
Fries des Erechtheums wissen, von mehreren Händen' ausge-
führt und auch nicht früher als jene entstanden zu sein.
ü«'ber sammtliche Sfulpturen des Niketenipols v^l. Hoss, (Ut Nikc-
tt-mpfl, mit Abbild. Beule Tacropole trAthenes I p. 236 ff. Over-
Wk (lt»s<'li. d. gr. Plastik p. 282 fig. 52. 53. Scholl Archaeol. Mitth.
p. 131. Die in England befiudlichen Friesplatten sind abg. in den »uv.
raarbles IX, pl. 7 — 10, wo einiges» Richtige gegen Ross gesagt, aber
»'ine Anordnung der Kampfscenen vorgeschlagen wird, die mir unwahr-
nheiiilich scheint. Ich kann an dem Fries nichts finden, was auf einen
bestimmten Kampf deutete, denn der angeblich boeotische Hut auf der
Westseite findet sich ebenso auf vielen attischen Monumenten (z. ß. auf
der athenischen Grabvase in München n. 88). Wichtig ist, dass nach
dem Bericht von Köhler (im Arch. Anz. 1866 p. 167) kürzlich ein
Fra^enl des Niketempels mit zwei kämpfenden Figuren, deren eine
weiblich sein soll, gefunden ist, doch muss ich Näheres abwarten. Die
im Text ausgesprochene Meinung über die Ostseite schliesst sich an
Wekker A. D. I p. 95 Anm. 19 an.
Von den Balustradenreliefs sind ausser bei Ross mehrere in der
ttpiifi, ^Qxaio'k. 1842. 1843 und Archaeol. Ztg. 1862 Taf. 162 abge-
bildet. An letzterer Stelle p. 249 ff. giebt Micliaelis einen genauen Be-
richt über das in Athen Vorhandene und eine sinnige und durch neue
Argimiente bereicherte Ausfühnuig eines Gedankens von Ross Archaeol.
Aufs. 1, 116 Anm. Nur ist an der mit F. bezeichneten Nike die ßein-
H'hiene übersehn und das was Michaelis für einen Ansatz von Flügeln
liäli, ist ein unter dem Kopfband hervorkommender Haarbüschel, eine
Tracht, wie sie sich z. B. an dem Sauroctonos, an dem herknianischen
Di(»nysoskopf und sonst findet.
356. Bacchantin mit Opferstier*; Marmorrelief, ge-
funden bei den Ausgrabungen in Terra di Lavoro, im Va-
tikan befindlich.
Es ist nur ein Stück des Originals hier im Abguss, das
Cebrige ist wahrscheinlich der starken Ergänzungen wegen
weggelassen. Doch lässt ein übereinstimmendes Exemplar in
Florenz schliessen, dass eine Frau mit einem Weihrauchaltar
in der Rechten dem wilden Stier voranging, den die er-
haltene Figur zurückzuhalten bemüht ist. Es handelt sich
am die Vorbereitungen eines Stieropfers, doch sind diese
lebhaft bewegten Gestalten wohl nicht Priesterinnen, sondern
vermuthlich Bacchantinnen, die ihrem Gott ein Opfer bereiten.
* Im Treppenhaus n. 157.
Friederichs, griech. Plastik. 13
194 Tempelsculptiiren.
Das Kelief ist eine freie Copie einer Platte von der
Balustrade des Niketempels**, aber viel derber ausgeführt
Abg. Visconti Pio-Cleni. V, 9. Nacli Visconti und Gerliard Beschr.
Rom's n. p. 158 ist die hier allein vorhandene Figur des Reliefs fast
ganz neu, während ich mir vor dem Original notirt habe, dass gerade
die andere dem Stier voraufgehende, hier fehlende Figur fast ganz neu
sei. Da ich mir die Details aufgescluieben, so muss ich an meiner An-
gabe festhalten. Neu sind danach Kopf, Brust und beide Hände der
vordem Figm-, welche statt die vom Rauchaltar, an welchem das ganze
obere Stück neu ist, herabhängende Wollenschnur anzufassen, wie der
Restaurator suiulos angenommen hat, den Candelaber selbst fassen
sollte, denn dass dieser von einer Figur getragen wurde, beweist die
schräge Richtung desselben. Dass der Stier den Altar umstosse wie
Michaelis Arch. Ztg. 1862 p. 255 annimmt, glaube ich nicht, die Frauen
sind ja noch nicht an der Opferstätte, wo der Altar {lufgestellt wird,
angelangt.
G. Reliefs von Ghrabsteinen, Weihgeschenken und öffent-
lichen Dekreten.
a) Grabreliefs.
Schon bei der Erklärung einiger Grabsteine des alten
Stils (n. 20. 21.) ist der Gnmdgedanke angedeutet, aus dem
die sepulcralen Vorstellungen der Griechen hervorgegangen
sind. Der Grabstein ist ein Denkstein, der Leben und Art
des Verstorbenen in charakteristischer und poetischer Situa-
tion der Nachwelt gegenwärtig halten soll. Auch die römi-
schen Grabsteine haben grösstentheils diesen Zweck, aber sie
unterscheiden sich von den griechischen, wenigstens von de-
nen besserer Zeit, dadurch, dass sie so oft nur äusserliebe
und prosaische Verhältnisse, namentlich das Handwerk des
Verstorbenen verewigen, während die Griechen die poetischen
und gemüthvollen Beziehungen oder Ereignissse in dem Leben
des Abgeschiedenen aufzufinden und mit theilnehmender In-
nigkeit darzustellen wussten. Allerdings dachten sie dabei
nur an das Vergangene, nicht an das Zukünftige, denn der
Masse des Volks fehlte die frohe, todüberwindende Zuversicht,
die Grundstimmung dieser Compositionen ist daher Trauer, nicht
Hoffnung, aber die Trauer ivSt im Gegensatz zu der excentri-
Im Trepi)enhaus n. 81.
Reliefs. 195
sehen Klage auf etruscischen Gräbsteiuen immer leise und
gemässigt und der Schmerz sieht mehr wie Wehmuth aus.
Es versteht sich von selbst, dass die grosse Masse
dieser Grabsteine Handwerksarbeit ist, einem allgemeinen
Bedürfeiss konnte nur das Handwerk genügen. Aber der
Handwerker ist abhängig vom Künstler, er erfindet nicht
sebstständig, sondern ahmt nach, und so erkennen wir auch
in \ielen Grabsteinen die Erfindung und Composition grosser
Künstler, welche für die oft nur skizzenartige Ausführmig
reichlichen Ersatz bietet.
V{jl. Friedläiider, de operibus auaglyphis in nunmmtMitis scjmlcra-
libus ((mecis. Königsberg 1847. Friederiehs, der bildliche Sehniiuk
auf den Grabsteinen alter und noner Zeit. Hamburg 1866.
357. Attisches Grabrelief*, um 1764 zu Rom in
einem Weinberge, der dem Herzog von Caserta gehörte,
nicht weit vom Triumphbogen des Gallienus aufgefunden, in
Villa Albani befindlich.
Neu entdeckte attische Grabreliefs mit sehr ähnlichen
Darstellungen berechtigen uns, auch dieses edle Werk der-
selben jetzt so zahlreich vertretenen Classe von Denkmälern
zuzuschreiben. Es zierte das Grab eines Kriegers und ver-
ewigte eine glänzende Kriegsthat desselben. Nicht lebensvol-
ler hätte die Gestalt des Siegers erfunden werden können,
der von seinem Pferd herabgesprungen ist, um seinem Feind
den letzten Streich zu geben, nicht rührender die Gestalt
des Unterliegenden, der vergeblich seinen Mantel wie einen
Schild vorhält. Und das Pferd würde, wenn nicht die Linke
des Siegers (wie aus ihrer Bewegung zu schliessen) es am
Zaum hielte, von der Wildheit des Kampfes gescheucht da-
voneilen. Es springt mit halbem Leibe aus dem Relief her-
aus, was zcmächst formell nöthig war, damit es mit den Fi-
guren der Jünglinge die gleiche Höhe des Reliefs einhielt,
zugleich aber erhöht dieser Umstand die Lebendigkeit der
Darstellung, indem es scheint, als wolle es sich loslösen
vom Hintergrunde.
Es ist das schönste aller griechischen Grabreliefs, und
man begreift, dass es nach Italien hinübergeschleppt wurde.
Der Zeit nach wird es nicht lange nach dem noch etwas
strengeren Parthenonfries anzusetzen sein, es hat noch nicht
im Gewerbe) iistitut.
13
196 Reliefs.
den pathetischen Ausdruck der Gesichter, den wir im vierten
Jahrhundert, z. B. am Mausoleum, finden. Nur in den zu-
sammengepressten Lippen des Siegers, in den leise klagend
geöffneten des Besiegten verräth sich die innere Empfindung.
Man wird nicht zweifeln, dass dieses Relief im Gegen-
satz zu der grossen Masse der erhaltenen Grabreliefs von
einem wirklichen und bedeutenden Künstler herrührt
Wiiickelm. moimm. ined. n. 62. Zoega bassiril. I, 51. Archaeol.
Ztg. 1863 Taf. 170. Vgl. den Grabstein des Dexileos bei Salinas, mo-
rmmenti sepolerali scoperti presso la chiesa della santa Trinitä in Atene,
Torino 1863 tuv. 2.
358. Grabrelief*, Bruchstück eines Marmorreliefs,
früher im Besitz der Familie Giustiniani, dann beim Bild-
hauer Camuccini, seit Pius Vü. im Vatikan.
Man hat geglaubt, in diesem schönen Fragment ein
Stück des Parthenonfrieses zu besitzen, und in der That ist
die Tracht des Reiters vollkommen entsprechend, und der
Stil ähnlich, auch die Dimensionen scheinen zu stimmen.
Andrerseits steht aber die Bärtigkeit der Figur entgegen, denn
nur an der Westseite, nicht aber an der Südseite des Par-
tlienon, dem dieses Fragment nach der Richtung der Figur
angehören müsste, kommen ein paar bärtige Reiter vor, und
gewiss ist dieser Umstand nicht zufällig. Noch entscheiden-
der aber ist, dass das Relief fast doppelt so weit vorspringt
als am Fries des Parthenon. Wir halten das Werk für ein
attisches Grabrelief, da viele ähnliche erhalten sind, auf wel-
chen der Verstorbene dem Range oder der Neigung seines
Lebens entsprechend, hoch zu Ross dargestellt ist. Vermuth-
lich war der Reiter die einzige Figur des Reliefs, wiewohl
sich unter dem Pferdekopf einige faltenartige uns nicht ver-
ständliche Reste erhalten haben.
Löcher am Kopf des Pferdes und an der Hand des
Reiters zeigen, dass die Zügel, die der Reiter stramm hält,
von Bronce angefügt waren. Die Zeit des Reliefs wird durch
die Aehnlichkeit mit dem Parthenonfries bestimmt.
Abg. Mus. Chiaramonti II, 45. Archaeol. Ztg. 1863 Taf. 170, 2.
Vgl. E. Braun Ruinen und Museen p. 269. Aehnliche Reiterreliefs
Stackeiberg Gräber der Hell. Taf. 3. Mus. Worsleyanum Taf. 5. Arch.
Anz. 1856 p. 286. Ulrichs Reisen und Forschgen II, 86. 105. 233.
Vielleicht gehören auch die beiden übrigens unbedeutenden Reliefs im
Griechischen Saal n. 60 (abg. Le Bas pl. 20) und 306 in diese Classe.
Im Treppenhaus n. 64.
Reliefs. 197
359. Griechischer Grabstein*, in Venedig in Pri-
vatbesitz.
Das Mädchen hält in der einen Hand eine Büchse und
macht mit der anderen eine Bewegung, als ziehe sie
€twas aus derselben heraus. Vermuthlich ist es ein Schmuck-
kilstchen und das auf der Erde liegende Geräth der Deckel
desselben. Aehnliche Motive, welche die naive Freude und
Unschuld jugendlichen Alters schildern sollen, kommen oft
anf Grabsteinen vor.
Die Composition ist sehr einfach, fast streng, auch im
Gesicht sind noch Anklänge an den alten Stil, sodass wir
dies Relief noch dem fünften Jahrhundert zuschreiben.
Dass sich dieser Grabstein in Venedig und zwar in Privatbesitz be-
fiiidf, sHj?e ich auf die Autorität des dem Abguss im Gewerbeinstitut
aufgeiilpbten Zettels, ich habe keine andre Notiz über das Relief finden
köuuen.
360. Attischer Grabstein**, in Athen im Theseion
befindlich.
Die Form des Grabsteins ist die so häufige eines klei-
nen Tempels mit einem Giebel, die auf die Todten übertragen
werden konnte, da sie als Heroen verehrt wurden und oft
diesen Namen auf Grabsteinen führen.
Dieser Grabstein», auf welchem die links sitzende Figur
bis auf das Gesicht leider verloren gegangen ist, gehört zu
(let edelsten die uns erhalten. Die leise Wehmuth die über
der Gruppe liegt, und der edle Charakter in den Köpfen beweisen,
te er der Blüthe der griechischen Kunst angehört. Wahr-
scheinlich ist die sitzende Frau, welcher der Mann als eine
ßeberde der Liebe die Hand hinstreckt, für die Verstorbene
zn halten.
V*fl. Pervanoglu die Grabsteine der alten Griechen 1863 p. 55 n. 1.
.361. Attische Grabvase***, vom Freiherrn Haller
von Hallerstein in Athen gefunden und in der Glj'ptothek
zü München befindlich. Restaurirt sind der Fuss und die
Mündung. Man nannte diese Vasen früher marathonische
Vasen, sie sind aber auch im übrigen Attika und ausserhalb
Attika's gefunden.
• Im Saal des Barberinischen Fauns n. 24.
•• Im Treppenhaus n. 185.
••• Im (friechischen Saal n. 289.
198 Reliefs.
Die Sitte, Vasen auf die Gräber zu stellen, die von den
Griechen zu den Römern und von diesen auch auf unsere
Kirchhöfe tibergegangen ist, hängt mit der Verbrennung der
Leichname zusammen, man sammelte die Asche und Knochen
in eine Urne und stellte diese, wenigstens in einzelnen Fäl-
len — denn gewöhnlicher war es allerdings, den Aschenkmg
unter die Erde zu legen — , über einer Säule auf. Bereits in
der Zeit, welcher die uns erhaltenen Exemplare angehören,,
war aber diese Sitte nicht mehr üblich, die Vasen sind nämlich
massiv und waren also nur noch ein Zeichen ohne praktischen
Zweck. Darauf deuten auch die Formen, die wenigstens in
früherer Zeit nicht breit und bauchig, sondern schlank und
aufstrebend sind und genau den zahlreich erhaltenen attischen
Thonkrügen entsprechen, welche man den Todten in Athen
ins Grab mitzugeben oder ans Grab zu stellen pflegte.
Die Vase gehört dem älteren Stil an, da sie noch den
scharfkantigen Rand hat, der später abgerundet wurde, ausser-
dem noch ohne alle plastische Verzieining ist, die man später
an den Henkeln reichlich anbrachte. Sie entspricht in ihren
einfachen Formen dem Ernst des Grabes, indess fehlte eine
die Gliederung der Vase bezeichnende Malerei nicht, m^n
fand auch noch Spuren von schwarzer und rother Farbe*
Der Henkel ist zum Schutz des schwaciien Halses gar nicht
ausgearbeitet.
Auch das feine Relief und die Inschriften zeigen, das»
die Vase der blühenden Zeit der Kunst, dem Anfange des
vierten Jahrhunderts angehört. Die sitzende Frau, Eukoline^
die das Centrum der Gomposition bildet, ist wahrscheinlich
die Todte, der Mann, der die Inschrift Onesimos trägt, wird
der Gatte der jungen Frau, der hinter ihrem Stuhl stehende^
Chaireas, ein Verwandter ^ein. Besonders innig ist der nackte
Knabe, der sein Händchen nach der Mutter ausstreckt, um
ihr seine Liebe auszudrücken; am rechten Ende steht noch
eine Amme mit einem Säugling.
Die attischen Grabsteine mit ihren zarten und innigen
Familienscenen , welche durch dies Relief besonders schön
vertreten werden, gewähren uns eine lebendigere Vorstellung
von dem häuslichen Verkehr in Athen, als die erhaltene Li-
teratur es vermag. Es ist unmöglich, diese Darstellungen für
reine Phantasiegebilde zu halten, sie sind vielmehr Zeugnisse
oder Andeutungen realer Verhältnisse, die uns zu der An-
nahme berechtigen, dass manche abstossende Züge des atti-
RHi<'fs. 199
sehen Familienlebens ^ von denen wir hören, doch die Liebe
und Innigkeit im Verkehr der Familienglieder nicht ausge-
schlossen haben.
Abg. Müner-"Wi«'»el(T 1, 29, 126 und Lützow Müm-hucr Antiken
^«elrheti W<flrk mir leider nicht zugänglich war). Vgl. Schorn (utalog
Hir (flyptothek n. 82. Die urspriingliche BeKtimmung der Urahvasen
ii'igt <Ir8 (irab des Orpheus bei Paus. 9, 30, 7. und in römischer Zeit
i>l der (febranch der Marmorvase als Aschenbehälter ja s«'hr jifewöhn-
liiU, die dann übrigens eine bauchij^ere Komi hat. Die massiven alti-
M-beu VasiMi haben mit der XovtQOfpOQOi; (worunter nicht ein Kru^^,
vmdeni ein Mädchen mit einem Kru^j^ zu verstehn, Becker Charikles 111,
31)1 ff.) nichts zu thuu, sondern sind entweder nur noch blosse Zeichen
dtv .\schenkiiiges, wob«*i denn die Form der \'ase verändert worden
würe^ oder sie hängen mit der ans Vasenbildern ersichtlichen Sitte zu-
Nimmen, lj«*kytheu ans (irab zu stellen, deren Sinn mir Ireirn h nicht
(leiulich ist.
362. Stück einer attischen Marmorvase*. Die
ganze Vase wurde im Jahre 1849 gefunden und befindet
'jjch noch an ihrem Fundort^ nämlich in einem Privathause
ostlich vom königlichen Palast in Athen.
Auf der Vase sind an der einen Seite zwei bewaffnete
Jflnglinge^ sich die Hand reichend, auf der anderen ein Rei-
ter** dargestellt und zwischen beiden gerade unter dem
Henkel der Vase eine Gruppe von zwei Frauen, deren obere
Hälfte der Gypsabguss wiedergiebt. Mit Recht ist bemerkt,
dass diese Gnippe ein späterer Zusatz sei, sie ist sowohl im
Stil verschieden, nämlich dem Uebrigen überlegen, als aucli
im Relief abweichend, insofern sie nicht aus dem Grunde
hervortritt, sondern nur eine Zeichnung in der Fläche ist.
Endlich führt auch der Ort wo sie angebracht ist, auf die
Annahme eines späteren Zusatzes, ein Geföss mit einem
Henkel kann nicht wohl ringförmig verziert werden, sondern
ptiegt unter dem Henkel glatt zu bleiben.
Die zarte und anmuthige Gruppe wird etwa ums Jalir
4<>) entstanden sein, jedenfalls in der Blüthe der attischen
Plastik.
Abff. in der Archatsd. Zt^. v. 1864 Taf. 183, mit der Krklürnnj?
V. E. (.'urtius p. 145, der auch die frfdiere liiteiatur anjfiebt Newton
tnivels and dis<'overies in the Levant London 1805 I p. 24 hält die
Gruppe für ursiunuiglich zugehörijj^ und meint, the female lifj^ures are
♦•vidiMUly nieant to be in a more distant plane thau the rest, was nach
d«T Art des antiken Reliefs auffallend wäre. Ausserdem scheinen mir
• Im (iriechischen Saal n. 22().
•• Der Kopf seines Pferdes ebendas. n. 227.
200 Reliefs.
die aii(l(U'ii im Text augefüiirteu Gründe entscheidend für die nachträg-
liche Hinzufügung der Gruppe. Man kann es auch au den bemahen
Vasen wahrnehmen, dass ein- oder auch dreihenkhge Gefasse wenigstens
eine Unterbrechung des bihliichen Schmucks unter dem Henkel zeigen,
wie es ja aucli in der Natur der Saciic Uegt. Denn durch einen oder
durch drei Henkel ist ein Vorn und Hinten an der Vase ausgesprochen
und der Schmuck kann nicht mehr völlig ringförmig sein. Pervanoglu
j). 6i) n. 78 bemerkt, es sei die grösste der bis jetzt bekannten Grab-
urnen, nämlich :: Meter hoch.
363. Attisches Grabrelief*, in Athen im Theseion
befindlich.
Die Verstorbene wird in der Inschrift als Ameinokleia
des Andromenes Tochter bezeichnet, es ist diejenige deren
Kopf ein Schleier verhüllt, den sowohl Mädchen wie Franen
trugen. Eine Dienerin mit einem Häubchen auf dem Kopf,
das für die niedere Classe charakteristisch gewesen zu sein
scheint, ist an ihren Sandalen beschäftigt, eine andere mit
einem Kästchen steht daneben.
Man kann in den Figuren der griechischen Grabsteine,
wie in den architektonischen Ornamenten, sehr deutlich den
Uebergang von einem feinen, üachen Relief zu einem volleren,
runderen, den wirklichen Körper darstellenden verfolgen.
Das letztere, das wir schon hier sehn, ist offenbar die Folge
einer mehr realistischen Kunstrichtung.
Die Ausführung dieses Grabsteins ist wie gewöhnlich,
nicht sehr fein, und wunderlich ist, wie das Bein der hintern
Dienerin in den Körper der vordem hineindringt, was ver-
muthlich desswcgen geschehen, um nicht mit der letzteren
zu weit aus dem Relief herauszukommen. Trotzdem ist das
Ganze sehr anmuthig und aus guter Zeit. Die Inschrift, in
welcher noch o für ov geschrieben ist, zeigt, dass es nicht
lange nach dem Jahre 400 entstanden ist
Vgl. Pervanoglu p. 50, n. 10. Michaelis nnove memorie p. 207.
364. Griechischer Grabstein**, in der Abtei von
Grotta ferrata bei Rom befindlich.
Das Lesen in der Rolle deutet auf einen den geistigen
Interessen ergebenen Jüngling. Der Kopf ist nicht Porträt,
die Verstorbenen werden auf ihren Grabmonumenten, wenig-
stens in der Blüthe der Kunst, gewöhnlich nicht porträtähn-
* Im Treppenhaus n. 171.
** Ebendas. n. 20.
Reliefs. 201
lieh dargestellt Auch die Sieger in den grossen Kampfspie-
len erhielten in den meisten Fällen nicht Porträtstatuen, es
zeigt sich darin wieder die Eigenthümlichkeit der griechischen
Kunst, das Individuelle ins lUlgemeinere hinüherzuspielen.
Eine gemüthliche Zuthat, an denen die griechischen Grab-
steine so reich sind, ist der treue Hund unter dem Sessel
des Jfinglings.
Die ruhige objective Haltung des Ganzen, die edle Na-
türlichkeit, die sich in der Haltung des Jünglings ausspricht,
die Behandlung des Reliefs, das trotz des höheren Vorsprungs
ganz flächenartig gehalten, und die schöne stilvolle Ausfüh-
rung lassen vermuthen, dass das Werk in die Blüthezeit der
griechischen Kunst, doch wohl nicht mehr in das fünfte
Jahrhundert gehöre. Auch die schöngezeichnete Bekrönung
ist noch ohne alle realistische Nachahmung, rein dekorativ
gehalten. Unklar ist, was die stufenartigen Vorsprünge an
der Seite des Jünglings zu bedeuten haben. Es wurde da-
durch möglich, dass das vordere Bein in derselben Fläche
mit dem Oberkörper blieb, doch reicht dieser formelle Grund
zur Erklärung nicht aus.
Abg. Ann. 1865 tav. 15 i>. 61 tf. von ßrann, in dessen Erkläniiij^-
mir das über die Richtnng des Hundes Bemerkte auffällt, <li(» mir ein-
fach dadurch veranfasst scheint, dass die Beine des Jünglinj^s die um-
gekehrte Richtung nicht erlaubten.
365. Attisches Grabrelief*, 1839 im Piraeus gefun-
den und in Athen, im Theseion, befindlich.
Eine Familienscene, deren Mittelpunkt die sitzende Frau,
vermuthlich die Verstorbene, ist. ^ Das Kind auf dem Arm
der Wärterin lässt uns in ihr eine jung gestorbene Mutter
erkennen, welche ihre Angehörigen, lauter weibliche Figuren,
mit Geberden der Trauer und Liebe umstehn. Die Pointe
dieser Darstellungen liegt darin, ein Bild der Anhänglichkeit
und Liebe zu geben, die dem Verstorbenen zu Theil ward,
daher so oft das Motiv, dass die üeberlebenden ihm die
Hand reichen, was früher fälschlich als ein Abschiednehmen
verstanden wurde, aber nur eine Geberde der Zuneigung ist.
In diesem Sinne haben es auch die Römer und neuere Künst-
ler nachgeahmt, indem sie Gatte und Gattin auf den Grab-
steinen mit in einander gelegten Händen als Zeichen ihrer
Neigung und Zusammengehörigkeit darstellten. .
* Im Saal des Barberinischen Fauiis n. 23.
202 Reliefs.
Das Kästchen ist der Verstorbenen als ein gewöhnliches
zur Aufbewahrung von Schmucksachen u. dgl. bestimmtes
Frauengeräth beigegeben, in der Verzierung der Sesselleime
mit Widderkopf und Sphinx fct schwerlich irgend ein sym-
bolischer Sinn zu suchen, der Künstler ahmte nur ans künst-
lerischen Gründen die feinere Art der Stühle seiner Zeit nach.
Der reine Stil und die zarte Empfindung, namentlich
die leise Wehmuth in Ausdruck und Geberde der vor der
Verstorbenen stehenden Figur lassen vermuthen, dass daa
Relief einer sehr guten Zeit, nämlich dem vierten Jahrhun-
dert angehöre. ^
Abg. ArchacM)!. Ztg. 1845 Tai'. 34 (aber in umgekehrter Richtung)
und erläutert vou Curtius |>. 145 ft'., der die vor der sitzenden Fran
stehende Figur nnt Unreolit, wie mir scheint, als mäiudich ansieht. Vgl,
Pervanoghi |>. 50 n. 12. Stephani Compte-rendu poiu* l'annee 64
p. 132 tf. deutet in ausführlicherer Erörterung Sphinx und Widderkopf
als änoTQonaLa, worauf ich an einem andern Ort ziu'ückzukommen
hotte. Lieber die (leberde des Haudreichens vgl. Compte-rendu pour
l'annee 1861 p. 102 und das dort Citirte.
*^^io. Attisches Grabrelief*, im J. 1840 in Athen
im äussern Kerameikos gefunden, ebendaselbst befindlich in
der in Hadrian's Stoa vereinigten Sammlung.
Der Jüngling zur Rechten, der durch seine Nacktheit
als Palästrit charakterisirt wird, ist der Verstorbene, ein älte-
rer Mann, wohl' der Vater, steht mit theilnehmender Miene
und Geberde neben ihm. Am Boden kauert der Sklavenknabe,
der seinem Herni Oelüasche und Striegel in die Palästra nach-
zutragen pflegte. Er ist verhältnissmässig zu klein, wie oft
auf diesen Monumenten die der Bedeutung nach untergeord-
neten Figuren auch äusserlich als solche dargestellt werden»
Hier scheint ausserdem der Raum etwas knapp gewesen zu
sein, wie man aus der stark zusammengekrümmten Stellung
des Knaben schliessen möchte, die übrigens nicht einen Ein-
geschlafenen — das wäre ftlr einen Grabstein von nur etwas
edlerer Haltung ein unpassendes Motiv — , sondern gleichfalls
einen Traueniden, den um seinen Herrn Trauernden charak-
terisiren soll.
Das Relief ist zwar flüchtig gearbeitet, gehört aber doch
noch dem edleren Stil an.
* Im Saal' des Barberinischen Fauns n. 26.
Reliefe. 20S
AbfT. ^^fffi. d^x^t^oX. 1841 n. 721. Stephaiü Ausnih. H<»rakles
Taf. 6, II. 1. Vgl. 0. Jahn Arch. Zt^. 1853^ p. 171. üeber die Gc-
b<'rde des Knaben vgl. Cebes cap. 10 t] öh xriv xs(paXr^v iv xolq yo^
vaoiv sxovoa {xaleiTCci) Avtitj.
367. .Grabstein*, früher im Museum auf Aegiua be-
tindlich und daher vermuthlich auf dieser Insel gefunden, jetzt
in Athen, im Theseion.
Die Details dieses schönen Grabsteins, der seinem Stil
nach dem vierten Jahrhundert angehört, sind uns leider durch-
aus unklar. Wir wissen nicht, was die Bewegung der Rechten
«les Jünglings, der in der Linken sein Spielzeug, einen Vogel
hält, bedeutet, auch nicht den Gegenstand zu bestimmen, den
seine Rechte berührt, und endlich nicht den Zweck des
Pfeilers, auf dem ein unbestimmbares Thier liegt. Die kleine
Figur an diesem Pfeiler ist wohl der Sklave des Knaben.
Verzeichnet bei Porvanoglii p. 73 n. 2. Eine Bestimmung der
fraglichen Gegenstände und Erklärung der Motive versuchen (lerhard
Ann. 1837, 126 und Fiiedländ^r de operibus anaglyphis etc. p. 36 ff.
aber iTir mich nicht überzeugend.
368- Griechischer Grabstein**, in Athen belindlich.
Es ist der Grabstein eines Mädchens, das als Zeichen
kindlicher Neigung eine Puppe in den Händen hält, genau
von der Form, wie sie aus attischen Kindergräbem bekannt
ist- Aehnliche hübsche und sinnige Motive, die das fröhliche
Spiel früh verstorbener Kinder schildern, linden sich öfter
auf Grabsteinen, ein Knabe mit seinem Kinderwagen, mit
seinem Vogel oder Hündchen, ein Mädchen mit ihrem Täub-
hen und dgl. Aus guter Zeit.
Vgl. Pervanoglu p. 73 n. 1, der die Puppe für eine Statuette er-
klärt. Ein ganz ähnlicher Grabstein bei Pacciaudi Monum. Pelop. II
p. 210.
369. Relief einer Grabvase***, in Athen befindlich.
Etwas pathetischer im Ausdruck als das Relief der
Münchner Vase (n. 361), aber nicht ohne Empfindung und von
gatem Stil. Das Relief geht aus dem flachen dekorativen
Charakter schon etwas heraus und der Kopf der Frau ist en
face gestellt, was in der frühem Zeit selten vorkommt.
Vgl. Pervanoglu p. 55, ii. 4, wo übrigens die hinter dem Stuhl der
Frau Mi'hende Figur irrthünilich als männlich aiigesehn ist.
• Im Saal des Barb<Tinischen Faun« n. 25.
•• Im (iriechischen Saal n. 273.
••* Kbeudas. n. 54.
204 Reliefs.
370. Desgl.*, 1830 auf Salamis gefunden, weniger schön.
Die Inschriften sind im Abguss nicht ganz vorhanden.
\^l Pervanoglu p. 57 ii. 13. Abg. 'E<pTifi. 1841 n. 608.
371. Des'gl.**, von gutem Stil.
Vgl. Pervanoglu p. 57 n. 11.
372. Attischer Grabstein***, im J. 1837 im Piraeus
gefunden, in Athen, im Theseion befindlich.
Wie die metrische Inschrift angiebt, ist es der Grabstein
eines gewissen Diphilos, von dem nach einer oft wiederkeh-
renden Formel gerühmt wird, dass zwar sein Leib der Erde
tibergeben, seine Gerechtigkeit aber nicht mit ihm begraben
sei. Unzweifelhaft ist Diphilos in dem links stehenden nur
halb erhaltenen Mann zu erkennen, und dieser Grabstein be-
weist das Irrthtimliche einer frühem Auffassung, wonach man
in der sitzenden Figur stets den Todten dargestellt glaubte.
Das Sitzen oder Stehn der Figuren hängt vielmehr vom Be-
lieben des Künstlers ab, besonders häufig werden die Frauen
sitzend vorgestellt, weil es für sie als Frauen natürlicher ist.
Die Familienscenen der attischen Grabsteine, unter denen
die Gruppe von Mann und Frau, die sich die Hand reichen,
besonders häufig wiederkehrt, wurden in ihrer grossen Mehr-
zahl gewiss nicht für jeden einzelnen Todesfall besonders an-
gefertigt, sondern als ein einmal beliebter Schmuck des Gra-
bes auf Vorrath gearbeitet, wie bei uns die Grabkreuze.
Die Scenen mussten daher, wie hier, möglichst allgemein ge-
halten werden und erhielten ihre individuelle Beziehung erst
durch die Inschrift.
Abg. 'E<pi]fi. dQX^^oX. 1840 n. 423. Vgl. Pervanoglu ]). 57 n. 15,
Die Inschrift lautet: acjua fxkv ivd-a^ llx^i obv MipiXe yala dixvov
[rog], fivijfia öh orjq skiTisg Ttäai Sixawavvrjg.
373. Griechischer Grabstein****, in Athen befindlich.
Die Verstorbene hiess nach der Inschrift Eutamia, neben
ihr steht ihr Kind, das ihr etwas hinreicht, vermuthlich einen
Vogel, sein Spielzeug. Der Hund im Giebel scheint zum
Gedächtniss eines treuen, neben seinem Herrn begrabenen
Thieres angebracht zu sein. Gute Zeit.
Vgl. Pervanoglu p. 52 n. 17.
* Im Griechischen Saal n. 55.
** Ebendas. n. 56 und ein Duplikat unter n. 225.
*** Im Treppenhaus n. 178.
**** Ebendas. n. 177.
'ik.
Reliefs. 205
374. Attischer Grabstein*, 1836 im Piraeus gefan-
gen und in Athen im Theseion befindlich.
Ein jugendlicher Athlet, sich mit dem Schabeisen reini-
gend, ist hier in flachstem Relief dargestellt. Die Figur
stimmt überein mit dem Apoxyomenos eines andern ebenfalls
attischen Monuments, welches mit Sicherheit der Zeit des
Alexander zugeschrieben werden kann, ist aber nicht sklavisch
eopirt
Vgl. Ross Archaeol. Aufs. I p. 39 u. Anm. 1. Miiliaelis Aiinali
1862 p. 212 ff. Pervanoglu p. 35 n. 2.
375. Attischer Grabstein**, in Athen, im Theseion
befindlich.
Auch hier ist der Verstorbene in palästrischer Thätig-
keit dargestellt, die ja zu den wichtigsten Beschäftigungen
der attischen Jugend gehörte. Der Jüngling scheint aus
einem in der Rechten erhobenen Fläschchen Oel in die vor
<lein Leib befindliche Linke zu giessen, die Figur stimmt
sehr tiberein mit dem unter u. 98 aufgeführten statuarischen
lypus, nach dem sie wohl eopirt ist. Links steht der Skla-
venknabe mit der Striegel in der Hand, wieder un Verhältnis s-
mässig klein gebildet, rechts eine Herme und ein Oelkrug,
tun das Lokal der Palästra zu charakterisiren. Die Stele ge-
hört noch zu den besseren.
Vgl. Pervanoglu a. a. 0. p. 35 n. 1.
376. Griechischer Grabstein***, im J. 1826 auf Do-
los gefunden, in Athen befindlich.
Es ist der Grabstein eines durch Schiffbruch Verunglück-
ten, dergleichen sich mehrere meist von den Inseln stammend
erhalten haben. Auf allen finden wir, wie hier, den traueni-
(Jen auf dem Felsen sitzenden Mann und neben ihm sein
Schiff, der Verstorbene wird also dargestellt als sei er von
den Wogen an öde Klippen verschlagen und dort traurig ums
Leben gekommen. Dieser Grabstein konnte natürlich nur
ein Eenotaph schmücken. Die Inschrift nennt einen Glykon,
des Protogenes Sohn. Unter dem Giebel ist ein um die
Stele gewundenes Band in flachem Relief angegeben, da es.
• Im Treppenhaus n. 159.
•♦ Ebendas. n. 186.
••• Im Griechischen Saal n. 276.
206 Reliefs.
wie namentlich die Vasenbilder zeigen, Sitte war, die Grab-
steine nicht bloss mit Kränzen, sondern auch und vornehmlich
mit bunten Bändern zu schmücken. Aus späterer Zeit.
Abg. ^EiprifA. (XQX' "• 393. Expedit, scieiitif. de Mor^e III, pl. 20,
1. Stephaüi Ausndi. Herakles p. 25. ii. 5. Pervanoglu Tai*. 1, ii. 11
p. 71 11. 6.
377. Attischer Grabstein*, im J. 1826 in Attika
gefunden, in Athen befindlich.
Wenn nicht die Inschrift den Namen eines Leon von
Sinope enthielte, so würde man das Bild des Löwen auf die-
sem Grabstein als Symbol eines in tapferem Kampfe gefalle-
nen Kriegers verstehn müssen, da ja bei Griechen und Rö-
mern und noch jetzt die Gräber tapferer Krieger mit dem
Bilde eines Löwen geschmückt werden. Die Inschrift aber
veranlasst uns, den Löwen als bildliche Darstellung des
Namens Leon aufzufassen, wie Aehnliches bei Griechen und
Römern öfters vorkommt, ohne damit freilich die Möglichkeit
auszuschliessen, dass Leon durch Tapferkeit sich seines Na-
mens auch würdig gezeigt habe. Spätere Zeit.
Abg. ^Eiprifi. aQX' "• 3i)4. Steplmiii tituli graeci III p. 23 u. 6.
Le Bas pl. 78. Vgl. Pervanoglu p. 83 n. 4. Michaelis Arch. Ztg,
1859 p. 24. Conze Arch. Anz. 1864 p. 217.
378. Griechisches Grabrelief**, in Athen, im The-
seion befindlich.
Die Verstorbene, in der Inschrift als Nike, des Dosi-
theos Tochter, von Thasos bezeichnet, ist hier mit ihrem
Mann und Kinde gruppirt, doch könnte die kleine Figur auch
• als die Dienerin bezeichnet werden, die wir oft auf den
Grabsteinen mit einem Fächer, wie hier, neben ilirer Herrin
stehn sehn. Der Fächer hat die Form eines Blattes, wodurch
der Zweck desselben, saufte Kühlung zuzufächeln, treffend
versinnlicht wird.
Der Grabstein gehört nicht mehr der Kunstblüthe an.
Der Abschiedsgruss x^^^y ^^^ ^^^ ^ ^^^ Inschrift finden,
ist den älteren Grabsteinen fremd und auch die Rosetten in
dem leeren Raum über den Figuren, zu dessen Belebung sie
dienen, führen auf spätere. Zeit. Schöner ist die ältere Weise,
die Figuren bis an die Bekrönung hinaufzuführen, wodurch
das ganze Monument leichter und schlanker wird.
* Im Griechischen Saal ii. 277.
** Im Treppenhaus n. 78.
Reliefs. 207
Vgl. Pervauogrlu p. 60 n. 28. Die luschrift lautet: Nixri Jataid-Sov
379. Griechisches Grabrelief*, in Athen im Theseion
befindlich.
Die verstorbene Frau, Lampronike aus Stymphalos, Frau
des Sarapion, erinnert in Stellung und Gewandung sehr an
römische Porträtstatuen, mit denen sie gleichzeitig sein wird,
da auch die Inschrift auf spätere Zeit deutet. Neben der
Frau eine Dienerin mit Fächer und Kästchen.
Vgl. Pervaiiüglii p. 50, ii. 11. Die Inschrift lautet: AdfiTiQOV
ZrvfiipaXia yvv^ 6e JktQaniaivoq x^tjot^ X^^Q^- Hinter AafxuQOV
frhleii einige Buchstaben. ^
380. Griechischer Grabstein**, auf Delos gefunden,
in Athen befindlich.
Die Inschriften lehren, dass der Stein auf dem Grabe
' eines Rossarztes Eutychos und seiner Frau und Kinder stand,
ond die uns unverständlichen Geräthe, welche der Mann in
den Händen hat, scheinen sich auf sein Amt zu beziehn.
Nach den Formen der Buchstaben, nach Stil und Composition
gehört das Werk späterer Zeit an. Die Zerlegung der Fläche
in zwei Stockwerke hat nur in römischen Reliefs Analogien,
besonders aber ist die Anordnung der oberen Figuren, die
nur kalt figurirend dastehn und auch durchaus nicht mehr
als Relieffiguren componirt sind, ein Zeichen gesunkener Kunst.
In der besten griechischen Zeit pflegen die Figuren in Hand-
lung gesetzt zu werden, wodurch sich dann auch inneres
Leben offenbart, auch hält man gewöhnlich die Profilstellung
fest, die dem Relief stil mehr entspricht. Dieser Grabstein
dagegen ist ganz so componirt, wie die Mehrzahl der römi-
schen, welche die Gestorbenen en face und bloss figurirend
darzustellen pflegen.
Abg. 'EipTjfi, d(}xccio?,. 1841 n. GÜ2. \'^\. PervanogUi p. 23 u. 17.
Die In.sehnft lautet: Evzvxog KaiaaQoq iTtniaxQoq ''Poöco Meve-
xQaxidoq MiX^aUx. hccvrai xal xolq rixvoiq.
381. Relief eines Reiters***, inGegenwart vonPiusIX.
in Pompeji ausgegraben, der es zum Geschenk erhielt und
im museo Gregoriano des Vatikans aufstellte.
* Im Treppenhaus n. 88.
•♦ Ebenda.s. n. 184.
•*♦ Ebendas. n. 173.
208 Reliefs.
Das Relief, welches einen Reiter darstellt, der mit höchst
eigenthümlicher Peitsche sein Pferd antreibt, wurde Anfangs
auf Alexander mit seinem Bucephalus, später aber gewiss
richtig für ein griechisches Gräbrelief erklärt, wie es deren
ja so viele tibereinstimmende giebt, vgl. n. 358. Nur fragt
sich, ob das Relief, das seiner ganzen Composition nach
durchaus griechisch ist, von Griechenland nach Pompeji trans-
portirt oder ob es nicht eine nach einem griechischen Vor-
bild ausgeführte Copie ist, welche letztere Annahme uns die
wahrscheinlichere scheint. Es war in Pompeji vermuthlich
auch für ein Grab bestimmt.
Abg. Avelliiio, dilncidaz. di uii antico bassorilievo 1850 und Giii-
(lobaldi Alessaiidro e Bucefalo 1851. Vgl. Bnmn im bull. 1851 p. 59.
382. Griechisches Grabrelief*, in Athen befindlich.
In flachem Relief ist eine Vase dargestellt, von welcher
nur der Hals mit den Henkeln erhalten. Darüber im Gie-
bel eine Sirene mit einem dreieckigen Saiteninstrument, dem
Trigonon, in der Hand. Das Ganze ist nur angedeutet und
wurde ohne Zweifel durch Malerei genauer ausgeführt.
Aus mehreren Orten Griechenlands, auch aus Lycien,
sind uns die Sirenen als Schmuck von Grabsteinen bekannt.
Zahlreiche literarisch erhaltene Epigramme, auch ihre Ge-
berdeu auf den erhaltenen Monumenten lassen nicht bezwei-
feln, dass sie als „Musen der Todtenklage", wie man tref-
fend bemerkt hat, als Sängerinnen der Trauer um den Ver-
storbenen aufzufassen sind.
AbfjT. bei Stackelberg^ Gräber der Hellenen, Titelkupfer. C'ouze im
Piniol. XVII. 1861 Tai'. 1, 1 p. 550. Vgl. Pervanogln p 80 n 3. Die
von Miciiaelis Arch. Ztg. 1866 p. 140 Anm. 4 angegebene Redeutung
der Sirene als „Symbol des süss vorlockenden, zu sieh heranlockenden
Todes" ist wenigstens auf den attischen Ombstehien, auf denen die Si-
rene selbst klagend vorgestellt wird, nicht mehr gefühlt.
383. Griechischer Grabstein**, in Athen befindlich.
Dieser Grabstein ist dem vorigen in der Darstellung
und in dem fragmentirten Zustande ähnlich, indem auch nur
die reichverzierten Henkel der Vase erhalten sind. Die Si-
rene ist klagend vorgestellt, mit der einen Hand ihr Haar
raufend, mit der anderen ihre Brust schlagend. An den
♦ Im Treppenhaus n. 167. Ein Duplikat im Griechischeu Saal
n. 280.
** Ebendas. u. 89 a. Duplikat im Griechischen Saal ii. 279.
Reliefs. 209
Ecken des Giebels sind Sphinxe angebracht, vermuthlich
nicht ohne symbolischen Sinn, um nämlich die hinraffende
Macht des Todes zu bezeichnen. Die Inschrift nennt einen
EalliaSy des Philetaerus Sohn.
Abg. Coiize PhUol. XVU. 1861 Taf. 1, 2 p. 550. Le Bas pl. 78.
Vgl Pervanoglu n. 80 n. 6. 0. Jalin Arch. Beitr. p. 117 ff. Die In-
schrift lautet: KaXXlag ^ilsralQov ^aXriQSvq.
384. Grabrelief*, aus Astro (Thyrea), jetzt in Athen.
Dass dies Relief zum Schmuck eines Grabes bestinmit
war, zeigt die auf dem Pfeiler stehende Vase, von deren
Bedeutung schon oben (n. 361) die Rede gewesen ist. Auch
die ganze Composition entspricht den Grabsteinen späterer
Zeit. Der Todte, in dessen Gesicht Porträtähnlichkeit beab-
sichtigt zu sein scheint, präsentirt sich von vorn und in
ruhiger Haltung, woraus wir schliessen dürfen, dass der
Zweck des Künstlers nicht die Darstellung irgend einer
Handlung, sondern eben nur dieser war, die Gestalt des
Todten wiederzugeben. Er füttert mit der einen Hand eine
Schlange, die Hüterin seines Grabes" (vgl. n. 387), mit der
anderen hält er sein Ross. An dem Baum hängen wie an
einem Siegeszeichen seine Waffen, und sein Sklav trägt noch
den Helm herzu um ihn auch aufzuhängen. Wie man den
Kriegern ihre Waffen ins Grab mitgab, so sind sie auch auf
ihren Grabsteinen sehr häufig als Stolz und Freude des
Todten dargestellt. Der Palmzwcig in der Hand des Kna-
ben, das Symbol eines Sieges, dient auch nur zur Verherr-
üchung des gestorbenen Jünglings.
Abg. Expedit, scientif. de Moree III pl. 97. Bötticher Baumciütus
fig. 63 (mit einer ganz abweichenden, aber wie mir selieint, nieht ans
den Moiiumenteu geschöpften Erlilärnn^, ih'nn wie die (irabsteine, ant*
denen die Sehlange mit und ohne Baum vorkommt, zeigen, i^t der
Baum materiell unwesentlich, nur aus formellen Gründen hinzufrelugt.)
Stephani Ausndi. Herakl. p. 78 Anm. 3 wird seine Gründe, die ihn
Veranlassten, diese und ähnliche Monumente für Anatheme zu erklären,
whwerlich noch jetzt für richtig halten. Gerhard Annali I, 139 u. Per-
vanoglu p. 29 n. 6 fassen das Relief als sepulcral. Vgl. Ann. I, 134.
385 — 389. Grabsteine mit der Darstellung des
Todtenmahls.
385. Griechisches Grabrelief**, 1838 im Piraeus
gffunden, jetzt in Athen befindlich. Es ist unter dem Na-
men der Tod des Sokrates bekannt.
• Im Cabnet des Laokoon n. 5.
•• FJMMidas. n. (J.
Friedtfricbs, griech. IMastik. 14
210 Reliefs.
Dieses Grabrelief, das jedenfalls wie es an vielen ähn-
lichen noch deutlich erkennbar ist, über einer höheren Basis
aufgerichtet war und mit ihr zusammen den Grabstein bildete,
ist das schönste Exemplar einer an Zahl reichen aber an
Kunst im Ganzen armen Classe von Grabmälern. lieber die
Erklärung derselben ist man noch nicht einig, sie ist in der
That auch nicht leicht. Viele glauben, dass auf diesen Stei-
nen das Familienmahl als Zeichen eines heiteren Lebensge-
nusses dargestellt sei und allerdings scheint diese Erklärung
für andere Exemplare auf den ersten Blick passend zu sein,
aber für das vorliegende schon deswegen nicht, weil gar
kein Tisch da ist, was bei einem so sorgfältig gearbeiteten
Relief um so weniger für zufällig gehalten werden kann, als
es auch auf anderen sich findet. Die folgenden Reliefs
werden dieser Erklärung noch gewichtigere Bedenken ent-
gegenstellen, hier genüge nur darauf hinzuweisen, dass nicht
wohl einzusehn, wie eine edlere Denkungsart auf den Gedan-
ken kommen konnte, den Grabstein mit dem Bilde einer
Mahlzeit zu schmücken.
Wir halten daher eine andere Meinung für richtig, nach
welcher nicht eine Speisung des Lebenden, sondern des
Todten oder mit anderen Worten ein dem Todten darge-
brachtes Opfer, in dessen reicherer oder kärglicherer Dar-
stellung der Künstler freie Hand hatte, dargestellt ist. In
unserem Bilde ist die auf den Verstorbenen zu beziehende
Figur unverkennbar, es ist der liegende Mann, der seine
Schaale ausstreckt um die Weinspende des Opfers zu erhal-
ten, die der nackte Diener zur Linken, welcher mit einer
Schöpfkanne neben einem Mischkrug steht, ihm bringen wird.
Dass der Verstorbene liegend dargestellt ist, entspricht aller-
dings der Sitte des Lebens, liegend zu essen und zu trinken,
aber das Opfer wurde ja auch als ein sinnlicher Gennss ge-
dacht oder musste wenigstens in denselben Formen der
Darstellung anschaulich gemacht werden.
Um den Todten- gruppiren sich nun in geringerer oder
grösserer Zahl Glieder seiner Familie, wie wir dies ebenso
auf anderen Classen der Grabdenkmäler fanden. Unter ihnen
fehlt selten die Gattin, die gewöhnlich auch durch ihre de^pi
Mann proportionale Grösse vor den Uebrigen ausgezeichnet
wird. Nur darf man daraus nicht schliessen, dass der Grab-
stein dem Mann und der Frau gesetzt sei, denn auf keinem
derselben findet sich, soviel ich weiss, eine Andeutung, dass
Reliefs. 211
4lie dargebrachten Gaben .auch ihr bestimmt seien ^ auf meh-
reren derselben aber ist sie, wir wir sehn werden, in einer
Thätigkeit dargestellt, welche diesen Gedanken geradezu aus-
schliesst. Die Frau ist daher nur als die dem Mann Nächste
in eine engere Verbindung mit ihm gesetzt, während die
Uebrigen als Nebenpersonen in kleineren Proportionen dar-
gestellt sind. Die zur Rechten in ernster feierlicher Haltung
stehende Figur ist eine solche Nebenperson, deren Haltung
gerade dadurch veranlasst scheint, dass der Verstorbene als
ein göttlicher Ehren theilhaftiger Heros gedacht wird. Der
Hund unter dem Lager ist ebenso wie die Thiere auf den
oben besprochenen Grabreliefs als das Lieblingsthier des
Verstorbenen zu denken.
Nach dieser Auffassung ist die Pointe der Darstellung
fast dieselbe wie auf den anderen Grabsteinen, es soll die
Pietät dargestellt werden, welche die Ueberlebenden dem
Verstorbenen zollen.
Wir bemerkten schon, dass dieses Relief das schönste
der ganzen Classe sei, es ist in der flachen Weise der besten
Zeit gehalten und zeigt in Gewändern und Nacktem einen
edlen Geschmack, so dass es noch dem vierten Jahrhundert
angehören könnte.
386. Fragment eines Grabreliefs*, im Piraeus
gefunden.
Man erkennt den Hals einer in flachem Relief angege-
benen Vase und wenigstens zur Rechten den Contour des
Henkels, durch Malerei war das Einzelne unzweifelhaft deut-
licher bezeichnet. Zur Linken ist der Verstorbene, Gelon,
dargestellt, liegend und eine Schaale ausstreckend, zur Rech-
ten ein trauernder Verwandter, Kallistratos. Es ist klar,
dass hier weder ein Familienmahl noch überhaupt eine Mahl-
zeit dargestellt sein kann, sondern es ist eben wieder der
heroisirte Verstorbene in derselben Haltung wie oben, und
wie. wir ihn unzählige Male auf Grabdenkmälern der Etrus-
ker und Römer sehn, welche eben diese Form von den Grie-
chen entlehnt haben.
Das Relief gehört noch guter Zeit an, sowohl nach den
Formen der Inschrift als nach dem Stil.
387**. Auf diesem Grabstein ist ebenfalls der Verstor-
* Im (iricchischen Saal ii. 283.
*• Ebciulas. 11. 2H3.
14*
212. Reliefb.
bene zu Tische liegend vorgestellt, links steht eine a'dorirende
Figur. Die weiteren Details finden ihre Erklärung beL
388 und 389, .beide im Piraeus gefunden*.
Auf diesen Steinen ist die Scene reicher entwickelt, in-
dem eine Schaar von Andächtigen mit dem Gestus der Ado-
ration, wahrscheinlich die Familienmitglieder, dem Verstor-
benen wie einem Gott naht. Hier ist keine andere Deutung
möglich, die Anbetenden, das Opferschwein und der Altar
zeigen deutlich, dass es sich um ein dem Todten darzubrin-
gendes Opfer handelt. Ausser dem blutigen Thieropfer sind
ihm auch Früchte und Kuchen auf einem Tische vorgesetzt
und dass dem Trinkhorn, aus welchem er seine Schaale füllt
(es ist die Art der Trinkhörner vorausgesetzt, deren Spitze
durchbohrt war), der Wein nicht ausgehe, dafür borgt der
am Kopfende des Lagers neben einem Krug stehende Knabe»
Auch die Gattin betheiligt sich am Opfer, denn man sieht
hier und auf gleichartigen Denkmälern deutlich, dass sie ndt
der Rechten etwas auf ein kleines kelchartiges Gefäss legt,
das wohl nur zum Verbrennen des zum Opfer erforderlichen
Weihrauchs dienen konnte. Ihre Geberde ist die, als legte
sie ein Weihrauchkorn darauf, das Kästchen in ihrer Linken
wird demnach für eine Weihrauchbüchse zu halten sein.
Noch bleiben zu erklären übrig die Schlange und der
über den Adorirenden sichtbare Pferdekopf. Die erstere ist
eins der gewöhnlichsten an den Gräbern angebrachten Sym-
bole, sie ist die Schützerin des Grabes und des Todten und.
wird manchmal allein ohne weiteren bildlichen Zusatz dar-
gestellt, manchmal wie hier in die Darstellung aufgenommen
als eine schützende Freundin des Todten, aus dessen Schaale
sie trinkt, von dessen Tisch sie isst. Der Pferdekopf ist
aber nur eine Abkürzung des ganzen Pferdes, das wir auf
feineren Exemplaren neben dem Verstorbenen als sein Lieb-
lingsthier — denn di^s ist wohl richtiger als dass es nur
seinen ritterlichen Stand bezeichne — dargestellt sehn.
Endlich ist noch zu bemerken, dass der Verstorbene auf
manchen Exemplaren und so auch hier, einen Modius auf dem
Kopf trägt. Es ist das Attribut des Gottes der Unterwelt,
und mit Recht ist bemerkt, dass der Todte dadurch als eine
Gottheit der Unterwelt dargestellt werde.
Die Arbeit dieser Reliefs ist zwar unbedeutend und
* Im Griechischen Saal n. 290. 295.
Reliefs. 213
fiflchtig, aber man muss sich doch hüten ^ daraus sofort anf
späte Entstehung zu schliessen. Auch in guter Zeit der
Kunst ist, wie manche durch ihre Inschriften datirbare Werke
zeigen, roh und flüchtig gearbeitet, denn es musste ja auch
Arbeiter geben, die für das Bedürfniss ärmerer Leute sorgten*.
Das erste Relief, der Tod des Sokratos, ist uugeuügend abg. iu
der *E^fjfi. 1840 ii. 269 und bei Holländer de {inaglypliis sepuleralibiis
<iraecis quae coenam repraesentare dieuntur, Berlin 1865 n. A. \g\,
Siephani Ausruh. Herkules p. 81 n. 19. Welcker A. D. U, 243 n. 9^
Per^'anoglu p. 39, n. 7. Holländer p. 15 (der den Stil desselben richtig
würdigt). Das zweite ist abg. in der 'E(pij/Ji. n. 305, Holländer n. B.
Vgl. Pervanoglu p. 44 n. 42. Holländer p. 16. Das folgende ist das im
Theseion befindliche, bei Pervanoglu p. 38, n. 2 aufgeführte, über die
letzten beiden vgl. deus. p. 40 n. 15 u. 16 und das dort Citirte.
Wie der Text zeigt, schliesse ich mich in der Erklärung dieser
.«H'hwierigen Denkmäler im Wesentlichen dem von meinem Schüler
Dr. Holländer Entwickelten an, bei welchem auch die reiche Literatur
verzeichnet ist, bis auf Petersen Ann. 1860 ]). 378, der in der Erklänmg
Ajf p. 43 besprochenen Inschrift mit Holländer übereinstimmt. Die
Inschrift auf dem bei Holländer n. C publicirten Berliner Relief ist mir
noch unverständlich, um so mehr, als es ein zweites übereinstimmendes
Relief mit derselben Inschrift giebt. Wieseler, Philologus XII, 1857
p 865. Anf die Thätigkeit der Frau in den zuletzt erwähnten Reliefs
hin ich durch Bötticher's Nachtrag zum Catalog des Neuen Museums p. 31
aufmerksam gewoixlen und habe sie danach auf vi(?len andern Exempla-
ren wi»*dererkannt. Ich glaube deswegen, dass diese Monumente ihrem
ursprunglichen Gedanken nach nur für Gräber von Männern bestimmt
wan»n, wenngleich sie in s])äterer Zeit, wie die Inschriften zeigen, auch
für Gräber von Frauen benutzt wurden.
b) Votivrelijefs.
Das sicherste Erkennungszeichen eines Votivreliefs ist
in Ermangelung einer Inschrift der Grössenunterschied zwi-
schen Göttern und Menschen. In den andern Kunstwerken stehn
Götter und Menschen als gleichartige Wesen neben einander,
auf den Votivreliefs ist schon äusserlich durch die Grösse
* Die andern gleichartigen meist fragmentu'ten Darstellungen, die
im Griech. Saal unter n. 291. 292. 294. 296. 297. veraeichnet sind,
wprdenr nach diesen Ausführungen keiner weitern Erklärung bedürfen.
Auch die unter n. 63. 64. 309 vorhandenen Grabreliefs sind theils zu
zerstört, theils zu unbedeutend, als dass wir sie besonders aufgeführt
hätten. An n. 64 (Pervanoglu p. 56 n. 9) ist allenfalls dies hervorzu-
heben, dass zwei sitzende Figuren sich die Hand reichen, also an ein
.Xbschiednehmen nicht zu denken ist.
214 Relief».
ein schroffer Gegensatz ausgesprochen. Dies erklärt sich ans
dem Zweck der Denkmäler, die Votivreliefs sind Dankge-
schenke, den Göttern für empfangene Wohlthaten darge-
bracht, und der Weihende, indem er sich der Gottheit
gegenüber in verschwindender Kleinheit darstellen liess,.
wollte damit seiner religiösen Empfindung, seiner Ehrfnrcht
gegen die Götter, Ausdruck geben. Auch in der älteren
Zeit der modernen Malerei sieht man die Donatoren oft auf-
fallend klein abgebildet, was vielleicht denselben Grund hat..
Die Erklärung dieser Eeliefs hat mit grossen Schwierig-
keiten zu kämpfen. Sie beziehn.sich zum grossen Theil auf
Lokalkulte, über die wir nur mangelhaft unterrichtet sind»
Von einer grossen Anzahl derselben kann daher keine ge-
nügende Auskunft gegeben werden. Die künstlerische Aus-
führung ist in der Regel gering, nur untergeordnete Künstler
konnten dem allgemeinen Bedürfniss nach Weihgeschenken
dienen. Aber wie auf den Grabsteinen, so finden wir auch
hier wenngleich in skizzenhafter Ausführung doch nicht sel-
ten die Erfindungen grosser Künstler. Die Zeitbestimfiiung
ist gewöhnlich schwierig, ja unmöglich, denn die Flüchtigkeit^
ja Rohheit der Ausführung berechtigt wie schon bemerkt
wurde, nicht zur Annahme später Entstehung.
390. Votivrelief an die Göttermutter*, in Athen»
Die Figur in den Nischen ist beide Male die Götter-
mutter, kenntlich an dem Tambourin, das in rauschenden
Culten, wie in dem ihrigen und dem des Bacchus eine grosse
Rolle spielte, und an dem Löwen, der an der einen neben
ihrem Sitz, an der anderen auf ihrem Schooss sich befindet*
Letzterer ist zwar in diesem flüchtig gearbeiteten Exemplar
sehr undeutlich, vergleicht man aber mehrere und besser ge-
arbeitete Copien, wozu das Griechische Cabinet des hiesigen
Museums Gelegenheit giebt, so erkennt man auch hier, was
gemeint ist. Solche Bilder der Göttermutter in einem Tem-
pelchen thronend sind namentlich aus Attika zahlreich erhal-
ten, sie entsprechen in der allgemeinen Anlage der Statue,
die Phidias für das Heiligthum der Göttermutter, für das
Metroon arbeitete, von welcher wir wissen, dass sie sitzend, mit
einem Tambourin in der Hand und mit einem LöWen am
Sessel vorgestellt war. Dass sie der Göttin als Weihgeschenke
dargebracht wurden, geht aus den Inschriften einiger der-
* Im Griechischen Saal n. 297 a.
Reliefs. 215
selben hervor. Exceptionell ist an diesem Exemplar, dass
darin unter einem Giebel zweimal dieselbe Göttin mit nur
leiser Veränderung dargestellt ist. Wir wissen keinen Grund
dafür anzugeben.
An jeder Seite jedes Kopfes ist ein Bohrloch angebracht,
vermuthlich zur Anfiigung von Metallschmuck oder auch zur
Befestigung des Werkes selbst, etwa an einer Wand.
Abg. und ausfuhrlich besprochen von Slephani, Ausruh. Herakles,
Taf. 7, p. 68 n. 12, auch bei Le Bas monum. flg. pl. 44. Der Text
iässt erkennen, wie weit ich mit Stcphani übereinstimme. Ein Exemplar
aus Kleiiiiisien bei Stark Niobe Taf. 4a, eins mit der Dedikationsinschrift
bei Defilier und Mordtmann Epigrapliik von Bycantiou und Constanti-
uopel, Taf. 6, 28, ein anderes im hiesigen Museum n. 437.
391. Votivrelief*, aus dem Museo Borgia in das
Museum zu Neapel übergegangen.
Auf den Stufen eines Tempels oder wohl richtiger eines
Palastes^ der durch eine Säule bezeichnet ist, sitzt Herakles;
vor ihm steht Hebe, eine feine jungfräuliche und acht attische Ge-
stalt, bereit ihm in seinen vorgestreckten Becher einzuschen-
ken. Es ist offenbar, dass Herakles sich im Olymp, an .den
Stufen des olympischen Palastes befindet.
Die Einrahmung der Platte fehlt auf beiden Seiten, aber
hinter Herakles konnte wohl nichts mehr folgen, dagegen
könnte hinter Hebe nach anderen Analogien noch die Figur
des Weihenden vorhanden gewesen sein.
Die Inschrift unter der Platte giebt nur einen Namen,
vermuthlich den des Weihenden, die auf der Platte selbst
zwischen den Figuren eingekratzten Züge, welche offenbar
später sind, lassen das Wort xakog erkennen, dem jedenfalls
ein Name voranging. Die Sitte, den Namen einer geliebten
Person überall einzukratzen, war den Griechen natürlich eben
so bekannt, wie uns, aber charakteristisch ist, dass sie das
Wort xaXog hinzufügten, während wir uns mit dem blossen
Namen begnügen.
Aus der Inschrift geht hervor, dass das Relief noch vor
dem Schluss des fünften Jahrhunderts verfertigt ist. Es ist nicht
sehr sorgfältig ausgeführt, aber von acht attischem Charakter**.
* Im Griechischen Saal n. 315.
** Zu einer ähnüchen Darstellung hat vielleicht das in demselben Saal
befindliche unter n. 305 verzeichnete Fragment gehört, auf welchem
auch Herakles, an Köcher und Löwenfell kenntlich, dargestellt ist und
ebenfalls vor einer Säule sitzt. Das Fragment befindet sich in Athen»
216 Reliefs.
Die beste x\bbildung bei Kekule Hebe, Taf. 4, 1, wo auch die Li-
teratur über die Darstellunjj und Inschrift angeg-eben ist. •
392. Votivrelief*, in einer Grotte am Berge Pames
gefunden, und in Athen, im Theseion, befindlich.
Wie die Inschrift lehrt, ist das Relief ein Weihgeschenk
eines gewissen Telephanes an Pan und die Nymphen, die an
dem Fundort, wie wir wissen, verehrt wurden. Verwandt
als Bewohner der ländlichen Fluren und als Förderer und
Mehrer ihres Reichthums wurden diese Gottheiten mannig-
fach gemeinsam verehrt und auch von den Dichtem mit ein-
ander zu oft neckischen und schelmischen Scenen verbunden.
Hier sehn wir drei Nymphen — die Dreizahl ist sehr beliebt,
vermuthlich nach Analogie der Hören und Grazien — mit in
einander gelegten Händen Reigen tanzend und Pan, der
rechts in der Höhe sitzt, spielt die Syrinx dazu. Der Jugend^
liehe Mann, der ihren Reigen führt, wird mit Wahrschein-
lichkeit für Hermes erklärt, den auch die Dichter am Tanz
mit den Nymphen Theil nehmen lassen, und dem gleichfalls
die ländlichen Fluren am Herzen liegen. Vor der ersten
Nymphe liegt ein Felsblock, der kunstlose Altar in diesem
von der Natur gebildeten Heiligthum, die grosse Maske zur
Linken soll die Mündung einer Quelle andeuten. Denn ge-
wöhnlich zwar bezeichnen Thiermasken den Ausguss eines
Brunnens, aber auch Silensmasken finden sich und durch
Stierhörner charakterisirte Masken des Achelous, wir werden
daher auch diese Maske als die eines Flussgottes bezeichnen
dürfen, welche die Vorstellung einer frischen Quelle erweckt,
und dadurch den idyllischen Charakter der Scene wenn auch
nicht fürs Auge, aber für die Phantasie erhöht. Pan ist
hier wie gewöhnlich, von sehr kleiner Gestalt, wahrscheinlich
weil man dies dem dämon- ja koboldartigen Wesen des
Gottes entsprechend fand. Der Typus, unter welchem er
hier dargestellt ist, mit übergeschlagenen Bocksbeinen die
Syrtnx spielend, ist höchst wahrscheinlich derselbe, anter
dem er in Athen in der Pansgrotte an der Akropolis ver-
ehrt wurde. Er ist von seiner Heerde umgeben, deren
Thiere indess wegen der mangelhaften Ausführung des Re-
liefs nicht näher zu bestimmen sind.
* Im Griechischen Saal n. 300.
Reliefs. ' 217
Die Formen der Inschrift führen uns etwa in die Zeit
Alexanders*.
Abg. Aimali 1863 tav. L. Vgl. Michaelis eb«Mi(las. p. 313 ff. Die
Erklärung des Nympheiiführers als Hermes wird durch das von Newton
im ArchaeoL Anz. 1854 p. 512 beschriebene, ganz übereinstimmende
Relief, auf welchem die betreffende Figur einen Caduceus führt, sehr
empfohlcD. •
393. Attisches Votivrelief**, 1835 in Athen vor den
Propyläen gefanden und in Athen befindlich.
Es ist nicht leicht zu sagen, wer die tief verhüllte
Figur sein mag. Wir halten sie für eine Nymphe und zwar
in tanzender Stellung, * denn der eine allein sichtbare Fuss
'berührt nur mit der Spitze den Boden und dieselbe Verhül-
lung und Anspannung des Gewandes, um einen schönen
Faltenwurf hervorzubringen, findet sich gerade an Tän-
zerinnen. An eine Sterbliche zu denken, verbietet die Grösse
der Figur und die Analogie anderer Reliefs. Vielleicht ist
das Relief nur ein Fragment und es folgten noch andere
Hymphengestalten, sodass wir wieder ein Weihgeschenk an
Pan mH den tanzend dargestellten Nymphen vor uns hätten.
Das Relief ist sehr schön und wird noch dem vierten Jahr-
hundert angehören.
Abg. bei Scholl Taf. 5, 12. Müller- Wieseler Denkmäler a. K. 2,
43, 545. Vgl. Ross Arch. Anfs. I, 97. Wieseler erklärt unter Bei-
stimmimg von Michaelis Annali 1863 p. 333 die weibliche Figur für
Aglauros mit Berufung auf eine allerdings ähnliche Figur des bei Wie-
selcr 2, 44, 555 abgebildeten Reliefs, die ich auch für Aglauros halte.
Aber noch näher stehn die bei Michaelis a. a. 0. tav. I abgebildeten
Tänzerinnen der borghesisclien Vase und eine in Gypsabgüssen vielfach
verbreitete schöne Terrakotta, und von diesen Analogien kann ich die
fragliche Figur nicht trennen.
394. Yotivrelief***, auf Kreta in] Gortyna gefunden,
im Loavre befindlich.
• Die beiden im Griech. Saal unter n. 298. 299 befindlichen Frag-
mente, die zu einem Ganzen gehörten, sind vielleicht auch von einem
den Nymphen geweihten Relief übriggeblieben. Beule, der sie 1853
auf der Akropolis gefunden und in der revue archeol. 18G0 pl. 18 pu-
Idicirt hat, glaubt freilich, d(»r tanzenden Frauen seien ursprünglich 9
;;ewe»en, die er dann für die Musen erklärt. Auch das mit n. 301 be-
zeichnete Fragment (Scholl Arch. Mitth. \). 96 n. 83) ki'innte zu einem
Votivrelief an Pan gehört haben.
** Im Treppenhaus n. 175.
*** Im Griechischen Saal n. 94.
218 ' Rt'Iiefs.
Die kleine Figur, die mit erhobener Rechten, in der Ge-
berde der Adoration, dasteht, ist der Donator. Von den
Gottheiten, an welche er sfch wendet, kann nur die sitzende
Figur zur Linken, die Scepter und Schaale gehalten zu haben
scheint, mit einiger Wahrscheinlichkeit für Zeus erklärt wer-
den, wer aber in der weiblichen Figur, die wie eine Hebe
mit dem Krug neben ihm steht, und in der jugendlichen
männlichen Figur, die auch ein Scepter gehalten zu haben
scheint, gemeint sein mag, muss unbestimmt gelassen werden.
Dem Stil nach gehört das Relief in das vierte Jahrhunderte
Abg. Le Bas pl. 124 n. Monum. d. inst. IV, 22a mit der Erklä-
rung von Le Bas Aunali 1845 p. 234 ff., die auf sich beruhen mag.
Sinnreich erklärt von E. Curtius Arch. Ztg. 1852 zu Tafel 38, 1, aber
doch ohne genügende Anhaltspunkte. Der Unterschied der Grösse üb-
rigens zwischen dem sitzenden Gott und den beiden stehenden scheint
mir aus der Composition zu folgen und nicht einen Bedeutungsunterschied
anzuzeigen, wie schon öfter in diesem Buch erwähnt ist. Die Figur ne-
ben Zeus wird Hebe genannt von Kekule in seiner Schrift über Hebe
Lpzg 1867 p. 46. •
395. Votivrelief*, im J. 1860 bei den französi-
schen Ausgrabungen in Eleusis gefunden und ebei^aselbst
befindlich.
In diesem Relief ist eine aus Vasenbildern sehr bekannte
Gruppe dargestellt, nämlich Demeter, Triptolemus und Cora^
denn letztere dürfen wir unbedenklich für die zur Rechten
fehlende Figur voraussetzen. Demeter ist an den matronalen
Formen und herabhängenden Locken kenntlich und hielt in
jeder Hand eine Fackel, von denen Spuren zurückgeblieben
sind, Triptolemus, eine leichte jugendliche Gestalt, sitzt auf
seinem von Schlangen gezogenen Wagen und hielt in der er-
hobenen Linken vielleicht eine Schaale, in welche Cora ihm
den Abschiedstrunk giessen mochte. So könnte die Scene
nach Analogie der Vasenbilder gedacht werden, wenn nicht
für ein Votivrelief die Annahme richtiger sein sollte, das»
die Götter handlungslos zusammengestellt waren.
Die Figuren sind skizzenhaft ausgeführt aber sehr schön
angelegt und gewiss nicht für diesen Zweck entworfen. Die
Demeter ist offenbar von einem statuarischen Typus der besten
Zeit entnommen und ins Relief übertragen.
Abg. Revue archeol. 1867 pl. 4 p. 161 von F. Lenormant, der die
crhaUene Figur übrigens irrthümlich als Cora bezeichnet.
* Im Griechischen Saal n. 312
^
Reliefs. 219
396 — 401. Votivreliefs an Pallas, sämmtlich in Athen.
396. Opferscene*. Der Göttin, welche hinter ihrem
Altar stehty mit der Linken den Schild, in der zerstörten
Rechten vermathlich die Schaale haltend, naht ein Zug von
Andächtigen^ Nehen dem Altar bemerkt man das Opferthier,
ein kleines Schwein, und einen Knaben, welcher eine Opfer-
schflssel zu halten scheint. Die Göttin hat auf diesem Relief, wie
auf mehreren noch zu erwähnenden, ganz den Tjrpus der von
Phidias geschaffenen Parthenos, es würden daher diese Re-
üefs einer neueren Behauptung gegenüber, wonach die Par-
thenos keinen Cult gehabt habe, als Beweise des Gegentheils
aufgestellt werden können.
Abg. Le Bas Monum. Fig. pl. 46. Vgl. Pervanoglu Arch. Ztg.
1860 p. 25 u. 13.
397. Fragment einer ähnlichen Darstellung**,
denn das links vom Altar zurückgebliebene Bein gehört nach
seinen kleineren Proportionen einem Sterblichen an, welcher
die Göttin verehrte.
Abg. Le Bas pl. 47. Vgl. Scholl Arch. IVlitth. p. 61 n. 39. Per-
vaiioglu a. a. 0. n. 8.
398. Votivrelief wegen eines Sieges***. Vor der
Pallas wird ein bewaffiieter Mann, der als Sterblicher in klei-
neren Proportionen gehalten ist, von einer dritten Figur, von
welcher nur der Arm erhalten, und die wir vermuthlich als
eine priesterliche Person anzusehn haben, bekränzt. Der
Mann hat in einem Wettkampf gesiegt und bringt nun in
diesem Relief der Göttin den Dank für den von ihr verliehe-
nen Siegeskranz.
Abg. Le Bas pl. 38. Vgl. Scholl a. a. 0. p. 62 u. 40. p. 85.
Pervaiioghi a. a. 0. p. 24 n. 5.
399. Aehnliches Relief****. Pallas hält einen Kranz
in ihren Händen, vor ihr findet die Bekränzung eines Mannes
durch eine männliche und weibliche Figur statt. Wenn auch
* Im Griechischen Saal ii. 266.
** Ebendas. u. 257. Duplikat im Treppenhaus n. 174.
•** Ebendas. n. 260.
•**♦ Ebendas. n. 268.
223 Reliefs.
das Einzelne nicht deutlich ist^ so scheint doch ein ähnlicher
Gedanke wie in dem vorigen Relief zu Grunde zu liegen.
A.bg. Le Bas pl. 41. Vgl. Scholl a. a. 0. p. 62 n. 42 p. 89,
dessen Deutung uns aber nicht ganz richtig scheint. Das Richtige bei
Pervanoglu a. a. 0. p. 24 n. 3.
400. Aehnliches Relief*. Auch diese Darstellung
scheint sich auf einen Sieg im Wettjcampf zu beziehn, den
der kleine Mann, der seine Rechte adorirend erhebt, von der
Göttin erhalten. Die Nike auf ihrer Rechten hielt gewiss
einen Kranz, mit dem sie den Mann bekränzen wollte. Die
hinter der Göttin stehende einen Schild tragende Figur
scheint ein zweiter Adorant zu sein und nur um der Sjrm-
metrie der Gomposition willen diesen Platz erhalten zu ha-
ben. Es mag etwa der Schildträger des Andern sein.
Abg. Arch. Anz. 1865 zu p. 89, wo Pervanoglu zu vergleichen.
401. Pallas**, in lebhafter Bewegung, mit Schild und
Lanze, vor ihr eine kleine Figur, der Adorirende. Auffallend
ist die bewegte Stellung der Göttin, die sich auf solchen Vo-
tivreliefs sonst schwerlich findet und auch in diesem Zu-
sammenhang nicht recht natürlich ist. Uebrigens bedarf es
keiner Bemerkung, dass das schöne Motiv der kampflustig
forteilenden Göttin nicht von dem Verfertiger des Reliefs
herrührt, er hat es von einem statuarischen Typus entlehnt,
von dem uns noch eine Copie erhalten ist. Ueber der Dar-
stellung ein nicht mehr verständlicher Rest einer Inschrift***.
Vgl. Scholl Arch. Mitth. p. 61 n. 38, der übrigens geneigt ist, die
Lanze für eine Fackel zu halten. Die Figur entspricht genau der von
Hirzel Ann. 1864 tav. A publicirten capitolinischeu Statue, die danach
restaurirt werden kann. Hirzel meint, dass der linke Arm der Figur
herabgelassen war im Einklang mit dem auf eine myronische Gruppe
zurückgeführten Relief, aber die erhaltene linke Schulter, die höher
steht als die rechte, zeigt dass die Ergänzung mit dem Schild richtig
ist, die durch dies Relief bestätigt wird. Es ist eine in den Kampf
(älende Pallas. Dieser Typus hat übrigens die grösste Aehnlichkeit mit
der Pallas im westHchen Giebelfeld des Parthenon, nur die Haltung des
rechten Arms ist abweichend.
* Im Griechischen Saal n. 263.
♦* Ebendas. n. 271.
*** Ein paar auf Pallas bezügliche, stark verstümmelte Voti\Teliefs
sind ausser den genainiten noch vorhanden, im Griech. Saal n. 258
und 267.
Reliefs. 221
402. Votivrelief an Pallas und Kekrops*, in
Athen befindlich. Von der adorirenden Gestalt ist nur
der rechte Arm erhalten. Hinter Pallas ist eine Scepter und
Schaale haltende Figur^ die von der Hüfte an in einen zu-
sammengewickelten Schlangenleib ausläuft. Mit Recht hat
man sie Kekrops genannt, der uns aus der Vasenmalerei in
dieser Gestalt bekannt ist und ähnlich wie die Giganten als
Erdgeborener in dieser Weise vorgestellt wurde.
khg, Le Bas pl. 47. Vgl. Conze im bull. 1861 p. 36 Arch. Anz.
1861 p. 157.
403. Attisches Votivrelief**, 1840 in Athen ge-
funden, ebendaselbst befindlich.
Kenntlich sind auf diesem Bruchstück sowohl durch At-
tribute als durch die Inschrift Herakles und Athene, letztere
Ton ersterem, wie es scheint, bekränzt. Vor der ersteren be-
findet sich der Rest eines auf einem Sessel sitzenden Mannes,
von dessen Inschrift sich nur die Buchstaben rj/nog erhalten,
die man ansprechend zu ^Kadr]iLiog ergänzt hat. Es scheint
nor dies mit Sicherheit angenommen werden können, dass das
Relief, von dem jedenfalls — nach der Composition zu
scUiessen — mehrere Personen fehlen, ein Weihgeschenk an
einen attischen Heros war.
Das Werk ist flüchtig gearbeitet, scheint aber nach der
Form der Buchstaben noch dem vierten Jahrhundert an-
zugehören.
Abg. Le Bas pl. 37. Arch. Ztg. 1845 Taf. 33. Vgl. p. 129 ff.
H glaube nur nicht, dams die auf Akademos bezogene Figur bloss als
ßfzeichiiuug des Lokals anwesend ist, dazu nimmt sie einen zu hervor-
ra^reuden Platz ein. Andere Vermuthungen bei Scholl Archaeologische
Mitih. p. 84.
404. Yotivrelief an Aesculap***, in Athen befindlich.
Der auf den Schlangenstab gestützte Mann ist jedenfalls
Aesculap, die Frau hinter ihm, die etwas Unbestimmbares in
den Händen hält, wird Hygieia sein, zwei Adorirende stehn
vor ihnen****.
Abg. Le Bas pl. 51.
• Im Griechischen Saal n. 261.
•• Ebendas. n. 259.
••• Ebendas. n. 308.
c^oenuas. n. ouö.
*••• Auch das unter n. 311 verzeichnete Fragment scheint sich auf
A«»cula|» zu beziehn.
222 Reliefs.
405. Votivrelief an einen Heros*, in Athen.
Drei Adoranten nahen sich einem gewappneten Manne,
in dem wohl nicht ein Gott, sondern nur ein Heros voraus-
zusetzen ist.
Abg. Le Bas pl. 49.
406. Votivrelief wegen eines siegreichen Pfer-
des**, in Athen.
Vor dem Pferde bemerkt man noch einen Flügel und
die Arme der Nike, die dem Eenner den Siegeskranz
brachte***.
Vgl. Scholl Arch. Mitth. p. 64 n. 49.
c) Reliefs über öffentlichen Dekreten.
Sehr charakteristisch für griechische Denkweise ist die
Sitte, öffentliche Dekrete mit einem den Inhalt des Dekrets
andeutenden Relief zu verzieren. Nur das Bedürfhiss, der
kahlen Inschrifttafel einen künstlerischen Reiz zu verleihen
hat das Bild hervorgerufen, denn es ist praktisch ganz über-
flüssig. Aber gerade das ist hellenische Anschauung, von der
auch das geringste Geräth Zeugniss ablegt, dass das Prakti-
sche und Nützliche sich nicht in seiner natürlichen kahlen
Prosa präsentirt, sondern durch die Poesie der Kunst geadelt
wird. Es genüge, ein Beispiel statt vieler anzuführen, näm-
lich die Meilensteine um Athen herum, die ausser den prak-
tisch nothwendigen Anweisungen auch einen edlen und ernsten
Spruch enthielten, den sie dem Wanderer auf seinen Weg
mitgaben.
Die Erklärung dieser Reliefs ist sehr schwierig. Denn
einmal ist die zugehörige Inschrift nicht immer erhalten, die
wenigstens einige Andeutungen gewähren würde, ausserdem
aber waren die Künstler, um den abstrakten Inhalt des De-
krets bildlich auszudrücken, genöthigt zu Allegorien ihre Zu-
flucht zu nehmen, die vielleicht schon ihren Zeitgenossen nicht
gleich verständlich waren.
* Im Griechischen Saal n. 310.
** Ebeudas. n. 256.
*** Die Fragmente u. 303. 304 (Le Bas pl. 37) sind unerklärbar, das
erste, auf welchem ein Manu neben einem grossen Dreifuss erhalten,
könnte sich auf einen choregischen Sieg beziehen.
Reliefs. 223
407. Relief über einem Finanzbericht*, in Athen
gefunden and ebendaselbst befindlich.
Die Inschrift; über welcher sich das Relief befindet, ent-
hält eine Rechnungsablage über die Verwaltung des im Par-
thenon aufbewahrten Staatsschatzes. Wir müssen daher die
dargestellte Handlung, den Handschlag, welchen die Pallas
erhält, so auffassen, dass dadurch der Göttin die Versicherung
treuer Verwaltung der Schätze ihres Tempels gegeben werden
soll Die Frau mit dem Scepter, welche diese Versicherung
gieht, wird für eine Personifikation der Stadt oder der Amts-
fühning oder der guten Ordnung gehalten; es ist uns unmög-
lich aas Mangel an Anhaltspunkten uns für die eine oder die
andere Meinung zu entscheiden.
Das Relief gehört, wie Stil und Inschrift zeigen, guter
Zeit, nämlich der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts an.
Abg^. Lc Bas pl. 42. *E(p7jfx. ctgx^to}.. 1888 n. 26 und boi
Scholl Archaeol. Mittli. Taf. 3, 6. Vgl. p. 59. n. 34. p. 74. Arcli.
%. 1857 p. 100. 1860 p. 26 n. 11. Stephani C^mple-reudu p. Paunce
1861 p. 99 f. Letzterer meint, dass die Pallas der Eutaxia für dit?
gute Amtsführung durch den Handschlag danke, was mir keui ganz
|»a8sonder Gedanke zu sein scheint.
408. Relief über einem Bundesvertrag,** bei
den Propyläen gefunden und in Athen befindlich.
Die Göttin Pallas reicht einem vor ihr stehenden klei-
nereu Mann, der die Inschrift Kios trägt, die Hand. Darun-
ter eine Inschrift, welche den Namen des aus Eleusis gebür-
tigen Staatsschreibers angiebt und den des Archonten Kallias,
der nach den Schriftformen als der Archont des Jahres Ol.
100,4 anzusehn ist. Damit ist auch die Zeit des Reliefs
bestimmt.
Nach Analogie eines andern Reliefs ist anzunehmen, dass
die nicht mehr erhaltene Inschrift einen Bundesvertrag zwi-
schen Athen und einer andern Stadt enthielt. Als Vertreter
dei-selben >vürde der kleine Mann in dem Relief zu betrachten
sein und der Handschlag bezeichnete das Gelübde der Treue.
Mit der Inschrift Kios ist vielleicht die Stadt Kios in Bitliy-
nien bezeichnet.
Xhp;. "Eifti^fQlq 1837 n. 24. Le Bas i)l. 35. Vgl. Scholl Aich.
Mitlh. |>. 61 n. 37 p. 83 ff. nnd Stephani Compte-rendn ponr Tannet;
• Im (jrieehischen Saal n, 2G5. Duplikat im Treppenhaus u. 176.
♦* Kbt-ndas. n. 270.
224 . Reliefs.
1861 p. 85, der dat» Relief über dem Bimdesvertrag von Methonae ver-
gleicht, das Scholl Arch. Mitth. p. 54 freilich anders verstellt. Dass
übrif^eus nur Kiog^ nicht Sxiog zu lesen, wie 0. Müller (bei SchÖll
p. 83) wollte, ist nach dem Gypsabg-uss deutlich. Die Inschrift ist aber
vollständig, denn vor dem Namen ist die Fläche glatt. Rangabe in der
^E(prifjL, a. a. 0. hält das Relief für die Bekrönung einer Schatzmeister-
inschrift und den Kios für den Schatzmeister, aber was von der Insclurift
erhalten, stimmt damit nicht überein.
409. Relief über einem Ehrendekret*, in Athen
gefanden und noch vorhanden.
Pallas legt einem neben ihr stehenden Manne die Hand
auf den Kopf, vermuthlich um ihn zu bekränzen; das Frag-
ment der Inschrift, in welcher gewiss von den Verdiensten
die Rede war, wegen deren ihm der Kranz zu Theil geworden,,
scheint ihn als Kolophonier zu bezeichnen. Nach den Buch-
stabenformen der Inschrift ist das Relief zwischen Ol. 86,1
und 94,2, also in der zweiten Hälfte des fünften Jahi-hunderts
verfertigt.
Abg. Le Bas pl. 38. Vgl. Scholl a. a. 0. p. 53 n. 29 und p. 75
—90. Pervanoglu in der Arch. Ztg. 1860 p. 25 n. 15.
410. Relief über einem Dekret**, bei [den Propy-
läen gefunden.
Pallas ist hier mit Xike und Schlange ausgestattet, letz-
tere ist übrigens nach den Bedingungen des Reliefs etwas
anders angeordnet als in der Statue des Phidias. Den vor
ihr stehenden Mann vermögen wir nicht zu benennen, nur ist
er seiner Grösse wegen kein Sterblicher. Die verstümmelte
Inschrift bietet leider der Erklärung keinen Anhaltspunkt***.
Abg. Scholl Arch. Mitth. 3, 6 p. 60 n. 36 p. 75. Auch bei Le
Bas pl. 39. Vgl. Pervanoglu Arch. Ztg 1860 p. 24 n. 7. Welcker
nimmt Arch. Zig 1857 p. 99 das Ganze für ein Siegesrelief und deutet
die männliche Figur auf einen Demos, der über einen andern ge-
gesiegt habe.
* Im Griechischen Saal n. 264.
*♦ Ebeudas. n. 262.
*•* Das unter n. 2b4* verzeichnete Relief, auf welchem Pallas einer
Frau die eine Fackel zu halten scheint, die Hand reicht, befand sich
auch wohl über einem Dekret, von welchem jedoch nichts zurück-
geblieben ist.
V. Die zweite Hälfte der griechischen KunstblUthe.
Die zweite Hälfte der griechischen Konstblüthe ist in
fflisenn Denkmälervorrath nicht so reich vertreten, wie die
ente, und znmal an sicher beglaubigten Werken sind wir
sehr arm. Unter diesen aber sind die meisten nur Copien,
Ändere nur Werke untergeordneter Künstler. Zwar besitzen
wir auch von den grossen Meistern der ersten Periode kein
einziges sicher beglaubigtes Originalwerk, allein die reichen
üeberreste des Parthenon, namentlich der Giebelgruppen,
geben uns doch eine deutliche Yorstellung von den höchsten
Leistungen der damaligen Zeit. Ein ähnliches, die Höhe der
Kunst repräsentirendes und nach allen Seiten veranschau-
lichendes Werk ist uns aus dieser Periode nicht erhalten,
doch sind theils die Copien, theils einzelne Originalwerke we-
nigstens ausreichend, die Eigenthümlichkeit derselben erkennen
zu lassen.
Diese besteht vornehmlich in der Darstellung des Seelen-
lebens. Es geht eine weichere Stimmung durch diese Periode,
als nüt dem grossartigen Charakter der Zeit des Phidias ver-
einbar war, und die Kunst tritt dem Menschen näher. Die
griechische Plastik hat in dieser Periode die höchste Innig-
keit erreicht, deren sie fähig war, und andrerseits auch der
legten Seelenstimmung, der Leidenschaft und dem Pathos
den ergreifendsten Ausdruck gegeben. Allerdings ist wenig-
stens in vlen attischen Werken, die auch hier wieder die
Hiaptmat::e des Erhaltenen bilden, der Zusammenhang mit
dem Ernst und der Strenge der früheren Zeit noch nicht
Fiüderichs, gnec\L Plastik. '15
226 Zweite Hälfte der griechischen Kuiistblüthe.
völlig gelöst, Adel und Würde bleiben noch immer nothwen-
dige Elemente, die dem Hinabsinken in völlig freie Natür-
lichkeit entgegenwirken und sich durch eine immer noch ein-
fachere und strengere Behandlungsweise ankündigen, aber
überall ist doch eine mildere und weichere Empfindung fühl-
bar und die Herbigkeit der früheren Zeit ist geschwunden^
Hieraus erklärt sich der unläugbare grosse Vorzug dieser
Periode vor der früheren, dass der Kopf, der eigentliche Trä-
ger des Seelenausdrucks, erst jetzt seine volle Schönheit ent-
wickelt. Wahrhaft seelenvolle Köpfe waren erst jetzt möglich,,
und diese Behauptung wird nicht auflfallend erscheinen, wenn
man die ganze Entwicklung der früheren Kunst bedenkt»
Auf die typischen Gesichter des alten Stils konnten wohl die
strengen und ernsten Gesichter der Zeit des Phidias folgen,
als deren würdigste Repräsentanten wir die Giustinianische
Vesta und Famesische Juno besitzen, nicht aber die milde
seelenvolle Schönheit, die wir an der Leokothea der Glypto-
thek in München und andern Werken finden werden. Die
geschichtliche Nothwendigkeit bedingt einen Anschlüss der
Köpfe des grossartigen Stils an diejenigen der alterthttmlichen
Zeit und wir fanden sogar noch bestinunte einzelne EeminiB-
cenzen wie den lächelnden Ausdruck, und in den Kampfscenen
am phigalischen Fries und Theseion noch ganz unbetheiligte
Köpfe.
Die Betrachtung der culturhistorischen Verhältnisse, unter
denen diese beiden Perioden erwachsen, lässt den angegebenen
Unterschied natürlich erscheinen. Eine glückliche Zeit, wie
es die des Phidias war, die auf dem Boden der Tradition
steht und in Sitte und Glauben festhält am Erbe der Väter,
wird nicht das Bedürfhiss fühlen, die Vorgänge des inn^n
Lebens, die schmerzlichen Conflicte des Gemüths zu veran-
schaulichen; welche der innerlich durchwühlten Zeit, ans wel-
cher die Kunst dieser Periode erwachsen, gerade nahe liegen,
und wie in der sophokleischen und euripideischen Tragödie
das Seelenleben einen tieferen und eindringlicheren Aosdrack
gefunden hat als in der äschyleischen, ebenso verhält es sich
mit der Plastik nach und vor dem peloponnesischen Krieg,
der für die Kunst, wie für die ganze griechische Cultur einen
bedeutsamen Wendepunkt bezeichnet
Wir theilen die hierher gehörigen Denkmäler in zwei
Classen, deren erste die mythologischen Darstellungen, die
andere die historischen nebst dem Genre umfasst
Mythologische Darstellungen. 227
a) Mythologische Darstellungen.
Schon in der Einleitung zum vorigen Abschnitt ist be-
merkt worden, dass die Götterbilder dieser Periode weniger
religiösen Gehalt haben als diejenigen des fünften Jahrhun-
derts. Finden wir doch unter ihnen bereits eine badende
Venus und einen mit einer Eidechse spielenden Apollo, Sta-
tuen, die zwar schwerlich für den Cultus bestimmt waren, aber
doch unter allen Umständen ein Zeugniss daftir sind, dass
man die Götter mehr wie liebliche Menschenkinder und in
Motiven und Situationen des täglichen Lebens darzustellen
anfing. Aber nur anfing, denn im Allgemeinen ist der re*
ligiöse Gehalt noch nicht völlig geschwunden und es giebt
einzelne Werke, wie Juno Ludovisi, bei denen sich zweifeln
lässt, ob das Göttliche oder Menschliche, die Würde oder die
Anmnth stärker in ihnen ausgeprägt ist. Das ist freilich ge-
wiss, dass der religiöse Gehalt nirgends mehr so rein und
nngemischt und danun so ergreifend hervortritt, wie in der
froheren Zeit, aber sogar in religiöser Hinsicht ist die Zu-
that milder Anmuth nicht in allen Fällen eine Einbusse.
Denn wenn es überhaupt erlaubt ist, zu den Eigenschaften
der oder einiger griechischer Gottheiten auch die Liebe, frei-
lich in ganz anderm Sinn als wir von der Liebe Gottes reden,
zu rechnen, so findet diese Eigenschaft unläugbar erst jetzt
ihren Ausdruck in der Plastik. In Vesta Giustiniani, in Hera
Famese, in der Parthenos des Phidias, auch in dem grossen
eleusinischen Relief, kann von einem Ausdruck der liebe
nicht gesprochen werden, der in der Leukothea der Glypto-
thek unverkennbar ist.
411. Sogenannte Leucothea*. Marmorstatue, früher
in Villa Albani, durch Napoleon nach Paris entführt, und bei
der Zurückgabe der geraubten Schätze durch König Ludwig
von Baiem gekauft, in dessen Glyptothek sie sich jetzt be-
findet. Ergänzt sind der rechte Arm der Frau, die Finger
ihrer linken Hand und beide Arme des Knaben mit dem
Krug, der Kopf des Kindes ist antik, aber nicht zugehörig.
In der Richtung der fehlenden Arme konnte der Er-
• Im Niobidensaal n. !04.
15
228 Mythologische Darstellungen.
gänzer nicht irren; da sie durch das Nackte und durch das
Gewand deutlich indicirt ist, in der Geberde aber, die er der
rechten Hand der Frau gegeben, hat er sich gewiss geirrt.
Denn da. wir unzweifelhaft eine Gruppe göttlicher Wesen vor
uns sehen, so versteht man nicht das Hinaufzeigen des Fin-
gers nach oben. Man könnte denken, die Frau habe einen
dem Knaben lieben Gegenstand emporgehalten, der das Ver-
langen und die Bitte des Kindes veranlasse, indess würde da-
durch etwas Spielendes und Genreartiges in die Gruppe hinein-
kommen, was der Hoheit und Würde derselben widerstrebt.
Wahrscheinlich hat die Figur in der Rechten ein Scepter ge-
halten, zu welcher Annahme uns auch die Autorität einer
athenischen Münze, die eine ganz ähnliche Gruppe wieder-
giebt, berechtigt.
Die Geberde des rechten Arms des Knaben scheint glück-
lich getroffen, es ist ein Ausdruck kindlicher Zuneigung, dem
der sanft geneigte Kopf der Frau gleichsam antwortet. Da-
gegen ist schwer zu sagen, wie die linke Hand des Knaben
und der Frau ursprünglich angeordnet waren, und ob erstere
ein Attribut gehalten oder nicht. Die Ergänzung des Kmges
ist rein willkürlich, nur durch die Annahme veranlasst, dass
der Knabe Bacchus sei. Man sollte vermuthen, dass die linke
Hand der Frau dem Kinde, das sonst etwas unsicher sitzen
würde, zum Halt gedient habe.
Von diesem ergänzten Kruge ging Winckelmann aus, als
er der Gruppe den Namen gab, unter dem sie bekannt ist
Was er aber ausserdem an Gründen vorbringt, ist ebenso
wenig haltbar und längst widerlegt. Auch ist die Frau eine
viel zu feierliche Erscheinung, als dass sie eine Nymphe vor-
stellen könnte.
Das Scepter, das wir für die rechte Hand voraussetzen,
charakterisirt sie als eine Göttin und die Formen ihres Kör-
pers als eine matronale Göttin. Auch die reiche Fülle der
Locken, die sich ähnlich an der Gaea finden, ist dem ent-
sprechend. Doch genügen diese Eigenschaften nicht, um ihr
einen bestimmten Namen zu geben. Jedenfalls ist die Mütter-
lichkeit, die Liebe einer göttlichen Mutter zu einem oder
besser zu ihrem Kinde das Thema der Composition und nur
dies lässt sich noch mit Wahrscheinlichkeit behaupten, dass
die Namen der Figuren nicht in dem Kreise der allegori-
schen, sondern der mythologischen, der als Personen em-
pfundenen Wesen zu suchen sind. Die ersteren konnten
Mythologische Darstellungen. 229
schwerlich in so inniger Weise dargestellt werden, wie es
hier geschehen.
Die Gomposition ist von der höchsten Schönheit. Die
Köpfe neigen sich zusammen wie die Herzen, die Gruppe be-
rflhrt uns fast wie eine christliche Madonna. Das Gewand
der Figur zeigt eine schöne Mischung von Ernst und Zu-
fälligkeit, von Anmuth und Würde, es entspricht ganz der im
schönsten attischen Stil so häufigen Gewandordnung, die man
z. B. an den Karyatiden des £rechtheums sieht.
Nach seinem ganzen Charakter und nach der Autorität
der erwähnten Münze dürfen wir das Werk als ein attisches
bezeichnen und zwar wie es scheint, als ein attisches Original-
werk ersten Ranges. Es ist zugleich für die Beurtheilung der
ganzen antiken Kunst von der höchsten Wichtigkeit. Denn in
keinem der uns erhaltenen Werke ist so viel Innigkeit und
Wärme der Empfindung, die aber noch ganz in den Gränzen
der Plastik bleibt, ähnlich wie auf dem Orpheusrelief und auf
einigen griechischen Grabsteinen, die ihrer Stimmung nach
dieser Gruppe verwandt sind, das En^findungsleben mehr
durch Geberden angedeutet als durch sprechende Mienen aus-
gedrückt ist.
Diese Verschwiegenheit im Ausdruck der Empfindung,
deren voller und natürlicher Erguss gleichsam gedämpft wird
durch hohe und edle Haltung, erlaubt uns nicht, den Zeit-
punkt der Gruppe diesseits des vierten Jahrhunderts zu fixiren.
Andrerseits ist die Meinung, dass die Gruppe der Periode des
Phidias angehöre, in einer Zeit entstanden, als man noch nicht
Gelegenheit hatte zu genauerer Vergleichung und sich mit
mehr abstracten Vorstellungen begnügte. Alles jener Periode
Angehörige zeigt deutliche Spuren alterthümlichen Charakters
namentlich in den Köpfen, zugleich aber war die Wärme und
seelenvolle Innigkeit, die das Eigenthümliche dieser Gruppe
ausmacht, jener Zeit noch nicht eigen. Im vierten Jahr-
hundert dagegen scheinen nach den uns erhaltenen Nach-
richten ähnliche auf Mutterliebe und Mutterschmerz bezüg-
Hche Gruppen entstanden zu sein, denen diese Gruppe anzu-
bchliessen sein wird.
S'
Vgl. Schorii's Catalog zur Glypthotek n. 99 und Arthaeol. Zt
ltfö9 p. 1 tf., wo auch die beste Abbildung — nur der Kopf ist etwas
zu zärtlich — zu JBnden ist. Die dort der Statue gegebene Benennung
»•iner xovQOXQOipoq ist nicht mit Unrecht bestritten von Stephani im
Compte-rendu dt* la commission imperiale archeologique pour l'annee
230 Mythologische Darstellungen.
1859 p. 135, es war übrigens nicht die Absicht jenes Aufsatzes eineu
bestimmten Namen aufzustellen, sondern nur, die allgemeine Sphäre, den
Vorstellungskreis, zu bezeichnen, dem das Werk angehört. Die Ver-
muthungen von Stephani Compte-rendu p. l'annöe 1860 p. 102 Anm. 4
und Bötticher Arch. Anz. 1860 p. 83 muss ich auf sich beniiien lassen,
da sie höchstens abstracte MögUchkeiten sind.
Ueber das angebliche x^r^ösfirov dieser Figur (nach Winckelmauu)
ist nicht mehr nöthig, ausfuhrlich zu sein. Vgl. Ritschi, luo-Leucothea,
Bonn 1865 p. 22.
412 — 429. Niobe mit ihren Kindern*. Marmor-
gruppe, im Jahr 1583 in Rom gefunden und zwar in der
Nähe der lateranischen Kirche. Der Cardinal Ferdinand von
Medici; nachmaliger Grossherzog von Toscana, kaufte sie und
liess sie in seiner Villa am Pincio aufsteilen. Im Jahre 1775 '
wurden die Statuen nach Florenz transportirt, wo sie seit
1794 in den Uffizien aufgestellt sind.
Wir betrachten zuerst die einzelnen Figuren, von der
Niobe selbst beginnend. An ihrer Figur sind ergänzt Nase,
Spitze der Oberlippe, gross ter Theil der Unterlippe und ein
Theil des Kinns, ferner der linke Unterarm mit zugehörigem
Gewand und die recnte Hand mit dem halbem Unterarm, die
ursprünglich wohl etwas tiefer iag^ so dass der Kopf der
Tochter mehr sichtbar wurde. An dieser sind die Locken,
der rechte Arm, die linke Hand, die nach Ilesten am Gewand
der Mutter tiefer gelegen zu haben scheint, und der linke
Fuss neu.
Die Tochter stürzt mit sinkenden Knieen in den Schooss
der Mutter, mit einem Arm sich an sie schmiegend, mit dem
andern (der richtig restaurirt zu sein scheint) die Bitte der
flehenden Augen um Schonung unterstützend. Die Mutter ist
ihr entgegengeeilt — wie hätte sie auch in ruhiger Stellung
das flüchtende Mädchen empfangen können! — , wir sehen
deutlich, wie die Gruppe geworden ist. Niobe hielt, um
nicht in ihrer Eile behindert zu werden, mit beiden Händen
ihr Obergewand von sich, der linke Arm hält die frühere Lage
noch fest, während der rechte in dem Augenblick als das Kind
in den Schooss .fällt, das Gewand, welches nun durch dieses
gehalten wird, fahren lässt und sich schützend über die Tochter
legt, die sie bewahren möchte. Die Knie der Mutter schmie-
gen sich um das Kind zusammen und darüber beugt sich ihre
hohe Gestalt, es sind die unwillkürlichen Regungen der Mutter-
♦ Im Niobidensaal n. 1—11. 16. 17. 20. 24. 60. 113.
, man bemerkt denselbou Zug nicht selten an tragischen
en.
Zu den etolzen, grossen Formen der Mutter steht in wirk-
n Gegensatz die zarte Gestalt des flüchtenden Mädchens.
Künstler hat sie mit einem knapp anliegenden Unter-
id von Leinen bekleidet, so dass sie sich fast wie ein
er Körper von dem reich belebten Hintergrund, den die
ndmassen der Mutter bilden, abhebt. Seine Absicht var
a, das Zarte, Jugendliche und dadurch Rührende der Ge-
mOgiichst wirksam hervorzuheben.
Die Figur der Niobe ist deutlich als Mittelilgur einer
pe componirt. Denn nicht nur, dass ihr im Verh<niss
•n Kindern eine Grösse gegeben ist, die weit über die
lieben Grössen unterschiede hinausgeht, sondern sie ist
durch die Biegung des Oberkörpers ans der Profil-
ng oder Richtung nach der Seite, die alle übrigen Fi-
I haben, herausgehoben und präsentirt sieb somit als
Tim der von beiden Seiten zu ihr hinstrebenden Be-
n«-
Rechts von ihr steht eine Tochter, an welcher der rechte
die Hälfte des linken und die Hälfte der beiden FQsse
izt ist, die Restauration konnte aber nicht irren, da in
falten des Gewandes, welches das Mädchen mit beiden
en gefasst hielt, die Richtong der fehlenden Theile dent-
lugezeigt war.
232 Mythologische DarBtelhiiigen.
und edelsten; der schöne und ergreifende Kopf ist oft, be-
sonders von Guido Reni nachgeahmt.
An der folgenden Figur sind neu der rechte Arm, di&
linke Hand und ein Theil des Unterarms mit darüber hängen-
dem Gewandstück, der linke Fuss, endlich die Nase und Ober-
lippe. Das noch unversehrte Mädchen ist in eiligster Flucht
begriffen, die Linke machte wohl, wie der Restaurator ange-
nommen hat, einen Gestus des Entsetzens, die Rechte griff
nach dem fortflattemden Zipfel des Mantels. ,
Von dieser Figur ist eine weit vorzüglichere Wieder-
holung erhalten''', die sich jetzt im museo Chiaramonti des
Vatikans befindet, früher in der Villa des Cardinais Ippolito
von Este auf dem Quirinal. Sie weicht in mehren Punkten
von der florentinischen Figur ab, die weit vorzüglichere Ar-
beit und andere Gründe sprechen aber dafür, dass sie ibrem
Original treuer geblieben. Denn zunächst hat die Original-
figur schwerlich die engen und bis auf die Handwurzel rei-
chenden Aermel der florentinischen Statue gehabt, die an
Idealfiguren in der Blüthe der «griechischen Kunst ausser zu
besonderer Charakteristik nicht vorkommen, in römiscber Zeit
dagegen nicht ungewöhnlich sind, ausserdem war das Gewand
gewiss nicht über den Füssen zurückgeschlagen. Nur ein
kurzes Gewand, wie etwa an einer Diana, nicht ein lang
berabhängendes kann naturgemäss diese Bewegung machen.
Auch in den kräftigeren Formen und dem höheren Wuch»
steht der vatikanische Torso dem Original näher, namentlich
aber in der Behandlung des Gewandes. Das Untergewand
und der Mantel geben sich deutlich als aus verschiedenem
Stoff gebildet zu erkennen und beleben dadurch aufs Schönste
die Gestalt; wundervoll ist namentlich der kurze Aermel des
rechten Arms, dessen feiner Stoff so leicht und locker hängt^
dass man unwillkürlich an die Gewänder im Ostgiebel des
Parthenon erinnert wird. In den Falten der untern Körper-
hälfte aber sehen wir nur grosse und lange Linien, während
die florentinische Statue mit lauter kleinen Faltenbrttchen
übersäet ist, selbst da, wo sie am wenigsten sich bilden
können, über dem vortretenden Bein, das nach der Heftigkeit
der Bewegung ganz glatt erscheinen müsste. Letztere ist eine
kleinliche Copie, die andere ein grosses und mit wunderbarer
Kühnheit gearbeitetes Werk, an dem aber doch alle Meister-
♦ n. 17.
Mythologische Darstellungen. 233
Schaft der Aasfühmng nur dem Gesammteindruck der hervor-
gebracht werden soll^ dient. Denn wie tief sich auch »der
Stürm hineinwflhlt in die Gewänder des Mädchens^ der Künstler
wollte damit nur dies erreichen^ dass wir die Todesangst^
welche das flüchtende Mädchen treibt^ lebendig mitempfinden.
Und doch ist auch dies Werk schwerlich ein OriginaL Frei-
lich wüssten wir dies nicht aus der Arbeit abzuleiten^ aber
die Basis ist auffallend. Alle zur Niobegruppe gehörenden
Figuren haben eine unebenen Felsboden anzeigende Basis^
und dies ist gewiss ein dem Original angehöriger Zug; die
vatikanische Statue aber hat eine glatte Basis mit der von
der attischen Säulenbasis entlehnten Profilirung. Sie wird
demnach für eine Gopie genommen werden müssen^ ist aber
am besten geeignet^ uns einen Begriff von dem Stil zu geben^
in dem ursprünglich das Ganze ausgeführt war.
Es folgt der älteste Sohn^ an welchem der linke Ann
und die Hälfte des rechten Unterarms mit entsprechendem
Gewandstück ergänzt sind. Der Rand des Gewandes auf dem
linken Schenkel ist abgearbeitet und die Falten desselben
sehen wie zurückgeschoben aus^ beides Anzeichen ^ dass an
der überarbeiteten Stelle sich ursprünglich etwas befand, was
den natürlichen Fall des Gewandes hinderte. Auch ist in der
Stellung der Statue eine Hemmung der Bewegung nicht zu
verkennen, und unverständlich wäre, wemi der Jüngling allein
gestanden hätte, di^ Bewegung des linken Arms. Nun hat
Canova auf eine seit dem Anfang dieses Jahrhunderts im Va-
tikan befindliche fragmentirte Gruppe* aufmerksam gemacht,
wodurch das richtige Verständniss der florentinischen Statue
gewonnen werde. Hier sehen wir ein in der lüiken Brust
durch einen Pfeil verwundetes Mädchen sterbend hinsinken
und sich anlehnen an eine männliche Figur, von welcher nur
wenig, aber doch genug erhalten ist, um in ihr eine der
florentinischen völlig entsprechende Figur zu erkennen. Nur
tritt in der vatikanischen Gruppe der Jüngling auf einen
Felsblock, wodurch der Schenkel eine weniger steile Richtung
erhält« Mir scheint dies eine schönere und gewiss dem Ori-
ginal zuzuschreibende Anordnung zu sein, es wird dadurch-
eine mehr geneigte, ausdrucksvollere Lage des Mädchens er-
möglicht An der vatikanischen Gruppe ist übrigens nur der
linke Fuss des Mädchens restaurirt, ihr Kopf ist antik, aber
♦ n. 113.
234 Mythologische Darstelhingeii.
schwerlich zugehörig, er ist von anderm Marmor und ent-
spricht durchaus nicht den übrigen Niobidenköpfen.
Die florentinische Statue ist also nach dem Vorbild dieser
Gruppe ergänzt zu denken. Mit der Rechten zieht der Jüng-
ling wie zum Schutz das Gewand über den Kopf, mit der
Linken berührt er theilnehmend die hinsinkende Schwester.
Der Künstler that wohl daran, eine so grosse Gruppe nicht ans
lauter einzeln stehenden Figuren zusammenzusetzen, sondern
durch kleinere Gruppen eine schöne Abwechslung hervorzurufen,
es ist auch eine Forderung des Gemüths, dass nicht jeder nur
an seine eigne Rettung denkt, sondern dass sich Gruppen der
Liebe und Theilnahme bilden und auch weichere Töne als
Furcht und Entsetzen mitklingen in dem Schmerzensakkord
des Ganzen. Aehnlich wie an dem Mädchen im Schooss der
Mutter, hat der Künstler hier den Oberleib des Mädchens
entblösst, doch so, dass es als unabsichtlich durch die Situa-
tion veranlasst erscheint. Er wollte durch die Entblössung
der zarten noch unreifen Mädchenformen den Eindruck des
Rührenden verstärken.
An dem folgenden Sohn sind neu der linke Arm &st
ganz, der rechte mehr als zur Hälfte, ausserdem beide Unter-
beine. Ob in der Ergänzung des rechten Arms das Richtige
getroffen ist, scheint zweifelhaft.
Während der erste Niobide auf eine von vom her
drohende Gefahr gerichtet ist, scheint dieser einem von hinten
nahenden Verderben enteilen zu wollen. Der Künstler, hat
sich nämlich die Gruppe nicht so gedacht, dass die eine
Hälfte derselben nur von der einen, die andere von der an-
deren Seite aus beschossen würde, sondern die Geschosse
kreuzen sich, die älteste Tochter ist von links her, die dritte
in der vatikanischen Gruppe erhaltene von rechts her ge-
troffen. Dies ist auch am angemessensten, die Rathlosigkeit
der Kinder wird dadurch gesteigert, weil jedes Entrinnen un-
möglich scheint und die Scene lebendiger^ indem der eine
nach rechts, der andere nach links blickt.
Der folgende Sohn ist in zwei Exemplaren in Elorenz
vorhanden, die sich in einem nicht unwichtigen Punkte von
einander unterscheiden, nämlich in der Haltung des Kopfes.
Während an dem hiesigen Exemplar bei der Ansicht vom
Rücken her der Anblick des Gesiclits völlig verschwindet, ist
an dem andern der zwar fremde oder restaurirte aber jeden-
falls richtig restaurirte Kopf so herumgedreht, dass man bei
Mythologische Darstellungen. 235
der Rückenansicht wenigstens ein Profil erhält, der Niobide
macht mit dem Kopf eine ähnliche Wendung nach rückwärts,
wie der voraneiiende Bruder. Nun fragt sich aber zunäclist,
ob diese Figur vom Rücken gesehen zu werden bestimmt war,
oder ob sie nicht, wie Einige wollen, herumgedreht und auf
die andere Seite gesetzt werden muss, so dass die Vorderseite
«icbtbar wird. Der Umstand, dass die Rückseite der Figur
viel sorgfältiger ausgeführt ist als die Vorderseite, besonders
aber dies, dass bei einer Umstellung das rechte Bein gänz-
lich vom Felsen verdeckt werden wtirde, scheint die Auf-
stelloug zu rechtfertigen, die man der Figur hier gegeben
hat, dann aber dürfen wir unter den beiden Exemplaren das-
jenige mit dem rückwärts gewandten Kopf als das dem Ori-
ginal treuere bezeichnen, weil eine ganz vom Rücken ge-
sehene Figur auffallend wäre. Auch entspricht die Wendung
des Kopfes der heftig bewegten Figui* ungleich besser.
An diesen drei Figuren, besonders an der letzten, der
am stärksten bewegten, ist deutlich eine aufsteigende Be-
wegung bemerkbar, als stürzten die Jünglinge eine Anhöhe
hinan. Diese Intention des Künstlers wird ganz verdunkelt,
wenn die Figuren auf einer ebenen Fläche aufgestellt werden.
Wir kommen hierauf unten zurück.
Zu den Figuren an der andern Seite der Mutter über-
gehend sehen wir einstweilen von den beiden ihr zunächst
stehenden ab, da sie schwerlich zur ursprünglichen Composi-
tion gehören, es folgen sodann der jüngste Sohn und der
Pädagog. An dem erstem ist der rechte Arm und die linke
Hand, an letzterm beide Arme und der Kopf neu. Sie sind
in der florentinischen Statuenreihe getrennt aufgestellt, aber
eine im Jahr 1831 in Soissons entdeckte jetzt im Louvre be-
findliche Marmorgruppe zeigt sie verbunden und zwar so, dass
der Knabe zwischen die Beine des Pädagogen tritt und dieser
die rechte Hand wie schützend aij die rechte Schulter des
Knaben legt. Dies ist unzweifelhaft das Ursprüngliche, schon
deswegen, weil einem Pädagogen, wenigstens einem Pädagogen
edlerer Natur, wie wir ihn hier in einem grossartig tragischen
Ganzen erwarten, nicht anstehen würde, sich von seinem Pfleg-
ling zu trennen und nur an die eigne Rettung zu denken.
üeberhaupt hat der Künstler wohl lyir dann ein Recht, eine
solche der Sache fremde Figur einzuführen, wenn es zum
Nutzen einer betheiligten Person geschieht, und so sehen wir
auch auf andern Darstellungen Pädagog und Amme mit ein-
236 Mythologische Darstellungen.
zelnen Kindern der Niobe zu innigen und rührenden Scenen
verbunden. Dass übrigens in dieser Figur der Pädagog m
erkennen, lehrt nicht bloss die Vergleichung anderer Denk-
mäler, sondern auch das Aussehen der Figur. Das Gewand,.
das, wie die Gruppe von Soissons zeigt, die langen Aermel
hatte, die der Restaurator der florentinischen Statue auch
vorausgesetzt hat, und die Stiefel unterscheiden sie von den
idealer gehaltenen Söhnen der Niobe. Der Kopf ist leider
auch in dem Exemplar von Soissons nicht erhalten, man mnm
sich ihn in üebereinstimmung mit der aus der Wirklichkeit
genommenen Tracht individuell und zwar, da die Pädagogen
gewöhnlich dem Sklavenstande angehörten, von gemeinerer
Bildung denken. Er war übrigens seitwärts nach oben ge-
wandt und der linke Arm war wie in Erstaunen oder Ent-
setzen erhöben, denn auch der Pädagog kennt nicht den Grand
des schrecklichen Ereignisses. Endlich ist noch dies anzu-
merken, dass die Figur aus Soissons mit dem rechten Fuss
auf ein kleines Felsstück tritt, so dass eine etwas aufstei-
gende Bewegung hineinkommt. Wir glauben im Hinblick auf
das über die drei Söhne der andern Seite Bemerkte, dass dies
ein vom Original entlehnter Zug ist.
Es folgt ein getroffener ins Knie gesunkener Niobide, an
dem die ganze Basis fehlte. Durch eine üeberarbeitung des
Bruchs am linken Bein scheint sich der auffallende Umstand
zu erklären, dass man nichts vom Knie des linken Beins be-
merkt. Dieser Jüngling hält sich mit gewaltsamer Anspannung
aller Kräfte noch aufrecht im Todesschmerz. Es ist psycho-
logisch sehr wahr und der Verschiedenheit des Geschlechts
entsprechend, dass das in ganz ähnlicher Situation befindliche
Mädchen der vatikanischen Gruppe auf der andern Seite still
ohne Widerstand in den Tod hinsinkt, während, hier die
männliche Natur sich kräftiger, ja fast trotzig offenbart
Denn anders als zürnend oder vorwurfsvoll kann der Blick
zu den Göttern hinauf in dieser Situation wohl nicht ver-
standen werden.
Endlich der ausgestreckt liegende Niobide, an welchem
der rechte Arm und Fuss ergänzt sind. Er ist sterbend
dargestellt, die Augen sind im Begriff sich zu schliessen, mit
der Linken deckt er di^ Wunde in der Brust, während sich
die Rechte über den Kopf beugt, als fühlte er noch das Be-
dürfniss, sich zu schirmen oder zu bergen vor dem entsetz-
lichen Ereigniss. Es ist schön, wie friedlich und sanft ohne
Mythologische Darstellungen. 237
Spannimg nnd Krampf hier der Tod dargestellt ist; überhaupt
unterscheidet sich diese Gruppe von den andern Darstellungen
der Niobiden dadurch ^ dass die Bewegungen weniger leiden-
schaftlich sind.
Dies sind diejenigen Figuren, welche unter den hier vor-
handenen Abgüssen mit Sicherheit zur Gruppe gerechnet
werden können, zwei fehlen, deren Zugehörigkeit ebenfalls
nicht zu beweifeln ist. Zunächst eine ins Knie gesunkene,
im Rücken getroffene* Jünglingsfigur, früher Narziss benannt,
durch Thorwaldsen als Niobide erkannt. Mit der Linken
greift er nach der Wunde, die Rechte scheint er — wenn
sie richtig restaurirt ist, klagend zu erheben. Der Kopf und
Körper ist etwas nach vom über geneigt, und zwar nach
rechts^ so dass unter der Voraussetzung, dass alle Figuren
eine Richtung nach der Mitte hatten, diese Figur auf die
rechte Seite der Mutter zu setzen wäre. Sie befindet sich in
Florenz, so wie die folgende Figur, die auch zugleich mit
den übrigen Statuen gefunden ist. Es ist ein noch unver-
inmdetes, aber mit zusammengekrümmtem vor der Gefalir
gleichsam sich duckendem Körper davcvieilendes Mädchen.
Eine Wiederholung derselben im Kapitol hat zwar einen un-
verkennbaren Niobidenkopf, ist - aber durch Schmetterlings-
flügel am Rücken als Psyche charakterisirt, wesswegen denn
die flügellose florentinische Statue von vielen Seiten auch als
Psyche erklärt und von der Niobidengruppe getrennt ist. In-
dessen ist sehr wohl möglich, dass der Künstler jener kapi-
tolinischen Psychestatue nicht bloss den Kopf, sondern die
ganze Gestalt von einer Niobide entlehnt und nur durch die
Zuthat der Flügel zu einer Psyche gemacht habe. Jedenfalls
passt die Figur vortrefflich zu den Niobiden, für ihre Zu-
gehörigkeit spricht auch der nicht gleichgültige Umstand, dass
ihre Basis als Felsgrund charakterisirt ist, wofür man bei
einer Psyche nicht gleich ein treffendes Motiv anzugeben wüsste.
Nach der Bewegung des Körpers würde man die Figur auf
die rechte Seite der Mutter setzen müssen.
Endlich sind noch diejenigen zur florentinischen Gruppe
gerechneten Figuren zu erwähnen, deren Zugehörigkeit theils
problenuitisch, theils bestimmt zu verneinen ist. Das Letztere
gilt zunächst von der zur Linken der Mutter aufgestellten
Figur*, deren Original sich im hiesigen Museum befindet.
• n. 60.
238 Mytholog-ische Darstellungen.
Schon der Kopf beweist dies^ der nach Form und Ansdmck
mit dem Familientypus der Niobiden nicht die geringste Ver-
wandtschaft hat; ausserdem das Alter der Figur^ welche die
Jahre der Blüthe längst überschritten hat. Und doch ist
dies gerade so wesentlich für den Eindruck der Gruppe^ das»
die Kinder in der Blüthe der Jahre fallen.
Auch die in Florenz befindliche unter dem Namen der
Anchirrhoe bekannte Figur* ist erst durch die Ergänzung der
Arme und des Halses zu einer Niobide hergerichtet, Kopf
und Haar zeigen, dass sie der Gruppe völlig fremd ist, und
richtig restaurirt würde sie der Figur eines wasserholenden
Mädchens entsprechen, die wir weiter unten besprechen
werden**.
Eine dritte auch in Florenz befindliche weibliche Figur***,
welche hier neben der Statue des hiesigen Museums aufge-
stellt ist, wird ebenfalls auszuscheiden sein. Denn einmal
fehlt ihr die Familienähnlichkeit, sodann ist das Haar gans
abweichend, nämlich viel drahtartiger behandelt, auch die Ge-
wandung und die Basis verschieden. Man hat zwar gemeint,
die Figur könne, wenn nicht eine Tochter, so doch eine
Amme oder Wärterin gewesen sein, wie ja auch in dieser
Gruppe ein Pädagog und in andern Niobidendarstellnngen
beide vereinigt vorkämen. Allein es fragt sich, ob man eine
Amme, die doch wie der Pädagog aus dem Sklaven- oder
niedem Yolksstande genommen wurde und daher in der
Kunst, wenigstens wo man genauer charakterisirt, als eine
alte Frau mit unedlen Gesichtsformen erscheint, hier so jung
und ideal dargestellt haben würde, und entscheidend für ihre
Nichtzugehörigkeit auch als Amme ist der Umstand, dass
ihre Linke denselben Gestus macht wie die Linke der Niobe,
eine Wiederholung, die bei weiter von einander entfernten
Figuren erträglich, hier aber wo die Figuren ihrer Grösse
wegen nahe bei einander stehen mussten, unerträglich wäre.
Es ist sehr möglich, dass die Figur zu einer andern Niobe-
gruppe gehört, denn sie war jedenfalls wie auch eine Gemme
angiebt, mit einer ins Knie gesunkenen Figur gmppiriv
über welche sie schützend den Mantel ausbreitet Der
rechte Arm ist schwerlich richtig restaurirt, vermuthlich lag
♦ n. 24.
** n. 28 in demselben Saal.
**♦ n. 7.
Mythologische Darstelhingen. 239
die Hand in dem Knick des Mantels ^ der sonst nnmotivirt
and anerklärlich wäre.
Zweifelhaft^ wenn aach nicht onmöglich^ ist endlich die
ZagehOrigkeit des nach der ovidischen Dichtung vom Niohiden-*
ontergang als Ilioneas bezeichneten Torso der Glyptothek zu
Manchen*^ eines der edelsten Ueberhleibsel der alten Kunst,
das aas Prag Ans dem Besitz von Kaiser Rudolph 11. nach
Wien in die Hände eines Steinmetzen gerieth^ von diesem
als ein Stflck alten Marmors an Dr. Barth verkauft wurde,
and endlich in den Besitz König Ludwig's übergegangen ist.
Wie der Torso zu ergänzen, darüber kann kein Zweifel sein,
Kopf and Arme waren nach oben gerichtet, der Jüngling
machte eine Bewegung, als wolle er eine von oben drohende
Gefahr abwehren**. Das Motiv der Figur wäre also für
einen Niobiden passend, man findet auch auf dem vatikani-
schen Niobidensarkophag*** eine ähnlich motivirte Figur,
aoiEallend ist aber der Mangel des Gewandes, das an keinem
sichern Niobiden fehlt und für die künstlerische Wirkung der
Statoen sehr wesentlich ist.
Der Stil dieses Torso steht weit über dem der florenti-
schen Statuen, wir stehen nicht an, ihn als ein Originalwerk
eines bedeutenden Meisters zu bezeichnen, und ihm für die
Periode des vierten Jahrhunderts dieselbe Bedeutung beizu-
legen, wie den Partlienonsculpturen für das fünfte. Ver-
gleicht man ihn mit dem Ilissus vom westlichen Giebel des
Parthenon, der ihm im Alter nahe steht, so möchten wir die
Formen des letzteren lebensvoll, die des ersteren seelenvoll
nennen. Es geht ein weicherer, zarterer Hauch durch diesen
Marmor, wie es wohl noth^endig ist für eine auf Darstellung
des Seelenlebens gerichtete Kunst.
' Die letzte hier zu besprechende Figur wird jetzt zwar
aUgemein ausgeschieden ^ wir möchten sie aber gern für die
Gruppe zurückerobern. Es ist die als älteste Tochter bezeich-
nete, später als Melpomene erklärte florentinische Figur****.
Was zunächst diese Benennung betrifft, so beruht sie auf un-
zureichenden Gründen, denn das Aermelkleid, das allerdings
• n. 20.
*• Man begegnet hier in Berlin öfter rkhtig^ — icli weiss nicht
von wem — ergänzten Copien, z. B. in der grossen Zinkgiesserei
Toii Geiss.
*•• n. 71 in demselben Paal.
•••• n. 16.
240 Myüiologischc Darstellungen.
Melpomene trägt^ findet sich auch an andern Figuren und
gerade auch an der zweiten Niobetochter, der Gürtel aber,
eine dünne Schnur, wie die Niobiden sie tragen, ist ganz ver-
schieden von dem für Melpomene charakteristischen GürteL
Auch die Stellung des rechten Fnsses, der auf einer leisen
Erhöhung steht, erinnert doch nur sehr entfernt an gewisse
Darstellungen der Melpomene, ist dagegen sehr natürlich bei
der Annahme einer Niobide, da alle zur Gruppe gehörigen
Figuren, wie" wir sahen, auf unebenem felsigen Boden stehen«
Endlich ist der nach oben gerichtete Kopf, der bei einer
Niobide natürlich ist, an einer Melpomene schwer zu moti-
viren. Entscheidend aber für die Zugehöriglceit dieser Figur
zur Niobidengruppe ist dies, dass ihre Stirn und ihr Haar so
vollkommen übereinstimmen mit den entsprechenden Theilen
an der Niobe und ältesten Tochter, dass wir sogar dieselbe
Hand darin erkennen möchten. Die übrigen Theile des Ge-
sichts sind nicht so ähnlich, gewiss deswegen, weil sie zum
Theil ergänzt, zum Theil modemisirt sind. Auch die Hände
sind neu, aber wohl richtig ergänzt, die Figur steht da in
der G^berde stummer Ergebung. Und dies ist gewiss ein för
edleres weibliches Wesen bezeichnendes Motiv, sich willig ohne
auch nur den Versuch zur Rettung zu machen, dem Tode zu
stellen.
Ueber die Anordnung der florentinischen Gruppe sind
die verschiedensten Meinungen ausgesprochen. Wir beginnen
mit derjenigen, welche uns am wenigsten wahrscheinlich er-
scheint, dass nämlich die Statuen in den Interkolumnien eines
Tempels oder tempelartigen Gebäudes aufgestellt gewesen
seien. Diese Meinung ist haupts^hlich veranlasst durch ein
in Lycien entdecktes Denkmal, in dessen Interkolumnien nach
allem Anschein sehr bewegte weibliche Statuen gestanden
haben. Aber gerade dies Monument scheint uns gegen eine
solche Aufstellung der Niobiden zu sprechen, denn dort sind
es unter sich gleichartige, hier aber höchst ungleichartige
Gestalten, welche die Zwischenräume zwischen den Säolen
füllen sollen. Gleichartigkeit aber wenigstens in den haupt-
sächlichsten Verhältnissen ist bei den für gleiche architekto-
nische Räume bestimmten Figuren durchaus erforderlich. Zu-
dem würde die Gruppe, wenn sie durch Säulen zerstückelt
würde, um alle ihre Wirkung kommen. Denn hier sind die
einzelnen Figuren wirklich Glieder eines Ganzen und es geht
eine bestimmte Bewegung hindurch, die keine Unterbrechnng
Mythologische Daratellungen. 241
leidet Die eilende Flucht der Kinder würde durch die
Säulen überall gehemmt erscheinen und damit das ergreifende
Pathos des Ganzen vernichtet.
Grossen Anklang hat eine andere Hypothese gefunden,
dass nämlich diese Gruppe das Giebelfeld eines Tempels ge-
schmückt habe. Die allmähliche Höhenabstufung der Figuren
hat hauptsächlich darauf geführt. Uns scheinen nicht nur die
in diesem Sinne angestellten Restaurationen mit Allem, was
wir von den alten Giebelgruppen wissen und was aus der
Eigenthümlichkeit des gegebenen Raums folgt, in Wider-
spruch zu stehen, sondern auch die Annahme selbst unmög-
lich zu sein. Zunächst wegen des ausgestreckt liegenden
Sohnes. Man kann diese Figur entweder in die Mitte oder
in eine der Ecken des Giebels legen. Im ersteren Fall wird
fiber ihr immer ein Loch entstehen, das schwer auszufüUen
sein dürfte und wenigstens durch keine der erhaltenen Fi-
guren ausgefüllt wird, im andern Fall erhalten wir eine hori-
zontal gestreckte Figur an einer Stelle, wo der Raum eine
Figur mit gehobenem Oberkörper, eine mit dem schräg an-
steigenden Giebelfeld parallel sich erhebende verlangt. Es ist
mir kein Beispiel aus alter und auch neuer Zeit bekannt, wo
es anders wäre, es ist eben eine in den Verhältnissen selbst
begründete Forderung.
Aber nicht bloss diese, sondern auch andere Figuren
würden bei der Annahme einer Giebelgruppe gegen das Ge-
setz Verstössen, dass Bild und Raum sich decken müssen,
ein Gesetz, das von der griechischen Kunst seit ihren frühesten
.Anfängen strenger beobachtet ist, als von irgend einer an-
dern, ohne welches auch keine vollkommene Harmonie mög-
lich ist. Bei einer Giebelgruppe muss eine über die Köpfe
der Figuren gezogene Linie parallel laufen mit der schräg
ansteigenden Linie des Giebels. Dies findet sich auch überall
in den Giebelgruppen des Alterthums beobachtet und muss,
wenn auch die neuem Giebelgruppen nicht alle in dieser
Weise componirt sind, doch als etwas nach den gegebenen
Ranmverhältnissen Natürliches angesehen werden. Wenden
wir nun aber dies Gesetz auf die Niobegruppe an und zwar
auf die linke Seite derselben, die bis zum zweiten Sohn als
in ursprünglicher Integrität erhalten allgemein anerkannt wird,
so fällt die Linie von der Mutter zur ältesten Tochter schroff
ab nm etwa l^/g Fuss, dann aber bewegt sie sich fast hori-
zontal über den Köpfen der zwei Schwestern und zwei Brüder,
Friedericlu, griech. Plastik. 16
242 Mythologische Darstelhingen.
indem die letzte dieser Figuren nur um einen Fuss niedriger
ist als die erste. Die Töchter müssten entweder höher oder
die Söhne niedriger sein, wenn eine erträgliche Giebelgmppe
herauskommen soll. Mit einem Wort, die Höhenunterschiede
dieser Figuren sind zu gering für eine Giebelgruppe.
Man ist auf den Gedanken gekommen, durch Erhöhung
der Basen dem bemerkten Uebelstand abzuhelfen. Dies fOhrt
auf einen dritten Einwand gegen die Giebelgruppe. Denn
schon jetzt, noch mehr aber wenn wir einmal die projektirte
Erhöhung annehmen, ist die Basis der Figuren nicht etwas
Indifferentes, nicht die blosse Standfläche der Figuren, son-
dern es ist ähnlich wie am Famesischen Stier eine bestimmte
Lokalität, ein felsiges Terrain als Schauplatz der Begebenheit
charakterisirt. Ich bezweifle, ob dies passend sei für eine
Giebelgruppe, die doch immer nur etwas Unselbstständiges^
ein Ornament an einem grossem architektonischen Ganzen ist
und diesen ihren dekorativen Charakter wahren muss. Eben
wegen ihrer Basis ist die Niobidengruppe etwas Selbstständiges^
das Anspruch macht für sich zu bestehen. Es scheint mur
namentlich für die Blüthe der griechischen Kunst nicht glaub-
lich, dass man ein so malerisches Element in einer Giebel-
gruppe zugelassen habe, es wtirde mit dem Ernst des dori-
schen Stils — und diesen hätten wir ja vorauszusetzen —
schwer vereinbar sein.
Die Betrachtung der Basis führt mich auf einen letzten
Einwand gegen die Giebelgruppe und zugleich zur Aufstellung
der eignen Meinung. Hat es nicht etwas Auffallendes, ein
horizontal fortlaufendes felsiges Terrain als Schauplatz der
Handlung anzunehmen? Wäre es nicht natürlicher, da uns
der Künstler ja doch eine bestimmte Lokalität schildern will,
wenn er uns der Natur entsprechend auf- und absteigende .
Flächen darstellte? Die Bewegung mehrerer Figuren, nament-
lich die der beiden letzten Söhne zur Linken scheint mir mit
Nothwendigkeit auf diese Annahme hinzuführen. Sie schreiten
mit starkem Schritt hinauf, von unten nach oben, und dies
Hinaufschreiten kann doch nicht durch einige ihnen in den
Weg geworfene Steine erklärt werden, vielmehr müssen wir
eine* ansteigende und auf der andern Seite abfallende Fläche
voraussetzen, auf deren höchstem Punkt die Mutter steht
Wir erhalten dadurch eine mehr malerische Gomposition
nach Art des Farnesischen Stiers, einer Gruppe, die freilich
noch weiter nach dieser Richtung geht. Der pathetische
Mythologische Darstellungen. 243
Charakter der Niobidengruppe gewinnt aber bedeutend durch
eine solche Aufstellung, die Flucht der Kinder erscheint wilder
und leidenschaftlicher. Nach der Absicht des Künstlers, so
scheint es, sollen wir oben die Wohnung der Mutter, etwa
die königliche Burg, denken, wohin von beiden Seiten die
Kinder Schutz suchend eilen, während die Mutter, durch das
Geschrei der Kinder aufgeregt, ihnen entgegenkommt.
Es ist uns aus dem Alterthum von zwei Darstellungen
der Niobiden Kunde erhalten, von denen eine und vielleicht
auch die andere in ähnlicher Weise aufgestellt waren, wie wir
es fftr diese Florentiner Gruppe annehmen. An den Thtiren
des palatinischen Apollotempels, den Augustus zu Ehren des
Sieges bei Actium stiftete, waren auf dem einen Flügel „die
vom Scheitel des Pamass herabgestürzten Gallier^', auf dem
andern der Tod der Niobiden dargestellt. Die Symmetrie
verfangt, dass wir uns die Scene des Niobidenuntergangs in
ähnlicher Weise vorstellen, wie die angeführten Worte für das
Seitenstfick, die Vernichtung der Gallier bei ihrem Angriff auf
Delphi^ vorschreiben, d. h. die einzelnen Figuren waren ma-
lerisch einen Berg hinan aufgestellt. Eine andere Darstellung
der von Apoll und Artemis getödteten Niobiden befand sich
in Athen in einer Höhle über dem Theater, man möchte eben
wegen der Lokalität vermutheu, dass die Gruppe ebenfalls
malerisch, der Lokalität sich anschliessend componirt war.
Es würde nun die weitere Aufgabe sein, die Stelle zu
bestimmen, die jede einzelne Figur im Ganzen einnahm, in-
dessen sind wir dieser Aufgabe nicht gewachsen und be-
schränken uns daher auf einige leitende Gedanken. Sicher
>cheint uns, dass die Gnippc wie ein Ilautrelief aufzufassen
ist, die Bewegungen der Figuren sind der Art, dass die Arme
nicht vom Körper abspringen und aus der Fläche treten, son-
dern entweder anliegen oder nach hinten und vom, also in der
Richtung des Körpers ausgebreitet sind.
Die Gruppe ist gewiss nicht vollständig auf uns ge-
kommen. Es muss doch bei jeder Aufstellung, wo die Mitte
von der Mutter eingenommen wird, eine gewisse Symmetrie
zwischen den beiden Hälften angenommen werden, und diese
ist eben mit den vorhandenen Statuen nicht zu erreichen.
Am wenigsten befriedigt die rechte Seite, doch sind wir nicht
einmal im Stande bei jeder Figur sicher zu bestimmen, ob sie
links oder rechts von der Mutter gestanden. Die Richtung
des Körpers nach der einen oder andern Seite scheint dies
10*
244 Mythologische Darstellungen.
entscheiden zu können^ indess ist doch fraglich; ob nicht die
im Ganzen gewiss anzunehmende Richtung jeder Hälfte nach
der Mitte zu von einzelnen Figuren durch eine entgegen-
strebende Bewegung unterbrochen wTirde. Wenn wir an
Giebelgruppen solche Compositionsweise finden, so scheint sie
noch mehr berechtigt bei einer nicht in einen architektoni-
schen Rahmen eingespannten Gruppe. Vielleicht ist es auch
künstlerisch vortheilhafter und für die Situation natürlicher^
wenn nicht alle Figuren jeder Hälfte nach der Mitte streben,
es gäbe ein noch anschaulicheres Bild der Verwirrung und
Bestürzung; wenn sich hie und da Kinder entgegen liefen. Es
ist aber klar, wie sehr durch Annahme dieses Princips die
Aufgabe, jeder Figur ihre ursprüngliche Stellung anzuweisen,
erschwert wird.
Die Zahl der Kinder im Voram bestinmien zu wollen,
scheint uns gewagt. Nach der am meisten verbreiteten Tra-
dition waren es vierzehn, allein die Nachrichten und auch die
Monumente varüren. Auch lehren andere analoge Fälle, dass
die Künstler sich von der Tradition entfernten, wenn sie ihren
Absichten nicht entsprach. Auch über die Frage, ob die
Götter anwesend waren oder nicht, können wir nicht mit Ent-
schiedenheit urtheilen. Zum Verständniss der Gruppe freilich
brauchten sie nicht sichtbar zu sein, aber es fragt sich, ob
es der antiken Anschauung entspricht, wenn sie fehlen. Auf
fast allen vollständig erhaltenen oder durch Nachrichten ge-
nauer bekannten Darstellungen erblicken wir die strafenden
Gottheiten, und der ganze Mythus der Griechen, wie ihn Dich-
tung und Kunst vorführt, setzt überall ein sichtbares Ein-
greifen der Gottheit voraus. Und betrachtet man die Ge-
sichter der Kinder, so findet sich nirgends ein fragender
Blick, wie es doch natürlich wäre, wenn die Geschosse von
unsichtbaren Urhebern hernieder gesandt würden, wohl aber
Angst und Entsetzen, wie durch einen schrecklichen Anblick
veranlasst. Man hat gemeint, neben dieser Niobe sei keine
Götterstatue denkbar, sie würde von ihr erdrückt werden, aber
Künstler haben es für sehr möglich gehalten. Der Platz der
Götter wird durch die Blicke der Kinder bestimmt, sie standen
links und rechts in der Höhe. Wenn wir uns die Gruppe an
einer von der Natur gegebenen Lokalität wie ein Hantrelief
aufgestellt denken, die Götter zu beiden Seiten das Ganze ein-
rahmend und abschliessend, so liesse sich doch vielleicht eine
künstlerisch befriedigende Gomposition gewinnen.
• \
i
Mythologische Darstellungen. 245
Dass die Florentinische Statuenreihe nicht als ein Original-
werk zu betrachten^ wird schon aus dem, was oben über die
doppelt erhaltene Tochter bemerkt wurde, deutlich sein. Im
Stil des Nackten und der Gewandung giebt sich die Hand
eines römischen Copisten und zwar nicht aus der besten Zeit
zu erkennen. Es sind aber Unterschiede zwischen den ein-
zelnen Figuren. Die erste und zweite Tochter z. B. können
nicht von demselben Künstler verfertigt sein, sie verrathen einen
ganz verschiedenen Geschmack, hier mehr Einfachheit, dort
eine Ueberfüllung mit kleinlichem Detail.
Die Florentiner Gruppe wird allgemein als die Copie
emes von Plinius erwähnten in Rom in einem apollinischen
Heiligthum befindlichen Werkes angesehen, von dem man
zweifelte, ob es dem Scopas oder Praxiteles angehöre. So-
viel ist allerdings wahrscheinlich, dass das Original einer
athenischen Kunstschule angehört — die Verwandtschaft mit
den erhaltenen Skulpturen ist auch in der Copie noch er-
kennbar — und femer, dass es um die Mitte des vierten
Jahrhunderts entstanden ist. Der dramatische, pathetische
Charakter der Gruppe, der sich auch in den Köpfen lebendig
ausspricht, ist jener Zeit eigenthümlich, in den Werken vom
Mausoleum haben wir ein Werk ganz verwandter Art. Es
befindet sich unter letzteren auch ein colossaler Kopf, der
demjenigen der Niobe sehr nahe steht. Indessen den Cha-
rakter eines bestimmten Künstlers wiederzuerkennen, dazu
fehlt es uns an Mitteln, ja wir müssen es dahingestellt sein
lassen, ob einer von jenen beiden Künstlern die Gruppe ver-
fertigt hat, denn es ist nicht unmöglich, dass ungefähr um die-
selbe Zeit noch eine zweite Gruppe der Niobiden aufgestellt
worden ist, nämlich jene oben erwähnte über dem Theater
in Athen befindliche, welche von Pausanias kurz erwähnt
wird. War diese eine freie Gruppe, so könnte auch diese
als Original der Florentiner Statuen angenommen werden, ohne
dass wir die Mittel besässen, uns für das Eine oder Andere
zu entscheiden. Es ist aber auch denkbar, dass die von Pli-
nins und Pausanias erwähnten Werke eine und dieselbe
Gruppe wären, die von Rom nach Athen zurückgegeben oder
an letzterm Ort durch eine Copie ersetzt wäre. Wir be-
wegen uns aber mit diesen Bemerkungen unter lauter Mög-
lichkeiten, einige Sicherheit hat nur die Annahme, dass das
Original ein Werk attischer Kunst aus dem vierten Jahr-
hundert sei.
246 Mytholog-ibche Darstellungen.
Das gelehrte Werk von Stai-k, Niobe 1863, überhebt mich klier
weiteren Nachweisungen. Nur muss ich wie der Text zeigt, der von
B. Meyer in den Recensionen v. J. 1864 gegen Stark gefäirten Pole-
mik beistimmen.
lieber den Ilioneus hat später Overbeck gehandelt in den Leipzig. Ber.
1863 p. 1 ff., aber ich kann nicht einmal die MögUclikeit seiner An-
nahme zugeben, weil Troilus in der Dichtung und Kunst viel jugend-
licher dargestellt wird, als dieser Torso ist. Der Schluss von Overbeck's
Abhandlung, in welchem das Vasenbild mit der sehr ähnlichen Figur
des von seinem Vater bedrohten Dryas angeführt wird, lässt mich
übrigens verrauthen, dass der Verfasser für seine Aimahme nicht viel-
mehr als die blosse Möglichkeit beansprucht, womit ja nichts ge-
wonnen ist, denn es wäre nicht schwer, eine ganze Reihe mythologischer
Situationen aufzuzählen, in welche dieser Torso hineinpassen würde.
430. 431. Pasquino*. Die erste Nummer bezeichnet
ein Marmorfragment, das in Rom im 16. Jahrhundert aus-
gegraben wurde und zwar in der Nähe des Hauses, das ein
Schuster, Namens Pasquino, ein durch seine satjTischen An-
griffe auf Cardinäle und Päpste berühmter Mann bewohnte.
Die Rolle, die der Schuster bei Lebzeiten gespielt hatte, ging
nach seinem Tode auf die am Fundort aufgestellte Statue
über, es wurden nämlich Spottverse, von der Art wie sie der
Schuster verfasst hatte, daran geklebt. Auch den Namen des
Schusters erbte sie und der Platz, auf dem sie noch jetzt
allen Witterungsschäden ausgesetzt steht.
Die zweite Nummer ist ein aus mehreren Copien des
Pasquino zusammengesetzter Gypsabguss. Es existiren näm-
' lieh mehrere besser erhaltene Wiederholungen, zunächst zwei
in Florenz, von denen die eine, die sich jetzt in der loggia
de' Lanzi befindet, in Rom vor Porta Portese in einem Wein-
berge gefunden und 1570 vom Grossherzog Gosmus I. ange-
kauft ist. Restaurirt wurde diese Gruppe — es fehlten an
dem Todten beide Arme und der linke Arm an der andern
Figur — unter Ferdinand ü. von Pietro Tacca und nach den
Modellen desselben wurden die fehlenden Theile von Lodovico
Salvetti in Stein gehauen. Die zweite Florentinische Gruppe,
die jetzt im Hof des Palastes Pitti steht, stammt auch aus
Rom, aus Nachgrabungen in dem jetzt zum Theater einge-
richteten Mausoleum des Augustus und wurde dem Gross-
herzog Cosmus I. von Paolo Antonio Soderini, Bürger voa
Florenz, zum Geschenk gemacht. An dieser Gruppe fehltea
die Beine und der linke Arm der stehenden, Kopf, Arme und
* Im Saale d«!s Barberinischen Fauns n. 17 u. 4.
i
Mythologische Darstellungen. 247
Beine der liegenden Figur^ ein unwissender Ergänzer hat un-
gehörige Zuthaten hinzugefügt; ja die ganze Stellung der
Gruppe verändert. Ausserdem sind um das Jahr 1772 bei
einer durch Gavin Hamilton in der Villa Hadrians bei Tivoli
veranstalteten Ausgrabung Fragmente einer dritten Gruppe
zum Vorschein gekommen ^ nämlich der Kopf der stehenden
und die Beine (vom Knie abwärts) der liegenden Figur. Diese
befinden sich jetzt im Vatikan. Aus den drei genannten mehr
oder weniger verstünunelten Gruppen hat nun vor etwa 30
Jahren der Florentinische Bildhauer Ricci ein Ganzes in der
Art zusanmiengesetzt; dass er das, was an der einen Gruppe
fehlte^ von der andern entnahm, und von dieser Form besitzt
das Neue Museum als Geschenk des Grossherzogs von Tos-
kana einen der wenigen vorhandenen Abgüsse. An diesem
sind an der stehenden Figur die Beine von dem ersterwähnten
Florentinischen Exemplare, das üebrige von dem zweiten ent-
lehnt, der linke Arm, der in beiden antiken Exemplaren fehlte,
ist nach der Restauration des Tacca geformt. An der liegen-
den Figur sind Kopf und Schultern von der ersten, Torso
und Schenkel von der zweiten Florentinischen Gruppe ge-
nommen, die Beine von dem vatikanischen Fragment, und
die Arme, die nirgends antik erhalten, von der Restauration
des Tacca. Vor Ricci hatte Rafael Mengs einen ähnlichen
Plan aber unter minder günstigen Verhältnissen unternommen,
wie eine Vergleichung des Abgusses von Mengs in Dresden
zeigt, jedenfalls ist das Werk von Ricci am besten geeignet,
eine Vorstellung von der ursprünglichen Composition der Gruppe
zu geben, — bis auf einen nicht unwichtigen Punkt.
An den Florentinischen Exemplaren hat nämlich der Kopf
der stehenden Figur eine andere Haltung als am Pasquino
und am vatikanischen Fragment, wo er eine Seitenwendung
macht mit einem Blick nach oben. Es fragt sich, auf welcher
Seite das Ursprüngliche bewahrt ist. Alle Wahrscheinlichkeit
ist dafür, dass wir den Pasquino als der ursprünglichen Com-
position entsprechend zu betrachten haben. Schon die Vor-
zöglichkeit der Ausführung erweckt für ilm die Präsumption
^ grösseren Treue, aber die Gruppe gewinnt auch nicht
wenig durch die Wendung des Kopfes. Einmal formell, in-
*ofeni dadurch dem Ueberhängen der Gruppe nach vorn ent-
gegengewirkt wird, dann aber auch für die Empfindmig, in-
sofern das Benehmen des Blriegers dadurch viel inniger und
*<^tener erscheint. Nur im Hinblick auf die Haltung des
248 Mythologische Darstellungen.
Kopfes an den Florentinischen Statuen konnte man die Mei-
nung aussprechen^ dass der Held sich umschaue nach HQlfe^
vielmehr vergisst er, wie der Pasquino zeigt, sich seihst und
hebt klagend seinen Blick zu den Göttern, klagend um die hin-
sinkende Jugendschönheit seines Freundes.
Ausserdem lässt sich nur noch darüber zweifeln, ob der
linke Arm der stehenden und der rechte der liegenden ganz
richtig ergänzt sind. Auf den geschnittenen Steinen, auf
denen diese Gruppe nicht selten wiederholt ist, trägt die erstere
Figur am linken Arm einen Schild mit oder ohne Speer, der
vielleicht auch für die Marmorgruppe vorauszusetzen ist.
Nach der jetzigen Restauration begreift man wenigstens nicht
recht, warum der Krieger nicht beide Arme gebraucht, um
seinen Freund emporzuheben. Auch würde der Schild und
Speer am Arme des zu Hülfe eilenden Kriegers die Situation
der Gruppe noch lebendiger veranschaulichen.
Zur Zeit der Auffindung der Gruppe, als man die alte
Kunst aus römischer Geschichte und Sitte zu erklären pflegte^
galten die Figuren als Gladiatoren, es ist längst erkannt, dass
griechische Heroen dargestellt sind. Nun bemerkt man an
dem Todten der einen Florentinischen Gruppe eine Wunde
unter der rechten Brust und an dem vatikanischen Fragment
eine zweite zwischen den Schultern, wodurch wahrscheinlich
wird, dass der Todte ursprünglich diese beiden Wunden hatte»
Das sind aber gerade die beiden Wanden, die Patrokios nach
der nias erhielt, die eine von Hektor, die andere von Eu-,
phorbus, und so hat man den Todten Patroklus genannt und
die andere Figur Menelaos, da dieser eben die Leiche' de»
Patroklus aus dem Kampf trug.
Diese Erklärung ist die wahrscheinlichste, es wäre eigen-
thümlich, wenn die Uebereinstimmung der Wunden mit der
homerischen Dichtung, worauf sie sich stützt, zufällig wäre»
Sie entspricht aber auch im Uebrigen dem Homer, während
eine andere Erklärung, die den Menelaos Ajax nennt (der
Todte ist dann entweder Patroklus, wobei man anninmit^ der
Künstler habe sich nicht genau an Homer gehalten, oder
Achill) die Vorstellung, die der Grieche sich unter dem Vor-
gang seiner Dichter von Ajax gebildet hatte, wenig zu be-
achten scheint. Denn wenn Sophokles den Ajax al6 einen
Mann charakterisirt, der die laute Klage als Zeichen eines
feigen Herzens ansieht, wie sollte wohl der Mann, den wir
in der Pasquinogruppe im vollsten Schmerz zu den GOttem
Mythologische Darstelhmgen. 249
klagen sehen; den Ajax vorstellen können? Ajax ist unter
allen griechischen Helden gerade der trotzigste und härteste^
welchem die Thräne fast als eine Schande des Mannes gilt.
Ihn würden wir in diesem Moment eher in Zorn und Wuth
als in so tief ergreifender Klage vor uns sehen. Und so
schildert ihn auch Homer^ während Menelaos, wie es an der-
selben Stelle heisst, mit grossem Schmerz in der Seele um
Patroklns kämpft. Wem aber die Gestalt des Helden zu
kräftig scheinen sollte ffir Menelaos^ der halte sich nicht an
die Charakteristik desselben bei den Tragikern, sondern bei
Homer^ wo er nichts weniger als ein Feigling ist. Mit die-
sem Einwand ist es übrigens eine eigene Sache, wir besitzen
zu wenig vergleichbare Werke, um das Maass der Kraft be-
stimmen zu können, die man den verschiedenen Helden
beilegte.
Die Gruppe ist ein wundervolles Bild antiker Hölden-
freundschaft, sie ist schöner als die homerische Schilderung,
weil in dieser der gewählte herrliche Moment nirgends be-
sonders markirt ist, • noch die edle Empfindung des Mene-
laos so ergreifend ihren Ausdruck gefunden hat. Nach des
Kflnstlers Absicht sollen wir uns denken, dass MeDelaos dem
Patroklus gerade im Moment des Falles zu Hülfe eilt, dass er
ihn auffängt mit Anspannung aller Kräfte, während zugleich
der tiefst» Schmerz sich aus seiner Brust emporringt.
Zugleich ist die Gruppe so charakteristiseh für das Wesen
griechischer Helden. Wilder, trotziger, thränenloser sind die
Helden des Nordens, weicher, menschlicher, natürlicher die
Hellenen. Und auch den Tod des Hellenen stellt die grie-
chische Kunst elegischer, wehmüthiger dar, als den des Bar-
haren. Es ist als ob dem Künstler die homerischen Verse
vorgeschwebt hätten:
U'r;ct) <f ix ^e^ieov nxafxht} ^A'iöoqöe ßeßi]xeL
ov noTfiov yo6(oaa^ Xinoto' aÖQOxflxa xal 'tißtjv.
Die Composition der Gruppe ist von der höchsten Schön-
st; was formell wirksam ist, wirkt doch zugleich für den
KMtten Ausdruck. Wie schön ist an dem Todten, dessen
^ schlaffe Glieder in wirkungsvollem Gegensatz zu der An-
i^Piünmng im Köi-per des Menelaos stelm, der hängende Arm,
^ formell die Gruppe aufs Beste abschliesst und zugleich
^cn jfsoig hinstreckenden" Tod so eindringlich macht! Dass
^^•troklns nackt dargestellt ist, wird schwerlich aus dem
250 Mythologische Darstellungen.
Homer zu erklären sein, wo durch den Schlag des Apollo
dem Patroklus die Waffen vom Leibe fallen, vielmehr ist es
die gewöhnliche Erscheinung der Heroen, die hier, wo es
darauf ankam, einen lebendigen Eindruck der hinsterbenden
Jugendschönheit zu geben, doppelt nothwendig war. Aach in
der Tracht des Menelaos erinnert wohl Helm und Schwert
an die Situation, im Uebrigen ist sie aber ganz frei künst-
lerisch behandelt, das Gewand ist nur darum da, damit sich
die nackten Formen des Todten besser abheben. An dem
Helm ist Herakles im Centaurenkampf dargestellt, wobei wir
dahin gestellt sein lassen, ob irgend eine Beziehung dieses
Gegenstandes auf den Träger, die, mag man ihn für Ajax oder
Menelaos halten, nicht ohne Eünstlichkeit herausgebracht
werden kann, obwaltet oder nicht. Näher liegt jedenfalls die
Annahme, dass der Künstler zu der Wahl dieser Kampfscene
— denn eine Kampfscene überhaupt zu wählen zum Schmuck
eines Helmes ist natürlich — veranlasst sei durch die Form
des zu verzierenden Baumes, für welchen gerade diese Gruppe
sehr geeignet ist. Auch in den übrigen Verzierungen des
Helms, — am Schirm befindet sich ein zu einem schlangen-
schwänzigen Adler restaurirter Greif, und über den Backen-
klappen 'eine nicht recht bestimmbare Bestie mit einem Vogel
im Maul — wird schwerlich eine specielle Beziehung auf den
Träger des Helms herausgefunden werden können.«
Hinsichtlich der Zeitbestimmung ist klar, dass diese
Gruppe nicht eher entstehen konnte, als die Kunst sich an
die Darstellung eines mächtig ergreifenden, dramatischen Pa-
thos gewagt hatte, d. h. nicht vor dem 4. Jahrhundert. Aber
ist es möglich, sie näher zu fixiren?
Es ist die Meinung ausgesprochen, dass die Gruppe dem
Laokooh verwandt sei. Schwerlich mit Recht. Wir wenig-
stens können nur eine äusserliche Aehnlichkeit bemerken,
während die Pointe beider Darstellungen ganz verschieden ist,
denn dort handelt es sich um Darstellung eines rein körper-
lichen Schmerzes, während hier der tiefste Seelenschmerz zum
Ausdruck kommt. Dagegen scheint uns die Niobegruppe sehr
verwandt zu sein, wo die Mutter um ihre sterbenden Kinder
klagt, wie hier der ältere Freund um den hingerafften Jüng-
ling. Der Schmerz, der tiefste Schmerz um geliebte in
blühender Jugend hinsterbende Wesen ist die Seele beider
Darstellungen und in beiden gleich ergreifend ohne die leiseste
Zuthat eines falschen Pathos dargestellte Und betrachten wir
Mythologische DarsteUung-en. 251
nmi die grossartige Anlage^ die mächtigen Formen des Mene-
laos, besonders aber die noch gut erhaltene rechte Seite des
Pasquino^ wo ein so polsirendes und schwellendes Leben be-
merkbar ist; wie man es nur an griechischen Werken edeln
Stils bemerkt; so wird die Annahme nicht gewagt erscheinen;
der Pasquino stanmie aus derselben Kunstrichtung; aus wel-
cher die Niobegruppe und die Skulpturen vom Mausoleum
hervorgegangen sind. Aus den Darstellungen einer unten zu
erwähnenden Silberschaale (n. 497) werden wir einen weiteren
ßeweis für diesen Ansatz entnehmen.
Bemini erklärte den Pasquino für die schönste aller zu
seiner Zeit vorhandener Antiken; die Vergleichung des zu-
sammengesetzten Gypsabgusses ist sehr geeignet; seine hohe
Vortrefflichkeit ins rechte Licht zu setzen. Vernmthlich ist
er ein Originalwerk.
Der Pasquino ist al)g:. bei Visconti Op. var. 1. tav. 15 p. 172 ff.
Vgl Pio-Clem. VI tav. 18. 19 p. 111 ff. Scholl Archaeol. Mitth. aus
(iriechenland p. 121. ürliclis in den Jahrb. d. Vereins von Alterthums-
fremiden im Rheinland 1867 p. 224. Die weitere Literatiu- bei Welcker
i\kad. Mus. n. 135. Der im Text bestrittene Zeitansatz ist von Heibig
Imllet. 1864 p. 66 Arch. Anz. 64 p. 197 angenommen. Ueber den zu-
ttfflmengesetzten Gypsabguss vgl. Kugler's Museum für bild. Kunst V.
p. 113 ff.
432. Amazone*; Marmorfragment im Hof von Palast
Borghese in Rom. Der am Original befindliche rechte Arm ist
nicht antik und daher auch nicht mit abgeformt.
Die Figur ist von ihrem Pferd herabgesunken zu denken;
mit der Rechten den Zügel noch festhaltend; so dass sie also
geschleift wird. Man könnte auch daran denken; dass sie
nach einem in Amazonenkämpfen sehr gewöhnlichen Motiv
von einem hinter ihr befindlichen Krieger am Kopf gefasst
nnd fortgerissen würdC; allein dann würde sie; was hier wegen
des Hehns nicht der Fall gewesen sein kanu; am Haar ge-
to seiU; auch ist dazu die ganze Stellung doch zu wider-
standslos.
Die hellenische Tracht und Bewaffnung der Amazone ist
die in der Plastik gewöhnlichere; nur reicht das Gewand länger
^b als sonst üblich. An dem breiten von der rechten Schulter
2W linken Hüfte laufenden Bande hing das Schwert; dessen
Eostenz durch eine noch erhaltene Stütze gesichert ist.
^ Im Niabidensaal n. 112.
252 Mythologische Darstellungen.
Der grossartige Charakter und ergreifende Ansdnick
lassen dieses Werk als der griechischen Kunstblüthe ange-
hörig erkennen^ doch ist die Ausführung nicht sehr sorgfältig.
Der am Kücken herabhängende Mantel fliesst ununterschieden
mit den Falten des Untergewandes zusammen.
V^l. Welcker A. D. 5, 83. Schulz Amazonenvase p. 4 (wo aber
das Motiv missverstanden).
433. Juno*, Marmorkopf in Villa Ludovisi. Die Nasen-
spitze ist ergänzt.
Das Einzelne dieses schon von Winckelmann als schönsten
aller Junoköpfe gepriesenen Werks ist schon bei der Farnesischen
Junobüste (n. 89) berührt. Der Unterschied beider Köpfe liegt
darin, dass jener eine herbe Göttlichkeit darstellt, während sich
hier Göttliches und Menschliches wunderbar mischt. Die Zeit und
der Künstler, der jenen geschaffen, dachte strenger und ernster
von den Göttern, als der Bildner der Ludovisischen Göttin^
dem die menschliche Schönheit weniger gleichgültig war. Jener
steht religiös höher, dieser künstlerisch, und so- sind diese
beiden Köpfe würdige Repräsentanten zweier Perioden sowohl
der Kunst- als Religionsgeschichte. Wie weit entfernt wir
den einen vom andern anzusetzen haben, ist freilich schwer
zu sagen, doch muss uns der Umstand, dass die Juno des
Polyklet, die, mag nun die Famesische Büste ihr entsprechen
oder nicht, jedenfalls viel strenger war, erst in den letzten
Decennien des 5. Jahrhunderts entstanden, bestinmien, den
Ludovisischen Kopf erst dem 4. Jahrhundert zuzuschreiben.
Letzterer ist aber nicht eine blosse Umbildung des älteren
Typus in den Stil einer späteren Zeit, sondern eine selbstftn-
diffe Schöpfung. Unsere Nachrichten über die griechischen
Kunstler sind zu lückenhaft, als dass wir daran denken
könnten, in ihnen den Künstler dieser Juno wiederzufinden,
nur das wird man vermuthen dürfen, dass der Künstler ein
Athener war. Gerade in attischen Werken finden wir so volle
und stolze Formen wieder, wie sie dieser Kopf zeigt.
Berühmt sind Schiller's Worte über diesen Kopf im fünf-
zehnten Brief über die ästhetische Erziehung des Menschen-
geschlechts: Es ist weder Anmuth, noch ist es Würde, was
ans dem herrlichen Kopf einer Juno Ludovisi zu uns spricM;
es ist keines von beiden, weil es beides ist. Indem der
* Im Niobidcnsaal n. 39.
Mytliologische Darstellungen. 253
weibliche Gott unsre Anbetung heischt^ entzündet das gott-
gleiche Weib unsere Liebe, aber indem wir uns der himm-
lischen Holdseligkeit aufgelöst hingeben, schreckt die himm-
lische Selbstgenügsamkeit uns zurück. In sich selbst ruht und
wohnt die ganze Gestalt, eine völlig geschlossene Schöpfung
nnd als wenn sie jenseits des Raumes wäre, ohne Nachgeben,
ohne Widerstand: da ist keine Kraft, die mit Kräften kämpfte,
keine Blosse, wo die Zeitlichkeit einbrechen könnte.
Dass der Kopf seinem Stil nacli später sei als Polyklet, ist schon
von Meyer aiis der Vergleichung der Mattei'schen Amazone sehr richtig
geschlossen. Meyer z. Winck. p. 467 d. Ausg. v. Eiselehi. Die übrige
Literatur bei Kekule Hebe p. 68 ff., wo auch die beste Abbildung ge-
geben ist.
434. Junostatue*, von Marmor, in Ephesus gefunden
und vor etwa 40 Jahren nach Wien gebracht, wo sie sich
in der Kunstakademie befindet.
Diese Statue ist das schönste Exemplar eines oft wieder-
holten Junotypus, der sich schon durch die Stellung, nament-
lich durch den imponirend ausgestreckten rechten Ann, der
em Scepter hielt, während für die Linke eine Schaale voraus-
zusetzen, zu erkennen giebt. Der Kopf trug, wie aus den
besser erhaltenen Wiederholungen hervorgeht, eine Stirn-
krone, wodurch die Beziehung der Figur auf Juno vollends
gesichert ist.
Es kann kein Zweifel sein, dass wir in dieser Statue ein
Werk, das der griechischen Kunstblüthe nahe steht, vor uns
haben. Das Nackte der Brust ist so lebensvoll behandelt
tmd das leinene Untergewand hat so scharf gebrochene Falten,
wie es in der besten Zeit üblich war. Trotzdem muss eine
Eigenthümlichkeit dieses Untergewandes uns von einem allzu
Mien Ansatz abhalten. Es liegt nämlich an einigen Stellen
80 glatt und faltenlos am Körper, dass sogar der Nabel durch-
scheint Wir fanden diese immer etwas raffinirte Behandlimg
des Gewandes zuerst am Fries des Erechtheums, sie ist
tlhrigens nicht bei allen Figuren gleichmässig zur Anwendung
gekommen. An Darstellungen der Venus und an Bacchantinnen
Kt sie nicht selten und leicht verständlich, während ich mich
z- B. keiner Pallas mit ähnlicher Gewandung erinnere.
Vgl Kunstblatt 1838 p. 137. Welcker Akad. Mus. p. 88 und die
FtTDesische Junostatue in Neapel bei E. Braun Kunstmyth. 26 und mus.
••^n. n, 61. Eine Publikation dieses Torso bereitet v. Li'itzow vor.
^ Im Griechischen Saal n. 224.
254 Mythologische Darstelhingen.
435. Zeus von Otricoli*, Marmorkopf im Yatikan^
gefunden bei den von Pabst Pius VI. in den letzten Jahr-
zehnden des vorigen Jahrhunderts in Otricoli veranstalteten
Ausgrabungen. Alt ist nur die Maske ^ und daran ist nocb
die Nasenspitze und Einiges an den untern Theilen des Haupt-
haares restaurirt.
.Winckelmann wünschte, die neuern Künstler hätten Gott
Vater, statt ihn dem Greisenalter nahe darzustellen, in blühen-
der Mannesschönheit wie den griechischen Zeus dargestellt. Viel-
mehr ist es der christlichen Anschauung angemessen, durch das
höhere Alter einmal die Vorstellung des Väterlichen eindring-
licher zu betonen und sodann von den beiden im Mannesalter
verbundenen Elementen, der Fülle sinnlicher Schönheit und
der Tiefe geistigen Ausdrucks, das letztere reiner hervorzu-
kehren. Das Griechenthum aber stellt alles Göttliche dar in
den Jahren sinnlicher Schönheit, es giebt keinen . Greis im
Olymp.
Die Büste ist das schönste Bild des Zeus unter allen^
die erhalten sind. Die hohe Stirn erscheint dadurch noch
höher, dass sich die Haare in einem etwas spitzen Bogen
darüber zusammenschliessen. Eine runde Begränzung der
Stirn wirkt in mehr anmuthiger Weise, während der spitz
zulaufende Bogen die Vertikalrichtung betont und damit den
Eindruck des Erhabenen verstärkt. Beide Theile der Stirn,
der obere ebene, den wir als Sitz des Gedankens fassen, und
der untere sich vorwölbende, in dem sich Kraft und Energie
ausdrückt, sind gleichmässig entwickelt, während an Herakles-
köpfen der letztere einseitig ausgebildet ist. Die Höhenrichtung
der Stirn \\ird fortgesetzt durch das Haar, das mähnenartig
auf dem Scheitel emporsteigt und dann in Wellenlinien aber
ohne die schlaffe Weichheit wie an Göttern des Wassers, zu
beiden Seiten herabfällt. Gerade das Umgekehrte charakteri-
sirt die Köpfe des Unterweltsgottes, dessen Haare nach unten
herabfallen und das Gesicht gleichsam verschleiern. Eine
tiefe Furche trennt das Haar vom Gesicht, die das Ganze
höchst wirksam belebt und auch die reiche Ueppigkeit des
wallenden Haupthaares anschaulich macht. Im Gegensatz zu
den Wellenlinien des Haupthaars stehen die krausen Locken
des Bartes, reicher und üppiger als die kleinen störrigen
Locken der Heraklesbärte. Auch theilt sich der Bart in
* Im Saal des Barberinischeu Fauns, n. 19.
Mythologische Darstelliuigen. 255
symmetrische Mssseo; die dem feierlichen Eindruck des Zeus-
kopfes entsprechen. Blosse Reihen von Locken ohne Gliede-
nmg; wie an Herakles^ oder ein etwas wild durcheinander
geworfener Bart^ wie an Poseidon, wären dem Herrscher des
Olymps, wenigstens wenn er in feierlicher Ruhe thronend ge-
dacht ist, wie hier der Fall zu sein scheint, nicht angemessen.
Und die durchfurchten Wangen, die man auch an dem leiden-
schaftlicheren Meergott findet, würden die Heiterkeit des
höchsten Gottes trühen.
Früher wurde dieser Kopf als eine Copie nach dem
olympischen Zeus des Phidias angesehen, in der neuesten Zeit
ist diese Annahme mehr als zweifelhaft geworden. Eine
Münze von Elis, die nach allem Anschein eine Copie vom
Kopf des olympischen Zeus enthält, lässt für das Werk des
Phidias einen viel strengeren Stil voraussetzen, als dieser Kopf
zeigt, und alle aus der Zeit des Phidias erhaltenen Köpfe
ftlhren auf denselben Schluss. Schon oben p. 165 machten
wir auf den Gegensatz zwischen dem Zeuskopf des Parthenon-
frieses und dieser Büste aufmerksam, es fehlt der letzteren
alles StUisirte und Typische, das in der Zeit des Phidias
noch keineswegs aufgegeben war.
Wir glauben, dass der Kopf mit seinem vollen üppigen
Haar und mit seinem lebhaften Ausdruck mindestens um ein
Jahrhundert von der Zeit des Phidias entfernt ist. Eine so
freie Behandlung des Haars widerspricht der Plastik zur Zeit
•les Phidias ebenso sehr, wie die realistische Ornamentik der
•Vrchitektur jener Zeit.
Da der Kopf in carrarischem Marmor gearbeitet ist, so
Üllt seine Ausführung in die römische Kaiserzeit, gewiss aber
ins erste Jahrhundert.
Abgr. Visconti mus. Pio-Clem. M, 1. Müller -Wieseler II, 1, 1.
\?l E. Braun Kunstmythol. p. 7. Ruinen und Museen Roms p. 414.
leber die elische Münze und ihr Verhültniss zum Werk des Phidias,
'»verbeck in d. ßer. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss., 18(16 p. 173 ff. Taf. 1.
436. Mars*, Marmorstatue in Villa Ludovisi. Er-
l?«nzt sind die rechte Hand, der rechte Fuss und der Schwert-
?riff des Mars, am Eros der Kopf, der linke Arm mit dem
obem Ende des Köchers, der rechte Arm zur Htälfte und der
rechte Fuss.
* Der Abguss des Neuen Museums ist noch nicht aufgestellt, ein
^1*1 schönerer und vom Original abgenommener befindet sich in Tegel.
256 Mythologische Darstellungen.
Ein der Figur fremdes Ueberbleibsel • auf der linken
Schulter und der Rest einer Stütze an derselben Seite weiter
unten zeigen, dass an der linken Seite des Gottes eine zweite
Figur sich befand, die wohl niemand anders gewesen sein
kann als Aphrodite. Sie wird, wie es scheint, durch die
Situation gefordert, welche diese ist, dass Mars, wie das
Schwert in seiner Hand annehmen lässt, in Begriff war, in
den Kampf zu eilen und nun sich hat bestimmen lassen, noch
zu verweilen und zu zögern. Der Eros zu seinen Füssen, der
schalkhaft wie in einem Versteck liegt und von dem Grott
nicht beachtet wird, könnte diese Wirkung nicht motiviren,
auch ein zweiter Eros — wenn wir den Rest auf der Schulter
von einem solchen herleiten wollten, in welchem Fall aber
ein bedeutenderes Stück von ihm übrig geblieben sein müsste —
würde das nicht vermögen, sondern nur die in der Sage und
Kunst ihm verbundene Göttin. Leise wendet der Gott den
Kopf nach rechts, von der überredenden Göttin hinweg, aber
das ist nur ein schwaches Widerstreben, er ist bereits seiner
eigenen Natur untreu geworden, hat sich niedergelassen und
im Gefühl der Behaglichkeit das eine Bein hinaufgezogen und
mit den Händen umfasst — zugleich ein Zug von üngenirt-
heit, der gerade für Mars sehr angemessen ist — und ist in
Träumereien versunken.
Man hat mit dieser Statue eine der Götterfiguren an
der Ostseite des Parthenonfrieses verglichen, wir bemerkten
aber schon oben p. 170, dass die Aehnlichkeit zufällig sein
könne. Im Stil aber ist die grösste Uebereinstimmung mit
dem Apoxyomenos des Lysippus (n. 499), und namentlich sind
sich die Köpfe der beiden Statuen überraschend ähnlich.
Man vergleiche Form und Ausdruck des Kopfes und den
freien Wurf des Haares und man wird nicht zweifeln, dass
auch diese Statue aus der Werkstatt oder wenigstens Schule
des Lysippus hervorgegangen ist. Für diese Zeit passt auch
die ganze Auffassung, denn die Situation des Mars ist vom
Standpunkt der frühem Kunst aus nicht mehr ganz würdig
und göttlich zu nennen.
Zu der grossartigen, kräftigen Anlage der Figur gesellt
sich eine höchst lebensvolle Ausführung, die auf ein Original-
werk schliessen lässt.
Abg. Müller- Wieseler II, 23,350. E. Brauns Vorschule der Kunst-
mythol. 86. Overbeck in den Verhandl. d. Philol. in Meissen 1864
p. 221 glaubt die am Mars erhaltenen Reste auf einen zweiten Eros
. ilikI Ma» (fi'lri'iiiilc Figuren uareli, das iu fudi-iii lur» wiiiii
iliH-h g;ir :iii alisiin). Vi'at ilie Ai'liulirlikcil Aer tlgur niii itein
,-umeiiiis bni'iffl, ho möi-lile icli hit'r millliellcii, dasK kIi tlk- Slaiue
rh mit mehreren Biltlhaurrn nun t'i'flti'ii Miilc belrachieip, iiud daüs
le wie Ulis einem Munde iiameiillicEi die Aeliiiliilikeii de» Kopfes
leni des Apnxyunieiios llerviirliobeii. Aui'li Wekktr isl ilieetT
ug A. D. 5, «2.
437, Bacchus*, Mannorforso, mit der Farnesisehen
ilimg vou Rom nacli Neapel gekommen.
Die Formen des Körpers, die weichen und gelöst herab-
.den Locken, die Spuren der hinten herabhängenden
binde rechtfertigen die Benennung Bacchus. Die Wen-
nach rechts, die der Kopf, Rumpf und rechte Ann
en, scheint darauf zu führen, dass eine zweite Figur an
r Stelle stand, doch fehlt eine völlig übereinstimmende
pe, nach welcher der Torso restaurirt werden könnte.
Saiich bemerkt man den Ansatz einer Stütze, die wohl
rechten Arm trug. Die Haut ist an den meisten Stellen
mehr erhalten.
Dieser Torso mit seiner schwellend weichen und elasti-
, Darstellung des Fleisches — man sehe besonders den
rechten Arm gepressten Theil der Brust — ist gewiss
>rigiiialncrk. Die Formen spielen etwas ins Weibliche
ler, doch ohne weichlich zu sein. Es wird berichtet,
Ponssin nach diesem Werk seinen Stil gebildet habe.
In der alten Kunst erfahrener Mann, Meyer, der Freund
258 Mythologische Darstellungen.
Stil vertritt, die weiche Schwellung des Fleisches mit grosser
Meisterschaft dargestellt wurde. An einen früheren Ansatz
kann nicht gedacht werden, mit späterer Zeit scheint der von
Meyer neben dem Weichen hervorgehobene grossartige Cha-
rakter der Formen nicht recht vereinbar.
Abg. Gerhard Antike ßildw. Taf. 105, 6. Mus. borbon. 11, 60.
Vgl. Meyer z. Winckelnaann V, 470 (Eiselein).
438. Bacchus*, Büste aus Erz, in Herkulanom am
6. Nov. 1753 gefunden und in Neapel befindlich.
Dieser Kopf, den Winckelmann mit Recht als ein Wun-
derwerk der Kunst preist, ist erst in neuester Zeit zh seinem
richtigen Namen gekommen. Früher glaubte man darin das
Porträt eines Weisen, namentlich des Plato, zu erkennen.
Allein der Ausdruck sowie die Anordnung des Haars wider-
sprechen einem Porträtkopf, von Plato's Kopf besitzen wir
zudem mehrere, ganz abweichende Darstellungen. Es ist
vielmehr ein Kopf des Bacchus nach älterem Typus, wo der
Oott gewöhnlich vollständig bekleidet — daher auch hier der
Ansatz des Gewandes auf der Brust — und im reifem Alter
dargestellt wird. Statt des weich schwärmerischen Jünghngs
tritt uns hier eine grossartige, wenn auch leidende, Knüft
entgegen, die sich besonders in der mächtigen Form des
Nackens ausspricht. Der Ausdruck des Leidens aber, des
Ueberwältigtseins, äussert sich sehr ergreifend in der Neigung
des Kopfes und in der Linie über dem Auge, und auch in
den Backen ist deutlich ein Zustand der Erschlaffung ausge-
drückt. Wenn in der Gestalt des jugendlichen Bacchus die
Wirkung des Weins dargestellt wird, so sieht man ihn gewöhn- m
lieh wenn auch mit einem melancholischen Zusatz, doch seinea ^
Alter entsprechend in einer seligeren Stinmumg, hier dagegen
ist der Zug der Trauer und Ermattung stärker hervorgehoben.
Den Dionysos charakterisirt die breite Kopfbinde, dis
ihm nebst den künstlichen Locken, die besonders gearbeitet
und dann angelöthet sind, einen weichlichem Charakter giett
Das Haar ist aufs Strengste stilisirt, „in Furchen gezoga
wie man mit dem feinsten Kamm machen könnte.^ Jkt
Bartausschnitt über dem Kinn findet sich nicht selten tt
Köpfen des alterthümlichen oder wenigstens strengen Stil^
wie schon oben (p. 77) bemerkt wurde.
* Im Saal der Tliiere und Broncen n. 239.
Mythologische Darstellungen. 259
Die strenge Stilisirung; die dem allerdings bedenklichen
Motiv — schon im Alterthum nahm man Anstoss an der
Darst^Uong des trunkenen Dionysos — möglichst entgegen-
wirkt, giebt in Verbindung mit dem grossartigen Charakter
des Ganzen zugleich Aufschluss über die Entstehungszeit des
Werks. Dass es ein Originalw^rk sei, können wir nicht
glauben, schon deswegen nicht, weil der Kopf offenbar nicht
als Kopf concipirt, sondern nur Theil einer ganzen Statue ist.
Aber es ist gewiss eine sehr genaue Copie eines griechischen
Werks, das nicht später entstanden sein kann, als in der
Mitte des vierten Jahrhunderts. Bis dahin lässt sich nämlich
im Stil der Broncen die strenge Stilisirung des Haars ver-
folgen, mit Lysippus aber, zur Zeit Alexander's, trat ein an-
deres Princip auf. Da nun aber der pathetische Ausdruck
des Kopfes in das fünfte Jahrhundert zurückzugehen verbietet,
so scheint das Original desselben in die Kunstrichtung des
Skopas und Praxiteles hineinzugeboren, die eben bald in einer
mehr grossartig bewegten, bald in zart schwärmerischer Weise
die Grestalten des Dionysos und seines Gefolges darstellten.
Abg. bronzi d'Ercolano I, 27. 28. Mus. borboii I, 46. \'gl. Ar-
chaeol. Ztg. 1862 p. 229 ff.
439. Bacchantin*, Marmorfigürchen, in Smynia zum
Torschein gekommen, früher im Besitz des Engländers Mil-
lingen, in wessen Händen es sich gegenwärtig befindet, ist
ans unbekannt. •
Die Bewegung und der Gesichtsausdruck, die hinten an
der Grewandung erhaltene Löwentatze und endlich eine über-
einstimmende Figur einer griechischen Vase lassen nicht zwei-
feln, dass in dieser Figur eine Bacchantin dargestellt sei
Denn die auf dem Gewände zurückgebliebene Löwentatze kann
wohl nicht anders erklärt werden, als dass sie dem Fell
eines verfolgenden Satyrs angehörte. Der linke Arm der
Bacchantin war ziemlich horizontal ausgestreckt, während der
rechte gesenkt und gewiss von dem Satyr gefasst war.
Man hat sich nach dieser Bacchantin die berühmte Mä-
nade des Skopas zu vergegenwärtigen gesucht, die auch eine
in wilder Raserei dahinstürmende Figur war. Von einer
Uebereinstimmung im Einzelnen kann freilich nicht die Rede
sein, schon deswegen nicht, weil diese Figur wie wir sahen
• Im Saal der Thiere und Broncen n. 170.
17*
260 Mythologische DarsteUnngen.
ZU einer Gruppe gehört, aber ihrer Auffassung nach scheinen
die beiden Werke sich nahe zu stehn. Durch zwei an den äl-
teren Darstellungen der Bacchantinnen bemerkbare Eigenschaften
zeichnet sich wenigstens auch diese Figur aus, zunächst ist
nämlich bei aller Lebendigkeit der Bewegung doch eine gewisse
Strenge gewahrt, indem z. B. die Falten über dem Oberkörper
kaum ihre natürliche Lage verändert haben. Sodann ist die Dar-
stellung noch vollkommen keusch, während später der Körper
der Bachantinnen mehr oder weniger entblösst oder mit durch-
scheinenden Gewändern bedeckt, kurz üppiger und raffinirter
dargestellt wird.
Abg. Arch. Ztg 1849 Taf. 1. Vgl. Arch. Aiiz. 1856 p. 193. Ui-
ichs, Skopas p. 62.
440. Jugendlicher Satyr*, Marmorstatue, die zu
Antium gefunden sein soll und mit der Chigi'schen Sanmüong
ins Museum zu Dresden gekommen ist. Ergänzt ist der
rechte Fuss.
Das Satyreske ist in dieser Statue bis zur äussersten
Grenze des Möglichen unterdrückt, es beschränkt sich auf
die thierische Bildung der Ohren und auf die gelinde Strap-
pigkeit der Haare. Im Uebrigen ist die Figur in ihren For-
men und in ihrer Bewegung — sie schenkt wie die graziösen
Mundschenken aus der Höhe ein, indem in der Rechten eine
Kanne, in der Linken ein Trinkhom oder Schaale voraus-
zusetzen — von grosser Anmuth und der angemessene Mund-
schenk für den jugendlich schönen Dionysos, dessen Abzeichen,
die breite Binde, auch der Satyr trägt. Doch fragt sich,
ob die Statue für sich gestanden oder zu einer Gruppe ge-
hört habe. Die mit Dionysos gruppirten Satyrn haben in
der Regel des Contrastes wegen eine m^hr satyreske Körper-
bildung.
Die jugendlich zarten und anmuthigen Satyrgestalten sind
erst Schöpfungen der attischen Kunst des vierten Jahrhun-
derts, sie sind Umformungen eines älteren und mehr thieri-
schen Typus, und folgen in dieser Umwandlung ihrem Gotte,
der einen ähnlichen Verjüngungsprozess erfährt. Es ist nicht
gewiss zu sagen, ob diese Figur, die der vielen Wiederho-
lungen wegen im Alterthum beliebt gewesen sein muss, der
Künstlergeneration angehört, von welcher diese Umwandlimg
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 12.
i
Mythologische Darstellungen. 261
ausging, oder erst später entstanden ist; wir müssen uns be-
gnOgen, den Aasgangspunkt der Kiclitung, welcher sie ange-
hört, bezeichnet zu haben.
Abg. Becker Augusteum Taf. 25. 26. Vgl. Hettner, Kgl. Jtntiken-
sammlung zu Dresden n. 210.
441. Sogenannter Antinous vom Belvedere*, ge-
futden nahe bei der Kirche S. Martino b! Monti in Rom and
Ton Leo X. oder wahrscheinlicher Paul III. im Belvedere des
Vatikan aufgestellt. Das rechte Bein war unmittelbar über
dem Knöchel und unter der Hüfte gebrochen und ist unge-
schickt mit dem Fuss zusammengefügt^ wodurch der Knöchel
ein etwas unförmliches Ansehn erhalten hat.
Genau übereinstimmende und besser erhaltene Wiederho-
longen zeigen, dass diese unter dem Namen des Antinous be-
kannte Figur einen Hermes vorstellt. In der Linken befand
sich das Attribut desselben, der Caduceus, das Gewand hing
bis an die linke Wade herab, wo es noch Spur hinterlassen
hat, and die Rechte war leicht in die Hüfte gestützt, wo man
noch die Reste von zwei Fingern bemerkt.
Es ist nicht der leichte, schlanke Götterbote, der uns in
dieser Statue entgegentritt, sondern der kräftige Gott der
Palästra and zwar im Zustand lässiger Ruhe. Dem Palm-
stamm, der freilich oft ohne alle Bedeutung nur als eine
etwas belebtere Form der Stütze zu den Figuren hinzugesetzt
wird, dürfen wir bei einer so vortrefflichen Figur eine beson-
dere Bedeutung beilegen und zwar ist es der Siegesbaum der
Palästra, der neben dem Gott der Palästra steht und ihn als
Herrn auch über die Siegeszeichen bezeichnet. Denn überall
erhielt der siegreiche Athlet ausser dem Kranze, der auch
oft aas Palmenlaub geflochten war, einen Palmenzweig als
Siegeszeichen in seine Rechte.
Die Art wie das Gewand zusammengerollt, ist für den
("'Ott charakteristisch, es hindert in dieser Form am allerwe-
nigsten die freie Bewegung.
Dass diese Statue auf ein griechisches Original zurück-
gehe, lehrt die gleich folgende, und zwar scheint das schwere
Verhältniss des Oberkörpers zum Unterkörper auf die Zeit
^or Lysippas zu deuten. Andrerseits ist die Figur entschieden
später als Phidias und Polyklet, in deren Zeit man sie hat
• Im Treppenhaus n. 131.
rv.
262 Mythologische Darstelhing^en.
hineinrücken wollen. Damals bildete man den Hermes nnd
die Athleten mit kurz geschnittenem und glatt anliegendem
Haar, nicht aber mit dem Gekräusel kleiner Locken, das er
hier trägt, auch nst. keine Spur von der Strenge jener Zeit
mehr zu finden.
Die Figur, so schön sie auch ist, kann doch nicht als
ein Originalwerk betrachtet werden. Schon die spiegelblanke
Politur, die dem Marmor dieser und andrer gleichberühmter
Antiken z. B. dem Apollo vom Belvedere, gegeben und dem
Eindruck des Werks entschieden nachtheilig ist, wird nicht
in der Bltithe der griechischen Kunst Sitte gewesen sein.
Etwas ganz Singuläres ist, dass an dieser Statue der die
Brustwarze umgebende drüsige Theil durch einen Einschnitt
bezeichnet ist.
Abg. und zuerst richtig erklärt vou Visconti Pio-Clem. I, tav. 6
p. 30 ff., der auch über die Fundnotiz zu vergleichen. Von Abmdsse-
hing ursprünglich vorhandener Fussflügel, wodurch man den Feliler de»
rechten Knöchels hat erklären wollen, konnte ich nichts entdecken, die
im Text ausgesprochene Meimuig ist auch die des Bildhauers Stein-
häuser. Der Palmstamm findet sich als Stütze bei den allerverschieden-
sten Statuen, Porträten, Satyrn etc., und eben daraus folgt, dass er nicht
immer materielle Beziehung haben kann, lieber die Palme als Sieges-
zeichen Paus. 8, 48, 1. 2. E. Braun Ruinen p. 300 versucht die Statue
auf Polyklet ziurückzuführen. Ueber die glänzende Politur urthdlt
0. Müller Handb. § 310, 3 ebenso. Die Markirung der Brustwarze hebt
Winckelmann Kunstgesch. 5, 6, 9 tadelnd hervor, und 12, 1, 20 gicbt
er eine schöne Schildcmng des von ihm fiir Meleager gehaHeoea
Werks, wobei auch Meyer's gute Anm. zu vgl.
442. Hermes*, im Theater von Melos gefunden, früher
im Besitz des Architekten Schaubert, jetzt im Theseion ia
Athen.
Der Torso stimmt mit dem eben besprochenen Typus
des Hermes überein. Von der rechten Hand sind an der
Hüfte noch einige Finger erhalten. Die Figur gehört noclü.
der guten Zeit an.
Vgl. Ross Archaeol. Aufs. I p. 4.
443. Statue eines Verstorbenen**, 1832 auf der
Insel Andres gefunden und zwar in einer Grabkammer zwl-
gleich mit einer weiblichen Figur, jetzt in Athen, im Theseioxi.
* Im Saal des Barberinischen Fauns n. 5.
** Im Treppenhaus n. 130.
des Verstorbeneil zieren sollte, diesen Hermeslypns
Alfer und Stellung passend gefunden und daher copirt.
äenkuDg des Kopfes gab ihm dabei Gelegenheit, den in
Darstellungen der Verstorbene)! so gewöhnlichen Zug
■ Traner hervorzuheben. Die Schlange, die sich nm die
e der Fignr ringelt, ist wie wir sahen, auf griechischen
monamenten sehr gewöhnlich im Sinne eines genitis luci,
Schtltzerin des Todten vor aller Entweihung.
Die Statue gehört ihrem Stil nach noch in gute Zeit der
hifichen Scnlptor, doch sind wir nicht im Stande, ntlhere ^
mmnngen anzugehen.
Lbg. 'B^^ß. ä^x""»^- 1344 II. 91Ö. Vgl. RuBä Iiia.lreiseii I[,
. IT. biilk'i. 1833 p. ÜO.
444. Apollo*, Marmorstatue, 1780 in der Umgegend
s in Centocelle entdeckt und. im Vatikan aufgestellt, wo
äch noch befindet. Ergänzt sind die Arme von der Glitte
Oberarms an, das rechte Bein und der linke Fuss.
Früher Adonis benannt und darnach ergänzt — das At-
it der Rechten soll einen Wurfspeer andeuten — , ist die
IT später auf Grund Übereinstimmender and durch Attri-
: bezeichneter Apollostatnen für Apollo erklärt worden,
gewiss mit Recht. Zwar ist der gesenkte Kopf, der
drock des Gesichts und das etwas unordentliche Haar
n gewöhnlich an Apollo, aUein es gieht doch mehrere
iflostatuen, die sich, wie diese, durch einen eigcnthümlieh
menlichcn oder wchmtithigen Ausdruck unterscheiden, wor-
264 Mythologische Darstellungen.
setzen, von welchem diese Statue in römischer Zeit copirt
sein wird.
Abg. Visconti Pio-Cleni. II, 31 und Opere varie IV, tav. 8j (aus
dem mus6e francais), wo die Erklärung auf Apollo aufgestellt ist, die
wie mir scheint, ohne Grund bestritten ist, vgl. Welcker Akad. Mus.
n. 32. Der Erklärung Visconli's stimmt E. Braun bei, Ruinen p. S7Ö
und erinnert zJr Motivinmg der Trauer an den Tod des Hyacinthus.
Ausser dem berühmten Giustiniani'schen Apollokopf ist auch eine Ber-
liner Statue (n. 82) mit einem eigenthümlichen Zug der Trauer zu
erwähnen.
445. Apollo Sauroktonos*, Erzstatue in Villa Albanl
Ergänzt (nach andern Wiederholungen) ist der Baumstamm
mit der Eidechse.
Pünius berichtet, Praxiteles habe einen eben erwachsenen
Apollo gebildet, einer herankriechenden Eidechse mit. dem
Pfeil aus der Nähe nachstellend. Nach diesen Worten be-
sitzen wir in dem vorliegenden Werk die Nachbildung einer
praxitelischen Figur. Indessen ist die Bedeutung derselben
noch räthselhaft. Gewöhnlich nimmt man an, dass die
Eidechse, von welcher wir allerdings wissen, dass sie in irgend
einem Bezug zur Mantik stand, in der Weise zur Wahrsa-
gung benufzt wurde, dass man sie belauschte und durchspiesste,
„wobei es vielleicht darauf eben ankam, ob sie willig, etwa
an einen geheiligten Baum' herankam und Stich hielt oder
gefehlt, oder wie sie getroffen wurde u. s. w." Und diese
Art von Weissagung übe hier Apollo aus, von dem aUe Arten
der Weissagung abstammten. Allein einmal ist die Durch-
spiessung der Eidechse eine Annahme, die man überhaupt
und namentlich von Apollo gern fern hielte, auch lässt sich
schwerlich aus den sonstigen Ceremonien der griechischen
Mantik etwas Analoges anführen, und dann führt die einzige
uns erhaltene Nachricht von einer der Eidechse beigelegten
seherischen Kraft doch auf eine ganz andre Vorstellung. Es
wird uns nämlich von der Statue eines Sehers berichtet, an
dessen rechte Schulter eine Eidechse herankroch, während zu
seinen Füssen ein zerschnittenes Opferthier lag mit blossge-
legter Leber. Das Letztere bezeichnete den Mann als kundig
der Eingeweideschau, die Eidechse aber, die an sein Ohr her-
a,nkroch, erscheint als Besitzerin irgend welcher verborgenen
Kunde, die sie dem Seher mittheilen wird. In sich selbst
Im Saal des Farnesischen Stiers n. 11.
Mythologische Darstellung^en. 265
also besitzt sie das Mantische; ähnlich wie die Schlange^ und
es scheint keiner Durchapiessung zu bedürfen um ihr ein
Orakel zu entlocken.
Aber auch der .Charakter der Figur >viderstrebt einer
solchen Deutung. Praxiteles hat den Gott aller und jeder
Feierlichkeit und Würde entkleidet, so dass es nicht gerecht-
fertigt erscheint; eine ernstere oder auch nur bedeutungsvolle
Handlung vorauszusetzen. Wir vermuthen, es handle sich um
ein blosses Spiel. Die Eidechse ist besonders interessant
wegen ihrer ungemeinen Schnelligkeit. Dies will der knaben-
hafte Gott erproben, er zückt den Pfeil nach ihr, nur um
zu probiren ob er wohl das schnelle Thier trifft. Die Stel-
Inng des Gottes, von welcher mit Recht bemerkt ist, dass er
halb versteckt hinter dem Baum wie in einem Hinterhalt stehe,
das knabenhafte Alter und endlich der naiv genreartige Cha-
rakter des Ganzen scheinen diese Auffassung sehr zu empfehlen.
Auch ist eine Vase bekannt, worauf ein Knabe, der nach .
einer Eidechse sticht, und hier wird man nicht an etwas An-
deres denken, als an ein Spiel, „wozu die ausserordentliche
tSchnelligkeit und Gewandtheit des schönen Thierchens An-
lass bot"
Gegen den Einwand aber, dass sich ein solches Spiel
wohl für einen gewöhnlichen, nicht für einen göttlichen Kna-
ben schicke, ist eben die ungewöhnliche Darstellungsweise des
Gottes anzuführen. Und gerade in der Zeit des Praxiteles
beginnt die Richtung, die Götter in mehr genreartiger Weise
darzustellen. So wie wir den Dionysos mit dem Panther
spielen sehn, die Aphrodite an ihrem Haar oder Schmuck
beschäftigt, also in Aktionen, welche ohne alle tiefere Bedeu-
tong sind, ebenso spielt hier Apollo mit der Eidechse.
Dies Werk, von dem nicht wenige Copien auf uns ge-
kommen sind, giebt eine deutliche Vorstellung von einer
iägenschaft des Praxiteles, von seiner Grazie. Die Stellung
des Apollo ist nicht nur im Alterthum schon copirt, man
findet sie auch nicht selten in den lieblichsten Reliefs von
Thorwaldsen. Die beste unter allen Copien ist eine Marmor-
statue im Vatikan, deren Kopf und Haar noch deutlich jene
stüisirende Behandlungsweise der frühern Kunst erkennen
lassen. Dies so wie die Darstellung in Lebensgrösse, welche
^ Vatikanische Exemplar gewiss vom Original beibehalten
H wirken dem Eindruck einer allzu genrehaften Natürlich-
I
266 Mythologisclie Darstellungen.
keit und Niedlichkeit entgegen, den man von dieser verklei-
nerten Copie leicht erhält.
Abg. Clarac miisee de sculptiire pl. 486 A. Vgl. Winckelmann
inoHum. ined. n. 40. Visconti, Pio-Clem. I, 147. Welcker A. D. 1,
406 f. Stephani Compte-rendii p. I'annee 1862 p. 166 ff. Revue arch6o-
logique VI p. 81. 288» 482. Die im Text gegebene Erklärung ist schon
von Herrn von Ramdolur aufgestellt, vgl. Becker's Augusteum II, p. 32.
446. Apollino*; früher in der Villa Medici in Rom,
jetzt in Florenz, in den Ufficien. Ergänzt sind beide Hände.
Wir besitzen eine nicht kleine Anzahl von Apollostataen,
die dasselbe Motiv zeigen, unzweifelhaft liegt ihnen allen ein
hochberühmtes griechisches Originalwerk zu Grunde, vielleicht
dasjenige, welches sich in einem Gymnasium zu Athen befand
und uns folgendermaassen beschrieben wird: „Der Gott lehnt
sich au einen Pfeiler, die Linke hält den Bogen, während die
Rechte über den Kopf gelegt den Gott wie von grosser An-
strengung ausruhend zeigt." Nach dieser Statue, die für ein
Gymnasium ausserordentlich passend war, indem sie das Bild
süsser Ruhe als Lohn der Mühe vergegenwärtigte, ist jeden-
falls die unsrige mit dem Bogen zu ergänzen, während in
andern Wiederholungen eine Leier auf dem Pfeiler oder
Baumstamm ruht, wodurch aber der Grundgedanke der Statae
nicht verändert wird.
Das Original der Figur kann schwerlich über das vierte
Jahrhundert hinausgehn, denn das Schwelgen in süssen Em-
pfindungen, worin das Charakteristische dieser Figur, die
einem oft vorkommenden Bacchustypus sehr ähnlich ist, besteht^
ist nicht vereinbar mit dem göttlichen Ernst, in dem man
früher die Götter darstellte. Es spiegelt sich in dieser Fignr
eine Zeit, die mit mehr Phantasie als Glauben begabt, in
ihren Göttern mehr liebliche poetische Ideale als ernste
Mächte des Lebens anschaute und bildete.
Indessen war das Original jedenfalls weit grossartiger
als diese Copie, die als eine Uebertragung ins Anmuthige und
Zarte zu betrachten ist. Das Original war, worauf andre
Wiederholungen hinweisen^ colossal, auch die zierliche Frisur
dieses Exemplars, die in einigen andern Wiederholungen fehlt,
verräth einen späteren Geschmack. Trotz dem aber verdient
die Statue wegen ihrer zarten und weichen Anmuth den hohen
Ruf, in dem sie steht.
* Im Saal des Faniesischen Stiers ii. 7.
Mythologische Darstellungen. 267
Von den zahlreichen Abbildungen genüge es die bei Müller-Wie-
sder II, 11, 126 zu erwähnen. Vgl. Meyer z. Winckehimun Gesch. d.
K. V, 1, 11.
447. Sogenannter Elgin'scher Eros*, Mannorstatue;
von Lord Elgin auf der Akropolis von Athen entdeckt und
nach England gebracht^ wo sie sich im britischen Museum
befindet.
Die Figur gilt gewöhnlich für einen Eros, doch steht
die FlQgellosigkeit dieser Deutung entschieden dagegen. Man
luit daher auch an Ikarus gedacht, an dem man aber auch
die Flügel oder wenigstens das zur Befestigung derselben
nothwendige Kreuzband vermissen würde. Das breite Band,
das die Brust der Figur durchschneidet, kann nur als das
Tragband eines Köchers verstanden werden, und da wir den
£ros ausschliessen müssen, so dürfen wir an einen andern
Köcherträger, nämlich an Apollo denken, der ja im ApoUino
and Sauroktonos in ähnlicher Jugendlichkeit und Zartheit der
Formen aufgefasst ist. Für ihn sind auch die langherabhän-
genden Haare, deren Spuren zurückgeblieben, angemessen.
Wie aber die Arme zu ergänzen, darüber sind wir ausser
Stande, etwas Näheres anzugeben.
Wir dürfen diese feine und zarte Figur wohl als ein
der griechischen Kunstblüthe des vierten Jahrhunderts ange-
höriges Originalwerk betrachten.
Abg. Marbles of the british museum IX, 2. 3. Vgl. Ellis, the
Elgin and Phigaleian marbles II, p. 70. Vaux handbook to the brit.
mos. p. 115.
448. Amor**, Marmorfigur, von dem schottischen Maler
Gavin Hamilton in Centocelle in der nächsten Umgegend
Roms an der via Labicana gefunden und an Clemens XIV.
verkauft, der sie im Vatikan aufstellte, wo sie sich noch jetzt
befindet.
Die am Rücken erhaltenen Spuren angesetzter Flügel
beweisen, dass die Figur einen Amor vorstellt. Gewöhnlich
nimmt man nun an, dass Amor in der träumerischen Melan-
cholie der Liebe dargestellt sei, dass er als der Gott der
Liebe sein eignes Wesen an sich selbst erfahre. Allein ver-
suchen wir zunächst die Figur zu ergänzen, was mit Hülfe
• Im Griechischen Saal n. 42.
** Im Saal des Barberinischen Fauns n. 9.
268 Mythologische Darstellungen.
von zwei tibereinstimmenden, aber besser erhaltenen Wieder-
holungen, die sich im Vatikan und in Neapel befinden, ge-
schehen kann. Die Linke hielt den Bogen und an derselben
Seite stand eine etwa durch ein Gewand und durch den Kö-
cher belebte Stütze, die Rechte dagegen hielt auf einen kleinen
Altar eine gesenkte Fackel So ergänzt entspricht die Figur
den auf römischen Sarkophagen einige Male dargestellten
Amoren, die man als Todesgenien zu bezeichnen pflegt und
sie wird, wenn wir nicht irren, nach dieser AufEassung ver-
ständlicher. Denn nicht Liebesmelancholie, sondern Trauer,
tiefe Trauer ist es, die sich im Einklang mit dem Gestns der
gesenkten Fackel, in der Neigung und in dem Ausdruck des
Kopfes ausspricht und wir entgehn auch der uns bedenklich
scheinenden Annahme, wonach der Gott selbst in Liebesge-
danken versunken, also nur die Personifikation der Liebes-
sehnsucht sein würde. Vielmehr ist die Figur wie jene ent-
sprechenden der Sarkophage, ein Grabmonument, und Amor
trauert um den Gestorbenen oder genauer um die ihm ent-
rissene Psyche des Gestorbenen.
Gewöhnlich wird die Figur als eine Copie nach Praxi-
teles angesehn, eine Annahme, die indess nur auf einer allge-
meinen Vorstellung von der Kunst des Praxiteles beruht und
daher sehr unsicher ist Nach unsrer Erklärung wird sie
noch unsichrer, da der am Grabe trauernde Amor uns nur
aus römischen Denkmälern bekannt ist Ausserdem entspricht
die Haartracht, zunächst der gewöhnlich als Krobylos bezeich-
nete Haarknoten und dann die quer über den Kopf laufende
Flechte, die man häufig an Kindern und jugendlichen Ge-
stalten bemerkt, keineswegs einer früheren griechischen Zeit
und ist namentlich für Praxiteles — nach der knidischen
Venus und dem Sauroktonos zu schliessen — nicht streng
und einfach genug. Doch könnten dies allerdings Zusätze des
Copisten sein, da die Figur gewiss kein Originalwerk ist.
Denn zu dem zarten, innigen und gewiss griechischen Motiv
passt keineswegs die mangelhafte Ausführung.
Abg. Visconti mus Pio-CIem. I, 12. Müller- Wieseler I, 35, 144.
Was die Ergänzung betrifft, so lässt sich der linke Arm aus dem
neapolitanischen Exemplar ergänzen, an welchem ein Stück des Dogens
sich erhalten hat, der rechte aus dem vatikanischen (galeria de' cande-
labri n. 203, abg. bei Gerhard Ant. Bildw. Taf. 93, 2), an welchem ein
Stück der Fackel übrig geblieben ist. Für einen Todesgenius hielt auch
Zoega die Figur. Die Angabe der Literatur bei Stark Ber. d. sächs.
Gesellsch. der Wiss. 1866, p. 155.
Mythologische Darstellungen. 269
449. Badende Venus*, Marmorstatue; im Louvre be-
findlich. Ergänzt sind das linke Bein vom Knie ab, der linke
Arm fast ganz und die rechte Hand, endlich der Kopf. Die
Richtung der ergänzten Theile ist sicher die ursprüngliche.
Die Göttin hockt im Bade und ist bemüht, mit der Lin-
ken die dem Rücken nahe liegenden Körpertheile zu erreichen,
wesswegen sie auch den rechten Arm emporhebt. Offenbar
hielt sie ein Geräth in der Linken, einen Schwamm oder ein
Tuch zum Abtrocknen, oder was nach Analogie einer ähnli-
chen Thonfigur anzunehmen, ein Salbgefäss. Die Compositiou
ist von grosser Anmuth, doch ist nicht zu^läugnen, dass'sie
bereits auf sinnlichen Reiz gearbeitet ist. Die ganze Stellung,
das Zosammengeschmiegte der Glieder, das Herauspressen ein-
zehier Theile, wie der Brust durch die Bewegung des Arms,
wodurch weich elastische Schwellungen entstehn, deutet bereits
auf eine etwas raffinirte Kunstrichtung.
Von einem Künstler des vierten Jahrhunderts, Dädalus,
ist eine badende und zwar im Bade sitzende Venus bekannt
und es ist bemerkenswerth, dass schon damals Götterbilder
verfertigt wurden, denen der religiöse Charakter bereits völlig
fehlte. Ob aber unsre Statue als eine Copie dieser Venus
des Dädalus anzusehn ist, muss zweifelhaft bleiben, denn es
edstirt ein im Ganzen sehr ähnlicher, aber in der Bewegung
abweichender, nämlich einfacherer Typus der badenden Venus,
der dieselben und vielleicht noch mehr Ansprüche hat, nach
jener Statue copirt zu sein. Jedenfalls aber ist Dädalus wenn
nicht der unmittelbare, so doch mittelbare Urheber unsrer Figur.
Die Venus des Dädalus, die Plinius in Rom sah, war
von Marmor, und auf Marmor ist die ganze Composition be-
rechnet, die in Erz ihre grössten Schönheiten verlieren würde,
^icht so gewiss ist, welche Grösse sie hatte. Die meisten
«ns erhaltenen Darstellungen der badenden Venus sind wie
das vorliegende Exemplar, weit unter Lebensgrösse, aber es
eristiren auch lebensgrösse Copien. Man ist daher geneigt,
die ersteren als verkleinerte Copien anzusehn, aber doch fragt
sich, ob nicht für die Darstellung einer badenden Venus die
natürliche Grösse gleichsam zu anspruchsvoll, das kleinere
lormat dagegen passender und daher für die Originalgrösse
'^^ halten sei.
* Im Niobideiisaal n. 29.
I
270 Mythologische Darstelhiiigen.
Abg. Clarac musee de sculpt. pl. 345. Der verwandte Typus ist
der bei Visconti Pio-Clem. I, 10 abgebildete. Die Thonfigur, auf welche
sich der Text hinsichtlich der Ergänzung beruft, befindet sich im briti-
schen Museum, vgl. Arch. Anz. 1855 p. 62. Die Stelle des Plinius
über die Venus des Dädalus hat neuerdings Stephan! besprochen im
Compte-rendu p. l'annee 1859 p. 122.
450. 451. Kopf und Statue des Hypnos*, ersterer
ein Broncewerk; im Jahre 1855 in der Umgegend von Perugia
bei Civitella d'Arno gefunden und zuerst in Perugia, jetzt in
Neapel im Besitz des Kunsthändlers Castellani befindlich,
letztere ein Marmorwerk un Museum zu Madrid, wohin es
durch die Königin Marie Christine gekommen.
Der Broncekopf gehörte zu einem mit der Marmorstatae
übereinstimmenden Werk, das wir uns nach zahlreichen Wieder-
holungen in kleinen Broncen, in Reliefs und in Gemmen auf
das Genaueste reconstruiren können. Im linken Artn hielt
die Figur einen Mohnstengel, das Symbol der Einschläferang,
in der Rechten in der Geberde des Ausgiessens ein Hom, in-
dem der Schlaf wie eine über die Schlafenden ausgegossene
Flüssigkeit gedacht wurde. Ein stetiges Attribut sind auch
die aus den Schläfen herauswachsenden Kopfflügel, die übri-
gens noch keine genügende Begründung gefunden haben.
Die Marmorstatue hat eine Stütze, woran zwei Eidechsen
spielen, die man so oft an schlafenden Figuren dargestellt
findet, ohne dass wir den Sinn dieses Symbols mit Sicherheit
anzugeben wüssten. Indessen war die Stütze in dem Original,
das wir uns nach dem ganzen Arrangement der Figur lieber
von Bronce als von Marmor denken, nicht da. Der Bronce-
kopf steht aber nicht allein im Material dem Original näher,
sondern ist auch in jeder Hinsicht feiner und geistvoller als
der Kopf der Marmorstatue.
Die Poesie der Erfindung — der Schlafgott als weicher
Jüngling mit sanft geneigtem Haupt über die Erde schwebend
— lässt sofort an griechischen Ursprung denken, und der
Broncekopf könnte seinem Stil nach sogar noch über Alexander
hinaus in die Zeit der jüngeren attischen Schule gesetzt
werden. Die eigenthümliche Frisur — ein Haarwulst zur
Linken und Rechten ist unter das Kopfband gesteckt —
wiederholt sich an mehreren Werken aus der griechischen
Blüthezeit.
* Im Römischen Saal n. 111 u. 110.
Mylhologlsche Darstellung'eQ. 271
Der Broucekopf ist abg. in Aniiali 1856 tav. 3, richtig erklärt von
Brunn Arch. Anz. 1863 p. 129, die Statue in der Archaeol. Ztg. 1862
Taf. 157. Vgl. ü. Jahn Arch. Ztg. 1860 p. 97 ff. und Benndorf Arch.
Anz. 1865 p. 73. Zwei Gemmen der hiesigen Sammlung Kl. 3, Abthl. 2
11. 890. 891, die Tölken als Merkm* bezeichnet, auf den man früher den
Tji)U8 bezog, gehören ebenfalls dahin, lieber die Eidechse bei Schla-
fenden hat Kekule Archaeol. Ztg. 1862 p. 310 gesprochen, ohne ein
für mich überzeugendes Endresultat, denn wer kann das Thierchen, an
dem gerade das Rasche und Lebendige das Chai*akteristische ist, als
Symbol des Winterschlafs verstehen? E. Hübner, Die Antiken in
Spanien p. 56 und schwankend auch Gerhard Arch. Ztg. 1862 p. 220
finden etwas Alterthiimliches in dem Kopf der Marmorstatue, irregeleitet
durch das Lächeln, das wie die Vergleichung der Bronce zeigt, dem
Copisteu angehört, der den Ausdnick der Freundlichkeit verstärkte. Die
Frisur des Kopfes findet sich am Sauroktonos, an dem herkulanischen
Bacchiiskopf, an einer Nike von der Balustrade des Niketempels (p. 193.)
und an der Nemesis im Römischen Saal n. 20.
452. Weiblicher Kopf*, von Mannor, in Madrid
befindlich.
Der Kopf ist jedenfalls ein Idealkopf, doch ist es uns
nicht möglich, eine genaue Bestimmung desselben zu geben,
am nächsten steht er in Formen und Ausdruck den Köpfen
der Aphrodite, ohne freilich ihnen völlig zu entsprechen. Er
macht durchaus den Eindruck eines griechischen Werks, über
dessen genauere Datirung es uns aber an Anhaltspunkten
fehlt. Nur das bemerken wir, dass er nicht über das vierte
Jahrhundert hinausreichen kann, weil er keine Spuren strenge-
ren Stils mehr an sich trägt. Auf dem Schädel sind die
Haare nicht ausgearbeitet, vermuthlich weil es nach der ur-
sprünglichen Aufstellung überflüssig gewesen wäre, oder •auch
weil sie ursprünglich in Farben ausgeführt waren.
Abg. Nuove memorie dell' instituto di corrispond. archeol. tav. 3
mit der Erklärung von Hühner p. 34 ft'., der ich mich aber in keinem
einzigen Pimkte ans<'hliessen kann. Hübner schliesst besonders aus der
Arbeil der Haare, dass der Kopf nach Bronce coplrt sei, über das
charakteristische Merkmal, die drahtarti^-e Ausarlieitung im (icgcnsatz
lu der strickartigen Behandhmg des Marmors, felih. Ferner erkennt H.
an, dass il lavoro non mostra traccio venma di rigidezza, setzt aber
doch den Kopf in die Zeit des Phidias, was ich nicht mit einander ver-
einigen kann. Hhisichtlich der Benennung kann ich das Gewicht des
negativen Beweises, dass die anderen (jöttinnen nicht dargestellt sein
können und daher nur Minerva übrig bleibe, nicht hoch anschlagen,
weil wir zu arm sind an mustergültigen Göttertypen im Vergleich zu
dem, was vorhanden gewesen sein muss. Gegen Minerva scheint mir
der weiche Charakter des Kopfes durchaus zu sprechen und die Frisur
• Im Niobidensaal n. 89.
272 Mythologische Darstellungen.
ist mindestens ungewöhnlich für sie, es müssten daher starke positive
Gründe für diese Erklärung aufgestellt werden. In seinem Buch über
die Antiken in Madrid hebt Hübner dagegen richtig p. 247 die Ver-
wandtschaft mit den Aphroditeköpfen hervor. In Betreff der oben un-
ausgearbeiteten Haare können der Kopf des Berliner Musemns n. 152
und von früheren griechischen Monumenten die von Conze Arch. Ztg.
1864 p. 170 angeführten Beispiele verglichen werden.
453. Männlicher Kopf*, auf der Pariser Bibliothek
1846 zum Vorschein gekommen und ebendaselbst befindlich.
Der Kopf ist gewiss ein griechisches Originalwerk aus
sehr guter Zeit, wenn er freilich auch nicht, wie man gemeint
hat, zu den Sculpturen des Parthenon gehört. Dagegen spricht
wohl schon die Haartracht, noch mehr die vom Weber'schen
Kopf ganz abweichende, viel detaillirtere Behandlung des
Haars, endlich auch vielleicht die Angabe des Augensterns
durch einen Einschnitt, wofür wenigstens in so früher Zeit
kein Beispiel nachzuweisen.
Abg. Labordc, Athenes aux XVe, XVIe et XVIIe siecles I, p. 157.
Revue archeol. III, 1846 p. 336. 460 ff. Vgl. Welcker A. D. I, 120
Anm. Conze nuove memorie dell' instituto p. 411.*
454. Der Flussgott Inopus**, Fragment einer Marmor-
statue, auf Dolos gefunden und als Ballast nach Marseille mit-
genommen, wo ein Künstler Gibelin es erwarb und dann dem
Museum des Louvre abtrat.
Die liegende Stellung und die fliessejiden Haare lassen
auf einen Flussgott, und die Jugendlichkeit der Figur auf den
Gott eines kleinen Stroms schliessen, man hat daher mit Rück-
sicht auf den Fundort der Figur den Namen des delischen
Flussgottes Inopus gegeben. Die Vermuthung, es sei die Eck-
ligur eines Giebelfeldes gewesen, an welcher Stelle wir öfter
Flussgötter als Theilnehmer der dargestellten Handlung finden^
ist ansprechend, doch nicht nothwendig. Der Stil des Frag-
ments ist höchst grossartig, die volle kräftige Anlage erinnert
an die Sculpturen vom Parthenon, doch sind die Formen
etwas . weicher und ohne allen Rest von Alterthtimlichkeit^
so dass wir das Werk lieber dem vierten Jahrhundert zu-
schreiben.
Abg. Clarac musee de sculpt. pl. 751. Vgl. descript. du Louvre
n. 98. Die Vermuthung, dass die Figur zu einem Giebelfeld gehört
habe, ist von Welcker A. D. I. p. 14 aufgestellt.
* Im (iricchischen Saal n. 22.
** Im tirifcliisclu'ii Saal n. 252.
Mythologische Darstellungeii. 273
455. WeibHche Colossalfigur*, aus Marmor, im
Jahre 1837 in Athen gefunden, ebendaselbst belindlich.
Man hat vermuthet, dass diese grossartige Figur eine
Pallas sei, da die abgeschnittene Kopffläche auf die Hinzu-
fögong eines broncenen Helms schliessen lasse. Auch giebt
es allerdings sehr ähnliche Pallasstatuen, welche die Göttin in
den Kampf eilend darstellen. Indessen würde der Mangel
der Aegis und noch mehr die üppige Fülle des Gesichts an
einer Pallas auffallend sein. Von anderer Seite ist die Figur
als Niobe erklärt, und so sehr diese Benennung den Formen
und der Bewegung, die ähnlich ist, me an der Florentiner
Statne, entsprechen würde, so steht ihr doch der schmerzlose
Ausdruck des Gesichts entgegen.
Aber dem Stil nach ist die Vergleichung mit der Niobe
sebr treffend und wir zweifeln nicht an der Gleichzeitigkeit
beider Statuen.
Abg. Ross Archaeol. Aufs. I Taf. 12. 13 p. 149. Vgl. Stephaiii
0»nipte-rendu p. rannee 1863 p. 170 Anm. 1.
456. Weiblicher Torso**, aus Marmor, von Bröndsted
auf der Insel Keos gefunden, wo er sich augenblicklich befindet,
wissen wir nicht.
Die Gewandung ist edel und stilvoll behandelt wie in
wenig andern Resten der alten Sculptur. Das Werk scheint
aus attischer Schule hervorgegangen zu sein.
Abg. Bröndsted, Voyage en Grece I pl. 9 p. 21.
457 — 475. Reliefs vom Mausoleum***. Die Ueber-
bleibsel des Mausoleums in Halikarnass, welches bis ins zwölfte
Jährbundert als in seiner ursprünglichen Gestalt fortbestehend
bezeugt, nicht viel später aber durch ein Erdbeben, wie es
sdidnt, zerstört ist, wurden zum Theil von den Johanniter-
rittem, die im Jahr 1402 von Halikarnass Besitz nahmen,
nun Bau ihres Cästells benutzt. Zu diesen Trümmern ge-
hören die hier im Abguss vorhandenen Reliefplatten, welche
sich bis 1846 in dem Castell der Johanniterritter einge-
niauert befanden, dann aber durch Viscount Stratford de
Redcliffe, den damaligen britischen Gesandten in Constan-
• Im Griechischen Saal n. 43.
** Im Griechischen Saal n. 251.
••• Im Treppenhaus n. 56— G3, 90—97, 104—106.
Friederiehs, griech. Plastik. 18
274 Mythologische Darstellungen.
tinopel ins britische Museum versetzt wurden. Ihre Zuge-
hörigkeit zum Mausoleum konnte nicht bezweifelt werden, ist
aber durch die von Newton im Jahre 1857 geleitete Aus-
grabung des Mausoleums zum Ueberfluss bestätigt. Diese Aus-
grabung brachte unter andern reichen Ergebnissen auch vier
Eeliefplatten zum Vorschein^ die demselben Fries angehören,
uns aber nebst einem ebenfalls von Newton in Gonstantinopel
entdeckten Fragment und mehreren kleineren durch Biliotti
und Salzmann erst kürzlich aufgefundenen Bruchstücken, die
zum Theil mit bereits vorhandenen Platten verbunden werden
konnten, noch fehlen. Dagegen besitzen wir eine früher in
Genua in Villa di Negro, jetzt auch im britischen Museum
befindliche Platte*, die durch Frau Mertens-SchaflFhausen be-
kannt geworden und durch die Beamten des britischen Mu-
seums als demselben Fries angehörig erkannt ist. Wahr-
scheinlich wurde sie durch einen der Johanniterritter nach
Genua gebracht.
Die Reliefs vierten den äusseren Fries an dem Haupt-
theil des Gebäudes, nämlich an dem im jonischen Stil ge-
bauten Tempel, der über sich die von einem Viergespann be-
krönte Pyramide hatte. Sie bilden indess nicht eine fort-
laufende Reihe, sondern sind nur lückenhaft auf uns gekommen.
Auch die ursprünglichen Farben sind verschwunden, die, wie
sie an den vier von Newton entdeckten Platten sichtbar waren,
so auch hier vorauszusetzen sind. Und zwar war der Grund
dunkelblau bemalt, das Nackte der' Figuren dunkelroth, die
Gewänder mit Scharlach und anderen Farben. Die Zügel der
Pferde waren von Metall angeheftet, wovon sich die Löcher
erhalten haben.
Es sind im Ganzen neun Stücke — alles was verbanden
werden kann zu je einem Stück gerechnet** — , die hier in
Gyps vorhanden sind. Ein zehntes Stück***, das unter ihnen
hängt, sollte getrennt werden, da es zwar auch dem Mauso-
leum, aber emem andern Friese, auf dem eine Centauren-
schlacht vorgestellt war, angehört. Auch von diesem Fries
sind zahlreiche Bruchstücke von Newton entdeckt. Die Platte
ist etwas grösser als die Amazonenreliefs, auch hat sie unten
♦ n. 104r^l06.
*• Nr. 61 und 62 sollten etwas von" einander getrennt sein, da sie
nicht unmittelbar anschliesscn, ebenso n. 60 und 59, dagegen sind n. 90
und 91 dicht zusammenzurüekeu.
♦♦♦ n. 97.
Mythologische Darstellungen. 275
eine andere architektonische Einfassung und der Gegenstand
ist verschieden. Die fliehende waffenlose Figur ist keine
Amazone, sondern eine vor einem Centauren flüchtende wehr-
lose Fran.
So zerstückt der Fries mit der Amazonenschlacht ist, so
genügen doch die Brachstücke, um ans eine Vorstellung von
der aasserordentlich mannigfaltigen Composition zu geben.
Bald sind die Kämpfer paarweise geordnet; in näherer oder
weiterer Entfernung, je nach der Art des Kampfes, bald
bilden sich kleinere dichtere " Gruppen von mehr als zwei
Personen, bald kämpfen die Amazonen zu Fuss, bald zu Boss,
and in den Waffen wie im Costüm herrscht die reichste Ab-
wechslang, indem ohne alle Rücksicht auf historische Treue
nur nach künstierischen Anforderungen verfahren wird. Die
Amazonen sind die leidenschaftlicheren, aber wie es im weib-
lichen Charakter liegt, treten neben wilder entfesselter Leiden-
schaft auch alle Schwächen der Weiblichkeit hervor. Wir
erblicken sie wild im Angriff wie Furien und zugleich im
Augenblick drohender Gefahr zur Bitte ihre Zuflucht nehmend.
Bestimmte mythische Figuren sind in den Kampfscenen
nicht zu erkennen, mit Ausnahme einer, des Herakles. Dieser
ist anzweifelhaft in dem kräftigen, bärtigen, mit Keule, Löwen-
fell and Köcher bewaffiieten Krieger gemeint, der eine Amazone
am Haar gefasst hat und im Begriff ist, sie niederzuschlagen'*'.
Wenn wir diesen Fries vergleichen mit dem um fast 100
Jahre älteren Fries von Phigalia, der denselben Gegenstand
darstellt, so finden wir in Form und Ausdruck erhebliche
Verschiedenheiten, abgesehen davon, dass der erstere in Hin-
sicht auf künstlerische Ausführung bedeutend höher steht als
letzterer. Die Gestalten sind an den halikarnassischen Reliefs
weit schlanker, manchmal in auffallender Weise, die Gewänder
haben nicht mehr die scharfkantig gebrochenen Falten, die
dort noch mehrfach vorkommen, sondern fliessen linder und
weicher, und statt der ziemlich unbetheiligten Köpfe des phi-
gaUschen Frieses finden wir hier — es sind freilich nur
wenig Köpfe erhalten — einen pathetisch erregten Ausdruck.
Endlich ist ein leises Hervorheben sinnlichen Reizes zu be-
merken und es ist gewiss nicht zufallig, dass wir das in
früheren Darstellungen der Amazonen sehr seltene aufge-
schlitzte oder an der einen Seite ungenähte Gewand, das zwar
♦ u. 63.
18*
276 Mythologische Darstellungen.
dem Charakter der Amazonen nicht unangemessen ist; hier mit
Vorliebe und selbst so weit angewandt finden; dass sich eine
Hälfte des Körpers ganz entblösst zeigt.
Wir besitzen in diesen Reliefs Werke aus der Schule
des Skopas, ja vieDeicht zum Theil von Skopas selbst. New-
ton, der Entdecker jener vier Platten, die an der Ostseite^
wo Skopas gearbeitet haben soll, gefunden wurden, meint
wenigstens in dreien der unsrigen, namentlich in der aller-
dings sehr schönen Figur einer reitenden Amazone*, dieselbe
Hand zu erkennen, die jene gearbeitet. Wir sind davon nicht
überzeugt, da uns jene vier in der Relief behandlung verschieden,
nämlich etwas flacher gehalten zu sein schienen. Jedenfalls
sind mehre Hände zu unterscheiden und nicht Alles ist gleich
meisterhaft. Am vorzüglichsten scheint die Gruppe einer von
zwei Griechen angegriffenen Amazone** und das Stück von
Genua***, am wenigsten befriedigt die Platte mit der langen
in den Kampf stürzenden Kriegerfigur**** und das Stück aus
der Centaurenschlachtf . Auch kommt eine Amazone mit völlig
herumgedrehtem Oberkörper vorff.
Zu welchem Zweck der Amazonenkampf und die Cen-
taurenschlacht, welcher die eine Tafel angehört, am Grabmal
des Mausolus angebracht waren, ob sie nur im Allgemeinen
ein Bild hellenischer Gesittung als Ueberwinderin wilder und
roher Kraft und Leidenschaft geben, oder bestimmter auf ge-
wisse Thaten des Mausolus vorbildlich hindeuten sollten, kann
nicht gesagt werden.
Das Hauptwerk über alles das Mausoleum Betreffende ist Newton^
a history of discoveries at Halicamassus, Cnidus and Branchidae, London
1862 I, wo von den Reliefs p. 234 ff. gesprochen wird. Vgl. des-
selben Verf. Travels and discoveries in tlie Levaut. London 1865 H
p. 128, wo auch eine kleine Abbildung dieser Tafeln gegeben ist. Ausser-
dem ist das Relief aus Genua abg. Monum. " d. Inst. V, 1 — 3, die übrigen
ebendas. Taf. 18—21. Vgl. E. Braun in Annali 1849 p. 74 ff. 1860
p. 285 ff., der mehrere gute Bemerkungen nm' in einer zu breiten und
pomphaften Weise macht. Ein kleiner Irrthum Brami's, sowie üriichs'
Archaeol. Ztg. 1847 p. 169 ff. bezieht sich auf Taf. 19 n. 1, wo da»
Motiv des Kriegers miss verstau den, der nämlich mit der Rechten eine
Amazone, die er am Haar ergriffen, vom Pferd herabzieht. Der Schwau
♦ n. 58.
•• n. 95.
♦♦♦ n. 104—106.
*••* n. 59.
t n. 97.
tt n. 59.
i
Mythologische Darstellungen. 277
des Pferdes hat sich erhalten, auch der Kopf der Amazone ist noch
«rkennbar. Diese Platte ist ferner mit n. 2 zu verbinden, sowie auf
tav. 21 n. 12 mit n. 13.
476 — 492. Reliefs vom Monument des Lysikrates*.
Im alten Athen gab es eine Strasse^ welche die Dreifussstrasse
genannt wurde. Bort nämlich waren auf Säulen oder tempel-
artigem Unterbau Dreifüsse aufgestellt^ die als Siegespreise
in musikalischen Wettkämpfen gegeben waren. Die Sieger^
d. h. diejenigen, die den Chor ausgerüstet hatten, hatten das
Recht, sich und die mitwirkenden Personen durch eine In-
schrift daran zu verewigen. Unter dem volksthümlichen Namen
,,Lateme des Demosthenes" (welcher nach der Fabel in diesem
Ultemenartigen Gebäude studirt haben soll) hat sich der Unter-
bau eines solchen Dreifusses erhalten. Er hat die Form eines
nmden geschlossenen und mit Halbsäulen verzierten Gebäudes
korinthischen Stils. Die vorliegenden Reliefs bilden den Fries
desselben, das Original befindet sich noch in Athen an seiner
nrsprOngUchen Stelle.
Die Inschrift nennt als Sieger den Lysikrates, als Ar-
chonten des Siegsjahres Euainetos, das Denkmal ist also im
Jahr 334 v. Chr. verfertigt. Wir dürfen annehmen, dass das
Fest, bei welchem der Sieg errungen, dem Dionysos heilig
war, hierauf führt wenigstens die Darstellung des Frieses, die
eine Verherrlichung dieses Gottes enthält.
Es ist die Bestrafung der tyrrhenischen Seeräuber dar-
gestellt, welche den Dionysos als einen schönen Jüngling
fingen und verkaufen wollten, bald aber seine Göttlichkeit
empfinden mussten, indem sie in Delphine verwandelt wurden.
Mit den literarischen Berichten, die uns erhalten sind, stimmt
die Darstellung des Ereignisses auf diesem Relief nicht ganz
flberein. Jene sprechen nur von der Hauptperson, von Dio-
nysos, ohne die Begleitung des Gottes und ihr Verhalten zu
den Seeräubern hineinzuziehen, der Künstler aber hatte mehr
Figuren nöthig und so hat er denn eine Menge von Satyrn
eingeführt und in charakteristischer Weise an der Bestrafung
betheiligt dargestellt. Schon im Mythus selbst liegt ein
komischer Zug, der Künstler hat ihn im Einklang mit der
Natur der Satyrn noch drastischer hervorgehoben.
Die Scene geht am Ufer des Meeres vor sich. Dionysos
hatte sich, so deutet der Künstler an, mit seinen Begleitern
• Im Treppenhaus n. 108 — 124.
278 Mythologische Darstellungen.
zum Gelage niedergelassen^ als die Seeräuber ihn äberfolien.
Aber die Satyrn sind nicht feige, wo ihr Gott bedroht ist
Sie können freilich nur auf menschliche Weise wirken; wäh-
rend von jenem die nur als unsichtbare Wirkung aufzufassende
Verwandlung in Delphine ausgeht, reissen sie Zweige von den
Bäumen oder bedienen sich der Fackeln — die bei den
nächtlichen Feiern der dionysischen Feste nothwendig waren
— zur Züchtigung der Räuber, auch die Schlange, die wir
regelmässig in den dionysischen Festen finden, beisst einen
der Uebelthäter. Es wäre des Gottes durchaus unwürdig ge-
wesen, selbst Hand anzulegen, der Künstler hat ihn in wirk»
samem Contrast zu den geschäftig eilenden Satyrn durch die
unbekümmerte Buhe, die er ihm gegeben, recht eindringlich
in seiner göttlichen Hoheit charakterisirt.
Dass den armen Räubern bevor sie verwandelt wurden,
erst noch eine tüchtige Tracht Prügel und andere Pein zv
Theil wurde — einige von ihnen sind oder werden gebunden
um ihrer ganz sicher zu sein — y davon meldet die literarische
Ueberlieferung nichts, es scheint ein origineller Zug des Künst-
lers zu sein.
Das Ganze ist ausserordentlich symmetrisch componirt
Die Mittelgruppe, die durch zwei grosse Mischkrüge einge-
fasst ist, enthält fünf Figuren, deren mittelste der Gott ist^
der gemüthlich mit seinem Panther tändelt, dann kommt
links und rechts ein jugendlicher behaglich ruhender Satyr
und wieder je einer am Kruge beschäftigt, der eine noch im
Begriff zu schöpfen, der andere bereits aus der Schöpfkanne
in die Schaale eingiessend. Der jugendliche Dionysos ist nur
von jugendlichen Satyrn umgeben, die sich wegen ihrer idet-
leren Gestalt mehr zu unmittelbaren Gespfelen des Gottes
eignen, während die altem Satyrn, die Silene, welche die
griechische Kunst meist in etwas humoristischer Weise dar»
stellt, die Execution an den Räubern vornehmen. Von der
Mittelgruppe macht je eine noch ruhigere Silensgestalt den
XJebergang zu den bewegteren Flügeln. Der Silen der einen
Seite bietet seinem Nachbar eine Schaale an, aber dieser
hat keine Zeit zu trinken, er eilt in den Kampf. Und nim
folgOi links und rechts in genauer Responsion, auch i&it
Wiederholung einzelner Motive, die höchst lebendig da^
gestellten Gruppen und Einzelfiguren der Züchtigungsscene
Die Schlussgruppen der beiden Hälften, rechts der von der
Schlange und von der Fackel des Satyrn bedrohte Räuber,
i
Mythologische Darstellungen. 279
links der Silen^ der seinen vergebens flehenden Gegner —
keiner der Räuber leistet Widerstand, was für den beabsich-
tigten komischen Effekt nothwendig ist — am Bein ergriffen
hat und ins Meer zu zerren sucht, werden durch einen halb-
yerwandelten Räuber verbunden, dem kein Gegenbild ent-
spricht.
Verwandlungen stellt die bildende Kunst in allen tragi-
schen oder überhaupt in alten Darstellungen höheren Stils
nur indirekt durch Andeutungen dar, z. B. die Verwandlung
des Aktaeon durch aufspriessendes Hirschgeweih, der Daphne
oder der Heliaden durch einen danebenstehenden Baum oder
durch Zweiglein, die aus Kopf oder Finger hervorwachsen, in
komischen Scenen aber wie hier, darf sie eine Mischung der
Organismen wagen. Dass die Verwandlung beim Kopf be-
ginnt, steigert den komischen Effekt und war auch vielleicht
nothwendig, um einer Verwechslung der verwandelten See-
rftaber mit tritonenartigen Wesen vorzubeugen. Die Bewegung
der Verwandelten ist übrigens schon ganz delphinenartig.
Das Relief ist mit geistreicher Leichtigkeit entworfen
und ansgeführt. In strengerem Stile würden die Figuren
dichter zusanmiengedrängt und besonders die leeren Flächen
über mehreren Figuren vermieden sein. Der Künstler hat
sich zwar meistens durch die zurückflattemden Felle der
Satyrn geholfen, aber es bleiben doch manche Lücken z. B.
über zwei verwandelten Figuren, welche den Zusammenhang
lockern.
Das Werk ist unter dem Einfluss der jüngeren attischen
Schule entstanden. Darauf deuten die schlanken Verhältnisse
der Figuren und die jugendlich graziösen Gestalten des Dio-
nysos und der ihn zunächst umgebenden Satyrn, welche von
den Häuptern dieser Schule zuerst in dieser Auffassungsweise
dargestellt zu sein scheinen.
Abg. Stuart antiquities of Athens I, eh. 4. Marbles of the british
mnseüm IX, pl. 24 ff. Müller -Wieseler I, 37. Overbeck Gesch. d.
Plastik Fig. 72.
493. Die Geburt des Erichthonius*, Fragment eines
MarmorreliefS; in Hadrians Villa bei Tivoli gefunden und im
Vatikan befindlich.
Durch analoge Vasenbilder hat der Gegenstand dieses
Im Treppenhans n. 180.
230 Mytholog^ische Darstellungen.
Fragments bestimmt werden können. Es ist die Uebergabe
des erdgeborenen Erichthonius an seine Pflegerin Athene,
von welcher aber nur die untere Hälfte erhalten ist Graea
überreicht ihn, in deren Schooss er geworden ist Ihre
Formen und die üppige Fülle der Haare geben den Eindruck
reicher Mütterlichkeit, und da sie ähnlich wie die Lokal-
götter, nicht frei ist von ihrem Element, so steht sie nicht
frei auf dem Boden, sondern ragt nur, als hafte sie in ihm,
mit halbem Leibe hervor. BeY hinter ihr erhaltene Fuss ist
männlich, jedoch ist der Name der fehlenden Figur nicht mit
Sicherheit zu bestimmen.
Das Relief ist gewiss attisch. Die Gewandung der Gaea
ist besonders an attischen Monumenten sehr gewöhnlich. Die
flache Behandlung des Reliefs, der grossartige Charakter der
Formen weisen auf die edelste Zeit der griechischen Kunst
Auch die oben erwähnten Vasenbilder die dem Relief ihrem
ganzen Charakter Jiach verwandt sind, gehören der Blüthe-
zeit an.
Abgeb. Mus. Chiaramonti I, 44. Monum. d. inst. I, 12, 2.
Die im Text gegebene Erklärung ist von Panofka Annali I, p. 298 ff.
aufgestellt, auch füi' das übereinstimmende Pariser £xeipplar. Auf
letzterem ist die Figur, von welcher hier nur ein Fuss vorhanden, we-
nigstens zur Hälfte erhalten. Panofka erklärte sie für Hephäst, was
dahin gestellt sein mag, aber männlich — was von anderer Seite be-
stritten ist — scheint sie zu sein, der am vatikanischen Exemplar er-
haltene Fuss ist es gewiss.
Die Erklärung Panofka's ist bestritten von E. Braun Ann. 1841
p. 91 ff. 0. Jahn Archaeol. Aufs. p. 60 ff. Wieseler Text zu 0. Müller*»
Denkm. II n. 400. 401. Stephani, Compte-reudu poiur l'annee 1859 p.
68 ff. Die Veranlassung ist ein Vasenbild, das den Zeus neben der
Scene der Uebergabe anwesend darstellt, man glaubt, es sei hier und
ebenso auf den Reliefs die Uebergabe des jungen Dionysos an die
Pallas gemeint, mit Voraussetzimg eines in unsern Quellen nicht ge-
gebenen Mytlms. Mir scheint dies Verfahren nicht methodisch. Ein«
der Vasenbilder stellt unzweifelhaft die Geburt des Erichthonius vor,
nämlich das Monum. d. inst. III, 30 publicirte, und wenn nun die an-
deren dieselbe Hauptgruppe wiedergeben, so dürfen unvei*ständliche
Nebenfiguren die Deutung nicht alteriren und am allerwenigsten zur Sup-
position eines andern nicht überlieferten Mythus Veranlassung geben.
494. Medea mit den Töchtern des Pelias*, Mar-
morreUef; das im Jahre 1814 im Hofe der alten Amsösi-
schen Akademie am Corso zu Rom bei Legong eines neo^
Pflasters ausgegraben sein soll; aber schon im siebzehnten
* Im Niobidensaal n. 46.
I
Mythölogbche Darstellungen. 281
Jahrhandert bekannt war. Jetzt befindet es sich im laterani-
schen Museum.
Dargestellt ist die Vorbereitung zur Schlachtung des
Pelias, die Medea den Töchtern desselben angerathen hatte,
unter dem Vorgeben, den zersttickten Körper des Greises neu
verjüngt aus dem Kessel hervorgehen zu lassen. Medea ist
kenntlich an der fremdländischen, asiatischen Tracht. Sie
trägt eine phrygische Mütze und eine Aermeljacke, die sich
auch sonst findet und in Persien üblich war. Langsam feier-
lich, wie es die Rolle erforderte, die sie zu spielen hatte,
tritt sie mit ihrem Zauberkasten heran und ist nun im Begriff,
den Deckel des Kastens zu heben, um ihre Zaubermittel in
den Kochkessel zu werfen. Die Töchter des Pelias, in ein-
fach griechischer Mädchentracht erscheinend, sind getheilt in
ihren Empfindungen, die eine, leichtbethörte, stellt bereits den
Kessel zurecht, während die andere, die das Schwert führt,
in trübes Nachsinnen versunken scheint, ob wirklich das ent-
setzliche Beginnen den Erfolg haben werde, den Medea ver-
spricht.
Die Composition des Reliefs ist von der höchsten Schön-
heit. Zwischen den ernsten gradlinigen Eckfiguren bildet die
mittlere mit der diagonalen Richtung ihres Körpers und mit
dem belebteren Faltenwurf die schönste Vermittlung und Ab-
wechslung. Aber me im ächten Kunstwerk alles formell Ge-
fallige doch zugleich dem Charakter der Figuren entsprechen
muss, so spiegelt sich auch in der bewegteren und zugleich
etwas freieren Gewandung der Mittelfigur das leichtere, schnell
bethörte Wesen des Mädchens.
Die Composition ist, wie die Bewegung der Eckfiguren
zeigt, in sich abgeschlossen. Man könnte vermuthen, die
Platte habe einst ein Metopenfeld ausgefüllt, wenn nicht das
Eelief dazu zu flach wäre. Doch lassen die streng compo-
lürten Eckfiguren immerhin einen andern architektonischen
Zusammenhang walirscheinlich erscheinen.
Die Reinheit und der Adel des Stils und das still Aus-
^cksvolle in der Darstellung der Empfindung, auch die Be-
handlung des Reliefs versetzen das Werk in die Blüthezeit
griechischer Kunst. Doch reicht es schwerlich noch in das
We Jahrhundert hinein. Der Kopf des en face gestellten
Gehens erinnert an die volleren, runderen und weicheren
Formen, die man namentlich an den Köpfen der Bildwerke
te Mausoleums bemerkt.
282 Mythologische Darstelhmgen.
Das Relief ist zuerst publicirt in Spon's Miscell. sect. 3. p. 118 lu %
dann mit richtiger Erklärung von Hirt in Böttigers Amalthea I Taf. 4
p. 161 ff. vgl. den Vorbericht p. XXXIII. Böttiger gab dazu einen ge-
lehrten Zusatz über das Aermelkleid der Medea, das auch, worauf Weldier
(akad. Mus. z. Bonn 2. Aufl. n. 321 Anm.) aufmerksam machte, auf
dem Wiener Amazonensarkophag vorkommt. Auch auf der Hawkin»'-
schen Bronce findet es sich mid auf der Vase in Antiq. du Bosph.
Cim. pl. 4(3. In späteren Besprechungen des Reliefs (Welcker a. a. 0,
n. 385 c. Overbeck Kunstarch. Vorl. n. 321) wird — wohl nur aus Ver-
sehen — die Figur mit dem Schwerte als Medea bezeichnet.
495. Herakles(?) und Nike*, Fragment eines Marmor-
reliefs, in Athen.
Von den drei Figuren ist Nike an den Flügeln kennt-
lich, deren Detail durch Farbe genauer angegeben war. Sie
setzt einem Jüngling einen Kranz auf, der in Metall hinzu-
gefügt zu denken ist, man sieht deutlich am Hinterkopf der
Figur, dass dej: Künstler auf einen derartigen Zusatz rechnete» ^
Der Jüngling könnte Herakles sein, wenigstens passt die Bil-
dung des Kopfes und das kurze krause Haar. Wer die von
Nike umfasste reifere Frauengestalt sein mag, wissen wir
nicht zu sagen, auch ist uns der Sinn der Handlung dunkel
Das Relief gehört seinem Stil nach jedenfalls in die Zeit
der Kunstblüthe, doch nicht vor das vierte Jahrhundert.
Das von Michaelis Ann. 1862 tav. d'agg. N publicirte attische
Relief scheint im Stil sehr verwandt zu sein.
496. Pallas**, fragmentirtes Marmorrelief in Athen.
Der Helm auf dem Schooss der Figur wird die Be-
nennung Pallas rechtfertigen, wenngleich sonstige Indiden
fehlen. Von einer zweiten Figur ist nur ein Stück der Hand
erhalten.
Das Relief ist sehr fein und graziös.
Abg. Le Bas monum. Fig. pl. 35.
497. Silberbecher***, seit 1848 im Antiqnarium m
München, früher im Besitz eines Glockengiessers in Ingol-
stadt, bei dem er nur wie durch einen Zufall der Zerstörung
entging. Der Besitzer hielt nämlich das Gefäss für ein Stflck
Messing, das nur noch zum Einschmelzen brauchbar sei and
• Im Griechischen Saal n. 255.
*• Im Griechischen Saal n. 269.
•** Im Saal der Thiere und Broncen n. 390.
Mythologische Darstellungen. 28S
übergab es seinem Lehrling zum Zerschlagen. Dieser hatte
auch bereits einige Schläge gethan — woher die Zerstörungen^
die man am Gefäss bemerkt — y als er sah; dass das Gefäss
von Silber sei. Diese Wahrnehmung machte weiter auf den
Figiirenschmuck aufmerksam und rettete das Gefäss vor dem
Untergang.
Es ist ein einfacher Trinkbecher^ rings mit Figuren ge-
schmückt, die weder gegossen noch getrieben , sondern aus
der Masse ausgeschnitten sind; wie die Figuren eines Cameo»
Einzelne starke Erhebungen des Reliefs waren aber der
grösseren Leichtigkeit der Arbeit wegen in besondem Stücken
gearbeitet und dann aufgelöthet. Die Figuren sind etwas ab-
gegriffen; aber die Darstellung ist doch nicht undeutlich ge-
worden.
Sie zerfällt in eine breitere Mittelgruppe von 10 Figuren
und in zwei schmälere Nebengruppen von je 6 Figuren. Die
Hauptperson der ersten ist ein jugendlicher Heros, von seinen
Trabanten umgeben, deren einer seinen Schild trägt, der mit
einer offenbar dem Pasquino (n. 430) entnommenen Gruppe ver-
ziert ist, ausserdem von gebundenen Gefangenen, von denen
einer bereits den Todesstreich erwartet. Aber es scheint, dass
die Nähe der Pallas, die neben dem Jüngling im Hinter-
grande steht und in flachstem Relief angegeben ist, mildere
Gesinnung veranlasst, denn der Jüngling streckt seine Rechte
gegen den zur Tödtung des Gefangenen bereiten Krieger aus,
um ihm Einhalt zu gebieten. Die Seitengruppe hinter dieser
Figur besteht zum Theil noch aus Gefangenen, zum grösseren
Theil aus trauernden Frauen, von denen drei so sehr in ihre
Trauer versunken sind, dass sie nicht einmal auf das Eind-
lein achten, das nach ihnen verlangt, während die vierte
älteste lebhaft gestikulirt, als ob sie sagen wolle, nun sei
alles verloren. Diese Scene geht in einem Zelt, dem des
Siegers, vor sich, wie der ausgespannte Vorhang und der auf-
gehängte Schild andeuten, an sie schliesst sich die andere
^ebengruppe, ebenfalls aus kriegsgefangenen Weibern be-
stehend, die um ein Tropaeum versammelt sind, das in ganz
flachem Relief hinter der ihr Kind stillenden Frau angegeben
ist. Wie in der anderen Gruppe eine der Frauen als vor-
zugsweise betroffen hervorgehoben wird, nämlich diejenige,
^ welche sich das Kind schmiegt, während die anderen
beiden, mehr mädchenhaften Gestalten, nicht so tief und
^unmittelbar berührt scheinen, so ist auch hier die am Boden
284 Mythologische Darstellungen.
sitzende jungfräuliche Gestalt offenbar die am tiefsten Pe-
troffenC; um welche die übrigen Frauen mehr wie theilneh-
mende Freundinnen, denn als eigentliche Unglücksgefilhrtinnen
herumstehen. Und zwar handelt es sich hier und vielleicht
auch auf der anderen Seite um eine neue Schreckensbotschaft.
Denn die Alte mit vorgebeugtem Leibe und ausgebreiteten
Händen sieht aus, als habe sie so eben eine schreckliche
Neuigkeit von der ihr gegenüberstehenden Frau erfahren und
der mit dieser Gruppe verbundene Krieger ist wohl derjenige,
der sie gebracht hat.
Höchst wahrscheinlich beziehen sich diese Darstellnngen
auf Neoptolemos als Richter und Herrn über die gefangenen
Troer und Troerinnen. Dass Neoptolemos auf den Gedanken
kommen konnte, die Gefangenen zu tödten, liegt wohl in
seinem Charakter begründet, auch der grosse Maler Polygnot
hatte ihn in seiner Zerstörung Troja's als den blutdürstigsten
aller Hellenen charakterisirt. In der Gruppe zur Linken
wird die matronale, edel verhüllte Hauptfigur Andromache zu
nennen sein und das Kind neben ihr Astyanax, in dem eben
erwähnten Bilde Polygnot's waren die beiden, wie es scheint^
zu einer ganz ähnlichen Gruppe zusammengestellt Und was
wird die Rede der gestikulirenden Alten Anderes enthalten,
als den bevorstehenden Tod des Kindes der Andromache, der
nach einer besonderen hier vielleicht befolgten Sage nicht
von der Gesammtheit der -Hellenen, sondern speciell von
Neoptolemos ausging. In der trauernden Jungfrau der andern
Scene dagegen werden wir die PoljTtena erkennen dürfen, die
am Grabe Achill's geschlachtet wurde, wovon eben jetzt die
Kunde zu den Frauen gebracht zu sein scheint
Es unterliegt keinem Zweifel, dass wir in diesem Becher
ein Werk der edelsten griechischen Kunst besitzen. Die Be-
handlung des Reliefs ist die acht griechische, die aus dem
Gefühl hervorgeht, dass sich das Ornament nicht frei los-
lösen dürfe von der Fläche, wie es bei Bechern römischer
Zeit der Fall ist* — sondern eben seines dekorativen Cha-
rakters wegen gleichsam bescheidener auftreten müsse, damit
es in harmonischer Verbindung mit dem Geräth selbst bleibe.
Die Zeichnung ist von der höchsten Reinheit und besonders
hervorzuheben ist der stille Adel, der über die trauernden
Figuren ausgebreitet ist. Jeder leidenschaftliche Ausbruch
• Vgl. z, B. n. 60 und 62 im Saal der Thiere und Broncen.
Mythologische Darstellungen. 285
ist fem gehalten und wir erhalten einen ähnlichen Eindruck^
wie von so manchen schönen Trauergruppen attischer Grab-
steine und Grabvasen. Diese Analogien können uns in der
genaueren Zeitbestinunung des Werks leiten. Dem fünften
Jahrhundert wird es nicht* mehr angehören wegen gewisser
Freiheiten^ die wir dieser Zeit noch nicht zuschreiben können.
An den meisten der gefangenen Frauen nämlich ist die eine
Schulter oder Brust entblösst und so passend das ist für
Trauernde^ die gleichgültiger sind gegen den äusseren An-
stand^ so bringt es doch einen Zug leichterer und freierer
Anmuth hinein, um dessentwillen wir das Werk lieber dem
vierten Jahrhundert zuschreiben. Zudem ist der Pasquino,
dessen Existenz dieser Becher voraussetzt, schwerlich vor das
Jahr 400 zu setzen. Eine Zeitgrenze aber nach vorwärts ist
mit Alexander gegeben, über den ein so reiner, stiller und
edler Stil nicht hinausreichen kann.
Auch die Wahl des zierenden Bildes ist im Sinne einer
älteren Zeit, wo es, wie ein alter Berichterstatter sagt, beliebt
war, mit mythischen Begebenheiten die Becher zu verzieren.
Es ist eine niedrigere, wenngleich sehr gewöhnliche Weise,
einen Trinkbecher mit bacchischen, dem Zweck des Geräths
entsprechenden Darstellungen zu verzieren, höher dagegen ist
die hier befolgte Weise gedacht, edle Gestalten des Mythus,
die zu höheren Gedaijken und Empfindungen anregen, mit
dem Becher selbst in die Fröhlichkeit des Gelages einzu-
führen. In der altchristlichen Zeit finden wir Aehnliches, es
wurde z. B. der gute Hirte auf den Trinkbechern dargestellt,
im Mittelalter wurden Oefen, Truhen und anderes Geräth
mit biblischen Geschichten überdeckt und die reichsten Ana-
logien bieten die griechischen Yasen, die in ihrer grossen
Mehrzahl mit heiligen Geschichten d. h. Mythen verziert sind,
obwohl sie den verschiedensten praktischen Zwecken dienten.
Abg. und sehr geistvoll erläutert von Thierscli in den Abhandl. d.
»mir. Pikfid. d. Wissensch. Bd. 5 Abthlg. 2 p. 107. Mein Text lässt
«Aeniien, wo ich im Einzelnen von Thiersch abweiche.
498. Die kalydonische Eberjagd*, Thonrelief, von
^of. Ross auf Melos gefunden und dem Berliner Maseam
geschenkt.
Die Figur mit der Doppelaxt, welche die Hauptrolle in
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 107.
286 Genre und historische Darstellungen.
der Bezwingung des Ebers spielt, ist offenbar Meleager,
ausserdem ist Atalante kenntlich , deren gewöhnliche Waffe,
der Bogen, um der dichtgedrängten Composition willen mit
dem Schwert vertauscht ist, endlich der verwundete Ankaeos,
an dem der Eber vorbeirennt.
Das Belief ist fein und stilvoll behandelt, besonders
ßchön ist die Figur des Ankaeus.
Abg. 0. Jahn, Berichte der sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1848 p. 123.
äres über dieses Relief wird in dei ~ ~
des hiesigen Museums gegeben werden.
Näheres über dieses Relief wird in der Beschreibung der Terrakotten
b) Genre und historische Darstellungen.
Die grosse Mehrzahl der in diesem Abschnitt aufgeführten
Werke besteht in Porträtstatuen, und es befinden sich auch
solche darunter, die wir nicht mit voller Sicherheit dieser
Periode zutheilen können. Wir glaubten aber auch hier das
Oleichartige nicht trennen zu dürfen, weil damit eine äusserst
instructive Entwicklung zerrissen werden würde. Denn nirgends
Äcigt sich deutlicher der Uebergang der griechischen Kunst
vom Idealismus zum Realismus als auf dem Gebiet der Por-
trätbildnerei. Der Kopf des Perikles, den wir im vorigen
Abschnitt aufführten, steht dem wirklichen Leben ungleich fer-
ner als der des Demosthenes, den wir im Folgenden kennen
lernen werden, der Blick und das Interesse für die wirkliche
Welt ninmit, wie auf andern Gebieten der griechischen Cultur,
«0 auch in der Kunst immer mehr zu, und man scheut sich
sogar nicht, selbst die unschöne, entstellte Wirklichkeit cha-
rakteristisch wiederzugeben. Dieser bedeutsame Wendepunkt
in der Geschichte der griechischen Kunst fällt in die Zeit
Alexander's des Grossen und der erste und vorzüglichste Re-
präsentant der neuen Richtung ist Lysippus. Er gehört dem
Peloponnes an, in dessen Schulen schon immer eine mehr auf
die Wirklichkeit des Lebens gerichtete Kunst geherrscht hatte^
die freilich bis dahin durch strenge stilisirende Behandlungs-
iveise gleichsam in Schranken gehalten worden war.
499. Apoxyomenos*, Marmorstatue, von Canina im
April 1849 in Rom in Trastevere gefunden, seitdem im Va^
tikan aufgestellt Die Statue gehört zu den am besten erhal-
* Im Niobidensaal n. 22.
Genre und historische Darstellung^eu. 287
tenen, restaarirt sind nur (von Tenerani nach einer falsch
yerstandenen Stelle des Plinius) die Finger der linken Hand
mit dem Würfel
Die Figur stellt einen Jüngling dar^ der sich mit dem
Schabeisen die Haut abreibt, um den Schweiss vom Körper
zu entfernen. Man merkt in der Stellung und Miene des
Jünglings eine gewisse Behaglichkeit, die aus dem Gefühl
überstandener Mühe hervorgeht.
Die Figur ist die Copie einer berühmten Statue des
Lysippus. Wir wissen, dass dieser Künstler einen Apoxyome-
nos gemacht hatte und finden in dieser Copie alle Eigenthüm-
lichkeiten wieder, die an den Werken des Lysippus hervor-
gehoben werden. Er soll die Köpfe kleiner, die Gestalten
schlanker gemacht haben, und in der That bildet in dieser
Hinsicht onsre Statue, die noch viel schlanker erscheint als
sie wirklich ist, einen entschiedenen Gegensatz zu den kräf-
tiger gebauten Gestalten der früheren Kunst. Die Grazie des
schlanken und elastischen Körpers, an welchem alle Glieder
leicht und beweglich in ihrer Fügung spielen, ist bezeichnend
für eine Zeit, die was ihr an Ernst und Gediegenheit abging,
durch feine, geistreiche Bildung ersetzte. Von Lysippus wird
femer berichtet, dass er die Natur sich zur Lehrmeisterin
nahm, er war, wie eben diese Statue zeigt, der erste, der die
stilistische Strenge abstreifte, welche die ganze frühere Kunst
beherrscht. Formen und Bewegung sind frei natürlich und
auch das Haar, welches früher regelmässige, parallele Linien
zeigte, ist ganz zufällig geworfen.
Das Original war von Erz, was auch aus dieser Copie
hervorgeht Denn die Stütze des ausgestreckten Armes, deren
Ansätze erhalten sind, ist bei einer Copie, wo es auf Treue
ankommt^ erträglich, schwerlich aber würde eine Originalcom-
position in der Art angelegt sein, dass sie eine solche Stütze
erforderte. Ausserdem denke man sich im Original auch den
Stamm auf der Basis hinweg. Die detaillirte Behandlung des
Haares ist ebenfalls die bei Erzwerken übliche.
Das Original des Lysippus war hochberühmt in Rom, wo
Agrippa es sehr passend vor seinen Thermen aufgestellt hatte.
Tiberius der sehr davon entzückt war, nahm es in seine Ge-
mächer, musste es aber vom Volke gedrängt, der allgemeinen
Bewunderung zurückgeben.
Die Fundnotizen giebt Canina im bullet. 1849 p. 163 ff. Derselbe
schwankt, ob die Statue auf den Apoxyomenos des Lysippus oder auf
288 Genre und historische Darstelhmgen.
eine im Gegenstand übereinstimmende Statue des Polyclet zu he
sei. Von der letzteren spricht Plinius in den Worten „fecit et d
gentem se et nudum talo incessentem" und Canina meint, diese
Stelle beziehe sich nur auf eine Statue, deren Handhmg eine d(
sei, nämlich die Abreibung und zugleich — denn so versteht
talo incessentem — die Auffordenmg zum Würfelspiel. In dieser
könne nun auch die gefundene Statue gedacht sein, und wiew
selber sich mehr dazu neigt, das Werk auf Lysippus zurückzui
so ist doch die Restauration der Figur leider in dieser Weise
führt. Vgl. Brunn im bullet. 1851 p. 91.
Die beste Abbildung ist in den monum. d. inst. V. tav. 1
E. Braun mit einer schönen Erläutenuig begleitet hat. Nur kai
dasjenige, was derselbe über die Wirkung der palästrischen Ein
deren Üeberschuss nach seiner Ansicht die Striegel entfernt habe
führt, nicht beurtheilen und muss mich begnügen, fih' den Zweck
Instruments die Stelle des Apulej. Florid. II, 9 p. 34 zu citirei
welcher der im Text angegebene Gebrauch folgt. Vgl. Becker
3, p. 109.
500. Diskobol*, Marmorstatue im Vatikan, ir
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch den schotti
Maler Gavin Hamilton in den Trümmern eines antiker
bäudes an der Via Appia, etwa 8 Miglien von Eom, gefu
Ergänzt sind ausser unwesentlichen Stücken die Fingei
rechten Hand, doch hat der Eestaurator unzweifelhaft
Richtige getroffen.
Der Jüngling ist ganz damit beschäftigt, einen si
Stand zum Abschleudern des Diskus, den er noch ii
Linken hält, zu gewinnen, und hebt unwillkürlich die R
zu einer seinen Gedanken entsprechenden Geberde, als
er sich selbst damit zur grössten Aufmerksamkeit erma
Gerade dieser unwillkürliche, sinnliche Ausdruck des ih:
schäftigenden Gedankens, dieser unbewusste Monolog,
der Statue etwas höchst Naives und Einfältiges, zugleic
sie so anspruchslos, ganz in ihre Handlung vertieft und
alle Rücksicht auf den Betrachtenden gearbeitet.
Göthe bemerkt von dem Abendmahl von Leonard
Vinci, dass dies Bild mit seiner lebendigen Geberdensp
nur von einem Italiener habe gemalt werden können,
einem Südländer, dessen Naturell eine lebendigere Gesti
tion bedingt. Dies gilt auch für die griechische Kunst
unsre Statue ist dafür ein sprechender Beleg, wie siel
lebhafteren Völkern die innem Empfindungen sofort äuss(
durch Geberden ausdrücken.
* Im Niobidensaal n. 12.
Geui*e uud historische Dai*stelhingeii. 289
Die lebensvolle Poesie der Situation, die hohe Objectivi-
tit and Anspruchslosigkeit, endlich die Schönheit und Har-
monie der Formen machen es wahrscheinlich, dass wir ein
griechisches Werk der besten Zeit vor uns haben, das indess
wegen seiner freien Natürlichkeit erst dem vierten Jahrhun-
dert oder höchstens dem Schluss des fünften angehören dürfte.
Es scheint attischen Ursprungs zu sein, der Charakter des
Kopfes ist namentlich den attischen Werken sehr verwandt.
Die Stützen haben die Vermuthung hervorgerufen, dass
ein Original von Bronce in dieser Figur copirt sei, doch ist
von anderer Seite dagegen bemerkt, dass man dieselben als
für die Marmortechnik keineswegs nothwendig, nur aus Rück-
sicht auf den Transport einstweilen habe stehn lassen, später
aber versäumt habe sie wegzunehmen.
Das Band um den Kopf ist nicht eine Siegerbinde, son-
dern ein Schmuck wie er oft in verschiedensten Situationen
dch findet Eine Siegerbinde würde in den Nacken herab-
hängende Zipfel haben.
Die beste Abbildung in der Arch. Ztf? 1806 Taf. 209, 1. 2. Vg:!.
Kekule p. 169 ff., dem ich fibrij^ens hinsichtlieh seiner Vermuthung,
dns» die Statue auf Alkamenes zuri'ickgehe, nicht folgen kann, da wir
doch zu wenig au Nachrichten und Werken besitzen, um solche Ver-
muthungen zu begriinden. Ein treffendes Btuspiel für die im Text er-
wähnte und auf die alte Kunst ausgedehnte Bemerkung Göthe's giebt
auch die Rathsversammlung auf der Dariusvase.
501. Dornauszieher*, Broncestatue im Conservatoren-
palast auf dem Capitol in Rom. Es fehlen nur die Augäpfel,
die aus Edelstein oder Silber eingesetzt waren.
Der Knabe ist beschäftigt, sich einen Dorn aus dem
Fuss zu ziehn, und die etwas aufgeworfenen Lippen sind cha-
rakteristisch für seine gespannte Aufmerksamkeit. Die Figur
ist mit höchster Objectivität ohne alle Rücksicht auf den Be-
trachtenden dargestellt.
Hinsichtlich der Zeitbestimmung hat man dies Werk mit
^er der alexandrinischen Zeit angehörenden Gruppe — einem
Knaben, der seine Kräfte an einer Gans probirt — zusam-
Joengestellt, allein mit Unrecht. Denn die Anordnung der
Haare ist noch weit entfernt von der zufälligen Natürlichkeit,
<^c nach Alexander üblich war, sie stimmt \ielmehr mit der
«tilisirenden Weise der früheren Zeit. Die Figur ist vermuth-
* hn Römischen Saal n. 15.
Friederichs, griech. Plastik. 19
290 Genre und historische Darstellungen.
lieh ein Originalwerk; mehrere Marmorkopien sind davon
erhalten.
Abg. Righetti il museo del Campidoglio II, 207. Visconti Op. var»
IV, 23, n. 1.
Brunn, Künstlergesch. I, 511, Welcker Akad. Mus. n. 81, besonders
aber Overbeck Gesch. d. gr. PI. II, 100 stellen das Werk dem Knaben
mit der Gans an die Seite. Anders urtheilte dag'egen Meyer zu
Wiuckelmanns Kunstgesch. 7, 2, § 18. „Die rührende Einfalt in sei-
nem ganzen Wesen, die unschuldige, reizende Schönheit aller Formen,,
der Saum um die Lippen und die überaus fleissig und zierlich gearbei-
teten Haar(? scheinen in ihm ein griechisches Werk imd zwar aus der
besten Zeit anzuzeigen." Der Einschnitt am Lippenraude entscheidet frei-
lich nicht, man findet ihn auch an römischen Werken.
Nach der Behandlung des Haai's geht diese Bronce dem betenden
Knaben, der in dieser Hinsicht ganz mit dem Apoxyomenos überein-
stimmt, der Zeit nach voran.
502. Sogenannter Phocion*, Marmorstatue, 1737
in Bom, bei dem Bau von Palast Gentüi am Qnirinal gefunden
und im Vatikan befindlich. Neu sind an der rechten Hand
Daumen und Zeigefinger, die linke Hand ganz, die etwas ge-
halten zu haben scheint, vielleicht ein Schwert, ausserdem
die Schienbeine ohne das Knie. Die Restauration ist von Pa-
cetti besorgt
Die grosse Einfachheit dieser Statue ist die Veranlassung
für die Benennung Phocion geworden, die iudessen von ihrem
eignen Urheber zurückgezogen ist, weil der milde Ausdruck
des Kopfes nicht mit den alten Nachrichten über das Aussehn
des Phocion übereinstimme. Aber wäre auch dieser Gegen-
grund nicht vorhanden, so können doch diese und andre Be-
nennungen immer nur mit so allgemeinen Gründen gestützt
werden, dass sie sehr wenig sicher erscheinen. Porträtstatuen
ohne besonders signifikante Merkmale eiaen Namen zu gebeify
ist unmöglich. Aber ein Porträt, woran gezweifelt ist, haben
wir jedenfalls vor uns, der Kopf hat entschieden individuelle
Züge. Indessen ist eben dieser Zweifel charakteristisch, denn
gerade darin liegt das Merkwürdige dieser Figur, dass das
Individuelle möglichst unterdrückt ist. Wie verschieden sind
in dieser Beziehung die Statuen des Demosthenes, des Menan-
der und Posidipp im Vatikan!
Von allen im Folgenden aufgeführten Porträtstatuen steht
diese der Porträtbildnerei des fünften Jahrhunderts, welche
„edle Männer noch edler machte" und das Individuelle zu
* Im Niobidensaal n. 99.
Genre und historische Darstelhmgen. 291
Gnnsten eines einfach grossen Ideals beschränkte^ am nächsten.
Die Statae ist ein eben durch ihre Einfachheit unendlich wir-
kungsvolles und grossartiges Werk. Der Künstler hat seine
Figur nicht in der Tracht des Lebens dargestellt, sondern nur
mit dem Beitermantel bekleidet, der wie der Hehn, den Krieger
charakterisirt, durch die ruhige. Stellung aber, durch die un-
thätig herabhängenden Arme, durch die Sparsamkeit der Falten
des Mantels, die er sich dadurch ermöglichte, dass er einen
dickeren Stoff als gewöhnlich annahm, durch alles dieses wird
ein völliger Verzicht auf Geltendmachung individuellen Wesens
ausgesprochen. Was an Bewegung in der Figur vorhanden,
ist nur das zur Vermeidung von Steifheit und Einförmigkeit
absolut Nothwendige. Gewiss dürfen wir diese Anspruchslo-
sigkeit dör äussern Erscheinung auch als einen Charakterzug
des Dargestellten betrachten.
Dass diese Figur auch schon im Alterthum angesehn
war, geht daraus hervor, dass der berühmteste Steinschneider
ZOT Zeit des Augustus, Dioscurides, dieselbe auf einem den
Hermes darstellenden Stein copirt hat.
Abg. bei Visconti Pio-Clem. II, 43, vgl. Op. var. 4, p. 152 tf.
p. 313, dessen zweite Vermuthung, es möge Amphiaraus oder Adrastus
dargestellt sein, schon von Gerhard Beschreibung Roms II. 2. 242 als
eine schwach begründete bezeichnet wird. E. Braun bullet. 1853 p. 180
ff. und Ruinen p. 459 deutet ausgeliend von dem dicken Stoff des Man-
tels die Figur auf Aristomenes, dem sein Mantel oft als Schild und
Schutz gedient habe. Mir scheint der dicke Stoff aus künstlerischen
Grün<len gewählt zu sein, wie im Text erörtert. In der Tracht des
Mantels, auf welche Braun für seine Ansicht Gewicht legt, ist nichts
Singiiläres, sie ist die ganz gewöhnliche.
503. Sophokles*, Marmorstatue, in Terracina im Hofe
eines Privathauses, wo sie unbeachtet mit der Vorderseite
nach unten lag, von Luigi Vescovali entdeckt und seit dem
Jahr 1839 in dem durch Gregor XVI. begründeten laterani-
schen Museum befindlich. Ergänzt sind (von Tenerani) die
linke Hand, beide Füsse und die Basis mit dem Schriftkasten,
dem bei Männern, deren Wirksamkeit auf geistigem Gebiet
liegt, Dichtem, Rednern, Philosophen gewöhnlichen Attribut.
Es ist die ansprechende Vermuthung geäussert, der Dichter,
dessen Züge aus andern mit Inschriften versehenen Porträts
bekannt sind, sei hier als Sieger über die beiden andern
grossen Tragiker aufgefasst, tlber welche er allerdings viel-
* Im Treppenhaus n. 129.
19*
292 Genre und historische DarsteUungen.
fache Siege im tragischen Wettkampf davontrug. Darauf
deute die den Bildern des Sophokles eigenthümliche Tänie
und „der natürlich triumphirende oder doch froh bewusste
Ausdruck, der sich in dem Auftreten und in der Haltung des
linken Arms zu erkennen giebt." Indessen ist das Eopfband
keine Siegestänie und die gg,nze Erscheinung der Figur wird
wohl richtiger aus dem persönlichen und dichterischen Cha-
rakter des Sophokles abgeleitet.
Schon die Wahl des Alters ist sehr glücklich. Einen
Philosophen denkt man sich gern in höherem Alter darge-
stellt, für einen Dichter und zumal für Sophokles ist die Dar-
stellung in blühendem Mannesalter geeigneter. Denn im Dichter
und zumal in Sophokles erscheint die geistige Kraft nur in
innigster Verbindung mit Grazie der Form. Daher schildert
die Figur uns einen Mann, der nicht gleichgültig ist gegen
die äussere Erscheinung. Die Schönheit des Faltenvnirfs wird
besonders deutlich durch die Vergleichung der gegenüberste-
henden Statue des Aeschines (n. 515), der es wegen zu vielen
Details an einfachem Adel fehlt, und mit dem sorgfMtig ge-
ordneten, fast zierlichen Bart vergleiche man etwa den sorglos
durcheinander geworfenen Bart des Sokrates in der schönen
capitolinischen Büste. Die feste und ruhige Haltung der
Figur aber scheint für einen Dichter charakteristisch, dessen
dichterische Kraft nichts Dämonisches, nichts von „göttlichem
Wahnsinn^^ an sich hatte, vielmehr mit klarster Besonnenheit
vereinigt war.
Die Behandlung des Haupthaars lässt auf ein Original
aus Erz schliessen, sie ist ähnlich der des lysippischen Apo-
xyomenos (n. 499). Das Werk scheint zur Zeit Alexanders
entstanden zu sein, es hält die Mitte zwischen dem einfache-
ren, idealeren Charakter eines Phocion und dem individuelleren
Gepräge, das der Statue des Demosthenes (n. 513) und Aeschi-
nes eigen ist.
Abg. Monum. dell' instit. IV, 27. Welcker A. D. I Taf. 5, p. 456
ft*. V p. 96. Garucci monum. del. mus. Laterau. tav. 4 p. 14. E. Braun
Ami. 1849 j). 95, Rniuen und Museen p. 736. Wie eine Preistuiüe aus-
sieht, kann man sehr deutlich sehn auf Taf. 51, 2. 52 der Archaeol.
Ztg vom J. 1853. Sie ist sehr verschieden von der einfachen Scluiui',
die Sophokles trä{^t.
504. Doppelbüste des Sophokles und Euripides*,
im J. 1845 in Rom vor Porta S. Lorenzo gefunden und von
* Im Niol)id»MisMal ii. G5.
Genre und historische Darstellungen. 293
Professor Welcker erworben, der sie jetzt dem Museum in
Bonn geschenkt hat.
Diese Büste des Sophokles steht zu dem Kopf der eben
betrachteten Statue in dem Verhältnisse dass dieser treuer,
jener dagegen idealer ist, indem das Profil desselben sich
mehr dem Idealkopf nähert. Höchst bezeichnend ist der Ge-
gensatz, den dazu der durchaus individuelle Kopf des Euri-
pides bildet. Die magern Backen und das über der Stirn
spärlichere, an den Seiten aber lang und schlaff herabfallende
Haar rufen unwillkürlich den Eindruck des Matten und Lei-
denden hervor, während Sophokles wie eine feste und in sich
befriedigte Natur erscheint, die durch den hochgewölbten Bo-
gen der Augenbrauen zugleich etwas Grossartiges erhält, ohne
aber darum, wie der sorgfältig angeordnete Bart zeigt, gegen
die Harmonie der äussern Erscheinung gleichgültig zu sein.
Es bedarf nicht der Bemerkung, dass der Künstler dieser
schönen Doppelbüste das geistige Wesen beider Dichter, wie
es in ihren Werken ausgesprochen ist, zur Anschauung hat
bringen wollen, die innere Befriedigung des Einen und die
am Zweifel leidende Natur des Andern.
Abg. Annali dell' instit. 1846 tav. iV^g^. \^\. Welckor A. D. I, 457 .
505. Euripides*, Mai'mor Statuette im Louvre, ungefähr
um's Jahr 1760 in einem Trümmerhaufen in Villa Albani
aufgefunden; ein Stück der hinteren Platte befand sich im
collegio Romano und wurde mit dem Uebrigen vereinigt.
Der Kopf ist nach einer jetzt in Neapel befindlichen Herme
des Dichters ergänzt, auch die Arme mit den Attributen sind neu.
Auf der Basis ist der Rest eines Stabes zurückgeblieben,
der durch Stützen, von denen man ebenfalls noch Spuren sieht,
mit dem Sessel verbunden war; höchst wahrscheinlich hielt
der Dichter einen Thyrsus in der Hand, das passendste Ab-
zeichen eines Dieners des Dionysos, wie es der tragische
Dichter war. Die Deutung der Figur ist sicher, da sich am
Fossgestell die Hälfte des Namens Euripides erhalten und an
der hintern Platte die Titel einer grossen Anzahl euripidei-
^her Tragödien eingegraben sind, welche diese Figur für die
Literatargeschichte werthvoll machen. "Eben um dieser Titel
^llen wurde die Figur wie ein Hautrelief componirt. Die
Fifi[ur ist in künstlerischer Hinsicht ziemlich wertlilos und
* Im Niubidensaal n. 73.
294 Genre und historische Darstellungen.
gehört auch^ wie schon die Buchstabenformen der Inschrift an-
deuten, in spätere Zeit.
Vgl. Description du Louvre n. 65. • Abg. bei Wiuckelmann monum.
ined. n. 168. Clarac pl. 294. Vgl. Whickelmann's Briefe über die
neuesten herkul. Entdeckgen § 36. Zur Rechtfertigung des Thjrrsus
lässt sich auch noch die den Thyrsus führende Gestalt der Tragödie auf
der Vase bei Müll er- Wieseler II, 46, 582. anführen.
506. Angebliche Büste des Aeschylus*, im capi-
tolinischen Museum befindlich, wo sie im J. 1643 durch den
Vorsteher der Sammlung, Melchiorri, entdeckt ist.
Ausgehend von dem Charakter des Kopfes und von der Glatze
hat man in ihm ein Porträt des Aeschylus zu finden geglaubt,
den man sich kahlköpfig denkt nach der bekannten ancli auf
einer Gemme dargestellten Fabel von dem Adler, der auf
den kahlen Kopf des Dichters, ihn für einen Felsen haltend^
eine Schildkröte geschleudert und dadurch seinen Tod herbei-
geführt haben soll Es ist indessen klar, dass diese Gründe
nicht ausreichen zur Benennung der Büste, man kann nur mit
Bestimmtheit sagen, dass sie einen Griechen, nicht einen Rö-
mer vorstelle. Uebrigens erhält man von dem Kopf durchaus
den Eindruck einer grossartigen und bedeutenden Persönlichkeit
Abg. Monum. d. inst. V, tav. 4. Annali 1849 p. 94 ff. bullet. 1848
p. 73. Vgl. Welcker A. D. 5, 96. 2, 337.
507. 508. Homersköpfe**, der eine aus der Sammlung
Polignac stammend und in Potsdam befindlich, der andere in
Buinen auf der Stelle des alten Bajae 1780 gefunden, dann
in die Townley'sche Sammlung und mit dieser ins britische
Museum übergegangen.
Dass die Homersköpfe rein erdichtete Schöpfungen sind,
geht schon daraus hervor, dass sie unter sich ganz verschieden
sind. Es giebt zwei Typen derselben, von denen derjenige,
zu welchem diese beiden Büsten gehören, der schönere und
charakteristischere ist. Schon deswegen, weil hier der Dichter
in höherem Alter dargestellt ist, denn für einen Griechen
späterer Zeit war es gewiss die natürlichste Auffassung, sieh
den Homer, den Mann der grauen Vorzeit und zugleich den
vielerfahrenen Dichter,' dessen Werke als Quelle aller Weisheit
galten, in hohem Greisenalter mit viel durchfurchten Zügen
* Im Niobideusaal n. 83.
** Ebcmlas. n. 123 und 76.
Genre und historische Darstellungen. 295
2Q denken. Es neichen aber die einzelnen Exemplare dieses
Typus in einem nicht unwichtigen Pnnkt von einander ab;
insofern der Kopf bald, wie an der englischen Büste, gerade
aussieht, bald, wie an dem schönsten aller Homersköpfe, dem
in Potsdam befindlichen, eine leise Richtung nach oben hat.
Yermathlich ist dies Motiv von den Blinden hergenommen,
die, wie man oft bemerken kann, den Kopf etwas nach oben
richten, gleichsam als sehnten sie sich nach der Quelle des
Lichts. Aber wenn es auch von einer Erscheinung der Wirk-
lichkeit genommen sein mag, so giebt es dem Kopf zugleich
den Ausdruck seherischer Begeisterung. Der Dichter sieht
wie ein Prophet aus, aber freilich ohne alles Dämonische,
sondern müd und freundlich.
Auch die Blindheit ist an der englischen Bttste nicht
recht merklich, während man an d^r andern deutlich fühlt,
•dass die Sehkraft des Auges erloschen ist. Um so tiefer
wirkt das Motiv des erhobenen Kopfes, als habe der Dichter
in seiner innem Welt reichen Ersatz gefunden für den Ver-
lost der äussern. Endlich liegt darin ein bedeutender Vorzug
der Potsdamer Büste vor der englischen, dass die Furchen
im Gresicht weniger scharf und schneidend markirt sind. Sie
entspricht mehr dem Bilde eines milden Greisenalters, unter
dem man sich Homer denkt.:
Die in Potsdam befindliche Büste ist noch unedirt, die andere ist
abg. Marbles of the brit. mus. II, pl. 25. Vgl. Vaux Haudbook to the
British museum p. 199.
509. Doppelbüste des AristophanesundMenander*,
in Tusculum gefunden und im J. 1852 von Prof. Welcker ge-
kauft, der sie jetzt dem Museum zu Bonn geschenkt hat.
In dem glattgeschorenen Kopf der Doppelbüste den Me-
nander zu erkennen, war mögUch, da uns das Porträt dieses
Dichters mit inschriftlicher Beglaubigung erhalten, für den
andern Kopf fehlt ein solcher Anhalt, doch genügt gewiss die
Verbindung mit Menander, um den ihm gegebenen Namen
des Aristophanes zu rechtfertigen. Denn es ist bei mytholo-
gischen wie historischen Doppelbüsten durchaus die Regel,
gleichartige Personen mit einander zu verbinden, gewiss also
haben wir in dem bärtigen Kopf einen komischen Dichter vor-
auszusetzen und mit wem könnte dann Menander, das Haupt
* Im Niobidensaal n. 64.
296 Genre und historische DarsteUungen.
der neuern Komödie, treffender verbunden werden, als mit
Aristophanes, dem Haupt der alten Komödie? Das Band
freilich, das den Kopf des letztern umgiebt, können wir auch
hier nicht als Siegeszeichen auffassen, es ist eine einfache
Schnur, die man unzählig oft, namentlich in den Yasenge-
mälden findet, ohne dass ihr ein anderer Sinn gegeben werden
könnte, als der, ein Schmuck des Kopfes zu sein. Auch ver-
zichten wir darauf, in den Zügen des Gesichts Verwandtschaft
mit dem Charakter des Dichters, wie er in seinen "Werken
ausgeprägt, zu entdecken, während allerdings das feine geist-
reiche Gesicht des Menander ganz dem Bilde entspricht, das
wir uns nach den literarischen Quellen von ihm entwerfen*
Der Umstand, dass Aristophanes eine Glatze hatte, ist
kein Einwand gegen diese Erklärung, denn gerade oben auf
dem Schädel ist die Ausführung weniger sorgfaltig, gewiss
weil der Künstler sich zu der Annahme berechtigt glaubte^
dass diese Stelle der Betrachtung entzogen bleiben würde.
Der glatte Kopf des Menander zeigt in Uebereinstim-
mung mit schriftlichen Zeugnissen, dass damals bereits die
Sitte aufgekommen, den Bart abzuscheeren. Demosthenes und
Aeschines werden noch bärtig, Aristoteles, Posidipp, Menander
unbärtig dargestellt. Yermuthlich ist es der macedonische
Hof, von dem diese Sitte ausging, die Münzen dieser und der
folgenden Zeit zeigen uns durchgehend die Köpfe der Füi'sten
ohne Bart.
Vgl. Welcker A. Denkm. V, Taf. 3 p. 40 ff., dessen Verdienst e»
ist, die Doppelbüste richtig bestimmt zu haben.
510. Sogenannte Sappho und Corinna*, Doppel-
büste von Marmor, in Madrid befindlich.
Die Benennung ist durchaus willkürlich, denn wir besitzen
zwar Abbildungen der Sappho, aber nicht solche, vermittelst
deren wir Büsten bestimmen könnten. Zudem ist mir mehr
als zweifelhaft, ob der für Corinna ausgegebene Kopf über-
haupt nur weiblich ist Die Haartracht desselben ist ent-
schieden männlich.
Namentlich der letzterwähnte Kopf ist von der höchsten
Schönheit.
Vgl. Hübner d. ant. ßildw. in Madrid p. 100.
* Im Niobidensaal n. 84.
Genre und historische Darstellungen. 297
511. Anakreon*, Marmorstatue, im Jahre 1835 bei den
im Sabinerlande am Monte Calvo veranstalteten Ausgrabungen
gefionden; Ton der Familie Borghese gekauft und in Villa
Borghese befindlich. Die Augen , die vermuthlich aus Edel-
stein eingesetzt waren, und die Nasenspitze fehlen, ergänzt ist
der rechte Arm vom Ellbogen abwärts mit Ausnalime der
Hand, an welcher nur der Daumen neu ist, ausserdem die
Finger der Linken und die Leier, von welcher nur die An-
sätze am Bart und Gewände sich erhalten hatten. Die Form,
die man ihr gegeben bat, entspricht übrigens nicht der in
guter griechischer Zeit üblichen.
Die Figur hat den Namen Anakreon erhalten, der aller-
dings durch kein äusseres Zeugniss zu begründen ist, aber
dem Charakter derselben so durchaus entspricht, dass ei:,
richtäg zu sein scheint Wir besitzen freilich eine ziemlich
flbereinstimmende Darstellung des Anakreon auf einer Münze
von Teos, der Vaterstadt des Dichters, auf welcher nämlich
ein- ältlicher Mann auf einem Stuhl sitzend mit dem Leier-
q>iel beschäftigt vorgestellt ist, doch ist die Uebereinstimmung
nicht so schlagend, dass wir die Münzdarstellung als eine
Gopie i unserer Statue oder ihres Originals ansehen dürften.
Um so mehr aber empfiehlt der Charakter der Figur die an-
gegebene Benennung.
Dass wir zunächst nicht einen Dichter feierlichen Clia-
rakters von uns haben, lehrt der erste Blick. Schon dass er
sitzt, und zwar behaglich mit überschlagenen Füssen und in
einem bequemen Lehnstuhl, giebt das Bild eines Dichters der
leichteren Gattung der Poesie. Die Bewegung des Ober-
körpers aber und die Haltung des rechten Arms und der
Hand, worin eine gewisse Erregung leidenschaftlicherer Art
Milbar ist, sind sprechend für einen Dichter sinnlich erregter
Poesie. Doch ist dies Leidenschaftliche nur eine Zuthat, nicht
^e eigentliche Seele seines Gesanges, der Ausdruck des an-
mnäiig Behäbigen überwiegt. Denn in solchen Formen kann
nicht leidenschaftliche verzehrende Gluth leben, die merkliche
Corpulenz deutet vielmehr auf einen dem behaglichen Genuss
ergebenen Mann. Allerdings ein gefährlicher Versuch, einen
Mann in höherem Alter von dieser Sinnesrichtung darzu-
stellen, aber wie schön hat der Künstler allem Gemeinen ent-
gegengewirkt, indem er den Formen etwas Frisches und
* Im römischen Saal n. 105.
298 Genre und historische Darstellungen.
Lebensvolles gab, was statt des widerwärtigen nur an Silenen
erträglichen Bildes des schlaffen und doch noch geniessenden
Alters, vielmehr die Vorstellung eines den Genuss beherr-
schenden; geist- und lebensvollen Mannes henrormfL Der
Mantel; der aus dickem und weichem Stoff besteht, giebt
ebenso wie die zierlich reichen Sandalen, den Eindruck des
Behäbigen und ein wenig Weichlichen und Ueppigen, wie es
dem Charakter der Figur entspricht.
Man hat mit Recht eine gewisse Sorglosigkeit in der
Ausführung als ein Verdienst der Statue hervorgehoben. Die
studirte Präcision und Eleganz römischer Werke fehle ihr,
sie sei darum von griechischer Hand ausgeführt zu denken.
Diese Art der Ausführung ist auch mit dem naiven, sorglosen
(])harakter der Figur in schönstem Einklang. Schwerlich aber
dürfen wir, wie von derselben Seite bemerkt ist, ein Original
aus der Zeit des Perikles für die Figur voraussetzen. Denn
wie uns die aus jener Zeit erhaltenen Werke lehren, herrschte
damals noch eine strenger stilisirende Kunstrichtung, von
welcher unsere Statue in ihrer völlig freien Natürlichkeit
mindestens um ein Jahrhundert entfernt ist
Abg. Monumenti dell' instit. VI, tav. 25. Die Statue ist zugleich
mit tlcm angeblichen Pindar (n. 512) an derselben Stelle gefunden, wo
fiuch die den vatikanischen entsprechenden Musen gefunden sind, vgl.
Bullet. 1836 p. 9 tf.
Mich wundert, dass E. Braun Ruinen und Museen Roms p. 543 und
bullet. 1853 p. 19 und Brimn Annali 1859 p. 155 ff. unsere Statue
identiflciren mit einer in mehreren Epigrammen (Anal. I p. 229 n. 37
p. 230 n. 38, II p. 453) beschriebenen ganz verschiedenen, derselben,
wie es scheint, die Paus. 1, 25,1 auf der Akropolis von Athen sah.
Eine Verschiedenheit hebt Brunn freilich selbst hervor, die Statue der
Epigramme hatte nämhch einen Schuh im Rausch verloren, er glaubt
aber, das sei etwas Untergeordnetes, \md der Verfertiger sei auch keio
einfacher Copist, sondern habe sich eine gewisse Freiheit gewahrt. Ab«
ist dieser Zug nicht höchst charakteristisch und wird ein geistreicher
Künstler in seiner wenn auch freien Copie wohl einen solchen Zug weg-
lassen? Aber es weist in der That jedes Wort der Epigramme auf
eine ganz andere Statue hin. Gehen wir das erste, das eingehendste,
durch: ÜQ^aßw ^AvaxQelovra x^öav osoakayfiivov oiv<p (diese Worte
wären auf unsere Statue angewandt, eine wunderliche Hyperbel) ^cü,
6iva}T0v axqenxbv vnsQB'S XIB'OV. (B. versteht unter dem Sivanbg
Xid-oq den Marmorsessel der Figur, der ja hinten rund sei. Aber wer
wird sich denn so ausdrücken und dazu das vneQd'eX Vielmehr ist
luiter dem öivcttrbg kld-og nur die runde Basis der Figur zu verstehen.
Besonders künstlich deutet B. das axQeTtzov als „verwickelt" (intrec-
ciato) mit Bezug auf die Haltung des Obcrkörperb. Nach meiner An-
sicht bezieht es sich auf die gewundene, verdrehte Stellung eines
trunken hinschreitenden Mannes Denn die Figur war wie das Folgende
Grenre und historische Darstellungen. 299
deutlich zeigt, stehend oder schreitend, etwa als ein Sänger des x(3fioq
dahuischwärmend gebildet). ^Siq 6 yipcov Xixvoioiv i^^ öfifiaaiv vy^a
SsSoQXwg &XQ^ ^^^ dat^aydlmv sXxezai d/iTtsxovav, (Brunn: rile-
vano poi gli epigrammi come uua partieolarita caratteristica Tesser tirato
questo manto giü fino ai talloni; cio che si verlfica non meno nella
nostra statua, sebbene forse al primo aspetto non ci sembri chiaro,
come una tale disposizione dovoa ravvisar un segno di noncuranza e
negligenza. Ma basta di abbandonar Pidea del solito manto inngo
deHJreci e di ricordarsi, che quell' abito grossolano al solito era corta
in modo da scendere appena sotto alle ginocchia, ed allora ci convin-
ceremo, che un occhio greco nelP accennata disposizione dovea ravvisar
im segno di noncuranza c negligenza. Abgesehen davon , dass ich
die Zeugnisse dafür vermisse, dass dieser dickere Mantel gewöhnlich
kurz war, so ergiebt eine Vergleichung anderer Sitzbilder und zwai*
von ernstem Charakter, dass in diesem Herabhängen des Gowandes un-
möglich etwas Nachlässiges gefunden werden konnte. Vielmehr Ana-
kreon steht und nachlässig hängt ihm hinten das Gewand herab, er ist
ein kXxsx^Twv oder hkxealnsTcXoq und darin liegt etwas allerdings
sehr Oiarakteristisches). Weiter: Aiaaöiv 6* aQßvXiöotv rav fisv
/i/av, ola fied^vTtXfjSj wksaev^ iv 6* hx^Qo, Qtxvbv &QaQS noöa.
{Auch dies Verlieren des einen Schuhes weist deutlich auf eine
schreitende, ttimkenen Schrittes schreitende Figur, es wäre unver-
stindlieh oder ohne Witz bei einer sitzenden). M^Xnet ^ r^h Bad-vllov
ififis^cv ^h MsyiarSa ai<oQ<3v nceXccfia rav övq^Qmxa x^^w- (Das
tuofoufv naXdiiq wäre auf unsere Statue angewandt, ganz unpassehd).
^AXÜm ndtSQ Aiowoe^ tpvXaaai fxLv. ov yaQ hoixsv ix Baxxov ninxBiv
Baxxifxxbv d-i^ana. (Diese Bemerkmig, die von einer in einem Lehn-
sessel sitzenden Figur wohl Niemandem einfallen könnte, weist wieder
deatlich auf einen trunken Hiuschreit enden.)
Die Combinationen Brunn's über den Künstler der Statue kann ich
für meinen Zweck übergehen, da sie sich an die Notiz des Pausanias
anknüpfen, jiie der in den Epigrammen beschriebenen Statue gilt. Hin-
sichtlich der Zeitbestimmung habe ich eine andere Vorstellung von der
Kunst des perikleischen Zeitalters als Brunn. Die Monumente des-
selben, sowohl die Sculpturen vom Parthenon als die Amazonenstatuen
stehen noch in deutlichem Zusammenhang mit dem alterthümlichen Stil,
ist es nun wohl denkbar, dass einer der Künstler, die jene Amazonen-
statuen verfertigt haben — \md ein solcher war Cresilas, dem B. die
Statue des Anakreon vindicirt — zugleich dies völlig frei natürliche
Werk gearbeitet habe?
Was die Münze betrifft, so ist nur eine ganz allgemeine Aehnlit'h-
keit vorhanden, der Stuhl, die Gewandung, die Haltung der Figur sind
erheblich abweichend. Vgl. 0. Jahn Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss.
1861 p. 726, mit welchem ich, wie ich nachträglich zu meiner Freude
sehe, in der Auffassung der Epigramme völlig übereingetroffen bin.
512. Dichterstatue*, zugleich mit der eben erwähnten
Statae des Anakreon gefunden und in Villa Borghese aufge-
Im Niobidcnsaal ii. 100.
300 Genre und liistorische Darstellungen.
stellt. Ergänzt sind beide Arme und das rechte Knie mit
den angränzenden Theilen.
Der Ergänzer hat angenommen, dass die Figur in der
Linken eine Leier, in der Rechten das Piektrum hielt und
gewiss mit Recht. Der Dichter ist im Begriff, seine Saiten
zu rühren. Darauf führt der Ansatz der Anne, die ausdrucks-
volle Neigung des Kopfes, wie sie sich ganz ähnlich an dem
musicirenden Apollo findet, und der Wurf des Gewandes, dessen
einer Zipfel über die rechte Schulter den Rücken hinab ge-
worfen ist, damit er die freie Bewegung des rechten Arms
nicht hindere. An einer ebenfalls im Leierspiel begriffenen.
Muse, die zu den mit aufgefundenen Statuen gehört und auch
sonst vorkommt, bemerkt man dasselbe Motiv.
Es ist ein griechischer Lyriker dargestellt, und da die
Zahl derselben begränzt und ihre Charaktere bestimmt aus-
geprägt sind, so sollte man glauben, einen dieser Namen auf
die Statue anwenden zu können. Und doch ist dies schwer-
lich möglich, wenigstens befriedigen die gemachten Vorschläge
nicht. Der letzte derselben, nach welchem die Statue dea
Pindar darstellen soll, würde zwar dem Ausdruck derselben
wohl entsprechen, denn offenbar ist es ein feierlich ernstes
Lied, das der Dichter anstimmt und sehr wahrscheinlich ist,
dass ein Gegensatz zu dem mit aufgefundenen behaglich
sitzenden Anakreon als Vertreter einer leichteren Gattung der
Lyrik beabsichtigt war, allein schon der Nacktheit wegen, die
an einem Pindar nicht zu motiviren wäre, aber ihre beson-
deren Gründe haben muss, weil sie bei Dichtem und über-
haupt bei historischen Figuren, deren Bedeutung auf geistigem
Gebiete liegt, ungewöhnlich ist, können wir diesem Vorschlage
nicht beitreten.
Die Augenhöhlen waren durch Edelsteine ausgefüllt, wie
wir dies bereits bei einem Fragment aus dem Parthenon
(p. 149) bemerkten; das Geschlechtsglied ist infibulirt, was
bei gymnastischen Kämpfern zum Schutz des Gliedes geschah,
hier aber gewiss einen besonderen uns unbekannten Gnind
hat. Auffallend sind die kurzen Proportionen.
Vermuthlich stammt die Figur von einem griechischen
Original ab, ihre Ausführung fällt wohl erst in römische Zeit.
Die Deutung auf Pindar ist von Bnmn aufgestellt, aber noch nicht
näher ausgeführt. Im Uebrigen vgl. E. Braun bullet. 1853 p. 20 und
i'iber die infibulatio E. Braun Annali 1850 p. 268 fl*. und 0. Jahn
fikorou. Cista p. 5.
Geure und historische Darstellungen. 3Q1
513. Demosthenes*, Marmorstatue im Vatikan, wohin
sie ans Villa Mondragone gekommen ist. Ergänzt sind die
Vorderarme zur Hälfte und mit ihnen die Rolle.
Von mehreren Seiten ist die Richtigkeit dieser Ergän-
zung angefochten und gemeint; die Figur habe die Hände in
einwider gelegt gehabt, wie eine bald nach dem Tode des
Redners von dem Ktinstler Polyeuktos verfertigte Bronce-
statae, nach welcher das vatikanische Exemplar copirt sei.
Allein in England befindet sich eine übereinstimmende Wieder-
holung, an welcher die Hände mit der Rolle, die hier ergänzt
sind, sich erhalten haben, wodurch also die Restauration ge-
rechtfertigt wird. Man schliesse aber aus der Rolle nicht,
dass der Künstler den Demosthenes habe darstellen wollen,
eine Rede öffentlich ablesend, er hat ihn wie das Rollen-
Ustchen an seiner Seite deutlich zeigt, überhaupt nicht auf
der Rednerbühne stehend, sondern ernst meditirend gedacht
imd darin eine für Demosthenes charakteristische Seite ge-
troffen. Man könnte wünschen, dass der Künstler ihm in
dieser Situation eine etwas behaglichere, zwanglosere Stellung
gegeben habe, aber gerade die feste Stellung ist für einen
80 ernsten und charaktervollen und ganz auf die Erreichung
grosser praktischer Zwecke gericliteten Mann bezeiclmend.
Die Statue ist höchst lebendig und ausdrucksvoll und in
dem scharfgeschnittenen und durchfurchten Gesicht glaubt man
den Charakter und die Geschicke des Redners zu lesen. Wir
dürfen ein griechisches Original für sie voraussetzen, das uns
im Gegensatz zu dem mehr idealisirenden Porträt, wie wir es
im Perikles und Phocion sahen, eine Probe mehr realistischer
AuffEtssung gewährt. Die Füsse sind, wie mit Recht hervor-
gehoben ist, etwas vernachlässigt namentlich der linke.
Abg. Mus. Chiaram. II, 24. Pistolosi il Vatin\no IV, 11), 2. V^l.
die Literatur bei Michaelis in der Archaool. Ztg. 1862 p. 231). Die He-
merkiing über die Füsse der Statue macht Brunn Annali 1857 p li)l.
514. Angeblicher Demosthenes**, Marmorstatue,
früher in Villa Montalto, dann im Vatikan befindlich, dann
nach Paris versetzt, wo sie sich noch jetzt im Louvre be-
findet. Die Arme sind ergänzt und der Kopf, der allerdings
antik ist, gehört nicht zur Figur.
• Iiu Ninhid»Misaal n. 109.
*• Im Römischen Saal n. 2G.
302 Genre und liistorische Dai^stellungen.
Da der Eopf^ der allerdings den Demosthenes darstellt^
nicht zur Figur gehört, so ist die Benennung willkürlich. Sie
ist aber auch unwahrscheinlich, da die Redner gewöhnlich
nicht sitzend dargestellt werden. Verfolgt man die Praxis
des Alterthums in diesem Punkt, so werden die kriegerischen
Männer gewöhnlich stehend dargestellt und bei ihnen wftre
das Sitzen unangemessen, umgekehrt sind die schönsten Philo-
sophenstatuen Sitzbilder und für den sinnenden Denker ist
wieder das Sitzen angemessener, bei den Dichtem schwankt
es, aber man wird leicht bemerken, dass je idealer die Gat-
tung oder Auffassung, um so mehr dem Standbild vor dem
Sitzbild der Vorzug gegeben wird. Für die vatikanische
Statue des Menander ist das behagliche Sitzen eben so noth-
wendig, wie der imponirende Stand für den Sophokles im La-
teran. Bei den Rednern endlich musste schon der Umstand
dem Standbild den Vorzug geben, dass sie die Bedeutung, um
derentwillen sie verewigt wurden, ihrer Thätigkeit auf der
Rednerbtihne verdankten. Der Rumpf dieser Figur gehörte
daher schwerlich einem Redner, gewiss aber einer Portrftt-
statue an.
Abg. Visconti Pio-Clem. III, 14. Vgl. Clarac descriplion du Louvre n.92.
515. Aeschines*, Marmorstatue, in Herknlanum ge-
funden und in Neapel befindlich.
Die richtige Benennung ist dieser Figur durch die Ver-
gleichung der im Vatikan befindlichen, inschriftlich beglaubigten
Büste des Aeschines zu Theil geworden, früher wurde sie
Aristides genannt.. Den robusten Bau freilich, der dem Ae-
schines nachgerühmt wird und ihn bestimmt haben soll, Soldat
zu werden, merkt man nicht, dagegen stimmt die Haltung der
Arme mit unseren Nachrichten überein. Wir wissen nämlich,
dass die ältere, bescheidene und züchtige Weise, den rechten
Arm unter dem Mantel zu tragen, zwar im Allgemeinen zur
Zeit des Aeschines abgekommen war, dass dieser selbst aber
sie beibehielt. Aeschines scheint auch auf der Rednerbühne
nichts Freies und Ungebundenes gehabt zu haben, vielmehr
um eine feinere äussere Erscheinung besorgt gewesen zu sein.
Vergleicht man den Aeschines mit dem berühmten So-
phokles, wozu die Aehnlichkeit des Motivs auffordert, so ver-
liert freilich ersterer bedeutend. Er ist dünn und schlank,
* Im Treppenhaus n. 132.
Genre und historische Darstellungen. 303
verglichen mit der breiten imponirenden Gestalt des Sophokles^
imd wä)u:end dieser aasgezeichnet ist durch die Einfachheit
und Sparsamkeit des Faltenwurfs^ geht dem Aeschines durch
die vielen kleinen Falten der Charakter des Grossartigen
völlig verloren. Die Figur ist wohl erst in römischer Zeit
entstanden.
Abg. Museo borbnn. I, 50. Clarac pl. 848. Die richtige ßonennung
gab L. Vesco^aii in der dissertazione sopra uua statua antica simile al
cocl detto Aristide di Napoli, letta nclia pontißcia Accudomia romaua
dl archeologia il di 18 dicembrc 1834, die ich übrigens nur aus diMU
AnsiDg im ballet, d. inst. 1835 p. 47 kenne.
516. Herodot und Thucydides*, Doppelbtiste von
Mannor^ ans der Sammlung des Fulvius Ursinus in den Be-
sitz der Famese und mit diesem in das Museum zu l^eapel
gekommen. Erst hier sind die Köpfe wieder vereinigt worden,
die froher um der Aufstellung willen, die man ihnen geben
wollte, auseinander gesägt waren.
Von dem Aussehen des Thucydides theilt uns sein Bio-
graph wenigstens die beiden Züge mit, dass er nachdenklich
ausgesehen und dass sein Kopf eine nach oben spitz zu-
laufende Form gehabt habe. Letzteres ist an »dieser Büste
nicht zu erkennen, aber ersteres in hohem Grade, und der
ernste, sinnende Ausdruck des Gesichts wird bedeutend ge-
hoben durch den fast kahlen Scheitel. Ganz anders das Ge-
sicht des Herodot, das übrigens in einer Wiederholung des
. hiesigen Museums noch bedeutend anmuthiger und freundlicher
aassieht.
Ohne Zweifel sind diese Köpfe nach griechischen Origi-
nalen copirt,
Abg. Vilbonti, Iconogr. gr. I, pl. 27 p. 315.
517. Diogenes**, Marmorstatue in Villa Albani. Er-
gänzt sind beide Arme von der Mitte des 015erarms an, das
linke Bein fast ganz, das rechte vom Knie abwärts. Auch der
Hund nebst dem Stamm ist neu. In der Ergänzung, auch
<ler Attribute, scheint aber das Richtige getroffen zu sein,
wenigstens der Stab war gewiss nothwendig für die gobtickto
Gestalt, auch ist er ein sehr passendes Abzeichen, da An-
tisthenes, der Lehrer des Diogenes, ihn eingeführt haben soll.
* Im Niobidensanl n. 101.
** Im Ni(>bi<hMisai)l n. 98.
304 Genre und historische Darätelluug^eu.
Durch Vergleichung anderer sicherer Darstellungen konnte
in dieser Figur Diogenes erkannt werden, vielleicht wftre er
auch ohne dieselben erkannt, da die Figur sehr treffend ch&-
rakterisirt ist. . Sie bietet ein gutes Beispiel dafür, dass die
Griechen sich in der Darstellung historischer Persönlichkeiten
durchaus nicht an ihre Erscheinung im Leben banden. Nor
charakteristisch darzustellen war ihr Bestreben, sie liessen
daher sogar das Gewand weg, wenn es der Charakter der
darzustellenden Person erforderte. Diogenes ist ans dem-
selben Grunde hier nackt dargestellt, weswegen er von einem
römischen Dichter als nudus Cynicus bezeichnet wird, es soll
der Philosoph dadurch charakterisirt werden, der den Satz
aufstellte, es sei den Göttern eigenthünüich, nichts za be-
dürfen, und den den Göttern Aehnlichen, wenig zu bedürfen.
Charakteristisch ist auch für Diogenes der lange nnd unge-
pflegte Bart.
Die Hässlichkeit eines alten Körpers nnverhüllt dar-
gestellt, das ist eine Aufgabe, an die in der Bltlthe der
Kunst, in ideal gestimmter Zeit schwerlich gedacht werden
konnte. Kur als das historische Interesse an der Person
überwog, al» um den Preis charakteristischer Darstellang die
reinere Schönheit geopfert wurde, da konnten solche Dar-
stellungen aufkommen. Wir müssten daher schon aas kflnst-
lerischen Gründen diese Darstellung durch diiB Zeit Alexanders
begränzen, über welche sie wegen der Lebenszeit des Dio-
genes, der gleichzeitig mit Alexander starb, nicht hinausgehen
kann. Andererseits dürfen wir ihr aber einen griechischen
Ursprung vindiciren, da sie zu sehr noch in lebendigem Be-
wusstsein von der Persönlichkeit des Diogenes entstanden za
sein scheint, um römischer Zeit angehören zu können.
Abg-. Winckehnanii inonum. ined. n. 173. Visconti Iconogr. gr. I,
pl. 22»- Vgl. E. Braun Ruinen p. 674 ff.
518. Aesop*, Fragment einer Statue in Villa AlbanL
Ergänzt ist die rechte Schulter.
Auf die Frage, ob ein Aesop jemals gelebt habe, brauchen
wir für unsern Zweck nicht näher einzugehen, für den viel-
mehr die Bemerkung genügt, dass die bildlichen Darstellungen
des Fabeldichters jedenfalls wie die des Homer, freie Er-
findungen sind. Eben die Verschiedenheit unter seinen Dar-
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 7.
Geure und historiBche Darstellungen. 3()5
«teUmigeii — wir haben die Nachricht^ dass er auch als
Nei^ abgebildet wurde — beweist^ dass die Künstler nicht
▼on einer kistorischen Grundlage aasgingen. Wenn sie also
gewisse überlieferte Züge seiner Persönlichkeit beibehielten,
so thaten sie dies nur deswegen, weil sie ihnen für das Bild
des Fabeldichters passend erschienen. Man darf daher die
Bilder des Aesop als Bilder eines Repräsentanten der grie-
chischen Fabel betrachten und analysiren.
Das Charakteristische der Büste' liegt darin, dass sie
einen hässlichen Krüppel darstellt, der aber nicht leidend und
gedrückt ist, sondern dabei frei sein kluges Gesicht empor-
hebt. ]>er Fabeldichter, zumal der griechische Fabeldichter,
konnte nach der Natur seiner Dichtgattung nicht als eine
idealere Gestalt dargestellt werden, denn es sind im Ver-
gleich za den anderen Dichtgattungen niedrige Dinge, mit
denen er sich beschäftigt. Ausserdem ist die griechische
Fabel nicht episch, sondern didaktisch, und zwar spricht sie
ihre Lehren und Warnungen nicht direkt und offen aus, son-
dern unter der Form von witzigen und sinnigen Erzählungen,
es fehlt ihr der freie männliche Ton, sie sucht es vielmehr
Ung, ja schlau anzufangen, um ihren Zweck zu erreichen.
Gerade diesem Charakter der Fabel entspricht diese Gestalt
des Fabeldichters. Der schwache Krüppel kann nicht kühn
md sicher auftreten für seine Zwecke, dazu fehlt ihm Kraft
imd Autorität, aber die Klugheit, die so oft in Krüppeln
¥ohnt, benutzt er sinnig und schlau gegen die Ueberlegenheit
der Kraft und Macht.
Der Künstler, indem er den Krüppel nackt hinstellte,
bat sich nicht gescheut, einen durchaus hässlichen Eindruck
bervorzurufeü, und wir würden die Augen abwenden, wenn
mcht der Kopf mit seiner Haltung und mit seinem Ausdruck
der Hässlichkeit des Körpers das Gegengewicht hielte.
Die Büste ist dem oben besprochenen Diogenes sehr
verwandt und vielleicht aus derselben Kunstrichtung hervor-
gegangen.
Abg. Visconti Icon. gr. I, 12. Monum. d. inst. III, 14. Vgl. Auuali
1^ p. 94. £. Braun Ruinen und Museen Rom's p. 672.
519. Aristoteles*, Marmorbüste, im Museum zu Madrid.
Ke Brost mit dem Gewände und der Inschrift ist neu.
* Im Niobidensaal n. 88.
FriedericliB, griecb. Plastilc. 20
I
506 Genre und historische Darstellungen.
Die Benenniing ist wohl nicht ganz willkürlich^ der Eo
hat einige Aehnlichkeit mit der schönen Statue des Aristotel
in Palast Spada^ die aber den Philosophen in höherem Alt
mid weit ausdrucksvoller und charakteristischer darstellt
Vgl. Hübner Die antiken Bildwerke in Madrid p. 101 n. 149.
520. Angeblicher Bias"^; Marmorbüste im Museum i
Madrid. Die Nasenspitze, beide Ohren, die Brust mit d<
lüschrift sind neu.
Die Benennung Bias ist unrichtig, da der Kopf mit eine
sicher beglaubigten Darstellung dieses Weisen keine Aehnlidi
keit hat. Es ist übrigens ein unbedeutendes Werk.
Vgl. Hübner a. a. 0. p. 102 n. 151.
521. Angeblicher Hippokrates**, Marmorbüste ii
Museum zu Madrid. Ergänzt sind die Nase, das linke Ob
und die Brust mit der Inschrift.
Eine höchst unbedeutende Büste mit eigenthümlich dummen
Ausdruck, die mit Hippokrates gar nichts zu thun hat
Vgl. Hübner a. a. 0. p. 105 n. 164.
522. Solon***, Marmorbüste im Museum zu Madrid.
Die Inschrift scheint alt zu sein, oder ist wenigstem
richtig hinzugefügt, denn im Vatican befindet sich eine dord
Inschrift beglaubigte genau übereinstimmende Büste des SolOD
Die Büste ist übrigens von spätem Stil.
Vgl. Hübner a. a. 0. p. 109. Die im Text citirte Büste befinde
sich im mus. Chiaramonti n. 733 ; der Kopf derselben ist allerdings auf
gesetzt (Gerhard Beschreibung. Rom's II, 2 p. 87), gehört aber, wem
ich mich recht entsinne, zur Herme.
523. Angeblicher Posidonius****, Marmorstatue ii
Louvre, früher in Villa Borghese. Der Kopf gehört nidi
zur Figur, aber ist antik.
Die Benennung ist rein willkürlich und passt nicht ein
mal für den Kopf, der mit den uns sicher bezeugten Züge
des Posidonius keine Aehnlichkeit hat. Der Rumpf aber h
sicher der einer Porträtstatue und vermuthlich eines Phile
sophen, für welchen der lebendig demonstrirende Gestus de
* Im Niobideusaal n. 87.
** Im Niobidensaal n. 90.
*** Im Niobidensaal n. 85.
**** Im Römischen Saal n. 27.
Genre und historische Darsteiiungeu. 307
linken Hand charakteristisch wäre. Die Arbeit ist nicht sehr
bedeutend.
Abg. Clarac pl. 327. Vgl. descr. du Louvre n. 89. Visconti
Iconogf. gr. I, pl. 24.
524. Alexander*; Marmorbüste, im Jahre 1779 bei
Tivoli durch den Ritter Azara ausgegraben und dann an
Bonaparte geschenkt^ jetzt ün Louvre. Schultern, Nase und
ein Stück der Lippen sind neu, die ganze Oberfläche der
Büste ist heruntergegangen.
Es ist der Hermenform angemessen, das Porträt treu
und monumental zu überliefern, und so sehen wir auch
hier im Gegensatz zu den mehr idealisirenden Statuen und
Köpfen, die zu Statuen gehörten, die Züge des Alexander
treuer und gleichsam nüchterner überliefert. Und zwar geht
die Treue so weit, dass sogar Unschönes aufgenommen ist»
Y(m competenter Seite ist an diesem Kopf nämlich eine bis ins
Kleinste treue Darstellung der tmter dem Namen torticolis
bekannten £Int Stellung nachgewiesen, die sich namentlich in
der Ungleichheit der Halsmuskeln, wodurch die Wendung des
Kopfes veranlasst ist, und der Gesichtshälften, deren eine, die
linke, merklich voller und runder ist, äussert. Die Büste oder
richtiger ihr Original, da sie selbst nach den Formen der In-
schrift nicht lange vor unserer Zeitrechnung entstanden sein
kann, ist daher unzweifelhaft nach dem Leben gearbeitet.
Auch das über der Stirn aufsteigende Haar ist also nicht, wie
Wmckelmann annahm, eine Erfindung der Künstler, die den Kopf
dadurch dem Zeus, für dessen Sohn Alexander angesehen sein
wollte, hätten ähnlicher machen wollen, sondern es war ihm,
wie wir übrigens auch schon aus einer Nachricht wissen,
wirklich eigen und dient allerdings dazu, dem Gesicht einen
Zug der Kühnheit zu geben. Der Einschnitt in den Haaren
setzt ein Diadem voraus, das Alexander zuerst als königliches
Abzeichen umlegte.
Man sollte glauben, dass das Original dieser Büste von
Lysippus herrühre, der allein, wie berichtet wird, den Ale-
xander bilden durfte, und gerade die grosse Wahrheit der
Dttstellung scheint diese Yermuthung doppelt zu empfehlen.
Allein die Büste stimmt nicht völlig mit den Berichten der
Alten über die lysippischen Alexanderköpfe überein, so dass
wir die Frage unentschieden lassen müssen.
* Im Niohideiisaal 11. 63.
20'
308 Genre und historische Darstellungen.
m
Abg. Visconti Icouogr. gr. 11 pl. 2, n. 1. 2. Vgl. descript. du
Louvre n. 132 und namentlich die medicinische Betrachtung in der
Revue archeol. 1852 IX p. 422 ff. pl. 197, wo nur nicht behauptet
werdefi durfte, dass die Büste den Nachrichten über die lysitoischoi
Alexanderköpfe, an denen die dvdzaaig zov avx^vog slq S'dwwfiov
iqovxrj xsxXifiivov von Plutarch Alex. c. 4. hervorgehoben wird,
entspreche.
525. Angeblicher Perikles*, Marmorkopf im Besitz
des Marquis von Pastoret in Paris.
Wen dieser schöne und acht griechische Kopf vorstellig
wissen wir nicht Man hat ihn dem Perikles zugeschrieben,
dessen Büsten aber keine Aehnlichkeit mit ihm haben.
Vgl. Arch. Anz. 1866 p. 285.
526 — 567. Friesreliefs von einem Denkmal in
Xanthus**, von dem Engländer Fellows im Jahre 1838 ent-
deckt und fünf Jahre später ins britische Museum versetit
Diese Friese gehörten zu einem Denkmal^ welches nach
den gefundenen Resten als ein auf hohem (Jnterbau errichtetes
von freien Säulen umgebenes tempelartiges Gebäude jonisch«!
Stils reconstruirt werden konnte. Sie waren aber nicht m
Gebäude selbst^ sondern am Unterbau angebracht und zwar
so, dass der breitere Fries unmittelbar über der PlinthC; der
schmälere dagegen unmittelbar unter dem bekrönenden Ge-
simse desselben sich befand.
Der erstere ist weniger vollständig erhalten, als der
andere, dem nur zwei Platten fehlen. Es sind auch im
Uebrigen die grössten Verschiedenheiten zwischen beiden,
denn während der schmälere Fries in einer an griechischffli
Beliefs ganz ungewöhnlichen Weise componirt ist, muss jener
als ein rein griechisches Werk betrachtet werden, an dem
höchstens die geringe Anzahl nackter Figuren als eine Ab-
weichung hervorgehoben werden kann. An einer einzelnen
Figur dieses Frieses und an zweien des kleineren ist ausser-
dem eine kleine Besonderheit der Bewaf&iung zu bemerken,
die sich zwar nicht selten auf griechischen Yasenbildem, anf
griechischen Reliefs aber sonst nicht findet. Am Schild der
betreffenden Figur ist nämlich ein Stück Tuch oder Leder
befestigt, welches den Zweck hat, die untere Hälfte des
Mannes, die durch den kleinen kreisrunden Schild — denn
* Im archaeologisclieu Apparat der Kgl. Universität.
•• Im Lycischeu Hof n. 211—252.
Genre und historische Darstellungen. 309
nur mit dieser Foim des Schildes findet es sich verbnnden —
nicht gedeckt wird^ zu schützen. Es ist ein Beweis für die
kttnstlerische Freiheit der Griechen in der Behandlung der
Wirklichkeit, dass wir dieses schützende Tuch, das bei Homer
und gewiss doch auch noch später etwas liebliches war^ so
selten dargestellt finden.
Der Fries enthält einen Kampf von Fussvolk mit Ein-
mischung einzelner Beiter, die wir vielleicht als Befehlshaber
zu betrachten haben. Eigentliche Griechen können in keiner
der beiden Parteien gemeint sein, denn das Untergewand der
Kämpfer ist durchgehends länger als nach griechischer Sitte
der Fall war^ es reicht an und auch wohl über das Knie.
Wir nehmen dies als einen Beweis, dass asiatische und zwar
jonische Griechen, die längere Kleider trugen, an dem Kampf
betheiligt sind. Ausserdem bemerkt man Aermelkleider und
phrygische Mützen, einmal auch eine mit Hosen bekleidete
Figor^ es nahmen also auch Perser an dem Kampf Theil,
und wenn wir das charakteristische Costüm derselben nicht
öfttf wiederholt finden, so ist dies nicht anders, als am
Niketempel oder in den Amazonenkämpfen, wo auch nicht
bei jeder Figur aUes charakteristische Detail angegeben ist.
Aber nicht die ganze Gegenpartei besteht aus Persern, denn
wir finden zwei. Schwerbewafi&iete, beide bis auf die Lauge
des Unterkleides griechischer Sitte entsprechend, mit ein-
ander in Kampfl Auf der Seite der Perser kämpften also
auch Griechen.
Die Darstellung ist reich an schönen Gruppen, aus denen
irir nur die eine hervorheben, wo ein Krieger dem getroffe-
nen Feind seinen Speer aus dem Kopf herauszieht, nicht ohne
herzliche Theilnahme an den Schmerzen, unter denen dieser
sich krümmt
Die Bewegungen der Figuren sind ausserordentlich lebendig
und werden in ihrer Wirkung durch die leichte Behandlung
der Qeinenen) Gewänder verstärkt, deren scharf gebrochene
Filten der besten griechischen Zeit entsprechen. Die Pro-
portionen der Gestalten haben noch nicht die spätere Schlank-
^, der Ausdruck der Köpfe aber ist durchaus pathetisch,
& Wuth des Angreifers und der Schmerz der Verwundeten
werden gleich ergreifend geschildert. Der letztere Umstand
ist ein Beweis, dass wir mit der Datirung dieser Eeliefs nicht
ftber das vierte Jahrhundert hinausgehen dürfen, wir können
^ aber auch nicht viel tiefer herabdrücken, weil sie ganz
310 Genre und historische Darstelhingen.
im Stil der besten Zeit gearbeitet sind. Aach die Behand-
lung des Keliefs ist ganz dieselbe wie am Farthenonfries und
durch dieselben Gründe veranlasst. Das Relief umgOrtet eine
Wand and daher war der Künstler bemüht^ durch flftchen-
artige Behandlung der Figuren seinen Fries gleichsam der
Wandfläche anzubilden und anzuschmiegen.
Der kleinere Fries ist wie schon bemerkt^ fast voll-
ständig erhalten ; auch ist die Yertheilung desselben auf die
vier Seiten des Unterbaus deutlich, die bei dem anderen
nicht näher nachzuweisen, aber auch von geringerem Interesse
ist, weil er nur eine Folge von Einzelkämpfen darstellt. Der
kleinere Fries enthält vier verschiedene Scenen, die indessen
nicht so auf einander zu folgen scheinen, dass der das Monu-
ment Umgehende sie in ihrer historischen Folge gesehen
haben würde, denn die Darstellungen der beiden Langseiten
gehen historisch denen der Schmalseiten voran.
Die eine Langseite enthält einen Kampf zwischen ganz
gleich ^ewaffiieten Parteien, die wir als asiatische, jonische
Griechen oder auch als Lycier bezeichnen können. An dea
Ecken der Darstellung rücken die Massen noch geschlossen
in Reih und Glied in den Kampf, nach der Mitte zu lösen
sie sich auf in Einzelkämpfe. Hier finden wir allerdings
schöne Gruppen, z. B. wo ein Verwundeter von einem Frennde
aus dem Gefecht geführt wird, auch einzelne nackte Figuren,
aber ganz abweichend von griechischer Weise sind die von
den Ecken heranrückenden in Reih und Glied aufgestellten
Massen. Das griechische Relief kennt nur Einzelkämpfe und
vermeidet eben damit die Monotonie der Bewegung, die bei
dem feldmässigen Aufmarschiren der Colonnen nothwendig ist,
es opfert die Wirklichkeit der künstlerischen Rücksicht, die
Geschichte der Poesie. Anders dies lycische Relief oder da
wir auch sonst in Lycien Aehnliches finden, die lycischen,
die einen mehr historischen Charakter festzuhalten suchen,
wie die Werke der Assyrier, der Römer und ja auch die
unserer modernen Plastik. Davon legen die anderen Abihei-
lungen dieses Reliefs noch deutlicher Zeugniss ab.
Während wir auf der einen Langseite eine Schlacht anf
offenem Felde dargestellt sehen, ist auf der andern ein Kampf
unter den Mauern einer Stadt entbrannt. Eine drei&che
Mauer schützt die Stadt und zwischen den Zinnen sieht man
die Köpfe und steinschleudemden Arme der Belagerten oder
auch jammernde Weiber. Von links kommt der Angri^ anf
Genre und historische Darstellungen. 3J^]!
der anderen Seite der Stadt aber ist ein anderer Vorgang
dargestellt Anf dem Fragment'^ das an der äiissersten Ecke
erhalten, ziehen Männer mit allerlei Dingen beladen — deut-
lich erkennt man nnr einen Sack anf der Schalter des letz-
ten — eiligen Schrittes der Stadt zu. Die nun folgende Lücke
wird ähnliche Figuren enthalten haben, denn noch unmittelbar
Yor der Stadt ist ein Eseltreiber sichtbar, der wie jene offen-
iNur in die Stadt aufgenommen zu werden wünscht. Auch Be-
iraffiiete ziehen ein, man sieht zwischen dem ersten und
zweiten Thurm eine Schaar derselben, die einem Thurm-
lichter winken, der sich zu ihnen herabneigt. Yermuthlich
änd es Hfilfstmppen, begleitet von allerhand Zuzüglern, die
WH Lande in die befestigte Stadt flüchten.
Es versteht sich von selbst, dass die Mauern der Stadt
ii dem ursprünglichen Zustande des Reliefs nicht so kahle
FUchen dem Anblick darboten, wie es jetzt der Fall ist
Uuweifeihaft waren sie bemalt, es haben sich auch einzelne
Firbenspuren auf den Reliefs erhalten und manche unaus-
lefUirte Theile lassen Bemalung voraussetzen. Auch die Waffen
and oft gar nicht dargestellt, sie waren entweder von MetaU
lagefilgt oder gemalt
Trotzdem muss die Darstellung der Stadt auf diesem
und den übrigen Streifen des Reliefs dem an griechische
Konst gewöhnten Auge fremdartig vorkommen. Die ganze
tosere, leblose Natur wird in der griechischen Plastik nur
durch Andeutungen vergegenwärtigt, nicht aber in ihrer vollen
utflrlichen Erscheinung. Bei den Assyriern, Römern und
och anf anderen lycischen Monumenten dagegen ist ein mehr
reilistisches Princip befolgt. Die Denkungsart dieser Völker
Tennochte nicht, wie die griechische, das Wirkliche und Ge-
scbichthche dem poetischen und künstlerischen Eindruck zu
opfern.
Es bleiben noch die beiden Schmalseiten zu betrachten
ttbrig. Auf der einen ist die Erstürmung eines Thores dar-
gestellt, die Sturmleiter ist bereits angelegt und wird durch
zwei anter ihr knieende Soldaten mit Ketten oder Stricken
(die nach der Bewegung der Arme vorauszusetzen) auf der
Vaner festgedrückt, damit die Belagerten sie nicht herab-
werfen können. Die beiden tragen ein Geräth an der Seite,
^ wir nicht näher zu bestimmen im Stande sind. Mehrere
Krieger steigen die Leiter hinan, andere knieen hinter ihnen,
ofenbar um sich vor den Geschossen der Belagerten zu
3X2 Grenre und historische Darstellungen.
schützen^ eine grosse Schaar folgt hinterher unter dem Zu*
mf der Führer. Am Ende des Streifens werden waffenlose
Gefangene mit gebundenen Händen davongefflhrt
Den Sdiluss des Ganzen bildet die letzte Schmalseite^
zur Hälfte ausgefüllt von der Darstellung der Stadt, die aber
öde und verlassen, ihrer Yertheidiger beraubt dasteht Ein
Denkmal, von einer Sphinx und von Löwengestalten bekrönt^
vermuthlich ein Grabdenkmal, ragt hinter der Mauer hervor»
Gerade im Mittelpunkt dieses Streifens thront ein vornehmer
Heerführer mit der persischen Mütze auf dem Kopf, im
Uebrigen aber von hellenischem Aussehen. Ein Sonnenschina
wird über ihm gehalten, eine Auszeichnung höherer Personen
im Orient, die wir auch an dem König der assyrischen Eeliefis
finden. In der Rechten hielt er vermuthlich Lanze oder
Scepter. Hinter ihm stehen seine Trabanten, vor ihm aber
sehen wir zwei hellenisch gekleidete Greise mit erhobener
Rechte, wie man vor einen Gott tritt, herankommen. Es sind
gewiss Abgesandte, die sich dem Heerführer unterworfen md
um milde Bedingungen bitten wollen, aber es ist uns unklar,
warum sie nicht von der Stadtseite herkommen, und femer,
warum, wenn die Stadt, wie der Sturm aufs Thor anzeigt,
genommen ist, diese Scene nicht in, sondern vor der Stadt
vorgeht. Auch das letzte Stück dieses Streifens ist uns u»
deutlich, auf dem eine Scene des Krieges dargestellt ist, die
man in diesem Zusammenhang nicht mehr erwartet
Der letzte Reliefstreifen befand sich offenbar an der
Frontseite des Gebäudes, da er den Schlusspunkt der ganzen
Action bezeichnet und den siegreichen Feldherm selbst aaf
dem Gipfel seines Sieges darstellt Dürfen wir nach dieseit
Fries auf die Bedeutung des ganzen Gebäudes schliessen, so
war es diesem Feldherm zu Ehren errichtet
Man bezog diese Scenen auf die Eroberung der Stadt
Xanthus durch den persischen Feldherm Harpagos und hielt
demnach den ganzen Bau für ein diesem Manne errichtetes
Grab- oder EhrendenkmaL Dies ist freilich bestimmt irrige
weil das Dargestellte durchaus nicht mit Herodots Bericht
über das Schicksal der Stadt übereinstimmt^ eine sichere Be»
Stimmung der dargestellten Ereignisse ist aber bis Jetzt nicht
möglich gewesen.
Wenn auch die Composition wie wir sahen, ein US-
griechisches Element in sich enthält, so ist der Stü dagegen
rein griechisch und stimmt mit dem des anderen Frieses so
Genre und historische Darstellungen. 33^3
durchans überein^ dass wir dieselbe Hand dariu erkennen
möchten.
Nor der kleinere Fries und auch dieser noch dürftig ist abg. von
Filkener Im Qaas. mus. I, p. 284, wo zugleich die richtige Vertheilung
der Platten angegeben ist. Vgl. Fellows, an account of the Jonic
Trophy Monument excavated at Xanthus London 1848. W. W. Lloyd,
tKe Nereid monument, London 1845. Welcker z. 0. Müller's Hand-
bach §. 128*. Overbeck Gesch. d. gr. Plastik II p. 106 ff. ürlichs in
d. Vhandl. d. 19. Philologenversammlung p. 61 ff.
568. 569. Reliefs einer Statnenbasis^ von Marmor^
nf der Akropolis von Athen bei den von Beul^ im J. 1852
ind 53 veranstalteten Ausgrabungen entdeckt, in Athen be-
indlich«
Die Inschrift des ersten, einen Waffentanz vorstellenden
BdiefB, die zwar nicht vollständig erhalten, aber mit Sicher-
heit ergänzt werden kann, lehrt, dass das von dieser Basis
getragene Werk ein Weihgeschenk war und wegen eines mit
emem Chor von Waffentänzern erworbenen Sieges gestiftet
nrde. An der Basis war die Veranlassung der Weihung
durch Schrift und Bild ausgedrückt.
Das Relief stellt acht, in zwei Gruppen zu je vier ge-
theilte Jflng^ge dar, die mit Helm und Schild bewaffaet im
Begriff sind, jenen namenüich in Sparta beliebten Waffentanz
ansznführen, der ein Bild des Krieges geben und auf diesen
vorbereiten sollte. Das Schwert, das die Waffentänzer auf
andern Darstellungen in der Rechten tragen, wird auch hier
nach der Bewegung des Arms und der Hand vorausgesetzt,
ist aher, wie so oft, als etwas Selbstverständliches oder leicht
zn Ergänzendes weggelassen. Die langbekleidete Figur an
der linken Seite des Reliefs wird als der Chormeister, als der
Dirigent aufzufassen sein.
Bei einem anspruchsvolleren Werk würde der Künstler
^wahrscheinlich, wie es bei den Kampfscenen der griechischen
Konst regehnässig der Fall ist, statt gleichförmiger Reihen
von Figuren einzelne Paare gebildet und somit die monotone
Wiederholung derselben Bewegung vermieden haben, hier, wo
tt nnr darauf ankam, die historische Veranlassung der Wei-
hoBg bildlich anzudeuten, durften künstlerische Rücksichten
«»er Augen gesetzt werden. Der Bedeutung des Reliefs
entsprechend ist auch die Ausführung nur skizzenhaft, bemer*
* Im Gnechischen Saal n. 319. 320.
314 Genre und historisclie Darstellungen.
kenswerth ist aber in den Formen der Jünglinge eine nicht
geringe Weichlichkeit.
In der Inschrift sind die Beste eines Archontennamens
erhalten^ die zuKephisodoros oderEephisophon ergänzt werden
müssen. Welche Lesart man aber auch vorziehn mag, die
Zeit der Verfertigung des Reliefs wird dadurch wenig alterirt,
«s gehört in die Mitte oder in die zweite Hälfte des 4. Jahr-
hunderts.
Das zweite Relief schmückte die Rückseite desselben
Piedestals und enthält nach den Spuren der Inschrift die
Barstellung eines zweiten Sieges mit einem andern Chor, wie
es scheint; einem Sängerchor. Auch hier dieselbe Gleichför-
migkeit unter den ChoreuteU; nur dass sie in ungleiche Hälf-
ten zu vier und drei zerfallen, denn die erste in Tracht und
Bewegung abweichende Figur ist auch hier wieder sicherlich
der Chormeister. Das Aermelkleid, das diese und die ent-
sprechende Figur des andern Reliefs trägt, war, wie schon
aus der Darstellung der Musen der dramatischen und lyrischen
Poesie hervorgeht, sowohl bei dramatischen als musikalischen
und orchestischen Aufführungen üblich.
•
Abg. bei Beule Tacropole d'Athenes U, Taf. 4. Vgl. p. 134 iL
und Michaelis Ann. 1862 p. 209. Die Inschrift des ersten Reliefs er-
gänzt Beul^ ffewiss richtig [7Cv^^i]XIi:TAI2: NIKHUAS ATAP-
BOS AY [alov nijXsiy K)H^I[<j]0[S]£i[Q0g ^();cev], nur kann statt
JdjtpiaodwQog auch Krj^iaotpcSv gelesen werden, der Archon des J.829.
Der erste Kephisodorus war Archon im J. 366, der zweite im J. 323.
Unsichrer ist die Ergänzung der zweiten Inschrift: BiIKH [aaq xvxXixtS
Xo]PSiI. In der Hand des Chormeisters auf dem zweiten Relief will Beufe
eine Rolle entdecken, die ich nicht bemerke.
570. Basis*; von Marmor^ im Jahr 1838 östlich vom
Parthenon gefunden, in Athen befindlich.
Die Beliefs führen auf die Annahme^ dass die Basis
irgend ein Siegesdenkmal trug, es sind nämlich Siegesgöttinnen
mit Siegeszeichen dargestellt. Auf der Schmalseite sind zwei
Göttinnen beschäftigt^ einen Dreifuss aufzustellen, auf der an-
dern Seite ist in der Mitte von zwei Viktorien ein Tropftnm
errichtet, an dem der Schild bereits befestigt ist, während die
Figur zur Linken den Helm darauf zu setzen und die zur
Hechten ihn etwa mit einem Hammer zu befestigen — wie
die Viktoria auf späteren Monumenten öfter vorkommt —
Im Griechischen Saal n. 253.
[Genre und historische Darstellung^en. 315
im Begriff ist. Die Scene erinnert sehr an die Balustrade des
^iketempels(p. 190). Ein an der linken Seite zurückgebliebener
I'Uigel zeigt; dass sich noch eine ähnliche Scene anschloss.
Von der im Abguss undeutlichen Inschrift ist wenigstens
soviel erhalten, um die Bestimmung der Basis ausser Zweifel
za setzen. Der Stil deutet auf gute Zeit
Abg. ^E^ti/ji. 1842 n. 913, aber mit falscher Erklärung. Vgl. Mi-
chielis Archaeol. Ztg 1862 p. 253.
570. Desgl.*, von Marmor, in Athen befindlich.
Auch hier sind zwei Viktorien beschäftigt, einen Dreifuss
anfzostellen, zwei andere tragen einen Panzer zur Ausstattung
eines Tropäums. Auch dies ist nur ein Fragment, und hatte
dieselbe Bestimmung, wie das vorhergehende.
* Im Griechischen Saal n. 254.
[
VI. Die Nachbiüthe der griechischen Kunst
Dieser Abschnitt umfasst die drei Jahrhunderte zwisd
Alexander und den römischen Kaisern^ eine arme nnd st
Zeit; wenn man die dürftigen Nachrichten über die künstle
sehe Thätigkeit derselben als maassgebend betrachten wol
eine in künstlerischen Richtungen und Bestrebungen rei<
und mannigfaltige Zeit aber^ wenn man die erhaltenen We:
mustert, welche dieser Periode zugeschrieben werden müss
Zwar auf dem idealen und namentlich religiösen Gel
ist die Kunst dieser Zeit am wenigsten glücklich^ denn
fehlte ihr der Glaube an die Bealität des Idealen nnd
sittliche Ernst in der Behandlung des Heiligen. Sie ht
bereits von der früheren Periode gewisse sinnenreizende D
Stellungen als Erbschaft überkommen und ging nun so w
sittlich Anstössiges, ja Widerwärtiges nicht bloss im Mensch
leben sondern sogar unter den Göttern darzustellen. A
auch die sittlich tadellosen Götterbilder dienen doch ni
mehr dem religiösen Interesse, die Entwicklung der religio
Kunst ist jetzt dahin gekommen, dass das Element der i
mellen Schönheit ausschliesslich dominirt und keine Rücksi
mehr auf den religiösen Gehalt genommen wird. Je tic
der religiöse Werth des Götterbildes sank, um so mehr i?
feinerte sich die äussere Form, wie auch im Leben so
innere Werthlosigkeit mit äusserer Eleganz sich verbin«
Die Künstler, die nicht mehr in heiliger Begeisterung für <
Gegenstand arbeiteten und sich nicht mehr hingaben an
Sache, mussten nun gleichsam als Ersatz für das yerlor<
Nachblüthe der griechischen Kunst. 3]^ 7
saeküche Interesse nach formellen Reizen suchen. Daher
kommt eSy dass jetzt ein Zag der Eleganz in die Eonst ein-
tritt; fOr den die frühere Zeit zu einstig war^ und gerade
das Sinnlichste und Ueppigste wird mit verführerischer Grazie
aasgestattet Daher ist auch der Marmor in dieser Periode
wie ftbr jede den Sinnen schmeichehide Kunst^ das beliebteste
Material
. Aber man muss den Ettnstlem^ wenn sie auch mehr an
sich and ihre Virtuosität als an die Sache dachten^ zugeben,
dass sie eine Fülle vou Greist und Anmuth producirt haben.
£8 giebt auch unter den Götterbildern dieser Periode höchst
geistreiche und effectvoUe, und auf dem Gebiet des Naiven,
Idyllischen und des Schelmischen und Tändelnden ist sehr Be-
deutendes geschaffen. Besondere Auszeichnung aber verdienen
die plastischen Gruppen der pergamenischen Schule, in denen
Dicht mehr Ideales, sondern Historisches und zwar Selbster-
lebt^ mit der ergreifenden Kraft und Treue, die eben der
Barstellung des Selbsterlebten eigen zu sein pflegt, vor Augen
gestellt wurde. Das Historische war gerade das Gebiet, das
der geistigen Atmosphäre der Zeit am angemessensten war.
Wir haben die grösseren Gruppen, die zugleich bestimm-
ten Schulen zugewiesen werden können, vorangesteUt und uns
im üebrigen von der Verwandtschaft der Werke bei der An-
ordnung leiten lassen, ohne freilich von allen mit Bestimmt-
heit behaupten zu wollen, dass sie dieser Zeit angehören.
Denn die Unterschiede zwischen dieser Periode und der rö-
mischen Zeit sind keineswegs so klar, dass die Scheidung der
ihnen angehörigen Werke mit Sicherheit vollzogen werden
könnte. Wir kommen darauf in der Einleitung zur griechisch-
römischen Zeit zurück.
571. Farnesischer Stier*, Marmorgruppe, im Jahre
1546 oder 1547 unter Pabst Paul dem Dritten in den Ther-
|Den des Caracalla bei Rom gefunden und im Palast Famese
in Kom aufgestellt, 1786 nach Neapel gebracht und nachdem
sie einige Zeit auf dem öffentlichen Spaziergang in der Villa
^e gestanden hatte, vor etwa 30 — 40 Jahren ins museo
^>rbonico oder, wie es jetzt heisst, nazionale versetzt.
Die bedeutendsten Ergänzungen sind: An der Dirke der
^rkörper vom Nabel aufwärts mitsammt den Armen; an
• Im Saal des Farnesischen Stiers n. 1.
318 Nachblüthe der griechischen Kunst.
Amphioü der Eopf^ beide Arme mit Ansnahme der Hinde^
beide Beine mit Ausnahme der Füsse^ die Extremitäten der
Draperie und der obere Theil seiner Leier; an Antiope der
Kopf und beide Arme mit der Lanze, in der Gregend der
Wade war die Statue gebrochen; am Stier die Vorder- und
Hinterbeine, mit Ausnahme der Hufen an den letzteren; an
Zethus der Kopf, beide Arme, das linke Bein mit Ausnahme
des Fusses, und das rechte; am Berggott der linke Ann und
der rechte Unterarm; der Hund endlich ist mit Ausnahme der
Tatzen ganz neu. Die Restaurationeu sind wahrscheinlich von
Guglielmo della Porta (sechzehntes Jahrhundert) ausgeführt
und zwar scheint er in dem Kopf des Zethus sich das Por-
trät des Caracalla zum Vorbild genommen zu haben. An dem
Stamm, der den Stier trägt, befindet sich unten ein grossem
durch die ganze Basis gehendes Loch, das wahrscheinlich aus
neuem Zeiten herrührt, wir wissen nämlich, dass auf Michel-
angelo's Rath das Werk zu einem Brunnenstück für den Far-
nesischen Palast zugerichtet wurde.
Die Restauration hat nicht überall das Richtige getroffen»
Die Dirke steht ausser Zusammenhang mit den übrigen Figu-
ren, so dass man sich mit Recht gewundert hat, warum sie
nicht davonlaufe. Ihre Stellung ist zudem eine solche, die
Niemand von selbst einnimmt, sondern die einen auf sie aus-
geübten Zwang voraussetzt. Nun befindet sich in Neapel ein
Cameo, der in der Anordnung des Stiers und des Amphion
so genau mit der Gruppe übereinstimmt, dass er .auch im
üebrigen eine genaue Copie zu sein scheint. Danach wäre
die Dirke so zu restauriren, dass Zethus mit der Linken sie
am Haar gewaltsam zu sich zöge, während sie, den Ober-
körper mehr ins Profil stellend, mit der Linken Amphions
Knie umfassen und die Rechte klagend und abwehrend em-
porheben würde. Mit dem Strick ist sie nach der Autorität
des Cameo bereits unter der Brust umschlungen zu denken,
und da derselbe auch dem Stier schon um die Homer ge-
wunden ist, so fehlt, um dem Schrecklichen seinen Lauf zu
lassen, nur noch dies, dass Dirke von Amphion losgerissen
wird. Es ist klar, dass die Grappe in dieser Weise restau-
rirt nicht allein formell gewinnt, sondem auch das Pathos der
Handlung wird ungemein gesteigert, wenn die Dirke von Ze-
thus in so unbarmherziger Weise fortgerissen wird. Dass
dem Zethus aber diese RoUe gegeben, liegt in seinem Cha-
rakter begründet, an den milderen Amphion, den die Leier
Nachblüüie der griechischen Kunst. 3]^ 9
ebankterisirt^ wendet sich^ freilich vergebens; Dirke mit
ihrem Flehen.
Es ist nicht zu läugnen^ dass diese Gruppe für nnser
und fielleieht auch für ein edleres antikes Gefühl etwas Yer-
tetzendes hat Wäre es ein Gott; wie bei Niobe und Laokoon;
Ton dem die Strafe verhängt wäre^ wir würden anders em^
pfindeU; jetzt aber sind es Menschen^ die wenn ihnen auch
ein Strafamt zukommt; doch nicht so strafen sollten; dass die
Strafe wie die Befriedigung wilder Leidenschaft erscheint^
inch die Erwägung; dass Dirke der Mutter der Jünglinge
die Marter zugedacht hattC; die sie jetzt selbst leidet; kann
dies GrefOhl nicht heben. Die Künstler arbeiteten nach einer
Tragödie des EuripideS; in welcher wie auch in andern Stücken
dieses Dichters gerechte Vergeltung mit wilder Leidenschaft
80 vermischt war; dass keine tiefere Befriedigung entstehn
konnte; sie hätten sich aber diese Scene um so weniger zum
Vorwurf nehmen sollen; als die sinnlich darstellende bildende
Konst das Abstossende des Vorgangs den die Poesie nur er-
zählte; noch steigert. Aber eben/ dass die Künstler einen
Moment wählten; der ethisch nicht befriedigt; wohl aber die
Entwicklung des höchsten leidenschaftlichsten Pathos möglich
macht, ist charakteristisch für die Zeit in der sie lebten. Man
gab dem Kühnen; Ungewöhnlichen; Erregten den Vorzug vor
dem Einfachen, StilleU; Edlen.
Aber auch für das Auge wirkt die Gruppe, deren kühne
Erfindung und Ausführung nicht verkannt wird, nicht völlig
befriedigend. Sie hat etwas Unruhiges und ist fast mehr ma-
lerisch als plastisch. Die realistische Darstellung des Schau-
platzes der Handlung, die freilich dazu dient, das Entsetzliche
der über Dirke verhängten Strafe vor unsrer Phantasie zu
steigern; ist in der ganzen frühem Plastik; etwa einen leisen
Anfang in der Niobegruppe ausgenommen, unerhört, die Basis
wurde bis dahin eben nur als Basis betrachtet und in höchster
Einfachheit gehalten. Dazu kommt die Fülle des Beiwerks,
das freilich auch zum Theil einen für den pathetischen Ein-
druck wichtigen Gedanken involvirt. Denn die geflochtene
CistE; die bei Bacchusfesten üblich war, und der zerbrochene
Thyrsus sollen nebst dem Epheukranz und Fell, mit dem
Dirke bekleidet ist (eine Klaue ist alt daran), andeuten, dass
plötzlich mitten in rauschender Festlichkeit, mitten in einer
Bacchusfeier auf dem Kithäron, sowie auch Euripides gedichtet
hatte, die Katastrophe eintrat.
320 Naehblüthe der griechischen Kunst.
In dem an der rechten Ecke sitzenden Knaben Yemmthet
man mit Wahrscheinlichkeit den Gott des Berges, denn aller-
dings nnr ein solches Wesen, das am Boden haftet, wie Flnss-
tmd Berggötter, kann bei diesem Schaaspiel ruhig dasitzen.
Man sieht auch an seiner Stellung, dass er sich nicht vom
Boden erheben kann, sein Gesicht drückt schmerzliche Theil-
nahme aus, Kranz und Rehfell sind auch ihm gegeben als
theilnehmend am Bacchusfeste. Dass er als Knabe dargestellt,
ist wohl geschehn, um ihm die bescheidnere Grösse, die das
Beiwerk verlangt, geben zu können. Zu ihm gehört auch
die Syrinx, das Hirteninstrument Der Hund aber, der wohl
dem Zethus angehört, ist zwar formell sehr passend, insofeni
«r eine Einbiegung der an den übrigen Seiten in gerader
Linie abschliessenden Gruppe verhindert, allein er stört etwas
den pathetischen Charakter des Ganzen. Mit mehr Recht
haben die Künstler in den Thiergruppen, welche die übrigen
Seiten der Basis beleben, ihrer Laune Spielraum gegeben.
Die grosse Schlange übrigens, die sicl^ unter dem Stier be-
findet, ist nicht bloss Staffage, es ist eben die bei dionysischer
Feier übliche, die aus der Cista weggekrochen ist.
Noch bleibt die letzte Figur übrig, geyriss Anüope, die
formell für den viereckigen Grundriss der Gruppe nothwendig
war und auch für den Sinn des Ganzen Bedeutung hat, denn
um der Misshandlungen willen, die sie erlitten, leidet eben
Dirke diese Strafe. Leider ist es nicht möglich, ihre ur-
sprüngliche Geberde zu bestimmen ,^ es wäre am natürlichsten
sie wie auf einem pompejanischen Gemälde, Mitleid äossem
zu sehn, gewiss aber kann sie auf keine Weise in die eng
verbundene Handlung der übrigen Figuren eingegriffen haben;
«ie neigt sich nicht wie alle übrigen Figuren nach der Mitte
ÄU, sondern ist völlig isolirt.
Die Gruppe war ursprflnglich gewiss so aufgestellt, dass
«ie umgangen werden konnte, indessen ist sie doch vorwiegend
auf einen Anblick berechnet, nämlich von der Dirke aus.
Sie gilt als Originalwerk, woran man indessen in Hin-
blick auf die Arbeit der Gewänder zweifehi möchte. An der
Antiope, deren Gürtung und eng anliegendes Untergewand an
die Famesische Flora* erinnert, fliesst Ober- und Untergewand
unterschiedslos in einander, und das Gewand der Dirke, in
reichem malerischem Stil behandelt, ist doch in der Aosfilh-
Im Treppenhaus n. 189.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 321
rang keineswegs vorzüglich. Mag das Werk indessen Gopie
oder Original sein, gewiss ist es zu identificiren mit einer
Grappe, die Plinius unter den von Asinius Pollio gesammelten
Werken erwähnt nnd so beschreibt: Zethus, Amphion, Dirke,
Stier nnd Strick aus einem Stein, von Rhodus hergeholte
Werke des Apollonius und Tauriskus (die aus Tralles ge-
bürtig waren). Damit ist eine Zeitgrenze nach vorwärts gegeben,
nach rückwärts aber können wir die Gruppe mit Sicherheit
dnrch die Zeit Alexanders des Grossen begrenzen. Denn sie
ist eine Weiterbildung jener Richtung auf das Dramatische,
welche im vierten Jahrhundert der attischen Kunst eigen war
md m der Niobegruppe vor unsem Augen steht. Diesen
dnmatischen Zug zum hoch Pathetischen und Effectvollen zu
steigern blieb der im dritten Jahrhundert blühenden rhodischen
Kunstschule vorbehalten, aus welcher höchst wahrscheinlich
dies Werk hervorgegangen ist
Die Geschichte der Gruppe ist uaclizulesen in Heyne's Aiitiq. Aufs.
2, 214 ff. Winckelmann giebt in der Kunstgesciüchte den Buttista Bi-
am-hi als £rgänzer au, was Heyne widerlegt, in der Abhandlung über
dieürazie aber (Ausgabe v. Eiselein 1, 224) den Guglielmo della Porta.
WindLcImauns Angaben über die Restauration (Bd. 6, 53. 7, 206) sind
äbrigeiis ganz im Einklang mit den neuesten Berichten bei Welcker
A. D. 1,365 und Finati mus. borb. 14, zu tav. 4. 5., und sehie Bemer-
kung über die ergänzten Köpfe der Söhne stimmt mit der gegenwärtig
noch vürhaiideuen Restauration, so dass an eine neue in Neapel vor-
genommene Restauration wohl nicht zu glauben ist, eine Abraspelung
«»H indessen nach einer von W, a. a. 0. mltgetheilten Notiz vorgenom-
Dteu sein. Ich selbst wai* zweifelhaft in Neapel, ob nicht Antiope von
(Im Waden aufwärts ganz neu sei, mag indessen diesen Zweifel jenen
Btrichten gegenüber nicht geltend machen.
Zu vergleichen sind Welcker A. D. 1, 352. 0. Jahn Arch. Ztg.
1853 p. 8b f. Brunu Gesch. d. gr. Künstler 1, 495. 0 verbeck Gesch.
«1. gr. Plaätik 2, p. 200. Besonderes Verdienst aber hat sich Ü. Müller
Aiiuali 1839 p. 287 ff. um die Gruppe erworben, indem er vermittelst
dm neapolitanischen Cameo's die richtige Ergänzung nachwies. War
übrigens die Dirke, wie nach dem Stein angenommen werden muss,
M.huii vom Strick umschlungen, so ist mir Jaliu's Auffassung, Zethus
wolle mit der Linken die Dirke mit einem gewaltigen Ruck emporheben
u.'id „vollends" an den Stier fesseln, nicht klar. Man kann nur, wie
luir acUeint, entweder annehmen, dass nicht ein Strick beide, Dirke und
den Stier verband, sondern zwei, die eben noch zusammeuzuknoten
waren, oder es bleibt die im Text gegebene gewiss natürlichere Auf-
fassung, dass die Anbindung vollendet ist und es nur noch darauf an-
kommt, die Dirke von Amphion, an den sie sich während der Fesselung
gKwaudt hat, loszureissen. In Betreff des Gameo übrigens ist die am
Stiel" beündliche Hand, wie ich mu* vor dem Original gemerkt habe,
gcwiä» die der Dirke. Dass sie die volle innere Fläche zeigt, woran
Friederichs, i^iecli. i'laätik. 21
322 Nachblüthe der griechischen Kunst.
Jahn Anstoss nimmt, scheint durch den Zwang der Schidit, der bei
Cameen so manches erklärt, veranlasst zu sein.
572 — 578. Das Weihgeschenk des Königs Atta-
lus IT. von Pergamum auf der Burg von Athen*.
An der südlichen Mauer der Akropolis von Athen waren
vier grosse Gruppen aufgestellt, nämlich der Kampf der Götter
mit den Giganten, der Kampf der Athener mit den Amazonen,
die marathonische Schlacht und die Vernichtung der Gallier
in Mysien durch den König Attalus. Sie waren ein Geschäik
des letzteren, der in acht griechischer Weise seinen Sieg an-
knüpfte und parallel stellte ähnlichen nationalen theüs histo-
rischen, theils mythologischen Grossthaten, sowie, um nur ein
Beispiel anzuführen, in der bunten Halle in Athen zwei histo-
rische Kämpfe, die Schlachten bei Oenoe und Marathon Or
sammengestellt waren mit den heroischen Kämpfen gegen
Troja und gegen die Amazonen. Man erkennt in dem G^
schenk des Attalus leicht eine nähere Zusammengehörigkeit
von je zwei Gruppen, es entsprechen sich die Perser und die
Amazonen und andererseits die Giganten und die Galater,
Das letztere Paar stimmt überein in dem Charakter der Wild-
heit, auch wird es vorwiegend aus nackten Männern bestanden
haben, während wir das erstere nach unseren Denkmälern be-
kleidet, zum Theil wohl mit der charakteristischen orientali-
schen Tracht, zu denken haben, wodurch also alle Einförmig-
keit vermieden wurde. Denn die Gruppen hatten eine grosse
Anzahl von Figuren, wir wissen, dass sich in dem Kampf der
Götter und Giganten Dionysos befand, und dürfen darans
schliessen, dass die hervorragenderen Götter um so weniger ge-
fehlt haben werden. Auch die gleich* zu betrachtenden Beste
dieses grossen Weihgeschenks, die fast alle einer dieser vier
Gruppen angehören, bestätigen dies. Das Maass der einzelnen
Figuren wird auf drei Fuss angegeben, dies und die Ueber-
einstimmung des Gegenstandes und der Stil waren die Mittel,
die vorliegenden Statuen mit jenen von Attalus geschenkten
zu identificiren.
Es sind nun aus der Gruppe der Gallierschlacht zunächst
drei in Venedig befindliche Figuren** erhalten, die aus Rom
stammen und von einem Cardinal Grimani zu Anfang des
* Im Griechischen Saal n. 374r— 380.
** n. 374—376.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 323
sechszehnten Jahrhunderts seiner Vaterstadt Venedig vermacht
sind. Sie stellen sämmtlich Gallier dar, wie sich aus unzwei-
deutigen Zeichen ergiebt.
Betrachten wir zunächst den sterbenden Jüngling*, der
bis auf Nase, Lippen und Kinn antik ist, so geben hier schon
äussere Kennzeichen den Gallier zu erkennen. Der sechs-
eckige Schild findet sich in Darstellungen der Gallier, und be-
sonders charakteristisch ist der Gürtel auf nacktem Leibe.
Wir wissen, dass die Gallier in dem Uebermaass ihres Muthes
oft nackt, nur mit einem Gürtel umwunden in den Kampf
stürzten und es haben sich solche Gürtel, genau in der strick-
artig gedrehten Form theils in natura, theils auf bildlichen
Darstellungen erhalten. Im Uebrigen aber ist in dieser Figur
der Typus des Barbaren weniger signifikant ausgeprägt als in
den anderen, der Künstler scheint die schöne Absicht gehabt
zu haben, dem sterbenden Jüngling einen idealeren Charakter
zu geben, als dem wilderen trotzigeren Mann, jedenfalls ist
diese Figur unter allen die am tiefsten ergreifende. Der
Jüngling ist durch drei Wunden gefallen, eine Schnittwunde
und zwei Schusswunden, die von einer Schleuderkugel oder,
da man diese Waffe hier schwerlich wird voraussetzen können,
von Pfeilschüssen herzurühren scheinen, denn man sieht nicht
ein, wie Schwert oder Lanze solche Wunden veranlasst haben
könnten. Auf ihn folgt ein bereits ins Knie gesunkener
Mann**, der aber auch in dieser Lage den Kampf noch fort-
setzt Der ganze rechte Arm desselben ist neu, aber wohl
richtig restaurirt. An ihm ist der Barbarencharakter in den
Formen des Gesichts und in dem struppigen Haar deutlicher
ausgeprägt, auch haben die über der linken Schulter ver-
bundenen Gewandzipfel keinen ganz griechischen Schnitt. Der
folgende Barbar***, wieder ein Jüngling und besonders schön
im Nackten, ist stärker restaurirt. Beide Arme sind neu
nebst dem die rechte Hand umgebenden Stück der Basis,
dazu das linke Unterbein. Hier hat die Restauration schwer-
lich das Richtige getroffen, schon die Waffenlosigkeit fällt auf,
und der pathetische Gestus der Linken ist gewiss nicht an-
gemessen. Wir nehmen vielmehr an, dass er in der Linken
den Schild, in der Rechten das Schwert hielt. Seine Lage
* n. 375.
** u. 374.
*** n. 376.
21
324 Nachblüthe der griechisclieu Kuust.
ist sehr momentan und lebendig^ auch in ihm ist der Bar-
barentypus sehr merklich.
Zu diesen in Venedig belindlicheu Galiiem kommen mm
zwei mit dem übrigen Famesischen Besitz von Rom nach
Neapel versetzte Figui'en*. Man könnte den einen derselben
für einen griechischen oder römischen Krieger halten, da die
Form seines Helms nichts von der Sitte der classischen Völker
Abweichendes hat^ allein der mit den übrigen Statuen stim-
mende Typus des Gesichts, ausserdem aber der Bart — er
hat nur einen Schnurrbart und Backenbart, das Kinn aber ist
glatt geschoren — verrathen den Barbaren. Er liegt sterbend
da, in ganz ähnlicher Stellung, wie die gleich im Folgenden
(n. 579) zu besprechende capitoliuische Statue. Die zweite
neapolitanische Figur, an welcher die Hälfte des linken Beins
und die Hälfte der Finger der rechten Hand restaurirt sind,
hat von allen den ausgeprägtesten Barbarentypus. Das Haar
ist von üppiger Wildheit, die Haare auf der Brust und unter
dem Arm sind ausgedrückt, wie man es ausser den Barbaren-
darstellungen nur noch an gemeineren Wesen z. B. an Mar-
syas hndet, und statt des Gewandes hängt ihm ein Thier-
fell über dem Arm. Er hat bis zum letzten Augenblick ge-
kämpft, der rechte Arm hat noch die Kampflage festgehalten
und die Hand hält noch den Schwertgriff umfasst Neben ihm
liegt sein Gürtel, der allerdings nicht von Metall, wie de^
jenige der zuerst erwähnten Figur, sondern von weichem Ma-
terial angenommen ist, vermuthlich in Einklang mit der be-
stehenden Sitte.
Dies sind die Reste aus der Gruppe der Gallierschlacht^
von den Gegnern der Gallier hat sich keiner erhalten. Es ist
wegen der liegenden Figuren nothwendig anzunehmen, dass
die Gruppe niedrig aufgestellt war, so dass der Betrachtende
auf die Leichen herabsehen konnte, und aus demselben Grande
ist wahrscheinlich, dass die Kämpfer nicht alle in Paare von
je zweien abgetheilt waren, sondern um die Gefallenen mossten
sich kleinere Gruppen bilden, welche den Raum über denselben
ausfüllten, der sonst eine Lücke gegeben hätte.
Auch von der Perser- und Amazonenschlacht ist in zwei
ebenfalls neapolitanischen Figuren je eine Figur erhalten. Hin-
sichtlich des Persers** sind wir freilich nicht ganz sicher.
* II. 377. 378.
** u. 379.
Naohhlnthe der pfriechisrhen Knnst. 325
Seine Kopfbedeckung entspricht nicht ganz der persischen
Motze. Sie hat zwar den hinten herabhängenden Zipfel, der
hier nur zusammengerollt ist, aber die Seitenklappen fehlen
nnd es fehlt femer das persische Aermelkleid, auch der Schild
ist nicht persisch, während allerdings das Schwert die ge-
krnmmte Form hat, welche die classischen Völker nicht
kennen, die aber doch nicht ausschliesslich persisch ist. Es
kann daher fraglich erscheinen, ob nicht auch diese Figur
vielmehr einen Gallier darstelle, die ja auch Hosen trugen
mid auch wohl eine der phrygischen Mütze ähnliche Kopf-
bedeckung getragen haben könnten, gleichwie die Dacier auf
der Trajanssäule.
Endlich die Amazorfe*, die auf dem Speer liegt, der ihr
den Tod gebracht, während die eigene Waffe zerbrochen da-
neben liegt. Der Charakter der kräftigen, männlichen Jung-
frau ist in ihr fast zu stark ausgeprägt, sie gewährt aber von
allen das friedlichste, sanfteste Bild einer Sterbenden.
Es fehlen uns noch zwei Figuren, die eine, vatikanische,
einen Perser darstellend, die andere im Louvre befindliche,
aaf einen Giganten gedeutet.
Wir wissen nicht, ob das Weihgeschenk des Attalus aus
Bronce oder Marmor bestand, doch ist bei der grossen An-
zahl der Statuen das letztere wahrscheinlich. Eine so figuron-
reiche Gruppe in Erz wäre unerhört und, wie man glauben
sollte, selbst ftir einen Attalus zu kostbar.
Die vorhandenen Figuren scheinen auch durchaus auf
Marmor berechnet zu sein. Sie machen nach ihrem Stil den
Eindruck von Originalwerken, auch scheint es unwahrschein-
h'ch, dass eine so figurenreiche Gruppe in ihrem vollständigen
Bestände — den wir nach der Anzahl der uns erhaltenen
Gallier vorauszusetzen hätten — je sollte copirt sein.
Suchen wir endlich das Werk nach seiner kunsthistori-
schen Stellung zu bezeichnen, so finden wir darin das Pathos
des vierton Jahrhunderts verbunden mit völlig frei natura-
listischer Darstellung. Allerdings ist der gegebene Vorwurf
der Art, dass er von selbst . auf eine solche Darstellung
führt, denn wie der griechische Typus zur Idealisirung, so
reizt der barbarische zur Individualisirung, und so besitzen
wir auch schon aus früherer Zeit BarbarondarstcIIungen, in
denen die Darbaren eben so treffend charakterisirt sind wie
326 Nachblüthe der griechischen Kunst.
hier*, allein die Verbindung des Pathetischen mit dem Natu-
ralistischen ist das Neue und Charakteristische und Ergreifende
an diesen Gruppen. Von allen früheren Werken sind die
Skulpturen des Mausoleums hinsichtlich des pathetischen Aus-
drucks am nächsten zu vergleichen, aber es fehlt ihnen das
Realistische, wobei freilich nicht zu übersehen ist, dass durch
die Formen der griechischen Physiognomie die Leidenschaft
immer bis zu einem gewissen Grade gedämpft erscheint Erst
jetzt haben wir besonders vor den Köpfen der beiden noch
fortkämpfenden venetianischen Figuren den Eindruck, dass
wir uns auf dem Boden der Realität befinden. Auf den Re-
liefs der Trajanssäule ist dieser Charakter der Realität noch
weiter getrieben, da fühlt man, dass es dem Künstler darauf
ankam, geschichtliche Ereignisse zu verewigen, während wir
hier schon durch die Nacktheit der Figuren, die dort gänz-
lich fehlt, daran erinnert werden, dass wir uns noch immer
auf dem Gebiet der griechischen Kunst befinden, welche die
geschichtliche Treue nur so weit berücksichtigt, als der ideale
Charakter ihrer Darstellung zulässt.
Die venetianischen Figuren sind abgebildet in den Antiche statiu'
che neu' antisala della libreria di S. Marco etc. tav. 44 — 46, die nea-
politanischen im mus. borbon. VI, 24 und 7. Vgl. Clarac pl. 8Ö8.
858 B. 868. 871. 872. 810 A. Die Zusammengehörigkeit der drei vene-
tianischen und zwei neapolitanischen Figuren wurde zuerst von E. Wolff
im bull. 1835 p. 159 ausgesprochen, die Auffindung der übrigen, die
richtige Erklärung der Darstellmig und die Identiflcirung mit dem
Weihgeschenk des Attalus (Paus. 1, 25, 2.) ist das Verdienst von
Brunn (Arch. Anz. 1865 p. 66. 67.), der seine schöne Entdeckung
hoffentlich bald näher ausfuhren wird. Vgl. Overbeck Gesch. d. gr.
Plastik II, p. 146.
Ueber die gallische Bewaffnung und Tracht vgl. Longperier im
bulletin archöolog. de l'Athönaeum fran9ais 1856 p. 41 ff. und den
Sarkophag Amendola mit der Erklärung von Blackie in Annali d. inst.
III, p. 287 ff.
579. Sterbender Fechter**, Marmorstatue, im sechs-
zehnten Jahrhundert in Rom gefunden und im capitolinischeu
Museum, vorher in Villa Ludovisi, befindlich. Ergänzt sind
(wie man sagt von Michelangelo) der rechte Arm von der
Schulter an und das Stück der Basis, auf welches er sich
* Schon auf einer alten Vase aus dem Anfang des fünften Jahr-
hunderts kommen höchst (tharakteristisch aufgefasste Aethiopen vor,
vgl. Gerhard Auserles. Vasen III, 207.
** Im Niobidensaal n. 19.
NiLchblüthe der gricThisclien Kunst 327
sttttst, also auch das nach seiner Form nicht passende aber
sicher ursprünglich vorhandene Schwert und das eine Ende
des HomS; das aber in ein Mundstück hätte auslaufen sollen;
ausserdem die linke Kniescheibe nebst den Zehen an beiden
Füssen.
Man hat gemeint; der rechte Arm sei nicht richtig er-
gänzt, sondern hätte steifer mit auswärts gekehrter Hand ge-
bildet werden müssen, wodurch der Körper eine festere Stütze
erhielte und die gleichförmigen Linien der beiden Arme ver-
mieden würden. Allein schon die gegebene Distanz wird wohl
nur einen geknickten Arm zugelassen haben, zudem hat der
Krieger offenbar nicht mehr die Kraft, den Arm aufzu-
stemmen und es würde ihm zugleich die grössten Schmerzen
machen, denn seine ganze Haltung ist einzig durch die
Wunde bestimmt, er liegt so, dass alle schmerzliche Span-
nung vermieden wird, daher ist der Körper nach rechts herum-
gedreht, daher die Haltung des linken Arms und des rech-
ten Beins.
Der sterbende Krieger ist ein Gallier, wie man durch
Vergleichung alter Nachrichten, welche eine genaue und an-
schauliche Beschreibung der gallischen Tracht geben, erkannt
hat. Der Schild zwar ist nicht specifisch gallisch, er findet
sich z. B. auf der Trajanssäule auch am Arm römischer
Krieger, und auch das Hörn, wodurch Winckelmann zu der
wunderlichen Erklärung der Figur als eines Heroldes, noch
dazu eines griechischen Heroldes veranlasst wurde, kommt
ähnlich bei Römern vor. Man hat dasselbe zwar für den
gallischen Gürtel erklären wollen, von dem so eben (zu n. 572)
die Rede war, aber es kann nichts Anderes gemeint sein, als
ein grosses gebogenes Hörn. Denn ^as Geräth ist inwendig
hohl, hat einen trompetenförmigen Abschluss und ist mit einem
Tragbande versehen, lauter Dinge, die an einem Gürtel nicht
verständlich wären. Am Hals aber trägt der Krieger einen
specifisch gallischen Schmuck, nämlich die schon aus der Ge-
schichte des Manlius Torquatus bekannte torques, ein ge-
wundenes goldenes Halsband, dergleichen sich auch vielfach
erhalten haben. Auf das Deutlichste bezeichnet endlich Bart
und Haar die gallische Nationalität, denn die den classischen
VölkeiTi fremde Sitte, nur den Schnurrbart zu tragen, war
unter den Galliern herrschend, und das Haar wurde durch
den stetigen Gebrauch einer besonderen Salbe so dick, „dass
es sich in nichts von den Mähnen der Pferde unterschied^',
328 Nachblüthe der griechischen Knnst.
ausserdem wurde es beständig aus der Stirn nach hinten ge-
strichen^ so dass die Leute ;;den Satjm und Panen ähnlich
wurden/^
Auch die Gestalt ^ so schön und schlank und kräftig sie
ist, verräth doch an den Extremitäten deutlich den Barbaren.
Die Form der Hand und der Füsse, die dicke Haut, die sie
bedeckt, und die vielen Falten über den Knöcheln der Hand
zeigen uns sogleich, dass wir es nicht mit den Formen der
idealeren griechischen Schönheit zu thun haben. Hiefür sind
auch noch zwei Einzelheiten charakteristisch, zuerst die pla-
stische Angabe der Augenbrauen, die wir gewöhnlich an den
Barbarenköpfen finden und die zu dem wilderen Aussehen
derselben nicht unwesentlich beiträgt, sodann die Darstellung
der Falten oder Runzeln an den Hoden, die ganz nach der
Natur wiedergegeben sind. Ich erinnere mich nicht an irgend
einer Statue etwas Aehnliches gesehen zu haben, man begnügt
sich sonst damit, nur den allgemeinen Umriss dieses Gliedes
nachzuahmen.
Der Krieger hat sich unzweifelhaft selbst den Tod ge-
geben, wie uns auch von dem edlen Barbarenstolz der Gallier
berichtet wird, der den Tod der Knechtschaft vorzog. Er hat
nichts von seinen WaflPen und sehiem Schmuck verloren, er
deckt seinen Schild mit seinem Körper und hat das Hom
vorher zerbrochen, ehe es des Feindes Beute wird.
Es liegt etwas unendlich Ergreifendes in dieser zusammen-
knickenden Heldengestalt, die doch ganz verschieden ist von
einem sterbenden Hellenen. Der Gallier stirbt finster und
ohne Klage, er giebt auch im Tode seinen Trotz nicht auf,
der Hellene aber ist weicher geartet und die Kunst darf
seinen Tod zarter und rührender, mit einer mehr elegischen
Schönheit darstellen.
Es ist die Meinung ausgesprochen, dass dieses Werk,
das nach aller Wahrscheinlichkeit ein Original ist, zu einer
Giebelgi'uppe als deren Eckfigur gehört habe. Die Figur ist
allerdings ganz so componirt, wie es die Ecke des Giebels
verlangt, und die sorgfältige Ausführung des Rückens und der
auf der Basis befindlichen Gegenstände, die in der Höhe nicht
gesehen werden konnten, steht nicht entgegen, da ja der
Künstler wie am Parthenon und am äginetischen Tempel aus
reiner Liebe zu seinem Werk diese allseitige Vollendung er-
streben konnte, aber die Annahme hat auch nichts Zwingendes
und könnte höchstens für ein vorauszusetzendes Original richtig
Nachblfithe der f?riechischeii Kunst. 329
sein, da diese Figur, wie die Form der Basis zeigt, für sich
gestanden hat.
Die Entstehimgszeit dieser Statue zn bestimmen, ist sehr
schwer, nnr eine Zeitgränze lässt sich mit Sicherheit an-
geben. Nicht eher nämlich wird ein griechischer Ktinstlor
eine solche Statne haben schaffen können, ehe nicht die Gallier
mit seinem Volk in Berührung gekommen waren, mit einem
Wort eine historische Veranlassung hat die Statue ins Leben
gerufen, und eine solche ist vor dem 3. Jahrhundert v. Chr.
nicht anfznfinden. Damals aber, als die Gallier in Griechen-
land und Kleinasien einbrachen, entstanden Kunstwerke zur
Verewigung ihrer Niederlage. Der König Attalus von Per-
gannm, der sie besiegt hatte, weihte auf die Akropolis von
Athen mit anderen grossen Gruppen auch eine Gallierschlacht,
deren Reste wir eben besprochen haben, und Hess noch eine
andere Gruppe desselben Gegenstandes durch mehrere uns
namhaft gemachte Ktlnstler in Bronce ausführen. Gewöhnlich
wird nun der sterbende Fechter als ein Ueberbleibsel der zu-
letzt erwähnten Gruppe angesehen, und gewiss ist diese Mei-
nung sehr ansprechend. Nur muss die Figur dann als eine
Copie angesehen werden, da Plinius jene Gnippe unter <len
Erzarbeiten aufführt, und zudem scheint uns zwischen den
Ueberresten aus dem Weihgeschenk des Attalus und dorn
sterbenden Fechter nicht die Uebereinstimmnng zu sein, die
man bei Werken derselben Zeit und Schule .erwarten sollte.
Eine jener Figuren des Attalus ist ihm zwar in der Stellung
ähnlich, aber doch nicht so, dass ein Einfluss der einen auf
die andere nothwendig anzunehmen wäre, im Allgemeinen ist
der Fechter charakteristischer und naturalistischer gearbeitet,
auch scheinen die Proportionen nicht dieselben zu sein, der Kopf
des Fechters hat, wenn ich mich nicht iire, ein grösseres Ver-
hältniss zum Körper als bei jenen. Wir können daher die Mög-
lichkeit einer anderen Zeitbestimmung, wonach der Fechter ein
römisches Werk sein soll, nicht entschieden bestreiten. Es ist klar,
dass die Kämpfe der Römer mit den Galliern den historischen
Anlass zu solchen Darstellungen geben konnten und die erhalte-
nen Werke zeigen, wie vorzügliche Darstellungen von Barbaren
in römischer Zeit gearbeitet wurden. Wir erwähnen nur die so-
j?<»nannte Thusnelda in Florenz, eine der schönsten Statuen des
Alterthums, ausserdem dieTrajanssäiüe und den Sarkophag Amen-
dola im cnpitolinischen Musenni, auf d(»m v'm Kani])f zwischen
Rönioni und Galliern in höchst bedeutender Weise dargestellt ist.
330 Nachblüthe der griechischen Kunst.
Die Abbildungen und Literatur bei Longperier im bulletin archtol.
de l'Athenaeiun fran9ais 1856 p. 41 ff., der das Hom, dessen beide
Enden er für antik hält, für einen Giirtel erklärt. Vgl. 0. Müller Handb.
§. 157*, 2. Bnmn Gesch. d. gr. Künstler I, 444 ff.
580. Der Gallier und sein Weib*, Marmorgrappe
in Villa Ludovisi. Ergänzt sind am Mann der rechte Arm
mit dem Schwertgriff, an der Frau der linke Unterarm und
die rechte Hand.
Ob der rechte Arm richtig ergänzt ist, steht nicht ganz
fest. Man hat eine andere Haltung der Hand vorgeschlagen,
nämlich so, dass der Daumen nach oben gekehrt und das
Schwert wie ein Dolch gehalten wäre. Der Stoss sei dann
kräftiger und zugleich würde der Ellbogen sich etwas senken,
wodurch der Kopf für die Betrachtung freier würde. Beides
ist gewiss begründet, doch lässt sich für die vorhandene Re-
stauration dies anführen, dass es für die wilde Leidensehalt
des Kriegers natürlicher ist, wenn er, der offenbar so eben
noch im Kampf mit einem Feinde begriffen war, das Schwert
in derselben Haltung wie vorm Feinde gebraucht, als wenn
er darin gewechselt hätte, wie nach jenem Vorschlage anzu-
nehmen. Die Handlung des Kampfes und des Selbstmordes
folgen mit Blitzesschnelle auf einander.
Denn offenbar ist die Situation diese, dass der Krieger
dem verfolgenden Feinde, dem das trotzig zurückgewandte
Gesicht gilt, mit starkem Schritt entronnen ist, sein Weib
getödtet hat und nun sich selbst den Tod giebt, den er der
Gefangenschaft vorzieht. Die Gruppe ist die schönste Ver-
herrlichung des unbändigen, aber edlen Freiheitsstolzes eines
Barbaren.
Es ist klar, dass diese Figur derselben Nationalität und
derselben Schule angehört, wie die eben besprochene. Auch
die Schilde stimmen sogar in den Verzienmgen tiberein. Der
hinten flatternde Mantel verstärkt die Leidenschaft der Situa-
tion, die Haare unter dem Arm sind ausgedrückt zur wirk-
sameren Charakteristik des Barbaren.
Zu der wilden Leidenschaft des Mannes bildet einen
ergreifenden Gegensatz das rührende Bild der sterbenden
Frau, die nach der Weise barbarischer Völker ihrem Manne
in den Kampf gefolgt ist. Auch in ihr ist der Barbarentypus
in der Tracht und in den Formen sehr signifikant ausgedrückt
♦ In Tegel.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 331
Das Haar^ ohne Band und irgend welche Frisur^ macht den
Eindnick des Uncultivirten und Verwilderten, und das breite
Gesicht entfernt sich eben so sehr vom classischen Typus.
Der mit Franzen besetzte Mantel ist wohl für ein Zeichen
der Vornehmheit zu halten, es ist aber bemerkenswerth, dass
die beiden Zipfel des Mäntelchens nicht wirklich, sondern
nnr scheinbar zusammentreffen. Der Künstler hat in Eück-
sicht auf die nicht in die Augen fallende Stelle eine genauere
Darstellung für unnöthig gehalten.
Abfj. bei Piranesi Stat. 28. MaflFei raciolta 60. «1. Müller-Wic-
«Ipt I, 48, 218. Vgl. E. Braun Ruinen nnd Museen Roms p. 565.
Bnuin Gesch. d. griech. Künstler I, p. 444 ff.
581. Venus von Milo*, Marmorstatue, im Februar
1820 auf der Insel Milo von einem Bauern, der in seinem
Garten arbeitete, entdeckt und zwar in einer Nische an den
Mauern der alten Stadt. Der französische Gesandte, Marquis
de Rivi^re, kaufte sie und schenkte sie dem König von Frank-
reich, der sie im Louyre aufstellte. Zwei Jahre später wurde
nacli den fehlenden Theilen der Figur gesucht und man fand
ein Stück eines linken Oberarms und einer linken Hand, einen
Apfel haltend. Es wird versichert, dass diese Fragmente von
demselben Marmor und derselben Hand seien, auch fänden
sich auf der Hand Abblätterungen des Marmors, die sich in
entsprechender Richtung auf dem Fragment des Arms bis zur
Schalter verfolgen Hessen. Das letztere Fragment schliesst
nicht unmittelbar an die Schulter an und ist darum auch
nicht mit ihr verbunden. Die Statue ist aus zwei Blöcken
gearbeitet, deren Fuge eben über dem Gewände Hegt, der
linke Arm war aus einem besonderen Stück angesetzt. Re-
staurirt ist in neuer Zeit die Nasenspitze und in alter der
linke Fuss, soweit er aus dem Gewand hervortritt, aber mit
so wenig Geschick, dass er wieder abgenommen ist. Die Ohren
trugen Ohrringe.
Die Ergänzung der Statue und somit das Motiv der-
selben ist trotz vieler Untersuchungen noch nicht mit voUer
Sicherheit anzugeben. Wenn freilich das erwähnte Fragment
derj Hand wirkHch zur Figur gehört, so ist die Frage er-
ledigt, die Göttin hielt dann wie triumphirend den Apfel des
Paris in der Linken empor. Aber es wird von anderer Seite
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 2,
332 Nachblülhe cl(»r f^^iochischon Kunst.
bezweifelt, dass das Fragment, sei es in der Arbeit, sei es
in der Grösse, übereinstimmen, auch scheint es, dass die
beiden Arme eine gemeinsame Action hatten, man hat da-
her vorgeschlagen, von dem Fragment ganz abzusehen und
die Göttin nach Anleitung erhaltener Darstellungen mit' Ares
zu gruppiren, dem sie den linken Arm über die Schulter lege,
während ihre Rechte wie bittend sich zu ihm wende. Allein
dann mtisste ihr Kopf mehr ins Profil gestellt sein, auch würde
die Biegung des Oberkörpers nach rechts keine Erklärung
finden. Am allgemeinsten ist die Annahme, dass die Göttin
den Schild des Ares in beiden Händen gehalten, ohne sich
freilich, was nach der Haltung des Kopfes unmöglich wäre,
darin zu bespiegeln, sondern nur wie ein Zeichen des Triumphs.
Daraus erklärt man die Biegung des Oberkörpers nach rechts,
indem sich die Figur der Last des Schildes leise entgegen-
stemmc, und unter dem linken Fuss supponirt man nach ana-
logen Statuen einen Helm, der dann flach auf der Seite liegen
mtisste. Aber auch diese Vermuthung hat keine genau über-
einstimmende Wiederholung für sich anzuführen und ist nicht
recht verständlich. Die Bespiegelung im Schilde ist ein wenn
auch spielendes, doch verständliches Motiv, aber dass die
Göttin den Schild mit Anstrengung seitwärts hinhält, ohne
ihn zu einem praktischen Zweck zu benutzen, hat keine rechte
Pointe. Auch versichern competente Augenzeugen, dass das
Fragment des Oberarms, dessen Zugehörigkeit nicht zu be-
zweifeln sei, eine nach oben, nicht nach unten geöffnete Hand
voraussetze, was mit dieser Annahme unvereinbar wäre. End-
lich hat man auch ganz den Gedanken an eine Venus, die
doch deutlich genug in den Formen und im Auge bezeichnet
ist, aufgegeben und eine ungeflügelte Victoria mit dem Schild
angenommen. Indessen unterscheiden sich die analogen Dar-
stellungen der auf einen Schild schreibenden Victoria doch
wieder dadurch, dass sie mehr ins Profil gestellt sind.
Die Schwierigkeit der Erkläning nimmt noch zu durch
eine Betrachtung der Basis. Zugleich mit der Statue und an
demselben Ort wurde nämlich die Ecke einer Basis mit einer
Inschrift darauf gefunden, die wie der Bericht angiebt zwar
von anderem Marmor sei, aber mit ihrer Bruchfläche so genau
an den Bruch der Statuenbasis anpasse, dass ihre Zugehörig-
keit nicht zu bezweifeln sei und die Wahl verschiedenen
Marmors dadurch erklärt werden müsse, dass ein Stück dÄ
urspi-ünglichen Basis verloren gegangen und in Ermangelung
Nachblüüie der griechischeu Kunst. 353
gleichen Marmors durch eiu Stück von anderer Qualität er-
setzt worden seL Dieses Stück ist nun im Louvre, wo es
sich befand^ nicht mehi' aufzutindcu^ so dass eine nochmalige
Untersuchung unmöglich ist. War aber das Stück wii'küch
zugehörig; so muss sich rechts neben der Figur noch em
Pfeiler, -eine Herme oder etwas Aehnliches befunden haben,
da die Abbildung auf der oberen Fläclie des Stücks ein vier-
eckiges Loch verzeichnet und ausserdem die rechte Seite der
Basis weiter vorspringt als die linke. Es wäre voreilig, hier-
von ausgehend Vermuthungen aufzustellen, da die Verschieden-
heit des Marmors immer ein gewichtiges Bedenken gegen die
nrsprüngliche Zusammengehörigkeit dieses Stückesmit der
Basis abgiebt. Leider ist uns wie gesagt eine nochmalige
Controle versagt, aber das wäre wenigstens möglich und
wünschenswerth, dass die Fragmente des Arms und der Hand
noch einmal genau untersucht würden. Einstweilen bleibt
nichts Anderes übrig, als sich einer bestimmten Meinung zu
enthalten.
Die Inschrift vnirde, wenn sie zugehörig ist, einen sonst
nicht bekannten Alexandres, des Menides Sohn aus Antiochia
am Mäander als Künstler angeben und das Werk in die Zeit
diesseits Alexanders hinabrücken. Nach dem Stil schliesst
man freilich auf eine frühere Entstehuugszeit. Die grossen
stolzen und zugleich lebensvollen Formen und das Scharf-
kantige des Gewandes scheinen darauf zu deuten, dass die
Statue nicht sehr fern von den Parthenonstatuen entstanden
ist. Aber wir sind so arm an griechischen Originalwerken
des vierten und der folgenden Jahrhunderte, dass wir auch
hierin uns vor zu sicheren Urtheilen hüten müssen. Gewiss
aber ist die Statue ein griechisches Originalwerk und so frisch
und lebenswarm wie wenig andere. Die Vergleichung der
gegenüberstehenden Venus von Capua (n. 582) ist sehr ge-
eignet, den Unterschied zwischen schwellendem Leben — man
sehe besonders den Druck des rechten Arms auf den Busen
— und kalter conventioneller Behandlung fühlbar zu machen.
Der Charakter der Formen ist im Allgemeinen den älteren
Venustypen verwandt, mehr voll und kräftig als zart. Auch
die einfache Anordnung des Haars erinnert an die knidische
Venus des Praxiteles.
Zuerst abgeb. und besprochen von Quatremere de Quincy, Sur la
t»tatue antique de Venus, decouverte dans l'Ile de Milo en 1820. Paris
1821, der sie uiit Mars gruppiren will. Von seinen sonstigen Bemer-
334 Nachblüthe der griechischen Kunst.
kungen ist die Hinweisung auf die AehnUchkeit des Kopfes der Statue
mit dem Kopf der knidischen Venus im Vatikan sehr richtig und be-
merkenswerth. Unter demselben Titel und in demselben Jalir ist eine
Abhandlung von Graf Clarac erschienen, der die Zugehörigkeit der
Hand mit dem Apfel vertheidigt und ebenso das Fragment der Basis,
das er allein mit hat abbilden lassen, als zugehörig betrachtet. Millin-
gen Anc. unedit. monum. 2 pl. 6 nimmt an, dass sie einen. Schild ge-
halten, ebenso Welcker A. D. I, 437 ff. Vgl. Overbeck Gesch. d. gr.
Plastik n, p. 257 ff. Ucber das Stück der Basis mit der Insciu'ift hat
mir Hr. A. de Longperier eine gütige Mittheilung gemacht, die ich mir
im Interesse Vieler zu pubhcirjen erlaube:
Les questions relatives a la Venus de Milo ont 6te, je le crois,
compliquees . bleu inutilement, parcequ'on a voulu donner artificiellement
ä cette excellente statue une importance que sa beautö suffisait par-
faitement ä lui assurer. D'abord, lorsqu'elle fut decouverte on döcida
qu'elle avait et6 faite par Praxitele. Cela fut la soiurce d'une foule
d'erreurs. J'ai connu des gens qui malgre la publication de l'inscription
donnöe par Clarac, soutenaient encore vingt ans et trente aus plus
tard que la statue est de Praxitele.
On avait dit au roi Louis XVHI que la statue dont I'am-
bassadeur de France lui faisait present etait l'oeuvre du celöbre sculp-
teur de Phryne, et je crois que ce fut la cause de la perte de l'in-
scription. Dans l'esp^rance qu'on se serait bornö ä cacher la portion
du marbre qui portait cette inscription, j'ai fait faire, il y a dix huit
aus de grandes recherches daus les caves du Louvre. J'ai mdme fait
fouiller des inegalites du terrain qui pouvaient reeller des fragments
de marbre, mais je n'ai rien decouvert, et j'ai maintenant la crainte
que le marbre ait 6te attaque ä coups de ciseau. ActueUement, la
partie antique de la basc qui entoure les pieds est encastr^e dans une
plinthe moderne qui ue permet pas de voir en quel 6tat est cette base.
Mais je connais tres-bien la barbarie avec laquelle on traitait les mo-
nument antiques, lorsque MM. Percier et Fontaine avaient la haute main
sur les travaux du Louvre, pour croire qu'on se serait arr^tö devant
une mutilatio«. Quant ä la maniere dont l'inscription a 6i6 relevöe,
j'en tiens le recit de ceux lä möme qui y ont pris part.
Vous savez que le grand peintre Louis David avait 6i6 exiU ä
ßruxelles, apres le retour des Bourbons. Lorsqu'll apprit par les jour-
naux Parrivee de la Venus de Milo ä Paris, il ecrivit ä son 616ve le
Baron Gros et lui dcmanda un dessin du marbre grec. Gros chargea
un de ses jeunes eleves, Auguste Debay, ne en 1804, d'aller au Louvre
fahre le dcsshi. Le jeune homme fut accompagn^ par son pere J. B.
Debay qui lui \n6me ötait €\eve de David et camarade de Gros. Ni
le pere, ni le fils ne savaient un mot de grec. Je les ai assez iuti-
mement connus tous les deux pour pouvoir vous l'aifirmer. Hs n'onl
donc pas pu inventer Tinscription. Ils m'ont dit plusieurs fois qu'elle
avait ete copiee trait pour trait teile qu'ils la voyaient sur la base, et
sans qu'ils comprissent le sens de ce texte. Un calque du dessiu fiit
envoye ä Bruxelles. Le dessin rcsta entre les mains de Debay le pere,
et c%;st ainsi que M. de Clarac put en obtenir plus tard une copie.
Hr. Longperier hält auch die beiden Fragmente, das der linken
Hand und des linken Oberarms für bestimmt zugehörig und bemerkt,
dass das letztere eine nach oben geöffnete Hand voraussetze.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 335
582. Venus von Capua*, Marmorstatue, im Amphi-
theater zu Capua um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ge-
funden, zuerst im königlichen Schloss zu Caserta, später im
Moseum zu Neapel aufgestellt. Ergänzt sind die Nase, beide
Anne, das über den linken Oberschenkel herabfallende Ende
des Mantels und der unter dem linken Knie herabhängende
Zipfel Die Basis ist in diesem Abguss nicht vollständig, der
unterste wulstartige Theil derselben erstreckt sich am Origi-
nal noch ziemlich weit nach rechts, so dass jedenfalls noch
eine zweite Figur darauf gestanden hat. In Neapel ist die
Statue von dem Bildhauer Angiolo Brunelli so restaurirt, dass
sie in der Linken eine Lanze hält, während die Rechte hin-
weist auf die nebenstehende Figur, einen Amor mit Köcher
md Pfeil in den Händen, der nebst dem obem Theil der
Basis in Gyps hinzugefügt ist.
Mit Hülfe eyier Münze kann die Statue mit Sicherheit
ergänzt werden. Dort ist nämlich Venus in derselben Stel-
long, einen Schild in dem sie sich spiegelt in den Armen
Iwdtend, dargestellt, und neben ihr ein kleiner Amor mit leb-
hafter Geberde, wie jubelnd über den Triumph der Mutter,
die dem Ares seinen Schild genommen — auch sein Helm
liegt unter ihrem Fuss — und ihn zum Spiegel ihrer Schön-
heit benutzt. Nur ein kleiner Unterschied muss in der Hal-
tung des Schildes zwischen der Münze und der Marmorgruppe
angenommen werden, in letzterer wurde der Schild nicht frei
gehalten, sondern die eckig gebrochene Falte über dem lin-
ken Knie führt darauf, dass er an dieser Stelle aufruhte.
Wie das Motiv — die Spiegelung im Schilde — etwas
Schwaches und Eitles hat, so sind auch die Formen dieser
Venus von unbestimmter, verschwommener Weichheit im Ge-
gensatz zu der frischen Kraft der Venus von Milo, welcher
sie in der Composition nahe steht. Die Statue scheint ein
römisches Werk zu sein, auf spätere Zeit weist auch die
plastische Bezeichnung des Augapfels und die Stirnkrone, die
den frühem mehr einfach weiblich als königlich dargestellten
Venusstatuen fehlt. Vermuthlich stand sie in einer Nische
des Amphitheaters, in dem sie gefunden, und machte nur den
Anspruch eines decorativen Werks. Ein griechisches Original
liegt ihr aber wahrscheinlich zu Grunde, das indessen wegen
* Im Saal des FariiesischtMi Stiers n. 3.
336 Nachblüthe der gnecliisüheu Kuust.
des etwas tändelnden Motivs wohl nicht früher als in alexan-
drinischer Zeit entstanden ist.
Abg. bei Millingen anc. uued. monum. II, 5. Mus. borbon. UI,
54. Gerhard Aiit. Bildw. Taf. 10. Ueber den Fundort Winckelmanu
Gesch. d. K. 12, 1. §. 5. Rucca, Capua vetere, Napoli 1Ö28 p. 138.
139. Die Münze ist abg. bei Vaillant, uumismata imperat. in colou.
percussa II, 51.
J583. Venus*, Marmorstatue, 1776 von Gavin Hamilton
in Ostia gefunden und mit der Townley'schen Sammlung ins
Britische Museum übergegangen. Ergänzt sind der linke Arm
und die rechte Hand.
Leider sind wir nicht im Stande, die richtige Ergänzung
und damit das Motiv dieser Statue anzugeben, die ihrer gross-
artigen Anlage nach gewiss auf ein älteres griechisches Werk
zurückgeht. Dass sie selbst aber wohl erst in römischer Zeit
entstanden, geht vielleicht schon aus dem Umstände hervor,
dass der Marmorblock aus dem das Nackte gearbeitet, von
lichterem Ton ist als der zur Draperie benutzte. Dies Ver- .
fahren erinnert wenigstens an die römische Weise, verschie-
denartige Marmorarten zu einer und derselben Statue zu ver-
wenden und entspricht gewiss nicht dem edleren griechischen
Geschmack.
Abg. Specimens of anc. sculpt. I, 41. VgH Vaux Uandbook to ihe
brit. ums. p. 167. Die Figur geht übrigens nicht, wie 0*. Müller Handb..^
§ 377, 5. 6. bemerkt, mit der Venus von Arles auf dasselbe Ori^^l*
zurück, wenigstens sind erliebliche Verschiedenheiten zwischen beiden. . "
584. Venusbtiste**, von Marmor, 1823 im Theater '
von Arles gefunden und ebendaselbst befindlich. Die Nase
ist ergänzt.
Einer der schönsten Venusköpfe und dem Kopf der kni-
dischen Venus des Praxiteles sehr nahe stehend.
Vgl. bull. 1835 p. 135 und Wajigen im Arch. Anz. 1856 p. 206.
239. Stark, Städteleben, Kunst und Alterthum in Südfrankreicli p. 79-
592. vergleicht diesen Kopf mit der Farnesischen Flora, der aber er-
gänzt ist.
585. Venus vom Capitol***, Marmörstatue, in Rom
im Thal zwischen dem Quirinal und Viminal gefunden, und
* Ein Bronceabguss dieser Figur ist im Grieclüschen Hof u. 4 , ein
Gypsabguss im Gewerbeinstitut.
** im Gewerbehistitut.
*** Im liümischen Saal n. 112.
Nachblüthe der griechischeu Kunst. 337
zwar war die Figur vermauert wie ein Schatz den man vor
der Zerstörung retten wollte. Benedikt XIV. setzte sie in
das capitolinische Museum. Da sie vermauert war^ so ist sie
fast unversehrt erhalten, restaurirt sind nur die Nasenspitze,
der linke Zeigefinger und der rechte zur Hälfte.
Die Göttin hat das Gewand auf das Wassergefäss an
ihrer Seite gelegt und ßteht nun völlig nackt zum Bade be-
reit da. Diese Situation ruft unwillkürlich in der edleren
Weiblichkeit das Gefühl der Schaam hervor, durch welches
die gebückte und zusammengeschmiegte Stellung und die Hal-
tung der Arme veranlasst ist. Die Formen sind viel reifer
und frauenhafter als die der mediceischen (n. 587) und wenn
wir das jüngere Alter der letzteren der angenommenen Situa-
tion entsprechender finden, so ist andrerseits der Ausdruck
der Schaam in der capitolinischen Venus tiefer und wahrer.
Dies Werk wird mit Recht für ein Original gehalten
und, dürfen wir hinzusetzen, für ein griechisches. Denn das
Lebensvolle in der Bildung des Nackten, das diese Figur in
ganz besondrer Weise auszeichnet, ist noch an keinem Werk
römischer Zeit beobachtet und scheint nur der griechischen
Kunst, die der Natur näher stand, eigen zu sein. Freilich
ist die weiche Elastizität der Muskeln im Gyps weniger fühl-
bar als im Marmor, es giebt wenig Statuen, die so sehr durch
den GjHPsabguss verlieren, wie die capitolinische Venus.
Versuchen wir nun eine nähere Zeitbestimmung, so giebt
uns zunächst die knidische Venus des Praxiteles eine feste
Grenze. Von dieser ist das Motiv entlehnt, indem in der
capitolinischen nur ein weiter vorgeschrittener Punkt fixirt
ist, denn die knidische Venus zögert noch, das schützende
Gewand aus der Hand gleiten zu lassen. Aber es ist doch
auch ein etwas verschiedener Geschmack in beiden, die kni-
dische Venus gehört einer noch einfacheren, strengeren Rich-
tung der Kunst an, die capitolinische ist nicht ohne ein ge-
wisses Streben nach Eleganz gearbeitet. Bezeichnend ist das
einfach gescheitelte Haar der ersteren gegenüber dem reiche-
ren anspruchsvolleren Putz der letzteren, bezeichnend auch
das mit Franzen besetzte Gewand über dem Wassergefäss,
dessen schlanke Form übrigens zwar weniger praktisch ist
als das Gefass neben der knidischen, aber nothwendig war
um sich mit der Figur zusammenzuschliessen. Die capitolini-
sche Venus wird demnach als ein griechisches Werk aus der
Periode nach Alexander zu betrachten sein.
Friedericbs. grivcli.- Plastik. 22
338 Nachblüthe der griechischen Ruust.
Abg. Mus. Capitol. III, 19. E. Bmun Vorschule d. Kunstmythol.
81. Müller -Wieseler II, 26, 278. Vgl. E. Briiuii Ruinen und Museen
Roni's {). 220 ff.
586. Venustorso*, in Neapel befindlich.
Dieser schöne Torso kann nach einer in mehreren Exem-
plaren erhaltenen Glaspaste restaurirt werden, es ist nämlich
eine Venus, im Begriff ihr Gewand abzulegen, um ins Bad
zu steigen. Der rechte Arm stützte sich auf einen Pfeiler,
doch so, dass die Hand zugleich das Gewand hielt, der linke
Arm war gekrümmt und die fast bis zur Höhe der Schulter
erhobene Hand hielt die andere Hälfte des Gewandes, dessen
Zipfel auf ein neben der Figur stehendes Wasserbecken her-
abhing. Der Moment also ist der, wo die Göttin das Gewand
bereits auseinandergeschlagen, so dass es sich nun ah ihrem
Kücken als ein herrlicher faltenreicher Hintergrund hinspannt,
aber noch einen Augenblick zögert, es fallen zu lassen, um
ins Bad zu steigen.
Es ist nicht zu läugnen, dass das Motiv sehr schön und
wirkungsvoll ist, nicht geringere Bewunderung aber verdienen
die Formen, die dem Typus der knidischen Venus nahe kom-
men, von welcher ja auch das allerdings frei und selbststän-
dig variirte Motiv abstammt. Wir müssen diesem Torso, den
wir als ein Originalwerk betrachten, griechischen Ursprung
vindiciren und ihn der Zeit nach nicht allzulange nach der
knidischen Venus des Praxiteles ansetzen.
Die einzige mir bekannte Abbildung ist auf dem Titelbild vom
Mus. borbon. IV. Auch die ülaspaste, vennittelst deren die Figur re-
staurirt werden kann, ist soviel ich weiss, nirgend abgebildet, Bwei
Exemplare derselben befinden sich im hiesigen Gemmeucabiuet, sind
aber noch nicht catalogisirt.
587. Mediceische Venus**, Marmorstatue, in Rom im
Porticus der Octavia gefunden, früher in der Villa Medici in
Rom, seit 1770 in Florenz. Die Statue ist aus elf Stücken
zusammengesetzt, und ergänzt sind der rechte Arm ganz, der
linke vom Ellbogen ab, und das vordere Stück der Basis,
welches die Inschrift trägt, auch am Kinn ist ein wenig geflickt.
Wie wir aus dem Delphin neben der Figur schliessen
dürfen, ist die Göttin als Anadyomene, als Meerentstiegene
gedacht und aus diesem Grunde ohne Gewand. Die Besorg-
* Im Römischen Saal n. 30.
** Im Saal des Farnesischen Stiers n. 14
Nacbblüthe der griechischen Kunst. 339
niss überrascht zu werden, veranlasst die Bewegung des
Kopfes und der Arme, aber die Schaam ist weniger ernstlich
gemeint, als in der knidischen und capitolinischen Venus,
deren Stellung viel eindringlicher das Gefühl der Nacktheit
und die Bitte um Schonung ausspricht. Die Formen sind
sehr zart und fein, die mediceische Venus ist unter allen
nackten Venusstatuen die jugendlichste, bei der wir aber die
Göttin ganz vergessen, die besser durch die volleren kräfti-
geren Formen der früheren Zeit gewahrt wurde. Ueberhaupt
hat der Künstler Alles was ihr etwas Göttliches geben könnte,
femgehalten; während die früheren Venusdarstellungen über
die natürliche Grösse hinausgehn, hält sich diese innerhalb
derselben und allerdings ist für diese Venus das colossale
Maass ebenso eine Unmöglichkeit, wie für die Venus von
Milo eine Nothwendigkeit. Der kleine Kopf hat unläugbar
einen stark sinnlichen Ausdruck, namentlich in den Augen,
an denen das für Venus charakteristische Heraufziehn des
ontem Augenlids stärker ausgedrückt ist als an irgend einer
andern Venus, und besonders charakteristisch ist das Grüb-
chen im Kinn, das der höheren Schönheit als etwas Klein-
liches und Spielendes fremd, für diese mehr reizende Schön-
heit aber bezeichnend ist. Ebenso sind die vergoldeten Haare,
das Armband und die Ohrringe charakteristische Zuthatcn.
Es fragt sich indess ob wir dies freilich so hochberühmte
Werk als ein eigentliches Originalwerk anzusehn haben, unter
den zahlreichen Wiederholungen dieses Typus sind mehrere,
die einen weniger sinnlichen Eindruck machen.
Dass dieser Typus auch als religiöses Bild verehrt wurde,
geht aus antiken Darstellungen hervor, man begreift freilich
nicht, wie vor einem solchen Götterbild wirklich religiöse
Empfindungen möglich waren, dieses Exemplar indessen hat
gewiss, wie der Fundort lehrt, nui* zur Zierde einer öffent-
lichen Halle gedient.
Wenn wir annehmen dürfen, dass die auf dem ergänzten
Stück der Basis befindliche Inschrift von der ächten dahin
übertragen, so ist Kleomenes des Apollodorus Sohn aus Athen
als der Künstler der mediceischen Venus zu betrachten, der nicht
vor dem zweiten oder ersten Jahrhundert v. Chr. gelebt hat.
Abg. Müller-Wieseh'r I, 60, 224. Vgl. Winckehnauu Vorläufige
Ahliuiuliuug § G3. Burckliardt, der Cicerone p. 450. E. ßraiui Kuiist-
inythol. p. 51. Briuiii (iescli. d. gr. Künstler I, 545. 562 f. Für die
Bot hu 111 II ng der Lebenszeit des Kleomenes sind wir wohl nur auf die
22*
340 Nachblütlie der griechischen Kunst.
Buchstabenformeu der Inschrift, corp. inscr. 6157, angewiesen, i
denen aber auch nichts Genaueres zu entnehmen ist, als das im T«
Bemerkte.
588. Venus*, Marmorstatue, aus der Sammlung Albj
ins Museum zu Dresden gekommen. Der obere Theil c
Hinterkopfes ist ergänzt.
Ein ausgezeichnetes Werk, das mit der mediceisch
Venus (n. 587), der es entspricht, wetteifern kann. Besc
ders schön, frisch und schwellend ist die Brust Der Ko
ist im Verhältniss etwas grösser und von edlerem Charakti
als an jener, das Grübchen im Kinn fehlt. Auch die Ol
läppchen sind nicht durchbohrt.
Abg. Becker Augusteum Taf. 27—30. Vgl. Hettner, die Bildw.
Kgl. Antikensammhmg zu Dresden n. 383.
589. Venus**, Marmorstatue, im Mai 1859 von Gui
in Kom gefunden und zwar vor Porta Portese im Berei
der cäsarischen Gärten neben den Ruinen eines Tempe
Ergänzt sind die rechte Hand, die Finger der Linken (d
durch kleine Stützen am Bein festgehalten waren) und d
Nasenspitze. Die Statue wurde nach Petersburg verkauft, ¥
sie sich jetzt befindet.
Diese Venus stimmt bis auf die Haltung des Kopfes n
mit der mediceischen tiberein. Sie ist schlichter und a
spruchsloser, aber in den Formen weit kälter.
Vgl. Annali 1860 p. 418.
590. Venuskopf***, von Marmor, im Anfang dies(
Jahrhunderts bei den Thermen des Diocletian oder CaracaU
— darüber variiren die Nachrichten — gefunden, im Vatika
befindlich. Brust und Nase sind ergänzt.
Sehr elegant und graziös gearbeitet, aber ohne tiefer«
Ausdruck. Der Kopf kommt dem Typus der mediceischei
Venus am nächsten.
Abg. Mus. Chiaram. tav. 27. Sickler u. Reinhart Almanach au
Rom 1811, Taf. 10 p. 139. In der Beschreibung Roms H. 2 p. 71 "
511 heisst es, der Kopf sei 1805 bo'i den Thermen des Diocletian g«"
funden, nach E. Braun Ruinen p. 277, der ihn gut charakterisirt, l"
er 1804 vor dem Hauptgebäude der Thermen des Caracalhi aufgeiuiideu
* Im Römischen Saal n. 10.
** Im Römischen Saal n. 107.
*** Im Niobidensaal n. 41.
Nachblüthc der griechischen Kunst. 34I
591. Venus*, Marmorstatue, im Jahre 1775 an der
Via Appia gefunden, jetzt im Museum zu Stockholm. Die
Ergänzungen sind nicht genauer bekannt, scheinen indess im
Wesentlichen richtig zu sein.
Die Idee ist dieselbe wie in der mediceischen Venus
(n. 587), auch die Formen sind ziemlich jugendlich, doch ist
diese Venus etwas weniger kokett und die Entblössung ist
etwas anders motivirt, nämlich wie in der capitolinischen
durch das Bad. Uebrigens steht sie der mediceischen an
Schönheit bedeutend nach, namentlich ist die Linie von der
rechten Brust zur Hüfte nicht schön.
Die Fundnotiz im Archaeol. Anz. 1853 p. 396 n. 154.
592. Venustorso**, von Marmor, aus Richmond Housc,
seit 1821 im britischen Museum.
Ein sehr schöner Torso, dessen Ergänzung wir nicht
anzugehen vermögen.
Abg. Marbles of thc brit. mus. XI, 35/ Ellis, Townley gallery I, 268.
593. Venustorso***, von Marmor. Wir können weder an-
geben, wo sich dieser schöne gewiss griechische Torso befindet,
noch auch wie das ursprüngliche Motiv gewesen ist.
594. Venus****, Marmorstatue in Syrakus, wo sie
1804 von Cav. Landolina in einem Garten, genannt di Bonavia,
gefunden wiirde. Die Stützen auf der Brust dienten dazu,
den rechten Arm zu halten, der den Busen bedeckte.
Die frischen lebensvollen Formen der Figur lassen ein
griechisches Werk erkennen und zwar ist es dem voller ge-
bildeten Venustypus der besseren Zeit verwandt. Nur hat
üie Anordnung des Gewandes etwas Absichtliches, was auf
spätere Zeit deutet. Es ist rein formell betrachtet von
grosser Wirkung, wie sich das Gewand der Göttin bläht und
deu nackten Formen einen reich belebten Hintergrund bietet,
aber es ist eben auch nur eine rein formelle Zuthat, die
weder aus der Situation noch aus dem Charakter der Figur
folgt. Und so schliesst sich denn diese Statue den zahlreichen
Venusfiguren an, die, zum Theil schon in der Zeit des Praxi-
* Im Römische» Saal 11. 9.
** Im Gewerbeinstitut.
*•* Im Niübidensaal n. 37.
***• Im Römischen Saal 11. 106.
342 Nachblüthe der griechischen Kunst.
teles entstanden, auf Darstellung des Göttlichen ja überhaupt
tieferen Ausdrucks verzichten und nur aus der Neigung nach
formeller Anmuth entstanden sind.
*
Abg. Serradifalco antichita di Siciiia IV. Clarac pl. 608. Die
Schrift von Politi sul simulacro di Venere trov. in Siraciisa, Palermo
1826 ist mir nicht bekannt worden.
595. Venus*, Marmorstatue, 1775 in Ostia und zwar
in einem antiken Bade gefunden, in die Townle/sche Samm-
lung tibergegangen und mit dieser ins britische Museum. Am
Original sind beide Arme ergänzt, G. Hamilton, unter dessen
Aufsicht die Ergänzung ausgeführt ist, nahm an, dass die
Figur in der Linken einen Spiegel gehalten und mit der
Kechten ihren Schooss bedeckt habe. Auf der rechten Seite
des Kinns ist eine kleine Erhöhung, die wir nicht zu erklären
wissen.
Das Motiv dieser Figur kann leider nicht bestimmt an-
gegeben werden, es scheint, als ob die Göttin ihr Gewand
sinken lasse, also sich etwa ftir's Bad vorbereite. Der Werth
der Statue ist nicht sehr bedeutend, interessant aber ist der
Fundort, woraus man schliessen mag, dass auch manche an-
dere der zahlreichen uns erhaltenen nackten Venusstatuen zur
Ausschmückung von Bädern gedient haben. Es lässt sich
nicht läugnen, dass solche Statuen für Frauenbäder in üppiger
Zeit gleichsam als Vorbilder und Ideale der Besucherinnen
eine passende Verzierung waren.
Abg. Marbies of the brit. mns. II, 22. Vaux handbook to the brit.
museum p. 203. Ellis, the Townley gallery I, p. 175.
696. Venus**, Marmorstatue, mit der Chigi sehen Samm-
lung im J. 1728 nach Dresden gekommen. Ergänzt sind der
rechte Arm, die linke Hand mit dem Gefäss und der Delphin.
Das Motiv der Statue ist nicht mit Sicherheit zu be-
stimmen, die Deutung auf Venus wird dadurch empfohlen,
dass in einer Wiederholung der Figur ein Amor auf dem
Delphin reitet. Vermuthlich diente diese Figur, wie es bei
anderen ganz ähnlichen noch deutlich sichtbar ist, als Brun-
nenverzierung, indem der Delphin als Wasserspeier benutzt
wurde.
* Im Niobidensaal n. 66. Ein Duplikat dieser Figur aus Brouce
welches die Ergänzungen mitgiebt, befindet sich im Griechischen Hof.
** Im Römischen Saal n. 21.
Nachblüthe der gnechischeii Kunst. 343
Die weiche Grazie der Bewegung und Formen und das
zwar hübsche^ aber etwas absichtliche Gewandmotiv verbieten,
«las Original dieser Figur in der Zeit vor Alexander zu suchen.
Abg. Becker Aiigiisteum T. 104. Vgl. Hettiier die Antikensamm-
liiiig zu Dresden ii. 184. An das Kredemnoii der Leukothea kaini bei
dem Kopfputz der Figiu", der ja nicht ans einem besonderen Gewaud-
Ntück bestellt, nicht g-edacht werden.
597. Venustorso*, von Marmor; wo das Original sich
befindet, wissen wir nicht.
Nach kleinen Broncen und Gemmen kann dieser Torso
mit Sicherheit ergänzt werden, Venus war nämlich an ihrem
Haar beschäftigt und zwar drückte sie die Tropfen des Meeres
iieraus, wir besitzen in dieser oft wiederholten Figur gewiss
das Motiv der berühmten Anadyomene des Apelles. Damit
ist auch zugleich eine Zeitgrenze gegeben, die Figur ist nicht
eher als in alexandrinischer Zeit entstanden. Wahrscheinlich
hatte das Original dieselbe Grösse, es entspricht wenigstens
solcher genreartigen und graziösen Auffassung der Gottheiten,
die dieser Zeit eigen ist, das geringere kaum halbe Lebens-
grösse überschreitende Maass der Figuren.
598. Torso einer Venus**, von Marmor; wo das Ori-
ginal sich befindet, wissen wir nicht.
In diesem Torso ist ein namentlich in kleinen Broncen
(Vgl. die beiden folgenden Stücke) sehr häufig wiederkehrender
Venust}'pus erhalten. Die Göttin ist an der Sandale beschäf-
tigt zu denken, sie zieht dieselbe mit der Rechten von dem
linken Fuss, während der linke Arm balancirend erhoben ist.
Ein Original von Erz liegt der Figur zu Grunde, denn auf
Erz ist die ganze Ausführung berechnet. Der Block, der
hier in der Marmorkopie das erhobene linke Bein unter-
stützt, beeinträchtigt nicht allein aufs Empfindlichste die
Grazie des Werks, sondern macht auch die balancirendc Ge-
berde des linken Arms überflüssig. Keine der erhaltenen
Cupien reicht über halbe Lebensgrösse hinaus, schwerlich
wird auch das Original grösser gewesen sein, dem Charakter
des Werks scheint ein geringeres Maass zu entsprechen.
Das Original dieser frisch und lebensvoll, gewiss von
griechischem Meissel gearbeiteten Figur scheint in die Zeit
* Im Niobidensaal n. 38. Ein Duplikat im Römischen Saal n. 22.
** Im Römischen Siial n. 65.
344 Nachblüthe der griechischen Kunst.
des Praxiteles oder seiner Nachfolger hinaufzureichen. Denn
schon zur Zeit dieses Künstlers beginnt die Eichtung^ die
Götter in rein genreartigen Situationen darzustellen. Nur
auf die Grazie der Stellung und Formen kam es dem Künstler
dieser Venus an, etwas Göttliches darzustellen war nioht mehr
sein Bestreben.
599. Venus*, kleine Broncefigur im Antiquarium zu
München.
In dieser kleinen Figur ist der eben besprochene Typus
der ihre Sandale lösenden Aphrodite vollständig erhalten.
Nur fragt sich, ob gerade dieses Exemplar antik sei, die Per
tina des Originals sieht verdächtig aus.
Abg. von Lützüw Müuchener Antiken Taf. 4 (welches Werk mir
leider nicht zugänglich ist), irrthümUch aufgefasst von Stark in der Eos
I, 164. Der Typus kommt fast in jedem Broncekabinet vor, am grössteii
in Palast Colonna, dessen Exemplar fast 2' hoch ist.
600. Venus**, kleine Broncefigur aus Herkulanam, in
Neapel befindlich.
Nochmals derselbe Typus, nur ist das Attribut, der Del-
phin, nicht allein tiberfltissig, sofidem auch störend. Das
Original hat goldne Bänder an Armen und Beinen, der letz-
tere Schmuck ist an Frauen und Kindern namentlich in den
pompejanischen Kunstwerken sehr beliebt, einzeln sieht man
ihn auch an Männern.
Abg. broiizi d' Ercolano II, 15. Vgl. Winckelmaun Seudschreibeit
über die herkul. Entdeckungen § 56.
601. Venustorso***, von Marmor, bei dem Bildhauer
* Cavaceppi gekauft und mit der Townley'schen Sammlung ins
britische Museum übergegangen.
Der, Torso ist im Motiv den eben besprochenen Venus-
darstellungen sehr ähnlich und von grosser Schönheit.
Abg. Marjl)les of the brit. mus. X, 20. Ellis Towuley gallerj I,
p. 205.
602. Venus****, kleine Broncefigur, im Jahre 1863 m
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 202.
** Im Saal der Thiere und 'Broncen n. 78, wo unter u. 321 aucii
noch eine kleine in Arolsen befindliche Bronce ausgestellt ist, die den-
selben Typus repräsentirt.
*** Im Gewerbeinstitut.
**** Im Saal der Thiere und Broncen n. 223.
Nachbluthe der griechischen Kunst. 345
Athen in einem Brannen gefanden ^ und vermuthlich noch in
Athen befindlich.
Venus ist beschäftigt sich das Busenband^ das die Stelle
des heutigen Corset vertrat, umzulegen. Die Figur ist öfter
wiederholt und geht gewiss auf ein grösseres statuarisclies
Werk zurück; das aber wegen des tändelnden, genreartigeu
Motivs wohl nicht über die Zeit Alexanders hinüberreicht.
Dies Exemplar ist nicht sehr vorzüglich ausgeführt, der Busen
fehlt fast ganz.
Abg. Archaeol. Ztg 1864 Taf. 183, 3 \). 147. Vgl. Aith. Anz.
18(>3 p. 119.
603. Venus*, kleine^Broncefigur; wo das Original sich
befindet, wissen wir nicht.
Das Motiv dieser Statuette ist nicht eben anziehend, die
Göttin ist nämlich beschäftigt, sich die Nägel an den Füssen
zu schneiden.
Die Figiu* kommt öfter vor, ich erinnere mich sie in Wien, Bo-
logna und noch an anderen Orten gesehen zu haben.
604. Venus und Anchises**, Broncerelief, in Para-
mjthia in Epirus gefunden und 1798 dort von Hawkins ge-
kauft, gegenwärtig im Eensiugton-Museum in London.
Das Relief wird mit Recht auf den Besuch der Venus
bei Anchises gedeutet, den der homerische Hymnus auf Venus
schildert, und zwar scheint der Moment gewählt zu sein, wo
sich Venus anschickt, den noch ruhenden und in ihren An-
blick versunkenen Anchises zu verlassen.
Das Werk gehört, so annmthig es ist, nicht der Blütho
der griechischen Kunst an. Schon deswegen nicht, weil das
Relief den decorativen Charakter schon aufgegeben hat und
fast rund hervortritt. Die oben besprochene Silbervase in
München (n. 497) kann im Gegensatz dazu zeigen, was in der
besten Zeit der Kunst üblich war. Ausserdem deutet auch
der graziös tändelnde Charakter der Darstellung auf spätere
Zeit, die Venus erinnert bereits sehr an so manche Figuren
auf den pompejanischen Bildern.
Abg. b. MilUngen ane. uned. monnni. 11, 13. Specimens ol* anci-
put sculpt. II, 20. Müller -Wieseler II, 27, 293. Vgl. die bei Welcker
Akad. Mus. z. Bonn n. 384 citirte Literat nr.
* Im Saal der Thiere nnd ßroncen, noch ohne Nummer.
•• Im Saal der Thiere und ßroncen n. 251.
346 Nachblüthc der griechischen Kunst.
605. Venus und Adonis*, von Terrakotta, in einem
Grabe auf der Insel Nisyros gefunden, früher im Besitz von
Thiersch, jetzt in Carlsruhe.
Der Proportionsunterschied der beiden Figuren ist nur
durch die Composition veranlasst, denn dasselbe Gresetz, das
wir öfter für den Relief stil geltend machten, dass nämlich
sitzende und stehende Figuren gleich hoch hinaufreichen, also
verschiedehe Proportionen haben müssen, ist auch in manchen
freien Gruppen beobachtet. Es wäre auch nothwendig eine
unschöne Composition entstanden, wenn der stehende Adonis in
gleichen Proportionen mit der sitzenden Venus gehalten wäre.
Die Gruppe ist sehr anmuthig und wird der alexandri*
nischen Zeit zuzuschreiben sein.
Abg. bei Thiersch, veterum artificum opera veterum poetamni car-
minibiis opüme expücari. Gratulationsprogramm von München 1835.
Taf. 5.
606. Venus Kallipygos**, Marmorstatue, mit der Far-
nesischen Sammlung nach Neapel gekommen. Ergänzt und
zwar mangelhaft ergänzt sind von Albaccini der Kopf und
alles Nackte über der Gewandung, der linke Arm von der
Schulter an mit dem Gewand stück, das er hält, und das rechte
Bein vom Knie abwärts. Canova lehnte die Ergänzung ab,
weil er nicht mit den erhaltenen Theilen rivalisiren zu können
glaubte.
Die Ergänzung ist im Wesentlichen richtig, sie kann
durch Wiederholungen der Figur in einer kleinen Bronce und
auf Gemmen controlirt werden. Die Göttin entblösst den in
ihrem Beinamen bezeichneten Körpertheil und sieht sich da-
nach um, als ob sie, seiner Schönheit gewiss, auf ihn die Blicke
der Bewunderer richten wolle.
Es gab nämlich in Syrakus ein Heiligthum der Venus
Kallipygos, von ein paar armen aber schönen Mädchen ge-
gründet, die ihre Schönheit und zwar die Schönheit eines ge-
wissen Körpertheils ebenso wie die Statue der Kritik expoiürt
und dadurch die Ehe zweier vornehmen Jünglinge gewonnen,
dann aber aus Dankbarkeit die Venus Kallipygos in dieser
an die . Veranlassung ihres Glticks erinnernden Stellung ge-
weiht hatten.
* Im Saal der Thiere und ßronceu n, 395.
** Im Römischen Saal n. 64.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 347
So widerwärtig das Motiv der Statue und seine Veran-
lassung uns vorkommen mag, so dürfen wir doch die Ver-
schiedenheit griechischer Sitte und Anschauung nicht vergessen.
Dem ästhetischen Enthusiasmus wurden oft die ethischen Rück-
sichten geopfert, wir erinnern nur daran, dass schöne Menschen
nur um ihrer Schönheit willen nach dem Tode heroisirt wur-
den und gottgleiche Ehren erhielten, und von Einzelheiten sei
nnr statt vieler anderen die bekannte That der Phryne er-
wähnt, die es wagen konnte, sich dem versammelten Volk als
Venus Anadyomene zu zeigen, weil sie gewiss war, Bewunde-
rung und nicht Tadel zu ernten.
Die Statue ist trotz ihrer grossen Schönheit doch schwer-
lich in der Blüthe der griechischen Kunst entstanden. Die
entblössten Venusstatuen der Blüthezeit sind, soweit wir sie
kennen, unschuldiger und weiblicher, wir sehen die Statue als
ein Produkt jener raffinirten, technisch ungemein bedeuten-
den, aber ethisch bedenklichen Kunstrichtung an, die auf die
Schöpfungen der jüngeren attischen Schule des vierten Jahr-
hnnderts gefolgt zu sein scheint.
Abg. Müller -Wicseler II, 25, 276. Vgl. die T/iteratur in Miiller's
Handb. § 377, 2 wo auch die in Arolscn befindliche und hier im Saal
•ler Tliiere und Broncen unter n. 328 im Abguss vorhandene Bronee
fiiirt ist, und die Gemme bei Tölken :•. 2, 425.
607. Leda mit dem Schwan*, Marmorrelief, von
einem Engländer im Jahre 1813 oder 1810 in Argos gekauft,
jetzt im britischen Museum.
Es ist der Moment gewählt, da der in den Schwan ver-
wandelte Gott an die Leda hinangeflogen ist und sie bereits
«l^ffen hat. Die majestätische Grösse des Vogels, dem
gegenüber Leda klein erscheint, war nothwendig um die Ucber-
wältignng des Mädchens zu motiviren. Unwillkürlich nimmt
zwar Leda eine Stellung ein, als wolle sie sich dem Verlangen
des Schwans nicht fügen, auch der schnell und straff aus-
gestreckte Arm will entweder das herabgesunkene Gewand
heraufziehen oder in anderer Weise der Absicht des Gottes
entgegenwirken, aber man fühlt zugleich an den wollüstig zu-
sammengeschmiegten Gliedern, dass der Widerstand nicht
kräftig und nachhaltig sein wird, sondern nur aus einem
augenblicklichen weiblichen Gefühl hervorging, dessen Aus-
Im Gewerbeiuötitut.
348 Nachblüthc der gricthischeii Kunst.
druck indess die Gruppe vor der Gefahr offener Gemein-
heit schützt.
Die Gruppe ist höchst merkwürdig sowohl in religions-
geschichtlicher als in künstlerischer Beziehung. Das Erste,
insofern kein anderes Monument so sehr die Vernichtung alles
religiösen Lehens dokumentirt, als dieses, welches Zeus selber
biosstellt, das Andere, weil das unsittliche so reizend und be-
stechend vorgetragen ist. Die Composition ist vorztlglich
schön und besonders anmuthig die Biegung des Schwanen-
halses, der seinen Kopf an den Nacken der Leda schmiegt,
die Ausführung ausserordentlich lebensvoll.
Wir betrachten das Werk als ein 'Produkt derselben
Kunstrichtung, aus der die eben besprochene Venus hervoi>
gegangen.
Abg. bei 0. Jahn Archaeol, Beitr. Taf. 1 p. 6. Vgl. denselben
in d. Archaeol. Zt^. 1865 p. 49 ff. Nur kann ich an dem Gybsabgiifw
nicht bemerken, dass der Schwan Leda in den Hals beisse, was nach
mein(T Ansicht auch kein glückliches Motiv sein würde.
608. Amor mit dem Bogen des Herakles*, Mar-
morstatue im capitolinischen Museum. Ergänzt sind die Arme
mit dem Bogen und die Beine.
Das Verständniss dieser sehr häufig wiederholten Figur
ist in Folge des trümmerhaften Zustandes, in dem sämmtliche
Exemplare, lauter Marmorstatuen, auf uns gekommen, noch
nicht gesichert. Doch ist es, wie wir glauben, möglich, mit
Hülfe einer Gemme und eines verhältnissmässig gut erhaltenen
Exemplars die richtige Restauration und den Gedanken des
Werks zu finden.
Auf einer Gemme der hiesigen Sammlung, welche eine
Copie der Statue giebt und vollständig erhalten ist, sieht nun
nämlich, dass Amor bemüht war, die Sehne an den Bogen za
spannen. Dies war das Motiv der Statue im Allgemeinen;
auch das nähere Detail ergiebt sich zum Theil aus der Gemme,
zum Theil aus einem in Venedig befindlichen Exemplar. An
dieser Figur hat sich nämlich an der rechten Seite des Beins
ziemlich nach hinten unter der Wade ein Stück des Bogens
erhalten, und zwar die äusserste Spitze, hübsch in einen Vogel-
kopf auslaufend. Man muss daher annehmen, dass der Bogen
nicht wie hier in der Restauration vorausgesetzt, vom sondern
mehr seitwärts, an der rechten Seite gegen das Bein gestemmt
* Im Niobidensaal n. 14.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 349
wurde. Und zwar thut Amor dies mit der linken Hand, die
den Bogen in der Mitte fest angefasst hat, während die Rechte
nach Angabe der Gemme auf dem anderen Ende des Bogens
lag. In dieser Hand musste er zugleich die Sehne halten, die
er um die Spitze des Bogens schlingen will, wir haben uns
also zu denken, dass er mit den Fingern die Sehne hielt,
während er mit dem Ballen der Hand das Hom des Bogens
niederzudrücken suchte, um es der Sehne zu nähern.
Die Procedur bei der Anfügung der Sehne war diese:
Nur an einem Ende des Bogens war die Sehne, um ihre
Spannkraft zu erhalten, dauernd befestigt, sie hatte aber
nicht eine überschüssige Länge, so dass sie mit beliebigem
Grade der Spannung um das andere Hom hätte gewickelt
werden können, sondern war so kurz, dass es einer bestimmten
Krümmung des Bogens bedurfte, um sie aufzuspannen, das
aufzuspannende Ende aber lief in eine Schlinge oder Oese
aus, die oben über das Hom des Bogens hinübergezogen
werden musste. Dies geht schon aus der Erzählung von den
Freiem im Hause des Odysseus hervor, die sich j> vergeblich
bemühen, die Sehne an den Bogen zu spannen, während sie
vom Meister des Bogens selbst ohne Mühe aufgezogen wird.
Wir hätten somit in unserer Statue einen Amor V4)r uns,
der die Sehne an seinen Bogen spannt, wenn nämlich wirk-
hch der Bogen dem Amor angehört und nicht etwa einem
Anderen. Denn es fällt einmal auf, dass Amor bei der
Spannung des eigenen Bogens so gar viel Anstrengung
nöthig haben sollte und femer, dass der Bogen so gross ist.
Gewöhnlich hat er einen viel kleineren Bogen und vielleicht
nicht ohne Grund. Denn wie ein griechischer Dichter die
Kleinheit seines Bogens betont in pikantem Gegensatz zu der
Grösse der Wirkung desselben, so mochten auch griechische
Künstler denken. Hier zeigt nun wieder nebst anderen Co-
pien das venetianische Exemplar den richtigen Weg. Der
Baumstanun nämlich, welcher in der hier ausgestellten Figur
ergänzt ist, hat sich dort erhalten, aber nicht als kahler
StanuD; sondern eine Keule lehnt daran und ein Lowenfell ist
darüber ausgebreitet. Also nicht am eigenen Bogen müht
sich Amor ab, sondem am Bogen des Herakles, dem er ihn
nebst Keule und Löwenfell geraubt hat.
Die Statue gewinnt dadurch eine treffendere Pointe und
schliesst sich einem grossen Kreise ähnlicher Vorstellungen
an, die wir besonders in pompejanischen Werken und in den
350 Nachblüthe der giiechischen Kunst.
Gemmen vertreten finden. Der pikante Gegensatz zwischen
dem kleinen Liebesgott als Sieger und dem mächtigsten aller
Heroen als Besiegtem ist ein Lieblingsthema der späteren
Kunst, das in mannigfachster Weise variirt wird. So sehen
wir auf einer schönen Gemme den Heros, der die Last des
Atlas zu tragen vermochte, zusammenbrechen unter dem kleinen
Gott auf seiner Schulter, und mit den Waffen des Herakles,
namentlich mit seiner mächtigen Keule, ist oft eine ganze
Schaar von Eroten beschäftigt, ihrer Meister zu werden.
Man hat diese Statue dem Lysippus, ja sogar dem Praxi-
teles zugeschrieben, doch ist dies nur eine ganz unbestimmte
Vermuthung, denn wir wissen nichts Näheres von den Statuen,
auf welche man sie zurückführen will. Und selbst die un-
bestimmte Möglichkeit ist nicht einmal zuzugeben, denn die
Statuen jener Künstler waren Tempelstatuen, eine solche Be-
stimmung aber, im Tempel verehrt zu werden, kann doch
diese Figur nach ihrem tändelnden Charakter schwerlich ge-
habt haben.
Wir gestehen, dass wir nicht einmal die Zeit der Statue,
geschweige den Künstler zu fixiren vermögen. Zwar ist es
uns wahrscheinlich, nämlich wegen gewisser Parallelen in der
Literat^r, dass die Statue eine Schöpfung der in geistreichen
Tändeleien so fruchtbaren alexandrinischen Periode ist, aber
wenn Jemand die Figur der römischen Kaiserzeit zuschreiben
wollte, so wäre es schwer, den Gegenbeweis zu führen. Nur
eine Zeit grenze glauben wir mit einiger Bestimmtheit an-
geben zu können, nämlich die, dass das Werk nicht in der
Blüthezeit der griechischen Kunst, also nicht vor Alexander
entstanden ist. Einmal des Gedankens wegen, der nicht ein-
fältig genug, der zu pikant ist für den Charakter der classi-
schen Sculptur, die den Eros ernster aufzufassen pflegt und
auch den Herakles und überhaupt die Heroen lieber in ihrer
Kraft als in ihrer Schwäche schildert. Lysippus scheint der
erste gewesen zu sein, der hierin eine neue Bahn einschlug,
es wird berichtet, dass er einen durch Eros seiner Waffen
beraubten Herakles gebildet habe, doch ist uns nichts Näheres
bekannt. Und sodann des Stils wegen. Alle Werke des
classischen Stils haben bei aller natürlichen Anmuth immer
noch einen leisen Zusatz der Strenge, der Stilisirung, selbst
in genreartigen Darstellungen, hiervon aber ist an dieser Figur
keine Spur mehr zu entdecken, die sich viclmelir in völlig freier
Natürlichkeit ohne irgend welche Gebundenheit präsentirt.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 351
Abg. Müller -Wioseler II, 51, 631. Die bisherige Erklärung war
die, dass Amor seinen Bogen spanne oder prüfe. Das letzlere sprach
zumt Meyer z. Winck. V, 472 (Eiselein) ans. Derselbe nahm mit Recht
•'in Original von Brouce an. Vgl. E. Braun Ruinen und Museen p. 13G
iiiid besonders p. 276, wo nur mit zu grosser Bestimmtheit die Ver-
amthuiig ausgesprochen wird, dass das Origiuid von l^ysippus her-
rühre. Visconti, der Urheber dieser Meinung, ist reich an so nube-
»ieseuen und unbeweisbaren Muthmassungen , namentlich s(*ine Icono-
paphie grecque enthält fast in jedem Abschnitt ein Beispiel und seit
dieser Zeit schleppt sich manches Derartige fort.
Die im Text erwähnte Gemme der hiesigen Siunmluug geh(»rl der
noch nicht katalogisirten Abtheilung an. Ehie zweite ziemlich über-
elDstimmeude befindet sich in Petersburg (VI. 27. n. 30 nach der Au-
»rdnimg der im hiesigen Antiquarium befindlichen Gypsabgüsse dieser
Sammlung). Auch auf Silbermünzen von Kydonia ist die Procedur des
Bogenspannens sehr anschaulich dargestellt, am deutlichsten aber auf
dem schönen Goldgefass aus der Krim in Antiq. du Bosph. Cim. pl. 33.
609. Centaur mit Amor*, Mannorgruppe; im 17. Jahr-
hondert in Rom in Villa Fonseca gefunden, bis 1808 in Villa
Borghese befindlich, seitdem in Paris im Louvre. Am Amor
sind ergänzt die Fitigel, Ftisse und Arme, ausserdem ist der
grösste Theil der Stütze neu.
Die Figur gehörte zu einer Gruppe, deren zweite Hälfte
nicht erhalten ist, von welcher aber andere, vollständigere
Wiederholungen vorhanden sind. Es waren nämlich zwei
Centauren einander gegenübergestellt, ein älterer, von Amor
gefesselter, der sich bittend nach seinem nicht gekannten und
vennutheten Peiniger umsieht, indess dieser schelmisch sein
Köpfchen ihm hinwendet, um ihm das kleine Wesen zu prä-
sentiren, das den mächtigen Centaur bez\vungcn, und ein
jüngerer, der triumphirend heraneilt, sich der eigenen Frei-
heit freuend und an der Noth seines Gefährten weidend, ohne
freilich zu ahnen, dass auch ihm bereits ein kleiner Liebes-
gott auf dem Rücken sitzt, der ihn bald in denselben kläg-
üchen Zustand bringen wird, wie den älteren Gefährten.
Die frühere Kunst schilderte die Centauren in grösstcr
Wildheit, als Kämpfer oder Frauenräuber, hier erscheinen sie
wehr passiv als aktiv. Die pikante Verbindung des schelmi-
schen Eros mit dem wilden Geschlecht der Centauren ent-
spricht dem Charakter der alexandrinischen Poesie, die sich
Mi Vorliebe in den Schelmereien des Amor ergeht, und ge-
wiss ist die Gruppe nicht früher entstanden. Wir besitzen
Im Ur>misch(>n Saal n. 73.
352 Nachblüthe der griechischen Kunst.
eine Copie derselben aus der Zeit Hadrians und schon früher
auf zwei Silberbechem aus Pompeji* sind ähnliche Figuren
dargestellt.
Die Arme des Amor — er macht eine balancirende Be-
wegung, wie es die Situation erfordert — scheinen richtig
ergänzt zu sein, wenn nicht vielleicht, worauf die Betrachtung
des Hinterkopfes des Centauren führen könnte, die linke Hand
des kleinen Siegers den Besiegten am Haar zupfte. Vielleicht
wäre dadurch das umsehen des Centauren noch treffender
motivirt und die ganze Scene noch anmuthiger. Das Band
um Amor's Leib ist wohl als ein Köcherband aufzufassen.
Abg. Clarftc pl. 266 (vgl. 737—740). Müller -Wieseler II, 47, 597.
Vgl. Meyer zu Winckelmami Buch 12, Kap. I, § 14, der ViscoDÜ'«
Bemerkungen im Pio-Clem. I. zu tav. 51 richtig kritisirt. E. Braim
Ruinen und Museen p. 181 ff. hat die Pointe der Darstellung nicht
vollständig getroffen , indem er p. 184 den Eros auf deoi Rücken des
jüngeren Centaur noch bezweifelt, den er freilich p. 317 auf der Wie-
derholung im Vatikan notirt. Der Kopf im mus. Chiaramonti n. 662,
eine WiedtTliolung des älteren Centauren, hat einen Kranz von "Weio-
blättern, es soll wohl damit der Wein, dem die Centaureu ergeben
sind, als die Ursache für die Liebeserregung bezeichnet werden. Auch
Eios hat in dem borghesischen Exemplar einen Epheukrauz, vermuth-
lich um einen ähnlichen Gedanken, die im Wein wirkende Kraft «i
bezeichnen. Clarac description du Louvre n. 134 findet in dem Kopf
des Centauren und in der Bewegung seines Oberkörpers Aehnlidikeit
mit dem Laokoon. Ueber die Ergänzung des Amor vgl. Bursian, Encfa
u. Gruber 82, 501.
610. Amor und Psyche**; Mannorgruppe im capito-
liuischen Museum, auf dem Aventin gefunden. Ergänzt ist
die rechte Hand und der linke Fuss Amors.
Es sind uns mehrere übereinstimmende Gruppen erhalten,
die sich nur durch die Beflügelung beider Figuren von diesem
Exemplar unterscheiden. Gewiss waren die Figuren auch im
Original geflügelt, es kann kein Zweifel sein, dass die Original-
composition die Umarmung von Amor und Psyche, oder ge-
nauer die Hingabe der Psyche an den Amor darstellte. Denn
es ist nicht sowohl eine wechselseitige Zärtlichkeit ausgedrückt,
sondern Psyche giebt sich, wie es auch in ihrem mythologi-
schen oder ideellen Verhältniss zu Amor begründet liegt, an
den beseligenden Gott hin, der sie seinerseits innig heran-
zieht. Man hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht^ dass
(lor Künstler bemüht gewesen, jeden Gedanken sinnlicher
* Im Saal der Tlii«Te und Broncen n. öO. G2.
** Im Gewerbeinstitut.
Nachblüihe der griechischen Kunst. 353
Leidenschaft fernzuhalten^ theils durch die Stellungen^ theils
dadurch, dass er die Figuren ÜEUst noch auf der Grenze des
Kindesalters hielt
Der Kflnstler dieser Gruppe hat aber^ da er die Flügel
weggelassen hat^ an denen Amor und Psyche kenntlich sind;
ik Qriginalcomposition nur benutzt, um einen andern Sinn
tineinzolegen. Er wollte offenbar nur eine Umarmung irdischer
Kiader darstellen, und sein Werk hat vielleicht zum Schmuck
änes Grabes früh gestorbener Kinder gedient, deren gegen-
satiges Yerhältniss in dem Marmor ausgedrückt werden sollte.
Dass die Gruppe Gopie ist, geht schon aus dem Mangel
der Flügel hervor. Das Original ist seines idyllischen Cha-
nkters wegen der alexandrinischen Zeit zugewiesen und ge-
wiss nicht früher entstanden.
Abg. Mus. Capitol. m, 22. Vgl. 0. Jahn Archaeol. Beitr. p. 162 ff.
Kl Braun Ruinen u. Museen p. 218 ff. Conze de Psyches imaginibus
fubosdam Berol. 1855 p. 1 ff.
611. Psyche von Capua*, Marmorstatue, im Amphi-
tkeater von Capua zugleich ,mit der Venus (n. 582) gefunden
>Bd in Neapel befindlich. Die glatt abgeschnittenen Flächen
tt Kopf und Armen zeigen, dass dies Fragment schon im
Alterthum für eine Restauration zugerichtet war. Der linke
Ann, soviel davon erhalten, ist auch bereits angesetzt.. Äusser-
em aber ist eine rücksichtslose Ueberarbeitung wenigstens
des Rumpfes der Figur vorgenommen worden, indem die be-
schädigten Theile statt ausgebessert zu werden, einfach ab-
^eisselt wurden. Die Brust, namentlich die rechte, ist da-
durch ganz flach geworden, auch die rechte Hilfte und das
Gewand sind nicht unberührt geblieben.
Die Benennung Psyche ist theils veranlasst durch eine
an der rechten Schulter befindliche Vertiefung mit zwei
Löchern darin, woraus man auf eingesetzte Flttgel schloss,
theils durch den melancholischen Charakter des Ganzen. Ein
Versuch, das ursprüngliche Motiv zu reconstruiren, ist kürz-
lich gemacht, man denkt sich nämlich die Figur nach Ana-
logie von Gemmenbildem als eine trauernde von Amor ge-
fesselte Psyche mit auf den Rücken zusammengebundenen
Armen. Allein dies ist wegen der Richtung der Arme, na-
mentlich des linken, schwerlich möglich. Auch ist es uns
* Im Saal des Barberinischen Fauns n. 11.
Friaderiehc, griech. Plastik. 23
354 Nachblüthe der griechischen KunBt.
fraglich; ob die Figur nicht zu ernst ist^ um mit jenen
Gemmen oder ihrem Original^ das vermnthlich einen etwas
spielenden Charakter hatte, verglichen zu werden. ' Ja es ist
Grund, überhaupt an der Benennung „Psyche^^ zu zweifeln^
weil die Figur für Psyche, die doch immer etwas jugendlicher
ist, zu reif entwickelt scheint. Man hat darum auch mit Be-
streitung einstmaliger Beflügelung an eine Venus gedacht,
ohne freilich das Motiv der Figur in überzeugender Weise
zu erklären.
Früher galt dies Fragment als ein Werk ersten Ranges,
dessen Urheber man unter den Meistern des schönen Stils
suchte. Allein schon der Fundort, der es doch wahrschein-
lich macht, dass das Werk als architektonische Dekoration
benutzt ist, macht jene Annahme bedenklich. Später ist man
auch auf die weich verschwommene Ausführung des Kopfes
aufmerksam geworden, die auf spätere Zeiten deutet, wenn
es auch möglich ist, dass ein schönes griechisches Original
zu Grunde liegt.
Abg. bei Gerhard Aiit. Bildw. Taf. 62, 1 und Milliugeu ancient
unedited mouuments II, 8, wo die Statue als ein Werk ersten Ranges
gepriesen und dem Praxiteles zugeschrieben wird. Dagegen zeigte der
Bildhauer Emil Wolff im bullet. 1833 p. 132 ff. dass die Figur kein
Originalwerk sei und ausserdem durch Ueberarbeitung sehr gelitten
habe. Als gefesselte Psyche sucht Kekule die Figur zu erklären in
Annali 1864, p. 144 ff.
612. Ganymed*, Marmortorso des Museums in Berlin»
Der Torso ist im Original als Ganymed restaurirt, was
allerdings theils wegen anderer ähnlicher Figuren, theils
wegen der weichen und für Ganymed sehr passenden Formen
wahrscheinlich ist. Aber das richtige Motiv hat der Restan-
rator schwerlich getroffen, indem er einen alleinstehenden und
nach dem Adler ausschauenden Ganymed annahm. Vielmehr
statt den Adler in der Phantasie supplircn zu müssen, nehmen
wir lieber nach Analogie einiger besser erhaltenen Ähn-
lichen Gruppen an, dass der Adler auf einem Pfeiler an
der linken Seite des Ganymed sass, und von diesem mj.t dem
linken Arm umfasst wurde. Der Kopf des Knaben sah zum
Adler hinauf, die Rechte hielt, wie auch der Restaurator an-
genommen, den Hirtenstab. Die Gruppe stellte also den
Ganymed dar in traulichem Beisammensein mit seinem Spiel-
* Im Niobidensaal n. 35.
Nachblüthe der griechischen Kunst» - 355
kameraden, dem Adler des Zeus^ und ist in den Formen mid
in der Composition gleich anmuthig.
Abg. mit aiidi'cr Restauration bei Glarac 410, 700. Vgl. nament-
lich die Grappe in Neapel bei Clarac 408, 689 und die andern Gruppen,
die Welcker Ann. 1856 p. 94 ff. erläutert. Unter den Gemmen ist na-
mentlich eine noch nicht catalogisirte Paste des hiesigen Museums zu
vergleichen.
613. Angeblicher Ganymed*, in der ersten Hälfte
des sechszehnten Jahrhunderts aus Palestrina an den Gross-
herzog von Toskana zum Geschenk gegeben, noch in Florenz
befindlich. Ergänzt sind von Benvenuto Cellini Kopf, Arme
and Fttsse des Ganymed nebst der Basis und dem Adler.
Die Statue ist an sich nicht ohne Werth, zugleich aber
interessant als Dokument für die naive Weise, in der man
ZOT Zeit Benvenuto Cellini's die Trümmer des Alterthums be-
Iwmdelte. Es ist eben die, von welcher Benvenuto Cellini in
semer Lebensbeschreibung so viel erzählt, die ihm nament-
lich Veranlassung gab zu einem sehr giftigen Streit mit Ban-
dinellL Hören wir darüber ihn selbst: „Eines Sonntags ging
ich nach der Tafel in den Palast, und als ich in den Saal
der Uhr kam, sah ich die Garderobenthür offen und als ich
miih sehen liess, rief der Herzog und sagte mir auf eine
sehr freundliche Weise: Du bist willkommen! siehe, dieses
Kästchen hat mir Herr Stephan von Palestrina zum Geschenke
geschickt, eröffne es und lass uns sehen, was es enthält. Als
ich das Kästchen sogleich eröffnet hatte, sagte ich zum Her-
«)g: Gnädiger Herr, das ist eine Figur von griechischem
Marmor, die Gestalt eines Kindes, wundersam gearbeitet, ich
erinnere mich nicht, unter den Alterthümern ein so schönes
Werk und von so vollkommener Manier gesehen zu hallen,
deswegen biete ich mich an, zu dieser verstümmelten Figur
den Kopf, die Arme und die Füsse zu machen und ich will
einen Adler dazu verfertigen, damit man das Bild einen Gany-
med nennen kann/' Und so geschah es denn auch, man liess
sich damals — wie leider zum Theil noch heutigen Tages —
die Restauration alter Trümmer noch nicht viel Kopfbrechens
kosten.
Es bedarf keiner Bemerkung, dass die Ergänzung nicht
allein materiell willkürlich, sondern auch völlig stillos ist.
Schon Goethe nennt sie manierirt. Wir sind aber nicht im
Im Rönii>(hLMi Saal ii. 60.
23
356 Nachblüthe der griechischen Kunst.
Stande^ an ihre Stelle das Kichtige zu setzen , und müssen
auch die Benennung der Figur ungewiss lassen.
Abg. Zannoni Galeria di Firenze Ser. IV, Vol. II, 108. Vgl. Gö-
the's Benvenuto Cellini Buch 4, Kap. 5 und im Anhang XIV, 3., anoh
Visconti Pio-Clem. 2, 224.
614. Hermaphrodit*; Marmorstatue^ im Anfang des
17. Jahrhunderts in Born; nahe den Thermen des Diokletian
gefunden; zuerst im Borghesischen Besitz ^ seit 1808 im
Louvre. Ergänzt ist von Bemini die Matratze (unzweifelhaft
nach dem Vorbild antiker Wiederholungen, in denen eine
ganz ähnliche Unterlage sich erhalten hat)^. der linke Foss,
die Finger der linken Hand, die Spitze des Geschlechtsgliedes
und Einiges an der Draperie.
Aus der Stellung und andern Anzeichen, die wir dem
Betrachtenden selbst zu finden überlassen, geht hervor, dass
der Hermaphrodit wollüstig träumend gedacht ist Der wider-
wärtige Gedanke des Werks aber ist mit seltener Grazie dar-
gestellt Die Formen, in denen das Weibliche weit mehr
hervorgehoben ist als das Männliche, um den sinnlich schmei-
chelnden Eindruck möglichst zu verstärken, auch die geschwim-
gene Linie des Kückens, sind von höchstem Reiz, so dass
Winckelmann sagte, in der Wahl der schönsten Theile aus
alten Statuen würde man einen weiblichen Rücken von ihm
zu nehmen haben. Auch das Haar ist mit der grössten Ele-
ganz gearbeitet Die quer über den Kopf laufende Flechte
ist ein bei jugendlichen Figuren beliebtes Motiv der spätem
Kunst. lieber derselben bemerkt man eine kleine runde
Vertiefung, die eine schmückende Gemme darstellen oder auf-
nehmen sollte.
Aber gerade darin, dass ein widerwärtiger Gedanke in
allen Reizen der Form dargestellt ist, liegt das Raffinirte
des Werks. Es ist das verführerischeste unter allen Werken
des Alterthums und gehört der oben (zu n. 606) erwähnten
Kunstrichtung an, die im Besitz der höchsten formellen Mei-
sterschaft sich nicht scheute, selbst das Sinnenkitzelnde dem
Auge einzuschmeicheln. Der Hermaphrodit ist übrigens eine
späte Kunstschöpfung, schwerlich älter als die Zeit Alexanders
des Grossen, diese üppigste Auffassung des Hermaphroditen
wird aber schwerlich die älteste sein.
Im Römischen Saal ii. 77.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 357
£8 ist Yielfach die Meinung ausgesproclien ^ dass die
Figur eine Copie des von Plinius erwähnten „berühmten Her-
nu^iiroditen des Polykles/' eines Künstlers aus dem 2. Jahr-
hondert yor unsrer Zeitrechnung sei. Allein diese Meinung
ist nicht bloss ohne allen Anhalt — sie stammt aus einer
Zeit, als es sehr beliebt war^ berühmte erhaltene Statuen mit
schriftstellerisch nur erwähnten nicht näher beschriebenen zu
identificiren — ^ sondern es steht ihr auch das entgegen^ dass
dieser Hermaphrodit schwerlich auf ein Original von Bronce,
wie die Figur des Polykles es war, zurückgeführt werden
kann. Er ist ganz auf Marmor berechnet, seine schmeichelnde
Weichheit würde in Erz bedeutend an Wirkung verlieren,
wie überhaupt eine Kunstrichtung, die auf Sinnenreiz arbeitet,
lieber in Marmor arbeiten wird, als in dem ernsteren Erz.
Ob das Werk Original ist oder nicht, lassen wir dahin-
gestellt. Meyer bemerkt davon: „Ungeachtet der vortrefflichen
Eigenschaften der Arbeit bemerkt man doch um den Mund,
um die Augen und an andern bedeutenden Stellen einen ge-
wissen Mangel von Geist, von lebendigem Ausdruck, der kei-
nem eigentlichen Originalwerke, am wenigsten einem so voll-
endet ansgedachten fehlen kann.''
1^ Abg. Visconti monum. scelti Borghesiani I, 26. Müller -Wiesel er
II, 56, 712. Vffl. Clarac descr. du Louvre n. 527., besonders Meyer
in Winckelmanirs Gesch. d. K. 4, 2, § 39. Winckelmaim und Visconti
identificirten die Statue mit dem Werk des Polykles. Osann (in Bötti-
ger's Amalthea I, 347 ff.) führt einen andern öegengrund als den im
Text gegebenen gegen die Zurückführung auf Polykles an, der mir
nicht einleuchtet. Böttiger hat übrigens (Ebendas. p. 359) nicht jj^e-
meint, wie Welcker (Akad. Mus. n. 41) und Overbeck (Kunstarchaeol.
Vorle». n. 216) angeben, dass dieser Hermaphrodit zu einer Gruppe
gehört habe. Er sagt geradezu, der Borghesische Hermaphrodit sei ein
in sich geschlossenes, einer Seitenfigur nicht mehr bedürftiges Bild-
werk. Mir scheint auch eine Gruppirung etwa in der Art wie bei
Zo§ga bassiril. 2, 72 (wo der Hermaphrodit wesentlich verschieden ist)
nicht wahrscheinlich, dazu ist die Figur nicht passiv genug.
615. Hermaphrodit*, Marmortorso. Es ist uns un-
bekannt, wo sich das Original befindet, auch wissen wir nicht
anzugeben wie dieser schöne Torso zu ergänzen ist. Jeden-
falls war das Motiv, wie die Formen des Körpers, weniger
üppig nnd sinnlich, als das der eben besprochenen Figur.
616. Hermaphrodit und angebliche Muse*, Mar-
* im Niobidensaal n. 36.
** Im Niobidensaal n. 58.
358 Nachblüthe der g^riechischen Kunst.
morrelief; in Cor! gefanden und im Capitolinischen Mosenm
befindlich.
Der Sinn dieses Keliefs ist uns vollkommen dunkel, auch
die Bezeichnung der Frau als Muse durch die Leier, die sie
berührt, noch nicht gerechtfertigt. Sehr schön ist (üe Figur
des Hermaphroditen, und sehr charakteristisch seine Stellung,
die öfter an solchen Wesen vorkommt. Die Statue an welche
er sich lehnt, wird wohl mit Recht für ein Idol des jugend-
lichen Bacchus erklärt.
A.bg, Mus. Capitol. IV, 38. Vgl. Beschreibung Roms III, 1, 206.
617. Weiblicher Torso*, im J. 1807 von Athen
nach Rom gebracht und dort von W. v. Humboldt erworben, in
dessen Schloss Tegel er sich jetzt befindet.
Man denkt bei dem Torso zunächst an eine Venus, doch
ist die geringere Fülle in Hüfte und Bauch dieser Annahme
entgegen, und da nun an beiden Seiten der Figur Sttttzen
zurückgeblieben sind, die auf verbundene Figuren schliessen
lassen, so ist die Yermuthung sehr ansprechend, der Torso
gehöre einer Grazie an und zwar der Mittelfigur in einer
Gruppe der drei Grazien. Das Werk ist von der höchsten
Schönheit, die völlige Nacktheit aber erlaubt uns nicht, zn
hoch in der Zeitbestimmung hinaufzugehn. Denn die Nackt-
heit der Venus ist erst im vierten Jahrhundert üblich ge-
worden und die der Grazien gewiss noch später.
Vgl. Welcker Akad. Mus. zu Bona u. 63. Waagen das^Schlo»
Tegel und seine Kunstwerke p. 7 glaubt, dass ein zweiter ebendaselbst
befindlicher Torso zu derselben Gruppe gehört habe, was ich entschie-
den bestreiten muss. Dieser zweite Torso Jscheint mir zu üppig i&r
eine Grazie.
618. Farnesische Flora'^'*', Marmorstatue, gefunden
in den Bädern des Caracalla bei Born, als man unter Pabst
Paul in. aus dem Haus Famese daselbst Ausgrabungen an-
stellte, bis zum Jahre 1790 im Palast Famese zu Rom be-
findlich und dann mit den übrigen Famesischen Schatten
nach Neapel versetzt, wo sie sich noch jetzt befindet Es fehlten an
ihr der Kopf, die Vorderarme und die Füsse, Guglielmo della
Porta (16. Jahrh.) restaurirte sie zuerst als Flora, seine £^
gänzungen wurden aber abgenommen, die jetzige Bestauration
• * Im Saal des Barberinischen Fauns ii. 14.
** Im Treppenhaus n. 189.
Nachblüthe der griechischen KunsU 359
4ie gleich&lls eine Flora voraussetzt, ist im Jahr 1796 von
zwei KflnsÜem besorgt, von Filippo Tagliolini, der den Kopf
«nd Carlo Albaccini, der die andern Extremitäten verfertigte.
Winckelmann glaubte^ die Figar stelle eine Mose vor
md zwar, da sie nach Art tanzender Mädchen mit der Kech-
ten ihr Kleid in die Höhe hebe, entweder Erato oder Terpsi-
diore, denen die Tänze geweiht seien. An einer andern
Stelle nennt er sie eine Höre. Gegen eine Muse spricht haupt-
sächlich das völlige Durchscheinen des Nackten durch das Ge-
wand, das sich in diesem Grade doch nur bei Wesen, denen ein
sinnlieherer Charakter eigen ist, z. B. an Bacchantinnen und
u Venus findet, fOr eine Muse aber unschicklich wäre. Nach
einer andern Meinung ist die Statue genreartig als Tänzerin
ao&n&ssen, aber das Aufheben des Gewandes ist bei dem
Stande der Figur nicht durch eine Tanzbewegung zu motivi-
len, sondern charakterisirt nur ein leichtes, graziöses Fort-
sdireiten. Ausserdem würde man das colossale Maass anf-
allend finden, da sich die Genrefiguren, wie es ihrem We-
sen natürlich ist, meistens in der Sphäre der Lebensgrösse
halten. Nach der neuesten Vermuthung hielt die Figur in
der Linken eine Schaale und stand dem Famesischen Herakles,
der gleichfalls in den Bädern des Caracalla gefunden, als
Hebe, die dem müden Heros den Labetrank reicht, gegenüber.
Aber die üppigen Formen der Figur eignen sich wenig für
Hebe, die dasAlterthum sich zarter und mädchenhafter dachte,
und bei der vermutheten Zusanmienstellung mit Herakles
wflrde man erwarten, dass Hebe nicht grösser, sondern kleiner
sei als Herakles.
Dagegen hat man mit Eecht aufmerksam gemacht auf
die Aehnlichkeit dieser Figur mit einem alterthümlichen Typus
der Venus, nicht im Stil, aber in der Composition. Diese
Venus hebt auch mit der Rechten ihr Unterkleid etwas in
die Höhe und hält in der Linken eine Blüthe, es ist der
Typus den die Eömer Spes nannten, den auch Thorwaldsen
nach; oder viehnehr umgebildet hat. Von einer solchen Um-
bildimg einer alterthümlichen Figur in einen viel freiem Stil
sind auch aus dem Alterthum Beispiele bekannt, sie scheint
auch hier stattgefunden zu haben, für eine Venus ist das
ganze Anssehn der Figur durchaus angemessen. Doch lässt
sich die Bezeichnung der Figur als Höre oder Flora auch
nicht durchaus in Abrede stellen, freilich auch nicht begründen.
Die Statue ist ein schönes Beispiel, wie sich Grazie ver-
4
3ßQ Nachblüthe der griechischen Knnst.
binden kann selbst mit colossalen Formen. Und zwar hat
der Künstler nach dem Aasdmck einer gewissen nachlässigen
Grazie gestrebt; indem er das Gewand auf den rechten Arm
nnd . den Gürtel so tief auf die Hüften herabgleiten liess.
Eine gewisse feinere raffinirte Sinnlichkeit ist aber an der •
Statae unverkennbar. Die griechische Kunst wenigstens in
ihrer Blüthe war ftlr ein so sinnenreizendes Durchscheinen
des Nackten zu keusch^ das dagegen dem Geschmack^ wie er
in den Malereien von Herkulanum und Pompeji herrscht^
durchaus entsprechend ist.
Damit ist auch schon eine Andeutung über die Entste-
hungszeit des Werks gegeben. Dass die Figur nicht zur Zeit
des Caracalla entstanden^ bedarf keines Beweises; sie gehört
entweder der besten römischen Zeit an oder noch den letzten
Jahrhunderten der griechischen Kunst.
Abg. Mus. borbon. II, tav. 26 Clarac pl. 438 B. Vgl. Winckel»
mann Kuustgesch. 5, 2 § 17, 6, 1, § 23 und Fea zu Winck. 12, 3 § 3-
Visconti Pio-Clem. IV, p. 55 A. 1. Gerhard und Panofka Neapels An-
tiken p. 63. Welcker A. D. 1, 452 ff.
619. Bacchus als Kind'*'; Marmorgruppe im capitoli-
nischen Museum. Ergänzt sind die Beine vom Knie abwärts-
und der rechte Arm.
Nicht selten finden wir auf antiken Monumenten Kinder^,
namentlich AmoreU; mit grossen Masken spielend , in welche
sie ihren kleinen Kopf hineinstecken^ um ihre Kameraden zn
erschrecken u. s. w. Die edelste Darstellung dieser Art ist
die vorliegende, in welcher das Bacchuskind selbst in kind-
lieber Lust eine grosse kahlköpfige Silensmaske au&nsetzen
im Begriff ist. Zwar gehört auch dieser Marmor jeden£Edl8
schon einer Kunstrichtung an, die mit den Götteridealen tän-
delte, aber das darf uns nicht hindern Stellung und Wendung
der Figur und das Weiche in den Formen des Kinderkörpers
aufs Höchste zu bewundem. Die Gruppe scheint griechisch
zu sein oder wenigstens auf ein griechisches Original zurück-
zugehen.
Abg. Mus. Gapitol III, 40. Clarac pl. 540. Vgl. Meyer zu Winek.
Kunstgesch. VHI, 2, § 28 (wo nur das Motiv mlssverstanden) und E.
Braun Ruinen u. Museen p. 191 (der die Gruppe etwas zu hochtrabend
auffasst.)
"* Im Saal der Thiere und Broncen n. 5.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 3g X
620. Knabentorso*; von Marmor; 1808 in der Nähe
Rom bei der Station la Storta gefunden und in der Hom-
t'schen Sammlang in Tegel befindlich.
Der Torso wird einem Amor zugeschrieben; was aber
li den Mangel der Flügel bestimmt widerlegt wird. Eher
3 sich an ein Bacchnskind denken. Er ist von der höch-
Schönheit; die Stellung ist etwa die eines Angreifenden^
n der linke Arm vor; der rechte zurück ging. Wir wissen
; das ursprüngliche Motiv anzugeben. Gewiss ein grie-
ihes Werk.
Me Deutung als Amor bei Welcker Akacl. Mus. n. 23. Vgl.
^n, Das Schloss Tegel p. 8.
621. Silen mit dem Bacchnskind'''^ Marmorgruppe^
. 1838 in der Nähe des athenischen Bacchustheaters ge-
mj in Athen befindlich.
Auf den ersten Blick scheint ein blosses Spiel dargestellt
ein; wie man so oft in bacchischen Darstellungen das
huskind auf den Schultern von Satyrn oder Silenen ju-
l einhergetragen sieht. Aber die ruhigC; gleichsam re-
mtirende Stellung des Silen unTi die Tracht beider Figu-
machen einen monumentalen Zweck der Gruppe wahr-
nlicher; etwa wie man vermuthet hat; die Gruppe möchte
inem wegen eines theatralischen Sieges gestifteten Denk-
gehören. Das rauhhaarige Gewand; das der Silen trägt;
das Theaterkostttm der SilenC; und der kleine Gott ist
1 die tragische Maske in seiner Hechten als Gott des
ters b^eichnet.
Die Gruppe gehört nach ihrem Stil noch guter griechi-
* Zeit an.
ibg. "Efprifi. CLQX. 1839 n. 325. Scholl Archaeol. Mitth. Tai*. 6,
111. Le Bas mouum. flg. pl. 27. Wieseler Theatergebäude
>, 6.
622. Bacchus in der Wiege***; Terrakottarelief; aus
rAwnlev'sp.hpTi SamTnliinff ins hrit.isp.he Miisfinm firekommen.
362 Nachblüthe der gricchischeu Kuust.
Abg. reiTacottas of the brit. mus. fig. 44. EUis the Townley gal-
lery I, 125. Vgl. Welcker Akadem. Mus. n. 353 i. An irgend einen
verborgenen Sinn der Darstellung zu denken, fehlt, soviel ich sehe,
jeder Anltiss, auch würde die Anmuth der Composition sehr dadurch
verlieren, deren Pointe doch eben nur in dem Jubel über das neu-
geborene Kind liegt. Wie die Amphidromien ausgedrückt sein können,
verstehe ich nicht Die Art wie die Mänade ihre Fackel hält, ist
sichtlich nur durch die Composition veranlasst, und kann ebensowemg
etwas Besonderes ausdrücken, wie die übereinstimmende Haltung des
Thyrsus an der streng symmetrisch componirten Satyrfignr. Vgl. Wie-
seler z. Müllers Deukra. II, 35, 414.
623. Das Bacchuskind'*'; Marmorstatue. Wo das
Original sich befindet, wissen wir nicht.
Ein sehr anmuthiges Werk, dessen Motiv uns aber nicht
klar ist.
624. Bacchus und Satyrn**, Marmorgruppe, 1826 in
Tusculum gefunden, im Berliner Museum befindlich. Alt sind
nur die Torsen des Bacchus und des Satyrs an seiner Rechten
vom Hals bis zu den Knien, vom zweiten Satyr ist nur die
rechte, den Bacchus stützende Hand alt. Der nur in Gyps
ausgeführte Restaurationsentwurf ist von E. Wolff.
Ob die Restauration das Richtige getroffen, ist zweifel-
haft, man hat nach Analogie von zwei ähnlichen kleineren
Gruppen wohl nicht mit Unrecht vermuthet, dass die Figur
zur Linken des Bacchus, von welcher nur eine Hand übrig
geblieben, nicht ein Satyr, sondern ein Pan gewesen seL
Zwischen Bacchus und seinen Begleitern herrscht der
schärfste Gegensatz, sowohl in der Bewegung als in den For^
men. Diese kennen nur die wilde Lust und wollen den halb
trunkenen Gott mit hineinziehn in ihre Sprünge, während je-
ner schwärmen und träumen möchte, und ebenso stehn die
weichen und fliessenden Formen des Bacchus im Gegensatz
zu dem unedleren Satyrkörper.
Diese Gruppe ist unzweifelhaft ein griechisches Weik.
Die elastische und lebensvolle Schwellung der Muskeln kenn-
zeichnet sie als solches. Eine gen9,uere Datirung derselben
aber vermögen wir nicht zu geben.
Abg. Caniua, Tusculo tav. 33. 34. Vgl. Monum. d. inst IV, tav. 85.
Annali 1846 p. 218. tav. K. Bullet. 1846 p. 93. Annali 1866 p. 114.
Vgl. das Relief im Saal der Thiere und Broucen n. 110 (aus dem I^raeos).
625. Bacchus***, Marmorstatue in Madrid. Ergänzt sind
* Im Niobidensaal n. 97.
** Im Saal des Barberinischeu Fauns n« 10.
*** Im Römischen Saal n. 113.
Nrnddrinthe der griechisdioii Kunst. ^3
der rechte Arm, der linke Unterarm und das linke Bein vom
Knie bis znm Knöchel. Die Ergänzung ist gewiss falsch, wir
▼ermögen aber nicht das nichtige anzugeben.
Die Statue repräsentirt einen oft wiederholten Bacchus-
ijpxuSf dessen schönstes Exemplar sich im Louvre befindet
Es ist eine der weichsten und üppigsten Darstellungen des
^ttes, sowohl wenn man die Stellung, als wenn man die
Formen betrachtet. Der Gott ist ganz in halbtrunkene
Tr&unereien verloren. Er stützt sich auf eine Herme des
b&rtigen Bacchus.
Wir bezweifeln, dass . dieser Typus in der Blüthe der
griechischen Kunst erfunden sei, er scheint uns zu weich-
lich dazu.
Schlecht abg. bei Clarac musee pl. 690 B, 1598 A. Vg^l. Hübiier
Die antiken Bildw. in Madrid p. 48 u. 18.
626. Bacchus*, Marmorstatue in der Humboldt'schen
Sammlung in Tegel Ergänzt sind unter Rauch's Leitung der
Kopf, beide Arme, die untere Hälfte des rechten Beins und
düe Stütze.
Wir sind nicht im Stande, die richtige Ergänzung und
damit das Motiv der Statue anzugeben. Die Stellung und
die Formen sind schön und für Bacchus charakteristisch.
Abg. Clarac pl. 690 B.
627. Bacchus**, Marmorstatue, in Tarragona gefunden
imd ebendaselbst befindlich.
Der Achte Arm lag ausruhend über dem Kopf, die Statue
repräsentirt einen ungemein häufig wiederholten Bacchustypus,
der gewiss in griechischer Zeit erfunden ist. Der Fundort
beweist, dass die übrigens gut gearbeitete Statue in römischer
Zeit entstanden ist.
Abg. Laborde voyage pittoresque de l'Espagne, Paris 1806 Taf. 69.
Vgl. Hübner Die antiken Bildw. in Madrid p. 285.
628. Bacchuskopf***, von Marmor, im capitolinischen
Museum. Ergänzt sind die Nasenspitze ^ die Unterlippe und
die Bfiste.
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 9.
** Im Niobidensaal n. 59.
*♦♦ Im Niobidensaal n. 43.
564 Nachblüthe der griechischen Kunst.
Man schwankt; ob dieser Kopf; der gewiss zu einer Stata^
gehörte^ männlich oder weiblich sei^ ob er einem Bacchus oder
einer Ariadne angehöre. Uns scheint nach den Formen imd
nach der Anordnung des Haares nur die erstere Annahme
möglich. Die Formen sind für Ariadne zu üppig und die^
künstlich gedrehten steif herabhängenden Locken sind gerade
eine charakteristische Tracht des Bacchus^ dem dadurch ein
etwas weibisches Ansehen gegeben werden sollte.
Man will diesen Eopf^ in welchem die süsse Träumerei,,
die dem jugendlichen Bacchus so eigenthümlich ist, ihr^
schönsten Ausdruck gefunden hat; der Zeit des Praxiteles
zuschreiben ; und allerdings sind damals Bacchusstatnen von
ganz ähnlichem Ausdruck geschaffen. Wenn wir aber die
von Praxiteles erha-ltenen Werke vergleichen, so müssen wir
für ihn einen strengeren Stil voraussetzen, als dieser Kopf zeigt.
Abg. Winckelmann monum. ined. 55. Müller- Wieseler II, 38, 376^
Vgl. Meyer z. Winck. Gesch. d. K. V, 1 § 24. Welcker Akad. Mob.
z. Bonn p. 73 findet in dem Kopf eine Andentung der Stierhömer,
wonach ich vergebens suche. Vielleicht sind die beiden Tranben über
der Stirn so aufgefasst, als sollten sie aufspriessende Hörnchen v«^
decken, aber dann hätte fast jeder Bacchus Hörner, weil ein derartiger
Schmuck sehr gewöhnlich ist. — Die künstlich gedrehten Locken trägt
auch schon der indische Bacchus vgl. Archaeol. Ztg. 1862 p. 229. —
Die Vergleichung des capitolinischen Ariadnekopfes (E. Braun Ruinen
und Museen p. 195) ist sehr geeignet, die Beziehung dieses Kopfes auf
Ariadne zu widerlegen.
629. Bacchushüste% von Marmor^ zu einer Statu»
gehörig^ die sich vermuthlich in München befindet.
Der rechte Arm war wahrscheinlich über den Kopf ge-
legt; so dass die Statue einen lässig ruhenden Bacchus dar-
stellen würde. Die Büste ist nicht bedeutend.
Vermuthlich ist diese Büste von der in der Glyptothek zu Müncheiii
unter n. 103 verzeichneten Statue genommen.
630. Bacchus und Viktoria**, an einer Dreifuss-
basis von Marmor, 1853 in Athen gefunden und zwar bei
einem Hausbau zwischen dem Bacchustheater und dem Monu-
ment des Lysikrates auf dem Terrain der alten TripodeiK
Strasse, die ihren Namen von den dort aufgestellten, wegen
* Im Römischen Saal n. 126.
*♦ Im Griechischen Saal n. 366.
Nachbluthe der griechischen Kunst. 365
theatralischer und musischer Siege geweihten Dreifassen hatte.
Das Monument befindet sich noch in Athen.
Wie der Fnndoijt; besonders aber die architektonische
Form andeuten; ist das Werk die Basis eines Dreifusses.
Die Form desselben — die Seiten sind geschweift; die Ecken
abgekantet — ist nämlich einem dreiseitigen; eben für die
Aufnahme eines Dreifusses gebildeten; korinthischen Säulen-
kapitftl nachgeahmt. Nach den Reliefs dürfen wir voraussetzen;
dass der Dreifuss; den diese Basis trug; ein in einem Bacchus*
fest gewonnener Siegespreis war.
Die Hauptfigur ist der jugendliche BacchuS; kenntlich an
seinem Becher und an dem Thyrsus; der etwas verletzt; doch
aber nicht undeutlich geworden ist. Es ist der nach früherer
Weise nur mit Epheublättem umwickelte; nicht von einem
Pinienzapfen bekrönte Stab. Gewöhnlich sieht man diesen
jugendlichen Bacchus nackt; allein hier in einem Weihgeschenk
ist die emsterC; feierlichere Auffassung; die sich in der langen
und reichen Bekleidung ausspricht; durchaus gerechtfertigt.
Der Künstler hat überhaupt darnach gestrebt; seinen Ge-
stalten etwas Strenges und Feierliches zu geben; die lang
herabhängenden Locken des Bacchus erinnern sehr an die
Weise der alterthümlichen Kunst.
An den Gott tritt eine Viktoria heran mit einer Kanne
in der Hand; offenbar um ihm einzuschenken. Hierin liegt
<ier Gedanke ausgedrückt; dass der Sieger dem Bacchus ein
Siegesopfer bringt; das Relief spricht also den Dank des
Siegers gegen den Gott aus, der den Sieg verliehen. In einer
früher besprochenen Klasse anathematischer Reliefs (n. 70 ff.)
fanden wir denselben Gedanken auf dieselbe Weise ausgedrückt
Die dritte Figur, welche eine Schaale in der Hand hält;
hat man für eine zweite Nike gehalten; die dann auch als
zu einer Spende herantretend gedacht werden müsste. Allein
dies wäre ein doppelter Ausdruck für denselben Gedanken
und das Attribut der Schaale deutet eher auf ein Empfangen
als auf ein Austheilen. Ausserdem würde man erwarten; sie
in derselben Richtung heranschreiten zu sehen wie die erstere,
und endlich ist ihr Aussehen doch zu verschieden. Die langen
starren Locken und der schwere; einförmige Faltenwurf con-
trastiren sehr mit der leichten; graziöseren Erscheinung der an-
deren Figur. Man wird vielmehr die Figur als eine dem Bacchus
beigesellte göttliche oder dämonische Person zu betrachten habeU;
die auch von der Nike eine Weinspende erhalten wird. Einen
566 Nachblüthe der griechischcu Kirnst.
Namen zu geben ist nnthnnlich; jedenfalls ist es eine an der
Siegesfeier^ welche dieses Monument verewigt^ betheiligte GröttiiL.
Eigenthümlich sind die vorspringenden Basen der Figuren.
Während sonst die Bildfläche vertieft wird und die Figuren
auf dem unteren Rande derselben stehen^ sehen sie hier wie
angeklebt aus und es fehlt die nothwendige Verbindung zwi-
schen dem Geräth und seinem Ornament. Die Ausführung ist
nicht &ei von Oberflächlichkeit^ aber doch erkennt man im
Fall der feineren Untergewänder und des Mantels noch den
edlen Stil der attischen Kunst. Jedenfalls aber beweisen die
unschön und stillos vorspringenden Basen^ dass das Werk nicht
mehr in der Zeit der Blüthe entstanden ist.
Abg. Aunali d. inst. 1861 tav. d'agg. G. mit der Erklärung von
Pervanoglu, dessen Meinung über den Gedanken des Reliefs , die wohl
veranlasst ist durch Welcker's Erklärung der sog. pythischen RelieÜB,
ich übrigens durchaus nicht theilen kann. P. nimmt Anstoss an der
Unbärtigkeit des Dionysos und meint, es sei liier der Sieger unter dem
Bilde des Gottes vorgestellt, der einen Trank und vermuthlich eine Binde
(von welcher, wenn sie vorhanden war, wohl Spuren nachgeblieben
wären) von der Viktoria erhalte. Mir ist durchaus unklar, warum der
Sieger in der Gestalt des Gottes erscheinen soll. In Betreff der Tracht
übrigens, die der jugendliche Dionysos trägt, lässt sich, wenn Beispiele
nöthig sind, z. B. die Statue von dem Monument des Thrasyllos ver-
gleichen, die zu Stuart's Zeit noch ihren unbärtigen Kopf hatte. Mit
Recht aber bestreitet P. den Namen Nike für die zweite Figur, die er
Telete nennt, was mir unwahrscheinlich scheint, weil die sicheren Dar-
stellungen der Telete nicht mit dem Aussehen dieser Figur überein-
stimmen.
631. Bacchisches Relief*, von Marmor, vor einigen
Jahren bei den Ausgrabungen im Dionysostheater zu Athen
gefunden, in Athen befindlich.
Der Sinn der Darstellung ist nicht mehr zu verstehen.
Die Figur zur Rechten scheint trotz der etwas weiblichen
Brust der jugendliche Bacchus zu sein, die vor ihm stehende
Frau hält eine Weihrauchbüchse und legt ein Weihrauchkom
auf einen nur theilweiäe erhaltenen aber doch noch kennt-
lichen Räucheraltar. Die Arbeit ist roh.
Vgl. Bötticher im Nachtrag zmn Catalog des Neuen Museums p. 78.
632. Bacchischer Zug**, Marmorrelief, mit den Far-
nesischen Schätzen nach Neapel gekommen.
* Im Niobidensaal n. 82.
** Im Niobidensaal n. 50.
Nachblüthe der g^riechischen Kunst. 357
Grosser Jubel über den neugewonnenen Wein, den ein
mit einem Fell umschürzter Satyr in einem grossen Krug
Yorantrftgt Ihm folgt in rauschender Lustigkeit Gross und
Kldn unter Musik von Becken und Flöten, nur Dionysos
selber in trunkene Träumereien versunken, folgt nicht dem
Drängen und Zerren des Satyrn und des kleinen Pan. Wäh-
rmd diesen nur die lustige Ausgelassenheit und die Hingabe
an den Moment natürlich ist, versinkt der Gott in melancho-
lische Stimmungen, als fühle er keine Befriedigung in einer
Freude, die mit Ermattung endet.
Griechische Motive liegen diesem Relief offenbar zu
Grunde, der hervorgehobene Gegensatz zwischen Dionysos
mid seinem Gefolge ist in den schönsten griechischen Werken
mr Anschauung gebracht (vgl. n. 624). Ob das Relief selbst
aber griechisch ist, bezi^'eifeln wir, die übermässige Schlank-
bwt der Figuren, namentlich der beckenschlagenden Bacchantin,
führt jedenfalls in spätere Zeit.
Abg. bei Winckclmann Vign. zu mon. ined. n. 4. Mus. borbon. III, 40.
633. Bacchus und Ariadne*, Marmorrelief im Vatikan.
Am Bacchus ist die obere Hälfte mit den Armen neu, ebenso
an dem Silen, an der Ariadne der Kopf und beide Arme.
Die ursprünglichen Motive scheinen aber trotz der starken
Restauration richtig getroffen zu sein.
Das Lager, auf dem die Liebenden zärtlich in einander
versunken liegen, ist nicht ganz leicht zu bestimmen, ver-
nmthlich ist es der Rest eines Wagens und das Relief könnte
Ton einer grösseren öfter vorkommenden Darstellung übrig-
geblieben sein, der den Vermählungszug von Bacchus und
Ariadne vorstellte. Die Erfindung ist acht griechisch und
schon in Xenophon's Gastmahl .wird eine ganz ähnliche, mi-
Dusch dargestellte Gruppe des jugendlichen Bacchus und der
Ariadne beschrieben. Auch der Stil, namentlich die scharf-
K^rochenen Falten im Gewand der Ariadne lassen ein grie-
chisches Vorbild annehmen.
Abg. Pistolesi, il Vaticano iilusü-ato V, 39, 1. Vgl. E. Braun
Rttinen und Museen p. 332. Aehnliche Darstellungen sind angeführt
und abgebildet Arcli. Ztg. 1859 zu Taf. 130.
634. Schlafende Ariadne**, Marmorstxitue, seit Ju-
* Im Römischen Saal n. 72.
** Im Niobidensaal n. 96.
368 Nachblüthc der griechischen Kunst.
lius n. im Vatikan befindlich. Ergänzt sind die Nase, die
Oberlippe^ einige Finger der linken und die rechte Hand*
Vor Winckelmann^ als man noch die griechischen Eimst-
werke ans der römischen Geschichte erklärte^ wurde diese
Figur als Cleopatra bezeichnet. Man nahm das in Form
einer Schlange gebildete Armband für eine wirkliche Schlange.
Jetzt ist kein Zweifel darüber^ dass die schlafende Ariadne
dargestellt sei und zwar ist es kein friedlicher Schlaf, den
sie schläft, sondern wie die Stellung, die gelöste Spange and
das etwas in Unordnung gerathene Gewand andeuten, em
von unruhigen Träumen bewegter. Es ist der verhängniss-
volle Schlaf der Ariadne auf Naxos gemeint, während dessen
Theseus sie verliess. Das pathetisch Bewegte der Figur hat
der Künstler besonders dadurch erreicht, dass er die (kundr
fläche nicht eben, sondern nach der Mitte zu sich yertiefeiid
annahm, man vergleiche, um sich des Gegensatzes eines firied-
lichen und ruhigen Schlafes bewusst zu werden, die berflhmfce
Statue der schlafenden Königin Luise von RanclL Diese
pathetische Bewegung und dazu der Mangel charakteristischer
Attribute lassen auch die von anderer Seite vorgeschlagene
Deutung der Figur als schlafende Nymphe unzulässig er-
scheinen, zudem findet sich auf vielen Monumenten eine über-
einstimmende Figur, welche durch die Umgebung deutlich als
Ariadne bezeichnet ist. Es ist sehr interessant, diese beson-
ders auf römischen Wandgemälden und Sarkophagen häufig
vorkonmienden Wiederholungen zu vergleichen, sie unter-
scheiden sich besonders dadurch, dass sie gewisse weichliche
und sinnliche Züge hinzufügen, die dem grossartigen Charakter
dieser Figur fremd sind. Diese ist ihrem Original treuer ge-
blieben, während jene einem weichlicheren Geschmack nach-
geben. Eine Copie nämlich, ist auch diese Figur gewiss,
Winckelmann tadelte mit Recht, dass das Gesicht schief sei
und ebenso richtig ist bemerkt, dass gleich hinter den Füssen
das Ober- und Untergewand auf eine nicht zu rechtfertigende
Weise in einander übergehn. Dieser Fehler verschwindet
freilich für das Auge, wenn die Figur, worauf die nur flüchtig
behandelte Rückseite deutet, an eine Wand gestellt wird.
Endlich mögen auch die Franzen des Gewandes, die an einer
Yenus ihre Berechtigung haben, nur der Copie angehören.
Das Original dieser Figur müssen wir in griechischer Zeit
suchen, wir haben Nachricht von einem in Athen befindlichen
Gemälde, das die schlafende Ariadne und den sie verlassenden
Nachblüthe der griechischen Kunst. 359
Theseos darstellte, und auch andere Spuren führen auf ein
griechisches OriginaL Wie dieses Original freilich heschaffen
lar, ob es nur die eine Figur der Ariadne oder noch andere
Figuren enthielt, etwa Dionysos mit seinem Schwann der Yer-
kssenen nahen(^. der in mehreren Darstellungen mit ihr grup-
^ ist, ja ob das Original ein Gemälde oder ein plastisches
Werk war, dürfte schwer zu entscheiden sein, nur das scheint
uns unwahrscheinlich, dass diese vorliegende Gopie nur ein
Theil einer grösseren Gruppe gewesen sei. Es ist wenigstens
schwer, namentlich wenn die Figur an einer Wand gestanden
hat, sich eine befriedigende Gruppe auszudenken.
Hinsichtlich der Zeitbestimmung des Originals kann man
wegen des pathetischen Charakters der Figur nicht höher als
Ins zor Mitte des vierten Jahrhunderts hinaufgehen.
Es ist die Meinung geäussert, die Statue möge als
Onbdenkmal' einer unter dem Bilde der Ariadne dargestellten
Sterblichen gedient liaben. Auf den römischen Sarkophagen
wird allerdings die Figur der Ariadne in der Weise gebraucht,
di88 sie zum idealen Bilde einer entschlafenen Sterblichen
wird, und es spricht sich diese Absicht besonders deutlich
dadoorch aus, dass zuweilen der Ariadne ein Porträtkopf auf-
gesetzt ist Nur fragt sich, ob das Bild einer unruhig
Schlafenden für diesen Zweck angemessen ist, auch steht ja
nicht wie auf den Sarkophagen der Gott Dionysos neben ihr,
der ihr nach ängstlichen Träumen ein seliges Erwachen be-
reiten wird.
Abg. Visconti Pio-Clem. II. pl. 44. Miillor-Wioseler II, 35, 418.
Vgl Visfonti Opere varic IV, p. 90 ff. Jacobs Verm. Sdir. IV, 407 ff.
ßeschreibg. Rom's II, 2, 175. 0. Jalm, Archaeol. ßeitr. p. 296. Per-
vmjiiglu, die ürabsteine der alten Gr. p. 27.
635. Verlassene Ariadne*, Marmorstatue, mit der
Chigi'schen Sammlung 1728 nach Dresden gekommen. Er-
gänzt sind die rechte Brust, der rechte Arm und die linke
Hand. Der an Nase und Lippen ergänzte Kopf ist aufgesetzt,
aber zugehörig, doch hat er bei der Zusammenfügung eine etwas
zu starke Richtung nach oben und nach der Seite erhalten.
Wie die linke Hand zu denken, ob sie ruhig herabhing, oder
etwas hielt, ist nicht auszumachen.
Die Figur scheint Ariadne vorzustellen, mit wehmüthigen
Gedanken dem forteilenden Theseus nachblickend. Diese Er-
* Im Niul)ideiisaal u. 18.
Fritfderichs, griech. Plastik. 24
370 Nachblüthe der griechischen Kunst.
klärung stützt sich besonders auf ein in Salzburg ausgegra-
benes; jetzt in Laxenburg bei Wien befindliches Mosaik; aof
welchem in einem Cyklus von Darstellungen aus dem Mythus
des Theseus und der Ariadne eine dieser Statue in allem
Wesentlichen ähnliche Figur vorkommt, welche die Ariadne
in der angegebenen Situation darstellt. Der Charakter der
Figur ist mit dieser Benennung im besten Einklang. Die
Haltung der Beine, die unter andern Verhältnissen etwas
Rücksichtsloses hätte, ist für eine in Gedanken Verlorene be-
zeichnend. Auch die halbe Entblössung der Figur ist glück-
lich gewählt. Sie wäre nicht so angemessen für die ebenbe-
sprochene Figur der Ariadne, deren grossartig pathetischen
Charakter dieser Zusatz sinnlichen Reizes beeinträchtigen
würde, aber bei dieser Ariadne, deren Charakter elegisch und
zart und weich ist, ist sie dem beabsichtigten Eindruck förder-
lich. Interessant ist die Vergleichung gewisser römischer
Wandgemälde, auf denen Ariadne in ähnlicher Situation, aber
nicht ohne Beimischung einer gewissen Sentimentalität darge-
stellt ist, während sie hier als eine zwar weiche, aber doch
auch edel geartete, den Schmerz beherrschende Jungfrau
erscheint.
Ein Originalwerk ist die Figur gewiss nicht, einzelne
Theile, z. B. die Ohren, sind auffallend nachlässig gearbeitet.
Aber ein griechisches Original liegt ihr gewiss zu Grunde.
Der Kopf, an welchem ausser der nicht ganz glücklichen Re-
stauration die etwas zu kurze rechte Hälfte der Mundspalte
auffällt, ist im Uebrigen von grosser Schönheit und erinnert
in seiner Form und in der Behandlung des Haares an meh-
rere schöne Venusköpfe. Zu einer genaueren Zeitbestimmung
fehlen uns die Anhaltspunkte, dass das Original nicht über
die Zeit des Praxiteles hinausgerückt werden kann, ist selbst-
verständlich.
Abg. Becker, Augiisteum Taf. 17. Vg^l. Hettner Bildw. der Kgl
Antikensammlung in Dresden n. 386. 0. Jahn Arcliaeol. Beitr. p. 282
ff. E. Bmun im Archaeol. Anz. 1853 p. 326. Auf dem von Michaelis
Monum d. inst. 1858 tav. 18 herausgegebenen Sarkophag ist die links
neben Apollo befindliche Figur eine Copie dieser Statue.
636. 637. Zwei bacchische Figuren*, im Abgnss
getrennt, im Original auf einer Platte befindlich nebst dem
Im Niobidensaal n. 46 a. b.
«* %x
Nachblüthe der griechischen Kunst. 37 X
Rest einer dritten Figur, einem bekleideten Arm, welcher
einen Krug ausgiesst. Das Relief ist in der Villa Palombara
auf dem Esquiün gefunden und befindet sich jetzt im Vatikan.
Ergänzt sind (im Gyps) Kopf und Füsse des Mannes.
Es scheint dass die grössere Composition, zu welcher
diese Figuren gehörten, eine bacchische Prozession oder etwas
dem Aehnliches darstellte. Die Hand mit dem Ki*uge und
der Aasdruck in den Augen der Frau, der ähnlich an Bac-
chantinnen vorkommt, führen darauf. Man hat in Rücksicht
aof die maassvollen Bewegungen den Namen Thyiaden vor-
geschlagen.
Die feine, elegante Ausführung der Gewänder lässt an
griechischen Ursprung denken, was durch den Umstand un-
terstützt wird, dass jüngst im athenischen Theater eine mit
der Frau übereinstimmende Figur gefunden worden ist.
Abg. Museo Chiaramonti I, 44. Vgl. ßoschreilig" Roms II, 2,80 und
E. Braun Ruinen und Museen p. 280, wo übrigen» beide Figuren als
weiblich angesehn wertleu. Das athenisclie Relief ist in der 'E(pi]/i.
1862 Taf. 27 publicirt.
638. Candelaberbasis*, von Marmor, im capitolinischen
[ Museum.
Die drei Figuren an den Seiten dieser Basis sind ein
' tanzender und Flöte blasender Satyr, sodann eine halb cnt-
blösste Bacchantin in voller Extase das Tambourin schlagend
nnd ein zweiter Satyi', bereits halb taumelnd, mit gesenktem
Kopfe. Diese Figuren wiederholen sich nicht selten in bac-
I cbischen Darstellungen und sind schwerlich für diese Basis
erfanden, sondern gewiss für einen fortlaufenden Fries, sowie
? sie auch anderswo vorkommen. Einem solchen Raum ent-
; spricht die fortschreitende Bewegung der Figm^en, auch die
, Gestikulation des zweiten Satyrs ist dann besser motivirt und
ausserdem erwartet man hinter der den Zug eröffnenden Mu-
sik noch eine grössere Zahl von Theilnehmcrn.
Der Stil ist weich und schön und könnte für griechisch
gelten, auch ist das Ornament zwischen den Greifen von alt-
•.^ griechischer Art, aber wie sich z. B. an pompejanischen Can-
f delabem Motive altetruskischer Candelaber wiederholen, so
5 kann auch dies Oniament nach älteren Mustern wiederholt
sein. Em bestimmtes Indicium späterer Zeit liefert die ar-
• Im Griechischen Saal 11. 368.
24*
372 Nachblüthe der griecliischeii Kunst.
chitektonische Form der Basis ^ nämlich die ausgeschweifte
Linie des untern Bandes.
Man wird im Allgemeinen den Grundsatz festhalten dürfen,
aus dem Ornament und Bilderschmuck eines Geräthes auf
den Zweck desselben zurückzuschliesseu; und danach annehmen
können, dass diese Basis mit ihrem Candelaber entweder fOr
ein Heiligthum des Bacchus oder etwa auch f(ir einen Ban-
kettsaal, um nach unsrer Weise zu reden, bestimmt war.
Abg". Righetti, il museo del Campidoglio 11, 310.
Die drei Figuren wiederholen sich auf dem Krater des Salpion und
sonst, vgl. Welcker Ztsehr. f. a. K. p. 512 ff. E. Braun Ruinen p. 144.
Bötticher im Nachtrag zum Catalog des N. Mus. p. 51 meint, dass der
untere Theil ursprünglich nicht zu dem Werke gehörte , was wohl je-
mand gelegentlich am Original \mtersucht.
639. Bacchantin*, Marmorrelief, das seiner Form
nach eine der drei Seiten einer Candelaberbasis ausgefüllt za
haben scheint. Im britischen Museum befindlich, wohin es
mit der Townley'schen Sammlung gekommen ist
Die Figur hat ein Stück einer in der Wuth getödteten
Ziege in der Hand und wurde aus diesem Grunde mit der
Mänade des Skopas, die dasselbe Attribut hatte, in Zusam-
menhang gebracht. Allein es ist in der That nur diese äusser-
liche Aehnlichkeit vorhanden, im Uebrigen ist sie gänzlich
abweichend. Die Figur des Skopas war gewiss nicht in so
üppigem und raffinirtem Stil gehalten. (Vgl. n. 439.)
Abg. marblcs of tlie british muscum X, 35. Vaux handbook tu
the Brit. mus. p. 185.
640. Bacchantin**, Marmorrelief im Louvre, früher
in Villa Borghese.
Dies Relief hat mit dem vorhergehenden ein und dasselbe
Original, ist aber in höherem Relief gearbeitet und schoa
darum von mehr malerischer, bewegter Art, aber anch
im Stil vorzüglicher und wohl als das schönste Exemplar
dieses oft vorkommenden T}Tpus zu betrachten.
Abg. Clai-ac musee desculpt.pl. 135. Vgl. descript. duLüu\Te n.283.
641. Bacchisches Relief***, an einer Marmorvase, die
* Im Niol)idensiial n. 45.
** Im Niobidensaal n. 53b.
*** Im Saal des farnesischeu Stiers n. 16.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 373
aus der Townle/schen Sammlnng ins britische Museum ge-
kommen ist. Die Vase selbst ist fast ganz nen und auch von
den übriggebliebenen vier Figuren des Reliefs ist der becken-
schlagende Satyr bis auf die untere Hälfte der Beine neu.
Ein dekoratives Werk, dessen einzelne Figuren wenig-
stens znm Theil nicht originelle Erfindungen des Künstlers
shid. Der Flöte blasende Satyr und die Bacchantin sind be-
Uebte Figoren in bacchischen Darstellungen. Wie man aus
der Gomposition sieht; die nach rechts und links auseinander
geht, gehören die erhaltenen Figuren der hintern Seite der
Vase an.
Abg. Marbles of the brit. Mus. I, 9. Ellis the Townley gallery II
215. Vaux handbook p. 256.
642. Satyr und Korybanten*, Fragment einer Mar-
morvase, im Vatikan (galeria de' candelabri) befindlich und
dort zu einem Ganzen restaurirt.
Es ist der Rest einer bacchischen Darstellung, nämlich
ein Satyr von zwei Korybanten in der Stellung von Waffen-
tibizem nmgeben. Die Korybanten haben freilich mythologisch
mit Bacchus nichts zu thun, allein wir sehn in den Kunst-
werken sehr deutlich, wie sich allmählich mythologisch fremde,
aber doch ihrem Innern Wesen nach verwandte Gestalten dem
bacchischen Zuge anschliessen. Die Korybanten gehörten
einem Culte an, dem der grossen Göttermutter, der auch die
schwärmerische Extase, wie sie dem bacchischen eigen ist,
begünstigte, und eben darum waren sie passende Kameraden
der Satyrn. Ohnehin kam es bei dekorativen Werken dieser
Art viel weniger auf mythologische Genauigkeit an, als auf
formelle Angemessenheit und Anmuth, unter diesem Gesichts-
punkt aber waren die jugendlich schönen Gestalten der tan-
zenden Korybanten eine werthvoUe Bereicherung. Uebrigens
sind weder der Satyr noch die Waffentänzer originell erfun-
dene Figuren, wir haben es mit einem dekorativen Werk rö-
inischer Zeit zu thun, dessen Darstellungen blosse Imita-
tionen sind.
Abg. Gerhard Ant. Bildw. Taf. CVI, 4.
643. Silen und Amor**, Terrakottarelief, mit der
Townley'schen Sammlung ins britische Museum gekommen.
V * Im Römischen Saal n. 49, ein Duplikat von zwei der darge-
*^llten Figuren ist unter n. 74. 75 verzeichnet.
*^ Im Gewerbeinstitut.
374 Nachblüthe der griecliischeu Kuiist
Eine der anmutliigsten griechischen Compositionen. Die
fröhliche Jugend; eine das Tambourin schlagende Bacchantin
und Amor geben sich Mühe; den angetrunkenen Alten neu zu
beleben. Aber es wird schwerlich gelingen, denn Silen ist;
wie die Bewegung seiner Rechten vermuthen lässt, seiner nicht
mehr mächtig.
Auf sorgfältige Ausführung machen diese Terrakottareliefs,
die einen dekorativen Zweck hatten ; nämlich zum Schmuck
von Friesen dienten ; keinen Anspruch. Das rechte Bein
Amors ist völlig weggelassen.
Abg-. Terraeottas of tlio brit. miis. pl. 5 u. 6. Ellis the Towiiley
galleiy I p. 87. V^l. das übereinstimmende von Zoega bassiril. II, 79
erklärte Relief.
644. Mänade mit einem Idol"^; Marmorrelief im
Louvre.
Die höchste Extase einer Bacchantin, treflFend dadurch
versinnlicht, dass sie auf den Altar des Pan — denn diesem
gleicht der Kopf der Herme am nächsten — hinstürzt. Das
Götterbild; das sie in den Händen schwingt, wird jedenfalls
ein der bacchischen Raserei verwandtes Wesen bezeichnen;
man ist aber über die genauere Bezeichnung desselben noch
nicht emig.
Abg. Clarac pl. 135. Müller- Wieseler II, 45, 568. Vgl. Wclcker
Akad. Mus. n. 361 \i. Wieseler a. a. 0.
645. Satyr und Bacchantin**; Marmorrelief in Villa
Albani. Ergänzt ist die Bacchantin von der Hüfte abwärts
und der unter ihrem linken Arm hängende Gewandzipfel, am
Satyr das linke Bein vom Knie abwärtS; am Panther die Beine.
Die Bacchantin; mit einem feinen durchsichtigen Gewände
bekleidet; wie es diesen Gestalten in der späteren Kunst eigen
ist; und an den Armen von Schlangen umringelt, ist im Zu-
stand höchster leidenschaftlicher Extase. Mehr lustig dagegen
als leidenschaftlich ist der ihr folgende SatyX; der am Zeige-
finger; wie man so oft auf Vasengemälden sieht; seine Schaalft
hält und in der andern Hand einen Schellenstock führt, ein-
* Im Niobidensaal n. 55.
** Ebendas. n. 53». Wo sich das Original des fast ganz überein —
stimmenden mit n. 53 bezeichneten Abgusses befindet , weiss ich nicht ^
vielleiclit aber ist der Abguss von demselben Original genommen untl.
mir etwas anders restam'irt.
'iNachblüthe der griechischen Kunst. 375
nnserm Halbmond zn vergleichendes Geräth; das im den obem
drei Abtheilnngen mit Glöckchen besetzt war^ auf deren genaae
Angabe es dem Künstler hier nicht ankam. Es war ein In-
strument sinnlich aufregender Art wie die Becken ^ die eben
auch in der bacchischen Feier sehr gewöhnlich sind. Gehörnt
wie der unsrige, werden die Satyrn in älterer Zeit nicht dar-
gestellty dass der Homer drei und nicht zwei sind; ist ver-
mnthlich ohne weitere Nebenbeziehung. Ein naives Motiv ist^
dass dem Panther vor der wilden Bewegung des Satyrs offen-
bar bange wird.
Die obere Einfassung dqs Reliefs mit Stierschädeln —
ein Unheil abwehrendes Symbol — y Rosetten, die nur oma-
mentale Bedeutung haben, und Opferschaalen scheint auf eine
friesartige Verwendung des Reliefs, das sich vielleicht noch
fortsetzte oder auch einen metopenartigen Raum ausftlllen
konnte, hinzudeuten. Und zwar führen die Opferschaalen,
aach die Stierköpfe, die man so oft an den Friesen von Hei-
Ugthümem findet, darauf, dass das Relief am Fries eines Hei-
ügthoms, vermuthlich des Dionysos, angebracht war.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieses so geist-
md lebensvoll componirte Relief auf ein griechisches Original
zurückgeht, freilich nicht auf ein Original der Blüthezeit.
Dazu sind die Bewegungen bereits zu excentrisch, das Pathos
zu gesteigert.
Abg. bei Winckelmanu nioiinm. ined. 60. Zoega bassiril. II, 82
p. 174. Müller- Wieseler II, 43, 544. Vgl. Wieseler a. a. 0. und 0.
Jahn Aniiali 1857 p. 226 Anm.
646. Satyr*, Fragment eines Marmorreliefs, das 1862
im Dionysostheater zu Athen gefunden ist und sich noch in
Athen befindet.
Die Darstellung ist ihres fragmentirten Zustandes wegen
iiicht näher zu bestimmen. Eine Hand fasst den Satyr am
Kinn, hinter ihm befindet sich der Rest eines Hahns. Unbe-
deutende Arbeit.
Abg^. 'E(pYiyL. äQxaiol, 1862 Taf. 29 p. 214.
647. Trunkener Silen**, Marmorrelief, aus dem Be-
sitz der Barberini an den Bildhauer Cavaceppi und durch
<Wesen in den Vatikan gekommen.
* Im (jriechischen Saal n. 336 e.
** Im Niübideusaal u. 118.
i
376 (Nachblüthe der griechischen KuiiA
Silen ist nicht mehr im Stande sich anfrecht zu erhalten^
ein Satyr; der nm der komischen Wirkung willen in bedeutend
kleineren Proportionen gehalten ist^ stützt ihn mit Aufbietung
aller Kräfte^ während ein zweiter sich den Spass macht^ ge-
wisse Theile der Ungeheuern Fettmasse in ihrer natürlichen
Erscheinung zu betrachten.
Wir lassen es unbestimmt^ ob die Gomposition griechisch
oder römisch ist; gewiss ist sie geistreich und lebendig.
Abg. bei Visconti Pio-Clem. IV, 28 wo aber das Motiv des zweiten
Satyrs missverstanden ist. Richtig Conze in der Besprecliung der eng-
lischen Replik im Archaeol. Anz. 1864 p. 213.
648. Faun mit dem Flecken*, Marmorkopf, nahe
bei dem Grabmal der Cäcilia Metella gefunden, früher in Bo-
logna, dann in Villa Albani, jetzt in der Glypthothek zu Mün-
chen. Ein grüner Fleck auf der rechten Seite des Gesichts
hat den Namen fauno colla macchia, faune ä la tache ver-
anlasst. Die Brust ist neu.
Winckelmann hat diesen Satyrkopf als „einen der schön-
sten Köpfe aus dem Alterthum, in Absicht der Ausarbeitung^
gepriesen, während v. Humohr ihn schwerlich mit Recht f&r
ein modernes Werk erklärte. Der Typus ist jedenfalls alt^
da mehrere Exemplare desselben existiren. Das Original ist
sehr stark polirt und aus diesem Grunde wohl erst späterer
Zeit zuzuschreiben, wenn es auch auf ein griechisches Vorbild
znrückgehn mag.
Abg. Müller-Wieseler II, 39, 454. Vgl. Schorn Catalog z. Glypthotek
n. 102. Winckelmann Gesch. d. K. V, 1, 6 mit Meyer's Note. SchöU im
Philologus 1863, XX p. 413. Bei dem Kunsthändler Luigi Abbate in
Rom sah ich im J. 1866 den Abdruck eines mit dem Namen des Dies-
curides bezeichneten Steins, auf dem derselbe Kopf dargestellt war.
649. Satyr**, Erzbüste aus Villa Albani, jetzt in der
Glyptothek in München. Die Büste ist neu. Die Augen wa-
ren aus Silber oder Steinen eingesetzt
Einer der lebensvollsten Satyrköpfe, die uns erhalten
sind, sehr jugendlich und von naiver Fröhlichkeit und Sinn-
lichkeit. Gewiss griechisch, wenn auch nicht aus der Zeit
vor Lysippus.
Abg. Müller- Wieseler II, 39, 456. Vgl. Schorn, Catalog z. Glyptothek
n. 296. Winckelmann Gesch. d. K. VII, 1, 21.
* Im Römischen Saal n. 125.
** Ebendas. n. 124.
it^l^achblüthe der griechischen Kunst 377
660. 651. Flötende Satyrknaben *^ Itturmorstatnen,
firflher in Villa Borghese^ seit 1808 im Louvre. Ergänzt ist
nur Unbedeutendes.
Der Typus eines in behäbiger Ruhe die Querflöte bla-
senden Satyrknaben ist hier durch zwei Wiederholungen un-
gleichen Werths repräsentirt Weit vorzüglicher ist die an den
Pfeiler gelehnte Figur; zunächst hinsichtlich der Stellung^ in-
sofern sie sich behaglicher anlehnt als die andre; und dann
in den Formen; die weicher und harmonischer verschmolzen
sind. Dagegen ist der Künstler in Betreff des Pfeilers wohl
schwerlich seinem Original treu geblieben. Der Baumstamm;
auf welchen sich die andre Figur stützt; passt wenigstens
besser zur Situation, da er den Satyr in seinen Wald versetzt.
An einem Exemplar im Gapitol liegt unten am Stamm noch
ein kleines Rind; wodurch die ganze Scene noch idyllischer
wird. Man sieht zugleich aus diesem Beispiele; wie frei die
Copisten hinsichtlich des Beiwerks verfuhren.
Dieser Typus ist sehr verwandt dem gewöhnlich auf Pra-
xiteles zurückgeführten ebenfalls an einen Baumstamm ge-
lehnten SatjT; von dem auch das hiesige Museum zwei Exem-
plare besitzt. Nur hat jene praxitelische Figur einen hohem
Charakter; eine idealere dem Dionysos ähnliche Schönheit
und Anmuth; während hier schon wegen der Verschiedenheit
des Alters das naiv Idyllische vorwiegt. Wenn nun wirklich
jene reifere Satyrgestalt dem Praxiteles zugeschrieben werden
darf — wofür besonders die grosse Aehnlichkeit derselben
mit dem wirklich von Praxiteles herrührenden Sauroctonos in
der Stellung und überhaupt im Geschmack angeführt werden
kann — ^ so möchte die Figur des SatyrknabeU; die von jener
nnläagbar abhängig ist; von einem Schüler des Praxiteles
herrühren. Sie würde dann ungefähr in die Zeit fallen; als
die bukolische Poesie blühte; und einer solchen Geschmacks-
richtung; die auf dem Gebiet der Poesie das Idyll hervor-
brachte; entspricht die Statue aufs Genaueste.
Abg. Clarac pl. 296. Die Meinung, dass diese Statue nach dem
Satyr des Protogenes copirt sei, ist von Welcker Akad. Mus. zu Bonn
2. Aufl. p. 26 Aum. 28 mit einleuchtenden Gründen bestritten. In der
description du Louvre n. 146 wird der Gestus des Knaben unrichtig
aufgefasst wegen der irrthümlichen Meinung, dass die Alten keine Quer-
flöten nach unsrer Weise gekannt hätten. Vgl. z. B. das Berliner Mo-
• Im RomlschtMi Saal n. 12 u. 62.
378 Nachblüthe der griechischen Künste j
saik mit der Darstellung einer ägyptischen Landschaft, die Copie des
pränestinischen.
652. Pansweibchen*, Marmorstatue in Villa AlbanL
Ergänzt sind beide Ftisse, die rechte Hand mit der Flöte und
Einiges an der Linken, doch ist das Motiv der Figur gesichert
Diese allerliebste kleine Statue gewährt uns das seltene
Schauspiel eines weiblichen Pan, aber in zarterer und edlerer
Auffassung als je ein männlicher Pan dargestellt wird. Ge-
wiss haben wir das Werk in der Originalgrösse vor uns, denn
es verliert bedeutend, wenn man es sich vergrössert denkt
Die Statue könnte mit den eben erwähnten flötenden
Satyrknaben, denen sie sehr ähnlich ist, derselben Periode zu-
geschrieben werden und dass sie nicht früher als in alexan-
drinischer Zeit entstanden, ist freilich gewiss. Sie wird für
einen Garten oder für ländliche Umgebung bestimmt gewesen
sein, wie sich in Pompeji ein hübsches Beispiel eines von
kleineren Satyrn und Panen belebten Gartens erhalten hat
«
Abg. bei Clarac musee de sculpt. pl. 727. Vgl. E. Braun Ruinen
u. Museen Roms p. 656.
653. Satyr mit einem Böckchen**, Marmorstatoe
in Madrid. Ergänzt sind Kopf und Füsse der Ziege, am Sa-
tyr beide Arme und das linke Bein vom Knie abwärts.
Composition und Stil dieser Gruppe sind gleich vortreff-
lich. Das trauliche Verhältniss zwischen dem Satyr und sei-
nem Thier ist äusserst anziehend, der Stil sehr lebensvoll
Das Werk scheint griechisch und dilrfte dann so manchen
idyllischen Darstellungen aus der spätem Zeit der griechischen
Kunst zuzurechnen sein. Der Fichtenkranz und die Syrinx
die am Stamm hängt, sind nicht ausgeführt, und am Kinn des
Satyrs ist ein Messpunkt stehn geblieben.
Abg. Clarac pl. 726 E. Vgl. Hübner die Antiken in Madrid
p. 66 n. 59.
654. Pan und Olympus***, Broncegruppe aus Pompeji,
im Antikenkabinet zu Arolsen befindlich.
Diese Gruppe ist die verkleinerte Copie einer schönen
* Im Römischen Saal n. 13.
** Ebendas. n. 11.
*** Im Saal der Tliiere mid Broncen n. 344.
.Nachblüthe der griechi»clien Kunsk 579
in mehreren Exemplaren; deren schönstes sich za Neapel be-
findet; erhaltenen lebensgrossen Gruppe. Plinius erzählt von
einer sehr geschätzten Marmorgruppe des Pan und Olympus,
die sich zu seiner Zeit in Rom befand und gewiss von Grie-
chenland herübergeholt war, worauf schon der Umstand deutet,
dass man den Künstler dieses Werkes nicht mehr anzugeben
WQsste. An demselben Ort war auch eine Gruppe des Chiron
und AchiU aufgestellt, gewiss übereinstimmend mit der in so
vielen Gopien erhaltenen Darstellung, in welcher der Centaur
den jungen Helden auf der Leier unterrichtet, man hat daher
vermuthet, Pan und Olymp möchten als ein Seitenstück zu
dieser Gruppe componirt gewesen und also mit der uns er-
haltenen Gruppe zu identificiren sein.
Diese Vermuthung ist sehr ansprechend, nur die Musik
konnte Pan und Oljrmp — letzterer ist ja auch, wenngleich
auf der Flöte ein berühmter Virtuose — zusammenführen und
es war dann natürlicli, dass der Gott den Knaben auf seinem
Instrument, der Syrinx, unterrichtete.
Die Gruppe wäre höchst anziehend und ein reizendes
plastisches Idyll zu nennen, wenn nicht die Lüsternheit des
(rottes störend dazwischen träte. Denn in Pan erwachen bei
dem Anblick des schönen Knaben thierische Begierden, denen
€r Ausdruck zu geben im Begriff ist.
Wir können nicht läugnen, dass dies Motiv den Reiz der
Gruppe vernichtet und den Eindruck des Widerwärtigen her-
vorruft, die Gruppe ist ein signifikantes Beispiel für die Aus-
artung der Kunst ins Schlüpfrige. Wir werden das Original
derselben, das gewiss griechisch war, in der Zeit nach Ale-
xander aufzusuchen haben.
Vgl Gädecheiis, Die Antiken des Fürstlicli Waldeckischen Museums
zu Arolsen n. 120. Stephani im Compte-rendu pour l'annee 1862 p. 98 stellt
eine ^anz neue Erklärung dieser Gruppe auf, indem er die Zurück-
fuhrung derselben auf die von Plinius erwähnte Gruppe bestreitet, in
welcher vielmehr der Berichterstatter statt eines Marsyas einen Pan zu
sehen geglaubt habe. Das ist eine etwas starke Zumuthung, da Plinius
viiu einer allgemein bekaimten und beriihraten Gruppe spricht, die er
ebendeswegen nicht anders bezeichnet haben wird, als wie sie im Pu-
blikum bekannt war. Es ist gewiss richtig, dass Olympus sonst nichts
mit der Syrinx zu thun hat, aber in seiner Verbindung mit Pan, die
wir nach der Stelle des Plinius anzunehmen haben, ist es doch sehr
natürlich. Was aber die neue Erklärung betrifft, dass vielmehr Pan
und Daphnis dargestellt seien, so bezweifle ich, ob ein Künstler den
Daphnis, welchen sich das Alterthum g^ewiss wie Theokrit als eine Ge-
stah elegischer Art dachte, der Lüsternheit des Pan exponirt haben
würde.
380 ^Nachblüthe der griechischen Kunst.
655. Pan*, Marmorstatue, 1840 im Piräus gefanden, in
Athen, im Thesemn befindlich.
Der Pfeiler, an dem die Figur steht, und die oben auf
demselben eingeschnittene Vertiefung zeigen, dass das Werk
zu einem grösseren architektonischen Ganzen, wahrscheinlich
zu einer Balustrade gehörte. In Cambridge befindet sich eine
ganz übereinstimmende Figur und andere Beispiele dafftr,
dass man die Pfeiler eines Geländers mit Hermenköpfen oder
auch mit angelehnten Figuren verzierte, sind' nicht selten.
Die architektonische Verwendung erklärt die ruhige Stellung
der Figur, und auch wohl die bei Pan nicht gewöhnliche Be-
kleidung, durch welche der Umriss der Figur der Form des
Pfeilers sich besser anpasst. In der herabhängenden Linken
hält er die Syrinx.
Die Figur war bemalt, man bemerkte bei der Ausgrabung
Spuren von rother Farbe im Gesicht.
Abg. Scholl Archaeol. Mitth. Taf. 5, 9 p. 94. Le Bas monmn. flg.
pl. 30. Müller-Wieseler II, 43, 532. Vgl. Curtius im bull. 1840 p. 136.
Michaelis Aunali 1863 p. 310.
656. Der barberinische Faun**, Marmorstatue, ge-
funden unter dem Papst Urban VIII. in dem das Grabdenkmal
Hadrians, das jetzige Castell St. Angelo umgebenden Graben^
weswegen Winckelmann vermuthete, sie habe zu den Statuen
gehört, die bei der Belagerung dieses CasteUs durch die
Gothen zur Zeit Justinians von den Belagerten auf die Feinde
herabgestürzt wurden. Die Statue kam zuerst in den Besitz
der Barberini und von da in die Glyptothek in München, wo
sie sich uoch befindet. Ergänzt sind das rechte Bein fast
ganz, auch das linke bis auf kleinere Stücke, der linke Vorder-
arm, der rechte Ellbogen, die Finger der rechten Hand.
Die Statue stellt einen seinen Bausch ausschlafenden
Satyr vor, in unedler aber für ihn und seinen Zustand cha-
rakteristischer Haltung. Sie ist gewiss als ein griechisches
Originalwerk zu betrachten, theils weil sie in einem Grade
lebensvoll ist, wie wenig andere Antiken, theils weil derselbe
Gegenstand auf einem kleineren griechischen Kunstwerk er-
wähnt wird, das nicht als Vorläufer, sondern nur als Nach-
folger eines grösseren statuarischen Werks betrachtet werden
• Im Saal der Thiere und Broncen n. 13.
•• Im Saal des Barberinischen Fauns n. 13.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 381
kann. Der Künstler desselben lebte jedenfalls vor Pompejos,
womit wir demnach auch für die Marmorstatne eine Zeit-
grenze gewinnen. Als Grenzpunkt nach rückwärts dagegen
betrachten wir die Zeit Alexanders^ denn bei aller Grossartig-
keit der Anlage ist doch das Ganze so naturalistisch, dass
es der vorlysippischen Kunst nicht zugeschrieben werden kann.
Winckelmann sagte, der Satyr sei ,,kein Ideal, sondern ein
Bild der sich selbst gelassenen einfältigen Natur." ,
Abg. Müller-Wieseler II, 40, 470. Vgl. Winckelmann's Kunstgesch.
Xn, 3 § 6 u. V, 1, § 6. Schorn's Catalog z. Glyptothek n. 98, nament-
lich aber v. Lützow in d. Vhandl. d. 21. Philologenvsaminlg. in Augs-
burg p. 71. Nur bezweifle ich das Wolfsfell und die^ daraus gezogene
Folgerang ohne freilich selber das Fell genauer bestimmen zu können.
Ueber das im Text erwähnte Werk des Antipater vgl. Plin. 33, 135.
657. Tanzender Silen*, Marmorstatue, 1824 im Sa-
binerlande am Monte Calvo gefanden. Von der Familie
Borghese gekauft und in Villa Borghese befindlich. Ergänzt
(in Gyps) sind die Arme, ausserdem ein Theil des linken
Schenkels und der grössere Theil des Fells und des Stammes.
Die Ergänzung, wiewohl unter der Leitung von Thor-
waldsen ausgeführt, scheint nicht richtig zu sein. Mehrfache
Wiederholungen der Figur auf Reliefs beweisen vielmehr, dass
der Satyr nicht die Becken schlug, sondern eine Doppelfiöte
im Munde hatte. Zum Beckenschlagen gehört auch eine etwas
lebhaftere Aktion, das ruhige Herumdrehen im Kreise, wie es
hier ausgedrückt ist, verlangt eine andere Musik. Endlich
scheinen auch die aufgeblähten Backen einen Flötenbläser
anzudeuten, ja man glaubt es dem Munde anzusehen, dass
sich in jedem Winkel desselben eine Flöte befand.
Es ist nicht ein lustiger Tanz, den der Satyr tanzt, son-
dern — und hierin liegt die komische Pointe der Figur —
der Satyr sucht in Bewegung und Mienen die grösste Feier-
lichkeit und Würde zur Schau zu stellen. Die ganze Figur
reckt und streckt sich um einen möglichst imponirenden Ein-
druck zu machen. Aber das Feierliche gelingt ihm nicht
recht, den linken Fuss setzt er über den rechten und be-
sonders komisch ungraziös ist die Art, wie er den Fuss setzt,
nämlich quer, so dass die Seitenfläche des Fusses nach aussen
gewandt ist.
Hinsichtlich der Zeitbestimmung ist die Meinung aus-
im Niobidensaal n. 79.
382 Nachblüthe der griechischen Kunst.
gesprochen worden, die Figur habe myronischen Charakter.
Das ist aber schwerlich möglich. Man vergleiche nur den
Kopf des myronischen Marsyas (n. 100), um einen Unter-
schied von Jahrhunderten zu empfinden. Dort überall stili-
stische Strenge, hier der freieste und üppigste Realismus,
Auch konnte eine solche Statue wohl nicht eher entstehen^
ehe die Künstler gelehrte Studien der Anatomie machten. Es
tritt zwar in der wundervoll durchgeführten Biegung und
Dehnung des Körpers durchaus keine Prätension hervor, da
Alles aus dem Grundmotiv folgt, allein die Statue setzt doch
eine gelehrte und studirte Richtung der Kunst voraus, und
kann eben deswegen schwerlich vor der alexandrinischen Zeit
entstanden sein.
Abg. Moimm. d. inst. III, 59. Vgl. Wiese in Annali 1843 p. 266 tf.
Die richtige Ergänzung ist von Brunn im Rliein. Mus. 1846 p. 468 ff.
nachgewiesen, der auch auf die Uebereinstimmung dieses Satyrs mit
Callistratus stat. 1 aufmerksam macht. Braun Ruinen und Museen
p. 555 bestreitet die Ergänzung zum Flötenbläser, aber wie mir scheint,
mit unzureichenden Gründen.
658. Ausschauender Satyr*, Marmorstatue, aus La-
mia in Thessalien, jet^t in Athen.
Die Ergänzung der Figur kann theils nach vorhandenen
Wiederholungen, theils nach den in den erhaltenen Theilen
gegebenen Andeutungen mit Sicherheit bestimmt werden. Es
ist ein in die Ferne hinausspähender Satyr, der eben des-
wegen auf den Fussspitzen steht und mit der Rechten die
Augen bedeckte. Die Stellung ist für den neugierigen mit
lüsternen Augen überall hinspähenden Dämon höchst cha-
rakteristisch.
Das Motiv ist dem der eben besprochenen Statue sehr
ähnlich, es ist auch eine auf den Fussspitzen stehende sich
ausreckende Figur. Die Formen sind freilich sehr verschie-
den, hier tritt uns ein weicherer Satyrtypus entgegen. In-
dessen kommen doch auch übereinstimmende Satyrgestalten von
strafferer Bildung vor**, wodurch denn die Aehnlichkeit noch
grösser wird.
Der Maler Antiphilus, der nicht früher als unter dem
ersten Ptolemäer lebte, malte einen sehr berühmten Satyr mit
dem Pantherfell, der den Namen Aposcopeuon führte. Damit
* Im Griechischen Saal n. 44.
** Vgl. z. B. eine schöne Broncestatuette im hiesigen Antiqiiarium.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 383
ist genau die Stellang dieser Figur bezeichnet und ohne be-
haupten zu wollen^ dass sie von dem Gemälde des Antiphilus
copirt sei; glauben wir doch dies daraus entnehmen zu können;
dass ihre Auffassung der Zeit des Malers entspricht. Ausser-
dem bestimmt uns die Aehnlichkeit mit dem eben besproche-
nen Werk auch diese Figur der alexandrinischen Periode zu-
zuweisen.
Abg. Scholl Archaeol. Mitth. Taf. 5, n. 11. Vgl. ii. 68 p. 93
und p. 111. Eine sehr ähnliche Figur in Pompeji bei Overbeck, Poni-
ptji n, Fig. 300a.
659. Marsyas*; MarmortorsO; bei den im Jahre 1844
von L. Vescovali auf dem Palatin veranstalteten Ausgrabungen
gefunden und im Berliner Museum befindlich.
Die Ergänzung kann nach den IndicieU; die der Torso
selbst bietet; und nach den zahlreichen Wiederholungen mit
Sicherheit angegeben werden. Der Körper des Marsyas hing
nämlich von einem Baum; der an der Rückseite der Figur
noch Spuren hinterlassen hat, herab, indem beide Arme über
dem Kopf befestigt waren; der Kopf hing betrübt nach unten.
Die Statue ; entweder sie selbst oder ihr Original; war
ein Theil einer Gruppe; in welcher die Vorbereitung zur
Schindung des Marsyas — die Strafe für seine Ueberhebuug,
die ihn einen Wettkampf mit Apollo eingehen liess — dar-
gestellt war. Die Zahl der Figuren, welche diese Gruppe
bildeten; lässt sich nicht ganz genau bestimmen, doch waren
mindestens drei nothwendig; Apollo, der das Messer zur Schin-
dung schleifende Barbar (n. 660) und Marsyas.
Unter den vielen Wiederholungen dieser Figur ist die
Mesige gewiss die schönste. Das Frische und Schwellende in
der Behandlung des Nackten lässt in ihr ein griechisches
Werk und zwar ein Originalwerk voraussetzen. Auch das
Satyreske des Marsyas ist in den Formen und im Haarwuchs
cbarakteristisch dargestellt. Die Haare auf der Brust und
^ter den Armen charakterisiren gemeinere Naturen und auch
die Schamhaare werden an edleren Wesen viel bescheidener
angegeben.
Indessen ist das Werk schwerlich früher entstanden als
in der Periode nach Alexander. Zunächst ist schon der
^genstand wenig erfreulich. Die Strafe der Schindung hat
schon an sich — mag es auch durchaus gerecht sein, dass
* Im Römischen Kuppelsaal n. 10.
334 Nachblüthe der griechischen Kunst.
Marsyas überhaupt bestraft wird — etwas Widerwärtiges,
ausserdem aber veranlasst der für die Gruppe gewählte Mo-
ment, die Schleifung des Messers, die peinlich hülflose Lage
des armen Satyrs, gerade an dies Widerwärtige zu denken.
Eine idealer gestimmte Zeit hätte schwerlich den Gegenstand
in dieser Weise aufgefasst. Aber die Absicht des Künstlers
ging auch nicht dahin, durch Darstellung von etwas ethisch
Ergreifendem zu wirken, sondern vielmehr an dem herab-
hängenden Körper des Marsyas eine Probe seiner Kenntniss
des Nacktea und seiner Virtuosität in der Darstellung abzu-
legen. Die Statue ist dem borghesischen Fechter und dem
borghesischen Satyr (n. 657) verwandt und aus einer Kunst-
richtung hervorgegangen, der das Einfache und Natürliche
nicht pikant genug war, die im Bewusstsein ihrer Virtuosität
schwierige Aufgaben suchte und glänzend löste.
Die Fundnotiz im bullet. 1851 p. 17. Vgl. Michaelis Ann. 1858
p. 320 ff., der die Gruppe als aus drei Personen, Marsyas, Apollo und
dem Schleifer bestehend zu reconstruiren sucht und mit Brunn (Ann.
1857 p. 129) einen sitzenden Apoll dem Marsyas gegenüber an-
nimmt. Mir scheint diese Annahme etwas bedenklich, einmal weil der
aufrechten Figm* des Marsyas besser ein stehender Apoll entsprechen
würde und sodann wegen sehr vieler Gemmen, die in dieser letzteren
Weise componirt sind.
660. Schleifer von Florenz*, berühmte Marmorstatue,
deren Ergänzung unbedeutend ist, sie betrifft hauptsächlich
die drei ersten Finger der linken Hand.
Die Statue oder wenigstens der von ihr repräsentirte
Typus war ein Bestandtheil derselben Gruppe, welcher die
eben besprochene Figur des Marsyas angehörte. Sie stellt
den Barbaren dar, der mit grinsendem Blick auf sein Opfer
gerichtet, das Messer schleift, mit dem die Execution voll-
zogen werden soll. Wahrscheinlich nahm diese Figur die
Mitte der Gruppe ein.
Der Künstler hat die Execution einem Barbaren über-
tragen im Anschluss an den Mythus, denn in Athen, wo der
Mythus hauptsächlich seine Ausbildung erhalten, wurde das
Schergenamt von Barbarensklaven versehen. Zudem erforderte
die Handlung selbst eine gemeinere Natur. Diese gemeine
Barbarennatur ist nun in allem Einzelnen, in der Stellung, in
dem lederartigen Gewand, in der engen Brust, in der Schädel-
* Im Römischen Kuppelsaal n. 8.
I
Nachblüthe der gpriechischen Kunst 385
bildong^ die nach Blomenbach kosakenähnlich ist; in dem Bart
und unordentlichem Haupthaar sehr charakteristisch und leben-
dig wiedergegeben. Auch treten wie am sterbenden Fechter
die Haatfalten über den Knöcheln der Hände und die Adern
stärker hervor als an idealen Gestalten üblich ist.
Die Gruppe gehört, wie schon beim Marsyas bemerkt,
der griechischen Kunst nach Alexander an, als nicht mehr
allein ideale Schönheit, sondern auch das Hässliche in seinen
duLtaktenstischen Erscheinungen von den Künstlern zum Vor-
^rf genommen wurde.
Zur Charakteristik einer früheren Erklärungsweise be-
merken wir, dass diese Figur, ehe sie ihren richtigen Namen
erhielt, für den Barbier erklärt wurde, der dem Cäsar die Ver-
schwörung des Achillas und Pothinus entdeckte.
Abg. Müller - Wieseler II, 14, 155. Vgl. 0. Mttller's Handbuch
|. 862, 4 uiid namentlich Meyer Amalthea I, 286 ff. und zu Winck.
Kunsigesch. 11, 1 § 10, wo auch die Ergänzungen genau angegeben.
Im Zusammenhang mit anderen Darstellungen der Marsyasmythe neuer-
«iings besprochen von Michaelis Ann. 1858 p. 298 f. und Stephani Compte-
"^wdn 1862, 134.
661. Junokopf*, von Marmor, in Villa Ludovisi. Die
Nasenspitze und Unbedeutendes am Halse ist ergänzt.
Wenn auch im Leben, wie wir aus Homer sowohl als
^ aas den attischen Grabsteinen sehen, die Verschleierung des
Kopfes in gleicher Weise bei Jungfrauen wie bei Matronen
üblich war, so finden wir doch, dass die Kunst wenigstens in
ihrer vollendeten Zeit unter den göttlichen Frauen in dieser
Beziehung unterscheidet. Artemis z. B., die im älteren Stil
vohl mit einem Schleier vorkommt, verliert ihn später, als
eigenthümlich kann die Verhtillung des Kopfes nur an Juno,
Ceres und HesMa betrachtet werden, kurzum an Göttinnen,
in deren Charakter etwas Ernstes, Feierliches und Würde-
volles liegt, das eben durch die Verhtillung verstärkt wer-
•len soll.
Der Ausdruck dieses Kopfes ist tiberwiegend milde. Ver-
gleichen wir den Farnesischen Kopf (n. 89), die Ludovisische
Colossalbüste (n. 433) und diesen, so sehen wir stufenweise
Jen junonischen Ernst und ebenso die Strenge des Stils sich
Diüdem. Letzterer ist daher nothwendigerweise der späteste,
• Im Saal des Barherinisclien Fanns n. 21.
frwdericlLB, griech. riastik. 25
386 Nachblütlie der griechischen Kunst.
wir vermögen aber nicht eine genauere Zeitbestimmung an-
zugeben.
Vgl. Meyer z. Winck. Kuristgesch. V, 2 §. 7. 0. Müller Hainlb.
§. 352, 4 leitet den Schleier der Juno von ihrer Eigenschaft als Braut
des Zeus ab, aber sollte er nicht dieselbe Veranlassung haben, wie der
Schleier der Demeter und Hestia?
662. Junokopf*, von Marmor, früher in Palast Pen-
tini, im Jahre 1838 dem Papst geschenkt und seitdem im
Vatikan. Ergänzt sind Hals und Brust mit dem unteren Theil
der Locken, Nase und Oberlippe.
Die Göttin hat wie die Juno Ludovisi eine mit Blumen
geschmückte und nach der Mitte zu anschwellende Stirnkrone.
Es ist aber sowohl in der Bewegung als in den Formen und
im Ausdruck des Kopfes bereits alle Strenge, die den früher
betrachteten Junoköpfen eigen war, verschwunden. Man würde
ohne die äusseren Zeichen der Stirnkrone und der herab-
hängenden Locken die Königin des Olymps schwerlich er-
kennen.
Abg. Monum. d. inst. II, 52. Annali 1838 p. 21 ff. Vgl. Kekule
Hebe p. 70 f.
663. Vatikanischer Apollo**, Marmorstatue, am Ende
des fünfzehnten Jahrhunderts in der Nähe von Antium (Capo
d'Anzo), einem Lustort der römischen Kaiser, gefunden. Ju-
lius II. kaufte sie noch als Cardinal, und Hess sie als Papst
durch Michelangelo im Belvedere des Vatikans aufstellen.
Ergänzt sind durch Montorsoli, den Schüler Michelangelo's,
die linke Hand und die Finger der Rechten. Ob der Mar-
mor griechisch oder cararisch ist, darüber hat man viel ge-
stritten, die bedeutendsten Autoritäten entscheiden sich för
das Letztere.
Das ursprüngliche Motiv der Figur ist erst in der neuesten
Zeit erkannt. Man nahm früher mit dem Ergänzer an, dass
der Gott in der Linken den Bogen gehalten und schwankte
nur über das Ziel seines Schusses, kürzlich aber ist in Peters-
burg eine kleine in allem Wesentlichen übereinstimmende
Statue zum Vorschein gekommen, in welcher die linke Hand
erhalten ist und zwar nicht den Bogen, sondern die Aegis
* Im Saal des ßarberinisclien Fauns n. 16.
** Im Saal des Farnesischen Stiers n. 11.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 337
haltend; die demnach auch für diese Statue vorauszusetzen ist.
Der Gott war dargestellt, wie er durch die mit dem Medusen-
kopf geschmückte Aegis, das Symbol der Furcht und des
Schreckens; einen Feind hinwegscheucht. Wer dieser Feind
sei; ist nicht mit Sicherheit zu sageu; man denkt zunächst an
die Scene der Ilias, in welcher Apollo ; den Trojanern bei-
stehend; die Griechen durch die Aegis i^^ die Flucht treibt,
aber es verdient auch eine geistreiche Vermuthung erwähnt
zu werden; nach welcher die Gallier, die das delphische Heilig-
thum im Jahre 278 anzugreifen wagten ; dem erzürnten Gott
gegenüber zu denken seien. Es ging die Sage, dass der Gott
ihnen als ein Jüngling von überirdischer Schönheit unter
Sturm und Ungewitter erschienen und sie vom Pamass herab-
gestürzt habe, und in der That würde diese Sage ihre pla-
stische Darstellung nicht treffender haben finden können, als
in dieser Statue, die den Gott im höchsten Glänze der Jugend-
schönheit mit dem Schreckbild der Aegis an seinen Feinden
vorüberwandelnd darstellt. Denn dies ist der glücklich ge-
wählte Moment, der Gott stellt sich nicht den Galliern ent-
gegen, wie ein Krieger dem andern, sondern nur hinwandehid
wie eine glänzende Erscheinung scheucht er leicht die Feinde
zurück.
Der Apoll von Belvedere ist kein Originalwerk, denn es
ist kürzlich in Rom ein genau auch in den Maassen überein-
stimmender Marmorkopf zum Vorschein gekommen, der durch
seinen strengeren und einfacheren Stil jenem gegenüber wie
ein Originalwerk aussieht. Aber auch wenn dieser Kopf nicht
das Original sein sollte, würden wir doch nicht die Meinung
für richtig halten können, dass dem belvederischen Apollo ein
Original von Bronce zu Grunde liege. Gerade an dieser Statue
empfand Goethe die Schönheit und Wirkung des Marmors,
das Glänzende und Prächtige der Figur würde zum grossen
Theil seine Wirkung verlieren.
Wenn wir annehmen, dass der Gott den Galliern gegen-
überstehend gedacht ist, so ist damit schon eine Zeitgrenzc
gegeben. Man war aber auch schon immer aus der Betrach-
tung des Werks selbst zu der Ansicht gekommen, dass es
nicht in der Bltithezeit der griechischen Kunst entstanden
soin könne. Winckelmann zwar preist diesen Apoll als das
höchste Werk der alten Kunst, allein abgesehen von den Ent-
deckungen nach Winckelmann, die auf das künstlerische Ur-
theil nicht ohne Einfluss waren, so ist Winckelmanns Hvmnus
25*
388 Nachblüthe der griechischen Kunst
mit seinen eigenen kunsthistorischen Principien jin Wi
Spruch, namentlich mit dem, was er über die Grazie
hohen und schönen Stils sagt. Denn nach diesen Princi
gemessen, yrtirde der Apollo nicht so hoch zu schätzen i
aber Winckelmann vergass sich selbst, hingerissen durch
Poesie der Erfindung und die Schönheit der Ausführung,
wer könnte die Pc^sie dieses „geistreichsten" antiken We
läugnen? Aber andererseits ist eben so gewiss, dass
Statue nicht Stich hält, wenn sie nach jenem von Winc
mann in den Bemerkungen über die Grazie gegebenen Ma
Stabe gemessen wird. Sie wirkt zu plötzlich und überrascl
und hat nicht die Einfalt und Würde der früheren Zeit,
Künstler hat nicht mehr an seinen Gott geglaubt, son<
ihn wie ein glänzendes, entzückendes Bild seiner Phani
vor sich gesehen. Daher auch die Zierde, ja Eleganz,
der er ihn ausgestattet, die reich verzierten Sandalen,
sorgfaltig angeordnete und mit Salben bereitete Haar,
für diese Auffassung eben so angemessen ist, wie es
Standpunkt der früheren Zeit aus künstlich und geziert
scheinen würde.
Die Petersburger ßronce ist von Stephani, Apollon Boedromios
herausgegeben. Der neugefundene im Besitz des Bildhauei*s Steinlii
befindliche Kopf ist neben dem der vatikanischen Statue in dopp
photographischer Abbildung in den Monum. d. inst. 1867 publicirt
von Kekule in den Annali 1867 p. 124 tf. in überzeugender \^
charakterisirt. Dort ist auch die neueste Literatur angeführt.
664. Apollo mit seinem Greif*, Marmorrelief,
J. 1805 bei den im Colosseum veranstalteten Ausgraboi
gefunden und im Vatikan befindlich.
Das grössere Ganze, zu dem dieses Fragment gel
ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, erhalten ist nur
Figur des Apollo, der seinen linken Arm, wie es scheint,
die Leier stützte, von welcher ein Stück zurückgeblie
während rechts von ihm der grösstentheils erhaltene G
steht. Das Relief ist von sehr gutem Stil und könnte ^
chisch sein.
Das Werk befindet sich im museo Chiaramonti miter n. 2.
665. Artemis von Versailles**, Marmorstatue,
Heinrich IV. oder Franz I. in Frankreich, an verschiede
* Im Treppenhaus n. 30.
•* Im Saal des Famesischen Stiers n. 13.
Nachbiüthe der griechischen Kunst. 339
Orten^ befindlich^ seit dem Anfang dieses Jahrhunderts im Louvre.
Ergänzt ist durch Barth^lemy Prieur der linke Arm.
Wir sehen in dieser Statue die Artemis als rüstige Jäge-
rin, wie sie mit ihrer Hirschkuh dahineilt, und von dem Ge-
räusch eines aufspringenden Thieres getroffen, sich umsieht
und sogleich nach dem Köcher greift, um einen Pfeil heraus-
zonehmen. Die Hindin neben ihr hat man wohl, weil ihr
gegen die Natur ein Geweih gegeben ist, für das berühmte
goldgehömte Thier erklärt, welches Herakles verfolgte, und
demgemäss das Motiv der Figur anders gedeutet, allein auch
andere Hindinnen hat die Kunst der Schönheit wegen mit Ge-
weih aasgestattet, es ist hier offenbar keine bestimmte Hindin
gemeint, sondern das Thier ist die Begleiterin der Artemis,
wie Apollo seinen Greif neben sich hat. Schon auf den
ältesten Monumenten ist es in diesem Sinne der Göttin bei-
gegeben.
Die Darstellung der kurz bekleideten Artemis scheint der
griechischen Kunstblüthe fremd und erst aufgekommen zu sein,
äIs man die Göttin einseitig unter dem Bilde einer schlanken
Jägerin auffasste, sowie sie uns hier entgegentritt. Die schlanke
«nd hohe Gestalt, die schon Homer an der Artemis hervor-
l»ebt, ist hier durch die Verkleinerung des Oberkörpers und
namentUch des Kopfes im Vergleich zu den Beinen noch be-
sonders betont.
Die Statue ist mit höchster Eleganz gearbeitet, sie gleicht
tan und in allem Uebrigen so sehr dem Apoll von Belvedere,
dass sie gewiss mit Recht derselben Zeit, ja demselben Künstler
Zügeschrieben wird.
Ein griechisches Original späterer Zeit scheint dieser
Fignr zu Grunde zu liegen, wenigstens wird uns von einer
finstatue in Phelloe in Achaja berichtet, in welcher Artemis
in dem Moment dargestellt war, wie sie den Pfeil aus dem
Köcher nahm. Unsere Figur aber werden wir, wie den Apoll
^om Belvedere, als eine Copie betrachten dürfen.
Vjjrl, die Literatur und Abbild, in 0. Miiller's Handbuch §. 364, 1.
^Ti|it. du Louvr^^n. 178. M. Wagner in den Annali 1830 p. 163.
^'•••«'ker Akad. Mus. z. Bonn n. 65.
666. Sogenannter Jason*, Marmorstatue, in der Villa
^drian's bei Tivoli gefunden, aus dem Besitz des Duca
* Im Niobidensaal n. 25.
390 Nachblüthe der griechischen Kirnst.
Braschi zu Rom an deu König Max Joseph von Baiern ver-
kauft und durch König Ludwig für die Glyptothek in München
erworben. Der Kopf ist antik, aber nicht zugehörig, ebenso
der linke Schenkel; beide sind von anderem Marmor als das
Uebrige. Ergänzt sind beide Arme, das rechte Bein und der
rechte Vorderfuss. Die Ergänzung ist aber richtig.
Die Statue ist unter der ihr von Winckelmann in etwas
naiver Weise gegebenen Benennung „Jason" bekannt. Es
sei, meinte Winckelmann, Jason, der zum Pelias gerufen, nur
am rechten Fuss beschuht herankam, weil er in der Eile
vergessen, auch den linken Fuss mit dem Schuh zu bekleiden.
Winckelmann tibersah, dass der Jüngling den zweiten neben
ihm stehenden Schuh auch wohl anlegen wird, wenn er mit
dem anderen fertig geworden.
Es ist uns aus dem Alterthum die Beschreibung einer
Hermesstatue erhalten, die in der Stellung genau mit diesem
„Jason" tibereinstimmt. Der Blick des Hermes war nach
oben gerichtet, als ob er „lausche auf die Befehle des Vaters."
Auch eine Münze, auf welcher Hermes durch seinen Stab
bezeichnet ist, stimmt bis auf die Richtung des Kopfes mit
der Statue
Es ist also Hermes dargestellt und zwar in seiner Eigen-
schaft als Götterbote. Wie wir bei Homer lesen, wenn ein
Gott sich auf die Reise macht, dass er zunächst die schönen
Sandalen anlegt, so hier. Und um die Eilfertigkeit des
Götterboten zu charakterisiren, ist er bereits mit den Schuhen
beschäftigt, während er noch den Auftrag erhält, und hält
nur inne, um seine Aufmerksamkeit ganz dem Auftraggeber
zu widmen. So sind in einem prägnanten Moment die beiden
Eigenschaften eines guten Boten, das aufmerksame Erfassen
des Auftrags und die rasche Bereitschaft zur Ausführung,
glücklich vereinigt, dass er aber schnell und gewandt seinen
Auftrag ausführen wird, dafür bürgt die Schlankheit und
Elastizität seiner Glieder. Auch die Stellung ist sprechend,
nicht ruhig behaglich, sondern rasch und belebt, man ver-
gleiche zwei ziemlich übereinstimmende Figuren am westlichen
Fries des Parthenon*, um den Unterschied dieser bewegteren
Stellung von einer mehr ruhigen und spannungslosen zu em-
pfinden.
Das Original dieser Statue denkt man sich lieber in Erz
* Im Griechischen Saal n. 209. 218.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 391
als in Marmor ausgeführt, weil das in ersterem Fall mög-
liche Fehlen der Stütze die Leichtigkeit der Figur nicht
wenig heben würde; die jetzt verdeckte Gewandung würde
dann die Glieder der Figur zusammenschliessen. Es scheint
übrigens nicht der Blüthezeit der Kunst anzugehören, denn
der Charakter des Hermes ist mehr genreartig anmuthig, als
von göttlichem Ernst erfüllt, und die schlanke Grazie der
Figur setzt die von Lysippus vertretene Kunstrichtung voraus.
Vgl. Schom im Catalog d. Olyptothek n. 152. Die richtige Be-
neiuinng gab 0. Müller im Handbuch §. 380, 7 vgl. §. 157, 3 u. 412,4.
Im Uebrigen kann ich auf Lambeck: de Mercurii statua vulgo Jasonis
habita 1860 verweisen. Unter den Repliken hat die im Hause Lands-
duwu euien unzweifelhaft antiken und zugehörigen Kopf. Derselbe
stimmt im Ausdnick nicht mit dem gcwöhnliehen Typus des Merkur
und hat auch nicht die krauslockigen Haare.
667. Hermes*, Marmorstatue in Florenz. Ergänzt sind
beide Vorderarme und der Hut. Im Original stützt sich die
Figur nicht auf einen Knotenstock, sondern auf einen Stamm,
über dem ein Widderfell hängt.
Die Benennung der Figur ist durch eine in Trier be-
findliche übereinstimmende Broncestatuette mit unzweideutigen
Attributen des Hermes gesichert. Vielleicht würde dieselbe
auch über das Motiv der Figur, das uns unklar ist, Auskunft
geben, sie ist aber leider noch nicht näher bekannt. Das
Widderfell, das den Stamm belebt, kommt dem Hermes als
Heerdengott zu.
Die graziöse Statue ist, wie schon die Aushöhlung des
Augensterns zeigt, erst in römischer Zeit entstanden, es wäre
aber nicht unmöglich, dass sie von einem griechischen Ori-
ginal abstanunte. Nur dürfen wir dies Original schwerlich in
der Blüthe der Kunst suchen, für welche die ganze Auffassung
der Statue etwas zu leicht scheint.
Abg. Zannoni galeria di Firenze Ser. IV, t. 130. Müller-Wieseler
11, 311. Vgl. Wieseler a. a. 0., zu dessen Bemerkungen ich noch
hinzufüge, dass die spitzen Ohren, die Thiersch an der Statue entdeckt
haix'ii will, nicht vorhanden sind.
668. Kopf des Hephästus**, von Marmor, vor etwa
zehn Jahren auf Piazza di Spagna in Rom gefunden und im
Vatikan befindlich.
* Im Römischen Saal n. 8.
** Im Saal des Barberinischen Fauns n. 15.
392 Nachblüthe der griechischen Kuiist.
In den kräftigen und breiten Formen dieses gut ge-
arbeiteten Kopfes ist der tüchtige und thätige Arbeiter ge-
schildert, zugleich aber hat der Kopf etwas Bürgerliches und
Prosaisches, etwas Leidenschaftsloses aber auch Schwungloses,
was ebenso charakteristisch ist für den Charakter des Hephäst.
Die eiförmige Mütze war die Tracht des niederen Volkes, der
Handwerker und Schiffer.
Abg. Monum. d. inst. VI. VII, tav. 81, geistreich erklärt von Brunn
Annali 1863 p. 421 ff.
669. Nemesis*, Marmorstatue, in der Villa Hadrians
bei Tivoli gefunden und im Vatikan befindlich. Ergänzt ist
der rechte Arm, der ursprünglich vielleicht ein charakterisi-
rendes Attribut hielt.
Den Gestus des linken Arms deutet man gewöhnlich
nach dem Vorgang einiger griechischer Epigramme so, dass
Nemesis den Unterarm (welcher der Länge der griechischen
Elle entspricht) hervorkehre, um damit zunächst sinnlich, dann
aber in symbolischem Sinn auf das Maass hinzudeuten, dessen
Beobachtung sie fordert. Aber wir gestehen, diese Erklärung
nur für eine witzige epigrammatische Pointe ansehen zu
können, der ursprüngliche Sinn dieses Gestus ist gewiss ein
anderer. Denn warum sollte er hier nicht dasselbe bedeuten,
was er so oft und so natürlich ausdrückt, nämlich die züch-
tige Verschämtheit, zumal da die Senkung des Kopfes aus
demselben Gefühl entspringt, nämlich auch nur der Ausdruck
der Scheu {atdcog) und Sittsamkeit ist? Und wie könnte
man schöner die Nemesis charakterisiren, als durch das
Bild einer züchtig verschämten Jungfrau, die durch ihren
ganzen Habitus den sittlichen Begriff der aidcog ausdrückt?
Denn auch die Gewandung ist so wunderbar einfach und an-
spruchslos, wie es zur Darstellung eines so reinen und ernsten
Begriffs nothwendig ist.
Unzweifelhaft ist diese Figur, von welcher auch eine
Wiederholung im Lateran existirt, eine acht griechische Er-
findung, es ist uns aber nicht möglich, eine nähere Zeit-
bestimmung des Originals zu geben.
Abg. Visconti Pio-Clem. II, 13. Vgl. 0. Müller Handb. §. 898, 4
Sittsame, verschämte Jungfrauen, z. B. Bräute, werden sehr oft mit
demselben Gestus dargestellt, den diese Nemesis macht.
* Im Römischen Saal n. 20.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 393
670. 671. Viktoria, einen Stier opfernd*, zwei
Marmorgrappen^ 1773 von Gavin Hamilton in der Villa des
Antoninos Pius in Lannvinm gefunden, dann in die Townley'sche
Sammlung mid mit dieser ins britische Museum übergegangen.
An beiden sind die Flügel und der rechte Arm der Nike
ergänzt.
Die Gruppe, die mit leisen Verschiedenheiten in allen
Denkmälergattungen unzählige Male wiederkehrt, stellt ein
für einen Sieg dargebrachtes Opfer dar, und zwar ein Stier-
opfer, welches als das feierlichste galt. Der Künstler hat
nicht den wirklichen Vorgang bei der Tödtung des Opfer-
thiers nachgeahmt, sondern ' ein belebteres und poetischeres
Bild erfunden, indem er den Stier als fliehend und erreicht
von seiner Verfolgerin darstellte. Vielleicht sind diese beiden
Gruppen zur Verewigung eines Sieges aufgestellt, doch ist die
Darstellung oft auch nur als beliebte Dekoration ohne Be-
ziehung auf ein bestimmtes Faktum wiederholt worden.
Die Composition ist gewiss griechisch und findet sich
schon in der Vasenmalerei. Die Nacktheit der Viktoria und
der pathetische Charakter des Ganzen erlauben uns aber nicht,
das Original über die Zeit Alexander's hinaus zu datiren.
Abg. marbles of the brit. mus. X, 25. 26. Vj^^l. Zoega zu bassiril.
II, tav. 60. Ellis the Townh'y gallery I p. 289 und dio iintcritalische
Vase im bullet, napolet. VI tav. 2, n. 3. 4. Jahn Archacol. Ztg. VIII,
207 fuhrt diesen Typus auf Myron oder Metiaeelunus von Sicyon als
Urheber zmück; mir selieint, dass an den ersteren nach dem ganzen
Cliarakter der Gnippe nicht zu denken ist. An den letzteren denkt
auch Brunn Gesch. d. p:r. K. I, 418.
672. Medusen köpf**, Hautrelief von Marmor, früher
im Palast Rondanini in Rom, seit 1808 in der Glyptothek
zu München. Ergänzt ist die Nasenspitze und Unbedeutendes
am Haar und an den Schlangen.
Das Haupt der Meduse, von den griechischen Dichtem
als ein Aeusserstes von Schrecken und Grauen bezeichnet,
wm-de seit den ältesten Zeiten als ein abwehrendes Symbol,
als ein Apotropäon, in der bildenden Kunst dargestellt. Auf
Schilden und Panzern, Thürfltigeln und den verschieden-
* Im Saal der Tliiere und Bronceu n. 15. 16. In demselben Saal
befindet sich unter n. 266 ein in München befindliches fragmentirtes
Thonrelief mit derselben Vorstellung.
••
Im Treppenhaus n-. 133. Duplikat unter n. 158.
394 Nachblüthe der griechischen Kunst.
artigsten Geräthen finden wir es nicht selten^ die Vasenbilder
gewähren dafür namentlich viele Beispiele. Dieser Zweck^
verbunden mit einer gewissen phantastischen Neigung der
ältesten Kunst, erklärt es, dass wir in der früheren Zeit das
Medusenhaupt immer wild und abschreckend hässlich vor-
gestellt finden (vgl. n. 12). Später dagegen, als die Kunst
mehr darnach strebte, die Vorgänge des inneren Lebens dar-
zustellen, betrachtete man das Medusenhaupt nicht mehr allein
als ein Symbol des Schreckens, sondern auch als ein abge-
schlagenes Haupt, dessen psychologischer Ausdruck ent-
sprechend wiedergegeben werden müsse, und man ging sogar
so weit, den Kopf im Profil darzustellen, womit nothwendiger-
weise auf den Zweck des Apotropäon verzichtet wurde. Dieses
Bestreben, Interesse, ja Mitleid für das sterbende Haupt zu
erwecken, führte dazu, das Wilde und Hässliche der früheren
Zeit mehr und mehr zu dämpfen. Eine abweichende Sagen-
form, welche der Meduse hohe Schönheit zuschreibt und zu-
erst von Pindar angedeutet wird, der von der „schönwangigen*'
Meduse spricht, kann auch zu jener Umänderung beigetragen
haben.
Der vorliegende berühmte Kopf ist im Moment des Er-
starrens dargestellt, aber nicht in so weich rührender Auf-
fassung, wie namentlich auf einigen späteren Gemmen. Wie
überall in der älteren Kunst, ist es eine Maske ohne Hals,
und an den früheren Typus, der im Allgemeinen freilich der
höchsten Schönheit hat weichen müssen, erinnern noch die
Breite in den Backen und die im Munde sichtbaren Zähne.
Die Flügel am Kopf sind von der ganzen Gestalt der Meduse,
die in der Kunst nach dem Vorgang des Aeschylus geflügelt
dargestellt wurde, auf die Maske übertragen, sie scheinen
durch ihre Stellung anzudeuten, dass die Maske nicht für ein
Rund, sowie sie hier eingelassen ist, componirt war. Ob der
Kopf an dem das Schreckende so sehr zurücktritt, als Apo-
tropäon dienen sollte, ist uns zweifelhaft. Hinsichtlich der
Zeitbestimmung des Werkes können wir nur dies behaupten,
dass die freiere Behandlung des Haares nicht über Alexander
. hinauszugehen erlaubt.
Vgl. Lcvezow lieber die Entwiekhmg des (lorgonen - Ideals in der
Poesie nnd bildenden Kunst der Alten, Berlin 1833 (Aus den Schriften
der Kgl. Akademie), wo auf Taf. 5 n. 50 eine Abbildung gegeben ist;
Sehorn's Catalog zur Glyptothek n. 134. Meyer z. Winck. Kunstgesch.
V, 2. 20 und Feuerbach Vatik. Ap. p. 61.
Machblüthe der griechischen Kunst. 395
673. Nackter Jüngling*, Marmorstatue im Palast
Rnspigliosi zu Rom. Ergänzt sind der rechte Arm ohne die
Hand und der linke Arm vom Ellbogen bis ans Handgelenk.
Es hat sich eine grosse Anzahl von Wiederholungen
dieses anziehenden Typus erhalten, an welchem das Müde,
Matte und Trauernde charakteristisch ist, aber eine treffende
Erklärung ist noch nicht gefunden. Eine in Neapel befind-
liche Copie, die in der Rechten eine der Granate ähnliche
Frucht hält und sich mit der Linken auf einen Pfeiler stützt,
an den ein kleines Idol lehnt von der Art wie sie gewöhnlich
auf Persephone bezogen werden, hat die Vermuthung hervor-
gerufen, dass die Figur in den Kreis der Todesgottheiten
gehöre.
Abg. Moniim. d. inst. 1856 tav. 21. Vgl. Archaeol. Ztg 1862 p. 305.
674. Allegorische Figuren**, Marmorrelief, inThyrea
(Astro) entdeckt, dann ins Museum auf Aegina versetzt, jetzt
vermuthlich in Athen befindlich.
Die Inschriften lehren uns eine Telete (die mystische
Feier), Euthenia (Ueberfluss) und Epiktesis (Erwerb) kennen,
es ist uns aber nicht möglich, sie auf die einzelnen Figuren
zu vertheilen und noch weniger den Sinn der Darstellung an-
zugeben. Das Idol auf dem Baum sieht wie eine Artemis
aus. Schnitzbilder in den Zweigen eines Baums aufzustellen,
war im Alterthum zu allen Zeiten gebräuchlich.
Nach den Formen der Inschrift ist das Relief nicht vor
dem ersten vorchristlichen Jahrhundert entstanden.
Abg. Annali 1829 tav. C, 1. p. 132. Vgl. Ann. 1837, p. 117.
O. Müller erklärt das Idol für eine Artemis, Handbuch § 52, 2. Welcker
Griech. Götterl. III p. 232 meint dass das Relief unvollständig sei und
bezieht den Namen Telete anf die sitzende Figur, die er aber knrz zu-
vor (p. 137) Epiktesis genannt hatte.
675. Farnesischer Herakles***, Marmorstatue, 1540
in den Thermen des Caracalla gefunden, seit 1790 in Neapel.
Ergänzt sind die Nasenspitze, die Hälfte des linken Unterarms
nebst der Hand und vielleicht auch die rechte Hand mit den
Aepfeln. Die Aepfel waren aber ursprünglich da, sie sind
* Im Niobidensaal n. 69.
** Im Treppenhans n. 179.
••♦ Ebendas. n. 190.^
396 Nachblüthe der i^riechischeii Kunst.
wenigstens in einer Wiederholung der Figur in Palast Spada
zum Theil erhalten.
Der Heros steht da am Ende seiner Mühen, denn er
hat die Hesperidenäpfel, den letzten Siegespreis, in Händen,
aber nicht siegesfroh, sondern inatt und gebeugt von der Last
seines mühevollen Lebens. Seine ganze Erscheinung, die auf-
getriebenen Adern, die geschwollenen Muskeln, drücken Mühe
und Arbeit aus, und auch seine Gedanken sind nur rückwärts
und nicht vorwärts gerichtet. Diese Auffassung des Herakles
ist der älteren griechischen Kunst, welche die Heroen voll
Feuer und Thatenlust darzustellen pflegt, fremd, Lysippas
war, wie es scheint, der erste, der einen trauernden Herakles
darstellte.
Gewöhnlich wird nun auch diese Statue au^ ein Original
des Lysippus zurückgeführt, da sich eine übrigens unbedeu-
tende Copie des Herakles erhalten hat, die inschriftlich als
Werk des Lysippus bezeichnet ist. Aber die Aechtheit der
Inschrift ist angefochten, und wenn wir sie auch gelten lassen
wollten, so müssten wir das Lysippische der Farnesischen Sta-
tue doch nur auf das Motiv beschränken, da die übertriebe-
nen Formen schwerlich diesem Künstler zugeschrieben werden
können. Das Motiv ist allerdings entweder von Lysippus
oder nicht lange nach ihm erfunden, die Ausführung der
Figur aber fällt erst in spätere römische Zeit. Man hat dies
mit Recht schon daraus geschlossen, dass der Augenstern aus-
gehöhlt ist, eine Weise der Darstellung, die erst um die Mitte
des zweiten christlichen Jahrhunderts üblich wurde.
Die Inschrift an dem Fels nennt als Verfertiger den
Glykon von Athen. Aus den Buchstabenformen geht nur
dies hervor, dass Glykon nicht vor dem ersten Jahrhundert
V. Chr. gelebt hat.
Abg. Müller- Wieseler I, 38, 152. Vgl. namentlich Stephaui, der
ausruhende Herakles p. 162 ff., ausserdem Brunn Gesch. d. gr. Künstler
I p. 549 ff. Overbeck Gesch. d. gr. Fl. II p. 244 ff.
676. Der Torso vom Belvedere*, unter Julius dem
Zweiten in der Nähe des Theaters des Pompejus gefunden,
seitdem im Belvedere des Vatikan. Schon im Alterthum ver-
suchte man ihn zu restauriren, wie man an den Hinterbacken
Im Saal des Farnesischen Stiers n. 5.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 397
bemerkt, in denen sich auch noch Reste von Eisen zur Be-
festigung des Neuen befinden.
Wie der Torso zu ergänzen, darüber ist viel gestritten,
es fehlt eben an einer besser erhaltenen Wiederholung, die
das Räthsel sogleich lösen würde. Eine Zeit lang glaubte
man, dass eine Hebe an der linken Seite des Heros gestanden
habe, bis Versuche von Bildhauern die Unmöglichkeit einer
solchen Gruppirung darlegten, jetzt ist man wieder zu Winckel-
mann's und Heyne's Annahme eines einsam sitzenden Herakles
zurückgekehrt und geneigt, den Torso nach dem Vorbild einer
Lysippischen Statue zu ergänzen, welche in der Linken die
Keule, in der Rechten den Becher hielt und den Kopf etwas
nach oben richtete. Das am linken Knie zurückgebliebene
Bruchstück würde dann von der Keule herrühren.
Wie man aber auch die Figur restauriren mag, unzwei-
felhaft ist Herakles im Zustande der Vergötterung vorgestellt^
wie Winckebnann sah, dessen begeisterte Beschreibung zu-
gleich, das Treffendste von Allem bleibt, was über diesen
Torso geurtheilt ist. Er stellte diesen aderlosen, weichen und
gleichsam verklärten Körper dem Farnesischen Herakles (n. 675)
als einem Bilde irdischer Mühseligkeit gegenüber. Damit
stimmt Danneckers Urtheil, indem er sagte, der Torso sei
Fleisch, der Laokoon Marmor.
Den Unterschied aber zwischen diesem Torso und den
Sculpturen des Parthenon, in denen svir jetzt die höchste
Schönheit des Nackten bewundern, deutet ein Wort Thorwald-
sen's an, der ein leises Raffinement in dem Torso zu empfin-
den glaubte. Dürfen wir uns in dieser Frage eine Meinung
auszusprechen erlauben, so scheint uns das Nackte an den
Sculpturen des Parthenon frischer und elastischer, weicher
und gleichsam empfindender am Torso.
Winckelmann behauptete dass die griechischen Künstler
die göttlichen Wesen um ihnen gleichsam einen verklärten
I^ib zu geben, ohne Adern dargestellt hätten, die Sculpturen
vom Parthenon, die er noch nicht kannte, haben uns aber
gelehrt, dass die Aderlosigkeit an göttlichen Wesen nur ein
Raffinement späterer Künstler war, die durch Veränderung
der gegebenen Naturformen Wirkung zu machen suchten.
Auch der Künstler des Torso, Apollonius des Nestor Sohn
aus Athen, der sich vom am Sitz der Figur eingeschrieben
hat, kann nicht vor der Zeit des Pompejus gelebt haben.
398 Nachblüthe der griechisclien Kunst.
Der Fundort der Statue scheint die Annahme zu empfehlen,
dass dieselbe einst zum Schmuck des Theaters des Pompejus
gedient habe.
Vgl. die ältere Literatur bei 0. Müller Haudb. § 160, 5. 411, 3.,
ausserdem Michaelis bull. 1860 p. 122 ff. Overbeck Gesch. d. gr. PI.
IT p. 230 ff. Brunn Gesch. d. gr. Künstl. I, 542 ff. Stephani Ausnili.
Herakles p. 149 ff.
677. Nessus und Dejanira(?)*, Marmorrelief, früher in
Palast Verospi in Rom, jetzt im britischen Museum. Das
Relief macht auf den ersten Anblick einen modernen Eindruck,
der aber nur durch die Restaurationen Cavaceppi's hervor-
gerufen wird. Alt sind nämlich nur die beiden Figuren mit
Ausnahme der Beine und des Schwanzes am Centauren und
beider Vorderarme der Dejanira, ausserdem die Vase und der
obere Theil des Baums. Alles Uebrige ist neu.
Die gewöhnliche Erklärung ist nicht hinlänglich begrün-
det, es muss nicht gerade Nessus und Dejanira, sondern kann
ebensowohl irgend ein frauenraubender Centaur sein, wie wir
sie am Parthenon und am phigalischen Fries dargestellt fan-
den. Ja die Art wie der Centaur die Frau fasst, empfiehlt
geradezu die Annahme eines gewaltsamen Raubes und wäre
aus der Geschichte von Nessus und Dejanira nicht recht
verständlich.
Die Gruppe ist höchst geistvoll und lebendig componirt
und entweder selbst griechisch oder Copie eines griechischen
Originals. Vergleicht man sie mit den entsprechenden Scenen
am Parthenon oder phigalischen Fries, so empfindet man
einen Unterschied von Jahrhunderten. Eine so malerische
und bewegte Composition konnte nicht vor dem dritten Jahr-
hundert entstehn.
Die Vase auf der Säule ist Andeutung eines Grabmals,
wir bezweifeln aber dass sie irgend eine materielle Bedentang
für das Bild habe.
Vielleicht ist das Relief nur ein Fragment einer grösse-
ren Composition.
Abg. Marbles of the british museum II pl. 15.
678. Perseus und Andromeda**, Marmorrelief, m
Rom unter Palast Muti bei SS. Apostoli gefanden, dann im
Besitz der Pamphili, jetzt im capitolinischen Museum.
* Im Gewerbeinstitut.
** Ebendas.
Nachblüthe der griecliischen Kunst. 399
Das Meemngeheuer liegt getödtet da und Andromeda
steigt eiligen Schritts von dem Felsen, an dem sie angeschmie-
det war, herab, unterstützt von Perseus, dessen Linke das
versteinernde Medusenhaupt sorgfältig hinter dem Rücken
verbirgt. Die ganze Haltung des Mädchens ist zunächst nur
durch die Rücksicht auf ein vorsichtiges Herabsteigen veran-
lasst, aber drückt doch auch ihre innere Stimmung aus. We-
nigstens ist der jungMulich gesenkte Kopf so charakteristisch,
und das flatternde Gewand deutet die freudige Eile an, mit
der sie ihrem Erretter entgegengeht.
Die Composition dieses Reliefs ist gewiss griechisch,
wenn auch nicht aus früherer Zeit. Dazu ist das Ganze zu
malerisch, und in der Art wie das Gewand der Andromeda
die Eörperformen ausdrückt, ist ein leises sinnliches Raffine-
ment nicht zu verkennen.
Abg. E. Braun Zwölf Basreliefs griech. Erfindung Ttif. 10. Vgl.
Braun Ruinen und Museen Roms p. 164.
679. Paris und Helena*, Marmorrelief, früher in der
Sammlung des Herzogs von Noja, jetzt in Neapel. Das Ge-
sicht der Venus ist ergänzt.
Es ist die üeherredung von Paris und Helena zum Lie-
besbunde, als Werk von Aphrodite und Eros dargestellt.
Noch zögern beide, Helena senkt auf die Zurede der Aphro-
dite, die ihren Arm um ihren Hals geschlungen, das Haupt
nnd erhebt die Rechte in leiser Geberde der Abwehr; Paris
weist dem Eros gegenüber, der sich vertraulich an ihn ge-
schmiegt hat, mit der Linken nach oben, offenbar zu den
Göttern, welche die Verletzung des Gastrechts ahnden würden.
Die Scene ist in der Behausung der Helena vorgehend zu
denken und die hohen Stiefel sollen den Paris als von der
Reise einkehrend bezeichnen. Eigenthümlich ist die kleine
Figur oben auf dem Pfeiler, die durch die Inschrift als Pei-
tho bezeichnet ist. Nicht eine Statue derselben kann gemeint
sein wegen der Art wie sie sich niedergelassen hat, sondeni
eben dies und die Kleinheit ihrer Figur führen darauf, dass
sie in ähnlicher Weise an der Handlung betheiligt zu denken
ist, wie eine Lokalgottheit. Ihr numen waltet an diesem Ort,
sie ist unsichtbar gegenwärtig und versichert den Betrachten-
den über den günstigen Erfolg von Aphrodite's Bemühungen,
Im Niobideusaal n. 54a.
400 Nachblüthe der griechischen Kunst.
den die zwar nicht heftig abweisende aber doch zögernde
Haltung von Paris und Helena in Frage zu stellen scheint.
Der Vogel in ihrer Rechten soll wohl der üeberredungsvogel,
die Jynx, sein, der korbähnliche Aufsatz auf ihrem Kopf
scheint einen Fruchtkorb vorzustellen, er ist ein Symbol Frucht-
barkeit spendender Gottheiten und in diesem Sinne auch hier
zu fassen.
Es sind mehrere Wiederholungen dieses Reliefs vorhan-
den, von denen übrigens wohl keine das Originalwerk ist
Dass das Original guter griechischer Zeit angehört, ist nach
der Zartheit der Composition, der Grazie der Gestalten und
der immer noch flächenartigen Behandlung des Reliefs gewiss
anzunehmen. Doch reicht es schwerlich über die Mitte des
vierten Jahrhunderts zurück, denn derartige zarte Liebessce-
nen scheinen früher nicht Gegenstand der Kunst gewesen zu
sein. Auch der Stil scheint die Kunstrichtung des Praxiteles
bereits vorauszusetzen, die Gestalt des Eros hat namentlich
etwas sehr Weiches.
Zu bemerken ist noch, dass den Figuren mit Ausnahme
des leicht kenntlichen Eros die Namen beigeschrieben sind.
In der Blüthe und besonders in der älteren Zeit der griechi-
schen Kunst war die Hinzufügung der Namen, wie wir aus
manchen Nachrichten und unter den erhaltenen Werken be-
sonders aus den Vasen und Gemmen ersehn, sehr gewöhnlich,
während sie in den späteren Perioden seltener wird. In alter
Zeit schrieb man sogar ganze Sprüche hinzu, wie auch in
der altem Zeit der modernen Plastik und Malerei geschah,
und eben dies beweist, dass die Inschriften nicht bloss den
Zweck hatten einer mangelhaften Charakteristik der Personen
zu Hülfe zu kommen, sondern auch das Interesse am Stoff
beleben sollten. Das Interesse am Stoff des Kunstwerks tritt
aber in der spätem Zeit immer mehr zurück hinter dem In-
teresse an der Form.
Abg. Winckelmann monum. iued. 115. Mus. borbon. 3, 40. Millin
üal. mythol. 173, 540. E. Braun, Zwölf Reliefs, Vign. 2 zu Taf. 8. Overbeck
Galerie heroischer Bildw. Taf. 13, 2, (der übrigens p. 268 die Geberden
von Helena und Paris missversteht.) Vgl. 0. Jahn Peitho p. 19 und
Stephani Compte-rendu pour l'annee 1861 p. 121 und 1863 p. 72.
680. Pelops und Hippodamia*, Thonrelief, im bri-
tischen Museum befindlich.
* Im Treppenhaus n. 172.' Duplikat unter n. 181.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 401
Dieses in mehreren Exemplaren erhaltene Relief wurde
firfther auf die Entführong der Helena durch Paris gedeutet^
jetzt dagegen glaubt man gewöhnlich den Wettkampf des
Pelops darin zu erkennen^ indem man sich auf den Mythus
bezieht, dass Oenomaus, der Vater der Hippodamia^ den Freiem,
die mit ihm den Wettkampf eingehen wollten, die Tochter
in ihren Wagen mitgab, damit sie mit ihr beschäftigt nicht
Acht gäben auf die Pferde und um so leichter von ihm be-
siegt würden. Man muss gestehn, die Darstellung passt auf
beide Begebenheiten und der phrygische Jüngling kann eben-
sowohl Paris wie Pelops, die bräutlich verschleierte Frau so
gut Helena wie Hippodamia sein. Was uns bestimmt, der
letztem Deutung den Vorzug zu geben, ist dies, dass wir auf
Vasenbildem ganz ähnliche und zwar unzweifelhaft auf Pelops
bezügliche Gruppen wiederfinden. Allerdings besitzen wir
dann in dem Relief nur ein Stück der ursprünglichen Com-
position, in welcher der Wagen des verfolgenden Oenomaus
nicht fehlen konnte, aber eine solche Herausnahme einer ein-
zelnen Gruppe aus einer grösseren Composition ist besonders
bei diesen Thonreliefs, die nur als architektonische Dekoration
dienten, leicht denkbar.
Die Originalcomposition scheint guter griechischer Zeit
anzugehören.
Die alte Erklärunjj bei Winck. moiiuni. iiit'd. 117 ist neuerdiiig^s
wietler aufgenommen von Stephani, Compte-rendu p. Tannee 18G1 p.
139. Die andere Erklärung ist zuerst von Welcker zu Philostr. p. 309
aufgestellt. Vgl. Archaeol. Ztg. 1853 p. 55. Ueber den im Text be-
rührten Mythus vgl. Ritschi, Ann. 1840 p. 173 Anm. 1.
681. Borghesischer Fechter*, Marmorstatue, im
Anfang des 17. Jahrhunderts in Capo d'Anzo, dem alten An-
tium gefunden, zuerst in Borghesischem Besitz und seit 1808
im Lou\Te. Restaurirt sind der rechte Arm und das rechte Ohr.
Der am linken Arm sichtbare ringförmige Gegenstand
ist die Handhabe eines Schildes und zwar die mittlere Hand-
habe desselben, die gerade an dieser Stelle getragen wurde.
Die Finger der Iniken Hand sind so gekrümmt, wie es erfor-
derlich wäre, wenn die Hand in die zweite am Rande des
Schildes befindliche Handhabe hineingriffe. Man könnte glau-
ben, dass die erhaltene Handhabe nur der Rest eines ur-
* Im Niobidensaal n. 21.
Friedericlis, griech. Plastik. 26
402 Nachblüthe der griechischen Kunst.
sprünglich vorhandenen ganzen Schildes sei; indess würden^
wenn man ihn von Marmor denkt; Spuren eines Braches und
wenn man Bronce annimmt, die zur Befestigung nothwendigen
Löcher auf der ganz unbearbeitet gelassenen Oberfläche der
Handhabe zurückgeblieben sein. Offenbar wollte sich der
Künstler nur mit der in der Handhabe gegebenen Andeutung
eines Schildes begnügen, er bedurfte auch, wie wir sehen
werden, nicht mehr.
Es ist ein Krieger oder richtiger Fechter vorgestellt^
der sich mit dem Schilde am linken Arm gegen einen höher
stehenden Feind, etwa einen Reiter, den er scharf im Auge
hat, zu decken sucht. Aber nicht bloss zu decken^ denn die
Figur hat bereits die Stellung det Parade, in welcher sie den
linken Fuss vor, den rechten zurück setzen würde, verlassen
und ist im Ausfall selbst begriffen, es wird im Augenblick
der entscheidende Stoss mit dem in der Rechten vorauszu-
setzenden Schwert erfolgen. Dieser Moment erklärt den Aus-
druck der höchsten Spannung, den das Gesicht zeigt.
Es ist schwer zu verstelm, wie man bei dieser Figur an
eine Gestalt der Heroenwelt hat denken können, noch schwe-
rer dass man ihr die Namen eines Achill oder Theseus ge-
geben hat. Vielmehr ist das Profil und der ganze Kopf der
grade Gegensatz eines idealen Typus und offenbar aus der
gemeinen Natur entlehnt. Für die Intentionen des Künstlers
war aber dieser gemeinere Typus gerade am passendsten.
Denn die Statue hat gewiss allein gestanden und der
Gegner, zu dem der Fechter hinaufblickt, ist nur supponirt
Einmal hat man dies mit Recht aus der Künstlerinschrift am
Stamm geschlossen, die, wenn das Werk nur die Hälfte einer
Gruppe wäre, gewiss an einer andern Stelle stände, und so-
dann ist es wohl nicht möglich, einen höher stehenden Feind
mit dieser Figur zu einer irgend erträglichen Gruppe zusam-
menzustellen. Der Künstler hat uns also- nicht einen wirk-
lichen Kämpfer, sondern eine Kampfstellung, eine interessante
Fechterstellung, zeigen wollen und zu solchem Zweck wäre
der Typus edler Heroen unpassend gewesen. Er beantwortet
uns nicht die Frage, gegen wen der Kampf gerichtet ist und
um was es sich handelt, er hat vielmehr absichtlich alles
sachliche Interesse beseitigt, um alle Aufmerksamkeit auf seine
Kunst zu concentnren. Zu diesem Zweck hat er die Stellung
so gewählt, dass das reichste anatomische Detail zur Entfal-
tung kommt, und die Darstellung desselben ist so vollendet,
Nachblüthe der griechischen Kunst. 403
dass die Statne als Muster zum Stndimn der plastischen Ana-
tomie berühmt ist Wir sind nicht im Stande, über die Vor-
züge nach dieser Seite hin ein competentes Urtheil abzugeben,
doch sind sie jedenfalls nicht geeignet, ein tieferes Interesse
an dem Werk hervorzurufen.
Bei dieser Auffassung versteht man, dass der Künstler
Alles fernhielt, was den Gedanken an eine bestimmte Situation,
sei es des Mythus oder des Lebens erwecken könnte. Der
Krieger hat keinen Helm und vom Schild ist nur eine An-
deutung gegeben. Der wirklich dargestellte Schild würde üb-
rigens auch dem auf allseitige Betrachtung angelegten Werk
hinderlich geworden sein.
Es ist schon hiemach klar, dass wir. uns mit diesem
Werk nicht mehr in der Blüthe der Kunst befinden, deren
Künstler von einer bestimmten Thatsache des Mythus oder
des Lebens ausgingen und ein sachliches Interesse bean-
spruchten. Hier dagegen liegt die Pointe in dem formellen
Können, das sich absichtlich eine schwierige Stellung sucht,
um sie desto glänzender zu überwinden. In dieser Beziehung
glauben wir die Statue mit dem Borghesischen Satyr (n. 657)
und dem Marsyas (n. 659) zusammenstellen zu können.
Auch die schlanke, mehr von Gewandheit als von Kraft
zeugende Gestalt und der sehr kleine Kopf deuten auf spä-
tere Entstehung. Und dies wird endlich bestätigt durch die
Inschrift, die uns den Agasias, des Dositheos Sohn aus Ephe-
sos als Verfertiger kennen lehrt. Wir besitzen keine weiteren
Nachrichten über diesen Künstler, nur können wir aus der
Form der Buchstaben schliessen, dass die Statue nicht vor
Sulla entstanden ist. Wie lange nachher sie aber entstanden,
ist nicht sicher zu bestimmen, nur scheint sie sich besser fiir
«las Ende der eigentlich griechischen Kunstentwicklung als für
die römische Zeit der Kunst zu eignen.
Vgl. Descript. du LomTe ii. 202. Die Literatur bei Welckcr Akad.
Mii». 2. Aufl. n. 35 und 0. Müller Haudb. S 157, 3. Winckelmaim
hatte ribi%eii8 den mehr plebejischen Charakter des Kriegers» richtig er-
kannt. Vgl. namenü. Kunstgesch. Buch 11. Kap. 3. § 12 mit Meyer's
fbfiifall» sehr guter Note. Die Annahme eines Ballonschlägers wird üb-
rigens M'hon durch die Handhabe widerlegt, die, wenn sie zu irgend
firiem Gebrauch beim Ballspiel gedient haben sollte, doch mindestens
auf ihrer Oberfläche nicht vollkommen roh gelassen wäre. Vgl. ausser-
d»-ni Overbeck Kunstarchaeol. Vorles. p. 164. Gesch. d. gr. Plast. II,
252. und Brunn Gesch. d. griech. Künstl. I p. 577 ff.
26*
,404 Nachblüthe der griechischen Kunst.
682. Eingergruppe "^^ aus Marmor^ an derselben Stelle
und in demselben Jahre mit der Niobegruppe (n. 412) ge-
funden, zuerst in Villa Medici in Rom aufgestellt, seit 1677
in Florenz. Ergänzt sind die Unterbeine, der rechte Arm
des Siegers und die linke Hand des Besiegten. Die Köpfe
— offenbar Niobidenköpfe — sind antik aber aufgesetzt, weil
man die Figuren als zur Niobegruppe gehörig betrachtete.
Der rechte Arm des Siegers ist schwerlich richtig er-
gänzt, er macht eine Geberde, als ob er dem Anderen einen
Faustschlag versetzen wollte, es handelt sich aber nicht um
einen Faust-, sondern um einen Kingkampf, und zwar um die Art
des Ringkampfs, bei der auf der Erde so lange fortgekämpft
wurde, bis sich Einer für besiegt erklärte. Man sieht deutr
lieh, wie der Besiegte sich mit aller Kraft wieder zu erheben
sucht, während der Sieger ihn mit grösserer Kraft niederhält.
Dass diese Gruppe, deren Figuren nur mit sich beschäf-
tigt sind, ein Ganzes für sich bilde und nicht etwa zur Niobe-
gruppe gehöre, ist jetzt allgemein anerkannt. Die Gruppe
ist auch ihrem ganzen Charakter nach verschieden. Der
Künstler derselben strebte nicht nach irgend welchem höheren
Ausdruck, sondern war nur auf die Darstellung des Körper-
lichen gerichtet und zwar suchte er, indem er Fleisch auf
Fleisch legte und drücken liess, die Schwellung der Muskeln
so weich und elastisch wie möglich darzustellen.
Wir haben Nachricht von einer Gruppe des Kephissodöt,
des Sohnes des Praxiteles, die aus einer ähnlichen Kunst-
richtung hervorgegangen zu sein scheint. Es war ein, sei es
erotisches, sei es athletisches Symplegma, von so weich
elastischem Fleisch, dass Plinius davon sagen konnte: digiti
corpori verius quam marmori impressi. Es ist nicht daran
zu denken, die Florentmische Gruppe mit diesem Werke des
Kephissodöt zu identificiren, denn der Ausdruck des Plinins,
der ein Eindrücken der Finger ins weiche Fleisch andeutet,
würde auf erstere nicht passen, aber die Tendenz beider
Werke scheint ähnlich gewesen zu sein und ist bezeichnend j
für eine auf sinnliches Raffinement arbeitende Kunst.
Abg. Müller-Wieseler I, 36, 149. Vgl. Stark 'Niobe p. 259 ff. na-
mentlich aber Meyer's vortreffliche Note zu Wiiickelmanu Kunstgcsoh-
IX, 3 § 19, der auch gegen die Identität der Grnppe mit dem Werk
des Kephissodöt schon dasselbe Bedenken äussert, das später von 0.
Im Niobidensaal n. 62.
.Nachblüthe der griechischen Kunst. 405
Jahn Ztschr. f. AU. 1841 p. 754 Aiim. gehend gemacht ist. Die Res-
tauration der rechten Hand des Siegers tadelt mit Recht Wolft" im Ar-
chaeol Anz. 1864, 206, aber sein eigner Vorschlag ist wohl nicht mög-
lich. Die Richtung des ergänzten rechten Arms konnte wohl keine
andre »ein, als der Ergänzer angenommen hat. Wie die Geberde der
Hand zu denken, ist mir unklar.
683. Ruhender Krieger*; Marmorstatue in Villa Lu-
dovisL Der Kopf gehört nicht zur Statte, er ist von an-
derem Marmor; neu sind der linke Unterarm, die Finger der
rechten Hand mit dem Schwertgriff und beide Füj^se.
Da der Kopf fehlt, so ist schwer zu sagen, ob eine
ideale^* etwa heroische Gestalt, oder eine der Wirklichkeit
angehörende Figur dargestellt sei. Es darf als wahrschein-
lich angenommen werden, dass die Figur zu einem grösseren
Ganzen gehört hat, zu einer Kampfscene. Der Krieger hat
sich niedergesetzt, um auszuruhen von den Anstrengungen des
Kampfes.
Die Figur macht entschieden den Eindruck eines grie-
chischen Werks.
Geistreiche, aber für mich unwahrscheinliche Vermuthungfn über
diese Figur bei E. Braun Ruinen p. 569, der auch die Zugehörigkeit
des Kopfes irrthümlich voraussetzt.
684. Sogenannte Diana von Gabii**, Marmorstatue,
1792 in der Umgegend von Gabii gefunden, zuerst in Borghe-
bischem Besitz, seit 1808 im Louvre. Ergänzt sind die rechte
Hand und die untere Hälfte des linken Beins.
Die Statue wurde wegen des aufgeschtirzten Unter-
gewandes und wegen einer leisen Aehnlichkeit ihres Kopfes
mit dem der Diana von Versailles (n. 665) für eine Diana
erklärt, die sich zur Jagd rüste. Aber ohne Bogen und
Köcher wäre diese Intention wohl nicht verständlich. Von
anderer Seite wird die Figur für eine Nymphe der Diana er-
klärt, wozu wir aber keinen Anlass linden. Wir können nur
^ ein Genrebild denken, der Künstler beabsichtigte nichts
heiter, als ein graziöses Mädchen im Moment des Ankleidens
Zustellen.
Wenige Werke des Alterthums stehen dieser Statue an
Dmuth gleich, doch dürfen wir sie wegen der vollkommen
* Im Romischen Kiippelsaal ii. 14.
** Brouceabguss im Griechischen Hof n. 2, ein Gypsabgu^s im Ge-
>eiIl^tilul.
406 Nachblüthe der griechischen Kunst,
freien Natürlichkeit der Darstellung nicht über Lysippus
hinaus datiren.
Abg. Visconti monum. Gabini u. 32. Clarac musee de sculpt. pl.
285. Vgl. Visconti Op. var. IV, 75 ff. und die übrige Literatur bei
Panofka im Programm zum elften Berliner Winckelmanusfest p. 7, der
die Statue übrigens ganz willkürlich Atalante nennt.
685. Wasse»holendes Mädchen*, Marmorstatue, in
der Nähe von Rom vor Ponte molle bei der Osteria la
Finocchia gefunden, von W. v. Humboldt angekauft, auf
dessen Schloss Tegel bei Berlin sie sich noch jetzt befindet.
Ergänzt ist (vermuthlich von Thorwaldsen) der Kopf, der linke
Arm mit dem Krug, der rechte mit einem Sttlck des Gewandes,
und der rechte Fuss.
Von den zahlreichen Wiederholungen dieser Figur ist
keine, wie es scheint, vollständig erhalten, doch ist die Er-
gänzung der Figur gewiss richtig. Es ist ein Mädchen dar-
gestellt, das zur Quelle herabsteigt, um Wasser zu schöpfen
und mit grosser Anmuth das Gewand, um es nicht zu be-
netzen, mit der Rechten in die Höhe zieht
An eine mythologische Darstellung, etwa eine Nymphe,
zu denken, verbietet die Tracht des Mädchens. Es ist ge-
wiss ein Genrebild, die Figur sieht ganz wie aus dem Leben
genommen aus. W. v. Humboldt, der die Figur täglich vor
Augen hatte, hat sie in einem Sonett gefeiert und die unbe-
wusste natürliche Anmuth als besondere Schönheit an ihr
hervorgehoben. Sie gehört auch gewiss zu den anmuthigsten
Statuen der alten Kunst.
Unter den vorhandenen Wiederholungen ist keine künst-
lerisch so werthvoll wie diese, die sich auch im Maass von
den übrigen in Lebensgrösse ausgeführten unterscheidet. Doch
fragt sich, ob sie die Originalgrösse bewahrt habe. Das kleine
Format scheint zwar dem graziösen Charakter des Werks ent-
sprechender, indessen hat im Allgemeinen unter Copien ver-
schiedener Grösse die grössere Copie die Wahrscheinlichkeit
für sich, der Originalgrösse näher zu stehen. Denn für ver-
kleinerte Copien ist im Leben weit mehr Veranlassung ge-
geben, als für vergrösserte.
Hinsichtlich der Zeitbestimmung kann nur dies mit einiger
Sicherheit behauptet werden, dass das Werk nicht in der
* Im Niobidensaal n. 28.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 407
classischen Zeit der griechischen Kunst^ also nicht vor Ale-
xander entstanden sein kann. Eine Elgenthümlichkeit der
Gewandung^ die sich in classischer Zeit nicht findet; scheint
dies zu beweisen^ die Falten des Untergewandes sind nämlich
unter dem Obergewand sichtbar ^ in ähnlicher Weise wie an
der sogenannten Ceres (n. 686) und an der berühmten durch
das Berliner Exemplar am würdigsten vertretenen Statue der
Polyhymnia, deren üeberwurf freilich noch weit feiner und
florartiger angenommen ist. Von einem gewissen Raffinement
lässt sich diese Behandlung des Gewandes schwerlich frei-
sprecheu; und eben darum mag sie der früheren Zeit fremd
sein, denn im Leben kannte man die durchscheinenden Ge-
wänder auch schon damals. Man sieht aber an den erwähnten
Statuen, wie allmählich der raffiniite Luxus des Lebens auch
in die Kunst eintritt..
Wenn aber auch nicht in der Blüthe der Kunst ent-
standen, so ist die Statue doch ihrer grossen Anmuth wegen
für ein griechisches Werk zu halten und dieser Periode zu-
2uschreiben.
Die Inschrift Anehyrrhoe auf dem Bluudcirschen Exemi)lar hat das
richtige Verständniss der Figur verhindert, sie ist jetzt als modern er-
kannt. Vgl. Conze Arch. Anz. 1864 p. 221. Das Sonett v. W. v.
Humboldt steht in den Gesamm. W. III p. 400 n. 17.
686. Angebliche Ceres*, Marmorstatue, aus dem Be-
sitz der Familie Mattei von Clemens XIY. für den Vatikan
angekauft, wo sie sich*noch befindet. Ergänzt ist die linke'
Hand mit den Aehren. Der Kopf ist aufgesetzt und seine
Zugehörigkeit zur Figur nicht sicher.
Die Ergänzung der Aehren ist rein willkürlich, zur An-
nahme einer Ceres ist 'durchaus keine Veranlassung, um so
weniger, wenn der Kopf zur Figur gehören sollte, der für
Ceres zu jugendlich ist. Man könnte ihn wegen der Frisur
für einen Porträtkopf halten, aber auch an Idealköpfen findet
sich dieselbe Anordnung des Haars und die Formen ent-
sprechen einigermaassen den Venusköpfen. Er hat aber ent-
schieden griechischen Charakter, was der gleich im Folgenden
zu erwähnende Kopf noch deutlicher zeigt.
Auch die höchst elegante Gewandung ist von griechi-
* Im Xiobidensaal n. 68. Ein Duplikat dieser Fl^r in Bronce be-
findet »ich im Griechischen Hof n. 8.
408 Nachblüthe der griechischen Kunst.
schem Stil. Wie an der Nymphe von Tegel (n. 685) und der
Polyhymnia des hiesigen Museums lässt das Obergewand die
Falten des Untergewandes durchscheinen.
Visconti Pio-Clem. I zu tav. 40, Gerhard Beschreibg Roms II, 2,
276 und E. Braun Ruinen p. 508 halten sämmtlich den Kopf für zuge-
hörig und meinen, es sei eine Muse dargestellt, letzterer übrigens nicht
ohne auf einige individuelle Züge aufmerksam zn machen, zu denen
freilich das Achselband nicht gehört, das sich ebenso gut an idealen
Gestalten z. B. am östlichen Giebel des Parthenon findet. Mir schien
vor dem Original der Kopf durchaus nicht zugehörig.
687. Frauenbtiste*, von Marmor, in der Glyptothek
zu München befindlich und gewiss aus Griechenland stammend.
Der Eopf stimmt mit dem der ebenerwähnten Figur
überein, nur dass er weit schöner und gewiss ein griechisches
Originalwerk ist. ^
Zu bemerken ist, dass der Kopf nicht die Form einer
Herme, sondern einer Büste hat. Die älteste, einfachste,
strengste und am meisten monumentale Form der Verewigung
ist zwar die Herme, aber es scheint doch schon in guter
griechischer Zeit der Kunst die belebtere Büste daneben
aufgekommen zu sein. Die Basis ist modern, aber gewiss im
Sinne des Ursprünglichen ergänzt, der attische Säulenfuss gab
das Motiv für die Basen der Statuen und Büsten.
Vgl. Schorn's Catalog d. Glyptothek n. 83. Ein anderes Beispiel
einer griechischen Büste ist der Zeuskopf des hiesigen Museums u. 142.
688. Mädchen mit der Muschel**, Marmorstatoe im
Louvre, früher in Villa Borghese. Ergänzt sind der linke
Unterarm und der ganze rechte Arm mit der Schulter.
Auf der Basis der Figur sind Muscheln angedeutet^ das
Mädchen ist also am Strand eines Flusses liegend zu denken,
und der Gedanke des Restaurators, dass sie eine Muschel in der
Rechten gehabt und wasserschöpfend dargestellt sei, ist mehr
als wahrscheinlich. An eine Nymphe aber, die Wasser spendet
und nicht schöpft, ist nicht zu denken, sondern es ist eine
Figur des Lebens, die in reizend mädchenhafter Stellung hin-
gelagert ist. Sie ist der oben erwähnten Statue in Tegel
(n. 685) zu vergleichen.
Dieselbe Figur nur mit verändertem Motiv und Alter
* Im NiobidiÄRal n. 89.
** Im Römischen Saal n. 31.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 409
findet sich sehr oft wiederholt^ danmter auch in einem Exem-
plar griechischen Stils. Ein griechisches Original ist daher
jedenfalls vorauszosetzen. Auch die Gewandung des Mäd-
chens, das nur an einer Seite zusammengenähte Unterkleid,
entspricht griechischer Sitte, und die den griechischen Werken
so sehr eigene, präcise Unterscheidung des Stoffes am Oher-
und Untergewand ist, wenn auch getrübt, doch noch er-
kennbar.
Wir werden das Original dieser Figur etwa gleichzeitig
mit der Statue von Tegel ansetzen dürfen.
Abg. Clarac pl. 323. Monum. scelti Borghesiani I, 32. Vgl. des-
cription du Louvre n. 686 und die folg. Statue.
689. Knöchelspielerin*, Marmorstatue, um 1730 auf
dem Caelius gefunden, aus der Sammlung Polignac in das
Berliner Museum übergegangen. Ergänzt sind der rechte
Vorderarm, die rechte Schulter und der Hals
Diese Statue geht mit der eben betrachteten offenbar
auf dasselbe Original zurück. Nur ist das Motiv verschieden
und im Einklang damit auch das Alter, da das Knöchelspiel
vorwiegend eine Belustigung des jüngeren Alters war. Auch
die Gewandung stimmt nicht ganz überein, das dort aufge-
schlitzte Untergewand ist hier geschlossen, wie es für diese
Statue, deren Kopf offenbar Porträt ist, angemessener war.
Es ist schwer zu sagen, in welcher Figur das Original-
motiv beibehalten ist. Die Composition selbst giebt darüber
keinen Aufschluss, nur der Umstand, dass in mehreren Wie-
derholungen dieses Typus, darunter in der schönsten von
allen, das Motiv des Knöchelspiels wiederkehrt, ist der
Annahme günstig, dass die Berliner Figur ^ dem Original
näher stehe.
Man hat bemerkt, dass das Knöchelspiel eigentlich ein
Paar von Spielern erfordere, und dass daher die Figur oder
vielmehr ihr Original wohl nur die Hälfte einer Gruppe sei.
Allerdings sieht man auf den Monumenten immer nur Paare
von Spielern und wenn es auch denkbar ist, dass ein Ein-»
zelner sich mit dem Knöchelspiel belustigte, zumal da nicht
alle Arten dieses Spiels Gewinnspiele waren, so ist doch
das paarweise Spiel entschieden natürlicher. Es kommt noch
hinzu, dass das Mädchen mit der Linken eine Anzahl Knöchel
* Im Römischen Saal n. 28.
410 Nachblüthe der griechischen Kunst.
bedeckt; die wenn es sich nicht um ein Gewinnspiel handelte,
überflüssig wären. Wir müssen daher die Vermuthung, dass
die Figur nur eine aus einer Gruppe herausgenommene Einzel-
figur sei, die man ihrer besonderen Anmuth wegen einzeln
wiederholte, für sehr wahrscheinlich halten.
Was das Spiel selbst betrifft, so hatten die Astragalen,
die ursprünglich aus Thierknöcheln gefertigt und dann in
anderem Material nachgeahmt wurden, nicht wie die Würfel,
Augen oder sonstige Zeichen auf ihren einzelnen Seiten, die
bei der Ungleichheit der Seiten des Astragais überflüssig ge-
wesen wären, im Uebrigen war das Spiel dem Würfelspiel
gleich und die verschiedenen Würfe hatten auch verschiedenen
Zahlenwerth.
Abg. Visconti Op. var. IV, tav. 24 p. 169 ff. Vgl. Wolff in den
Nuove mem. d. inst. p. 333 ff. dessen Bemerkung über die Zugehörig-
keit der Figur zu einer Gruppe ich mir aneigne, ohne seinen weiteren
Vermuthungen folgen zu können.
In Betreff des Spiels nimmt man gewöhnlich (Becker Gallus III
p. 326 ff. u. A.) an, dass die Astinigalen wie die Würfel mit Augen
bezeichnet gewesen seien. Aber zunächst hat keiner der erhaltenen oder
abgebildeten Astragale, soviel ich weiss, Augen, sodann wären wie schon
im Text angedeutet, die Augen, die bei den gleichen Seiten der Würfel
nothwendig sind, bei den ungleichen Seiten des Astragais überflüssig,
endlich spricht dafür die Stelle des Pollux IX, 99 rb ox^f^KX zov xtaä
rbv äoxQayaXov nxmfitxxoq d^id^fiov So^av eixsv. Vgl. Lueian
Amor. 16.
690. Sogenannter Alcibia'des unter Hetären*,
Marmorrelief, aus Famesischem Besitz, 1790 nach Neapel
versetzt. Ergänzt sind der Kopf des Jünglings und der Frau
mit der (bis auf das unterste Stück neuen) Leier, an* ihrer
Nachbarin der linke Arm.
Die hergebrachte Bezeichnung dieses Reliefs als Alcibiades
unter Hetären ist zwar unbegründet, geht indessen doch von
dem richtigen Gefühl aus, dass das Werk uns in das grie-
chische Privatleben hineinführe. Denn es ist nicht daran zu
denken, dass Bacchus mit den Grazien — die Cymbeln in
der Hand des bekleideten Mädchens haben den Gedanken
%.n Bacchus veranlasst, die indessen auch bei nicht religiösen
Feiern üblich waren — oder gar Apollo mit Musen oder
Grazien dargestellt sei. Schon das Lager führt in eine ganz
andere Sphäre, ausserdem aber die ganze Handlung, die sich
sichtlich um die Verführung eines Jünglings dreht
* Im Niobidensaal n. 117.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 411
In der Gestalt des Jünglings ^ in der angelehnten Hal-
tung; in dem herabgleitenden Gewand ist treffend ausge-
sprochen; dass er in weiche und tippige Träumereien ver-
sunken ist Das Mädchen neben ihm^ mit einem knapp an-
anliegenden nichts verhüllenden Gewand bekleidet, scheint mit
ihren Cymbeln die Sinne des Jünglings aufregen zu wollen,
die beiden anderen sind offenbar in heimlicher Unterredung
begriffen über das gegen den Jüngling einzuschlagende Ver-
fahren. Die eine leise herabsteigend vom Lager fasst an die
Kithar des Jünglings, um sie ihm, wie es scheint, unvermerkt
zu entziehen, die andere zupft an seinem Gewände. Es hat
den Anschein, als ob diese ebenso graziösen wie leichtfertigen
Frauen den Jüngling aus seiner noch etwas zu idealen, durch
die Kithar träumerisch erregten Stimmung herausreissen und
auf reellere ihren Wünschen entsprechende Zwecke richten
möchten.
Das Relief ist also ein Genrestück, für die Sitten-
geschichte interessant, insofern es eine lebendige Vorstellung
von der verführerischen Grazie griechischer Hetären giebt
und nicht minder für die Kunstgeschichte als charakteristi-
sches Beispiel einer raffinirten Kunstrichtung, die sittlich an-
stössige Gegenstände durch die Grazie der Form dem Auge
einzuschmeicheln sucht. Dass es griechischen Ursprungs ist,
wird nicht bezweifelt werden können, ja man möchte es wegen
der grossen Grazie als attisch bezeichnen. Vor dem Schluss
des vierten Jahrhunderts aber ist es wohl nicht entstanden,
denn nicht eher scheint jene Richtung aufgetreten zu sein,
die sich zur Sklavin feinerer Sinnenlust machte. Auch die
nicht seltenen ähnlichen Scenen der Vasenbilder sind schwer-
Uch älter.
Hinsichtlich des Reliefs ist zu bemerken, dass der vor-
tretende Fuss des Jünglings etwas empfindlich die Grenze der
übrigen Figuren überschreitet. Das Lager tritt schjäg aus
dem Grunde hervor, um die neben demselben stehenden Fi-
guren in gleicher Rdiefhöhe mit den auf demselben befind-
lichen halten zu können.
Vgl. Finati il museo borbon. n. 283. Gerhard u. Panofka Nea])els
Antiken n. 283.
691. Zwei Frauen neben einem Idol*, Terrakotta-
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 396.
412 Nachblüthe .der griechischen Kunst.
relief aus Athen^ das zuerst Stackelberg^ dann Thiersch be-
sass und sich jetzt im Museum zu Carlsruhe befindet
Eine Deutung dieses Reliefs vermögen wir nicht zu
geben, die beiden Frauen, von denen die eine einen Spiegel
hält, gehören vermuthlich in die Sphäre des menschlichen
Lebens; das kleine Idol legt die rechte Hand auf die Brost-
und hat den Typus, den nian gewöhnlich auf die Proserpiiia
bezieht.
Der Stil ist weich und schön, aber nicht aus der besten
Zeit, wie man schon aus den glatt anliegenden Gewändern
abnehmen kann.
Abg. Stackeiberg, Gräber der Hellenen Taf. 69, dessen Deutung üb-
rigens auf sich beruhen mag.
692. Sterbender Alexander*, Marmorkopf im Mu-
seum zu Florenz.
Die Aehnlichkeit des Kopfes mit der Büste des Alexander
im capitolinischen Museum rechtfertigt die gegebene Bezeich-
nung, und der Gedanke, dass ein Künstler den in der Jugend
hinsterbenden Helden im Todesschmerz ringend dal'gestellt
habe, erscheint uns nicht unpassend.
Der Kopf ist eins der kostbarsten Stücke, die uns ans
dem Alterthum erhalten, aufs Tiefste ergreifend und von voll-
endeter, messender und weicher Ausführung, gewiss ein Ori-
ginalwerk. Wir möchten ihn mit einiger Bestimmtheit in die
Zeit der Diadochen setzen, weil er den Köpfen auf den
Münzen der Diadochen seinem ganzen Charakter nach über-
raschend ähnlich ist. Gerade damals und erst damals trat
ein freieres, von aller Stilisirung emancipirtes Pathos in die
Kunst ein, dessen schönster Repräsentant eben dieser Kopf
ist. Man vergleiche, um sich des Gegensatzes zur früheren
Zeit bewusst zu werden, den pathetischen aber streng stili-
sirten Kopf des herkulanischeu Dionysos n. 438.
Abg. Müller -Wieseler 1, 39, 160. Dass Overbeck Kunstarchaeol.
Vorles. [). 137 diesen weichen luid unbärtigen Kopf auf den wilden Ka-
paneus bezieht, ist mir durchaus unverständlich. Meyer z. Winck. V,
469 (Eiselein) und Brunn Gesch. d. gr. Künstl. I, 438 setzen das Werk
in eine etwas frühere Zeit.
693. Sogenannter Germanikus**, Marmorstatue,
* Im archaeologischen Apparat der Kgl. Universität.
** Im Niobidensaal n. 61.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 413
unter Ludwig XIV. in Rom, wo sie sich in den Gärten von
Sixtus y. auf dem Esqnilin befand; angekauft und in der
Galerie von Versailles aufgestellt, jetzt im Louvre. Nur Dau-
men und Zeigefinger der linken Hand sind ergänzt
Die Bezeichnung der Figur als Germanikus rührt daher,
weil man im Gesicht die Züge dieses Römers zu erkennen
glaubte. Dies ist freilich ein Irrthum^ aber Porträt ist das
Gesicht jedenfalls und zwar wie Schnitt und Anordnung des
Haars zeigen, das Porträt eines Römers.
Die Figur ist mit Ausnahme des Kopfes die Copie eines
schönen Hermestypus, den uns eine Statue in Villa Ludovisi
auch mit dem Hermes eigenthümlichen Kopfe kennen lehrt.
Diesen Typus benutzte der Künstler um einen Römer unter
dem Bilde des Hermes darzustellen. Denn dass dies seine
Absicht war, beweist die Schildkröte, ein Attribut, das nur
dem Hermes, der die Schildkröte zur Construktion der Leier
benatzt hatte, zukommt. Auch hielt die Figur gewiss den
Stab des Hermes in der Linken und zwar so, dass das Ge-
wand, welches jetzt in räthselhafter Weise an dem Arm fest-
geklebt scheint, dadurch gehalten wurde. Der Mann, dem
diese Statue gesetzt ist, war unzweifelhaft in der Beredtsam-
keit ausgezeichnet, denn der hier benutzte Typus stellt den
Hermes gerade in seiner Eigenschaft als Gott der Rede dar.
Die ganze Stellung nämlich drückt die schärfste Concen-
trirung der Gedanken aus. Darum der feste Stand auf der
Sohle beider Füsse, darum die leise Senkung des Hauptes,
wie Homer es von Odysseus, dem klugen Redner berichtet,
dass er zu Boden sah, wenn er redete, um ganz in sich ge-
sammelt und den Eindrücken der Aussenwelt entrückt zu sein.
Dies Versunkensein in geistige Thätigkeit wird auch durch
das Gewand angedeutet, das unvermerkt von der Schulter
herabgeglitten ist und nur noch von dem Caduceus gehalten
wird. Der demonstrirende Gestus der Rechten aber zeigt,
dass der Redner gerade im Begriff ist, seine Gedanken dar
zulegen *.
Der Hermestypus, den der Künstler benutzt hat, gehört
gewiss der edelsten Zeit der griechischen Kunst an. Dies
ergiebt sich deutlich aus der Statue in Villa Ludovisi, deren
Kopf noch die entschiedensten Merkmale des strengen Stils
* Die beiden ersten Finger der rechten Hand sind durch eine klehie
Stütze mit einander verbunden.
414 Nachblüthe der griechischen Kunst.
der Kunst an sich trägt. Auch ist der Charakter der Figur
80 grossartig ernst; man vergleiche nur, um sich dessen be-
wusst zu werden, die unter dem Namen des Jason bekannte
Hermesstatue (n, 666), in welcher der Gott viel unbedeuten-
der, nur als der schlanke und graziöse Götterbote erscheint
An der Statue in Villa Ludovisi ist der rechte Arm
falsch ergänzt, nämlich ausgestreckt, weit abspringend vom
Körper. Dadurch wird das Geschlossene, das so wesentlich
ist für den Ausdruck innerlicher Concentrirung, aufgehoben
und es kommt ein pathetischer Zug hinein, der mit der son-
stigen Erscheinung der Figur nicht übereinstinunt In den
Formen scheint der Germanikus etwas reifer und kräftiger zu
sein, als die Ludovisische Statue, was vermuthlich wegen des
Porträtkopfes geschehen ist, der ein höheres Alter hat, als
es dem Hermes zukommt. Den Eindruck eines idealen Wesens
erhält man überhaupt nicht, der Künstler war genöthigt, mit
dem Porträtkopf auch den Charakter des übrigen Körpers in
Einklang zu setzen. Sonst aber wird die Figur mit Recht
als eine Normalfigur bewundert und von den Künstlern studirt
Die Statue ist von Kleomenes, dem Sohn des Kleomenes,
aus Athen, verfertigt, wie die auf der Schildkröte angebrachte
Inschrift angiebt. Nach den Buchstabenformen derselben lebte
der Künstler nicht vor dem Untergänge der römischen Republik.
Vgl namentlich Visconti Op. Var. 4, zu Tafel 33. Den Gestus der
rechten Hand aber hat Welcker Akad. Mus. 2. Aufl. p. 50 richtiger ge-
deutet. Hinsichtlich der Gewandung bemerkt Visconti 1. c. p. 241. 242
Anm. 1 : l'agencement imite un de ces effets momentanes et fugitifs que
leb artistes cherchent quelquefois ä saisir, pour mettre de la varietö o«
de la nouveaute dans leurs compositions. Diese Meinung hat vielfach
Zustimmung gefunden, aber gewiss richtiger ist die im Text befolgte
von Clarac description du Louvre n. 712. 899 und siu* la statue antique
de Venus Victrix p. 58. (Die Vermuthung Clarac's übrigens, es sei M.
Marius Gratidianus vorgestellt, wird wohl allgemein als eine sehr un-
glückliche angesehn). Denn etwas gehalten hat die linke Hand, dass
dies aber ein Caduceus war, wird dadurch sehr wahrscheinlich, weil sich
ganz dieselbe Haltung der Fmger an vielen kleinen Broncen findet, ia
denen Hermes mit seinem Stabe dargestellt ist. Die beiden an der
Statue restaurirten Finger liegen in den Broncen ausgestreckt am Stabe
an, die Restauration ist im Wesentlichen übereinstimmend. Overbeck
Gesch. d. griech. Plastik 2, 240 denkt an einen gesenkt gehaltenen
Caduceus, den ich schon um desswillen bestreiten muss, weil er sehr
unangenehm vorspringen und den Ernst und die Ruhe des Werks stö-
ren wiu*de. Die Annahme eines unnatürlichen Gewandmotivs muss ich
übrigens auch aus kunsthistorischen Gründen bestreiten, weil nämlich
das Original dieser Statue, wie der Kopf der Ludovisischen Figur zeigt,
in eine für derartige Effekthascherei viel zu frühe Zeit föllt. Die Figur
in Villa Ludovisi ist genauer besprochen von Kekule Annali 1865 p. 66.
Nachblüthe der griechischen Kunst. 415
694. Weiblicher Torso*, vou Marmor, am Posilipp
gefunden und in Neapel befindlich.
Die Arbeit ist schön und gewiss griechisch, der Gegen-
stand nicht zn bestimmen.
Vgl. Arch. Ztg. 1844 p. 212.
695. Weiblicher Kopf**, von Marmor, dessen Aug-
äpfel eingesetzt waren. Wir sind nicht im Stande, eine ge-
nauere Deutung dieses schönen Kopfes zu geben und wissen
auch nicht, wo sich derselbe befindet.
696. Weiblicher Kopf***, mit etwas schmerzlichem
Ausdruck. Wo sich der Kopf befindet, ist uns unbekannt,
auch können wir keine Deutung desselben geben. Die Haare
sind drahtartig, wie nach Bronce gearbeitet.
697. Kleiner männlicher Torso****, von schöner
griechischer Arbeit. Das Motiv ist uns nicht klar.
Früher im Besitz von Thiersch, jetzt im Museum zu Carlsruhe.
* Im Niobidensaal n. 67.
♦♦ Ebendas. n. 42.
♦♦♦ Ebendas. n. 44.
♦*** Im Saal der Thiere und Broncen n. 392.
VII. Die griechische Kunst unter Barbaren.
Ehe wir zur griechisch-römischen Kunst übergehn, wird
es angemessen sein^ die Denkmäler der Krim und Moldau,
die zum Theil in reinstem griechischen Stil gearbeitet sind,
aufzuführen. Freilich sind sie nur zum Theil, zum kleineren
Theil rein griechisch, die grosse Menge derselben ist mehr
kunsthistorisch interessant als künstlerisch schön^ insofern sie
die Barbarisirung griechischer Vorbilder in sehr anschaulicher
Weise zeigt, aber alle diese Denkmäler stehn doch sichtlich
mit der griechischen Kunst in lebendigem Zusammenhang,
wesswegen wir sie der griechisch-römischen Kunst voran-
schicken zu müssen glaubten.
Sämmtliche hier aufgeführte Gegenstände, zum grössten
Theil goldne und silberne Geräthe, befinden sich in Petersburg;
fast alle stammen aus der Umgegend von Kertsch, namentlich
aus dem 1831 geöffiieten Grabhügel eines scythischen Königs
und seiner Gemahlin, dem sog. Koul-Oba.
Wir werden die bedeutenderen Sachen etwas näher be-
sprechen, die unbedeutenden dagegen nur kurz namhaft machen.
698 — 700. Drei Armbänder von Gold*, aus dem
Koul-Oba. Das erste wurde neben dem Skelett des Königs
und zwar am rechten Arm über dem Ellbogen gefunden, die
andern beiden sind paarweise vorhanden und wurden ebenfalls
♦ Im Saal der Thiere und Bronceii n. 142. 140. 182.
Griechische Kunst unter Barbaren. 417
neben den Skeletten gefanden, n. 699 neben dem der Eöni-
gin^ and das andre neben dem des Königs nnd zwar an der
Handwurzel.
Das an erster Stelle erwähnte Armband ist mit Reliefs
von getriebener Arbeit bedeckt, welche abwechselnd den Raab
des GepUälas darch Aarora and die Bezwingang der Thetis
darch Peleas darstellen. Der Löwe in der letzteren Gruppe
deatet eine der Verwandlangen an, durch welche Thetis sich
dem sterblichen Mann zu entziehen suchte. Die beiden Lie-
bessc^en entsprechen sich dem Gedanken nach und sind
passend f&r ein Schmuckgeräth, aber die Ungleichheit ihrer
räomlichen Ausdehnung ist nicht schön. Ausserdem fällt
auf, dass die Rosettenpaare welche die Scenen trennen, ein-
zelne Theile der Figuren verdecken, besonders aber dies,
dass von der Figur des Peleus nur die obere Hälfte sichtbar
ist Offenbar sind diese Gruppen, die sich aucli auf andern
Denkmälern ähnlich wiederholen, nicht für das Armband- com-
ponirt, sondern nur anderswoher genommen und für die neue
Verwendung nicht gerade sehr hübsch zugerichtet. Der Stil
der Figuren ist noch alterthümlich und dem fünften Jahrhun-
dert angehörig, aber diese Zeitbestimmung bezieht sich nur
auf das Original der Reliefs, das ja später copirt werden
konnte. Für die Datirung des Grabes besitzen wir keinen
andern Anhaltspunkt, als eine darin gefundene Inschrift die
nicht jünger sein kann als das dritte Jahrhundert v. Chr.
Das Armband der Königin ist doppelt so breit als das
eben betrachtete. Jede Hälfte desselben ist mit ganz über-
einstimmenden Reliefs verziert, in denen beliebte Thiergruppen,
Hirsche von Greifen angefallen, dargestellt sind. Die Aus-
führung ist wie bei dem vorhergehenden Stück sauber, aber
doch ist ein gewisser Zusatz von Ungeschicklichkeit nicht zu
verkennen, der uns freilich an andern Denkmälern noch stärker
aafiiallen wird. Hauptsächlich zeugt die Breite des Bandes
von barbarischem Geschmack. Es ist für jeden ungebildeten
oder verbildeten Geschmack charakteristisch, dass er am
Schmuck vornehmlich Masse und Gewicht schätzt, die der ed-
lere Geschmack gerade zurücktreten lässt.
Das dritte Armband, strickartig gewunden, macht den
reinsten Eindruck griechischer Kunst. Die Sphinxe haben
schwerlich irgend eine Bedeutung, sondern sind rein ornamen-
tal; in ihren Händen halten sie einen Knoten von Golddraht,
womit das Schloss, die Verbindung der beiden Arme ange-
Friedflrichs. griech. Plastik. 27
418 Griechische Kunst unter Barbaren.
deutet werden soll. Sehr fein ist die Filigranarbeit an dem
den Leib der Sphinx umgürtenden Bande^ das von einem
blau emaillirten Eierstab eingefasst ist.
Abg. Antiquites du Bosphore Cimmerien pl. 13, 1 — 3 Tome 1,
p. 85 ff. u. Introduction p. XL VII. Vgl. Archaeol. Ztg. 1857 p. 94.
701. 702. Goldene Medaillons*; aus dem Koul-Oba^
Theil eines Schmuckes der Königin und an ihrem Skelett in
der Mitte des Körpers gefunden. An diesen Medaillons hängt
im Original und zwar unter den die Anfügung maskirenden
Rosetten ihrer Ränder eine reiche Anzahl von Schnüren, die
unter einander verknüpft sind und am untern Ende Bommeln
in Form von Eicheln tragen, ausserdem aber durch zwei quer-
laufende ebenfalls mit Bommeln behangene Reihen von Ver-
zierungen unterbrochen werden. Der Fundort und der Um-
stand, dass diese Verzierungen paarweise erhalten sind, haben
veranlasst, sie für ein Ornament der Brüste zu erklären, ohne
dass sich indess eine klare Anschauung davon geben Hesse,
wie dieselben angebracht waren. Oben am Medaillon (d. h.
am Original) befindet sich ein Ring zum Einhaken. Die
Epheublätter der Einfassung sind blau emaillirt.
Der Kopf der Minerva, den das Relief darstellt, ist über-
reich verziert. Der dreifache Helmbusch wird von einer
Sphinx und je einem Pegasus gestützt, Greifenköpfe ragen
über dem Stimschirm hervor und auf den Backenklappen
sind ebenfalls Greife dargestellt. Die Göttin selbst ist mit
Ohrringen und einem reichen Halsband geschmückt, links und
rechts windet sich eine Schlange von der Aegis empor, und
der rechts entstehende leere Raum ist noch durch das Käuz-
lein ausgefüllt.
Diese Medaillons sind sehr instructiv, um die Mischung
eines rein griechischen und eines barbarischen Elements zu-
verfolgen. Die üeberfüllung mit Zierrath, die hier allerdings
sehr weit geht, ist es für sich allein nicht, was den Eindruck
des Ungriechischen hervorruft, denn wir finden auf unzweifel-
haft griechischen Werken etwas Aehnliches, sondern es ist
vornehmlich der merkwürdige Widerspruch zwischen der
Sauberkeit der Ausführung und dem Mangelhaften des eigent-
lich Künstlerischen, denn dem Gesicht der Göttin fehlt jede
Spur eines edleren Charakters. Das rein Technische gelang
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 185. 187.
Griechische Kunst unter Barbaren. 419
dem Künstler^ aber nicht das Schwierigere; der Ausdrack des
Charakters. Und endlich^ was besonders sprechend ist; es
ist in der Anordnung der Backenklappen des Helms ein Fehler
gemacht; die nämlich; wenn sie aufgeklappt sind; nicht ab-
stehn; sondern am Kopf anliegen müssen. Es war offenbar
bei der Facestellung des Kopfes dem Künstler schwierig; sie
in die richtige Position zu bringen.
Es ist sehr instructiV; einen berühmten und durch Ab-
güsse sehr bekannten Stein der Wiener Sammlung zu verglei-
eheU; den Minervenkopf des'AspasioS; der in demselben rei-
chen Stil gearbeitet ist aber ohne allen Zusatz eines barba-
rischen Elements.
Abg. a. a. 0. pl. 19, 1 Tom. I p. 138.
703. Runde Goldplatte*; aus dem Koul-Oba; wahr-
scheinlich von dem Schilde des KönigS; und zwar vom Mittel-
stück oder Nabel desselben. Der Schild war von geringerem
Metall oder Leder und diese Groldplatte die Verzierung des-
selben. Zur Befestigung dienten zwei am Rande befindliche
Oehrchen. Die Vertiefung in der Mitte war ursprünglich ge-
wiss durch irgend eine Verzierung ausgefüllt.
Die Reliefs sind radienförmig angeordnet, ganz ähnlich
wie bei einer häufig in Terrakotta vorkommenden Classe von
Schaalen. « Medusenköpfe mit phantastischen Verzierungen
über dem Kopf wechseln mit Scythenköpfen, und die Winkel
unten und oben sind durch Köpfe von Ebern und Panthern
ausgefüllt. Die Wahl dieser Verzierungen ist gewiss durch
das Bestreben veranlasst; dem Kriegsgeräth ein möglichst
schreckendes Ansehn zu geben. Unmittelbar um den Mittel-
punkt läuft ein mit Fischen verziertes Band.
Auch in diesem Werk ist die Technik sehr auerkennens-
werth; der Geschmack aber halb barbarisch. Schon die
grosse Buntheit des Ganzen; die Ausfüllung auch des gering-
sten Raumes ist der Weise griechischer Kunst nicht gemäss.
Abg. a. a. 0. pl. 25. Vgl. T. 1 p. 171.
704. Goldplatte**; aus dem Koul-Oba, von getriebe-
ner Arbeit und in durchaus phantastischer Weise verziert.
Man unterscheidet eine niederkniende Hirschkuh; unter deren
* Im Saal der Thiere und Bronceii ii. 18(>
*♦ Ebenda», n. 189.
27
420 Griechische Kunst unter Barbaren.
Hals ein Hund; und an derem Leib ein Löwe; Hase und
Greif angebracht sind. Den anf ihrem Rücken befindlichen
Gegenstand vermögen wir bis auf den Widderkopf an der
einen Seite nicht zu bestimmen^ auch der Zweck des Ganzen
ist uns unklar. Nur glauben wir wegen des völlig barbari-
schen Stils, dass irgend welche tiefere Intentionen von dem
Verfertiger nicht beabsichtigt sind. Die Thiere an dem Leib
der Hirschkuh sind sichtlich nur der Buntheit zu Liebe an-
gebracht.
Die wenigen griechischen Buchstaben am Halse der Hin-
din lassen keine sichre Ergänzung zu.
Abg. a. a. 0. pl. 26, 1. Vgl. I p. 175.
705. Goldplatte*, aus dem Koul-Oba, von getriebener
Arbeit, wahrscheinlich von einem Bogenbehälter, wie die Scy-
then ihn trugen (vgl. n. 706).
Der längere Streifen ist mit Thierkämpfen verziert; ein
Hirsch wird von einem Löwen und Greif, eine Gazelle oder
ein ihr ähnliches Thier von einem Leoparden angefallen. Da-
rüber das Bild eines Seepferdes.
Dies Stück ist sehr charakteristisch für barbarische Kunst.
Die griechischen Vorbilder sind im Allgemeinen treu befolgt,
auch die Technik ist wenigstens fleissig, aber es fehlt alles
Verständuiss für den Körperbau. Man beachte nur^ wie die
Rippen und die Gelenke angegeben sind. Das Seepferd ist
übrigens weit besser ausgeführt als das Uebrige.
In der Ecke ist mit griechischen Buchstaben ein barba-
rischer Name Pornachos eingeschrieben, der vielleicht den
Künstler bezeichnet. Jedenfalls ist das Werk von barbari-
scher Hand gearbeitet.
Abg. a. a. 0. pl. 26, 2. Vgl. I, p. 177.
706. Becher von Weissgold (Elektrum)**, aus dem
Koul-Oba, mit Reliefs von getriebener Arbeit verziert.
Die erste Gruppe stellt einen durch das Diadem ausge-
zeichneten scythischen Fürsten dar in Gespräch mit einem an-
dern Scythen. Es handelt sich, wie aus der übrigen Dar-
stellung hervorgeht, um kriegerische Angelegenheiten. Denn
neben der Gruppe ist bereits ein Krieger beschäftigt; die
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 201.
*♦ Ebendas. n. 131.
Griechische Kunst unter Barbaren. 421
Sehne an den Bogen zu spannen ^ sodann folgen zwei andre
Scythen^ von denen einer dem andern einen Zahn ausznziehn
scheint, wenn man nicht lieber irgend eme Verwundung am
Mmide annehmen wiU, die von dem Gefährten untersucht wird,
endlich wird ein am Bein Verwundeter verbunden.
Der Schmerz der Verwundeten ist vortrefflich ausgedrückt,
und die barbarische Nationalität höchst charakteristisch dar-
gestellt Die Tracht der Scythen ist noch jetzt im südlichen
Russland üblich.
Das Greföss ist von rein griechischem Stil«
Abg. a. a. 0. pl. 33. p. 223 ff., aber vgl. die Erkh'inmg in der
Archaeol. Ztg 1844 p. 316.
707. Silbervase*, aus dem Koul-Oba, mit Thierkämpfen
verziert. Die Figuren treten vergoldet aus mattem Silber
hervor.
Auch dieser Becher ist rein griechisch, wenn auch nicht
so schön wie der vorhergehende. Die Schlankheit des Ge-
&sse$ wird dadurch etwas beeinträchtigt, dass die Ornamen-
tirong der untern Hälfte nicht vertikal, wie bei jenem, son-
dern horizontal, ringförmig angebracht ist.
Abg. a. a. 0. pl. 34, 3. 4. p. 229, wo mir nur die allegorische
Deutung der Thierkämpfe nicht zusagt, denn die Thiere, die hier unter-
liegen, sind immer und überall die unterliegenden.
708. Silberbecher**, aus dem Koul-Oba, in Form
und Stil dem vorhergehenden ähnlich. Vögel, etwa wilde En-
ten, nach kleinen Fischen schnappend sind darauf vorgestellt.
Abg. a. a. 0. pl. 35. 5. 6. p. 233 f.
709. Silbernes Trinkhorn***, aus dem Koul-Oba,
in Form eines Stierkopfes, unten durchbohrt. Es gab näm-
lich zwei Arten von Trinkhörnern, je nachdem man aus der
obem breiten Mündung oder aus der untern durchbohrten
Spitze trinken wollte.
Das Relief bezieht sich auf den Mythus des Telephus,
der bei Agamemnon Heilung sucmte und sie dadurch erzwang,
dass er den Sohn Agamemnons zu tödten drohte. Telephus
ist mit eüenden Schritten an ein kleines Heiligthum geflohen
• Im Saal der Thiere und Broncen n. 127.
•• Ebendas. n. 133.
♦•• Ebendas. n. 172.
422 Ghriechische Kunst unter Barbaren.
das einen Altar vorstellen soU^ er hat das Schwert gezückt
und den jammernden Orest im Arm. Ihm folgt in der Ge-
berde des Entsetzens eine Schwester des Orest. Auf der an-
dern Seite des Altars wird Agamemnon noch unwillig von
Frau und Tochter hinweggeführt, damit er •nicht durch ein
gewaltsames Verfahren gegen Telephus das Leben des Orest
gefährde.
Das Relief ist von ganz barbarischem Stil. > Alles Tech-
nische, Lembare ist sehr sauber ausgeführt, aber das Vermö-
gen künstlerischer Gestaltung fehlte. Die Köpfe sind na-
mentlich ganz unverhältnissmässig gross. Durch die gesträub-
ten Haare des Telephus und Agamemnon soll vermuthlich die
gegenseitige Wildheit der beiden Krieger ausgedrückt werden.
Abg. a. a. 0. pl. 36, 1. 2. p. 239. Archaeol. Ztg 1857 Taf. 106,
p. 91 ff., wo 0. Jahn die richtige Erklärung des Reliefs gegeben hat.
710. Kugelförmiges Silbergefäss *, mit Amoren
verziert, die Laubgewinde auf der Schulter tragen. Von den
beiden Amoren der Vorderseite hält der eine einen Schmet-
terling, das Bild der Psyche, der andere eine Fackel, mit
der er den Schmetterling brennen möchte, die beiden der
Rückseite haben Kränze in den Händen. Zwischen den Amo-
ren sind Medusenköpfe angebracht, vielleicht im Sinn eines
Apotropaion oder auch nur rein omamental.
Die ganze Darstellung hat auf römischen Monumenten
sehr viele Analogien, auch der Stil hat nichts Barbarisches^
die Ausführung ist spät und flüchtig.
Abg. a. a. 0. p. 37, 6 p. 249.
711. Silbernes Gefäss**, mit Spuren von Vergol-
dung. Die Vase diente zu einem unsem Theekannen ähn-
lichen Zweck, denn in der durch eine komische Maske ge-
bildeten Oeffiiung befindet sich ein durchlöchertes Blech, das
nur Flüssiges durchliess. Auch unter den Thonvasen haben
sich ähnliche erhalten. Man sollte erwarten, dass der Henkel
sich dem Ausguss gegenübd§ befände, was aber nicht der
Fall ist. Auch hat die Vase nicht einen oder allenfalls drei
Henkel, wie man ebenfalls voraussetzt, sondern zwei, die als
Figuren gestaltet sind nach einem besonders in etmscischer
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 126.
•* Ebendas. n. 174.
Griechische Kunst uuter Barbaren. 423
Knnst sehr beliebten Motiv. Es sind Satjmi; mit einem Schur?
von Blättern bekleidet nnd mit einer Syrinx am Munde. Die
TüUe wird wie gesagt durch eine komische Maske gebildet^
da es in der ganzen antiken Geräthwelt Sitte ist, den Ausguss
irgend einer Flüssigkeit durch eine Maske von Mensch oder
Thier zu bezeichnen. Unter der komischen Maske^ die ihres
Zweckes w^egen weiter vortreten musste, ist eine tragische
Maske als Stütze angebracht. Auch der Körper des Gefässes
ist mit einem* bacchischen Symbol, einem Kranz von Weinlaub
verziert und über dem Ausguss, ihn gleichsam in seinen Hän-
den haltend, befindet sich ein Amor, dem ein zweiter auf der
andern Seite correspondirt.
Der Stil ist zwar nicht barbarisch, aber auch nicht fein.
Abg. a. a. 0. pl. 37, 5 p. 251.
712. Silberrelief*, mit Vergoldung, aus dem Innern
einer Trinkschaale.
Dargestellt ist in nicht sehr feinem Stil Helios, sein
Viergespann antreibend. Auch die Form der Schaale zu der
das Relief gehört, ist eine spätere im unteritalischen Vasen-
stil gewöhnliche. Sie hat die geschweiften, oben umgekrümm-
ten Henkel, die der frühere, strengere Vasenstil nicht kennt.
Abg. a. a. 0. p. 38, 6 p. 257.
713. Silberner Eimer**, in der Moldau gefunden.
Die Reliefs sind erotischen Inhalts und zerfallen in drei
Scenen, deren eine an Ausdehnung den beiden andern ent-
spricht. Dies ist die Darstellung des Hylas, der auf seinen
Krug gelehnt, mit dem er Wasser schöpfen wollte, ruhig, nur
mit erhobener Rechten seinen Schmerz ausdrückend, unter
den N}Tnphen dasteht. Nur eine von diesen bekümmert sich
am ihn, die andern sind im Begriff sich zu waschen. Die
Darstellung ist sehr wunderlich und hölzern.
Nicht viel mehr ist die zweite Scene zu loben, die Ver-
folgung der Daphne, die mit ihrem Krug zu einer Quellnymphe
gegangen und den Apoll, der übrigens gar nicht wie ein
leidenschaftlicher Liebhaber aussieht , zurückzuhalten sucht.
Hinter dem Gott fliegt ein kleiner Eros.
Am besten ist die dritte Scene, Leda mit dem Schwan,
• Im Saal der Thiere und Broncen n. 184.
•♦ Ebendas. n. 124.
424 .Griechische Kunst unter Barbaren.
namentlich ist der Gedanke originell^ dass der Schwan vod
einem Eros getragen herankommt. Der kleine Gott ist nnter
seiner Last zusammengeknickt ^ hietet aher noch schelmisch
der Leda einen Spielball an.
Die üppigen Darstellongen sind bei den unschönen, halb
barbarischen, wenn auch nach classischen Mustern copirten
Formen besonders unangenehm. Charakteristisch ist auch die
Rücksichtslosigkeit, mit der die Henkelbefestigung in die Dar-
stellung eingreift
Abg. a. a. 0. pl. 39 p. 261 ff., wo auch die iibrige Literatur citirt
ist. Nur glaube ich dem Herausgeber nicht das über den Lorbeerzweig
des Apoll und der Nymphe Bemerkte, der vielmehr ein einfaches At-
tribut der betreffenden Figuren ist.
714. Grostee silberne Vase*, zum Theil vergoldet,
zugleich und an derselben Stelle mit dem eben besprochenen
Gefäss gefunden.
Die Vase hat nur in dem oben befindlichen Cylinder eine
Oeffaung, es ist uns unklar wozu sie gedient hat. Die Hen-
kel werden durch zwei Krüge tragende Centauren gebildet,
in einer stilistisch allerdings nicht sehr schönen Weise.
Das Keüef am Hals stellt einerseits eine Eberjagd, aa^
drerseits eine Hirschjagd dar. Die beiden Hirsche werden
in aufgestellte Netze hineingetrieben, die ein mit einer Ka-
puze bekleideter Junge bewacht. Am Bauch ist eine Ama-
zonenschlacht, in welcher aber keine individuelle heroische
Figur hervorgehoben ist, und am Fuss sind Nereiden auf
Seethieren dargestellt.
Der Stil dieses Gefilsses ist dem des vorhergehenden
verwandt, nur noch barbarischer. Wie natürlich, ist nament-
lich das Nackte verunglückt. Auch die Fülle der Darstellun-
gen verräth keinen edleren Geschmack und innerhalb der ein-
zelnen Reliefs, namentlich im Amazonenkampf contrastirt der
Reichthum der Verzierungen an Pferden und Menschen selt-
sam, aber in einer für barbarische Entstehung charakteristi-
schen Weise mit der unorganischen Bildung der Körper. Es
versteht sich übrigens von selbst, dass auch in der Entstellung
die .griechischen Vorbilder noch überall kenntlich sind.
Abg. a. a. Ö. pl. 40—42 p. 267.
Aum. Ausser diesen bedeutenderen Werken ist hier noch eine grosse
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 111.
Griechische Kunst unter Barbaren. 425
Anzahl kleinerer Metallarbeiten, meist Göldverzierungen, im Abguss vor-
handen. Ein bedeutender Theil derselben ist auch im Koul-Oba am
Boden des Grabgemaches gefunden, und man vermuthet, dass sie zum
Schmuck von Gewändern bestimmt waren, ohne freilich im Einzelnen
nähere Auskunft geben zu können. Auch sie sind hauptsächlich wegen
der Mischung des Barbarischen und Griechischen interessant. Im Koul-
Oba sind gefunden n. 146 (eine Scythenfigur von barbarischem Stil)
n. 153. 154. (zwei Scythen, den Bogen spannend, sehr lebendig) 155,
157 (ein feiner ausgefiihrtes Seeungethüm) 161 (zwei Scythen, traulich
aus einem Hom trinkend) 162 (Doppelsphinx mit einem Kopf, wie
Aehnliches oft auf attischen Monumenten vorkommt, hier aber ganz
barbarisirt) 177. 181 (zwei hübsche Tänzerinnen). Die genannten Ver-
zierungen sind abg. a. a. 0. pl. 32, 1. 20, 1. 4. 6. 21, 10. 32, 10. 22,
11. 20, 14. 8. 5.
Aus andern Fundorten stammen n. 136 (Pfeilerchen von Bronce
mit einer Bacchusfigur, wahrscheinlich Verzierung eines Geräthes, abg.
a. a. 0. pl. 44, 16) 145. 147 (abg. a. a. 0. pl. 19, 3). 148. 149. 150.
151. 152. 156 (abg. a. a. 0. pl. 15, 15) 159. 163 (abg. a. a. 0. pl. 20,
11) 179. 183. (abg. a. a. 0. pl. 21, 11).
Schliesslich machen wir noch auf die in der Krim gefundenen mit
n. 115 — 119 und 144 bezeichneten Thonflguren aufmerksam, von denen
n. 117. 118. 119 scythische Krieger, den letzten auf der Hasenjagd,
darstellen, n. 116, eine Frauenstatuette, ist durch grosse Anmuth be-
merkenswerth ; n. 115 ist eine Venus mit dem Apfel, als Zeugungsgöttin
mit einer Herme des Priap verbunden, an deren Fuss Eros liegt. Aehn-
lifhe Statuetten haben sich mehrere gefunden. 144 endlich ist ein an-
muthiger Apollokopf. Abg. a. a. 0. pl. 64. 2. 3. 65. 5. 68, 1 3. 4.
VIII. Die griechisch-römische Kunst.
Schon in der Einleitung zum sechsten Abschnitt wurde
bemerkt, dass der Unterschied der griechisch-römischen Kunst
von der alexandrinischen noch keineswegs klar sei. Es wird
noch fortwährend gestritten, ob der Laokoon der einen oder
der andern Zeit angehöre und auch bei andern Statuen z. R
beim Nil erhebt sich dieselbe Frage, ohne dass wir im Stande
wären, sie mit Sicherheit zu beantworten. Die Einen sprechen
der römischen Zeit alle und jede Productivität wenigstens auf
dem Gebiet des Idealen ab und meinen, dass sie nur von der
griechischen Erbschaft gezehrt habe, die Andern geben ihr
den Vorzug vor der zunächst vorangehenden Periode und re-
den sogar von einer Restauration der Kunst unter den rö-
mischen Kaisem. Wir halten die erstere Meinung insoweit
für wahrscheinlich, als sie sich auf die religiöse Kunst be-
zieht, denn um auf diesem Gebiet wirklich Bedeutendes zu
leisten, dazu fehlten der Kaiserzeit die innem Bedingungen,
wir können aber nicht so weit gehn, dass wir die gesammte
Thätigkeit der Römer auf dem Gebiet des Idealen als eine
unselbständige und unbedeutende betrachten. Denn wo Sta-
tuen wie die sogenannte Thusnelda in Florenz, wie der Au-
gustus in Berlin und die Agrippina in Neapel entstanden
sind, da kann auch das auf andern Gebieten der profanen
Kunst Geschaffene nicht völlig werthlos gewesen sein. Wir
läugnen damit nicht, dass das Historische die Sphäre war,
für welche der römische Sinn seit alter Zeit am besten be-
fähigt war, aber es scheint uns andrerseits nicht richtig, jede
.. I
GriechischTömische Kunst. 427
schöne Idealschöpfdng der römischen Zeit; wie z. B. die
Gruppe Elektra und Orest in Villa Ludovisi, ohne besondre
Gründe für die Copie eines griechischen Werks zu erklären.
Dass die grosse Masse der römischen Kunstwerke relativ
unbedeutend ist, wird Jeder zugeben, der die ungeheuren An-
forderungen bedenkt, die der römische Luxus an die Kunst
stellte, aber es wäre bei der Fülle der Aufgaben, bei dem
Reichthum an schönsten griechischen Vorbildern, bei dem Vor-
handensein bedeutender künstlerischer Kräfte, die wir eben
nach den Leistungen auf dem historischen Gebiet voraus-
setzen müssen, geradezu auffallend, wenn nicht auch auf dem
idealen Gebiet unter vielem Unbedeutendem einzelnes wahr-
haft Bedeutende geschaffen wäre.
Wir trennen auch in diesem Abschnitt die mythologischen
Darstellungen von dem Genre und der historischen Kunst.
Als dritte Abtheilung werden die pompejanischen und herku-
lanischen Kunstwerke aufgeführt, die ein besondres Interesse
dadurch haben, dass sie uns die Verbindung von Kunst und
Leben veranschaulichen, die wir sonst so selten verfolgen
können. Eben dies Interesse und die Gemeinsamkeit von
Zeit und Ort liess es wünschenswerth erscheinen, sie in einem
besondem Abschnitt aufzuführen. Auf sie folgen endlich vier-
tens die Thierdarstellungen nebst einigen Miscellaneen, die wir
den andern Abtheilungen nicht zutheilen konnten.
a) Mythologische Darstellungen.
715. Orest und Elektra*, Marmorgruppe in Villa
Ludovisi. Ergänzt ist der rechte Arm des Orest und die
linke Hand der Elektra.
Die Gruppe ist sehr verschieden erklärt, nach unsrer
Meinung hat Winckelmann das Richtige getroffen, indem er
sie auf das Wiedersehn von Orest und Elektra bezog. Nur
dürfen wir darin nicht die Erkennungsscene der sophokleischen
Elektra wiederfinden wollen, denn es giebt keinen Moment in
der Schilderung des Dichters, der diesem Bilde entspräche.
Bei Sophokles ist Elektra leidenschaftlich in der Klage und
• In Tegel.
428 Mythologische Darstellungen.
ebenso leidenschaftlich in der Freude, sie jauchzt^und jubelt
in den bewegtesten Rhythmen ohne auf die beschwichtigenden
Worte des ruhigeren Bruders zu hören, ohne die Gefahr zu
achten, in welcher sie selber und der Plan der Rache schwe-
ben. Und wie wäre es anders möglich, nachdem wir erfahren,
wie gross und wie lange der Druck war, unter dem Elektra
lebte. Der Künstler aber hat keinen Zug der Leidenschaft
in seine Darstellung aufgenommen, sondern nur die Empfin-
dung ruhiger und inniger Freude dargestellt, die sich beson-
ders schön in der Haltung der Köpfe an beiden Figuren
ausspricht. Er mochte vielleicht diese Auffassung den Bedin-
gungen der plastischen Kunst angemessener finden, doch lässt
sich wohl nicht bestreiten, dass wenn nicht andre Zeichen uns
andeuteten, was für ein Wiedersehn gemeint sei, aus der
Handlung selbst der Gegenstand schwerlich erkannt werden
würde.
Diese andeutenden Zeichen sind zunächst die Grösse der
Elektra im Vergleich zum Orest. Nach der sophokleischen
Dichtung ist Elektra die eigentliche Urheberin der Rache an
der Mutter, und Orest, den sie selber aufgezogen, erscheint
wie ihr Werkzeug. Dieses Verhältniss konnte der Künstler
nur dadurch ausdrücken, dass er den Orest fast wie einen
Knaben, als welchen ihn auch seine Schwester bei Sophokles
bezeichnet, der heroischen Jungfrau gegenüberstellte. Ausser-
dem bezeichnen die kurzgeschorenen Haare der letzteren die
Trauer um den Vater Agamemnon und ^endlich, worauf der
Künstler gewiss rechnete und rechnen durfte, war das Wie-
dersehn von Orest und Elektra vor allen andern ähnlichen
Scenen berühmt.
Die Inschrift nennt als Verfertiger den Menelaos, des
Stephanos Schüler, einen Künstler des ersten christlichen Jahr-
hunderts. Wir zweifeln nicht dass die Gruppe ein Original-
werk dieses Künstlers ist, denn die Vermuthung, dass er ein
Original der rhodischen Schule copirt habe, ist bei dem pa-
thetischen Charakter tlen die Werke jener Schule gehabt zu
haben scheinen, dieses Werk aber gerade nicht hat, unwahr-
scheinlich. Zudem glauben wir in der schweren und den Un-
terkörper mehr als bei den Griechen üblich, verhüllenden Ge-
wandung der Elektra einen specifisch römischen Zug zu er-
kennen, und in ihrem Gesicht fällt das grosse Kinn und die
kurze Oberlippe auf, eine Eigenthümlichkeit der altgriechisdien
Kunst, die sich auch in der oben (n. 92) beschriebenen Fi-
Mythologische Darstellungen. 429
gor des Stephanos, den Menelaos als seinen Lehrer bezeich-
net^ findet und wohl am natttriichsten durch die in römischer
Zeit auch . sonst merkliche Hinneigung zum altgriechischen
Stil erklärt wird.
Die Literatur ist verzeichnet bei 0. Jahn ArchaeoL Ztg 1854 p. 233
if., der selbst eine neue Erklärung aufstellt, die wie ich gestehe mir
nicht wahrscheinlich scheint. Denn die Wiedererkennung von Merope
und Cresphontes, die Jahn in der Gruppe dargestellt glaubt, ist doch
nicht ein blosses Wiedersehn trauernder Personen, sondern die Pointe
derselben liegt gerade darin, dass die Mutter den als Sohn wiedererkennt,
gegen den sie so eben das Mordbeil geschwungen hatte. Diese Pointe
aber müsste der Künstler ganz übersehn haben, wiewohl er sie doch so
leicht, z. B. durch das weggeworfene Beil, andeuten konnte.
716. Gruppe des Laokoon*, im Jahr 1506 unter
Papst Julius n. in der Nähe der Thermen des Titus entdeckt
und im Vatikan aufgestellt
Den rechten Arm des Vaters versuchte Michelangelo zu
ergänzen, liess aber das Werk unvollendet liegen, später un-
ter Clemens VIL wagte sich Montorsoli daran, seine Ergän-
zung wurde aber wieder abgenommen und durch die jetzt am
Original befindliche, von Comachini einem Bildhauer des 17.
Jahrhunderts übrigens nur in Stuck ausgeführte ersetzt Diese
Ergänzung ist aber falsch, der Arm war nicht in gerader
Linie ausgestreckt, sondern wie eine Copie der Gruppe in
Neapel beweist, gekrümmt, so dass die Hand nahe am Hin-
terkopfe lag. Auch in Michelangelo's Entwurf ist der Arm
weit mehr gekrümmt, als in der gegenwärtigen Restauration,
die Gruppe gewinnt dadurch ungemein, indem sie dann pyra-
midalisch zuläuft und im Kopfe des Vaters ihre Spitze findet
Auch der rechte Arm des jüngeren und die rechte Hand
des älteren Sohnes sind von demselben Künstler in Stuck er-
gänzt, die übrigen Restaurationen sind unbedeutend.
Bei einem Opfer, so heisst es, das der Priester Laokoon
brachte, wurden er und seine Kinder von zwei Schlangen, die
als Vollstrecker göttlicher Strafe gesandt waren, erwürgt.
Wir sehen daher den als Priester bekränzten Vater und die
Söhne, die ihm als Opferknaben zur Seite standen, um einen
Altar gruppirt, der für die Phantasie die Vorstellung des
Schrecklichen steigert und für die Gomposition von der höch-
sten Bedeutung ist, indem dadurch erst die dem Laokoon
Im Cabinet des Laokoon n. 1.
430 Mythologische DarstelluEgeu.
gegebene Stellang nnd dadurch anch die gleiche |Höhe der
Knaben, die für die Symmetrie nothwendig war, möglich
wurde. Die Söhne sind übrigens im Verhältniss -zum Vater
sehr klein, was ähnlich wie in der Niobegruppe nothwendig
war um die Hauptfigur als solche hervorzuheben.
Die drei S^guren stellen drei verschiedene Momente,
gleichsam die drei Akte der Katastrophe dar. Der ältere
Sohn ist noch unverletzt, ja es ist für ihn die Möglichkeit
des Entrinnens da, es wäre allerdings zuviel des Schreckens
gewesen, wenn auch er schon hof&iungslos umstrickt wäre.
Aber nicht bloss in dieser Möglichkeit des Entrinnens, son-
dern darin dass wir den Sohn in diesem Moment des Schreckens
weniger mit sich als mit dem Vater, zu dem seine klagende
Geberde und Miene hinaufgerichtet ist, beschäftigt sehn,
liegt eine wunderbare Milderung des Grässlichen. Das Motiv
bringt einen Zug der Liebe und des kindlichen Mitleids in
das Uebermaass des Schrecklichen hinein, der ähnlich wirkt
wie die Liebesgruppen einzelner Kinder in der Niobegruppe,
hier aber wo das Grässliche unendlich gesteigerter ist, um so
nothwendiger war. In Laokoon selber sehn wir die höchste
krampfhafte Anspannung aller Kräfte, um sich aus der Um-
strickung der Schlangen zu befreien, die sich durch die Art
wie sie ihre Opfer zuerst umstricken und fesseln, dann durch
ihren Biss vernichten, als solche, „die wissen was sie wollen",
als Werkzeuge in einer hohem Hand zu erkennen geben.
Die Umstrickung der Beine hat den Laokoon auf den Altar
niedergedrückt, aber man sieht in den Beinen den freilich
vergeblichen Widerstand, den krampfhaften Versuch den Kör-
per wieder zu heben. Die Brust ist in äusserster iinspannung
aufgetrieben, die Arme sind bemüht, die zweite Schlange vom
Körper fernzuhalten und das Haupt, wie es durch die Stellung
der Brust bedingt ist, gewaltsam hintenübergeworfen. Auch
das Gesicht ist „klagend, aber nicht schreiend und unter der
Stirn ist der Streit zwischen Schmerz und Widerstand, wie
in einem Punkte vereinigt, mit grosser Weisheit gebildet:
denn indem der Schmerz die Augenbrauen in die Höhe trei-
bet, so drücket das Sträuben wider denselben das obere Au-
genfleisch niederwärts und gegen das obere Augenlid zu, so
dass dasselbe durch das übergetretene Fleisch beinahe ganz
verdecket wird."
Der Kampf und das Ringen des Vaters wird recht ein-
dringlich durch den Gegensatz des jüngsten Sohnes, dessen
^
Mythologische Darstellungen. 43 }
Widerstand gebrochen ist. Seine Beine geben nach^ sein
Kopf ist hülfeflehend zum Vater hinanfgewandt nnd sein Be-
mühen; den Biss der Schlange abzuwehren ^ ist matt und er-
folglos. Wenn uns der Anblick des Vaters, seiner heldenmü-
thigen Anstrengung, vorwiegend BewunderuBf erweckt, so giebt
dagegen dieser Knabe das Bild reiner, ungftaischter Rührung.
Als Künstler dieses Werks werden von Fthiius die Khodier
Agesander, Athenodorus und Polydorus genannt. Ihre Lebens-
zeit wird nicht ausdrücklich angegeben und eben darüber ist
nun seit Winckehnann's und Lessing's Zeit ein lebhafter Streit
entstanden, der noch heute fortdauert. Von der einen Seite
nämlich wird der Laakoon als ein Werk der rhodischen
Schule angesehn, die in den nächsten Jahrhunderten nach
Alexander blühte, und es ist namentlich die Entwicklung der
ganzen griechischen Kunst, worauf sich die Vertreter dieser
Ansicht berufen, von der andern Seite wird ebenfalls mit
kunsthistorischeu Argumenten gekämpft, aber auch mit einer
Stelle des Plinius, die eine bestimmte Andeutung enthalte, dass
das Werk erst unter Titus entstanden sei. Wir müssen uns
dieser letzteren Ansicht anschliessen. Plinius nachdem er er-
wähnt, dass sich das Werk im Hause des Kaisers Titus be-
finde, fährt fort, die Künstler hätten aus einem Block (was
übrigens ein Irrthum ist) den Vater und die Kinder und die
wunderbaren Verschlingungen der Schlangen d^-consili senten-
tia gearbeitet. Uebersetzt man diese Worte, wie es die Ver-
treter der entgegengesetzten Ansicht wollen, „nach der Ent-
scheidung ihrer Ueberlegung^' so würde der Zusatz etwas
ganz Selbstverständliches ausdrücken, was eben darum Nie-
mandem einfallen würde hinzuzufügen. Nach der andern An-
sicht aber, die wir für die richtige halten, bezeichnen die
Worte das Gutachten des Rathes, der nach dem Zusammen-
hang kein andrer sein kann, als der des Kaisers Titus. Die-
ser kaiserliche Rath, das ist die Meinung des Plinius, hatte
die drei Künstler ausgewählt als die tüchtigsten, denen das
zum Schmuck der kaiserlichen Wohnung bestimmte Werk
übertragen werden sollte. Kunsthistorisch steht dieser Zeit-
bestimmung, wie wir glauben, nichts im Wege. Denn der
römischen Kaiserzeit die Fähigkeit zu solchen Schöpfungen
abzusprechen, scheint uns, wie wir schon oben andeuteten, im
Hinblick auf so manche bedeutende Werke dieser Zeit, nicht
gerechtfertigt. Jüan verweist femer auf die Verwandtschaft
des Laokoon mit dem vermuthlich der rhodischen Schule an-
ä
432 Mythologisclie Darstellungen.
gehörenden Famesischen Stier ^ um daraus den Schluss zu
ziehn, dass zwei so verwandte Werke auch ihrer Entstehungs-
zeit nach nahe zusammengerückt werden mussten. Wir ge-
stehn, dass wir statt dieser Verwandtschaft viehnehr nur Ver-
schiedenheiten fiudflin und aus denselben den entgegengesetzten
Schluss ziehen. Denn während wir im Famesischen Stier
einen grossen Rdchthum des Beiwerks finden, welcher der
Gruppe einen malerischen Charakter verleiht, herrscht im
Laokoon die grösste Sparsamkeit, die Beschränkung auf das
durchaus Nothwendige, während dort die Composition wegen
der locker hinzugefügten Gestalt der Antiope nicht völlig be-
friedigt, greift hier alles streng und nothwendig in einander,
während der Stier als ^in Werk einer ktlhneren aber auch
wilderen und regelloseren Phantasie betrachtet werden muss,
ist der Laokoon ein Werk der tiefsten Weisheit, der durch-
dringendsten Berechnung. Endlich begründet auch dies einen
erheblichen Unterschied zwischen den beiden Gruppen, dass
dort ein Moment vor der Katastrophe, hier die Katastrophe
selbst dargestellt ist, dass daher dort ein psychologisches In-
teresse an der Angst und andrerseits an der ünerbittlichkeit
der Betheiligten in Anspruch genommen wird, während hier
das körperliche Leiden, das sinnlich Grässliche, dag dort nur
bevorstehend ist, mit aller Herbheit als gegenwärtig hinge-
stellt wird. Der Laokoon steht dem Geist griechischer Kunst
viel ferner als der Famesische Stier, ja es giebt kein einzi-
ges Werk der griechischen Kunst, das auch nur annähernd
eine ähnliche Tendenz zum sinnlich Grässlichen verriethe.
Dies fühlte Dannecker, von dem der Ausspruch bekannt ist,
er habe den Lg-okoon nie lange ansehn können; es ist daher
auch mit vollem Recht bemerkt worden, dass der Laokoon
dem Geschmack eines Volkes entspreche, das an wilden Thier-
gefechten seine Freude hatte.
Wenn also die Gruppe unter Titus entstanden ist, so
haben die Künstler gewiss die Schilderung Virgil's von dem
Untergange des Laokoon gekannt, und die geistvollen Bemer-
kungen Lessing's über den Unterschied der Composition bei
dem Dichter und Bildhauer können als den Intentionen der
Künstler entsprechend angesehen werden. Einen sehr wich-
tigen Unterschied aber hat Lessing nicht erwähnt, nämlich
den, dass beim Dichter beide Knaben vor dem Vater ge-
tödtet werden, der Waffen zu ihrem Beistand holt und dann
erst selber fällt
Mythologische Darstellungen. 433
Der Künstler wasste^ dass das Grässliche^ wenn es ge-
lesen oder gehört wird, anders wirkt als wenn es sinnlich
sichtbar vor uns steht, er hat darum zur Milderung des
Grässlichen für den einen Knaben noch Hoffnung gelassen
und den schon erwähnten schönen Zug derXi^be hinzugefügt
Als Vertreter von Winckelmann's Ansicht Imr das Zeitalter der
Laokoongruppe nennen wir 0. Müller Handb. § 166. Welcker A. D.
I, p. 322. Brunn Gesch. d. gr. K. I, p. 475. Overbeck Gesch. d. gr.
PI. II, p. 162. Auf Lessing's Seite stehen Visconti Op. var. IV, 137 ff.
Thiersch Epochen p. 318. Stephan! bulletin hist.-phil. de l'acad. des
sciences de St. Petersbourg 18 i9 p. 1. Lachmann Archaeol. Ztg 1848
p. 237. E. Braun Ruinen und Museen Roms p. 302. Vgl. ausserdem
die geistvolle Schrift von Henke, die Gnippe des Laokoon 1862.
717. Kopf des Laokoon*, von Marmor, im Besitz
des Herzogs von Ahremberg in Brüssel.
Die Verschiedenheit dieses Kopfes vom vatikanischen
Laokoon, mit dem er nach der Messung Danneckers (Beselben
Proportionen hat, liegt darin, dass derselbe nur den Ausdruck
des Leidens und zwar des kläglichen Leidens hat, während
sich im vatikanischen Kopf der Schmerz viel heroischer, nicht
ohne den Versuch des Widerstandes äussert. Der Kopf wird
von einer Seite für ein römisches Werk späterer Zeit, von
andrer aber für ein Werk des sechzehnten Jahrhunderts ge-
halten und wir gestehen, dass uns nach dem überaus kläglichen
Ausdruck des Kopfes die letztere Meinung nicht ganz un-
wahrscheinlich vorkommt. Indessen kann eine Entscheidung
immer nur vor dem Original selbst, das wir nicht kennen,
getroffen werden.
Abg. Müiium. d. iiisl. U, 41, 6. Vgl. Schom in den Annali 1837
p. 153. Die Meinung, dass der Kopf dem sechzehnten Jahrhundert an-
gehöre, ist von Welcker Akad. Mus. z. Bonn, 2. Aufl. p. 14 aus-
gcsprocheu.
718. Laokoon**, Marmorrelief, im J. 1862 in der
Nähe Roms gefunden und im Besitz des Malers Wittmer be-
findlich.
Die Aechtheit dieses Reliefs wird nicht allgemein aner-
kannt. Auffallend ist allerdings, dass hier vier Schlangen
den Laokoon und seine Söhne tiWten, da der Mythus nur
zwei kennt, auffallend ist auch die querovale Form des Reliefs,
* Im Cabinet des Laokoon n 2.
** Ebendas. n. 8.
Priedenchs, griech. Plastik. • 28
434 Mythologische Darstellungen.
die in Cameen zwar sehr häufig, in grösseren [Reliefs aber
sehr selten oder gar beispiellos ist. Andrerseits ist ein ähn-
liches Relief in Madrid , das für antik angesehen wird, anch
för dieses eine Stütze und dann entspricht die Arbeit der
Haare, die durch blosse Bohrlöcher gegliedert sind, ganz der
römischen Sitte spftterer Zeit, so dass wir geneigt sind, das
Werk für antik zu halten.
Es ist indessen wenig bedeutend und besonders unschön
ist die Figur des Vaters, in welcher der Künstler sichtlich
abhängig ist von der vatikanischen Gruppe, aber die Um-
schnürung der Beine, durch welche die ganze Stellung der
Figur bedingt ist, aufgegeben hat. Der Sohn an seiner Rech-
ten ist die schönste Figur, stimmt aber mit dem herabstür-
zenden Phaeton auf Sarkophagen überein und ist daher
schwerlich originell erfunden.
Abg.W^rcliaeol. Ztg 1863 Taf. 178 p. 89 ff. Vgl. bull. 1862 p. 50.
1863 p. 11.
719. Der Nil*, Marmorstatue, gefunden unter Leo X.
nahe bei der Kirche Santa Maria sopra Minerva. An der-
selben Stelle sind zu verschiedenen Zeiten noch mehrere an-
dere Darstellungen ägyptischer Gegenstände und ägyptischen
oder ägyptisirenden Stils gefunden, woraus man mit Recht
folgert, dass dort der Isistempel gestanden habe. Die Statue
wurde unter Clemens XIV. in den Vatikan gesetzt und bald
darauf Von Caspar Sibilla restaurirt. Die Ergänzungen am
Nil selbst sind unbedeutend, wir heben nur die Finger der
rechten Hand mit den herabhängenden Aehren, deren Spitzen
aber alt sind, hervor, um so bedeutender aber sind die an den
Kindern, deren Oberkörper durchgängig neu ist, zum Theil
aber noch mehr. Die genaue Betrachtung des Gypsabgusses
lässt an der Verschiedenheit der Oberfläche die restaurirten
Theile deutlich erkennen, wess wegen wir nicht näher ins De-
tail eingehen. Die Richtigkeit der Restauration ist im Ein-
zelnen nicht zu garantiren, doch sind die Motive, die den
Kindern gegeben, nicht ohne Anmuth.
Der Flussgott, der nach der Grösse und Bedeutung des
Stromes, den er vertritt, nur in mächtigen Formen dargestellt
werden konnte, lehnt sich an eine Sphinx, das Symbol Aegyp-
tens. In der Linken hält er ein mit Blumen und Früchten
Am Eingang zum Treppenhaus aufgestellt.
Mythologische Dai'stellungen. 435
gefälltes Füllhorn; in der Rechten die Aehren^ die Gaben
seines fruchtbaren Wassers. An dem spitzen Ende des Füll-
horns sprudelt unter dem Gewand hervor — eine Anspielung
auf den verborgenen Ursprung der Nilquellen — sein Wasser
und ergiesst sich über die ganze Basis. In den Kindern, die
ihn umgeben, haben wir nach Berichten der Alten die Ellen
seines Wachsthums zu erkennen, der Künstler hat dies auch
dadurch anzudeuten gesucht, dass die Kleinen in allmählichem
Hinaufsteigen dargestellt sind. Ihre Zahl 16 bezeichnet die
höchste Steigung des Nils, ihre Anordnung war von selbst
durch die Lage des Flussgottes auf seiner viereckigen Basis
gegeben. In den leer gelassenen Winkeln zur Rechten und
Linken mussten sich dichtere Gruppen von Kindern bilden,
die zur Rechten sich an der Sphinx und dem Füllhorn hin-
aufziehen bis zu jenem oben im Füllhorn befindlichen, der
nach der jedenfalls hübschen Idee des Restaurators in der
ruhigen Zuversicht, den höchsten Platz erreicht zu haben, auf
die übrigen hinabsieht. Die Kindergruppe links spielt mit
einem Krokodil, die mittlere aus zweien bestehende mit einem
Ichneumon, das Miene macht, seine Feindschaft gegen das
Krokodil zu bethätigen, und am rechten Arm und Bein stei-
gen die übrigen hinauf, so dass die ganze colossale Gestalt
rings von lustigem Leben eingeschlossen ist, das aber nur
wie leichte Wellen den gewaltigen Gott umspielt ohne seine
majestätische Wirkung zu beeinträchtigen.
Die Statue war so aufgestellt, dass sie umgangen werden
konnte. Das zeigt die Basis, die an drei Seiten mit Reliefs
verziert ist, welche das in der Statue Angedeutete gleichsam
ergänzen, indem sie die räthselhaften Bewohner des Nils in
anschaulicher Weise schildern. Nur die Vorderseite enthält,
ähnlich wie am Farnesischen Stier, keinen erheblichen Relief-
schmuck, der hier nicht zur Geltung gekommen sein würde.
Von der linken Seite herumgehend erblicken wir in meh-
reren Gruppen den Kampf des Nilpferdes mit dem Krokodil,
dazwischen die storchähnliche Gestalt des Ibis, dann in Bar-
ken das zwergenhafte komische Geschlecht der Pygmäen und
endlich an der rechten Ecke, als friedlichen Schluss nach den
Schrecken und Ungethümen, die dei^ Fluss in sich birgt, ru-
hig am Ufer weidende Kühe.
Es ist das schönste Bild eines Flussgottes das uns aus
dem Alterthum erhalten, und daher vorzüglich geeignet, die
künstlerische Auffassung dieser Wesen zu vergegenwärtigen
28*
436 Mythologische Darstellungen.
die überall davon ausgeht, dass der Flussgott nicht als ein
von seinem Element freies, sondern an ihm haftendes Wesen
gedacht wurde. Daher die gleichsam matt und schwer gela-
gerte Stellung, der man die Unmöglichkeit des Aufstehen»
ansieht; daher die weichen Formen, das fliessende Haar und
ein gewisser sehnsüchtiger Ausdruck im Gesicht, eine eigen-
thümlich weiche Stimmung, der unstäten Bewegung der Flu-
then entsprechend.
Zusammen mit dieser Statue wurde eine in den Maassen^
im Marmor, in der Composition und im Stil durchaus über-
einstimmende Statue des Tiberstromes aufgefunden, die dem
Nil gegenüber, etwa am Eingang des Heiligthums, aufgestellt
gewesen sein wird. Die alte und neue Heimath der Isis war
in ihnen angedeutet.
In der Zeitbestimmung der Statue wird man nur zwischen
zwei Perioden schwanken können, zwischen der alexandrini-
schen und besten römischen Zeit, und in der That haben beide
Ansichten ihre Vertreter gefunden. Uns veranlasst die grosse
Uebereinstimmung mit dem jedenfalls römischen Tiber eine
gleichzeitige Entstehung beider für das Wahrscheinlichere
zu halten.
Abg. bei Visconti Pio-Clem. I, 37. Vgl. tav. 38 u. p. 222 ff., wo
übrigens die pyramidenähnliche Frucht, von der ich freilich nicht nähere
Hechenschaft geben kann, für eine Pflugschaar erklärt wird. Sie findet
sich nicht selten unter den Opfergaben, z. B. Mus. borb. 13, tav. 10.
Monum. d. inst. VI tav. 37. Vgl. ferner E. Braun Ruinen u. Museen
p. 259 und wegen der späteren Ausgrabinigen an dem Fundort des
Nils bullet. 1856 p. 180.
720. Mars*, Marmorstatue, aus Borghesischem Besitz
1808 in den Louvre übergegangen. Ergänzt sind der linke
Unterarm, der gewiss den Speer hielt, und die Finger der
rechten Hand.
In einer Venus und Mars vorstellenden Gruppe finden
wir eine mit dieser Statue völlig übereinstimmende Figur, an
deren Deutung auf Mars übrigens schon die Betrachtung der
schweren ja derben Körperformen keinen Zweifel aufkommen
lässt. Auch sind die am Helm als Verzierung angebrachten
Wölfe — ein dem Mars vheiliges Thier — wohl mit Absicht
gewählt.
In welcher Situation wir den Eriegsgott denken sollen,
* Im Niobideneaal n. 23.
Mythologische Darstellungen. 437
das giebt der Ring über dem Knöchel des rechten Fasses
an, der eben weil er etwas sehr Auffallendes ist, nicht eine
gleichgültige Beziehung, die auch fehlen könnte, sondern viel-
mehr einen für die Auffassung der ganzen Statue wichtigen
Gedanken enthalten wird. Der Ring ist genau wie eine Fuss-
schelle gebildet und äfcrch nur als Andeutung einer Fesselung
zu verstehen. So aufgefasst aber steht er in innigstem Zu-
sammenhang mit der fast traurigen Haltung der Figur, er
^iebt uns das Motiv derselben an. Es ist der Mars, den
Hephästus fesselte, als er ihn mit der Venus antraf, und der
nun beschämt mit gesenktem Kopf dasteht.
Andre erklären die Figur für Achill, ohne aber wie uns
scheint, sich des Achill der griechischen Poesie zu erinnern.
Denn wie sollte wohl der schnellfüssige, jugendliche Held in
dieser schweren Gestalt erkannt werden können? Und vollends
unmöglich scheint uns die Situation in der man sich den
Achill denkt, nämlich der Thetis gegenüber, „die Waffen zur
Rache des Patroklos brachte, wozu auch noch der Getödtete
selbst und andre Figuren, Nereiden und Achäer gehören
konnten^^. Wie verschieden wäre ein solcher Achill von dem
homerischen Achill, der beim Anblick der Waffen in die wil-
deste Kampfgier geräth, der nur von dem einen Gedanken
der Rache erfüllt, je eher je lieber in den Kampf eilen möchte 1
Die Figur ist erst römischen Ursprungs, das beweisen
die Wölfe am Helm, die nur ein Symbol des römischen Mars
sind. Auch sind die Proportionen, die kurzen Beine, in rö-
mischen Werken sehr gewöhnlich. Ob ein griechisches Ori-
ginal zu Grunde liegt, ist nicht gewiss zu sagen, jedenfalls
kein sein* frühes, weil der Gedanke des Werks, den mächtigen
Kriegsgott in der Fessel des Hephäst darzustellen, zu pikant
ist für frühere Zeit.
Abg. Clarac pl. 263. E. Braun Kuustmythol. Taf. 85. Vgl. Welcker
Akad. Mus. n. 34. Dass der Ring eine Andeutung der Beinrüstung sei,
scheint mir schon deswegen unwahrscheinlich, weil er dann ein für
den (jedanken der Statue ganz müssiger Zusatz wäre. Die fragmentirte
Wiederholung der Figur in Dresden (August. II, 35) hat ein von der
linken Schulter herabgehendes Wehrgehenk, das Schwert hing also nach
römischer Sitte an der rechten Seite, worin ein sichres Zeichen fiir den
römischen Ursprmig der Statue gegeben ist.
721. Mars*, Marmorbüste, früher in Villa Albani, jetzt
* Im Niobidensaal n. 120.
438 Mytholog^che Darstellungen.
in der Glypthothek zu München. Ergänzt sind der Helm-
bnsch und die Sphinx^ die ihn trägt.
Der Kopf ist eine schönere Wiederholung des eben be-
sprochenen Marstypus.
Abgebildet Mus. Napol. II, 59. Vgl. Schorn Catalog zur Glyptho-
thek n. 91.
722. Endymion*, Marmorst|i,tue; im Jahr 1783 in der
tiburtinischen Villa Hadrians gefunden; zuerst im Besitz de&
Grafen Marefoschi in Korn, dann an Gustav III. von Schwe-
den verkauft und jetzt im Museum zu Stockholm. Ergänzt
sind von Giovanni Grossi die rechte Wade und rechte Hand^
der linke Fuss, die linke Wange, das Kinn, die Lippen und
die Nasenspitze. Auch soll die Statue überarbeitet sein.
Nach ähnlichen zahlreichen Darstellungen auf Reliefs und
Gemälden kann kein Zweifel sein, dass wir den schönen
Schläfer Endymion vor uns haben, der hier so sanft hinge-
streckt ist wie in keiner andern Darstellung, so dass die
Vorstellung des stillen friedlichen Schlummers besonders ein-
dringUch wird.
Da die Figur des Endymion auf manchen Sarkophagen
als Bild des sanften Todesschlummers dargestellt ist, so wäre
möglich, dass auch diese Figur in demselben Sinn ein Grab
geschmückt hätte, nur scheint der Fundort nicht recht mit
dieser Annahme zu stimmen.
Die Composition ist jedenfalls älter als Hadrian, sie fin-
det sich schon ähnUch auf pompejanischen Gemälden, und in
der Ausführung der Statue ist wenigstens keine Spur von der
kleinlichen Zierlichkeit und Eleganz zu bemerken, welche viele
Werke der Hadrianischen Zeit kennzeichnet, so dass wir sie
vielleicht einer frühem Zeit zuschreiben müssen, ohne freilich
Genaueres angeben zu können.
Abg. Clarac pl. 586. Vgl. Heydemann im Archaeol. Anz. 1865
p. 147 ff.
723. Melpomene**, colossale Marmorstatue, höchst
wahrscheinlich aus den Buinen des Theaters des Pompejus
hervorgezogen, von Pius VI. im Vatikan aufgestellt, seit Na-
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 4.
** Im Saal des Barbexinischen Fauns n. 8
Mythologische Darstellungen. 439
poleon im Louvre. Ergänzt sind der rechte Unterann mit
der Maske und die Finger der linken Hand.
Die Ergänzung der rechten Hand ist nach ähnlichen
besser erhaltenen Statuen sehr wahrscheinlich, die linke lag,
wie wir nach derselben Autorität annehmen, auf einer Keule.
Melpomene, deren Charakteristik dem Inhalt und Charakter
der von ihr vertretenen Dichtgattung entsprechen musste,
trägt die Maske und Waffe desjenigen Heros, durch den die
griechische Tragödie als Dichtung von den Thaten und Leiden
der Heroen am treffendsten repräsentirt wird. Das schwere
Aermelkleid und der breite hochsitzende Gürtel gehören zur
theatralischen Tracht.
Das Werk ist römischen Ursprungs, wie die schwere
Faltenmasse zwischen den Beinen anzeigt, die sich nur an rö-
mischen Werken findet. Der Kopf ist von grosser Anmuth.
Abg. Visconti Pio-Clem. II, 26. Clarac pl. 315. Vgl. Visconti op.
var. IV, p. 40 ff. 0. Müller Handb. p. 631.
724. Minerva Ergane*, Erzstatue, 1834 in Vulci zu-
sammen mit einem Helm gefunden. Der rechte Arm war ge-
trennt, der Kopf ist restaurirt, und zwar von Thorwaldsen.
Sie kam 1836 in das museo Gregoriano des Vatikan, ging
aber bald an ihren Finder Campanari zurück und wurde dann
nach München verkauft, wo sie sich jetzt in der Glyptothek
befindet.
Die Haltung der Arme und Finger deutet entschieden
auf eine Spinnerin. In der linken Hand hielt sie den Spinn-
rocken, während die Rechte am Faden drehte.
Man hat der Figur den Namen der Minerva Ergane ge-
geben, der Erfinderin und Lehrerin weiblicher Arbeiten, in
welcher Eigenschaft die Göttin auch am Forum des Domitian
vorgestellt ist. Der zugleich mit der Statue geftmdene Helm
würde diese Vermuthung unterstützen, auch sind einige Ein-
zelheiten der Tracht, die beim ersten Anblick auf eine Figur
des wirklichen Lebens schliessen lassen, wohl damit vereinbar.
Sowohl die Schuhe nämlich finden sich auch an idealen
Wesen, z. B. an den Musen, als auch die Ringe, von denen
Plinius ausdrücklich berichtet, dass man sie auch den Statuen
der Götter angesteckt habe. Demselben Gewährsmann ver-
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 312.
440 Mythologische Darstellungen.
danken wir auch die durch viele erhaltene Monumente bestä-
tigte Nachricht, dass man nicht bloss am untersten Gliede
des Fingers ; sondern auch an den oberen dünneren kleinere
Ringe getragen habe, wie wir es ebenfalls an dieser Statue
sehen.
Wenn demnach der Deutung auf Minerva Ergane nichts
im Wege steht — die Aegis fehlt auch an andern Darstel-
lungen und gerade in dieser Bedeutung als Ergane ist ihr
Fehlen ain leichtesten begreiflich — , so kann andrerseits doch
auch die Möglichkeit nicht bestritten werden, dass eine Porträtfigur
unter dem Bilde der Ergane dargestellt sei. Die Voraus-
setzung des Restaurators, welcher der Figur einen Junokopf
aufgesetzt hat, entbehrt jedenfalls aller Begründung.
Die Statue ist römischen Ursprungs, wie schon die er-
wähnte Sitte des Ringtragens beweist, die kein griechisches
Mo.nument bezeugt. Auch der Stil weist auf die Zeit der
römischen Kaiser. Denn bei aller Schönheit im Einzelnen ist
doch in dem mehr verhüllenden als bedeckenden Gewände
der römische Geschmack, wie er an so vielen römischen
Porträtstatuen hervortritt, unverkennbar.
,5.^ Fundnotiz Bullet, d. i. 1835 p. 11. 120 cf. bullet. 1836 p. 170.
1837 p. 5 u. 153. Die Erklärung als Minerva Ergane ist von Capranesl
aufgestellt bullet. 1836 p. 145 ff. Abg. und als Livia erklärt im mus.
Chiaramonti II, tav. A. Vgl. E. Braun im Kunstblatt 1838 n. 86.
726. Pallas Giustiniani*, Marmorstatue, bei der
Kirche S. Maria sopra Minerva in Rom gefunden, die wie
der Name sagt, über einem Minerventempel erbaut ist. Die
Statue war schon im Anfang des 17. Jahrhunderts im Besitz
der Familie Giustiniani, sie gelangte später in den Besitz
Lucian's Bonapärte, von welchem sie Pius VII. für das vati-
kanische Museum kaufte, wo sie sich noch jetzt befindet.
Ergänzt sind nur die rechte Hand mit dem Theil des Speeres
den sie hält, dessen unterstes Stück aber auf dem Boden zu-
rückgeblieben, und Einiges an den Fingern der linken. Auch
die Sphinx auf der Helmspitze ist bis auf die Vorderfüsse
ergänzt. Das Gewand hat an einigen Stellen durch üeberar-
beitung gelitten.
Es ist wahrscheinlich, dass wir in dieser Statue das
Götterbild jenes oben erwähnten Tempels, bei dem sie gefan-
* Im Römischen Saal u. 6.
Mythologische Darstellungen. 441
den wurde, besitzen. Wenigstens ist die Rohe und Geschlos-
senheit in der ganzen Anlage der Statue für ein Tempelbild
sehr passend. Der Künstler hat nicht ein Bild der streitba-
ren, sondern der ernsten, leidenschaftslosen Göttin aufstellen
wollen, an welcher schon im Homer die Selbstbeherrschung
als ein wesentlicher Zug des Charakters hervortritt.
Der Werth dieser Statue wird sehr verschieden beur-
theilt. Von einer Seite hoch gepriesen, ist sie von Andern
namentlich von Zoega sehr hart beurtheilt. Wir stimmen
dem Letzteren wenigstens darin bei, dass das Gewand mit
Falten und Fältchen überladen, und dass die Bewegung der
linken Hand die mit dem Rande des Peplos zu spielen scheint,
nicht wohl gewählt sei.
Es kann fraglich erscheinen, ob dieser in mehreren Co-
pien erhaltenen Statue nicht ein griechisches Original zu
Grunde liege. Wir glauben nicht. Die Bewegung der linken
Hand, die namentlich an einer Göttin unbedeutend und aus-
druckslos ist, findet sich nicht selten an römischen Porträt-
statuen und die Anlage des Gewandes ist ebenfalls römisch.
Nur in einigen Attributen hat sich der Künstler an griechische
Vorbilder angeschlossen. Zunächst ist die Schlange, welche
(da sie auch ein Attribut des Gottes der Heilkunst ist) dieser
Statue den Namen der Minerva Medica verschafft hat, gewiss
von der Parthenos des Phidias entlehnt, aber anders angeord-
net, indem sie gleichsam schmeichelnd die Göttin umgiebt.
Sodann ist die Sphinx auf der Helmspitze ebendaher entlehnt.
Die Widderköpfe am Helm, eine öfter vorkommende
Verzierung, werden von den Widderköpfen der Belagerungs-
maschine herzuleiten und daher als ein Symbol des Kriegs
aufzufassen sein.
Abg. Galleria Giustiiiiani i, tav. 3. Müller -Wieseler II, 19, 205.
Vgl. Beschreibg von Rom II, 2,91. Weicker Akadem. Mus. z. Bonn
p. G8. Griech. Götterl. II, 295.
726. Apollo*, Marmorstatue, aus dem Palast Ottoboni
in den Vatikan gekommen. Die Ergänzung hat die ursprüng-
liche Bedeutung der Figur völlig unkenntlich gemacht. Zu-
nächst ist nämlich ein zwar antiker, aber der Figur fremder
Kopf hinzugefügt, sodann ist an der linken Seite ein grosses
unmittelbar unter der Schulter, die noch alt ist, beginnendes
*
* Im Römischen Saal n. 3.
442 Mythologische Darstellungen.
und bis über die Hüfte hinabreichendes Stück eingesetzt, und
diesem Zusatz gehört die wunderliche kleine weibliche Brust
an und die ebenso wunderlichen sie umgebenden kleinen
Falten. Für die erstere lässt sich kein Grund finden, da die
rechte Brust eine männliche Figur andeutet, vielleicht war es
nur das Gewand, welches den Restaurator verführte, für die
letzteren ist wenigstens in so weit eine Begründung vorhan-
den, als aus den untern, antiken Falten des Obergewandes
hervorgeht, dass an der linken Seite in der Höhe der Brust
irgend ein Gegenstand anlag, durch den das Gewand etwas
in die Höhe gezogen wurde. Endlich ist der rechte Arm zu
zwei Dritteln ergänzt und der Hand ist ein Helm gegeben,
der hier neben der Figur liegt, der linke Arm ist fast ganz
neu, und die Hand hält im Original einen Oelzweig. Auf
Grund dieser Ergänzungen ist die Figur dann Minerva Paci-
fera genannt.
Aber gewiss stellt die Figur einen Apollo in der langen
Tracht des Kitharöden dar. In dem linken Arm hielt er die
Leier und das Anliegen derselben am Gewände wird die im
Vorhergehenden erwähnte Faltenbewegung veranlasst haben,
in der ausgestreckten Rechten gewiss die Schaale. Es ist
ein ganz ähnlicher nur in freierem Stil gehaltener Apollo^
wie der auf mehreren archaistischen Reliefs (n. 70 ff.) vor-
koäimende.
Abg. Visconti Pio-Clem. III, 37. Das Verdienst, die richtige Be-
deutung dieser Figur erkannt zu haben, gebührt E. Braun Ruinen u.
Museen Roms p. 331.
727. Meergott*, Marmorherme, in Terra di Lavoro
nahe bei Pozzuoli gefunden, von G. Hamilton erworben und
an Clemens XIV. verkauft, der sie im Vatikan aufstellte.
Die Delphine im Bart und die Fischschuppen im Gesicht
und an der Brust bezeichnen ein Wesen des Meers, auch die
Homer, wodurch sonst freilich die Flussgötter charakterisirt
werden, könnten hier in demselben Sinn, wie sie letzteren zu-
kommen, die dadurch Stieren an Fruchtbarkeit und Wildheit
verglichen werden, hinzugefügt sein. Der Traubenkranz kann
wohl nur auf den Weinreichthum der umgebenden Ufer ge-
deutet werden, es ist deswegen wahrscheinlich, dass nicht
das Meer als solches, sondern nur ein besondrer Theil des-
* Im Römischen Saal n. 109.
(Mythologische Darstellungen. '443
selben^ oder richtiger ausgedrückt das Meer von einer be-
stimmten Oertlichkeit ans betrachtet in diesem Kopf darge-
stellt sei. Wir halten daher unter den zahlreichen Benen-
nungen dieses Kopfes diejenige für die treffendste, wonach
er das mittelländische Meer oder auch die Seeküste von Poz-
zuoli repräsentirt.
Von dem weichen, sehnsüchtigen Ausdruck der Wasser-
gottheiten war schon oben beim Nil (n. 719) die Bede. Der
Kopf scheint in guter römischer Zeit verfertigt zu sein.
Abg. Visconti Pio-Clem. VI, 5. Vgl. Opere var. IV p. 338. Be-
schreibg Roms II, 2, p. 225. 0. Müller Handb. § 403, 3. £. Braun
Ruinen u. Museen Roms p. 419. Bötticher im Nachtrsig zum Catalog
des Neu«n Museums p. 108.
728. Herme*, im Jahr 1775 in der Nähe von Tivoli
auf der Strasse nach Praeneste gefunden; in die Townley'sche
Sammlung und mit dieser ins britische Museum übergegangen. '
Die Figur ist für weiblich gehalten, aber offenbar männ-
lich, sie würde einen jugendlichen krausgelockten Herkules
darstellen können, wenn statt des Gewandes ein Löwenfell
vorhanden wäre. Wir verzichten auf eine Deutung der Herme
die übrigens von einem Original guter Zeit abstammen muss,
da sich auch in Pompeji ein Exemplar derselben gefunden hat.
Abg. specim. of ancient sculp. I, 58. Clarac pl. 591. Vgl. Over-
beck Pompeji I, 104. Die eigenthümliche dem Jupiter Terminalis ge-
weihte Herme (Annali 1847 tav. S) stimmt bis auf die Andeutimg des *
Doppelgeschlechts überein.
729. Arm einer Colossalstatue**, von Bronce, im
Hafen von Civita yecchia in der Mitte der dreissiger Jahre
aus dem Meer aufgefischt und im museo Gregoriano des Va-
tikans befindlich.
Die mitaufgefundenen Reste eines Scepters und eines
Delphinschwanzes deuten darauf hin, dass der Arm einer Sta-
tue des Poseidon angehörte. Das Fragment ist von grosser
Schönheit.
Vgl. £. Braun Ruinen und Museen Roms p. 805. und bullet. 1851
pag. 30.
730. Fragment einer Nymphe***, von Marmor, au^
* Im Niobidensaal n. 31.
** Im Saal der Thiere und Broncen n. 3.
**• Im Römischen Saal n. 29.
444 Mythologische Darstellungen.
der Chigischen Sammlung in das Museum zu Dresden über-
gegangen.
Das Fragment gehört wohl nicht, wie man gemeint hat,
zu einer Wiederholung der vatikanischen Ariadne (n. 634),
sondern zu einer minder bewegten, ruhiger liegenden Figur,
höchst wahrscheinlich zu der Figur einer auf ihre Urne ge-
stützten Quellnymphe, die als Brunnenverzierung gebraucht
sein mochte. Die Arbeit ist aus guter Zeit.
Abg. Le Plat, recueil des marbres antiques T. 116. Vgl. Hettner,
d. Bildw. d. Kgl. Antikensammlg zu Dresden n. 302.
731. Sogenannter Hektor und Troilus*, Elfenbein-
gruppe, im Jahre 1842 auf dem Hundsrück beim Rümpfen
Thurm an der Stelle des alten Belginum gefunden, jetzt im
Besitz des Herrn Suermondt in Aachen. Ergänzt sind von
dem Bildhauer Cauer (dem Vater) in Creuznach der rechte
Fuss und das linke Bein (vom Knie abwärts) der tragenden
Figur. Am Rücken bemerkt man ein paar schon in alter
Zeit eingesetzte Stücke.
So einfach das Motiv ist — ein verwundeter Jüngling
von einem älteren Freunde fortgetragen — , so schwer ist es
den Figuren Namen zu geben. Sie sind Hektor und Troilus
genannt, aber es ist nicht eine Leiche, die hier fortgetragen
wird, sondern ein Verwundeter, der krampfhaft mit der
Rechten nach dem Kopf greift; ausserdem ist der angebliche
^ Hektor zu jung für seinen Namen, da Hektor, wie man nach
Homer auch nicht anders denken kann, als reiferer Mann
dargestellt wird. Es fragt sich überhaupt, ob eine bestimmte
Situation gemeint oder ob wir nicht vielleicht die Gruppe
nur als eine Studie anzusehen haben, denn es fehlt jede In-
dividualisirung der Situation, die Figuren haben nicht einmal
Waffen.
Die Composition ist sehr gelungen, die Formen sehr
naturwahr, wenn auch vielleicht nicht ganz so edel, und
sehr schön ist der Schmerzensausdruck in der Haltung des
Verwundeten und die freundliche Theilnahme des Anderen.
Der Fundort lässt auf römischen Ursprung schliessen, gewiss
aber gehört die Gruppe guter Zeit an. Soweit wir wissen,
ist in den Rheingegenden kein zweites Werk von gleichen
künstlerischen Verdiensten gefunden worden.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 228.
Mythologische Darstellungen. 445
Abg. (aber ungenügend) in der Schrift des früheren Besitzers Knebel
de signo eburneo nuper effosso, Programm von Duisburg 1844 , der
auch genauere Fundnotizen giebt. Der antike Ursprung der Gruppe
wurde in der Archaeol. Gesellschaft (vgl. Archaeol. Anz. 1866 p. 216)
bezweifelt, doch war der Zweifel zu wenig motivirt, als dass ich darauf
hier hätte eingehen können." Der Fundort und die Umstände des Fundes,
die äussere Beschaffenheit des Originals und der Stil lassen nach meiner
Ansicht keinen Zweifel übrig, dass die Gruppe wirklich antik ist.
732 — 735. Römische Karyatiden*, Marmorstatuen. Die
erste derselben befindet sich im Vatikan, früher in Villa Ne-
groni; der Hinterkopf ist ergänzt, das Andere etwas über-
arbeitet. Die zweite ist 1766 an der via Appia nicht weit
vom Grabmal der Cäcilia Metella gefunden und befindet sich
in Villa Albani; ergänzt sind der rechte Arm und der linke
Unterarm (schwerlich richtig) mit dem Thyrsus. Auch die
dritte und vierte befinden sich in Villa Albani, letztere ist
sehr stark restaurirt, das ganze Stück vom Busen bis zum
Knie und fast beide Arme sind neu, man sieht aber, dass die
Richtung der ergänzten Arme die ursprüngliche ist.
Die vier Statuen sind sämmtlich für korinthischen Stil
berechnet, wie die Form der Körbe auf ihren Köpfen zeigt,
die dem korinthischen Kapital entspricht. Zwei derselben
haben unter dem Korb ein Polster, wie man auch jetzt noch
an Leuten sieht, die Lasten auf dem Kopf zu tragen haben.
Die Figuren waren ursprünglich ähnlich aufgestellt, wie hier,
nicht frei von allen Seiten sichtbar, sondern wie Hautreliefs.
Vergleicht man diese römischen Karyatiden mit den
griechischen vom Erechtheum (n. 324), so fällt zunächst der
Unterschied auf, dass die architektonische Strenge der letz-
teren einer freieren Behandlung gewichen ist. Namentlich an
der ersten und dritten, die mit leisen Verschiedenheiten den-
selben Typus wiedergeben, ist durch den Wurf der Gewan-
dung die Markirung der senkrechten Linie, auf welcher eben
die architektonische Strenge beruht, unmöglich geworden. Am
nächsten steht den griechischen Werken in dieser Beziehung
die zweite, aber auch hier hat der Künstler durch das über-
j^elegte Fell, wodurch er vielleicht der Bedeutung des zuge-
* Diese vier Statuen sind an den Thüren des Niobidensaals als
(iesimsträger aufgestellt, wir bezeichnen als die erste diejenige, welche
dem vom Saal des Barberinischen Fauns Kommenden zur Linken steht,
ihre Nachbarin als die zweite und die ihr gerade gegenüber an der
anderen Thür stehende als die dritte.
446 Mythologische Darstellungen.
hörigen Gebäudes entsprechend eine Bacchantin charakterisiren
wollte, eine Abwechslung durch diagonale Linien hervor-
gebracht Dies Aufgeben der architektonischen Strenge ist
gewiss zum Theil durch die Verschiedenheit des künstlerischen
Geschmacks bedingt, zum Theil mag es auch durch die Ver-
schiedenheit des Zwecks veranlasst sein, die Karyatide an
einem Privathause oder an einer Villa braucht nicht so streng
componirt zu sein, wie diejenige eines Tempels. Jedenfalls
aber ist es vornehmlich diesem Unterschiede zuzuschreiben,
dass diese römischen Karyatiden nicht mehr den Eindruck
des Einfachen, Anspruchslosen, Mädchenhaften machen, wie
die griechischen.
Die zweite Karyatide ist ein Werk des Kriton und Niko-
laos von Athen, die sich hinter dem Korbe derselben einge-
schrieben haben. Wenn wir diese Figur nach ihrer ganzen
Anlage für den architektonischen Zweck geeigneter fanden,
so ist das vielleicht durch den Einfluss der Vorbilder veran-
lasst, welche die Künstler in ihrer Heimat sahen, aber die
Formen derselben sind im geraden Gegensatz zu den Karya-
tiden des Erechtheums etwas stumpf und rundlich. Die
Künstler können nicht vor dem ersten vorchristlichen Jahr-
hundert gelebt haben.
Die erste, die im braccio nuovo des Vatikans n. 47 steht, ist abg.
bei Clarac pl. 444, 814; die zweite bei Gerhard Ant. Bildw. Taf. 94.
Clarac 444, 814». Vgl. Winckelmann Gesch. d. K. XI, 1 §. 14. E. Braun
Ruinen und Museen Roms p. 10. Brunn Gesch. d. gr. Künstler I p. 569;
die dritte ist abg. Clarac 442, die vierte ebendas. pl. 444, 814^- Vgl.
E. Braun a. a. 0. p. 705.
736. Apotheose Homers*, in der Mitte des 17. Jahr-
hunderts an der Via Appia auf der Stelle des alten Bovillae
(alle Frattocchie) gefunden, bis zum Jahr 1819 in Palast Co-
lonna in Rom, seitdem im britischen Museum. Ergänzt sind
die beiden oberen Ecken nebst dem vorstehenden Arm und
Gewandzipfel der Figur zur Rechten, in der dritten Reihe
sämmtliche Köpfe mit Ausnahme des dritten von links, in
der untersten der Kopf der äussersten kleineren Figur zur
Rechten.
Der unterste Streifen stellt die Adoration Homers dar.
Er selbst sitzt majestätisch thronend da in einer mehr idealen,
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 18.
Mythologische Darstellungen. 447
jagendlichen Erscheinung^ ganz abweichend von dem indivi-
duelleren Ausdruck, den ihm die erhaltenen Büsten geben.
Die Rolle charakterisirt ihn als Dichter, das Scepter als
einen König in seinem Gebiet. Hinter ihm stehen durch
Beischriften, die bei keiner Figur dieses Streifens fehlen,
verdeutlicht, Chronos und Oikumene. Der erstere, beflügelt,
um den schnellen Verlauf der Zeit anzudeuten, hält in jeder
Hand eine Rolle, gewiss die beiden Gedichte Homers, die
dadurch als unvergänglich bezeichnet werden. Neben ihm
steht Oikumene, wie die Erdgottheiten mit dem Modius be-
krönt, der freilich ihr, die nicht den zeugenden Erdboden,
sondern das auf der Erde wohnende Menschengeschlecht ver-
tritt, nicht eigentlich zukommt. Sie bekränzt den Homer, in
ihrer Person huldigt der ganze bewohnte Erdball dem Dichter,
sein Ruhm ist weder durch Raum noch Zeit begrenzt. An
dem Stuhl des Dichters hocken seine Kinder, seine Werke,
vorn die Ilias, nach ihrem kriegerischen Inhalt durch ein
Schwert charakterisirt, hinten die Odyssee, ein gleichfalls be-
zeichnendes Attribut, eine Verziening des Schiffshintertheils
in der Hand haltend. Am Schemel endlich bemerkt man
einen Frosch und eine Maus, eine Anspielung auf den Frosch-
mäusekrieg.
Die adorirenden Figuren müssen sämmtlich als Wesen
betrachtet werden, die dem Dichter sich verpflichtet fühlen
und ihren Dank in der Form freudiger Anbetung — wie der
Gestus, die Erhebung der Rechten anzeigt — darbringen.
Sie zerfallen in zwei Gruppen von je 4 Frauen, deren jede
durch eine kleinere Figur eingeleitet wird. Zunächst dem
Dichter steht ein Knabe, der Mythus, dessen kindlicher naiver
Charakter durch die Knabengestalt bezeichnet werden soll.
Als Knabe eignet er sich zugleich zu dem ihm übertragenen
Amt eines Opferdieners, er hält Schaale und Kanne zur Spende
bereit. Neben dem brennenden Altar steht der Opferstier,
der einen eigenthümlichen Höcker am Nacken hat, wie es ver-
muthlich der Künstler in seiner Heimat sah, wenigstens wissen
wir, dass in dem der Heimat des Künstlers benachbarten
Karlen solche Ochsen existirten. Hinter dem Altar, bereit
ein Weihrauchkorn als Einleitung des Opfers in die Flamme
zu werfen, steht die Geschichte, nicht weniger als der Mythus
dem Homer verpflichtet, der für beide als Quelle galt An
sie schliesst sich die epische Poesie, die, auch noch mit beim
Opfer beschäftigt ist, indem sie die zum Anzünden desselben
448 ' Mythologische Darstellungen.
nothwendigen Fackeln hoch erhoben, wie in begeisterter Ver-
ehrung hält.
Es folgen die Tragödie und Komödie, die Homers Dich-
tungen so viel Stoff und Anregung für ihre eigene Gattung
verdankten. Sie tragen beide das Aermelkleid der Bühne,
die Tragödie aber ist eine höhere heroische Gestalt und trägt
den Kothurn und den Onkos, die mit Haaren besetzte Er-
höhung der Stirn.
Die zweite Gruppe, die mehr in einander gedrängt ist,
um der gleichfalls gedrängteren Gruppe an der linken Ecke
das Gleichgewicht zu halten, wird eingeleitet durch eine kleine
Mädchengestalt, Physis — denn dass diese Figur weiblich zu
nehmen, empfiehlt sowohl die Kleidung, als auch das sprach-
liche Geschlecht ihres Namens — , die sich mit kindlicher
Geberde an eine der Frauengestalten schmiegt. Es ist die
personificirte Naturanlage, die schöpferische Kraft, die durch
Homer die tiefste Anregung erfährt. Dass sie so klein ge-
bildet ist, soll offenbar ähnlich wie bei Telesphorus, das Keim-
artige, Entwicklungsfähige bezeichnen. Es folgt Arete, die
ihre Rechte adorirend erhebt, übrigens aber ohne nähere
Charakteristik ist, sie stellt die Mannhaftigkeit dar oder auch
vielleicht in allgemeinerem Sinne die Rechtschaffenheit, da
Homer als ein Lehrer der Tugend galt. Dann bleiben noch
die Namen der Mneme, Pistis und Sophia, letztere unzweifel-
haft die ihr Kinn wie sinnend stützende kleinere Figur, deren
Kleinheit nur dadurch veranlasst scheint, dass die hinteren
Figuren sichtbar gemacht werden mussten. Dagegen ist über
die Vertheilung der Inschriften Mneme und Pistis auf die
beiden noch übrigen Figuren Zweifel entstanden. Uns scheint
für erstere der Gestus der kleineren Figur, der ein Sich-
besinnen ausdrückt, geeigneter zu sein, so dass für Pistis, die
Treue und Wahrhaftigkeit, die höhere Figur in der Ecke
übrig bliebe. Uebrigens ist an der Figur, die wir für Mneme,
die Personifikation der die Vergangenheit festhaltenden Er-
innerung, halten, die linke Hand mit der Rolle neu. Alle
Figuren der zweiten Gruppe repräsentiren allgemeinere Eigen-
schaften, die in Homer nach antiker Anschauung in höchstem
Maasse vereinigt waren und daher auch durch ihn aufs Wirk-
samste gebildet und angeregt Tviirden.
Die ganze heilige Handlung findet übrigens nicht im
Freien statt, sondern in einem durch Vorhänge abgegrenzten
Raum.
Mythologische Darstelhmgen. 449
Ueber dieser Scene befinden sich die Gestalten des
Apollo und der Musen. Der erstere musste in diesem Zu-
sammenhang nothwendig m der Tracht des Kitharöden vor-
gestellt werden, er steht in einer Grotte, bei welcher der
Künstler gewiss an die Grotte des Parnass, an die Korykische
Grotte gedacht hat. Zu näherer Charakteristik liegen noch
der berühmte delphische kegelförmige Stein, der als Erdnabel
angesehen wurde, und Bogen und Köcher neben ihm. Die
kleinere Figur an seiner Linken, die mit ihm in der Höhle
steht, ist unzweifelhaft eine Priesterin, da sie ihm eine Schaale
reicht Von den Musen ist Polyhymnia, die schwärmerischste
von allen, der die dichterische Erfindung zugeschrieben wurde,
mit Apollo verbunden, als lausche sie den Klängen, die aus
seiner Grotte zu ihr dringen. Die übrigen sind paarweise
gruppirt und man merkt das Bestreben, die ihrem Begriff
nach verwandten Musen zusammenzustellen. Zunächst Urania
auf ihren Globus weisend, und neben ihr Terpsichore, die
Muse der höheren Lyrik, die ein grösseres Saiteninstrument
trägt als die ihr verwandte Erato, von der sie oft schwer zu
unterscheiden ist. Es folgen links in der zweiten Reihe Kal-
liope mit ihren Täfelchen, nach dem Gestus der linken Hand
in Begriff, etwas zu deklamiren, neben ihr Klio mit der Rolle.
Sodann zwei Musen, deren Blicke nach oben, wie es scheint
zum Zeus gerichtet sind, links Erato mit einem kleinen leier-
ähnlichen Instrument, rechts Euterpe mit ihren Flöten. End-
lich Thalia und Melpomene, erstere in leichter Tanzbewegung,
letztere gross und majestätisch mit Zeus gruppiit, der die
Spitze des Berges einnimmt. Die Leier zu den Füssen der
Melpomene wird doch wohl der Thalia angehören, die sonst
freilich andere Attribute hat.
Und welcher Zusammenhang besteht zwischen den unteren
und den oberen Reihen? Wir glauben, dass die Götter nur
zur Verherrlichung der Feier da sind, deren Mittelpunkt
Homer ist. Am Fuss des Musenberges findet die Feier statt,
die alle dem Dichter freundlichen Gottheiten durch ihre Gegen-
wart ehren.
Noch bleibt übrig die vor einem Dreifuss stehende Statue,
nach der Rolle in ihrer Hand die Statue eines Dichters oder
eines geistigen Interessen ergebenen Mannes. Diese Figur
ist nach unserer Ansicht nur von Goethe, der einige kurze
Bemerkungen über dies Relief geschrieben, richtig aufgefasst,
alle übrigen Erklärer sind im In^thum, indem sie die Figur
Friederichg, griech. Plastik. 29
450 Mythologische Darstellungen.
in eine materielle Verknüpfung mit Homer bringen, welcher
die Composition widerstrebt. Denn die Figur steht völlig
isolirt und giebt sich dadurch als bloss äusserlich mit dem
Uebrigen zusammenhängend zu erkennen. Goethe schreibt
(Bd. 31, 399) ,;Wir behaupten, es sei die Abbildung eines
Dichters, der sich einen Dreifuss, durch ein Werk, wahr-
scheinlich zu Ehren Homer's, gewonnen und zum Andenken
dieser für ihn so wichtigen Begebenheit sich hier als den
Widmenden vorstellen lasse.^^ lieber die Veranlassung der
Widmung kann man verschieden denken, nur dass sie zu
Homer in irgend einer Beziehung stehen muss, aber hinsicht-
lich des Dreifusses und der Statue scheint es uns sehr an-
sprechend, den ersteren als einen Siegespreis, die letztere
als Abbildung, genauer als Siegerstatue des Weihenden auf-
zufassen.
Die Inschrift, die ganz nach Art römischer Votivtäfelchen
umrahmt ist, nennt den Archelaos des Apollonios Sohn aus
Prione als Verfertiger. Die Zeit desselben ist unbekannt,
doch lässt sich aus den stilistischen Eigenthümlichkeiten des
Reliefs approximativ ein Schluss ziehen.
Zunächst gehört der Künstler nicht mehr der Zeit der
eigentlich schöpferischen Kunst an, denn es finden sich offen-
bare Entlehnungen in seinem Werk, namentlich ist Poly-
hymnia, auch Apollo nach einem viel verbreiteten statuari-
schen Typus copirt. Derartige einzelne Entlehnungen finden
sich allerdings auch in der besten Zeit, es kommt aber hier
noch etwas Anderes hinzu. Das Relief hat unläugbar etwas
Reflectirtes, einen üeberschuss des Gedankens über die künst-
lerische Form, der Künstler hat nicht vermocht, seine alle-
gorischen Gestalten, die ohne Beischriften gar nicht verständ-
lich wären, durch die Form zu charakterisiren. Auch künst-
lerisch wäre manches anders zu wünschen, eine gewisse
Stellung, die der Tragödie und Komödie, wiederholt sich in
ermüdender Weise, und ein specifisch römisches Gewandmotiv,
die dicke schwere Faltenmasse zwischen den Beinen, wieder-
holt sich ebenso. Auch die Behandlung des Reliefs entfernt
sich von griechischer Sitte, denn das griechische Relief pflegt
eine Ebene als Hintergrund zu haben und enthält sich der
genauen Wiedergabe bestimmter Lokalitäten, während wir in
römischen Reliefs so wie hier Berge, Flüsse etc. in einer
mehr malerischen als plastischen Weise dargestellt finden.
Mythologische Darstellungen.^ 451
Aus diesen Gründen ist das Werk schwerlich früher ent-
standen^ als am Anfang der römischen Eaiserzeit.
Vgl. die Literatur bei A. Kortegarn, de tabula Archelai, Bonnae
1862. E. Braun, der zuerst ein genaueres Studium dieses interessanten
Werkes angeregt hat, spricht den geistreichen aber schwerlich haltbaren
Gedanken aus (bullet. 1844 p. 200 ff.), dass sich das Relief nicht allein
auf Homer beziehe, sondern auf die gesammte griechische Poesie, auf
den griechischen Parnass, der durch Apoll und die Musen repräsentirt
werde, Homer sei nur dargestellt als das Fundament, als die Wurzel,
aus dem sich der ganze Baum der griechischen Poesie entwickelt habe.
Ich kann dies nicht aus den Figuren der Musen herauslesen, so wenig
wie ich den von Braun angenommenen Parallelismus zwischen den
Musen und den um den homerischen Altar versammelten Figuren er-
kennen kann.
737. Vase des Sosibios*, von Marmor, im Louvre,
früher in Villa Borghese, befindlich.
So deutlich die einzelnen Figuren sind, ebenso unklar
ist der Sinn des Ganzen. Den Mittelpunkt der Handlung
nimmt ein flammender Altar ein, an dessen linker Seite Ar-
temis steht, während von der anderen Seite Hermes heran-
koDMnt. Die erstere ist gefolgt von zwei Bacchantinnen und
einem Satyr, der letztere von zwei Bacchantinnen und einem
Korybanten, den wir schon früher in bacchischen Darstellungen
fanden. Von dem Gefolge der Götter ist aber je eine Figur
zu emer besonderen Gruppe zusammengestellt, offenbar aus
Gründen der Composition, um auch auf der Rückseite einen
Mittelpunkt zu markiren.
Es ist kaum eine Figur dieser Vase eine originelle Er-
findung. Die bacchischen Gestalten sind Wiederholungen sehr
beliebter Typen der späteren Kunst, die beiden Götter nach
Vorbildern des altgriechischen Stils copirt. Diese Stilmischung
ist gewiss kein Zeichen eines reinen Geschmacks. Der Künstler,
der sich auf dem Altar eingeschrieben, ist Sosibios von Athen
und kann nicht vor dem letzten vorchristlichen Jahrhundert
gelebt haben.
Abg. Mus. Napoleon II, 22. Müller -Wieseler II, 48, ß02. Mau
hält die hinter Artemis befindliche Figur gewöhnlich für Apollo, aber
die Figur ist weiblich. Auch wäre für Apoll der Platz hinter Artemis
auffallend und die Figur würde, wenn sie eine Gottheit vorstellte, ver-
muthlich auch in alterthümlichem Stil gehalten sein.
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 15.
29*
\
452 Mythologische Dai-stellungen.
738. Zeus und Thetis*, Marmorrelief, aus Rom nach
Turin und dann durch Napoleon nach Paris gebracht, wo es
sich noch jetzt im Louvre befindet. Ergänzt ist die linke
Hand der Thetis.
Das Relief stellt eine Scene aus dem ersten Buch der
llias dar, die Bitte der Thetis an den Zeus. Die erstere, in
einer der Meergöttin entsprechenden Tracht, lehnt sich ver-
traulich an Zeus und trägt ihm ihre Bitte vor, welcher jener
freundlich sein Ohr leiht. Ungesehen und unbeachtet von
beiden, wie bei Homer, ist Hera gegenwärtig, durch eine
feierliche Tracht als Götterkönigin charakterisirt.
Das Werk schliesst sich nicht ganz genau an Homer an.
Zwar dass der Künstler die Lokalität nicht genau wieder-
gegeben — bei Homer geht die Scene auf einem Gipfel des
Olymps vor sich, hier dagegen deutet der Pfeiler zur Linken
die Thür des olympischen Palastes an, vor welcher nach
heroischer Sitte der behauene Stein als Sitz liegt — , ist ganz
im Geiste des griechischen Reliefs, welches landschaftliche
Charakteristik vermeidet, aber bezeichnend für ihn und seine
Zeit ist die Aenderung im Benehmen der Personen. Wie innig
und dringend ist die Bitte der homerischen Thetis, die des
Zeus Knie umfasst und nicht eher loslässt, als bis er ihr Ge-
währung verheissen! Hier dagegen haben wir das Bild einer
vertraulichen Unterhaltung und das Bestreben des Künstlers
ist nicht dies gewesen, den Sinn des Dichters zu erschöpfen,
als vielmehr eine anmuthige und gefällige Gruppe zusammen-
zustellen. Denn nur die Zusammenstellung scheint des Künst-
lers Verdienst zu sein, nicht die Erfindung der Figuren. Die
Thetis ist wenigstens auch aus anderen Compositionen be-
kannt und die Juno, die etwas ausdruckslos dasteht, ist nach
einem Vorbild des strengen griechischen Stils componirt.
Diese Stilmischung, die wir noch entschiedener an der
Vase des Sosibios (n. 737) fanden, weist auf römische Zeit, und
eine Bestätigung dafür ist die lateinische Künstlerinschrift des
Diadumenos, die sich am Sitz des Zeus befindet. Auch dass
der Künstler sich im blossen Genitiv aufgeschrieben hat, ist
römische Sitte. Doch ist das Werk nicht ohne Grazie und
gehört gewiss guter römischer Zeit an.
Abg. bei Visconti Opere Varie IV tav. 1, der diese Erklärung zu-
erst aufgestellt hat. Vgl. Welcker Akad. Mus. n. 339. 0. Jahn Ar-
Im Niobidensaal n. 54.
*
Mytholog^ische Darstellungen. 45B
chaeol. Ztg. VIII, 208. Die Figiir der Thetis wiederholt sich auf dem
Sarkophag mit der Erziehung des kleinen Bacchus im Mus. Capitol. IV,
60 und auf dem Albani'schen Horenrelief bei Zoega bassiril. II, 96.
739 — 744. Sechs Götter*, Marmorreliefs, je drei und
drei an der Basis grosser im reichsten korinthischen Stil ge-
arbeiteter Candelaber" befindlich, welche im 17. Jahrhundert
von Bulgarini in der Villa Hadrian's bei Tivoli in der Nähe
«ines Rundtempels gefunden sind. Der Cardinal Barberini
erwarb sie, und in seinem Palast blieben sie über 100 Jahre,
bis sie in den Vatikan kamen. Die Candelaber haben, wor-
auf ihre Grösse und die an der Basis befindlichen Reliefs
hindeuten, wahrscheinlich zum Cultus gedient, und diese Be-
stimmung erklärt auch, warum der Künstler seinen Figuren
zwar weniger in den Formen als in Gewandung, Haar und
Stellung einen leisen Zusatz von der Feierlichkeit des alter-
thümlichen Stils gegeben hat.
An dem einen Candelaber sind Zeus, Hera und Hermes,
an dem anderen Pallas, Ares und Aphrodite dargestellt, zum
Theil auf Basen, so dass es scheint, als wären Statuen copirt.
Indess ist der Grund wohl nur der, die durch die Verschie-
denheit des Charakters nothwendigen Grössenunterschiede
durch die Basen auszugleichen. Es wäre bei diesen als archi-
tektonische Dekoration dienenden Figuren unschön gewesen,
wenn die Symmetrie durch fühlbare Grössenunterschiede ver-
letzt wäre.
Wie die Figur des Hermes zu verstehen sei, ist zweifel-
haft. Man hat geglaubt, dass er in einer besonderen Funk-
tion, als Einrichter der Opfergebräuche dargestellt sei, indem
er den Widder zum Opfer heranfahre und die Schaale zur
Spende emporhebe, aber es wäre doch auch möglich, die
Figur ebenso wie alle übrigen nur ruhig repräsentirend auf-
zufassen. Die trauliche Verbindung des Gottes mit seinem
Thier ist ganz im Charakter der alterthümlichen Kunst, an
welche sich, wie gesagt, der Künstler anlehnte (vgl. den Her-
mes auf n. 69), und die Schaale könnte statt zum Ausgiessen,
vielmehr zum Empfangen der Spende bestimmt sein. Ares
ist gut charakterisirt durch den in die Hüfte gestemmten
Arm, der ihm etwas Zuversichtliches giebt Unter den Göt-
tinnen ist Hera augenfällig durch die reichere und weitere
* Im Römischen Saal n. 66 — 71. Abgüsse der Candelaber im
iiewerbeinstitut.
454 Mythologische Darstellungen. "
Gewandung von den beiden knapper gekleideten jungfräulichen
Göttinnen, Pallas und Aphrodite, unterschieden. Die erstere
ist beschäftigt; die grosse Schlange zu tränken, die nach dem
Vorgange des Phidias die Begleiterin mehrerer erhaltener
PaUasdarstellungen ist, es scheint kein tieferer Sinn in der
Handlung zu liegen, sondern sich nur um einen gemüthlichen
Verkehr der Göttin mit ihrem Thier zu handehi. Eine sehr
graziöse Figur ist endlich Aphrodite mit ihrer Blüthe, die sie
in etwas alterthttmlicher Weise ausgestreckt hält. Eigen-
thümlich ist aber das nach hinten flatternde Gewandstück, das
bei einer ruhig stehenden Figur nicht recht motivirt ist.
Der Künstler hat nach grosser Eleganz und Zierlichkeit
gestrebt. Die Helme von Ares und Pallas sind so fein ver-
ziert, dass man an die Eleganz geschnittener Steine erinnert
wird. An jenem sind ein Greif und zwei Löwen angebracht^
Symbole der Streitbarkeit und des Muthes, an diesem in der
Mitte eine Sphinx, wie an der berühmten Statue des Phidias,
und zu jeder Seite ein Pegasus, der vielleicht auf die Zäh-
mung des Pegasus durch Pallas anspielt.
Die beiden Gandelaber, deren Schaft aus Akanthuskelchen
besteht, die sich einer aus dem anderen entwickeln, gehören
nach der Zeichnung und üppig schwellenden Bildung der
Blätter, worin der zweite den ersten noch übertrifft, in rö-
mische Zeit. Ob sie erst für die kaiserliche Villa, in der
sie gefunden, gearbeitet, oder schon früher entstanden sind,
mögen wir nicht entscheiden. \
t Abg. Visconti Pio-Clem. IV, tav. 1 — 8. Vgl. E. Braun Ruinen und
Museen Roms p. 346 ff.
745. Götterversammlung*, Marmorrelief, von einem
viereckigen Altar, der sich jetzt im capitolinischen Museum,
früher in Albano, in der Villa Savelli-Paolucci befand. Es
ist hier nur die obere Hälfte einer Seite im Abguss vorhanden,
das untere durch einen Bruch von dem anderen getrennte
Stück ist weniger gut erhalten.
Die Seite, von welcher dies Kelief entnonmien, war jeden-
falls die Hauptseite des Altars, ihr Bild ist der Schlussstein
in der Erzählung von den Schicksalen des Zeus, die an dem
Altar dargestellt sind und ihn deutlich als Altar des Zeus
charakterisiren. An den übrigen Seiten, soweit sie erhalten,
* Im Römischen Saal n. 47.
■■t:
; Mythologische Darstellungen. 455
sind Dämlich die Gefahren dargestellt^ die den Zeus in seinen
ersten Jahren bedrohten , unsere Seite dagegen zeigt ihn in
aller Fülle seiner Macht, als Haupt- und Mittelpunkt der
olympischen Gottheiten. Eine bestimmte Scene ist offenbar
nicht dargestellt, sondern es soll nur die Majestät des Zeus
verherrlicht werden. Er ist die allein und im Mittelpunkt
sitzende Figur und auch das Relief derselben springt bedeutend
vor den übrigen hervor. An seiner Rechten steht Minerva,
hinter ihm sind Mars und Yulcan kenntlich, vor ihm an dem
Diadem und der stolzen Haltung Juno und neben ihr der ge-
lockte Apollo. Die übrigen Köpfe sind nicht mit voller
Sicherheit zu vertheilen, an der linken verstümmelten Seite
sind Neptun und Mars hinzuzudenken, welche die Zwölfzahl
der Götter vollmachten und dem Vulkan und Merkur auf der
rechten Seiten symmetrisch gegenüberstanden.
Das Relief ist sehr schön und mit einer gewissen, dem
Gegenstande entsprechenden Strenge componirt, indessen un-
zweifelhaft römisch. Schon die Stellung der Minerva zur
Rechten des Zeus lässt römischen Ursprung vermuthen.
Abg. Mus. Capitol. IV, 5 — 8. E. Braun Kunstmythol. Taf. 5.
Miliin Gal. myth. 5, 19.
746. Die Parzen*, Marmorrelief, um's Jahr 1770 in
Villa Palombara in Rom gefunden und von dem Besitzer
Principe Massimi im Jahre 1810 an W. v. Humboldt ver-
kauft, in dessen Schloss Tegel es sich' befindet. Zuerst fehlte
das Obertheil der Figur zur Linken, es wurde aber, als be-
reits Thorwaldsen und Rauch die Restauration beendigt hatten,
in der Werkstätte des Bildhauers Malatesta in Rom aufge-
funden und dem üebrigen hinzugefügt. Neu sind an dieser
Figur der Leib und der rechte Arm, an ihrer Nachbarin eben-
falls der rechte Arm und an der dritten Figur die linke Hand
und' die Finger der rechten nebst Rolle, Globus und Pfeiler.
Die sitzende Klotho spinnt den Lebensfaden, die mittlere,
Lachesis, zieht mit abgewandtem Kopf aus einem Bündel von
drei Loostäf eichen eins heraus, die letzte, Atropos, deutet
(wenn die Restauration richtig ist) auf das in der Rolle des
Schicksals Geschriebene und hat neben sich auf einem Pfeiler
den vom Thierkreis umwundenen Globus, in dessen Gestirnen
sie das Loos des Einzelnen liest. Es ist ein stetiger Fort-
* Im Cabinet des Laokoon n 3.
456 Mythologische Darstelluug-en.
gang des Gedankens in den drei Figuren ausgedrückt: dem
Leben, das Klotho anspinnt, zieht Lachesis sein Schicksals-
loos, Atropos aber bezeichnet dies Loos als unveränderlich
fest, als geschrieben in den Gestirnen und in der Rolle des
Schicksals.
Das Relief ist gewiss nur Fragment, die Atropos weist
deutlich auf nachfolgende Figuren hin, sie würde eine andere
Stellung erhalten haben, wenn das Relief vollständig wäre.
Man denkt zunächst, es sei ein Stück einer Sarkophagplatte,
allein dem widerspricht, dass ein paar Löcher unten an der
Platte die Anfügung an eine Wand voraussetzen lassen, auch
ist die Anordnung der Figuren nicht so gedrängt, wie sie auf
den Sarkophagen zu sein pflegt.
Das Werk ist römischen Ursprungs, denn die Handlung
der mittleren Parze entspricht einer specifisch italischen Sitte.
Das Loosorakel im Allgemeinen ist freilich auch den Griechen
nicht fremd, aber in dieser Form doch nur aus Italien be-
kannt. Es haben sich kleine Loostäfelchen von Bronce mit
lateinischen Inschriften (sortes) erhalten, die den hier dar-
gestellten fast in allen Punkten entsprechen.
Die Parzen werden in der alten Kunst immer jung dar-
gestellt, während einige alte Dichter und neuere Künstler sie
als Greisinnen schildern. Das Greisenalter war von der künst-
lerisch dargestellten Götterwelt der Griechen ausgeschlossen.
Abg. bei Welcker Ztschr. f. alte Kunst Taf. 3, 10 vgl. p. 197 ff.,
wo auch p. 232 die Notiz über das neu gefundene Stück der Klotho
gegeben, ausserdem bei Müller -Wieseler Denkm. II, 72, 922. Das
Verdienst, die Lachesis richtig erklärt zu haben, gebührt E. Braun bull.
1849 p. 99.
747. Amoren am Thron des Neptun*, Marmorrelief
in San Vitale zu Ravenna.
In römischer Zeit wurden die Amoren in allen möglichen
Verrichtungen des Menschenlebens dargestellt, besonders auch
in solchen, die für ihr Alter nicht recht geeignet waren, worin
eben der pikante Reiz solcher Darstellungen lag. Hier sehen
wir sie gewissermaassen als Tempeldiener sich abmühen mit
den colossalen Insignien des Poseidon, mit denen sie, wie es
scheint, den Thronsessel ausstatten wollen. Die Muschel ist
ans als Attribut des Poseidon selbst sonst nicht bekannt, aber
Im Niobidensaal n. 125.
Mythologische Darstellungen. 457
den Meerwesen, den Tritonen eigen, die sich ihrer als Trom-
pete bedienen.
Das Relief gewährt uns einen Blick in ein Heiligthom
des Poseidon, auf die Rückwand desselben, deren Fries mit
Symbolen des Gottes verziert ist. In der Mitte derselben
steht der Thronsessel, vor welchem ein phantastisches 'See-
ungethüm, auch ein Symbol des Poseidon, liegt Ein Götter-
bild ist nicht vorhanden, es scheint nach einigen bildlichen
Darstellungen, dass auch ein blosser Thronsessel mit den At-
tributen des Gottes verziert, die Stelle des Bildes vertreten
konnte.
Das Relief ist von gutem Stil.
Abg. Miüin Gal. mythol. 73, 295. Vgl. Müller Handb. p. 624.
Bötticher Baumcultus der Hellenen IV, §. 4.^IX, §. 4.
748. Amor mit dem Blitz des Zeus*; wo das Ori-
ginal sich befindet, wissen wir nicht.
Das Relief ist nur ein Fragment und gehörte gewiss zu
«iner ähnlichen Vorstellung, wie sie eben erwähnt ist.
749. Amor im Circus**, Marmorrelief im Vatikan.
Amor als Besieger und Bändiger alles Wildesten und Stärksten
im Reiche der Thiere und Menschen ist ein beliebtes Thema
der späteren Kunst, das namentlich auf den römischen Wand-
gemälden und Gemmen in unerschöpflicher Mannigfaltigkeit
variirt wird. In unserem Fall sind es ein Paar Eber, mit
denen er im Circus herumgaloppirt. Denn der Altar, der
hier offenbar wie eine Zielsäule den Punkt bezeichnet, um
welchen Amor umbiegen wird, muss als eine Andeutung des
Circus gefasst werden, an dessen unterem Ende sich in der
That ein Altar befand. Das Relief scheint noch guter römi-
scher Zeit anzugehören.
Abg. Visconti Pio-Clem. IV, 12 p. 88, wo nur die Verzierungen
des Altars falsch verstanden sind. Einen bestimmten Altar hat der
Künstler nicht darstellen wollen, und es kam ja auch darauf nicht an.
üeber den Altar am unteren Ende des Circus vgl. Preller Rom. Mythol.
!>. 420. 421.
750. Stadtgöttinnen***, Marmorrelief, an der via
* Im Niobidensaal n. 126.
** In den Durchgängen zum Römischen Kuppelsaal u. 17.
«««
Im Niobidensaal n. 48.
458 Mythologische Darstellungen.
Appia in der Nähe Korns gefanden, früher in Villa Borghese^
jetzt im Louvre. Ergänzt ist die Vase in der Hand der
dritten Figur.
Die Stadtgöttinnen werden durch die Mauerkrone cha-
rakterisirt, ein Attribut, das man sinnig aus dichterischen
Ausdrücken, in denen die Mauerzinnen mit einem zierenden
Kopf bände verglichen werden, hergeleitet hat. Von charak-
terisirenden Attributen ist nichts da ausser dem Zweig in der
Hand der mittleren, der zu einer Benennung nicht ausreicht.
Nach vorhandenen Analogien und nach der oberen Ein-
fassung der Platte möchte man vermuthen, dass das Relief
sich an einer Basis befunden, die ein von den repräsentirten
Städten errichtetes Standbild getragen habe.
Der Stil ist vortrefflich, wenn auch etwas raffinirt.
Abg. bei Visconti, scult. del palazzo della [villa^'Borghese , st. 2
n. 17. Momim. scelti Borghesiani tav. 32. Clarac pl. 222. Für die
Vermuthnng, dass die Mauerkrone aus dem Orient stamme (Jahn Ar-
chaeol. Ztg. 1864 p. 174 Anm. 3) ist wie mir scheint, noch kein durch-
schlagender Grund angeführt.^
751. Vulkan*, auf einem in Ostia gefundenen, im Va-
tikan befindlichen Relieffragment. An Vulkan, der durch die
Zange bezeichnet ist, sind Kopf, Brust, rechte Schulter und
die ersten drei Finger der erhobenen Hand neu, an der
zweiten Figur das Gesicht von der Nase abwärts nebst Hals
und Schultern, an der dritten die linke Schulter mit dem Arm
und der untere Theil vom Gürtel abwärts.
Dass die Composition nicht vollständig ist, zeigt der Rest
eines Geräths, wahrscheinlich eines Dreizacks, an der rechten
Seite. Von den Erklärungen führen wir nur die eine an,
nach welcher die Scene der IKas dargestellt ist, in welcher
Thetis zum Hephäst kommt, ihn um Waffen für Achill zu
bitten. Es würde dann der Moment gemeint sein, in welchen
Hephäst die Versicherung abgiebt, die Bitte der Thetis zu
erfüllen. Die mit Aehren und Lotus bekränzte Figur, von
welcher nur der Kopf erhalten, wird für eine der goldenen
Mägde erklärt, die den Hephäst begleiteten und stützten, denn
gewiss ist es eine Statue, da der Gott seinen Arm auf ihren
Kopf legt Unerklärt bleibt nur der auffallende Grössen-
unterschied zwischen Thetis und Vulkan und die Bekränzung
* Im Römischen Saal n. 34.
Mythologische Darstellungen. 459
der Figur in der Mitte. Dem Stil nach gehört das Eelief
gnter Zeit an.
Abg. bei Visconti Pio-Clem. IV, 11. Monum. d. inst. I, 12. Im
Text angeführt ist nur die Erklärung von Zoega in Welcker's Ztschr.
f. a. K. p 365 f. Die übrigen, die man bei Welcker Akad. Mus. n. 380
citirt findet, scheitern, wie mir scheint, schon daran, dass die mittlere
Figur ja offenbar eine Statue ist.
752. Zeus und Vulkan*, Marmorrelief, dessen Figuren
getrennt gefunden und leider auch getrennt geblieben sind,
indem der Kestaurator jede Figur besonders umrahmt hat
Ausserdem sind neu die rechte Hand Vulkans, der linke Vorder-
arm und das linke Bein des Zeus. Das Eelief stammt aus dem
Besitz des Marchese Rondinini und ist von W. v. Humboldt er-
worben, auf dessen Schloss Tegel es sich befindet.
Es ist nur ein Bruchstück einer, grösseren Composition,
welche die Geburt der Minerva aus dem Haupte des Zeus
darstellte. Und zwar nicht in der Weise der Vasenbilder,
welche den Moment fixiren, in welchem die Pallas als kleines
Püppchen aus dem Haupte d8s Zeus hervorgeht, sondern wie
wir es für das östliche Giebelfeld des Parthenon voraus-
setzten, war Pallas unzweifelhaft in voller Grösse dargestellt.
Vulkan hat den Hammerschlag gethan und scheint sich er-
staunt oder halb erschrocken über die wunderbare Erschei-
nung der Pallas unwillkürlich ein wenig zu entfernen. Das
jugendliche Aussehen des Feuergottes ist zwar ein Zeichen
späterer Entstehungszeit, allein das Werk hat immer den Werth
einer guten römischen Sculptur, der vielleicht auch ein grie-
chisches Original zu Grunde liegt.
Abg. bei Winckelmann Vignette zu den monum. ined. n. 14. Gal.
mythol. 36, 125. Vgl. Winck. Gesch. d. K. 5, 3 §. 8. Monum. inedi
3 n. 5. Welcker A. D. 1, 89.
753. Antinous**, Marmorstatue, in Hadrian's tiburti-
nischer Villa, wo überhaupt mehrere Darstellungen des Anti-
nous zum Vorschein gekommen sind, gefunden und im capi-
tolinischen Museum, vorher in Villa Albani, befindlich.
Ergänzt ist der grösste Theil beider Arme, und der
moderne Gestus der linken Hand gehört ganz dem Ergänzer,
* Im Niobidensaal n. 46 c. d.
** Im Treppenhaus n. 26. Ein Duplikat der Figur ebendaselbst
unter n. 27.
460 Mythologische Darstellungen. .
während von der rechten nur die beiden ersten Finger neu
sind, so dass wenigstens ein Theil des Stabes alt ist. Ausser-
dem ist das linke Bein vom Knie abwärts ergänzt.
Die Figur, namentlich der Kopf, erinnert so entschieden
an die Darstellungen des Antinous, dass einzelne Abweichungen
von dem gewöhnlichen Typus desselben eine andere Deutung
nicht begründen können. Auch die Neigung des Kopfes ist
den Antinousbildem eigen, indem man dadurch diesen früh-
gestorbenen Jüngling wie in sehwermüthige Träumereien ver-
sunken, gleichsam sein eigenes Geschick vorahnend, vorstellen
wollte. Vielleicht ist sie hier ein wenig stärker als gewöhn-
lich hervorgehoben, woraus man aber nicht schliessen darf,
dass Antinous in einer bestimmten Situation, etwa in sein
Wellengrab blickend, dargestellt seL Verschieden sind die
Haare von den sonstigen Darstellungen, nämlich kürzer und
krauser, und dies hat wahrscheinlich seinen Grund in der be-
sonderen Form der Apotheose, unter welcher der bithynische
Jüngling hier erscheint. Denn schon die Nacktheit zeigt, dass
er hier in idealer Auffassung dargestellt ist, wir besitzen über-
haupt keine einzige Statue des Antinous, die von historischem
Charakter wäre. Am häufigsten wurde er als Bacchus vor-
gestellt, ausserdem aber auch als Merkur und in dieser letz-
teren Form scheint er hier gedacht zu sein. Der Stab, den
er in der Rechten trägt, könnte ein Merkurstab gewesen sein
und seine Haare wären den kurzen krausen Locken des Mer-
kur angeähnelt, wie sie am Antinous als Bacchus in der den
Bacchusköpfen entsprechenden Weise gebildet werden. Viel-
leicht hielt auch die Linke noch ein für Merkur charakteri-
stisches Attribut.
Die grosse Bewunderung, die man früher dieser Statue
zollte, wird jetzt, da man die lebensvolle Frische griechischer
Marmorwerke kennt, nicht mehr getheilt. Die Haare sind in
der kleinlich detaillirten Weise gearbeitet, wie man sie in
hadrianischer Zeit öfter bemerkt. Auch die Augenbrauen
plastisch darzustellen, war damals Sitte.
Abg. Mus. Capitol. lü, 56. Levezow Antinous Taf. 3 u. 4. p. 68.
Vgl. Welcker Akad. Mus. n. 51. Wieseler Narkissos p. 48 ff. Archaeol.
Anz. 1858 p. 138. Die neapolitanische Figur (mus. borb. VI, 58) stimmt
bis auf das Haar überein.
754. Todesweihe des Antinous*, Marmorgruppe,
* Im Römischen Saal n. 19.
^>
Mythologische Darstellungen. 461
früher im Besitz der Königin von Schweden , seit mehr als
100 Jahren auf dem Schloss St, Ildefonso bei Madrid. Die
Berichterstatter stimmen in Betreff der Ergänzungen nicht mit
einander überein, jedenfalls sind sie nach den Angaben der
zuverlässigeren unter ihnen nicht sehr erheblich, die bedeu-
tendste aber nicht allgemein zugegebene ist die des rechten
Arms an der Figur zur Linken.
Für die Erklärung kommt Alles darauf an, ob man die
von einigen genauen Beobachtern in dem Kopf der Figur zur
Linken bemerkte Aehnlichkeit mit Antinous anerkennt oder
nicht. Uns erscheint sie unverkennbar, das Profil dieses
Kopfes ist offenbar kein Idealprofil, dessen Charakteristisches
ja darin besteht, dass Nase und Stirn in ununterbrochenem
Zusammenhange stehen, sondern die Nase (die zwar ergänzt ist,
aber ursprünglich keine andere Richtung haben konnte) bildet
mit der Stirn einen bestimmten Winkel und zwar denselben
Winkel, wie an den Antinousköpfen (vgl. namentlich die
albanische Relief büste n. 758). Ebenso sind der Zug der
Augenbrauen, die von den Haaren beschattete Stirn und die
Haare selbst genau so, wie an den Porträten des Antinous.
Der Begleiter des Antinous ist nicht so sicher zu be-
stimmen. Er ist bei einem Opfer beschäftigt, darum auch
wie sein Gefährte bekränzt, und zündet die Flamme des Altars
mit der Fackel an, wodurch der Beginn des Opfems bezeichnet
wird. Dass er noch eine zweite Fackel, von welcher wenig-
stens ein Stück alt ist, in der Linken hat, kann auffallen,
(loch mag es einer feierlicheren Ceremonie entsprochen haben,
wie wir auch auf der Apotheose Homers (n. 735) eine beim
Opfer beschäftigte Figur mit zwei Fackeln finden. Wem aber
gilt das Opfer, das er bringen wird? Offenbar der kleinen
Göttin neben ihm, die wie der Altar, als Beiwerk in kleinen
Proportionen gehalten oder vielmehr, da diese alterthümlichen
Idole wirklich so puppenhaft aussahen, so niedrig aufgestellt
ist. Diese Göttin wird mit Recht Persephone genannt wegen
des Modius auf dem Kopfe und des Attributs in der Hand,
«las ein Granatapfel zu sein scheint. Der Unterweltsgöttin
also bringt der Fackelträger, in dem wir nach seinem Aus-
sehen jedenfalls eine dämonische oder allegorische Gestalt zu
erkennen haben, ein Opfer, und das Opferthier ist Niemand
anderes als Antinous, der in der Stellung schmerzlicher Hin-
-gabe sich an den Anderen lehnt. Bedenken wir nun, dass
die bestbeglaubigte Tradition über das Ende des Antinous
462 Mythologische Darstellungen.
diese ist, dass er sich freiwiUig in den Tod gegeben, um da-
durch das Leben seines Gönners Hadrian zu verlängern, so
lässt sich nicht läugnen, dass die Gruppe diese Thatsache
treffend ausdrückt: Antinous ergiebt sich dem Dämon, der im
Begriff ist, ihn der Unterweltsgöttin zu opfern. Wenn der
rechte Arm des Antinous und die Schaale in seiner Hand
alt sein sollte, was Tvir dahin gestellt sein lassen, so würde
die Bedeutung der Gruppe nur wenig modificirt, Antinous
wäre dann nicht nur rein passiv, sondern nähme selber Theil
an dem dargebrachten Opfer.
Die Composition der Gruppe ist sehr schön, sie beruht
auf einem durchgeführten Gegensatz in der Stellung der Fi-
guren, die nach entgegengesetzten Seiten ausgebogen sich da-
durch zur Einheit zusammenschliessen, und in ihren Formen,
die an dem Einen weich, an dem Anderen härter und magrer
sind, sowie auch jener längere und weichere Locken, dieser
kurzgeschnittene Haare trägt.
Die Gruppe gehört nach ihrer Darstellung in die Zeit
Hadrians, sie ist a|)er nicht als Originalschöpfung zu betrach-
ten, wenigstens ist die Gestalt des Antinous offenbar dem
Sauroktonos des Praxiteles (n. 445) nachgebildet.
Abg. Winckelmann monum. ined. n. 6. Müller- Wieseler II, 70, 879.
Vgl. die Literatur bei Welcker A.. D. I, 375 f. Wieseler Narkissos p.
60 ff. Hübner Ant. Bildw. in Madrid p. 73 ff. Ich gestehe, dass
Welcker's Erklärung mir ganz unverständlich ist, denn wer würde wohl
bei der Figur mit der Fackel an ein „Anzünden des Scheiterhaufens mit
abgewandtem Gesicht" denken können? Die Althäa auf den Meleager-
sarkophagen würde zeigen können, wie eine solche Handlung ausge-
drückt sein müsste. Die Aehnlichkeit der anderen Figur mit Antinous
ist nach Visconti Op. Var. I, 160 senza verun equivoco, ebenso urtheilt
V. Fahrenheid Arch. Anz. 1861 p. 162.
755. Büste des Antinous*, von der Colossalstatue,
die am Ende des vorigen Jahrhunderts von dem Maler Ga-
vin Hamilton in Palästrina gefunden wurde und sich zuerst
im Palast des Herzogs Braschi dem Pius VI. sie geschenkt
hatte, darauf in dem lateranischen Museum befand, von wo
sie seit Kurzem in den Vatikan versetzt ist.
Die Statue wurde ohne Gewand aufgefunden, doch da
das Nackte an den jetzt vom Gewand bedeckten Stellen nur
angelegt war, auch Spuren von Bronce bemerkt wurden, so
wurde dier Statue ein Gewand umgelegt, das aber richtiger in
* In den Durchgängen zum Römischen Euppelsaal n. 41.
^.
Mythologische Darstellungeu. 463
Bronce als in Marmor ausgeführt wäre. Auch kann man
zweifeln ; ob nicht statt des Gewandes ursprünglich eine
Nebris vorhanden war. Eine starke Vertiefung auf dem
Scheitel gab femer Veranlassung zu der Ergänzung des Pi-
nienzapfens und in die Linke wurde der Statue ein Thyrsus
gegeben, worauf die Erhebung des Arms deutlich hinwies.
Antinous ist, wie schon aus dem Epheukranz hervorgeht,
als Bacchus dargestellt, und hat darum auch die lang herab-
hängenden Locken des Bacchus. Der Kopf gehört zu den
schönsten Antinousköpfen, und mit besonderer Virtuosität ist
der Kranz gearbeitet, ganz abweichend freilich von der be-
scheidneren Weise der griechischen Kunstblüthe, wo man die
Blätter des Kranzes glatt und flach um den Kopf legte.
Auch die Verbindung von Marmor und Bronce ist in
diesem Umfang der griechischen Zeit fremd. Dass einzelne
Attribute, Waffen, Kränze, Pferdegeschirr, in Bronce hinzu-
gefügt wurden, war allerdings üblich, aber ein broncenes Ge-
wand über einem Körper aus Marmor entspricht erst dem
späteren römischen Geschmack, der auch an der bunten Zu-
sammenfügung verschiedenfarbiger Steinarten seine Freude fand.
Abg. bei Garrucci Museo lat. tav. 5 p. 15 und Levezow Taf. 8
p. 85. Vgl. E. Braun Ruinen und Museen p. 729.
756. Kolossalbüste des Antinous*, von Marmor,
gefunden bei Frascati, zuerst in Villa Mondragone bei Rom,
dann in Palast Borghese, seit 1808 im Louvre.
Diese berühmteste Antinousbüste ist in der Fülle der
Formen dem Bacchus verwandt. Auch war der Kopf ur-
sprünglich von einem Epheu- oder Weinkranz umgeben, denn
es haben sich an dem jetzt blätterlosen Stengel Löcher er-
balten, welche auf Anfügung broncener Blätter deuten. Auch
oben auf dem Kopf hat sich ein Loch gefunden zur An-
fügung einer ähnlichen Verzierung, wie an dem eben er-
wähnten Antinous.
Sehr eigenthümlich sind die Haare angeordnet, indem
sie wellenförmig auf die Stirn und tiefer über den Ohren
herabhängen, ein Büschel derselben aber jederseits durch das
Band, das unter dem Kranz liegt, hindurchgesteckt ist. Grie-
chische Monumente z. B. der Sauroktonos (n. 445) und der Dio-
nysoskopf aus Herkulanum (n. 438) sind hierin das Vorbild
* In den Durchgängen des Römischen Kuppelsaal n. 23.
464 Mythologische Darstellungen.
gewesen, das freilich weit einfacher und anspruchsloser aus-
sieht. An den Seiten hängen kleinere und zwei lange Locken
herab; wie sich beides an Köpfen des Dionysos findet. In
den leeren Höhlen des Augensterns befanden sich ursprüng-
lich wohl Edelsteine, der übrige Theil des Auges war mit
einem Metallblättchen — Silber oder Kupfer — belegt.
Der Kopf ist namentlich von Winckelmann mit den
höchsten Lobsprtichen tiberhäuft und nimmt gewiss unter den
Darstellungen des Antinous einen hohen Rang ein. Dass wir
uns indess in der Periode der Künstelei befinden, beweist die
Anordnung des Haars, die dem tieferen Eindruck des Kopfes
nachtheilig ist.
Abg. bei Winckelmann monum. ined. 179. Vgl. Kunstgesch. XII,
1, 17. Levezow Antinous Taf. 10 p. 89. Vgl. Zoega bei Welcker Akad.
Mus. n. 143 Anm. 124
757. Kopf des Antinous-Bacchus*, von Marmor,
1770 in der Nähe von Villa Pamfili gefunden und mit der
Townley'schen Sammlung ins britische Museum gekommen.
Der Kopf gehörte zu einer Statue, von welcher auch
noch einige Stücke entdeckt wurden, an Schönheit steht er
dem vorher erwähnten nach.
Abg. Marbles of the brit. mus. XI, 25. Ellis the Townley galery
II, p. 41. Levezow Antinous Tafel 9.
758. Büste des Antinous**, Marmorrelief, in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts in Hadrians tibuilinischer
Villa gefunden und in Villa Albani befindlich.
Es ist im Original noch etwas mehr erhalten, als der
Gyps wiedergiebt, doch sieht man auch hier an dem Rest der
Gewandung, dass Antinous nicht als Bacchus, dem dieser
Gewandwurf nicht eigen, dargestellt ist. Auch würde er in
diesem Fall einen anderen Kranz tragen. Vermuthlich ist er
hier überhaupt nicht in dem Typus einer Gottheit dargestellt.
In der linken Hand hat er wahrscheinlich einen Kranz
getragen, wie auch in dem (hier nicht vorhandenen) ergänzten
Stück des Reliefs vorausgesetzt ist, denn es ist wenigstens
ein Stück eines Bandes erhalten, an welchem die Blumen und
Blätter des Kranzes befestigt wurden. Was aber die Hand
* Im Niobidensaal n. 77.
** In den Durchgängen zum Römischen Kuppelsaal n. 19.
Mythologische Darstellungen. 465
mit dem Attribut ausdrücke ist um so schwerer zu sagen^ als
dies Relief nur der Rest einer grösseren Vorstellung zu sein
scheint.
Jedenfalls ist der eigen thümliche Charakter dieses Lieb-
lings des Hadrians sehr gut ausgedrückt. Die breite Brust,
der melancholische Ausdruck des Gesichts, verstärkt durch
die in die Stirn herabhängenden Haare, sind stets wieder-
kehrende Züge desselben.
Abg. Whickelmann mon. ined. tav. 180. Levezow Antinous Taf. 5
p. 62 ff. und mit Angabe der Ergänzungen bei Zoega bassiril. II, 116,
wo im Text die Annahme Winckelmanns Kunstgesch. XII, 1 §. 16, das»
Antinous als Wagenlenker, nänqlich zum Olymp aufsteigend, dargestellt
sei, gebilligt wird, eine Annahme, die mit der Stellung der Figur nicht
vereinbar unA auch von Levezow mit Recht bestritten ist.
759. Büste des Serapis*, von Marmor, nicht weit
von Rom an der Via Appia nahe dem alten Bovillae gefunden
und im Vatikan befindlich.
Der alexandrinische Gott Serapis ist nicht eine reine,
einfache Götteridee, sondern eine Mischung mehrerer. Der
Zeustypus liegt seinem Kopf zu Grunde, aber gemischt mit
eigenthtimlicher Milde und fast Schwermuth, ohne die Kraft
des Zeus. Ganz verschieden aber sind die Haare, die statt
über der Stirn aufzusteigen, sie vielmehr wie ein Schleier be-
decken und den Eindruck des Ernsten und Geheimnissvollen
hervorrufen. Dies ist ein vom griechischen Unterweltsgott
entlehnter Zug, von welchem er auch den Modius, das den
Erdgöttern eigenthümliche Fruchtmaass, entlehnt hat. Man
sieht nur noch den unteren Theil desselben. Dem Unterwelts-
gott entspricht er auch hinsichtlich der Bekleidung des Ober-
körpers, den Zeus nackt trägt. In dem Bande, welches den
Kopf umgiebt, sind die Spuren von sieben eingelassenen
Sonnenstrahlen von vergoldetem Metall zurückgeblieben, da
Serapis auch den Begriff des Helios in sich schloss und mit
diesem Namen oft bezeichnet wurde.
Wegen der kleinlich detaillirten Arbeit des Haares ist
der Kopf schwerlich vor der Zeit Hadrians entstanden. Auch
hätte man die in die Stirn herabhängenden Haare früher wohl
nicht unterhöhlt, sondern einfach und natürlich an der Stirn
anliegend gebildet.
Abg. Visconti Pio-Clem. VI, 15. Vgl. E. Braun Ruinen und Mu-
seen p. 421. Preller Rom. Mythol. p. 726.
* Im Saal des Barberinischeu Fauns n. 18.
Friederichs, griech. Plastik« 30
466 Mythologische Darstellungen.
760. Satyr*, von rothem Marmor (rosso antico); im
capitolinischen Museum, gefunden in Hadrian's tiburtinischer
Villa. Ergänzt sind beide Beine mit Ausnahme der Füsse^
der Stamm, der rechte Arm, die linke Hand mit dem Stab
und der herabhängende Theil des Ziegenfells. Die Augen-
höhlen sind am Original leer, sie waren mit durchsichtigem
Stein oder Glas ausgefüllt.
Der Eindruck der Figur ist nicht sehr erfreulich. Zu-
nächst ist eine gewisse Ueberladung mit Attributen störend;
der Traubenkorb, dessen Inhalt uns durch die Bewegung der
Ziege verrathen wird, die Ziege und der Stamm beeinträchtigen
die Wirkung der Hauptfigur. Sodann wäre es hübscher, wenn
der Satyr, statt ruhig zu stehen, etwas lebendiger und glück-
licher wäre über seine schöne Traube, so wie wir es an einem
ganz ähnlichen, nur durch die lebhafte Bewegung unterschie-
denen Satyrtypus sehen. Wir bezweifeln daher, ob die Figur
auf ein griechisches Original zurückgeht.
Dieses Exemplar ist sicher römisch und zwar erst aus
der Zeit Hadrians. Denn einmal ist mit Recht bemerkt
worden, dass der rothe Marmor wohl erst zur Zeit Hadrians,
als überhaupt die Neigung zu buntfarbiger Sculptur und der
Prunk mit kostbaren und seltenen Steinarten begann, in Auf-
nahme gekommen sei. Wir kennen wenigstens kein aus diesem
Material gearbeitetes W^erk, das sich mit Sicherheit einer
früheren Zeit zuschreiben liesse, gerade aus Hadrian's Villa
ist aber eine grosse Anzahl solcher Werke hervorgezogen.
Ausserdem aber deutet die kleinlich detaillirte und mühsame
Ausarbeitung des Haares auf die Periode des Hadrian, die
Figur gehört der Kunstrichtung an, die in noch extremerer
Weise durch die berühmten capitolinischen Centauren ver-
treten wird.
Abg. mus. Capitol. III, 34. Vgl. E. Braun Ruinen und Museen
p. 189. Visconti Pio-Clem. I, 84.85. Meyer z. Winckelmann's Kunstgesch.
VII, 1 §. 29.
761. Dädalus und Ikarus**, Relief aus rosso antico
in Villa Albani. Ergänzt sind die Hälfte des Flügels an dem
Dädalus arbeitet, die rechte Hand und der Kopf des Ikarus
und die Spitze des zweiten Flügels.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 1.
** Im Römischen Saal n. 42.
k
Mytliülogische Darstellungen. 467
Das Relief ist, wie sich aus der Vergleichung eines eben-
falls in Villa Albani befindlichen Reliefs und auch aus der
Composition selbst ergiebt, nicht ganz richtig ergänzt. Der
in der Ergänzung leere Raum über ftarus war ursprünglich
ausgefüllt mit den bereits an den Schulterbändern befestigten
Flügeln des Ikarus, so dass der auf der Erde stehende Flügel
und der andere, an welchem noch gearbeitet wird, die für
Dädalus bestimmten sind. Das Relief stammt vielleicht von
einem griechischen Vorbild ab, diese Copie ist indessen nicht
bedeutend und schon das 3Iaterial deutet wie eben (zu n. 760)
bemerkt wurde, auf spätere römische Zeit.
Abg. Zoega bassiril. I, 44. Vgl. das andere Relief bei Winckel-
mann momim. ined. 95 und E. Braun Zwölf Basreliefs T. 12.
762. Dionysos und die Rebe*, Marmorgruppe, 1772
in der Nähe von La Storta, einer etwa acht Miglien nördlich
von Rom auf der Strasse nach Florenz gelegenen Station ge-
funden, für die Townley'sche Sammlung angekauft und mit
dieser ins britische Museum tibergegangen. Ergänzt ist der
rechte Arm des Dionysos, und es ist nicht gewiss, ob die
Hand den Becher gehalten habe.
Die eigenthtiraliche Figur, auf welche der Gott sich lehnt,
ist die personifizirte Rebe. Irrthümlich hat man gemeint, es
sei hier die Verwandlung des Ampelos, eines schönen, von
Dionysos geliebten Jünglings, in eine Rebe dargestellt, wobei
doch wohl der Jüngling nicht so ruhig bleiben könnte. Auch
ist die Figur nicht männlich, sondern weiblich. Vielmehr ist
eine Personification des Weinstocks beabsichtigt, die wie das
sprachliche Geschlecht des entsprechenden griechischen Aus-
drucks weiblich sein musste, weil die griechische Anschauung
die Bäume mit weiblichen Dämonen beseelt. Die Figur ist
gewissermaassen nur eine lebendig gewordene Stütze.
Für Dionysos ist allerdings die angelehnte Stellung mit
weich ausgebogener Hüfte charakteristisch, doch hat sie hier
etwas besonders Weichliches. Ueberhaupt ist die Gruppe
nicht sehr erfreulich. Die Vermischung des Menschlichen und
Vegetabilischen, wenn auch nicht ohne Geschick gemacht, hat
doch nur den Reiz einer Spielerei, aus griechischer Kunst ist
auch nichts Aehnliches anzuführen.
* Im Kömihtheii Saal n. 16.
30'
468 Mythologische Darstellungen. P?
Abg. marbles of the brit. mus. III, 11. Müller- Wieseler II, 32,
371. Vgl. 0. Jahn Die Lauersforter Phalerä, Bonn 1860 p. 12 Anm. 47.
763. Perseus und Andromeda*, Marmorgruppe; im
Jahr 1760 zu Rom in der Nähe der Kirche di Santa Croce
im sogenannten Amphitheatrum castrense gefunden und in die
Gräfl. Wallmoden'sche Sammlung übergegangen, jetzt im Ca-
sino des Kgl. Georgengartens bei Hannover. Ergänzt sind
von dem Bildhauer Cavaceppi der linke Arm der Andromeda
und der Kopf des Perseus.
Das Meerungeheuer ; dem Andromeda geopfert werden
sollte, liegt todt hingestreckt auf der Basis und das Mädchen
ist im Begriff, von Perseus unterstützt von dem Felsen her-
abzusteigen, auf dem sie ausgesetzt war.
Vergleichen wir diese Gruppe mit dem oben (n. 678) er-
wähnten Andromedarelief, so finden wir die Andromeda we-
sentlich verschieden aufgefasst, während das Motiv des Per-
seus in beiden Werken ziemlich übereinstimmt. Die Andro-
meda des Reliefs ist ganz Freude und Glück über die unver-
hoffte Errettung, die der Gruppe dagegen wird von dem Ge-
fühl jungfräulicher Schüchternheit und Zurückhaltung dem
Perseus gegenüber beherrscht, wie in ihrer Haltung treffend
ausgedrückt ist Wir finden das Motiv des Reliefs ungleich
natürlicher und schöner, aber auch diese Composition muss
im Alterthum beliebt gewesen sein, da sie auf pompejanischen
Wandgemälden mehrfach wiederholt ist. Die Gruppe ist üb-
rigens nur eine Copie von massigem Verdienst und besonders
die Gestalt des Perseus ist wenig anziehend. Er steht plump
und starr da und ah seinem Körper ist alles Detail bis auf die
Adern mit unangenehmer Härte ausgedrückt. Ob ein grie-
chisches Original copirt ist, wagen wir nicht zu bestimmen,
jedenfalls gehört das Original, wie die Nachahmungen auf
pompejanischen Büdem beweisen, immer noch guter Zeit an.
Abg. bei K. F. Hermann: Perseus und Andromeda, Programm des
archaeologisch-numismatischen Instituts in Göttingen zum Winckelmanns-
tage 1861. Vgl. Fedde de Perseo et Andromeda, Berolini 1860 p. 69.
76.. Hermann stellt die Vermuthung auf, dass das nicht näher bekannte
Bild des Nicias das Original der Gruppe sei, er scheidet aber nicht zwi-
schen dieser i^id der so ganz verschiedenen besonders durch das capi-
tolinische Relief repräsentirten Darstellung, auch fehlt ein näheres Ein-
gehen auf die Gruppe.
Im Römischen Saal n. 108.
Mythologische Darstellungen. 469
764. Amor mit Delphin*, Marmorgruppe; mit der
Famesischen Sammlung nach !Keapel gekommen. Ergänzt
(von Solari) sind der (hübsche) Kopf des Amor, seine Füsse
und die Finger der linken Hand, vom Delphin der Schwanz.
Dies Werk hat unverdienten Tadel gefunden, weil man
seine ursprüngliche Bestimmung verkannte. Es war für ein
Bassin bestimmt, man denke sich die Gruppe mitten im Was-
ser stehend und der Eindruck des Seltsamen wird schwinden.
Wie man die Rasenfläche im Garten — in Pompeji ist es
noch zu sehen — mit kleinen der Ijokalität entsprechenden
Figuren belebte, ebenso die Fläche eines Bassins. Amor ver-
gnügt sich mit einem Delphin, der den kleinen Liebesgott
fest umschlungen hat und nun, ganz wie Delphine zu thun
pflegen, kopfüber mit ihm ins Wasser schiessst.
Abg. Clarac pl. 646. Vgl. Gerhard und Panofka, Neapels Antiken
n. 428. Die im Text gegebene Auffassung möchte ich rechtfertig(Mi
durch die Hinweisuug auf ein paar allerdings moderne Arrangements.
Im Casino des vatikanischen Gartens ist ein Bassin und darin zwei Del-
phine, gleichfalls mit dem Schwanz nach oben gerichtet, auf jedem rei-
tet ein Amor. Und in einem Ort zwischen Neapel und Pompeji, dessen
Name mir entfallen, ist eine Copie unserer Gruppe in eben derselben
Weise aufgestellt, wie ich sie im Text vorgeschlagen. Burckhardt, der
Cicerone p. 536 Anm. nennt die Gruppe eins der wenigen absurda der
antiken Kunst.
765. 766. Nereiden auf Seepferden**, Marmorgrup-
pen, von denen die eine, deren Brust mit einer Kette verziert
ist, sich im Vatikan befindet, über das Original der andern
vermögen wir keine nähere Auskunft zu geben. Ergänzt sind
an dem Thier der ersten die beiden Vorderbeine, an der Ne-
reide der grösste Theil des rechten Arms, und der Kopf soll
nicht zugehörig sein.
Diese Figuren sind wahrscheinlich zur Belebung eines
Wasserbassins benutzt worden, sie sind übrigens in der Er-
findung und Ausführung leblos und unbedeutend.
Die erste ist abg. Clarac musee de sciüpt. pl. 747, 1805.
767. Torso einer Nymphe***, von Marmor, wahrschein-
lich in Athen befindlich.
Die Figur hielt mit beiden Händen eine noch erkenn-
* Im Römischen Saal n. 7.
** Im Saal der Thiere und Broncen n. 17. 18.
*** Im Griechiö<rhen Saal n. 45.
470 Mythologische Darstellungen.
bare Muschel, das Attribut der wasserspendenden Najaden.
Sie ist die Wiederholung eines in Relief und Rundwerk un-
gemein häufigen Typus, der auch oft zu Brunnenstatuen be-
nutzt wurde, wie man an manchen Exemplaren aus der Durch-
bohrung der Muschel abnehmen kann. Der Typus ist übri-
gens nicht sehr früh, denn die Najaden wurden in älterer
Zeit, wie viele ihnen geweihte Votivreliefs zeigen, ganz be-
kleidet dargestellt, während wir in römischen Votivreliefs die-
selbe Tracht finden, wie an dieser Statue. Der Kunstwerth
dieses Exemplars ist massig.
Vgl. Visconti Pio-CIem. I zu tav. 35.
768. Jugendlicher Satyr*, Marmorstatue in Villa
Albani. Ergänzt sind beide Beine des Satyrs und die Oeff-
nung des Schlauches.
Der kloine Satyr ist offenbar, wie sein Gang und der
Ausdruck seines Gesichts anzeigen, betrunken und eben die
Betrunkenheit war nothwendig um das Auslaufen des Schlauchs
zu motiviren.
Gewiss war die Figur zum Schmuck eines Bassins be-
stimmt und zwar so, dass das Wasser aus dem durchbohrten
Schlauch herausfloss. Bei der jetzigen Aufstellung des Origi-
nals ist es leider nicht möglich, darüber zur Gewissheit zu
kommen, aber es haben sich zahlreiche ähnliche Figuren er-
halten, die sicher für solchen Zweck verwendet wurden und
für unser Exemplar auf eine gleiche Verwendung schliessen
lassen.
Abg. Clarac pl. 704 C. Vgl. E. Braun Ruinen und Museen Roms
pag. 640.
769. Minerva**, Marmorstatue des Vatikans, in der
sogenannten Villa des Cassius bei Tivoli, einer reichen durch
Pius VI. ausgebeuteten Fundgrube antiker Denkmäler, ent-
deckt und zwar zusammen in einem Saal mit sieben Musen-
statuen und einem kitharspielenden Apollo, woraus zu schlies-
sen ist, dass hier Minerva als eine den Musen verwandte
Göttin aufgestellt war, wie oft auf römischen Sarkophagen
diese beiden Gottheiten mit den Musen vereinigt sind. Er-
gänzt sind der Helmbusch, die Nasenspitze und beide Arme.
* Im Römischen Saal n. 18.
*♦ Ebendas. n. 25.
Mythologische Darstellungen. 471
Der rechte, der den Speer hält, ist gewiss richtig ergänzt,
schwerlich aber der linke. Er springt unangenehm vor, und
für eine ruhig stehende Figur ist eine solche Haltung des
Schildes nicht natürlich. An einer Wiederholung dieser Fi-
gur, die sich gleichfalls im Vatikan befindet, ist der linke
Arm gewiss richtiger ruhig herabhängend restaurirt.
Nicht allein die Ausführung, sondern auch die Erfindung
dieser Figur ist unbedeutend. Es ist ein römisches Werk,
wie aus der Gewandung, besonders aus der schweren Falten-
masse zwischen den Beinen hervorgeht. Dass das Obergewand,
an welchem man auch über dem Schooss einen ganz unnatür-
lichen Faltenwurf bemerkt, unter den Gürtel* gesteckt ist, ist
ein nai8entlich für Minerva unpassendes, gesuchtes Motiv.
Auffallend sind auch die ungleichen Hälften der Aegis. Yon
dem Charakter der griechischen Pallas ist wenig zurückge-
blieben.
Die Statue steht im gabinetto delle maschere n. 438, die zweite in
der sala rotonda n. 533. Abg. bei Visconti Pio-Clem. I, tav. 8, welcher
p. 47 ff. die Auffindung beschreibt.
770. Sogenannte Urania*, Marmorstatue im Louvre,
früher in Versailles. Ergänzt sind (von Girardon) der Kopf
mit dem Stemenkranz, der linke Arm, die rechte Hand mit
der Rolle. Die Restauration ist ganz willkürlich und der
Sternenkranz unantik.
Die Hebung des Gewandes durch die linke Hand hat
Veranlassung gegeben, die Figur für eine Spes zu erklären,
die aber doch gewöhnlich in andrer, dem altgriechischen Stil
nachgeahmter Gewandung dargestellt wird. Wir wissen keine
bestimmte Deutung vorzuschlagen, der Stil ist römisch, was
schon aus der Häufung der Falten hervorgeht.
Abg. Clarac musee de sculpt. pl. 339. Vgl. descript. du Louvre
n. 321. Visconti Op. var. IV, p. 513.
771. Bacchus**, Marmorstatue, mit der Chigi'schen
Sammlung nach Dresden gekommen. Ergänzt sind die Maske,
beide Arme und Beine.
Wir wissen die richtige Ergänzung nicht anzugeben, die
Statue ist übrigens unbedeutend***.
Abg. Becker Augusteum t. 74.
* Im Römischen Saal n. 1.
** Im Saal des Farnesischen Stiers n. 10.
Vgl. n. 14 im Römischen Saal, welche Statue wir für ein Dupli-
472 Mythologische Darstellungen.
772. Torso der Diana*, von Marmor, im Vatikan
befindlich.
Es ist uns nicht gelungen, diesen Typus der Diana ir-
gendwo vollständig erhalten aufzufinden, so dass wir die rich-
tige Restauration desselben nicht anzugeben vermögen. Be-
deutend ist er übrigens nicht und schon die Entblössung der
rechten Brust ist ein Zeichen, dass er erst späterer Zeit an-
gehört. Der linke Arm war, wie es scheint, aufgestützt, an
dem rechten Oberschenkel ist eine Stütze, vermuthlich zum
Halt des rechten Arms, bemerkbar, auf dem Rücken sieht
man dqitliche Spuren dass ein Köcher da war.
Im museo Chiaramonti des Vatikan n. 652 nach der indicazione an-
tiquaria vom Jahr 1856. In der Beschreibung Roms II, 2, €1 n. 650
heisst es, die Figur sei eher eine Amazone als eine Diana, was schon
deswegen unrichtig ist, weil sie den Köcher auf dem Rücken, nicht an
der Seite ti*ägt.
773. Meduse**, colossale Marmormaske im Museum zu
Cöln. Die Spitzen der Locken fehlten und sind wunderlicher
Weise wie die Zipfel eines Bandes ergänzt.
Die. Maske entspricht im Allgemeinen der Rondaninischen
Meduse (n. 672), steht ihr aber an Schönheit weit nach.
774. Eumusia***, Marmorstatue, mit der Townley'schen
Sammlung ins britische Museum übergegangen. Der Kopf^
der grösste Theil der Arme und die Leier sind neu.
Die Ergänzung der Leier ist nach der Bedeutung der
Statue und nach ähnlichen Musenstatuen wahrscheinlich. Die
Inschrift, Eumusia, bezeichnet die Figur nämlich als Per-
sonification feiner musischer Bildung. Aus späterer römi-
scher Zeit.
Abg. marbles of the brit. mus. X, 41 n. 2. Müller- Wieseler II, 58,
744. Vgl. Vaux handbook to the brit. mus. p. 221.
775. Hekate*, Statuette von Bronce, früher in Palast
Ghigi, jetzt im capitolinischen Museum.
kat halten würden, wenn nicht hier an das Rehfell ein uns unverständ-
licher Schurz, welcher die Geschlechtstheile verdeckt, angeknüpft wäre.
Wir wissen über diese Statue nichts Näheres anzugeben, die Ergänzun-
gen scheinen dieselben wie an der andern zu sein.
* Im Niobidensaal n. 33.
•♦ Im Saal des Barberinischen Fauns n. 20.
•*♦ Im Niobidensaal n. 72.
♦♦♦♦ Im Saal der Thiere und Broncen n. 141.
Mythologische Darstellungen. 473
Die Figur repräsentirt nicht eine reine, einfache Götter-
idee, sondern beruht auf der Vermischung mehrerer, zum
Theil fremdländischer Vorstellungen, wie es dem Geist des
untergehenden Heidenthums in den ersten christlichen Jahr-
hunderten entsprach. Hekate scheint als eine das ganze All
durchdringende Göttin aufgefasst zu sein. Die eine der drei
Gestalten, die eine mit Strahlen besetzte phrygische Mütze
trägt, scheint die Sonne zu repräsentiren, denn die Strahlen
können nur vom Helios entlehnt sein und die phrygische
Mütze wird wohl mit Recht vom Mithras abgeleitet. Zu er-
klären bleiben noch ihre Attribute, der Schlangenschwanz und
das Messer (von dem allein der Griff erhalten). Die zweite,
Fackeln haltende und mit der Mondsichel geschmückte Figur
, stellt den Mond dar, die Lotosblume die sie über der Sichel
trägt, wird von Isis, die mit Selene identificirt wurde, herge-
leitet. Die dritte Figur hält Schlüssel und Strick, beide, wie
es scheint, denselben Gedanken ausdrückend, da der Strick
oft den Schlüssel ersetzte, es sind wahrscheinlich die Attribute
der Hekate als Pförtnerin des Hades.
Die Figur hat mehr mythologisches oder religionsge-
schichtliches als kunsthistorisches Interesse.
Abg. Müller Denkm. II, 71, 891. Vgl. Welcker Gr. üötterl. U,
406 ff. Stephan! Nimbus und Strahlenkranz p. 59 ff. E. Braun Ruinen
u. Museen p. 138 ö'.
776. Tiresias undOdysseus*, Marmorrelief im Louvre,
früher in Villa Albani. Ergänzt sind am Odysseus der Kopf,
der rechte Vorderarm mit dem Schwert und das rechte Un-
terbein.
Der den Odysseus charakterisirende Schifferhut ist zwar
ergänzt, aber die Scene konnte nicht zweifelhaft sein, denn
Tiresias ist deutlich durch die geschlossenen Augen, durch
die den Schatten eigenthümliche Verschleierung und durch
das Scepter charakterisirt. Auch die Situation ist unverkenn-
bar. Zwischen den beiden Figuren ist eine Vertiefung, welche
die Grube andeutet, aus welcher die herankommenden Schatten
Blut tranken, und Odysseus steht noch da mit dem zur Schlach-
tung der Opferthiere gezogenen Schwert (das durch die in
der Linken erhaltene Scheide nothwendig gefordert war). Er
* Im Niübidensaal n. 47
474 Mythologische Darstellungen.
horcht den Worten des Sehers und eme gewisse Muthlosig-
keit ist in der Haltung des Körpers zu erkennen.
Das Relief ist römischen Ursprungs, was wohl schon
aus der Verschleierung des Tiresias hervorgeht, denn die ver-
schleierten Schatten kennen wir nur aus römischen Monumen-
ten. Ob ein griechisches Original copirt ist, wissen wir nicht,
die Ausführung des Reliefs ist massig.
Vgl. (lescript. du Louvre n. 298. Abg. Winckelmann monum. ined.
n. 157. Clarac pl. 223 Die andern Citate bei 0 verbeck Gall. her. Bild,
p. 789 n. 62.
777. Juno und Thetis(?)*, Marraorrelief im Vatikan.
Ergänzt sind Kopf und rechter Arm der Juno, Kopf und lin-
ker Arm der Thetis.
Die Ergänzung und in Folge dessen die Erklärung die-
ses Reliefs ist nichts weniger als sicher. Man nimmt nämlich
an, dass Juno der bräutlich verschleierten Thetis — von dem
Schleier ist ein Stück alt — , die offenbar den Eindruck einer
Trauernden macht, init freundlicher Geberde zurede, sich in
ihre von den Göttern beschlossene Vermählung mit dem sterb-
lichen Manne, Peleus, zu finden.
Das Relief ist mit geringer Sorgfalt ausgeführt und ge-
hört römischer Zeit an.
Abg. Museo Chiaram. I, 8. Vgl. Bschreibg. v. Rom II, 2, 80.
778. Mediceische Marmorvase**, in Florenz befind-
lich. Vielfach ergänzt, namehtlich ist an der verhüllten Figur
der hinteren Seite der Oberkörper neu und an ihrem Nach-
bar zur Linken ist überhaupt nur wenig alt.
Grosse Vasen von Marmor zum Schmuck von glänzenden
Anlagen aufzustellen, war in der prachtliebenden römischen
Kaiserzeit sehr gewöhnlich. Manchmal mochten sie zugleich
praktische Zwecke erfüllen, wie die grossen mehr beckenför-
mig gestalteten Schaalen, die einer Fontaine als Becken dien-
ten, aber die, wie die unsrige, in Form von grossen Misch-
krügen gebildeten können nur omamentale Bedeutung gehabt
haben.
Das Relief der Vase ist früher auf den Mythus der Iphi-
genie erklärt und wir glauben dass diese Deutung noch im-
• Im Niobidensaal n. 49.
**Im Römischen Kuppelsaal n. 7.
Mythologische Darstellungen. 475
mer sehr wahrscheinlich ist, wenn wir auch nicht im Stande
sind; eine ganz entsprechende Scene in unsern schriftlichen
Quellen nachzuweisen.
Im Mittelpunkt der Composition; neben einem Bilde der
Artemis, sehen wir eine halbentblösste Jungfrau in tiefe Tra»er
versunken, in der rechten Hand einen Zweig haltend; durch
den sie als eine Schutzflehende charakterisirt wird. Man hat
die Haltung dieser Figur unpassend für Iphigenie gefunden
und allerdings benimmt sie sich auf feineren Denkmälern ed-
ler und gefasster; aber was stand einem späteren Künstler im
WegC; die Höhe ihres Charakters etwas herabzustinunen; so
wie es auch auf einem pompejanischen Bilde geschehen ist?
Auch dass sie einen Zweig in die Hand genommen, um durch
dies Zeichen des Schutzflehenden noch mehr zur Milde zu
stimmen; ist doch nicht auffallend und findet sich auch auf
einer Gemme, welche die Iphigenie trauernd am Altar ste-
hend darstellt.
Die umstehenden Helden sind offenbar rathloS; sie blicken
auf das Mädchen und Keiner ist zu irgend einer Hülfe oder
zu einem Rath oder auch nur zu einer Veränderung der Si-
tuation aufgelegt, was Alles sehr gut auf die griechischen
Helden passen würde, die bei dem ergreifenden Anblick des
Mädchens nicht wagen, den Beschluss zu ihrer Opferung zu
fassen. Nur einer, die zweite Figur zur Linken, kommt mit
schnellen Schritten heran, offenbar um irgend ein,e Entschei-
dung zu veranlassen. Wenn das Mädchen Iphigenie ist, so
dürfte diese Figur vielleicht Odysseus genannt werden, der
nach Euripides das Opfer der Iphigenie besonders eifrig be-
trieb. Für ihn wäre auch das ganze Aussehen der Figur sehr
passend.
Allerdings fehlt jede Andeutung eines Opfers, sogar der
Priester wird schwerlich in einer der sieben Figuren erkannt
werden können. Aber vielleicht ist eine andre, uns nicht
überlieferte Situation, etwa dass Iphigenie in die Berathung
der Helden als Schutzflehende sich hineinbegeben hat, hier
dargestellt. Jedenfalls ist es natürlich, bei der Darstellung
einer neben einem Artemisbilde trauernden und von Kriegs-
helden umgebenen Jungfrau den Gedanken an Iphigenie fest-
zuhalten, weil kein andrer griechischer Mythus eine solche
Gestalt kennt.
Die Ausführung ist mittelmässig, decorativ.
476 Mythologische Darstellungen.
Abg. Miliin Gal. myth. 155, 572. Vgl. die Literatur bei Jahn Ar-
chaeol. Beitr. p. 388 ff. Der Text sucht die Bedenken zu heben, die
Jahn aufstellt. Jahn's eigne Vermuthung scheint mir unwalirscheinlich,
nicht bloss wegen der Annahme der Verwechslung des Götterbildes, son-
dern weil Ajas in irgend einer Weise hervortreten und von den An-
dern beachtet sein müsste, während hier das Mädchen der alleinige Ge-
geOßtand des Interesses ist, nicht aber zugleich irgend einer der völlig
coordinirten Helden. Die Vermuthung Panofka's (Arch. Anz. 1848
p. 74) hat die abstrakte Möglichkeit für sich, aber auch nur diese. Die
Gemme, auf welche im Text Bezug genommen, ist die bei Müller-Wie-
seler n, 16, 172 abgebildete, die gewiss nicht eine Artemis darstellt,
denn einmal fehlen die Attribute der Artemis und dann stimmt die
Gemme fast in allen Punkten mit einer andern unzweifelhaft auf Iphige-
nie bezüglichen (Tölken Kl. 4 n. 396) überein.
779. Candelaberbasis*, in Ruinen an der Via Appia
gefunden und aus der Townley'schen Sammlung ins britische
Museum übergegangen. Ergänzt sind zwei Sphinxköpfe und
der untere Theil der Widderköpfe.
An den drei Seiten dieser Basis sind Amoren darge-
stellt; dahinschwebend mit Helm, Schild und Schwert Es
sind die Diener der Aphrodite, die dem liebebezwungenen
Kriegsgott seine Waffen geraubt haben. Man hat gemeint
diQ Basis habe einen dem Mars geweihten Candelaber getra-
gen, man könnte aber ebensogut an eine Widmung für Aphro-
dite denken, wenn nicht vielmehr die häufige Wiederholung
dieser Basis wahrscheinlich machte, dass sie nur ihrer An-
muth wegen, und nicht wegen der Angemessenheit zu be-
stimmten religiösen Zwecken beliebt war. Auch wissen wir
nicht, ob die Eroten ursprünglich für eine solche Basis com-
ponirt waren.
Die Sphinxe und Widderköpfe sind ein sehr beliebtes
Ornament und vermuthlich ohne alle materielle Bedeutung
nur um ihrer tektonischen Angemessenheit willen angefügt.
Nach der Meinung Anderer hatten sie die Bedeutung eines
Apotropaion.
Am obem Rande läuft ein flaches, in griechischem Stil
gehaltenes Ornament herum, unter den Reliefs mussten die
Blätterverzierungen voller, realistischer, in römischer Weise
dargestellt werden.
Die architektonische Form der Basis, die Ausschweifung
der untern Seiten, erlaubt keinen zu frühen Zeitansatz.
Im Römischen Saal n. 50.
Mythologische Darstellungen. 477
Abg. Marbles of the brit. mns. I, 6. Vgl. EUis, Townley gallery
II p. 81. Visconti Op. var. IV n. 63. Meyer in d. Amalthea I p. 283.
780 — 782. Reliefs eines vierseitigen kleinen Al-
tars*; in Villa Negroni aufgefunden und in den Vatikan
übergegangen, wo das Werk aber seit ziemlich langer Zeit
unsichtbar geworden ist.
Es ist ein niedriges , rechteckiges Geräth, dessen Lang-
seiten etwa doppelt so lang sind als die Schmalseiten , das
wir ohne von der Richtigkeit dieser Benennung überzeugt zu
sein, einen Altar genannt haben. Die Füsse werden durch
phantastische Thiergestalten gebildet, von denen eine auch im
Gyps sichtbar ist.
Die Betrachtung der Reliefs, mit denen die vier Seiten
geschmückt sind, beginnt mit der Darstellung, die gewöhnlich
auf den Besuch des Dionysos bei Ikarios gedeutet wird und
gewiss die Hauptseite des Gerätlies bezeichnet. Doch erklärt
die vorgeschlagene Deutung nicht die Schwierigkeiten des
Bildes, für welches überhaupt eine befriedigende Erklärung
noch nicht gefunden ist. Die Handlung ist diese, dass Dio-
nysos von Silen und Satjm gefolgt in die durch einen Vor-
hang bezeichnete Wohnung eines Sterblichen tritt, der mit
einer Frau beim Mahle liegt, an welchem der Gott selbst
Theil nehmen wird. Denn auf die Theilnahme des Gottes
ist daraus zu schliessen, dass ein Satyr bereits im Begriff ist,
ihm die Schuhe abzuziehen, die beim Mahle abgelegt wurden.
^Man begreift bei jener erwähnten Deutung nicht, warum Ika-
rios den Gott in dieser auffallenden Situation empfangen sollte.
Leichter verständlich sind die Schmalseiten, an deren
einer ein Hirt und eine Hirtin mit dem Melken einer Ziege
beschäftigt sind, während an der andern ein Satyr und eine
Nymphe einer ihr Junges stillenden Hindin zusehen. Dort ist
ein Idol der Spes, imi deren Beistand vorzugsweise die Land-
leute baten, hier eins des Herkules aufgestellt, der in diesem
Zusammenhang als Hercules rusticus, als der mit Silvanus
und den Nymphen verbundene Schützer ländlichen Gedeihens
aufzufassen ist.
Die Rückseite, sehr symmetrisch componirt, zeigt in der
Mitte zwei Eroten, die einen Schmetterling über der Flamme
ihrer an ein Feuerbecken gelehnten Fackeln verbrennen. Es
sind die Qualen, welche die Seele durch Eros zu leiden hat.
Im Römischen Saal n. 37 — 39.
478 Mythologische Dai'stellungen.
der aber hier nicht übermüthig; sondern theibiehmend, wei-
nend über die Qual, die er selber der Psyche bereiten muss,
dargestellt ist. Dass es zwei Eroten sind; scheint uns für
die Bedeutung der Scene ganz irrelevant, und nur durch die
Symmetrie der Composition veranlasst zu sein. Die Mittel-
gruppe ist links von einer Centaurin, von deren Rücken eine
Bacchantin im Begriff ist herunterzusteigen, rechts von einem
Centauren eingeschlossen, dem ein leierspielender Satyr auf
dem Rücken sitzt.
Es kann nicht bezweifelt werden, dass die Darstellungen
der vier Seiten mit einander in Zusammenhang stehn, aber
den verbindenden Gedanken, der vielleicht durch die prakti-
sche Bestimmung des Geräths, die wir nicht kennen, veran-
lasst ist, haben weder die früheren Erklärer gefunden, noch
ist es uns gelungen, zu einem befriedigenden Resultat zu
kommen.
Das Werk ist offenbar römischen Ursprungs, schon die
Statuen der Spes und des Herkules zeigen es, die in dieser
Verwendung nur römischer Sitte entsprechen, auch ist die
Zeichnung nichts weniger als mustergültig und besonders
% unförmlich sind die Körper der Centauren. Aber ebenso klar
ist, dass schöne Vorbilder in diesen Reliefs nachgeahmt sind,
namentlich das Relief der Vorderseite ist in vielen Exempla-
ren erhalten, unter denen mehrere das unsrige an Schönheit
bedeutend übertreffen.*
Abg. Viscouti Pio-Clem. IV, 25 a — c. Vgl. 0. Jahn Arch. Beitr.
p. 152 ff. Wieseler zu MüUer's Deukra. II, 624.
783 — 789. Reliefs von Sarkophagen.
783. Amazonensarkophag**, aus griechischem Fund-
ort, in Wien im Museum des Belvedere befindlich, früher im
Besitz eines Grafen Fugger, der ihn mit nach Deutschland
gebracht hat.
Der Sarkophag gehört zu den selteneren Denkmälern
dieser Gattung, die an allen vier Seiten mit bildnerischem
Schmuck ausgestattet sind. Doch wiederholen sich an den
* Vgl. den Gypsabguss des im britischen Museums befindlichen Exem-
plars, der sich im Gewerbeinstitut befindet.
** Im^Treppenhaus n. 98—103. 107.
Mythologische Darstelhingen. 479
Lang- und Schmalseiten dieselben Gruppen; nur in der Be-
waffnung sind leise Verschiedenheiten wahrnehmbar. An künst-
lerischem Werth sind sich aber die correspondirenden Seiten
nicht gleich; die weniger gut erhaltene Langseite steht der
anderen besser erhaltenen, welche gewiss bei der ursprüng-
lichen Aufstellung die vornehmste war, nach.
Die Motive der Composition sind durchgängig sehr schön,
namentlich die Mittelgruppe der LAngseite, wo ein Freund
dem anderen beisteht. Doch sind sie schwerlich überall neu,
die Gruppe der linken Seite, in welcher eine Amazone an
den Haaren vom Pferde gerissen wird, kehrt auch in früheren
Werken ähnlich wieder. Bemerkens werth ist die Tracht einer
Amazone in der Mitte der Langseite, die ausser den Hosen
und dem Aermelkleid auch noch einen hinten flatternden,
ebenfalls mit Aermeln versehenen Ueberrock trägt. Wir
fanden dasselbe Kleidungsstück schon bei Medea (n. 494) und
Anchises (n. 604).
Bildnerisch verzierte Marmorsarkophage aus Griechen-
land sind selten, doch ist weder von diesem noch von irgend
einem anderen der bis jetzt bekannten mit Sicherheit nach-
gewiesen, dass sie der Blüthezeit der griechischen Kunst auch
nur nahe stehen. Es kann daher die Möglichkeit nicht be-
stritten werden, dass die Sitte der bildnerischen Ausstattung
der Sarkophage erst der römischen Zeit angehöre, wiewohl
andererseits gegen die Priorität der Griechen kein entschei-
dendes Argument vorgebracht werden kann. Dass aber dieser
Sarkophag nicht einer früheren griechischen Kunstzeit ange-
höre, zeigt die Vergleichung desselben mit den Reliefs von
Halikamass (n. 457). Die Figuren sind im Allgemeinen zu
lang und schmächtig, die Gewänder zu reich an Detail und
die Wiederholung derselben Gruppen auf den correspondiren-
den Seiten legt kein günstiges Zeugniss ab für die Origina-
lität des Künstlers, der gewiss nur copirte.
Unter den Darstellungen der Sarkophage nimmt dieses
Relief aber jedenfalls einen hervorragenden Platz ein. Es
ist ganz verschieden von der unruhigen Weise so vieler rö-
mischer Sarkophage, auf denen zwei Reihen von Figuren
hinter einander gestellt werden und das Relief seinen orna-
mentalen Charakter ganz verloren hat. Freilich ist der
Künstler wohl eben durch das flachere Relief zu einem kleinen
Fehler veranlasst, indem nämlich auf den Langseiten die Beine
480 Mythologische Darstellungen.
der ausgestreckt liegenden Amazone vom Knie abwärts ganz
verschwinden.
Welchen Bezug das Relief auf den in dem Sarkophag
Begrabenen hatte, lässt sich nicht angeben.
Abg. Bouillon musee des Ant. II, 83. Vgl. v. Sacken und Kenner,
Die Antiken des K. K. Münzcabinets p. 41 n. 167. Nur muss ich, wie
der Text zeigt, die Annahme, dass das Werk bald nach Phidias oder
auch aus der Zeit des Scopas (Steiner, Amazonenmythus p. 112) sei,
entschieden bestreiten.
784. Niobidensarkophag*, gefunden im vorigen Jahr-
hundert in der Nähe Roms, vor Porta S. Sebastiano in einer
Vigna der Familie Casali, vom Cardinal Casali an Papst Pius YI.
geschenkt und von diesem im Vatikan aufgestellt. Ergänzt
sind der linke Arm Apollo's mit dem Bogen und der rechte
Arm Diana's mit dem Pfeil.
Das Relief des Sarkophags ist reich an schönen Motiven,
die der Verfertiger aber schwerlich selbst erfunden hat Die
rechte Hälfte wird durch die Söhne eingenommen, die linke
durch die Töchter, unter letzteren befindet sich die Mutter,
, ein getödtetes Mädchen im Arm haltend. Links und rechts
* schliesst sich eine Seitenfläche an, hier mit der Darstellung
von zwei Söhnen, dort von zwei Töchtern. Die Söhne waren,
wie das Pferd und die Speere in der Hand eines derselben
andeuten, ausser dem Hause mit Jagd und gymnastischen
Uebungen beschäftigt, als das Verderben sie traf, sie eilen
nun zur Mutter, die wir im Innern des Hauses unter den
Töchtern befindlich zu denken haben.
Unter den Kindern der Niobe befinden sich auch eine
Amme und ein Pädagog. Die erste ist jene alte, herzlich sich
um ein getroffenes Mädchen bemühende Frau, zu dem anderen
eilt der jtingste Sohn. Wie man im Leben zu solchen Aem-
tem Sklaven oder Leute niederen Standes nahm, so erscheinen
sie auch in der Kunst mit unedlen Gesichtszügen und in
plebejischer Tracht. Das Fell des Pädagogen ist ein an
Hirten und Leuten ähnlicher Sphäre öfter vorkommendes
Kleidungsstück.
Der wichtigste Unterschied in der Gruppirung dieses Re-
liefs und der Florentinischen Gruppe, zu deren Yergleichung
die Zusammenstellung der Gjrpsabgüsse auffordert, liegt darin,
dass die Mutter weder durch Grösse noch durch ihre Stellung
* Im Niobidensaal n. 71.
Mythologische Darstellungen. 431
in der Mitte hervorgehoben ist. Dies ist überhaupt auf kei-
nem der erhaltenen Niobidensarkophage der Fall und kann
nicht aus formellen Gründen, sondern nur aus dem Zweck
dieser Sarkophagdarstellungen abgeleitet werden. Nicht der
Mythus als solcher sollte zur Darstellung gebracht werden,
sondern nur als ideales Analogon eines wirklichen Vorgangs.
An den Särgen früh gestorbener Jünglinge und Mädchen
stellte man solche Mythen dar, die den Gedanken eines
frühen, in Jugend und Schönheit erfolgten Todes in sich
schliessen, z. B. den Mythus von Meleager und Adonis, den
Raub der Leukippiden und der Persephone, und in diesem
Sinn ist auch der Mythus der Niobiden benutzt. Die Kinder
und ihr Geschick sind demnach die Pointe des Ganzen, nicht
die Mutter, dieser konnte daher nicht die hervorragende
Stellung gegeben werden, die sie in der Florentinischen
Gruppe hat.
In der Vortragsweise tritt an. dem Sarkophag ein weit
leidenschaftlicherer Charakter hervor, es sind stärkere Farben
aufgetragen. Die Gewänder flattern heftiger, die Stellungen
sind meist gewaltsamer, wenn auch nicht ohne Schönheit
Besonders hervorzuheben ist die im Rücken getroffene, vor
Schmerz sich zurückbiegende Tochter und der neben ihr
knieende Sohn, der sein Gesicht hinter dem Arm birgt, als
könne er den schrecklichen Anblick nicht ertragen. Mit die-
sem unruhigeren Charakter der Darstellung steht die Art des
Reliefstils in Einklang. Die Gestalten lösen sich fast zu
freien Figuren ab und der dekorative Charakter der Figuren-
reihe ist aufgehoben. Der realistischeren, derb effektvollen
Tendenz der römischen Kunst ist dies Relief ebenso ange-
messen, wie das flächenartige Relief dem keuschen, maass-
vollen Charakter der* griechischen Kunst. An den Seiten des
Sarkophags ist es übrigens flacher, da suchte der Künstler
schneller fertig zu werden, es ist eine an den Sarkophagen
häufig wiederkehrende Erscheinung, dass die weniger zur
Schau kommenden Seitenflächen flüchtiger ausgeführt sind als
die Vorderseite.
Die Figuren von Artemis und Apollo sind Wieder-
holungen bekannter Typen, die Gruppe der beiden Söhne an
der Seitenfläche findet sich anderswo als Orest und Pylades
benutzt, ohne dass sich entscheiden liesse, welcher Sinn ur-
sprünglich beabsichtigt war. Jedenfalls wird man auch auf
diesen Künstler die für die Sarkophage im Allgemeinen geltende
Friederichs, griech. Plastik. 31
482 Mythologische Darstellungen.
Regel anwenden dürfen, dass die Figuren und ihre Motive
nicht frei erfunden, sondern anderswoher entlehnt sind. Ganz
unselbstständig freilich hat man nicht copirt, es kann nach dem
was uns erhalten ist, nur höchst selten vorgekommen sein,
dass Verfertiger von Sarkophagen bis in alle Einzelheiten
genau copirten. Wir sehen auch hier, wie in allen Klassen
der alten Denkmäler, dass der einzelne Arbeiter nicht ein
bloss mechanisch arbeitendes Werkzeug war, sondern sich
eine gewisse Freiheit wahrte, die, so beschränkt sie war, doch
anregend und belebend auf seine Arbeit wirkte.
Am Deckel des Sarkophags sind die Leichen der Kinder
dargestellt, auch hier nach den Geschlechtem getrennt. Die
Söhne liegen im Freien, wo sie ereilt wurden, die Töchter
im Innern des Hauses. Dies bedeutet nämlich der hinter
ihnen ausgespannte Vorhang, der auf den Sarkophagen häufig
nur zur Belebung der Fläche zu dienen scheint, hier aber
einen bestimmten Sinn hati Man hat sich darunter eine unsem
Wandschirmen ähnliche Vorrichtung des antiken Hauses zu
denken, die nur viel künstlerischer angeordnet ist, als bei uns,
wo die Befestigung des Tuchs an einem oberen und unteren
Stabe alle Freiheit und Schönheit des Faltenwurfs unmöglich
macht. Hier und ebenso in der unteren Gruppe bemerkt
man an den Figuren der Mädchen etwas mehr Nacktheit als
in der Florentinischen Statuengruppe. Auch Artemis hat nach
späterem Geschmack die eine Brust entblösst.
Abg. Visconti Pio-Clem. IV, 17. Vgl. Stark Niobe p. 179 ff.
785. Ba'cchussarkophag*, 1746 aus der Kirche zu
Nepi in das Capitolinische Museum gebracht. Die Ergänzungen
sind im Ganzen gering und nirgend verfehlt.
In der Scene zur Rechten ist die Pflege des kleinen
Bacchus, nämlich das Bad durch die Nymphen dargestellt
Die eine wäscht ihn, während die andere Wasser ins Becken
giesst, hinter dem Sessel der ersten steht eine Bacchantin,
die mit dem Klang der Becken den jungen Gott begrüsst.
Nicht ganz klar ist die Geberde der beiden letzten Nymphen,
die in der erhobenen Rechten dem Kind etwas hinzuhalten
scheinen, sowie zu ihren Füssen von zwei Frauen, die weder
nach ihrer Tracht noch nach ihrem Benehmen Nymphen sein
können, sondern wohl Sterbliche sind, dem göttlichen Kinde
In den Durchgängen zum Römischen Kuppelsaal n. 21.
Mythologische Darstellungen. 483
bereits Gaben dargebracht werden. Die Nymphen sind unter-
schieden durch die für sie charakteristische halbe Entblös-
sung; an der sitzenden bemerkt man sehr deutlich den Brust-
gtirtel, den man zum Halt der Brust trug.
In der Seene zur Linken ist ein etwas späterer Moment
im Leben des Bacchus vorgeführt. Er befindet sich bereits
unter seinen Satyrn, Silenen und Bacchen, die im Begriff sind,
den kleinen Gott mit seiner charakteristischen Tracht auszu-
statten. Denn man sieht schon aus der Stellung des Bacchus,
der sich mit beiden Händen stützt, dass ihm von dem an
seinem Fuss beschäftigten Satyrn die hochhinaufreichenden
Stiefel, die so gewöhnlich sind an den Bildern des Gottes, ange-
zogen werden, indess die an der linken Ecke stehende Bac-
chantin beschäftigt ist ihm einen Kranz oder wohl richtiger
die breite bacchische Binde umzulegen.
Eigenthümlich ist die kleine Mittelscene, wo Silen eine
Execution an einem Satyrknaben vollzieht, während im Hinter-
grund ein älterer Satyr Wein schlürft. Wir verstehen nicht
recht den Sinn dieses komischen Intennezzo, jedenfalls scheint
es uns zum Schmuck eines Sarkophags wenig angemessen.
Denn der Zweck solcher Geräthe führt nothwendig auf einen
ernsteren Stil der Dekoration, und auf griechischen Grab-
steinen würde man vergebens ähnliche Situationen suchen. Auf
den römischen Sarkophagen dagegen — und das ist charakteri-
stisch für die Zeit ihrer Entstehung — mischen sich nur zu
oft, namentlich in den bacchischen Darstellungen, theils ko-
mische, theils auch sinnliche Details ein, welche die ernste
Stimmung, die der Schmuck eines Sarges erregen soll, zer-
stören und deutlich zeigen, dass es mit den religiösen Ideen,
die auf den Sarkophagen dargestellt sind, oft nicht sehr ernst
gemeint ist, dass sie mehr aus der dichtenden Phantasie als
aus Bedürfnissen des Gemüths hervorgegangen sind.
Die bacchischen Darstellungen auf den Sarkophagen sind
der Ausdruck eines seligen Freudenlebens, in welches der
Verstorbene aufgenommen zu werden hofft. Auch hier muss
Bacchus als der beseligende Gott zur Darstellung gewählt
sein, wenn auch namentlich die Scene des Bades diese tiefere
Auffassung verdunkelt.
Betrachten wir dagegen das Relief rein als Kunstwerk
ohne Rücksicht auf den Zweck, dem es dienen sollte, so ist
es mit grosser Anmuth componirt und auch in der Ausfüh-
rung gefällig. P^igene Erfindung ist freilich auch hier nicht
31*
484 Mythologische Darstellungen.
anzunehmen; die schöne Nymphe zur Rechten, die mit tiber-
geschlagenem Bein dasteht, die Rechte erhebend und die Linke
in die Seite sttitzend, findet sich bereits auf früheren Denk-
mälern, wo ihre Stellung auch noch besser motivirt ist, indem
sie nämlich die Rechte anlehnt.
Abg. Mus. Capitol. IV, 60. Vgl. Müller-Wieseler II, 402. Welcker
Götterl. I, 444 Anm. 53. Die im Text hervorgehobene Nymphe stimmt
mit der Thetis auf dem Relief des Diadumenos (n. 736), wo noch
andere Wiederholungen angeführt sind.
786. Orestessarkophag*, früher in Palast Barberini,
jetzt im Vatikan. Ergänzt ist der Kopf des Orest in der
Scene zur Rechten.
Die lange Fläche der Sarkophage wurde in den meisten
Fällen in mehrere Scenen zerlegt, deren hier drei zu unter-
scheiden sind, eine grössere in der Mitte, umgeben von zwei
kleineren. Im Mittelpunkt der ersteren erblicken wir die
Leiche der Klj^mnestra, deren entblösster Oberkörper an den
Zug der Dichtung erinnert, dass die Mutter gegen das Schwert
des Sohnes die Brust entblösst habe, die ihn genährt Neben
ihr liegt vom angemaassten Thronsessel herabgestürzt, Aegisth,
auf welchen Orest, die Mittelfigur, noch einen letzten Streich
zu führen im Begriff ist. Dem Orest zur Seite steht, auch
mit gezücktem Schwert, Pylades und neben diesem eilt die
durch Alter und Kopftuch kenntliche treue Amme des Orest
mit der Geberde des Entsetzens davon. Zur Rechten im
Vordergrunde hockt eine Figur, nach der Tracht ein Diener,
die einen kleinen, in der Wildheit des Vorgangs von der
Basis herabgeworfenen Altar erhebt, um sich hinter ihm zu
verbergen. Ein Vorhang, einerseits an einer Herme, anderer-
seits auf nicht sichtbare Weise befestigt, bezeichnet diese
Scene als im Innern des Hauses vorgehend, dahinter aber be-
merkt man bereits zwei Eumeniden mit Schlangen und Fackeln
dem Orest nahend. Die Scene zur Rechten deutet auf die
glückliche Lösung des Conflicts. Aus dem delphischen Heilig-
thum, das durch Dreifuss und Lorbeer angedeutet ist, schreitet
Orest, das Schwert in der Rechten, die Scheide in der Linken
haltend, über eine schlafende Eumenide hinüber davon, um sich
nach Athen zu begeben, wo seiner die Freisprechung wartete.
Man hat daran Anstoss genommen, dass Orest sich nach dem
• In den Durchgängen zum Römischen Kuppelsaal n. 40 und 26.
Mythologische Darstellungen. 485
Schauplatz seiner That zu bewege, was aber aus Gründen der
Composition geschehen ist, denn die Darstellung würde un-
* vollständig aussehen, wenn nicht die Eckfiguren nach der
Mitte zu gerichtet wären. Sehr auffallend ist die Scene zur
Linken, drei schlafende Eumeniden, deren Trennung von der
entsprechenden Figur zur Rechten am besten durch die geist-
reiche Vermuthung erklärt wird, dass der Künstler seine Dar-
stellung von einem runden Geföss copirt habe, auf welchem
natürlich die beiden hier getrennten Seitengruppen eine
Gruppe ausmachten. Die eine der schlafenden Eumeniden
hat eine Doppelaxt, die in der Hand einer Eumenide auf-
fallend, aber doch nicht auffallender ist, als Schwert und
Lanze, die sie auf anderen Darstellungen führen.
Was die Wahl dieses Themas zum Schmuck eines Sarges
betrifft, so hat man mit Recht bemerkt, dass dasselbe den
Gedanken der gerechten Vergeltung involvire, ähnlich wie die
zahlreichen Sarkophagdarstellungen der Unterwelt mit ihren
Büssem. Es lag nahe für die Verfertiger der Sarkophage,
die der Regel nach nicht auf Bestellung, sondern auf Vorrath
gearbeitet zu haben scheinen, diese und ähnliche ernstere
Ideen in den Bildern der Särge auszuprägen.
Dass der Verfertiger dieses Sarkophags, wie die grosse
Mehrzahl seiner CoUegen nicht als eigentlicher Künstler zu
betrachten ist, geht schon aus dem über die Trennung der
Eumeniden Bemerkten hervor. Die schöne Mittelfigur des
Orest ist eine griechische Erfindung, sie kommt auf einem
griechischen Relief als ein Jäger im Löwenkampf vor, auf
einem schönen geschnittenen Stein als Kadmus im Drachen-
kampf.
In der Behandlung des Reliefs fehlt es nicht an Fehlem.
Das linke Bein des Orest wird z. B. durch den Körper der
Klytämnestra rein abgeschnitten, als ob es gar nicht vor-
handen wäre.
An den Seitenflächen dieses Sarkophags sind Sphinxe
dargestellt, deren eine den Kopf eines Widders zwischen den
Klauen hält*. Wir fanden die Sphinx schon auf griechischen
Grabsteinen (n. 383), auch ist ein griechischer Sarkophag be-
kannt, wo sie ähnlich wie hier den Kopf eines Schaafes
zwischen den Vordertatzen hat. Man erklärt sie als ein
Symbol des hinraffenden Geschicks, womit wenigstens der
* 11. 26.
486 Mythologische Darstellungen.
Sinn der Vorstellung im Allgemeinen wohl richtig an-
gegeben wird.
Das Relief der Seitenfläche ist auch hier wieder nur
ganz flach und skizzenhaft gehalten.
Abg. Visconti Pio-Clem. V, 22. Overbeck Gallerie heroisch. Bildw.
Taf. 29, 1, wo auch die Literatur angegeben. Auf Stephani's (Compte-
rendu pour Tannee 1863 p. 256) Bedenken gegen die Erklärung der
rechten Seitenscene habe ich im Text Rücksicht genommen. Ueber die
Wahl des Themas vgl. Petersen Annali 1860 p. 368, iiber die Sphinx
auf griechischen Grabmonumenten Pervanoglu, Die Grabsteine der alten
Griechen, p. 80 if.
787. Sarkophagdeckel*, 1862 in Athen vor der
Stoa des Hadrian von Bötticher gefunden, ebendaselbst be-
flndlich.
Die anmuthige Darstellung von Tritonen, Nereiden und
Amoren, die auf phantastischen Seethieren reiten, hat unter
den Sarkophagreliefs zahlreiche Analogien. Die Absicht solcher
Darstellungen war, wie bei den so sehr ähnlichen bacehischen
Reliefs, das selige Freudenleben zu schildern, das dem Ver-
storbenen bevorstehe. Vermuthlich hat die Vorstellung von
den Insehi der Seligen die Veranlassung gegeben, die Dämonen
des Meeres zu Trägem dieser Idee zu machen.
Fundnotiz bei Bötticher im Nachtrag zum Catalog des Neuen Mu-
seums p. 38. Ueber den Sinn der Darstellung vgl. Petersen Annali
1860 p. 396 ff.
788. Sarkophagdeckel**, im Kloster Chellas bei
Lissabon befindlich.
Die Darstellung zeigt drei sitzende Dichter mit Rollen
in den Händen, die durch die Verbindung mit den Musen,
welche neben ihnen stehen, als solche charakterisirt sind.
Zwei von den letzteren sind mit Namen zu nennen, die Muse
zur Rechten entspricht einem sehr bekannten Typus der Poly-
hymnia, den wir auch auf der Apotheose Homers (n. 736) fanden,
die zur Linken ist durch das enganliegende fellartige Gewand
als Thalia bezeichnet. Man vermuthet, dass die Muse der
Komödie dies Gewand wegen ihrer Verwandtschaft mit bac-
ehischen Figuren trage.
Die Darstellungen von Musen und Dichtem sind nicht
selten auf Sarkophagen, es sollen damit die Neigung und
* Im Griechischen Saal n. 317.
** In den Durchgängen zum Römischen Kuppelsaal u. 39.
Mythologische Darstellungen. 487
Beschäftigung, die der Verstorbene im Leben hatte, charak-
terisirt werden.
Das Relief ist roh ausgeführt und gehört in spät rö-
mische Zeit.
In Hübner's Antiken Bildw. in Madrid p. 335 n. 928 vei-zeichnet.
Vgl. über die Darstellung Wieseler Annali 1861 p. 122 ff. und das
dort Citirte.
789. Athenischer Kalender in Bildern^, Marmor-
fries, an der Kirche der Panagia-Gorgopiko in Athen ,ein-
gemauert Die Figuren haben durch die eingemeisselten grie-
chischen Kreuze, wodurch die Benutzung des Frieses in christ-
Kcher Zeit gleichsam sanktionirt werden sollte, zum Theil
gelitten.
Auf diesem Fries sind die Sternbilder des Thierkreises
als Vertreter der athenischen Monate dargestellt und zu jedem
derselben einige Figuren hinzugeftigt, durch welche irgend eine
wichtige Begebenheit des Monats veranschaulicht und dieser
somit charakterisirt wird.
Die beiden Platten, aus denen der Fries besteht, sind
im Abguss nicht richtig mit einander verbunden, die zweite
Platte sollte die erste sein, wir müssen daher mit der Be-
trachtung des Einzelnen in der Mitte anfangen, wo wir das
erste Zeichen des Thierkreises, den Widder, finden. Es ent-
spricht dem attischen Elaphcbolion , in welchem der Artemis
geopfert und das Fest der grossen Dionysien gefeiert wurde.
Das erste ist rechts vom Widder dargestellt, wo wir die
Artemis erblicken, einen Hirsch an sich ziehend, den ihr
die nebenstehende Figur gewiss als Opfer gebracht hat,
während der Festzug an den Dionysien durch die beiden links
vom Widder dargestellten Figuren repräsentirt wird. Das
zweite Zeichen ist der Stier, zur Hälfte durch das Kreuz zer-
stört. Er bezeichnet den Monat Munychion, wir wissen aber
nicht zu sagen, in wiefern die beiden folgenden Personen, die
zu dem Stembilde gehören, charakteristisch für den Monat
sind. Der erste von ihnen wird für einen Fackelläufer ge-
halten. Es folgt der Monat Thargelion mit dem Symbol der
Zwillinge, neben denen ein nackter Jüngling mit der Striegel
steht, dessen Beziehung auf den Monat wir auch nicht anzu-
geben wissen. Darauf der Krebs, den Skirophorion reprä-
Im Griechischen Saal n. 318.
488 Mythologische Darstellungen.
sentirend, in welchem Monat unter besonderen Ceremonien
dem Zeus ein Stieropfer gebracht wurde, wie das Bild deut-
lich zeigt; sodann das Zeichen des Löwen und Sirius, das den
Hekatombaion bezeichnet, in welchem die Panathenäen statt-
fanden. Das am meisten charakteristische Element dieses
Festes war die Darbringung eines Gewandes an die Pallas,
das als Segel an einem auf Rollen laufenden Schiff befestigt
war, und von diesem Schiff erkennt man trotz des darüber
gesetzten Kreuzes deutliche Spuren. Die beiden hinter dem-
selben befindlichen Figuren sind wohl Genossen .des Festzuges.
Die folgende geflügelte Jungfrau mit der Fruchtschüssel ist
vermuthlich das Sternbild der Jungfrau, dem Herbstmonat
Metageitnion in dem die Früchte reifen, entsprechend; die
Bedeutung der nebenstehenden Figuren, unter denen Herakles
kenntlich, ist uns unklar. Darauf das Sternbild des Kranzes
zur Bezeichnung des Boedromion, der ausserdem durch einen
Wettreflner, wir wissen nicht inwiefern, charakterisirt wird.
Leichter verständlich sind die folgenden Monate, der Pyane-
psion mit dem Zeichen des Skorpion, in welchem die Eiresione,
ein mit den Gaben des Herbstes behangener Oelzweig, unter
volksthümlichen Liedern von einem Knaben umhergetragen
wurde. Ausserdem wurde in diesem Monat der Wein ge-
keltert. Die Bedeutung der Kanephore, welche diese Scene
schliesst, ist uns unklar. Darauf folgt der Maimakterion mit
dem Sternbild des Schützen. In diesem Monat wurde ge-
pflügt und gesäet, was deutlich dargestellt ist. Die erste
ganz in ihren Mantel gehüllte Figur, „die sich vor dem An-
prall des Windes kaum auf den Füssen zu halten vermag^^,
soll vermuthlich den kalten und heftigen Wind dieses Monats
bezeichnen. Durch das Sternbild des Steinbocks ist ferner
der Poseideon bezeichnet, in welchem die Hahnenkämpfe ein
Hauptereigniss waren. Man sieht auf einem Palmenzweig, dem
Siegeszeichen, zwei Hähne mit einander im Kampf und hinter
ihnen den Tisch mit den Siegeskränzen, an welchem die
Preisrichter sitzen, während die beiden Figuren zur Linken
die Zuschauer repräsentiren. Endlich müssten noch das
Sternbild des Wassermanns und die Fische kommen, jenes
glaubt man durch die Gestalt des Phrixos auf dem Widder,
der eine Schaale in der Linken hat, bezeichnet, dieses
fehlt.
Das Relief ist aus später Zeit und hat nur seines In-
halts wegen Interesse.
Mythologische Darstellungen. 489
Abg. bei Le Bas monum. Fig. pl. 21 und bei Bötticher im Philo-
logus 1865, XXII p. 385 ff. Ich muss übrigens den von Bursian im
Liter. Centralbl. 1866 p. 1144 gegen Bötticher erhobenen Einwänden
beistimmen und sehe ausserdem nicht ein, dass es ein Festkalender
sein muss. Bötticher selbst wird dieser Supposition in dem, was er
über die Figur n. 6 sagt, untreu, und gerade die Scene des Kelterus
und Säens scheint mir deutlich zu indiciren, dass nicht überall Feste
dargestellt sind.
790. Goldne Schaale*, am 26. März 1774 zu Rennes
in der Bretagne neben menschlichen Knochen gefunden, wo-
nach es wahrscheinlich ist, dass das Geräth einem vornelimen
Gallier mit ins Grab gegeben ist. Die Schaale wurde nach
Paris ins Cabinet des m^dailles gebracht.
Das Thema der gegossenen Reliefs im Innern der Schaale
lässt sich kurz dahin zusammenfassen^ dass Bacchus als Sieger
über den mächtigsten Heros Herkules dargestellt ist. Die
Darstellung ist dem Zweck des Geräthes angemessen, das
offenbar eine Trinkschaale war.
In dem Mittelbild schenkt Bacchus, der von seinem Ge-
folge umgeben auf einem Stuhl sitzt, dem Herkules aus seinem
sehr eigenthtimlich oben wie ein Mohnkopf geformten Trink-
hom ein. Das Hom ist an der Spitze durchbohrt zu denken
und der Strahl muss, wie man es so oft auf den Denkmälern
sieht, einen weiten Bogen beschreiben, um den Becher, den
Herkules hinstreckt, zu treffen. Die Folgen dieses Trin-
kens schildert das zweite Bild, welches das erste ring-
förmig umgiebt. Herkules ist, wie Kunst und Poesie gern
an ihm hervorheben, unmässig gewesen und muss nun trunken
wie ein Gefangener im Zuge des Bacchus einherschreiten.
Hier entfesselt sich auch die bacchische Lustigkeit, die in
dem Mittelbild gehalten war, nur dass freilich in der späten
Zeit, welcher das Denkmal angehört, nicht mehr lebensvolle
Figuren möglich waren, auch nicht einmal als Copien, denn
die meisten Gruppen und Figuren dieser Darstellung sind uns
allerdings aus früheren und schöneren Denkmälern bekannt.
Der Künstler hat in diesem Bilde beabsichtigt einen
Festzug, und zwar die festliche Heimführung der eingesam-
melten Trauben darzustellen. Der von Panthern gezogene
Wagen des Bacchus, der mit Ziegenböcken bespannte Wagen,
welcher mit Trauben beladen ist, und das Kameel, auf dem
Silen reitet (das von dem indischen Zuge des Bacchus her
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 106.
490 Mythologische Darstellungen.
ZU seinem Gefolge gehört), halten den Gedanken des Zuges
fest und zwar ist Silen, dem eine der bekannten Gemmen-
vorstellung der Venus Victrix nachgebildete Bacchantin eine
Schaale reicht, als der vorderste, gleichsam als der Herold des
ganzen Zuges zu betrachten, dessen Schluss der Wagen des
Bacchus bildet. Das Ziel aber, welchem der Zug zustrebt,
ist durch die Amoren angedeutet, die bereits beschäftigt sind^
den neugewonnenen Wein auszutreten. Zwischen den erwähn-
ten Gruppen Fahrender und Reitender wird der Gedanke des
Zuges nicht consequent festgehalten, da finden Hemmungen
statt und entfaltet sich eine freiere Lustigkeit, Tanz und Spiel
von Satyrn und Mänaden, der Kampf eines Pan mit einem
Ziegenbock u. s. w.
Eigenthümlich verziert ist der Rand der Schaale, näm-
lich n^it Goldmünzen, die man in römischer Zeit oft als
Schmuckgegenstand trug und die daher auch in dieser Weise
zur Verzierung gebraucht werden konnten. Die älteste der
16 Münzen ist die des Hadrian, die jüngste die des Cara-
calla, in der Anoriinung ist kein anderes Princip ersichtlich^
als nur dies, immer einen bärtigen Kopf mit einem unbärti-
gen, sei es jugendlichen oder weiblichen, abwechseln zu lassen^
wovon auch die Verschiedenheit der Einrahmung abhängt.
Dass die Münzen ohne bestimmte Absicht zusammengestellt
sind, sieht man auch daraus, dass mehrere derselben sich
wiederholen.
Die Schaale kann wie die Münzen zeigen, nicht vor dem
Anfang des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung ver-
fertigt sein, sie wird ihres Stils wegen aber auch nicht viel
später verfertigt sein. Allerdings ist derselbe mangelhaft genug,
und was die Figuren noch an Schönheit besitzen, ist nur die
Erbschaft einer früheren Zeit. Auch ist vieles nicht mehr
verstanden; was ein Satyr sei, davon hatte der Künstler
keinen rechten Begriff mehr. Indessen zeichnen sie sich doch
vor gleichzeitigen Arbeiten wie z. B. den Sculpturen am
Bogen des Septimius Severus aus, es ist immer noch mehr
classischer Charakter darin.
Abg. bei Miliin monnm. ined. I pl. 24 p. 225 und Gal. mythol. 126.
Milün hat übrigens die Handlung in der Scene zwischen Bacchus und
Herkules missverstanden.
791 — 794. Ära Casali**, in der zweiten Hälfte des
• In den Durchgängen zum Römischen Kuppelsaal n. 18 — 16.
Mythologische Darstelluugen. 491
17. Jahrhunderts in einem Garten zwischen Cälins und Es-
quilin gefunden, zuerst im Besitz der Familie Casali und jetzt
im Vatikan.
Die Vorderseite lehrt uns zunächst den Stifter des Wer-
kes kennen, nämlich Tiberius Claudius Faventinus, und der
EichenkranZ; welcher die Inschrift umgiebt, bezeichnet die
Veranlassung der Stiftung. Es ist die Corona civica, die ob
cives servatos gegeben wurde, deren Ertheilung den Faven-
tinus zur Stiftung dieses Werkes veranlasste. Welchem Gott
er den Altar dedicirte, kann nur aus den Reliefs geschlossen
werden.
Wir sehen nun auf der Inschriftseite die Gefangenschaft
des Mars und der Venus in den Fesseln des Vulkan dar-
gestellt. Das Paar liegt auf einem römischen Sopha, dessen
Beine in etwas roher Weise des Raumes wegen abgeschnitten
sind, Mars ist beschämt, Venus hebt klagend die gefesselte
Hand, mit ihr klagt ein Amor, ein anderer bezeigt jenem
seine Theilnahme. Rechts in der Höhe steht Vulkan, sicht-
lich zufrieden mit seinem Werk, ihm gegenüber erblicken wir
den Verräther Helios.
Die Darstellungen der übrigen drei Seiten folgen nicht
so auf einander, dass sie sich dem die Ära Umgehenden in
richtiger Folge präsentiren, man muss vielmehr von der Be-
trachtung der einen Seiteniläche zu- der andern und dann
erst auf die Rückseite übergehen. Der Grund für diese An-
ordnung kann nur in dem Zweck des Monuments gefunden
werden; wenn es sich um die Verherrlichung eines Gottes
handelte, so hätte nichts im Wege gestanden, den Relief-
schmuck in fortlaufender Reihe herumzulegen und die den
Gott betreffenden Thaten oder Schicksale der Folge der Bild-
llächen entsprechend darzustellen, es sollen aber zwei Götter
gefeiert werden, wie sich aus der Betrachtung des Einzelnen
ergeben wird.
Wir beginnen mit der Rückseite, weil die Darstellungen
derselben an sich am deutlichsten sind und auch über die
Bestimmung des Ganzen Aufschluss zu geben vermögen. Sie
ist in vier Streifen zerlegt und sondert sich hiedurch von
den nur drei Streifen enthaltenden Seitentiächen, was eben
auch darauf deutet, dass diese Fläche nicht gleichsam einen
Akt. unter mehreren darstellt, sondern ihre besondere Be-
ziehung hat. Der erste Streifen stellt die Rhea Silvia dar,
am Tiber schlafend, der mit einem Schilfstengel neben ihr
492 Mythologische Darstellungen.
sitzt, und den Mars, der mit leisem, vorsichtigem Schritt der
Schläferin naht. Die Frucht dieser Verhindung erhlicken wir
auf dem zweiten Streifen, Rhea Silvia sitzt mit ihren neu-
geborenen Zwillingen am Tiber, zwei Hirten, Abgesandte des
Amulius, kommen heran und theilen ihr den Befehl zur Aus-
setzung der Kinder mit, der die Mutter den Kopf abwenden
und — was beabsichtigt scheint — zu Mars als zu einem
Helfer in der Noth hinaufblicken lässt. Ihre Bitte ist, wie
das folgende Bild zeigt, nicht vergeblich. Es muss die Aus-
setzung der Knaben enthalten, einmal des Platzes wegen, den
es in der Reihenfolge einnimmt, sodann wegen der Anwesen-
heit des Mars, der eben nur da ist zur Andeutung, dass er
seine Kinder in der Gefahr nicht verlassen wird. Schicklich
hat man ihm ein Tropaeum in die Rechte gegeben, um eben
durch die Betonung des siegreichen Gottes die Rettung der
Kinder um so gewisser hinzustellen. Betrachtet man aber die
Figuren der beiden Hirten, so würde nach ihren Bewegungen
anzunehmen sein, dass sie die Kinder, denen sie wie in leb-
hafter Freude zueilen, nicht aussetzen, sondern wiederfinden
und auch die Geberde der Kinder wtirde am natürlichsten als
freudige Ueberraschung gedeutet. Wie dies zu reimen, wissen
wir nicht, es scheint uns am wahrscheinlichsten, ein Versehen
des Künstlers anzunehmen, der hier vielleicht ohne Vorbild
arbeitete. Wenigstens ist auch die neben dem Tiber liegende
Figur möglichst ungeschickt ausgefallen. Sie soll den Faustu-
lus darstellen, da dieser nach der Sage' die Aussetzung der
Kinder bemerkt hatte. Der letzte Streifen endlich zeigt die
Kinder an den Eutern der Wölfin, von staunenden Hirten
umgeben.
Wir dürfen den Inhalt dieser eben besprochenen Seite
dahin zusammenfassen, dass sie den Mars als Vater und
Schützer der römischen Zwillinge und damit als Urheber des
römischen Volks darstellt.
Die andern beiden unter sich zusammenhängenden Seiten
beginnen mit dem Parisurtheil, in welchem wir den Paris sich
mit lebendiger Geberde für die Venus entscheiden sehen. Die
folgenden Kampfscenen können nur als Andeutungen der
Kämpfe um Troja gefasst werden, da sie eben auf das Paris-
urtheil als auf ihre erste Veranlassung zurückgehen. Deut-
licher aber als die zunächst folgenden beiden Streifen, sind
die anschliessenden Darstellungen der gegenüberliegenden
Seite, wesswegen wir mit ihnen beginnen, in der Hoffiiung,
i
Mythologische Darstellungen. 495
dadurch auch Anhaltspunkte für die Erklärung jener Streife
zu gewinnen.
Der zweite und dritte Streifen dieser Seite hängen offen-
bar mit einander zusammen und stellen einen Trauerzug dar.
Denn voran geht der Leichenbläser mit seiner langen Tuba
und es folgen ausser trauernden Frauen Männer mit Ochsen
und Pferden, den Opferthieren, die am Grabe des Verstorbe-
nen geschlachtet werden sollen. Wessen Leichenbegängniss
gefeiert wird, sagt uns der erste Streifen, dessen Darstellung
nur auf die Schleifung Hektor's bezogen werden kann. Denn eine
andere Deutung auf Troilus können wir schon deswegen nicht
für richtig halten, weil der Tod des Troilus im Vergleich zu
dem des Hektor ein für Troja's Geschick unbedeutendes Er-
eigniss war, weil man ferner den stattlichen Leichenzug mit
der Leiche des ersten Streifens in Verbindung setzt und dann
der Tod des Troilus eine doppelte, nach dem Mythus sowohl
als auch besonders nach dem Zusammenhang dieser Darstel-
lung räthselhafte Wichtigkeit erhalten würde. Wer den
trojanischen Krieg schildern wollte, der konnte nur an die
Darstellung der wichtigsten Ereignisse denken. Man darf
sich übrigens nicht wundem über einiges Auffällige in
der Darstellung der Schleifung, nämlich über das Aussehen
des Hektor und des Achill — denn dieser, und nicht sein
Wagenlenker ist gewiss gemeint. Aehnliches kommt in
spätrömischen Werken, die nicht mehr im lebendigen Bewusst-
sein der griechischen Sage gearbeitet sind, auch sonst vor.
Der Verfertiger dieser Darstellung hat die Scene offenbar
nach Analogie einer ihm geläufigen Vorstellung, nämlich eines
Circusrennens eingerichtet, denn das vordere Gespann, wenn
es auch als ein anderer Kriegswagen neben dem des Achill
verstanden werden kann, ist doch in diesem Zusammenhang
mindestens überflüssig. Die trauernde Frau, die im Thor
erscheint, soll Andromache sein.
Wenn wir nun auf dieser Seite Hektor's Tod und Be-
stattung dargestellt sehen, so erwartet man auf den vorher-
gehenden Streifen Scenen aus dem Leben dieses Helden, denn
kein anderer Held hatte eine solche Bedeutung für Troja als
Hektor. In dem ersten der beiden Streifen wird gegen einen
durch den Beistand der Minerva als Griechen kenntlichen
Krieger um eine Leiche gekämpft, es wird die berühmteste
That des Hektor sein, der Kampf um die Leiche des Patro-
klus. Der folgende Streifen kann dann nur auf den Kampf
494 Mythologische Darstellungen.
zwischen Rektor und Achill bezogen werden, so dass in der
That die wichtigsten Ereignisse vor Troja herausgehoben sein
würden.
Fassen wir den Inhalt dieser beiden Seiten kurz zusam-
men, so ist als eine Folge des Parisurtheils der Untergang
Troja's und zwar in der Person seines Haupthelden, des
Hektor, dargestellt. Und hier ergiebt sich ein deutlicher Zu-
sammenhang mit der Rückseite, welche die Anfänge Rom's
schilderte, denn Troja's Untergang war Rom's Aufgang, und
Venus, die durch das Parisurtheil als Zerstörerin von Troja
hingestellt wird, war ja eben dadurch die Veranlassung zu
Rom's Gründung. Das neue Troja, über den Trümmern des
alten aufgebaut durch Mars und Venus, ist das Thema dieser
drei Seiten des Altars.
Nun ist auch der Zusammenhang mit der Vorderseite deut-
lich, auf welcher die beiden römischen Nationalgottheiten, die
wir auf den andern Seiten getrennt erblicken, vereinigt sind.
Zwar ist die Situation wenig ehrenvoll für sie, aber in der
Zeit, welcher das Denkmal angehört, wurde die Fabel schwer-
lich nach ernsteren, ethischen Gesichtspunkten beurtheilt.
Wir dürfen sie im Sinne jener Zeit als ein lustiges Liebes-
abenteuer auffassen, das hier, wo es darauf ankam, die beiden
römischen Nationalgottheiten zu feiern, als passendster Aus-
druck ihrer engen Zusammengehörigkeit gewählt werden
konnte. Dass der Altar dem Mars und der Venus geweiht
war, wird aus diesen Erörterungen als unmittelbare Folge
hervorgehen.
Die Ära gehört später römischer Zeit an, wir können
nicht glauben, dass der Stifter des Werks mit einem aus Ta-
citus bekannten Claudius Faventinus, der zur Zeit des Vespa-
sian lebt«, eine und dieselbe Person sei. Zunächst weist
schon der Umstand, dass griechische Mythen hier gleichsam
römisch kostümirt erscheinen, auf spätere Zeit hin, als man
von griechischer Sitte sich mehr entfernt hatte. Mars und
Venus liegen auf einem römischen Sopha, der Tubabläser des
Trauerzugs auf der einen Schmalseite ist der römischen Sitte
entnommen und auch die Scene der Schleifung des Hektor
enthielt einen Anklang an römisches Wesen. Ausserdem aber
ist die Arbeit des Ganzen schwerlich mit der Zeit Vespasians
vereinbar. Flüchtig und fehlerhaft ist zwar zu allen Zeiten
gearbeitet, aber es kommt hier zu einer grossen Rohheit der
Ausführung eine bestinmite Art der Technik, die wir erst den
Mythologische Dai*stellungeii. 495
späteren römischen Jahrhunderten zuschreiben können. Auf
der Vorderseite nämlich, die sich ähnlich wie an den Sarko-
phagen durch etwas höheres Relief und etwas sorgfältigere
Ausführung vor den anderen Seiten auszeichnet, ist der Kranz
fast nur durch einfache Bohrlöcher detaillirt, wie dies in der
späteren Zeit, namentlich in der Arbeit der Haare, gewöhnlich
ist. Auch die Theilung der Bildflächen durch Querstreifen,
wodurch die puppenartige Kleinheit der Figuren bedingt wird,
ist, wenn nicht ausschliesslich, doch vorzugsweise in der spä-
teren römischen Zeit beliebt. Wir möchten daher das Werk
lieber dem dritten als dem ersten Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung zuschreiben.
Es lässt sich erwarten, dass der Verfertiger dieses Altars
nicht überall selbständige Compositionen gegeben hat, dazu
sind mehrere Figuren, namentlich der zur Rhea Silvia schlei-
chende Mars, zu gut erfunden. Wir kennen auch diese und
andere Figuren der Ära schon aus viel früheren Monumenten.
A.bg. und ausftilirlich erörtert bei Wieseler, Ära Casali, (löttingeu
1844, wo nur zu viel feine Absichten luid Kenntnisse dem Künster zu-
getraut werden, die der Verf. jetzt vielleicht nicht mehr betonen wird
und auch schwerlich aufgestellt haben wiirde, wenn er nach dem Ori-
ginal oder nach einem Abguss gearbeitet hätte. Ausserdem kann ich
Wieseler's Ansicht, wonach der Altar dem Vulkan gewidmet sei, nicht
tiieilen. Denn nur die Vorderseite geht den Vulkan an und auch hier
ist er eine untergeordnete Person. Die Schleifung des Hektor beziehen
Jahn luid Michaelis (Arch. Ztg. 1864 p. 126 ff.) auf Troilus, aber ab-
gesehen von den im Text angeführten Gründen und von Wieseler's
Grund, dass der Wagenlenker dann nicht zu erklären sei, so scheinen
mir die dagegen angeführten Bedenken nicht entscheidend. Denn wenn
Pelops auf dem von Michaelis augeführten Sarkophag bärtig und in
römischem Panzer dargestellt ist, so ist auf einem Werk, das ebenfalls
griechisch«' Mythen in römischem Costüm vorführt, auch nicht an einem
unbärtigen Hektor und an seiner luid des |Achill Tracht Anstoss zu
nehmen.
h) Genre und historische Darstellungen.
795. Knäbchen mit der Ente*, Marmorstatue; wo das
Original sich befindet, wissen wir nicht. Auch die Ergän-
zungen kömien wir nicht genauer angeben, sie sind aber
jedenfalls bis auf den Kopf der Ente, der in andern Exem-
plaren nach oben gerichtet ist, getroffen.
Im Saal der Thiere und Broncen n. 6.
496 Genre iind historische Darstellungen.
Die Pointe dieser oft wiederholten Darstellung ist die^
dass das Knäbchen in seiner Absicht, sich zu erheben, wozu
es auch mit Hand und Mund nach Hülfe verlangt, seinen
Spielkameraden, die Ente, natürlich ohne es zu wollen, un-
barmherzig presst. Der Kopf des Thieres war, wie schon
bemerkt, hinauf gerichtet, nach Luft schnappend.
Mehrere Wiederholungen dieser Figur dienten als Brun-
nenfiguren, denn im Schnabel der Ente fanden sich noch die
Löcher, aus denen das Wasser herausspritzte. Für eine solche
Aufstellung ist auch die Gruppe componirt, denn der Knabe
konnte die Ente doch nur am Wasser treffen. Vermuthlich
hatte auch dieses Exemplar dieselbe Bestimmung.
Der Stil ist vortrefflich, die weichen Banderformen sind
sehr schön wiedergegeben. Ob ein früheres griechisches
Original zu Grunde liegt, müssen wir dahin gestellt sein
lassen.
Die zahlreichen Wiederholungen dieses Typus sind aufgezählt und
besprochen von 0. Jahn Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1848 p. 41.
Vgl. Stephani Compte-rendu p. l'annee 1863 p. 55. Die von letzterem
verglichene Vase bei Panofka cabin. Pourtales pl. 28 ist übrigens doch
ziemlich verschieden.
796. Knabe mit dem Krug*, Fragment einer Mar-
morstatue; wo das Original sich be&idet, wissen wir nicht
Diese öfter wiederholte anmuthige Figur scheint an einem
Bassin aufgestellt gewesen zu sein, in welches das Wasser
aus dem Kruge des Knaben hinabfloss.
Vgl. die ähnliche Figur in München, die von Schom Catalog zur
Glypthothek n. 121 Hylas genannt wird, der aber nicht Wasser aus-
giesst, sondern schöpft. Ein anderes Exemplar, vielleicht das unsrige,
befindet sich im Capitol.
797. Camillus*, Broncestatue im capitolinischen Mu-
seum, bis auf die Attribute völlig unversehrt erhalten.
Auf römischen Keliefs, welche Opferhandlungen vor-
stellen, finden wir oft eine dieser Bronce entsprechende Figur,
die wir nach dem Zusammenhang als Camillus bezeichnen
müssen, d. h. als einen ministrirenden Knaben, der die Opfer-
geräthe trug und zur Dienstleistung des Opfernden bereit
war. Auch diese capitolinische Figur hielt ursprünglich
Opfergeräthe in den Händen, wie die Bewegung derselben
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 8.
** Im Römischen Saal n. 116.
Gl'iut und historische Darstellungeu. 497
anzeigt, die Schaale in der rechten, die sie dem Opfernden
graziös präsentirt, und die Weinkanne in der linken. Man
nahm zu dem Amt des Camillus nur vornehme Knaben und
einen solchen lässt auch der feine Anstand im Benehmen
der Figur erkennen.
Wir besitzen in dieser Figur, die schon im Alterthum
Ruf gehabt zu haben scheint, da mehrere Wiederholungen
derselben vorhanden sind, ein unzweifelhaft römisches Werk.
Es ist eben eine aus römischer Sitte genonmiene Darstellung.
Gewiss aber gehört die Statue der besten römischen Zeit, dem
Anfang der Kaiserherrschaft an. Denn sie ist mit höchster
Eleganz und Sauberkeit ausgeführt, und eine kleine Zuthat
anmuthiger Nachlässigkeit, die sich namentlich im Fall des
Gewandes über den Gürtel ausdrückt, erhöht sehr den Reiz
des Werkes.
Die Naht der Aermel ist fein verziert und das eigent-
liche Gewand ist an beiden Seiten von der Schulter abwärts
mit feinen aber doch auch im Abguss bemerkbaren Streifen
durchzogen, wie man sie oft in kleinen Broncen, manchmal
von Silber eingelegt, bemerkt. Auch sie sind nur Verzierungen
der Naht. Endlich sind auch die Schuhe mit Verzierungen,
zum Theil von Silber eingelegt, bedeckt.
Abg. Righetti il museo del Campidogiio I, 33. Uebereiiistimnieude
Figuren liiidet man z. ß. auf den Reliefs bei Winckelmann mon. ined.
178. Annali 1858 tav. K. Vgl. E. Braun Ruinen und Museen p. 142.
Becker GuUus II, 22.
798. Isisp riesterin*, in Neapel gefunden, zuerst im
Besitz des Grafen Sinzendorf, jetzt in Wien. Das Gewand ist
von schwarzem, das Nackte von weissem Marmor, die Arme
sind ergänzt, vermuthlich aber nicht unrichtig.
Wir behalten die hergebrachte Benennung bei, ohne zu
verkennen, dass die Figur ebensowohl eine Isis wie eine Isis-
priesterin sein kann. Es ist dies eben schwer zu entscheiden,
weil wie in einigen andern Culten, so auch in dem der Isis,
die Priesterin in dem Habitus ihrer Göttin erschien.
Charakteristische Merkmale der Isis sind das mit Franzen
besetzte Obergewand und das Arrangement desselben, nament-
lich der Knoten zwischen den Brtisten. lieber der Stirn
trägt sie die Mondscheibe und darüber, wie es scheint, die
Lotosblume. Auch die zierlich gedrehten Locken finden sich
* Im Römischen Saal n. Gl.
Friederichs, griech. Plastik. 32
498 Genre und historische DarsteUnngen.
an andern Isisdarstellungen. Die ergänzten Attribute sind in
der Linken die Situla, der Krug mit Nilwasser, und in der
Kechten wenigstens eine Andeutung des Sistrum, eines im
Isiscult gebräuchlichen Lärminstrumentes.
Die Arbeit ist nicht schlecht, aber die Verbindung de&
schwarzen und weissen Marmors ist ein Zeichen späteren Ge-
schmacks.
Vgl. V. Sacken und Kenner, die Sammlungen des K. K. Münzeabinetfr
p. 39 n. 157. Visconti Mus. Pio-Clem. VI, zu tav. 16. 17. VII, zu
tav. 19.
799. Hirtin mit einem Böcklein*, Marmorstatue, aus
der Chigi'schen Sammlung nach Dresden gekommen. Ergänzt
sind, der Kopf, beide Vorderarme nebst einem Theil des in
die Höhe gezogenen Felles, der untere Theil des rechten Bei-
nes und das linke vom Knie abwärts, auch der Kopf des
Thieres und der Stamm.
Der Ergänzer hat diese Figur zu einer Bacchantin er^
gänzt, wofür allerdings das Fell und die entblösste Brust zur
Begründung angeführt werden können. Um so auffallender
aber ist das aufgeschtirzte Gewand, auch die Stellung und die
ganze Situation wäre singulär. Man hat daher an eine Diana
gedacht, die aber wohl durch bestimmte Kennzeichen bezeich-
net sein und vielleicht auch ein andres Thier tragen würde.
Am wahrscheinlichsten scheint uns, dass die Figur genreartig
aufzufassen, als eine Hirtin, die ein Böcklein zum Verkauf
trägt.
Das Werk ist seiner Erfindung und Ausführung nach
ziemlich unbedeutend und gehört wohl erst römischer Zeit an.
Abg. Augusteum II Taf, 53. Vgl. Hettner, Die Bildw. d. KgK
Antikensammlg. n. 277.
800. Weinbereitung**, Marmorrelief in Villa Albani.
Auf keinem andern Relief ist die Bereitung des Weins
so ausfflhrlich dargestellt wie auf diesem, das sich auch in
der Wahl der Personen dem Leben anschliesst, indem hier
nicht, wie gewöhnlich, Satyrn, sondern Landleute die Handeln-
den sind. Am linken Ende der sehr symmetrischen Compo«
sition werden die Trauben in geflochtenen Körben theils heran-
getragen, theils schon in den grossen Keltertrog hineinge-
* Im Römischen Saal n. 17.
♦♦ Ebendas. n. 48.
Genre und historische Darstellungen. 499
schüttet, in welchem sie von drei sich anfassenden Männern
im Kundtanz ausgetreten werden. Die folgende Figur ist be-
schäftigt, den Most, der aus dem Trog in ein niedrigeres und
kleineres Gefäss abfliesst, mit einer Kanne in einen grösseren
aus Weiden geflochtenen Krug zu füllen, den wir uns aber
inwendig sorgfältig verpicht zu denken haben, wie es auch
nach unsem Nachrichten der Fall war. Einen solchen Krug
schüttet endlich die letzte Figur in ein grosses Fass aus, in
welchem der Most zum Wein werden soll. Noch ist ein ne-
ben den Kelternden befindliches Geräth zu erwähnen, nämlich
eine Kelterpresse zum Auspressen dessen, was beim Austreten
übrig blieb. Man bemerkt zwischen den Balken das Gewicht,
welches durch die um den mittleren Cylinder gewickelte Schnur
nach Bedarf höher und niedriger gehoben werden konnte.
Die Presse hat übrigens gerade hier ihre richtige Stelle, da
nach der antiken Praxis der durch sie ausgepresste Saft in
dasselbe Gefäss mit dem durch Austreten gewonnenen hinein-
fliessen. musste.
Das Relief hat unzweifelhaft zur Einfassung eines halb-
kreisförmigen Bassins gedient. Die Oberfläche des Originals
ist canalarti§ ausgehöhlt, vielleicht um Blumen hineinzupflanzen.
Abg. und erklärt von Zoega bassiril. I zu tav. 26. In den Titus-
thermen befindet sich ein ganz ähnlich gestalteter tiur grösserer Marmor.
801. Gruppe von drei Greisen*, Eelieffragment, das
sich zu Winckelmann's Zeit in Kom befand; wo es jetzt ist,
wissen wir nicht.
Die Bedeutung dieser schön gearbeiteten Figuren ist uns
verborgen, sie war auch Winckelmann verborgen. Dass das
Relief römischer Zeit angehört, beweist der Panzer, den die
eine der Figuren trägt.
Abg. Winckelmann monum. ined. n. 162.
802. Büste des Cicero**, im Museum zu Madrid. Die
rechte Schulter ist neu.
Nach der Inschrift ist hier der Redner in seinem 64.
Jahre, also kurz vor seinem Tode porträtirt. Es ist die le-
bensvollste unter allen Büsten des Cicero und daher gewiss
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 315.
** Im Römischen Saal n. 92.
32
500 Genre und historische Darstellungen.
entweder selbst nach dem Leben gemacht oder von einem
solchen .Original abstammend.
Abg. bei Hühner, Die antiken Bildwerke in Madrid, Titelkupfer.
Vgl. ebendas. p. 115 n. 191.
803. Kopf des Cäsar*; wo das Original sich befindet,
wissen wir nicht.
804. Kopf des jugendlichen Augustus**, 1808 bei
den Ausgrabungen, die der englische Consul Fagan in Ostia
veranstaltete, gefunden, im Vatikan befindlich.
Ein berühmtes und fein gearbeitetes Werk.
Abg. Mus. Chiaramonti II, 26. Vgl. Braun Ruinen und Museen
p. 270.
805. Desgl.***, in Madrid befindlich, von etwas reiferem
Alter und weniger schön.
Vgl. Hübner p. 227 n. 502.
806. Opfer zu Ehren des Cäsar und Augustus****,
Marmorreliefs in San Vitale zu Ravenna.
Die am weitesten nach rechts stehende Figur des grös-
seren Fragments ist Augustus im Costüm des Jupiter und als
Herr des Erdballs, auf welchen er den Fuss setzt, dargestellt,
das Haupt mit der Corona civica geschmückt, die ihm als
bleibendes Ehrenzeichen zuerkannt war, in der Rechten ur-
sprünglich das Scepter haltend. Ihm zunächst steht Venus
mit dem Amor, und neben ihr die durch den Stern über der
Stirn, das Julium sidus wie auf den Münzen, als Cäsar charak-
terisirte Gestalt. Als divus ist er sehr jugendlich dargestellt.
Die folgende Figur wagen wir nicht zu benennen, doch scheint
sie im Gegensatz zu den anderen ideal gehaltenen Figuren
eine Person des Lebens, vermuthlich den herrschenden Kaiser
darzustellen. Man hat sie für Claudius erklärt.
Auf dem anderen Fragment wird ein nach römischer
Sitte mit einer Binde behangener Opferstier zum Altar geführt.
Da die beiden Fragmente zusammengehören und jenes offen-
bar in den Personen des Cäsar und August den Mittelpunkt
* Im Römischen Saal n. 104.
** Ebendas. n. 93.
*** Ebendas. n. 91.
**** Im Niobidensaal n. 121. 122.
Genre und historische Darstellungen. 501
der ganzen ursprünglichen Composition enthält, so wird das
auf diesem dargestellte Opfer zu Ehren der beiden Herrscher
dargebracht sein.
Die Reliefs sind schön gearbeitet und die verstümmelte
weibliche Figur zur Linken macht ganz den Eindruck eines
griechischen Werkes. Sie zierten vermuthlich die Basis eines
dem Cäsar und August errichteten Ehrendenkmals.
Abg. und erklärt v. Conze, Die Familie des Augustus, Programm
zur Begrüssung der Philologenversammlung v. J. 1867, dessen Er-
klärung übrigens in mehreren Punkten von J. Friedländer in einem
nächstens in der Archäologischen Zeitimg erscheinenden Aufsatz be-
stritten wird, dem ich mich anschliessen musste.
807. Sogenannter Germanikus*, Marmorrelief in
Dresden, aus der Chigi'schen Sammlung.
Sehr wahrscheinlich ist dies Relief der Schlussstein im
Innern eines Bogens. Wir wissen nicht, wer in der Büste,
welche durch die Kranz und Palmen tragenden Viktorien als
die eines Siegers bezeichnet wird, gemeint sein mag. Die Be-
nennung Germanikus ist unbegründet.
Abg. Augusteum III Taf. 123. Vgl. H«ttner Antikensammlg. zu
Dresden n. 363.
808. Grabstein des Marcus Caelius**, 1633 bei
Xanten gefunden und im Museum zu Bonn befindlich.
Die römischen Grabsteine unterscheiden sich von den
griechischen (n. 357 ff.) hauptsächlich in folgenden drei Punkten.
Jene begnügen sich sehr oft mit der Halbfigur oder Büste
des Verstorbenen, während diese fast immer die ganze Ge-
stalt geben. Vielleicht ist dies noch eine Nachwirkung der
altrömischen Sitte, nur die Gesichtszüge des Verstorbenen in
einer Wachsmaske aufzubewahren. Sodann werden die Fi-
guren auf römischen Grabsteinen, auch wenn es ganze Fi-
guren sind, sehr oft handlungslos, nur figurirend und en face
dargestellt, während die Griechen wie wir sahen, Handlungen
darstellten und die Figur, wie es für den Reliefstil ange-
messener ist, ins Profil stellten. Endlich aber ist der ganze
Charakter der römischen Grabsteine realistischer, der histo-
rische Charakter des Denkmals wird vorangestellt, während
bei den Griechen das Historische oft zu Gunsten des Poeti-
schen geopfert wird.
f In den Durchgängen zum römischen Kuppelsaal n. 18.
** Im Griechischen Hof n. 9.
502 Genre und historische Darstellungen.
Der vorliegende Grabstein ist sehr geeignet, diese all-
gemeinen Bemerkungen zu bestätigen. Er ist, wie die In-
schrift angiebt, einem im Varianisclien Kriege gefallenen Sol-
daten gesetzt, wahrscheinlich einem Centurionen, dessen
Abzeichen, den Rebstock, wenigstens die Figur trägt. Der
Soldat ist reich mit militärischen Dekorationen bedeckt, auf
dem Haupt trägt er die Corona civica, die ob cives servatos
gegeben wurde, auf der Brust zwei Ringe, armillae, und an
Kreuzbändern befestigt fünf Phalerae, die unsern Orden zu
vergleichen sind. Man hat die Darstellungen auf den letz-
teren aus' dem Gesichtspunkt der Apotropaia, der Schutz-
mittel gegen böse Einflüsse, wie sie der Aberglaube annahm,
zu erklären gesucht, und allerdings würden das Medusenhaupt
und der Löwenkopf diesem Zweck entsprechen, nicht aber die
beiden bacchischen Köpfe. Die Löwenköpfe auf den Schul-
tern übrigens sind wohl zur Befestigung der Riemen auf den
Schultern bestimmt.
Neben der Hauptfigur sind auf Pfeilern zwei Büsten auf-
gestellt, die nach der Inschrift Freigelassene des Gaelius waren
und vermuthlich mit ihm im Kriege fielen*.
Abg-. Lindenschmit , Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeh
H. VI Taf. 5 mit Erklärung. Vgl. 0. Jahn, Die Lauersforter Phalerae,
Winckelmannsprogramm von Bonn 1860. Henzen Annali 1860 p. 205.
* Es wird genügen, einige verwandte Grabsteine römischer Sol-
daten aus späterer Zeit und von sehr geringem Kunstwerth in einer
Anmerkung zu erwähnen. Sie befinden sich im Griechischen Hof und
sind im Catalog mit n. 10 — 13 bezeichnet. Der erstere ist der Denk-
steui des Cn. Musius, Adlerträgers der 14. Legion, von seinem Bruder
M. Musius gesetzt. Die Bewaffnung, der Kettenpanzer, der lederne
Waifenrock, der Gürtel, dann die phalerae, armillae und der Legious-
adler sind sehr anschaulich dargestellt, die Arbeit aber ist schon ganz
roh. Der Stein befindet sich in Mainz und ist abg. bei Lindenschmit,
Alterth. unserer heidn. Vorzeit IV, 6. Die anderen drei Steine sind
entfernte Abkömmlinge der schönen zu n. 357 erwähnten griechischen
Grabsteine, auf welchen der Verstorbene in einer glänzenden Waifen-
that dargestellt ist. Die ersten beiden, der des C. Romanius und des
Dalmatiers Andes, befinden -sich beide in Mainz, der dritte, der dem
Q. Carminius Ingenuus, dem signifer der ala Hispanorum gesfetzt ist,
auf dem Stadthaus zu Worms. An dem letzten ist das eigenthümliche
Signum bemerkenswerth, an dem des Andes die Gestalt des unter dem
Pferde liegenden Germanen mit dem gekrümmten Schwert, dem spitzen
Bart, dem in einen Schopf zurückgebundenen Haar imd der Hosen-
bekleidung, die sich auf den Reliefs der Trajanssäule (n. 820) und sonst
wiederholt. Vgl. die Abbildungen und Erklärungen bei Lindenschmit
a. a. 0. ni, 7 und XI, 6.
Genre und historische Darstelhiugeii. 503
Die Inschrift lautet: Marco Caelio, T(iti) f(ilio), Lem(oiüa), Bon(oiiia) ..u
leg(iouis XIIX, ann(orum) LIII s(einis). (ce)cidit hello Variano. ossa
infen'e licohit. Publlus Caelius T(iti) flfilius) Leni(onia) frater fecit.
809. Sogenannte Thusnelda*, Marmorstatue, aus
Palast Capranica in Villa Medici und von dort nach Flo-
renz versetzt, wo sie in der Loggia de' Lanzi steht. Ergänzt
ist die linke Hand und der rechte Vorderarm fast vom Ell-
bogen an.
Die Bezeichnung dieser Statue als Thusnelda ist nur in so-
weit begründet, als unzweifelhaft eine Deutsche dargestellt ist.
Dies beweist die Form der Schuhe. Aber da jeder porträt-
artige Zug fehlt, so hat man die Statue mit mehr Recht als
eine Germania devicta bezeichnet.
Die Statue ist würdig mit Tacitus Germania verglichen zu
werden, sie ist ein gleich schönes Denkmal, das ein Römer
der germanischen Nation gesetzt hat. Der Künstler hat eine
reife Jungfrau gebildet, denn nur als eine solche, als eine
Heldenjungfrau, die den Kampf nicht scheut, konnte Germania
gebildet werden. Ihr hoher Wuchs überragt das Maass des
Südens und erinnert an das Wort des Tacitus, in dem er
seine Bewunderung der hochgewachsenen germanischen Ge-
stalten ausspricht. Sie trauert zwar Über das Unglück ihres
Vaterlandes, sie ist so ganz in ihre Trauer versunken, dass
sie auch des gelösten Gewandes, das ihre Brust entblösst
hat, nicht achtet, aber dieser tiefe Schmerz ist voll Adel und
auch nur der Ausdruck einer hohen Gesinnung.
Die Veimuthung, dass die Statue durch den Triumph
■des Germanicus über die Deutschen veranlasst und ein
Siegerdenkmal geziert habe, ist mehr als wahrscheinlich.
Abfi:. Mnnum. d. inst. III, tav. 28. Vgl. Göttling Annali XIII p. 58.
Brunn Gesch. d. griech. Künstl. I p. 453.
810. Sogenannte Omphale**, Marmorkopf, der in
Ostia gefunden sein und sich jetzt in England befinden soll.
Die Benennung Omphale ist wohl durch die fellartige Kopf-
bedeckung veranlasst, die man für ein Löwenfell angesehen hat.
Aber selbst wenn dies deutlich wäre, so wäre der tief
schmerzliche Ausdruck bei einer Omphale nicht zu verstehen.
* In Ermangelung eines üypsabgusses ven^'eisen wir einstweilen
auf die Marmorcopie der Statue vor der Orangerie in Potsdam.
**
Im (lewerbeinstitut.
504 Genre und historische Darstelhnigen.
Nach unserer Meinung hat der Kopf einen unhellenischen Cha-
rakter und würde für eine edle Barbarenfrau nach Art der
Thusnelda passend sein. Die Trauer wäre bei dieser An-
nahme eben so erklärlich wie die fremdartige Kopfbe-
deckung.
Welcker Akad. Mus. n. 175^ nennt den Kopf zweifehid Omphale,
0. Jalin Soph. Electra (wo auch ein Holzschnitt des Kopfes gegeben ist)
p. lOr findet in ihm den Charakter einer Antigone oder Electra.
811. Opfernder Römer*, Marmorstatue, die aus Grie-
chenland in den Besitz der Familie Giustiniani zu Venedig
• gelangt sein soll und durch Clemens XIV für den Vatikan
angekauft wurde. Der Kopf ist antik aber nicht zugehörig, er-
gänzt sind beide Hände mit der Schaale, die Ergänzung der
Rechten ist gewiss richtig, die der Linken fraglich.
Die Figur stellt einen vornehmen mit der Toga beklei-
deten Römer dar, im Begriff die Opferschaale über den Altar
auszugiessen. Die Toga ist über den Kopf gezogen, wie es
der römische Ritus erforderte, den Virgil dadurch motivirt^
dass der Opfernde vor aller Störung von aussen geschützt
sein sollte. Materiell freilich genügt dieser Schutz nicht^
wohl aber ist die Verhüllung des Hinterhauptes ein ausdrucks-
volles Symbol, wodurch der Opfernde concentrirter, gesammelter
und zugleich feierlicher, würdevoller für die heilige Handlung
erscheint.
Die Statue ist recht geeignet, eine Vorstellung von dem feier-
lichen Charakter der römischen Tracht zu geben, jede grie-
chisch gekleidete Gestalt sieht schlicht und einfach aus
gegenüber den reichen Faltenmassen der Toga, die hier sa
ausgezeichnet behandelt sind, dass die Statue mit. Recht als
eine der vorzüglichsten römischen Gewandstatuen betrachtet
wird.
Abg. Visconti Pio-Clem. 3, 19 p. 91. Vgl. E. Braun Ruinen p. 462,
812. Jüngere Agrippina**, Marmorstatue, mit den Far-
nesischen Schätzen nach Neapel gekommen. Ergänzt sind die
Stuhlbeine, die hier im Abguss ganz fehlen, und die Fuss-
bank, an der Figur selbst die Nase, die beiden Hände und
die vordere Hälfte der Füsse.
* Im Römischen Saal n. 4.
** Im Römischen Kuppelsaal n. 11,
Genre und historische Darstellungen. 505
Es ist die jüngere Agfippina, die Gemahlin des Clau-
dius und Mutter des Nero dargestellt, deren Physiognomie
und Haartracht die Münzen dieser Kaiserin uns überliefert
haben.
Der Künstler hat die Kaiserin in höherem Alter und in
dem Ausdruck schmerzlichen Sinnens, trauernder Resignation
dargestellt, aber zugleich mit dem edelsten Anstände, denn
es ist in der That keine Falte des Gewandes freier oder
nachlässiger, wie es Trauernden so natürlich wäre, angeord-
net, sondern die ganze Gestalt ist bis ins kleinste Detail
einem königlichen Charakter angemessen.
Der Charakter der Agrippina, wie er uns geschichtlich
überliefert, ist nicht so anziehend, wie ihre Statue, und doch
ist ein Umstand ihres Lebens von tragischem Interesse, der
auch, wie wir vermuthen, den Künstler zu dieser Auffassung
veranlasst hat. Wir meinen das Verhältniss der Kaiserin zu
ihrem Sohn Nero, dem die Mutter den Thron verschafft hatte,
um schliesslich durch ihn vernichtet zu werden. Die schmerz-
lichen Gedanken, von denen die alternde Kaiserin erfüllt ist,
würden durch diese Voraussetzung ihre Erklärung finden.
Die Statue gehört zu den edelsten Porträtdarstellungen
der alten Kunst, unter den Werken der römischen Zeit aber
kommen ihr nur sehr wenige gleich.
Abg. Mnseo borbon. 111,22. Clarac pl. Q29. An die ältere Agrip-
pina, (leren Kopf und Haar ganz verschieden ist, hätte nie gedacht
worden sollen. Das Ri(flitige sah Visconti Op. var. I, 127. Vgl. Meyer
z. Winik. XI, 3 §. 3.
813. Sogenannte Clytie*, Marmorbtiste, von Townley
1772 der Familie Laurenzano in Neapel, in deren Besitz sie
lange gewesen war, abgekauft und mit dem übrigen Town-
ley^ sehen Besitz ins britische Museum übergegajigen.
Die Benennung Clytie rührt daher, weil man den Kranz,
aus dem die Büste hervorgeht, aus Blättern der Sonnen-
blume, in welche nach Ovid's Dichtung Clytie verwandelt
wurde, zusammengesetzt glaubte. Allein der Kopf ist Porträt
und der Blattkranz hat keine materielle Bedeutung, sondern
nur den formellen Zweck, eine schönere Verbindung zwischen
Basis und Büste herzustellen, die nun wie eine Blüthe "aus
den Blumen des Kelchs auftaucht. Auch an einigen andern
* In Tegel.
506 , Genre und historische Darstellung^en.
Büsten findet sich dies Motiv, besonders häufig aber an Tisch-
iind Sesselfüssen, die nach unten in einen Thierfuss, nach
oben in einen Thier- oder Menschenkopf enden und an der
Verbindungsstelle dieser beiden Elemente von dem Blatt-
kranz umgeben sind. Vermuthlich ist die Malerei hierin der
Plastik vorangegangen, man findet wenigstens schon auf Vasen-
gemälden, allerdings erst im spätesten Stil derselben, ähnliche
Motive.
Diese Verbindung von Büste und Basis war in unserm
Fall um so nothwendiger, weil die Büste nicht als Büste
componirt sondern offenbar von einer Statue genommen ist,
und zwar von einer Statue, die ungefähr die Haltung und
Stimmung der eben besprochenen Agrippina haben mochte.
Der Kopf ist wie gesagt Porträt und höchst ausdrucks-
voll und anziehend; das Werk gehört zu den schönsten, die
aus römischer Zeit auf uns gekommen sind.
Abg. EUis Tüwnley gallery II, p. 20. Vaux hAndbook lo the brit.
mus. p. 192. In den Sitzung-en der hiesigen archäologischen Gesell-
schaft von diesem Jahr (Arch. Anz. 1867 p. 55. 58) wurde die Aecht-
heit der Büste von künstlerischer Seite angefochten, was für mich nicht
überzeugend war; Hübner versuchte nach Münzen eine individuelle Be-
nennung der Figur, ohne zu einem sicheren Resultat zu kommen. In
Betreff des Blattkranzes vgl. die athenische Büste bei Pervanoglu, die
Grabsteine der alten Gr. p. 28 und mehrere römische, die Visconti Pio-
Clem. VI. zu tav. 47 anführt, ausserdem n. 955 ff.
814. Kopf des Nero*, von Marmor, 1740 von Athen
nach London gebracht, wo er sich im britischen Museum be-
findet. Die Nasenspitze ist neu.
Das tief auf den Nacken hinabreichende Haar war dem
Nero, wie wir wissen, auch im Leben eigen.
Abg. Marbles of the brit. mus. X pl. 6. Ellis, Townley gallery
II, p. 29.
815. Colossaler Kopf des Vespasian**, von Marmor,
mit den Famesischen Alterthümern nach Neapel gekommen.
Abg. Museo borbon. XIII, 24, wo er irrthümlich Titus genannt wird.
816. Colossaler Kopf des Titus***, von Marmor, in
Villa Albani befindlich.
•Vgl. Beschreibg. Roms III, 2, 4G4.
* Im Römischen Saal n. 119.
** Im Römischen Kuppelsaal n. 9.
*** Ebendas. n. 5.
Genre und historische Darstellungen. 507
817. 818. Römische Damen*, Mutter und Tochter,
Marmorstatuen aus Herkulanum, im J. 1706 oder 1711 oder
1713 gefunden, als man den Brunnen eines Privathauses aus-
grub. Die Statuen haben die Veranlassung zur Auffindung
Herkulanums gegeben, wenn auch die Ausgrabungen erst
dreissig Jahre später weitergeführt wurden. Sie gelangten
zuerst nach Wien in den Besitz des Prinzen Eugen von Sa-
voyen und wurden von dessen Erben im J. 1736 an König
August III. verkauft und in Dresden aufgestellt, wo sie sich
noch jetzt befinden.
Die Statuen, die früher Vestalinnen genannt wurden,
sind unzweifelhaft Porträtstatuen vornehmer Römerinnen und
zwar einer Mutter mit ihrer Tochter. Die erstere trägt als
Matrone den Kopf bedeckt, die letztere ist durch den offenen
Kopf als Jungfrau charakterisirt, beide aber machen durch
die Gewandung und Haltung der Arme den Eindruck der
höchsten Zucht und Anmuth. Der römische Künstler, der
diese Statuen bildete — denn sie scheinen von einer Hand
gearbeitet — hat sie indessen nicht selbständig erfunden,
sondern nach griechischen Originalen copirt.
Abg. Augusteum Taf. 19—22. 33. 34. Vgl. Hettner Die Bildw.
d. Kgi. Antikensammlg. zu Dresden n. 259. 260. Mit der Tochter
stimmr. überein die von Lord Elgin aus Theben mitgebrachte Figur bei
Eliis," Elgin marbles U p. 122, die Mutter wiederholt sich in einer Terra-
kotta aus der Krim, Antiq. du Bosp. Cim. Titelbild, I p. 5.
819. Porträtstatue einer jungen Römerin**, von
Marmor, in Rom gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ge-
funden und im Louvre befindlich. Die linke Hand ist er-
gänzt.
Die junge Dame ist, wie es scheint, im Begriff, den
Zipfel des Mantels, den sie mit der Rechten gefasst hat, über
die linke Schulter zu werfen, wie die gewöhnliche Tracht es
erforderte. Es ist allerdings ungewöhnlich, eine Porträtfigur
in einer solchen Handlung begriffen darzustellen.
Die Statue ist elegant gearbeitet, eigenthümlich aber ist,
dass der rechte Fuss ganz verschwindet.
Abg. Clarao pl. 300. Visconti Op. var. IV, tav. 35 p. 233. ..
* Im Saal des Barberinischen Fauns u. 2. 3.
** Im Römischen Saal n. 23.
508 Genre und historische Darstelhingen.
820-^828. Reliefs von der Trajanssäule in Rom*,
Die Trajanssäule ist bis auf das Standbild des Kaisers, dessen
Träger sie war, noch ziemlich unversehrt erhalten. Sie er-
hebt sich über 100' hoch und ist mit einem spiralförmig
umlaufenden und nach oben, um besser gesehen zu werden,
allmählich breiter werdendem Reliefbande verziert, auf dem
die Siege Trajans über die Dacier, zu deren Verewigung die
Säule errichtet wurde, dargestellt sind. Von der Länge dieses
Bandes mag die Angabe einen Begriff geben, dass allein an
menschlichen Figuren etwa 2500 vorhanden sind. Wir ver-
suchen zuerst uns über die hier vorhandenen Proben zu
Orientiren, um dann noch einige Bemerkungen über das Ganze
anzuknüpfen.
Gleich aus dem Anfang der Darstellung ist die Figur
des Donaustroms** genommen, der mit halbem Leibe aus den
Fluthen hervorragend dargestellt ist. Man denke sich über
und rechts von ihm eine befestigte Stadt hinzu, aus deren
Thor das römische Heer die über seine Fluthen geschlagene
Schiffbrücke betritt, und man wird die Miene des Unmuths
verstehen, die sein Gesicht zeigt.
Die folgenden zwei Tafeln*** bilden den Schluss des
ersten grösseren Abschnitts. Die Scene wird, wie dies über-
haupt auf der ganzen Säule der Fall ist, durch zwei Bäume
abgeschlossen und enthält einen Angriff der Dacier auf ein
römisches Castell, das am Fluss liegt. Offenbar ist es ein Ueber-
fall zur Winterszeit, welche die Römer eben in ihren Castellen
abwarteten, und die mit den Wellen des Flusses kämpfenden
Dacier sind durch das Eis gebrochen und müssen nun vor
den Augen der jammernden Gefährten, die glücklich hinüber-
gekommen sind, umkommen. Unter den letzteren befinden
sich auch zwei Standartenträger mit dem Drachen, dem daci-
schen Feldzeichen. Das Oasteil wird auf der einen Seite von
dacischen Bogenschützen und zugleich mit dem Mauerbrecher,
dem Widder, angegriffen, von der andern Seite kommt ein
parthisches Hülfscorps der Dacier, sogenannte cataphractarii,
Mann und Ross ganz mit einem Schuppenpanzer bekleidet, heran.
Die Wurfspeere der Römer sind nicht angegeben, wie über-
haupt auf der ganzen Säule die Waffen meistens fehlen, da
* Im Römischen Kuppeisaal n. 15 — 23,
** n. 18.
*** n. 15 a. b.
Geure und historische Darstellungeü. 509
die Allgabe der Bewegung vollkommen genügt, um die Hand-
lung deutlich zu machen.
Die folgende Platte* schlicsst fast unmittelbar an die
eben betrachteten an und bezeichnet den Anfang eines neuen
Abschnitts; nämlich die Rückkehr des Kaisers zum Heer, das
er während des Winters verlassen hatte. Er hat sich ein-
geschifft und führt selbst, wie er es oft gethan haben soll,
das Ruder des Schiffs, das durch eine Kajüte und reichere
Verzierungen — man bemerkt am Vordertheil Amoren auf
Seethieren — ausgezeichnet ist. Darüber sieht man ein
anderes Schiff, worin eine stehende und gestikulirende Figur
auffällt, offenbar derjenige, der den Ruderern den Takt an-
zugeben hatte. Von der folgenden Scene, welche die Aus-
schiffung enthielt, sieht man noch einige Soldaten, die das
Gepäck aus den Schiffen herausholen. Zu bemerken ist noch,
dass der im Wasser unter dem Schiff des Kaisers befindliche
oblonge Einschnitt von einem der Fenster herrührt, welche
die im Innern der Säule sich hinaufwindende Treppe er-
leuchten.
An diese Scene schliessen sich nach geringem Zwischen-
raum die folgenden Platten an**, die mit einer halben Scene
beginnen. Man erblickt eine Abtheilung des parthischen
Hülfscorps auf der Flucht vor der (hier nicht sichtbaren) rö-
mischen Reiterei. Einer der Parther schiesst dabei sich um-
wendend den Bogen ab, was als charakteristische Sitte dieser
Tülkerschaft erwähnt wird. Sodann folgt eine besonders
lebendig und interessante Scene, ein nächtlicher Angriff auf
die Position der Dacier. Denn die mit halbem Leibe hinter
dem Berge hervorragende weibliche Figur, die ihr Ober-
gewand bogenförmig flattern lässt — ein für Licht- und Luft-
gottlieiten characteristisches Motiv — entspricht ganz den
Darstellungen der Selene auf Sarkophagen. Die Dacier wer-
den von allen Seiten und von verschiedenen Truppengattungen
angegriffen, von Reitern, die mit einem feinen Kettenpanzer
bekleidet sind, Fusssoldaten und ausserdem von barbarischen
Hülfstruppen der Römer, wahrscheinlich Germanen, die sich
durch den nackten Oberkörper und durch die Keule, die sie
als Waffe führen, von den Daciern unterscheiden. Unter den
verwundeten Daciern bemerkt man einen mit dem Hut, viel-
* 11. 17 a. I).
** n. 16 a. I).
■n
510 Genre und historische Darstellung^en.
leicht dem Abzeichen der Vornehmeren, bekleideten, der sich
selbst das Schwert in die Brust stösst, weil er den Tod der
Gefangenschaft vorzieht. In der Höhe sieht man den Train
der Dacier, vierräderige Karren mit Waffen, Feldzeichen und
sonstigem Geräth beladen,- auch eine nackte Leiche hängt von
einem Rade herab.
Die Platte mit der Viktoria* endlich bezeichnet wieder
den Abschluss eines grösseren Abschnittes. Von Trophäen
umgeben (die hier nicht vorhanden sind) schreibt die Sieges-
göttin die Thaten des Kaisers auf ihren Schild. Diese Figur
ist übrigens keine originelle Erfindung, derselbe Typus ist in
grösseren statuarischen Werken erhalten und schon in der
Venus von Milo gegeben.
Ausserdem sind noch eine Anzahl von Köpfen** vor-
handen, darunter auch ein Idealkopf, der des Donnergottes,,
der in einer Scene dargestellt war, wie er gegen die Dacier
seine Blitze schleudert Unter den übrigen heben wir den
mit einem Thierfell, dem Abzeichen der Standartenträger und
Signalbläser bekleideten hervor, und denjenigen, der einen
Federbusch auf dem Helm trägt, was als ein Vorrecht der
Prätorianer betrachtet wird. Interessant sind auch die aus
einer Kampfscene genommenen Köpfe eines Römers und eines
Daciers, von denen der erstere den andern zwischen den
Zähnen gefasst hält.
Wer Gelegenheit gehabt hat, die vollständigen Abgüsse
der Trajanssäule in Paris oder im Lateran zu studiren, wird
nicht genug die Schönheit der Reliefs zu rühmen wissen und
trotz der ungeheuren Ausdehnung keine Ermüdung verspürt
haben. Denn es ist för die reichste Abwechslung gesorgt
und unter das wilde Kampf- und Kriegsleben sind die rüh-
rendsten und innigsten Scenen gemischt, z. B. die Pflege der
Verwundeten und besonders die Trauer der Dacier um früh
gefallene Jünglinge. Gerade dies, dass die Reliefs so herz-
lich und menschlich, mit tiefem Gefühl auch für das Leid
der Unterliegenden empfunden sind, ist das Anziehende, es
ist nicht eine prunkende und stolze Siegeschronik in Stein
gehauen, sondern eine lebensvolle, ergreifend wahre und treue
Kriegsdarstellung, der wir keine zweite aus alter oder neuer
Zeit an die Seite zu setzen wüssten. Man mag die ganze:
* n. 19.
** n. 20-23.
Genre und historische Darstellungen. 511
Idee der Säule verfehlt nennen, da allerdings die Reliefs am
Original, auch wenn sie, was übrigens nicht der Fall war^
bemalt gewesen wären, für die Betrachtung verloren sind, aber
die Künstler, die daran thätig waren, haben ähnlich wie die
vom Parthenon, welche die Rückseite der Fignren mit der-
selben Vollendung ausführten wie die Vorderseite, mehr ihrer
künstlerischen Begeisterung und Liebe nachgegeben als an
den Effekt ihrer Arbeit gedacht.
Die Reliefs der Säule sind ein specifisch römisches Werk^
durchaus realistisch und geschichtlich, so dass sie auch unter
dem antiquarischen Gesichtspunkt höchst werthvoU sind. Nur
die freilich seltene Einmischung mythologischer Figuren, die
auch auf den Sarkophagen mit national-römischen Darstellun-
gen vorkommt, ist noch ein Rest früherer, mehr griechischer
Auffassungsweise, woran man Anstoss nehmen könnte, wenn
nicht diese Figuren eben auch nur den Zweck hätten, ge-
wisse für das geschichtliche Ereigniss wichtige Nebenbegriffe
auszudrücken. Denn die Selene und der donnernde Jupiter
in den oben erwähnten Kampfscenen sollen nur den Umstand
hervorheben, dass jene Kämpfe bei Nacht und im Unwetter
stattfanden, um aber dies auszudrücken, hatte die alte Plastik
kein anderes Mittel als die Personification.
Vgl. die Schrift von Fröhner, la colonne Trajane, Paris 1865, wo ^
auch die Abbildungen und die übrige Literatur angegeben ist.
829 — 831. Dacier*, Colossalköpfe von Marmor, auf
dem Trajausforum gefunden und im Vatikan befindlich.
Der barbarische Typus ist in diesen Köpfen mit grosser
^leisterschaft ausgedrückt, noch jetzt will man unter den Ru-
mänen dieselben breiten und wilden Gesichter mit den buschi-
gen Augenbrauen und den langen ungepflegten Haaren be-
merkt haben. Durch die Trennung zwischen Backen- und
Kinnbart wird das Breite und Vierschrötige noch bedeutend
verstärkt. Vermuthlich gehörten diese Köpfe zu Statuen, die
an einem Siegesmonument, etwa an der Attika eines Triumph-
bogens aufgestellt waren.
Die Köpfe befinden sich im braccio nuovo und sind in der indioazione
aiitiquaria v. J. 1856 mit n. 9. 118. 127, in der ßeschreibg. Roms mit
II. 10. 19. 128 bezeichnet. Einer derselben ist abg. Mus. Chiaramonti
H, 47.
* Im Niobidensaal n. 105 — 107.
512 Genre und historische Darstellungen.
832. 833. Reliefs vom Trajansbogen*, am Bogen des
Constantin in Rom befindlich, der zum grossen Theil mit Re-
liefs vom Trajansbogen geschmückt ist.
Die Reliefs stehen mit einander in Zusammenhang, auf
dem einen ist Trajans Jagd auf einen Eber, auf dem andern
das Siegesopfer für das erlegte Thier dargestellt. Dort ist
im Gefolge des Kaisers Antinous und wie es scheint, Hadrian
zu erkennen, hier ist wenigstens der letztere in der dem Tra-
jan gegenüberstehenden Figur kenntlich. Der Kaiser hat als
Opfernder den Hinterkopf verhüllt und hielt unzweifelhaft eine
Schaale in der Hand, die er über den Altar ausgoss. Das
Bild der Jagdgöttin, nach einem oft vorkommenden Typus ge-
bildet, ist in den Zweigen eines Baumes aufgestellt, wie es
bei den für ländliche Umgebung bestimmten Götterbildern oft
geschah. Der Kopf des erlegten Ebers ist ihr als Weihge-
schenk aufgehängt.
Auch diese Reliefs, namentlich das letzte, gehören zu den
schönsten Proben trajanischer und überhaupt römischer Kunst.
Die Gewänder sind im Gegensatz zu der sonst an römischen
Werken so gewöhnlichen Üeberfüllung mit Falten, feierlich
und ernst gehalten, dem Moment, in dem sich die Figuren
befinden, entsprechend.
Abg. Bellori arcus triumphales Taf. 23. 35. 36.
834. Colossaler Kopf des Trajan**, von Marmor, in
Villa Albani befindlich.
Vgl. Beschreibg:. Roms III, 2, 464.
835. Plotina***, schöne Marmorbttste, in Cumae gefun-
den und in Neapel befindlich.
836. Römische Dame****, fein ausgeführte Marmor-
büste, mit der Famesischen Sammlung nach Neapel gekommen.
837. Desgl.f, mit Unrecht für Faustina die Jüngere er-
klärt. Wo das Original sich befindet, wissen wir nicht.
* Im Römischen Kuppelsaal n. 1. 2.
** Ebeiidas. n. 3.
*** Im Römischeu Saal n. 117.
**** Im Saal der Thiere mid Bronccu n. 240.
t Im Römischen Saal n. 118.
Genre und historische Darstellungen. 513
838. Antoninus Pius*, Marmorbüste, in Cumae gefun-
den und in Neapel befindlich.
Die Büste gehört zu den besten, die wir von diesem
Kaiser besitzen, wenn auch das Haar in der kleinlich detail-
lirten Weise gearbeitet ist, die zur Zeit Hadrfans aufkam.
Sie giebt uns ein Beispiel der sogenannten römischen Büsten-
form, die von den schildförmigen Porträts, einer in Rom sehr
alten und weitverbreiteten, aber auch aus Griechenland be-
kannten Sitte abzuleiten ist. Auf eine schildförmige Platte
wurde nämlich das Porträt in Relief gesetzt, eine Anordnung
die veranlasst ist durch den uralten auch aus Homer bekann-
ten Gebrauch, den Schild, die Kriegswaffe, mit bildnerischen
Verzierungen z. B. mit Schreckbildern, wie dem Medusenkopf,
auszustatten. Für den schildförmigen Raum war es nun am
passendsten, nicht bloss den Kopf sondern auch die Schultern
und ein Stück der Brust darzustellen, und in dieser Weise
sind in der Regel die Porträts gestaltet, die namentlich auf
römischen Grabsteinen und Sarkophagen so häufig sind. Die
sogenannte römische Büstenform ist nur eine Uebertragung
dieser Reliefporträts in das Rundwerk und man sieht dies
noch deutlich an den kurz abgeschnittenen Armen, die Büste
würde in einen schildförmigen • Rahmen genau hineinpassen.
Aber eben weil der Rahmen fehlt, so macht die runde Büste
nicht den befriedigenden Eindruck wie die Reliefbüste, es
fehlt die Motivirung für die Form, die darum immer etwas
Willkührliches behält. Die Büste ist wie gewöhnlich, nicht
massiv, sondern ausgehöhlt. Dies war nothwendig, wenn sie
nicht über den Fuss hinausspringen sollte, was unschön ge-
wesen wäre. Gerade über der Basis aber Hess man im Innern
einen dicken Pfeiler stehen, um eben noch mehr den Schwer-
punkt auf die Basis zu werfen.
Diese Büstenform ist bei den Römern die weitaus ge-
wöhnlichste, die Herme viel seltner und vorwiegend für ideale
Gestalten, auch für berühmte Griechen benutzt. Die letztere
ist einfacher, schlichter, monumentaler, als die erstere, welche
durch den Reichthum der Gewandung und durch freiere Wen-
dungen des Kopfes weniger ernst und ruhig erscheint. Frei-
lich erlaubte sich kein Römer, was sich Michelangelo erlaubte,
der den Kopf seiner Brutusbüste ganz ins Profil stellte.
* Im Römischen Saal n. 33.
Fricderith«, griech. Plastik. 33
514 Genre und historische Darstellungen.
Im Arch. Anz. 1866 p. 230 versucht R. Schöne die römische Büsten-
form ans einer Nachahmung der imagines majorum herzuleiten, aber die
hohlen Büsten sind nicht ausschliesslich römisch, sondern auch griechisch
(n. 687) und wo die Priorität ist, scheint mir nicht zweifelhaft. Zudem
geht aus der Stelle des Polybius nach meiner Ansicht klar hervor, dass
die imagines majorum nicht Büsten waren.
839. Triumph des Lucius Verus*, Marmorrelief, in
Eom gekauft und in Dresden befindlich.
Der Triumphator, dem eine Viktoria zufliegt, um ihn zu
bekränzen, hält auf einem Viergespann seinen Einzug durch
einen Triumphbogen. Ein Hornbläser eröflfnet den Zug, neben
den Pferden gehn Lictoren, hinter dem Wagen Krieger mit
Standarten. Lucius Veras erhielt einen Triumph wegen sei-
nes Krieges gegen die Parther.
Das Relief zeigt schon einige Spuren sinkender Kunst,
namentlich in der Bildung der Pferde.
Abg. Le Fiat, recueil des marbres antiques etc. Taf. 146. Hettner,
Die Bildwerke der Kgl. Antik ensammlg. zu Dresden n. 323. Vgl. Jul..
Capitol. Ver. c. 7.
840. Silberner Schild**, 1847 beim Pflügen eines
Feldes in der Nähe von Merida in Spanien gefunden und in
der Sammlung der Akademie . der Geschichte zu Madrid be-
findlich.
In der Mitte des Schildes thront unter einem Giebel,
der einen Palast andeuten soll, der Kaiser Theodosius (wie
aus der Inschrift hervorgeht), mit der Rechten einen einer
Rolle nicht unähnlichen Gegenstand haltend, den eine kleine
Figur, wahrscheinlich ein Beamter, mit grosser Ehrerbietung
in Empfang zu nehmen bereit ist. Er nimmt ihn nämlich
nicht mit der blossen Hand, sondern streckt die gewand-
bedeckten Hände vor, wie es der Hofsitte entsprechend ge-
wesen sein muss. Die Tracht des Kaisers und seiner Um-
gebung entspricht nicht mehr der classischen Zeit, sondern
versetzt uns bereits in die prunkende Hofsitte byzantinischer
Zeit, wie sie aus den Mosaiken von Ravenna bekannt ist.
Perlschnüre als Diadem, reichgestickte Aermelkleider, Mäntel
und Gürtel scheinen den Mangel der Kunst ersetzen zu sollen
und besonders charakteristisch sind auch die grossen Agi'affen
mit herabhängenden Bommeln an den Mänteln der kaiser-
* Im Römischen Saal n. 46.
** Im Römischen Kuppelsaal n. 12.
Genre und historische Darstellungen. 515
liehen Figuren und die grosse Fibel, die den Mantel des
vor dem Kaiser stehenden Mannes zusammenhält. Denn die
Grösse des Schmucks ist ein sichres Kriterium sinkenden
Oeschmacks, und die grossen silbernen und broncenen Fibeln,
die namentlich in den Lokalmuseen so zahlreich sich finden,
erhalten eben durch diesen Schild eine willkommene Zeit-
bestimmung. Die an beiden Seiten des Theodosius thronen-
den Gestalten sind ebenfalls durch die Weltkugel als Kaiser
bezeichnet, der zur Rechten trägt ausserdem ein Scepter, der
zur Linken macht mit der andern Hand eine segnende Ge-
berde. Beide haben wie Theodosius den Nimbus um das
Haupt, ein Symbol, das im Alterthum von den Göttern zu
den Kaisem und dann in den Heiligenschein der neuern Kunst
überging. Es liegt nahe, sie für die beiden Söhne des Theo-
dosius zu erklären, allein Honorius war, als dieser Schild im
Jahr 388 — wie die Inschrift angiebt — angefertigt wurde,
erst zwei Jahre alt und kann daher nicht dargestellt sein.
Es wird wohl in der Figur zur Rechten der Mitkaiser des
Theodosius, Valentinian H, in der zur Linken Arcadius, der
damals, obwohl erst 11 Jahr alt, bereits zum Augustus er-
klärt war, gemeint sein. Leibwächter stehen links und rechts,
die man der langen Haare wegen für barbarische Soldaten,
vermutlich Gothen, aus denen die Leibgarde des Theodosius
bestand, erklärt. Die Grösse aller dieser Figuren richtet sich
offenbar nach ihrer hohem oder geringem Bedeutung.
Unter dem Hauptbilde liegt unter Aehren die Tellus, von
geflügelten Knaben umgeben, die hinauffliegen zum Kaiser,
um ihm Blumen und Früchte zu bringen, ebenso Wie die
beiden Genien in den Ecken des Giebels. Der Gedanke ist
offenbar dieser, dass der Kaiser, dessen zehnjährige Regie-
mng der Schild feiert (wie die Inschrift angiebt), als ein rei-
cher, glücklicher und gesegneter Regent hingestellt werden
soll. Die Kinder, welche die Tellus umgeben und ihre Mütter-
lichkeit bezeichnen, sind gewöhnlich ungeflügelt, ihre Beflüge-
lung wird aber bei einem so späten Monument schwerlich von
Bedeutung sein. Es ist übrigens deutlich, dass der Künstler,
während er in der obera Scene die ganze Steifheit der Hof-
sitte wiedergeben musste, • das Bild des untern Feldes von
einem noch besserer Zeit angehörigen Vorbild copirte. Die
Tellus kommt ganz ähnlich vor.
Die Inschrift lautet D(ominus) n(oster) Theodosius ob
diem felicissimum X (decennalium). Der Regierangsantritt der
33*
516 Genre und historische Darstellungen.
Kaiser wurde von 5 zu 5 Jahren festlich gefeiert, dieser
Schild ist zu Ehren der zweiten derartigen Feier des Theo-
dosius gegossen. Ob er einen praktischen Zweck gehabt habe^
ist um so weniger bestimmt zu sagen, als die Handlung in
der Mitte undeutlich ist, nicht unmöglich, dass das Ganze nur
wie eine Denkmünze zu betrachten.
Der Schild ist in Constantinopel verfertigt, wie eine grie-
chische Inschrift auf seiner Rückseite und vielleicht auch die
detaillirte Treue des Costüms beweist. Der Stil ist, wenn
man von der untern Gruppe absieht, bereits völlig leblos,,
und die langen starren Gesichter sind schon ganz die des
byzantinischen Stils. Zu dieser Erstarrung passt das flache
Relief, das von nun an so häufig wurde, es wäre undenkbar,,
dass das byzantinische Relief in der runden und belebten
Formen des römischen componirte. Die drei thronenden Fi-
guren sind aber ihrer Stellung wegen am allerwenigsten für
ein flaches Relief passend, aber wie wir in dem gleichfalls
so flachen ältesten griechischen Relief nur Profilstellung finden^
so ist hier umgekehrt Sitte, die Figuren en face zu stellen,,
was denn freilich der Natur des Reliefs nicht in gleichem
Maasse entspricht.
Abg. in den Sitzungsberichten d. Kaiserl. Akad. d. Wiss. zu Wien,
Histor-Philos. Kl. III, Taf. 2. p. 220 ff. Archaeol. Ztg. 1860, Taf. 136, 5.
Vgl. Hübner, d. ant. Bildw. in Madrid p. 213. Revue archeolog. VI
p. 263 ff.
841. Der heilige Hippolyt,. Marmorstatue, gefunden
im Jahr 1551 in der Nähe von Rom, früher in der vatika-
nischen Bibliothek, jetzt im christlichen Museum des Lateran»
Nur der Stuhl und der untere Theil der Figur ist alt.
Da die Figur fast ganz neu ist, so hat sie nur wegen
der am Sessel befindlichen Inschrift Interesse, auf welche
wir indess nicht näher eingehen können. Ohnehin würde sie
besser der altchristlichen als der classischen Kunst zugeord-
net. Nach dem Charakter der Buchstabenformen der Inschrift
wird die Statue zwischen das sechste und vierte Jahrhundert
unserer Zeitrechnung gesetzt.
Abg. bei Bunsen Hippolytus und seine Zeit, als Titelbild zum ersten
Band. Vgl. Beschreibg. Roms II, 2, 329.
* Im Römischen Kuppelsaal n. 13.
Pompejunische und herkulanische Alterthümer. 517
€) Pompejanische und herkulanische Alterthümer.
Es sind in diesen Abschnitt auch einige wenige nicht aus Pompeji
oder Herkulannm stammende Werke aufgenommen, denen wir keinen
passenderen Platz anzuweisen wussten. Die pompejanischen und herku-
lanischen Werke befinden sicli mit wenigen Ausnalimen, deren Auf-
bewahrungsort besonders angegeben wird, in Neapel.
842. 843. Apollo und Artemis*, Broncefiguren aus
Pompeji. Der Apollo wurde im Juni 1817 in einem antiken
Wasserbehälter ganz nahe am Forum gefunden, ein Fuss,
eine Hand und ein Arm aber fehlten, die im Oktober des
folgenden Jahres an einer ganz anderen Stelle entdeckt wur-
den. Das Obertheil der Artemis aoU ebenfalls 1817 und an
demselben Orte gefunden sein. Ihr Köcher ist nicht erhalten,
zwei Löcher, in denen er befestigt war, sieht man noch aul
ilirem Rücken, auch im Hinterkopf ist ein Loch, in dem
ivohl ein besonders gearbeiteter Haarbüschel befestigt war.
Die Augen sind von einer die natürliche Farbe imitirenden
Glasmasse verfertigt, ein Verfahren, das an vielen aus den
verschütteten Städten stammenden Broncen, besonders solchen,
die nicht von früheren Werken copirt zu sein scheinen, an-
gewandt ist und einer nach naturalistischer Wirkung streben-
den Kunst entspricht. In der Mitte des Diadems soll sich
der Rest eines Halbmondes befinden, nach dem Gyps scheint
es eher eine krönende Spitze zu sein.
Die beiden Figuren haben unzweifelhaft zusammen gehört
und scheinen, wie man namentlich aus der Uebereinstimmung
der Köpfe abnehmen kann, von einer Hand verfertigt zu sein.
Da^ sie beide in der Aktion des Bogenschiessens vorgestellt
sind, so wird man schon hierdurch an die Tödtung der Nio-
biden erinnert, die sie eben gemeinschaftlich vollzogen. Dazu
kommt, dass beide, namentlich Apollo, im Wesentlichen über-
einstimmen mit den an den Ecken von Niobidensarkophagen
erscheinenden Götterfiguren (vgl. n. 784). Es ist daher nicht
unwahrscheinlich, dass diese Broncen Reste einer Niobiden-
gruppe sind.
Ihr künstlerischer Werth ist gering. Apollo ist unschön
in den Proportionen und eigenthümlich schwächlich. Beide
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 313 u. 236.
518 Pompejaaische und herkulanlsche AUerthümer.
Gottheiten haben auch die kleinen koketten am Ohr herab-
fallenden Löckchen, die man im edlen Stil der Griechen nicht
einmal der Venus gab. Das Diadem und doppelte Gewand
der Artemis entsprechen auch nicht der Praxis der besten
Zeit; wo Artemis vielmehr ganz leicht und einfach mädchen-
haft auftritt.
Abg^. mus. borbon. VIII, 59. 60.
Die Fuudnotizen über deu Apollo bei Fiorelli, Pompejanarum anti-
quitatum historia I, 3, p. 192. 193. 214. 216. In Betreff der Artemis
versichert Finati im mus. borb. a. a. 0. das im Text Bemerkte, was in-
dessen bei Fiorelli nicht zu finden ist. Die Beziehimg der Figuren auf
die Niobiden (Finati a. a. 0.) findet auch Welcker A. D. 1, 255 Anm.
35 sehr wahrscheinlich. Anders Overbeck Pompeji II, 162, der auch ^
die Zusammengehörigkeit der beiden Figuren bestreitet.
844. Merkur*, Broncestatue aus Herkulanum, 1758 ge-
fanden. Der grösste Theil des Schädels ist ergänzt, woher
sich die auffallende Form desselben, vielleicht auch die un-
schön vom Kopf abstehenden Ohren erklären.
Das Motiv dieser Figur ist in kleinen Broncen und auf
Gemmen sehr häufig, der Gott ist als Götterbote dargestellt
und ruht einen Augenblick aus, bis sein Amt ihn weiter treibt*
Bezeichnend für ihn als Götterboten ist, was schon Winckel-
mann hervorhob, die Art wie die Flügel am Fuss befestigt
sind, „so dass der Heft von den Riemen in Gestalt einer glat-
ten Rose unter der Fusssohle steht, anzuzeigen, dass dieser
Gott nicht zum Gehen, sondern zum Fliegen gemacht sei^^..
In der Rechten hielt er seinen Stab, von dem ein Rest in
der Hand zurückgeblieben.
Abg. bronzi d'Ercol. II, 29—32. Müller- Wieseler II, 28, 309. Vgl.
Winckelmann Sendschreiben §. 51. 57. Kunstgesch. VII, 2 §. 17. V, 5,
§. 28. E. Wolff bull. d. inst. 1838 p. 133. Overbeck Kunstarchaeol.
Vorl. p. 103. Michaelis Arch. Anz. 1859 p. 84. '
845. Büste des jugendlichen Herkules*, aus Her-
kulanum, 1754 gefunden.
Die Büste ist unter dem wunderlichen Namen Marcellus
bekannt, da sie doch so deutlich wie möglich den jugendlichen
Herkules darstellt.
Abg. bronzi d'Ercol. I, tav. 49. 50.
* Copie von Bronce im Griechischen Hof n. 3.
** Im Saal der Thiere und Broncen n. 246.
Pompejauiselie und herkulaiiische Alterthüraer. 519
846. Silen*, Broncestatue, im Juli 1754 aus Herkula-
num hervorgezogen.
Der Silen ist in trunkner Seligkeit dargestellt, mit der
Rechten ein lustiges Schnippchen schlagend. Der schlaffe,
schwammige Bauch bezeichnet den Wein sauf er, die Knollen
am Halse sind ein von dem Ziegengeschlecht entlehnter thie-
rischer Auswuchs, und die Augen, die im Original einen ganz
andern Effect haben — sie bestehen nämlich aus Glaspasten
natürlicher Farbe — , drücken mit höchster Lebendigkeit das
sinnliche Behagen des Thiermenschen aus.
Abg-» broiizi d'Ercol. 11, 42. 43. Mus. borbon. II, 21. MülltT-Wie-
selcr II, 40, 471« Vgl. Winekelmann Sendschreiben §. 74. Kunstgesch.
VII, 2, §. 17.
847. Herkules mit der Hindin**, Gruppe von Brouce,
1805 in Pompeji ausgegraben, im Museum von Palermo be-
findlich. Im Maul der Hindin bemerkt man noch die Metall-
röhre, durch welche das Wasser in ein daneben befindliches
Bassin floss. Die Gruppe war nämlich zur Zierde eines Bas-
sins in einem pompejanischen Privathause aufgestellt.
Wir fanden dieselbe Composition bereits in einem sehr
alterthümlichen Werk (n. 23), nur dass sie hier in einen freieren
und belebteren Stil übertragen ist. Daher kommt es, dass
wir dort nur die Kraft und Wucht des Helden, mit der er
das Thier niederdrückt, hier aber zugleich und vornehmlich
auch seine Schnelligkeit, die gewaltigen Schritte, mit denen
er endlich das Thier erreichte, wahrnehmen. Und der zweite
Unterschied liegt darin, dass Herkules dort im Einklang we-
nigstens mit der Hauptmasse der älteren Kunst und zugleich
in Uebereinstimmung mit dem eben erwähnten Unterschied
des Motivs als reifer, bärtiger Mann erscheint, während er
hier, nach dem Geschmack der jüngeren Zeit, schlanker und
jugendlicher gebildet ist.
Etwas gesucht und gekünstelt ist die Verwendung des
Thieres als Wasserspeier, Aehnliches kommt aber auch sonst
in Pompeji vor.
Abg. monum. d. inst. IV, tav. 6. 7. Vgl. Annali 1844 p. 175 ff.
Vgl. den wasserspeienden Ochsen im mus. borbon. XIV, 53.
848. Fischer***, Broncestatuette, 1827 in einem pompe-
* Im Römischen Saal n. 63.
** Im Saal der Thiere und Broncen n. 233.
*** Ebendas. n. 235.
520 Pompejaiiische und herkulanische Alterthümer.
janischen Privathause und zwar am Brunnenbassin desselben
gefunden.
Der Fischer, eine Figur von plebejischem Aussehen und
in der Tracht der Handarbeiter, welche die rechte Schulter
ihrer Arbeit wegen entblösst trugen, sitzt am Bassin und an-
gelt und dass er nicht vergeblich gesessen, beweist der (hier
nicht vorhandene) bereits mit einigen Fischen gefüllte Korb
in seiner Linken. Aus der Maske unter ihm floss das Wasser
ins Bassin hinein, denn wie schon bemerkt, widerstrebte es
durchaus dem Sinne der Alten, das Wasser, wie bei unsern
Pumpen und Dachrinnen, aus blossen Löchern herausfliessen
zu lassen. Uebrigens ist die Maske in Beziehung auf den
Fischer eine rein äusserliche unmotivirte Zuthat, und in an-
dern pompejanischen Beispielen finden wir eine viel sinnigere
Motivirung.
Abg. Mus. borbon. IV, 55, wo der Text von Avellino zu ver-
gleichen. I
849. Tanzender Silen*, Broncestatue, 1831 in Pom-
peji in der nach ihm benannten casa del Fauno gefunden.
Man fand die Figur am Rande eines Bassins, vermuth-
lich an ihrem ursprünglichen Platze, denn gerade an solchen
Stellen wurden oft Satyrn ihrem mythologischen Charakter
entsprechend aufgestellt.
Der Silen ist ganz Lustigkeit und gebraucht seine Fin-
ger wie Castagnetten, als Begleitung zum Tanz. Die Figur
ist eine der schönsten in Pompeji gefundenen.
Abg. Mus. borbon. IX, tav. 42. Vgl. Overbeck Pompeji II p. 159.
850. Apollo**, Broncestatuette, 1808 in einem pompe-
janischen Privathause und zwar in einer Aedikula gefunden.
An der Lyra sind am Original einige Saiten und zwar von
Silber erhalten.
Wie der Fundort zeigt, diente die Figur zum Hausgot-
tesdienst, wie so viele der kleinen Broncen, und die Stellung
des Gottes ist diesem Zweck entsprechend. Wenn aber nicht
die Attribute der Leier und des Piektrums den Apoll bezeich-
neten, so würde man ihn an den Körperformen nicht erken-
nen, die für Apoll viel zu weich und üppig, aber gerade für
den pompejanischen Geschmack sehr bezeichnend sind.
Abg. Mus. borb. II, tav. 23. Vgl. den Text dazu.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 232.
** Ebendas. n. 234.
Pompejaiiische und herkulauische Alterthümer. 521
851. Zeus*, Broncestatuette aus Herkulanum. Die Figur
w*d gewöhnlich für Poseidon erklärt, aber die Anordnung
von Haar und Bart ist die für Zeus charakteristische. An
der Stange in seiner Linken fehlt vermuthlich der Knopf,
der sie zum Scepter machte.
Abg. bronzi d'Ercol. II, 9. Mus. borb. XII, 41. Müller -Wieseler
n, 6, 71. Ein übereinstimmender Kopf des hiesigen Museums (n. 63)
zeigt den Charakter des Zeus noch deutlicher.
852. Pallas**, Broncestatuette, in Herkulanum gefunden.
Von Silber sind die Schuppen der Aegis, die Verzierungen
des Helmbusches, die Spangen des Gewandes, der Ring an
der linken Hand, endlich die Augen und die Nägel an Hän-
den und Füssen.
In der erhobenen Linken ist der Speer vorauszusetzen.
Etwas unförmlich ist der Hehnbusch.
Abg. bronzi d'Ercol. II, 6.
853. Diana***, Broncestatuette aus Herkulanum, 1747
gefunden.
Die Göttin ist jagend und die Bogensehne anziehend
dargestellt.
Abg. bronzi d'Ercol. II, 11. 12. Mus. borbon. XI, 68. Eine über-
einstimmende Figur ist in Griechenland, auf Euboea, gefunden, Archaeol.
Ztg. 1861 Taf. 154.
854. Venus****, schöne Broncestatuette.
Die Göttin scheint sich das Haar zu ordnen, aber die
Bewegung der Linken ist uns nicht klar.
855. Amorf, Broncestatuette aus Pompeji.
Der kleine Gott sucht seine Traube vor seinem Vogel
zu retten. Eine sehr anmuthige Gruppe.
856. Bacchusff, Broncestatuette aus Herkulanum, 1760
gefunden.
Der Thyrsus, den er in der Linken hält, fehlt im Ab-
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 43.
** Ebendas. n. 44.
**♦ Ebendas. n. 67.
**** Ebendas. n. 82.
t Ebendas. n. 73.
77 Ebendas. n. 69.
522 Pompejanische und herkiilanische Alterthümer.
guss. Die Rechte scheint ein Geräth, etwa ein Trinkhorn
gehalten zu haben.
Abg. bronii d'Ercol. , II. 36. Mus. borb. HI, 11.
857. Silen*, Broncestatuette aus Herkulanum, 1754 ge-
funden. Der Kranz ist von Silber.
Die Figur giebt in schwacher und charakterloser Weise
das Motiv der oben (n. 657) aufgeführten Satyrstatue wieder.
Abg. bronzi d'Ercol, II, 42. Mus. borb. XII, 41. Auf ein Sca-
billum tritt übrigens der zuriickstehende Fuss nicht, der Satyr steht
nicht still, sondern dreht sich herum. Was für ein Scabillum ange-
sehen, ist nur eine Stütze, die in Bronce nicht gerade nothwendig ist^
aber doch oft vorkommt.
858. Satyr**, Broncestatuette, aus Herkulanum, 1754 ge-
funden.
Ein jugendlicher Satyr, lustig einherspringend. Die rechte
Hand hält den Thyrsus, der hier im Abguss fehlt.
Abg. bronzi d'Ercol. II, 40. 41. Mus. borb. XIII, 26.
859. Satyr***, Broncestatuette, in Catania im museo
Biscari.
Die Flöten fehlen zwar, man sieht aber deutlich, dass
sie vorhanden waren. Die Mundbinde diente dazu, die Kraft
des Hauchs zu massigen und die Aufblähung der Backen
weniger hässlich zu machen. Die Statue ist in mehreren
Exemplaren vorhanden und scheint auf ein berühmtes Origi-
nal zurückzugehen.
Abg. Clarac pl. 716 c. Vgl. über die Mundbinde Annali 1849 p. 130.
860. Fortuna — Isis****, Broncestatuette aus Herkula-
num, 1746 gefunden.
Die Figur trägt die Attribute der Fortuna und Isis, die
in römischer Zeit mit einander vermischt wurden. Von jener
hat sie das Ruder als Lenkerin der menschlichen Dinge und
das Füllhorn als Symbol des Reichthums, den sie spendet.
Von der Isis ist das franzenbesetzte Gewand und die
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 68.
** Ebendas. n. 23.
*** Ebendas. n, 70. Vgl. die ähnliche mit n. 346 bezeichnete in
Arolsen befindliche Bronce, in Gädechens' Catalog dieser Sammlung
unter n. 122 aufgeführt.
•*** Ebendas. n. 36.
Ponipcjanische uud hcrkiilauische Alterthümer. 523
Anordnung desselben, ausserdem der Kopfschmuck entiehnt
Vgl. n. 797.
Die Ornamente an der Basis sind von Silber.
Abg. broiizi d'Ercol. II, 25, 26. Mus. borb. IH, 26. Müller-Wie-
seler II, 73, 925.
861. Harpokrates*, Broncestatuette aus Pompeji.
Die Figur ist pantheistisch gedacht, da sie mit den
Attributen verschiedener Götter, dem Fell und Kranz des
Bacchus, den Flügeln des Amor, der Schlange des Aesculap
und der Keule des Herkules ausgestattet ist.
Abg. bronzi d' Ercol. II, 87.
862. Hekate**, Broncestatuette inArolsen, die vermuth-
lich zu einem Geräth gehörte.
Vgl. Gädecheiis Die Antiken in Arolsen n. 145.
863. Viktoria** *, Broncestatuette aus Herkulanum, 1740
gefunden. Das Halsband, die Saumverzierung des Gewand-
überschlags und der Kranz am Globus sind von Silber.
Die Figur ist für Fortuna erklärt, wozu aber die am
Rücken vorhandenen Vertiefungen, die Flügel aufnehmen
sollten, nicht stimmen. Ausserdem ist die Gewandung und
der mädchenhafte Charakter nur für Viktoria passend und ähn-
liche Darstelluugen der Viktoria sind oft auf römischen Denkmä-
lern. Die Göttin hat sich zierlich vom Olymp auf die Erde
herabgelassen, die sie eben mit den Fussspitzen berührt.
Abg. bronzi d'Ercol. II, 24. Mus. borbon. HI, 26. Müller- Wieseler
II, 73, 294. Vgl. Urlichs Annali 1839, p. 73 und die Vign. zu bronzi
d'Ercol. II, p. 133.
864. Aehnliche Figur****, BroncestatuetteausPoinpeji,
1823 gefunden. Die Basis und die Kugel, auf der sie steht,
ist von Marmor mid modern.
Auch diese Viktoria ist vom Olymp herabgeschwebt
zu denken und hielt in ihrer Rechten ursprünglich einen
Kranz.
Ab^^ Mus. borbon. VllI, 59. Vgl. Urlichs Annali 1839 p. 73 flP.
* Im Saal der Thiere und Bronoen n. 74.
** Ebendas. n. 389.
*** Kbendas. n. 34.
**** Kbendas. n. 231.
524 Pompejanische und herkulanische Alterthümer.
865. Amazone*, Broncestatuette aus Herkulanum, 1745
gefunden.
Die Amazone hält mit der Linken ihr Pferd zurück, in
der Rechten schwingt sie die Lanze, die hier im Abguss
fehlt. Die kleine weibliche Herme unter dem Pferde hat
keine weitere Bedeutung , als die , eine anmuthig belebte
Stütze zu sein.
Abg. bronzi d'Ercol. II, tav. 63. 64. Mus. borbon. III, 45.
866. Nackter Jüngling**, Broncestatuette im Mu-
seum zu Bonn, früher in der Fürstl. Isenburgischen Sammlung.
Die Figur ist ftir einen Athleten erklärt, wobei nur die
Bewegung der Rechten und die fast trauernde Haltung des
Kopfes nicht verständlich ist. Wir müssen die nähere Deu-
tung dieser schönen Figur auf sich beruhen lassen, im Allge-
meinen erinnert sie an den Typus des Merkur.
Abg. in den Jahrb. d. Vereins v. Alterthumsfreuudeu im Rheinland
XVn Taf. 1. p. 61.
867. Hirtenknabe***, Broncestatuette in Arolsen.
Der Knabe sitzt mit übergeschlagenen Beinen auf der
Erde und hält mit beiden Händen einen hölzernen Kübel.
Höchst anmuthige Genrefigur.
Vgl. Gädechens, Die Antiken des Fürstl. Waldeckschen Museums
au Arolsen n. 439.
868. Kniende Figur in barbarischer Tracht****,
Broncestatuette in Arolsen.
Ein edler Barbar kniet vor seinem Sieger und überreicht
ihm etwas, was sich leider nicht erhalten hat. Schöne
Figur.
Vgl. Gädechens a. a. 0. n. 427.
869. Angebliche Berenicef, Broncebüste, in Herku-
lanum 1756 gefunden. Bei der Auffindung waren die Lippen
mit Silber belegt, jetzt ist nur noch die leise Vertiefung zu
sehen, die vom Silber ausgefüllt wurde.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 27.
** Ebendas. n. 135.
*** Ebendas. n. 361.
*♦** Ebendas. n. 383.
t Ebendas. n. 237.
Pompejanische und herkulanische Alterthümer. 525
Die Benennung ist unrichtig, wie eine Vergleichung der
Münzen der Berenice zeigt, wir wissen aber 'das Richtige
nicht anzugeben. Die Büste gehört zu den schönsten, die
aus Herkulanum hervorgegangen sind.
Ab^. bronzi d'Ercol. I, 63. 64. Mus. borbon. 7, 12.
870. Angebliche Sappho*, Broncebüste, 1758 in Her-
kulanum gefunden.
Die Benennung ist willkürlich, denn die Abbildungen der
Sappho, die wir besitzen, reichen nicht aus, um Büsten da-
nach zu bestimmen. Aber der Kopf ist gewiss das Porträt
einer Griechin.
Die Büste ist vielleicht von einer Statue genonunen, ihre
Form ist singulär und nicht gerade schön.
Abg. bronzi d'Ercol. I, tav. 37. 38.
871. Bacchisches Relief**, von Marmor aus PompejL
Das Motiv, dass der Esel unter der Last Silens, den
man treffend den Falstaff der antiken Kunst genannt hat, zu-
sammenbricht, ist nicht übel, im Uebrigen ist das Werk un-
bedeutend.
Abg. Mus. borbon. XIV, 52.
872. Wagenlenker***, Marmorrelief, angeblich aus
Herkulanum.
Den langgewandeten Wagenlenker fanden wir schon am
Fries des Parthenon, die voraneilende Figur ist uns nicht
klar. Man könnte sie für einen Apobaten halten, deren Auf-
gabe es war, von ihrem Gespann mitten im Lauf herabzu-
springen und es dann wieder zu besteigen. Auch die Be-
stimnmng des Reliefs ist uns unklar.
\'gl. Welcker Akad. Mus. n. 389.
873. Atlant****, von Terrakotta, aus den Thermen von
Pompeji, wo er mit seinen Kameraden den Carnies einer De-
ckenwölbung trägt.
Die Figur musste zwar im Einklang mit ihrer architek-
tonischen Verwendung kräftig gebaut sein, ist aber plump und
schwerfällig gerathen.
Ahg. Mus. borbon. II, 54.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 238.
** In den Durchdrängen zum Römischen Kuppelsaal n. 27.
*** Im Niobidonsaal n. 56.
**** Im Römischen Saal n. 104.
526 Pompejaiiische und herkulanische Alterthümer.
874. Dreifuss*; von Bronce aus Pompeji.
Nach Winckelmann's Bericht befand sich in diesem Drei-
füss eine Pfanne von gebrannter Erde, worin .sich die Kohlen
mit sammt der Asche noch erhalten hatten. Das Geräth
diente daher vermuthlich als Kohlenbecken, wie sie zur Wärme
in den Zimmern aufgestellt wurden.
Verfolgt man die Geschichte der Geräthe, so könnte man
auch im Alterthum von einem Roccocogeschmack reden.
Während nämlich die Dreifüsse der älteren Kunst immer mit
geraden Füssen gebildet werden, sei es mit auswärts gerich-
teten, wie bei den Etruskem, oder mit senkrecht oder ein-
wärts gerichteten, wie bei den Griechen, finden sich in Pom-
peji an mehreren Exemplaren die geschweiften Füsse**. Man
fand die ältere Weise zu starr und einförmig.
Ob die Verzierungen dieses in besonderm Maasse elegan-
ten Dreifusses symbolische Bedeutung haben, lassen wir da-
hingestellt. Die Stierköpfe, die sich am Rande befinden, sind
allerdings oft an Geräthen und Amuleten als zauberabwehrende
Symbole angebracht und auch die Sphinx könnte so verstan-
den werden, jedenfalls aber beabsichtigte der Verfertiger nicht
den Eindruck des Schreckenden, sondern im Gegentheil den
der Anmuth und Eleganz hervorzurufen.
Abg. Mus. borb. IX, 13. Gargiulo raccolta 59. Vgl. Winckel-
mann Sendschreiben §. 66.
875 — 881. Candelaberstücke, nämlich zwei Köpfe***,
vier Basen**** und ein den Candelaber über der Basis um-
gebender Diskusf . Der von einer Sphinx gestützte Candelaber-
kopf ist aus Pompeji, die übrigen Stücke aus Herkulanum.
Die pompejanischen und herkulanischen Candelaber sind
durchgehends nicht mehr, was sie ursprünglich waren, Fackel-
halter, sondern Basen für darauf zu stellende Lampen. Sie
sind daher oben ganz anders construirt als die älteren, na-
mentlich durch etruscische Funde bekannten Candelaber, die
oben vier Spitzen aussenden, an welche die Fackeln oder
Kerzen. angeheftet wurden, wie das an den im hiesigen Anti-
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 245.
** Vgl. n. 267 in demselben Saal, ein durch einen Satyr gebildetes
Bein eines Dreifusses, der ebenfalls in Pompeji gefimden ist.
*** Im Saal der Thiere und Broncen n. 91. 94.
**♦* Ebendas. n. 41. 84. 87. 89.
t Ebendas. n. 83.
Pompejaiiisclie und herkulanische Alterthümer. 527
quarium befindlichen Exemplaren beobachtet werden kann.
Die pompejanischen und herkulanischen dagegen sind Unter-
sätze, um der Lampe einen höhern Stand zu geben*. Sie
haben gewöhnlich oben die Form einer Vase und sprechen
darin ihre Bestimmung aus, eine Lampe aufzunehmen. Aber
auch am untern Theil sind sie, wenigstens in manchen Exem-
plaren, erheblich verschieden von den älteren, indem über den
Füssen ein reich verzierter Diskus** angebracht ist, der die
Schönheit des Ganzen nicht fördert, da er die leichte und
schlanke Entwicklung des Schaftes aus den Füssen nicht zur
Wirkung kommen lässt. Es scheint, dass zum Theil das Be-
streben, den Fuss zu beschweren und dadurch den festeren
Stand zu sichern, zum Theil nur ein omamentales Verlangen,
dem reich entwickelten und omamentirten Kopf auch einen
reicheren Fuss gegenüberzustellen, diesen Zusatz veranlasst
hat. Im Uebrigen sind diese Candelaber den älteren etrus-
cischen sehr ähnlich und nur etwa dem reich durchbrochenen
Fuss des einen unter ihnen*** würde sich kein Beispiel älterer
Zeit an die Seite setzen lassen. Besonders hübsch ist der
von einer Sphinx getragene Candelaberkopf*.
Abg-. Antichitä d'Ercolano VIII, tav. 79.78.74. Mus. borboii. 4, 57.
882.883. Candelaber mit Silensfiguren am Fussf.
Der obere Theil der Candelaber fehlt hier; man denke sich
den bäum- oder rankenartigen Stamm, der sich hinter den
beiden Figuren befindet, verlängert und nach links und rechts
in Zweige auslaufend, deren jeder von einer tellerförmigen
Platte bekrönt ist, die zur Aufnahme der Lampe diente. In
den pompejanischen Geräthen herrscht nämlich in strengem
Gegensatz zu den ältesten und schönsten Geräthen, die wir
aus dem Alterthum besitzen, zu den etruscischen, schon viel-
fach ein naturalistisches Princip, während dort nur nach Stil
gestrebt wird. So finden sich Candelaber in Form von Schilf-
stengeln, während dort nur die cannelirte Säule vorkommt, so
finden sich auch namentlich oft Candelaber in Form von
* Beispiele für kleinere Untersätze bieten n. 64 u. 1)0, der letztere
aus drei DtUphinen in einer für diese Thiere charakteristischen Stellung
^(•bildrt. Sie sind abg. Antichitä d'Ercolano VIII tav. 59 u. 60.
*♦ n. 83.
n. 89.
**** u. 94.
Y Im Saal der Thiere und Broncen n. 66. 71.
528 Pompejanische und herkulanische Alterthümer.
Bäumen, in deren Zweigen dann die Lampen wie Früchte-
hingen. Es muss übrigens diese spätere, natumachahmende
Weise schon vor Alexander's Zeit vorgekommen sein, denn
von diesem wird erzählt, dass er bei der Erobemng Thebens
einen wie einen fruchttragenden Baum gestalteten Candelaber
erbeutet habe, der später in den Tempel des Palatinischen
Apollo in Kom kam. Zu dieser Art gehören auch die beiden
vorliegenden Exemplare, die uns noch Gelegenheit geben,,
einen andern Unterschied des älteren und jüngeren Stils an-
zuführen. Die eine Figur nämlich steht mit dem eigentlichen
Geräth in gar keinem Zusammenhang und hat nur den prak-
tischen Zweck, den Fuss zu beschweren, die andere ist zwar
mit dem Geräth verbunden, aber auf eine höchst unorganische
Weise, indem der Stengel, man weiss nicht wie, vom Kücken
der Figur ausgeht. Im ältesten Stil dagegen stehen die zie-
renden Figuren immer in tektonischem Zusammenhang mit
dem Geräth und zwar gewöhnlich so, dass der Candelaber
auf dem Kopfe oder auch in der Hand der Figur balancirt
Es ist eine ähnliche Erscheinung, wie in der Geschichte der
Architektur, wo statt der als architektonische Glieder fungi-
renden Karyatiden später Pfeiler mit darangesetzten omamen-
talen Figuren erscheinen, wie es z. B. in der Halle von Thessa-
lonich der Fall ist.
Der sitzende Silen hat wahrscheinlich eine Schaale in
der Linken gehabt, da er offenbar aus seinem Schlauch ein-
giesst, interessanter, wenn auch etwas derber, ist der schwam-
mige Silen des andern Candelabers, der offenbar betrunken
ist und einen nicht recht verständlichen Gestus macht. Auch
an dem gleich im Folgenden zu erwähnenden Candelaber
finden wir Figuren aus dem bacchischen Kreise, offenbar
waren diese Candelaber kostbarere Gegenstände, die man wohl
hauptsächlich bei Festen und Gelagen benutzte und es lag
dann nahe, diese Geräthe mit Figuren aus dem bacchischen
Kreise, die gleichsam eine Aufforderung zur Fröhlichkeit ent-
hielten, zu verzieren.
Abg. Mus. borb. 4, 59. 7, 30. Antich. d'Ercol. Vlfl, 64.
884. Grosses Lampeng-estell*, 1812 in Pompeji
gefunden. Die bildliche Ausstattung dieses Candelabers, rechts
der kleine Dionysos auf einem Panther reitend und ein Trink-
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 244.
Pompejanische und herkulaiiische Alterthümer. 529
horn in der Rechten schwingend, links ein Altar, enthält eine
deutliche Aufforderung dem Dionysos zu opfern. Eine in Sil-
ber eingelegte Weinlaubranke umgiebt rings die Basis des
Candelabers, in der Spitze des Schaftes ist eine Maske und
ihr entsprechend auf der hinteren Seite ein Stierschädel an-
gebracht, dem die Bedeutung eines Apotropaion, eines Schutz-
symbols, mit dem die antiken Geräthe so häufig versehen
wurden, zuzuschreiben ist.
Abg. Museo borbon. 2, 13.
885 — 889. Lampen*, von Bronce, aus Pompeji und
Herkulanum.
Die eine derselben, die drei Flammen hatte**, ist eine
Hängelampe, die anderen wurden auf Candelaber oder Unter-
sätze gestellt. Auf dem Deckel einer der letzteren steht nicht
gerade sehr angemessen eine grosse Silensgestalt, die als Griff
diente, sinnig dagegen ist die Verzierung einer anderen mit
einer Fledermaus, dem Thiere der Nacht. Der Griff der
dritten läuft in einen Pferdekopf aus, die vierte, eine doppel-
armige Lampe, ist mit zwei Adlern verziert.
Abg. Antichitä d'Ercol. VIII, 51. 40.
890. Lampe***, von Bronce, in Arolsen.
Die Lampe hat eine kugelförmige Gestalt und ruht auf
der Schulter eines nackten knieenden Mannes, in dem man
sehr wahrscheinlich den Herkules als Stellvertreter des Him-
melsträgers Atlas vermuthet hat. Aber die geringe Last der
Lampe könnte den starken Mann nicht niederdrüpken, viel-
mehr Amor, der oben auf der Lampe sitzt, lastet auf ihm
und die Gruppe wiederholt das so oft behandelte Thema
vom liebebezwungenen Herkules.
\'^1. Gädechens, Die Antiken in Arolsen n. 144.
891—892. Drei Silberbecher****, im März 1835 in
Pompeji in einem Privathause gefunden. Die zwei mit figür-
lichem Schmuck versehenen waren vergoldet.
Die Form dieser Becher ist diejenige des Kantharus, des
im Kreise des Dionysos gewöhnlichen Trinkbechers, nur dass
♦ Im Saal der Thiere und ßroncen n. 81. 93. 95. 104. 219.
** n. 81.
*** Im Saal der Thiere mid Broncen n. 357.
**** KlxMulab. n. 60. 62. 63.
Friedericbs, griech. }*lastik. 34
530 Pompejanlsclie und herkulaiiische Alterthümer.
die ältere und strengere Form desselben weicher und abge-
rundeter geworden ist. Die Dekoration ist ebenfalls die der
späteren Zeit, die Figuren und Blätter haben nämlich nicht
den bescheidenen dekorativen Charakter, sondern sind rund
gearbeitet und lösen sich frei vom Grunde.
Wein und Liebe ist das Thema der Darstellungen im
Einklang mit dem Zweck der Geräthe, die offenbar Trink-
becher waren, wobei übrigens zu bemerken, dass zum beque-
meren praktischen Gebrauch ein glatter Becher entsprechen-
der Form eingesetzt wurde, welcher die inneren Höhlungen
verdeckte. Die bildlichen Darstellungen sind sich ausseror-
dentlich ähnlich, es ist in beiden je ein Centaur und eine
Centaurin in der Gewalt von Bacchus und Amor dargestellt.
Das pikante Motiv ist nicht neu, wir fanden es schon an dem
borghesischen Centaur n. 609. Die Gruppen selbst bedürfen
einer näheren Erklärung nicht, eigenthümlicher ist das Beiwerk,
auf dem einen Becher eine Statue des Bacchus, ein Baum
mit einem daran hängenden Tambourin und ein grosses Ge-
bäude mit Bogenfenstern und Vasen als Verzierung des flachen
Daches, auf dem anderen wieder ein Baum mit Becken be-
hangen, einem bacchischen Instrument wie oben das Tam-
bourin, und ein bekränzter und von einer Vase bekrönter
Thorweg.
Die dritte Vase hat einen einfachen Schmuck von Epheu.
Abg. Museo borbon. XIII tav. 49. Müller -Wieseler II, 47, 596.
Vgl. Aiinali 18i8 p. 177.
894. Silberbecher*, aus Herkulanum, mit der Apo-
theose Homers verziert.
Der Dichter wird von einem Adler zum Olymp hinauf-
getragen, sinnend sein Haupt stützend und als Abgeschiedener
mit einem Schleier bedeckt. Um ihn trauern seine Töchter,
Ilias und Odyssee, die erste mit kriegerischen Symbolen, die
andre mit Abzeichen der Schifffahrt geschmückt. Den Rand
des Bechers umgiebt ein Lorbeerkranz, der von Schwänen,
den Vögeln Apoll's und der Musen, und von Masken, deren
Bedeutung uns unklar ist, getragen wird.
Die Darstellung entspricht den auf römischen Monumen-
ten so häufigen Apotheosen der Kaiser.
Abg. Millingen anc. uned. moiium. II, 13. Vgl. Miliin Gal. myth
149. Winckelmann Sendschreiben v. d. herkul. Entdeck. §. 77.
* Im Saal der Tliiere und Bronceii n. 88.
Pompejanische und herkulanische AUerthümer. 531
885. Silberbecher, aus Herkulanum*.
Auf der einen Seite besteigt Minerva, auf der anderen
ein bärtiger nackter Mann, der nicht näher charakterisirt ist,
den Wagen, beide zugleich, wie es scheint, den unruhigen
Pferden zurufend. Die Gruppen sind sehr symmetrisch com-
ponirt, aber nicht sehr detaillirt ausgeführt, man sieht z. B.
gar keine Deichsel.
Abg. Miis. borbon. VIII, 14, 1—3.
896 — 909. Kannen, Krügeund Eimer**, aus Pompeji
und Herkulanum.
Diese Geräthe sind im Allgemeinen in der Weise des
eleganten griechischen Kunststils gearbeitet, dessen vornehmste
Eigenthümlichkeit darin besteht, dass die eckigen Formen des
alterthümlichen Stils abgerundet sind und somit ein weich und
fliessend geschwungener Contojir hergestellt ist. Doch fehlt es
nicht an einzelnen Wunderlichkeiten. Namentlich ist die pom-
pejanische Vase*** auffallend, auf deren Rand ein Adler mit
einem Lamm in den Klauen angebracht ist, während der
Griff durch einen hinaufstrebenden Schwan gebildet wird. Die
Lösung des Henkels vom Geräth widerstrebt durchaus dem
edleren Stil und ist auch nicht praktisch.
Abg. Overbeck Pompeji II, 263. 264. 267.
910 — 914. Henkel von Vasen****, aus Pompeji und
Herkulanum.
Die Henkel der Geräthe als Figuren zu bilden, war
schon im alterthümlichen Stil der Kunst Sitte, und besonders
die etruscisehen Geräthe liefern viele Beispiele, die oft sehr
sinnig und witzig erfunden sind. Man strebte danach, der
Figur ein für die tektonisch gebotene Krümmung des Hen-
kels passendes Motiv zu geben. In den pompejanischen und
herkulanischen Beispielen ist aber ein derartiges Bestreben
nicht gerade ersichtlich. Die Wahl des figürlichen Schmu-
ckes zu motiviren sind wir ausser Stande, nur erkennt man
eine Neigung zu weich anmuthigen Gegenständeii. An einem
der Henkelf ist eine Figur des Attis, des Lieblings der
* Im Saal der Thierc und Bronceii n. 450.
** EbtMidas. n. 45. 46. 48—50. 52. 53. 54—59. 61.
♦** n. 56.
♦*** EI)tMidas. n. 92. J)7— 99. 218.
V II. 218.
34*
532 Pompejanische und herkulaiiii-clie Alterthümer.
Cybele, an einem andern* ein Hermaphrodit dargestellt^
dessen Flügel übrigens keine materielle Bedeutung haben, son-
dern nur durch tektonische Rücksichten, um die Figur mit
dem Gefäss zusammenzuschliessen, veranlasst sind. Wir fan-
den schon oben (n. 75) geflügelte Silene in einem ähnlichen
Zusammenhang. Auch der Henkelschluss , der gewöhnlich
durch Masken der verschiedensten Art verdeckt wird, ist
hier ungewöhnlicher Weise mit einem Amor, der einen
Schwan hält, verziert**.
Der Hermaphrodit ist mit der zugehörigen Vase abg. Mus. borbon^
VIII, 15, 2.
915. Trinkhorn***, von Bronce, aus Herkulanum.
Es ist in der Spitze durchbohrt und hat die Form eines
Hirschkopfes, dessen Homer als Henkel dienen. Die Augen
sind in Silber eingelegt.
Abg. Mus. borbon. VIII, 14, 6.'
916—919. Gürtelschloss****, von Süber und mit Re-
liefs verziert, aus Herkulanum.
Das Schloss besteht aus zwei Theilen, deren jeder wieder
aus zwei Stücken, einem runden und einem viereckigen zu-
sammengesetzt istf. Auf den runden Stücken sind der Son-
nengott und die Mondgöttin dargestellt, auf den viereckigen
wiederholt sich die Figur eines unter WaiFenstücken sitzen-
den Kriegers. Wodurch die Wahl dieser Verzierung veran-
lasst ist, vermögen wir nicht zu sagen.
Abg. Mus. borbon. VIII, 48.
920. Hausaltärchenff, von Bronce, 1830 im Hause des
Meleager zu Pompeji gefunden.
Der kleine Altar diente vermuthlich zum Hausgottesdienst
und entspricht in seinen Dimensionen den kleinen broncenen
Hausgöttern, von denen oben die Rede war. Die Verzierun-
gen sind in Silber eingelegt.
Abg. Mus. borbon. XI, 44.
* n. 99.
** Unter n. 102 ist ein schöner, aber viel strenger stilisirler Henkel
vorhanden; wo das Original sich befindet, wissen wir nicht.
**• Im Saal der Thiere und Broncen n. 40.
♦*** Ebendas. n. 72. 75—77.
t Die einzelnen Stücke sind hier im Abguss von einander getrennt,
tt Im Saal der Thiere und Broncen n. 64.
Tliiere und Miscellaneen. 533
d) Thiere und Miscellaneen.
921. Pferd*, von Bronce, im April 1849 in Rom, in
Trastevere gefunden und im capitolinischen Museum be-
findlich.
Das Pferd trug einen Reiter wie der Ausschnitt auf dem
Rücken zeigt, und die Bewegung der leider sehr beschädigten
Beine war eine ruhig schreitende. Der Zügel war, vielleicht
von edlerem Metall, angesetzt, am Original bemerkt man
noch die Löcher zur Befestigung desselben.
Das Werk wird gewiss mit Recht für griechisch gehal-
ten, die Form des Kopfes und der Schnitt der Mähne ent-
spricht den Pferden vom Parthenon, nur die Aufbindung der
Stirnhaare kommt dort nicht vor.
Am linken Hinterschenkel steht die Inschrift L. I (wahr-
scheinlich Loco primo) XXIIX, zur Nummerirung des Werks,
die aus irgend einem Grunde wünschenswerth sein konnte,
hinzugefügt.
Vgl. ßruim im bull. 1849 p. 130. Cauiua ebendas. p. 161. Brauu
RuiikMi p. 137. Ueber die Inschrift Brunn im bull. 1864 p. 10 und
Henzen ebendas. 1863 p. 61.
922. Pferdekopf**, von einem der vier Broncepferde
an S. Marco in Venedig.
Die Pferde wurden aus Constantinopel nach Venedig
versetzt. Ob sie römische oder griechische Werke sind, ist
noch nicht ausgemacht, doch neigt man mehr zur ersteren
Annahme und glaubt, dass sie einst einen römischen Triumph-
bogen gekrönt haben.
Abg. Statue di S. Marco I, 43 ff. Vgl. Thiersch Reisen in Italien
1, 135 ff. 0. Müller Handb. §. 433, 2. Welcker Akad. Mus. n. 244.
923. Pferdekopf***, aus Marmor, von einer in Herku-
lanum entdeckten, zur Familie des Baibus gehörigen Reiter-
statue.
Ai)g. Mus. borbon. II, tav. 38.
* Im Saal der Thiere und Broucen n. 452..
** Ebendas. n. 10.
*** Ebendas. n. 11.
ä
534 Thiere iiud Miscellaueeii.
924. Löwe,* Marmorrelief im Palast Barberini zu Rom^
ursprünglich an einem Grabmal bei Tivoli, das wenigstens in
Zeichnungen noch vorhanden ist. Ergänzt sind das rechte
hintere und vordere Bein, der Schweif, die Schnauze und das
Untermaul.
Auf den Gräbern tapferer Krieger finden wir im Alter-
thum und in der Neuzeit oft das ausdrucksvolle Bild eines
Löwen, und in diesem Sinne wird auch dieser Löwe aufzu-
fassen sein. Doch ist er trotz seiner lebensvollen Schönheit
nicht als griechisches Werk zu betrachten, da sich am Ori-
ginal, an der rechten Ecke der Basis der Rest eines Orna-
mentes erhalten hat, das entschieden römischen Charakter
trägt. Im Gypsabguss ist dies Ornament nicht ausgedrückt,
Abg. mit dem architektonischen Ganzen, zu dem er gehörte, bei
Bartoli, gli antichi sepolcri ovvero mausolei Romani tav. 49. Im Kmist-
blatt 1817 n. 10 heisst es, dass das von Bartoli als Grabmal bezeichnete
Gebäude ein Thorpfeiler sei, allein die sarkophagähnliche Form des von
dem Bogen getragenen Gegenstandes und die Verzierung der einen
Seite desselben mit einer Kanne beweisen, dass es ein Grabmal war.
Vgl. Winckelmann Kunstgesch. V, 6 §. 19 mit der Anm. v. Meyer.
Ueber den Löwen auf antiken Grabmälern handelt ausführlich Welcker
A. D. V, p. 71 ff.
925. Eber**, berühmte Marmorstatue in Florenz.
Abg. Gori Mus. Florent. III, 69. Vgl. Meyer zu Winckelmana
Kunstgesch. V, 6 §. 23.
626. Sitzender Hund***, eine schöne in mehreren
Wiederholungen erhaltene Figur. Dies Exemplar befindet sich
vermuthlich in Florenz und war ursprünglich gewiss mit einem
Seitenstück am Eingang eines Hauses als Wächter desselben
aufgestellt, wie schon vom Palast des Alkinous in der Odyssee
erzählt wird.
Vgl. Meyer z. Winck. V, 6 §. 23.
927. Gruppe von zwei Windhunden****, deren einer
den andern spielend ins Ohr beisst. Zugleich mit einer
ähnlichen jetzt in England befindlichen Gruppe in Monte
Cagnuolo in der Gegend des alten Lanuvium gefunden und
im Vatikan befindlich.
Vgl Meyer z. Winck. V, <i, §. 23. Beschreibg. Roms II, 2, p. 160.
* In den Ihirchgängen zum Römischen Kuppelsaal n. 42.
** Im Saal der Thiere und Broncen n. 83.
*** Ebendas. n. 9.
♦*** Ebendas. n. 2.
Thiere und Miöcellaneen. 535
928. Stier*; von Marmor, in Ostia gefunden und im
Vatikan befindlich. Die Füsse sind restaurirt.
Abg. Visconti Pio-Clem. VII, 31, 2.
929. Stier**, von Erz, früher im Besitz von Thiersch,
jetzt im Museum zu Carlsruhe.
930. Stier von einem Löwen zerfleischt***, Mar-
morrelief im Louvre, gefunden in Lycien, wo diese Gruppe
besonders häufig vorkommt.
Abg. Clarac inusee de sculpt. pl. 223, 189. Vgl. Nouv. aiinales
df Tinst. II, p. 397. •
931. Kuh mit ihrem Kalb****, Marmorrelief im Va-
tikan, unter Pius VI. in Otricoli gefunden.
Ein Bauer führt Kuh und Kalb zur Stadt, um sie wie
die Enten an seinem Stabe, zu verkaufen. Unterwegs, an
der Umfassungsmauer eines Heiligthums, das eine Quelle in
der Nähe zu haben pflegt, macht er Rast, um sein Thier zu
tränken, und das Kalb benutzt auch die Gelegenheit, von der
Mutter gestillt zu werden. Diese anmuthige Situation, wo
Kuh und Kalb zugleich befriedigt werden, zu schildern, ist
der Zweck der Darstellung. Der Bauer steht ruhig wartend
dabei und hat einen Zweig in der Hand, vielleicht um den
Thieren die Fliegen abzuwehren.
Abg. Visconti I^io-Clem. V, 33, dessen Deutung aber mit Recht in
der ßeschroibg. Roms II, 2 j). 162 Anni. bestritten wird. Die Kuh ist
:i\isscrdem, wie mir von competenter Seite versichert wird, in recht
frnteni Stande. Vgl. E. Braun Ruinen und Museen Roms p. 319.
932. Traubenfressender Hirschf, Marmorrelief aus
Attika, in Wien befindlich.
Die Bedeutung des Reliefs ist uns nicht klar. Der Hirsch
ist sehr gut gearbeitet, doch sieht man an dem Laub des
Baumes, das durch blosse Bohrlöcher angedeutet ist, dass das
Relief erst spät entstanden ist.
Vgl. V. Sacken u. Kenner, die Sammlungen des K. K. Münzcabinets
[K 34 n. 106. 0. Müller Handb. §. 431 n. 2 und Friedländer de operibus
aiiaglyphis etc. p. 28 halten das Relief für den Grabstein eines Jägers,
was mir doch reicht unwahrscheinlich vorkommt.
* Im Saal der Thiere imd ßroncen n. 19.
** Kbendas. n. 391.
*** Im Lycischen Hof n. 274.
**** In den Durchgängen zum Römischen Kuppelsaal n. 20.
t Im Saal der Thiere und Broncen n. 109.
#
536 Thiere und Miscellaneen.
933. Reh*, von Bronce, in Herkulanum 1751 ge-
fanden und in Neapel befindlich.
Abg. Gargiulo raccolta 55. Mus. borb. ^I, 51.
934. Zwei Ziegenböcke**, mit den Köpfen gegen-
einander rennend, Marmorwerk in Athen.
Auf der Insel Thasos befindet sich eine Grotte des Pan,
mit einem Giebelfeld geschmückt, dessen mittleres ALkroterion
genau dieselbe Darstellung zeigt. Wir werden für dieses
Denkmal dieselbe Bestimmung voraussetzen dürfen, der es
nach Form und Inhalt so sehr entspricht.
Vgl. Conze Arch. Aiiz. 1860 p. 101 und dessen Reise auf den Inseln
des thrakischen Meeres p. 11 Taf. 7 n. 2. Pervanoglu Arch. Anz. 1865
p. 11 möchte die Darstellung für sepulkral erklären, allein die Gruppe
über der Pansgrotte von Thasos ist doch gewiss nicht sepulkral.
935. Ziege***; wo das Original sich befindet, wissen
wir nicht.
936. Wasservogel,' eine Eidechse fressend***,
Marmorgruppe aus Pompeji, in Neapel befindlich.
Die Gruppe war vermuthlich an einem Bassin aufgesteUfr.
937. Sessel des Dionysospriesters im atheni-
schen Theaterf.
Die iin Dionysostheater zu Athen 1862 von Strack un-
ternommenen Ausgrabungen haben unter anderm auch das
Ergebniss gehabt, dass ein Theil der Sitzreihen des Zu-
schauerraumes vollständig blossgelegt ist. Man fand in den
beiden untersten Reihen statt der Sitzstufen Marmorsessel,
dicht neben einander stehend und nach den Inschriften fast
nur für Priester oder zum Cult gehörige Personen bestimmt.
Der vornehmste unter diesen, theils nach seinem Platz, theils
nach seinen bildlichen Verzierungen, war derjenige des Prie-
sters des Dionysos Eleuthereus (des Gottes von Eleutherae
woher sein Cult nach Athen gekommen war), der in der Mitte
der untersten Reihe etwas vor den andern vorgerückt stand.
Dieser Priester hatte darum den vornehmsten Platz, weil ja
seinem Gotte das ganze Theater geweiht war.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 12.
** Im Griechischen Saal n. 338.
♦*♦ Im Saaf der Thiere und Broncen n. 20.
**** Ebendas. n. 35.
t Im Saal des Famesisclien Stiers n. 50.
Tliiere und Miscellaueeu. 537
Die Bedeutung der bildlichen Verzierungen an diesem
Sessel ist uns nur zum Theil klar. Selbst bei dem bacchi-
schen Relief an der Eücklehne wissen wir nicht anzugeben,
was zur Wahl des Motivs — die Satyrn tragen eine Traube
— Veranlassung gegeben hat. Ganz räthselhaft ist uns das
Relief unter dem Sitzbrett, wo seltsam gekleidete Männer mit
sichelförmigen Messern gegen Greife kämpfen. An der Aussen-
seite der Armlehnen sind Eroten, welche Hähne gegea ein-
ander loslassen, schön in den Raum componirt, und hier ist mit
Recht an die Hahnenkämpfe, die jährlich im athenischen
Theater gefeiert wurden, erinnert. Die Eroten sind vermuth-
lich Eros und Anteros, Eifer und Gegeneifer, ähnlich wie sie
als schönes Symbol des Wetteifers an einem Gymnasium zu
Elis um das Siegeszeichen, die Palme, ringend dargestellt
waren.
So anmuthig diese Darstellung ist, gegenüber den beiden
andern absichtlich archaisirenden, so gehört der Sessel doch
nicht mehr in die Blüthezeit der griechischen Kunst, wie aus
den Formen der Inschrift hervorgeht.
Abg. Revue archeol. 1862 II pl. 20. Vgl. Vischer im N. Schweiz.
Mus. 1863 p. 1 flf. 35 flf. Bötticlier im Nachtrag ziuu Catalog des Neuen
Museums p. 59 ff. bullet, d. inst. 1862 p. iK). 114. f
938. Sessel des Strategen*, zugleich mit n. 937
entdeckt.
Statt der zehn Strategen der früheren Zeit war später
nur noch einer von Bedeutung oder überhaupt nur vorhan-
den. Dieser Strateg war eine der wenigen nichtpriester-
lichen Personen, denen ein Platz in den untersten, vornehm-
sten Sitzreihen eingeräumt war.
\gl Vischer im N. Schweiz. Mus. 1863 p. 1 ff. 35 ff.
939. Sessel**, von Marmor, 1836 im Parthenon, ;zwi-
«chen den Säulen des Peristyls und denen des Pronaos gefun-
den und in Athen befindlich.
Die Greifen als Stützen der Armlehne und die arabesken-
artigo Figur an der Rücklelme haben schwerlich eine andere
als omamentale Bedeutung. Die Composition ist sehr hübsch,
aber wir bezweifeln, ob sie der Blüthe der griechischen Kunst
angehört. Denn für derartige arabeskenartige Figuren finden
* Im Saal des Farnesischen Stiers n. 49.
*♦ Ebendas. n. 17.
538 * Thiere und Miscellaneen.
sich doch wohl erst in spätem Vasenbildern und Terrakotten
Analogien.
An dem obern Kand bemerkt man den Rest einer Inschrift*
Abg. Poppe, Sammlimg v. Ornamenten und Fragmenten antiker
Architektur, Sculptur n. s. w. Berlin 1845, BI. 8 Fig. 3 a u. b. Vgl.
Ross Archaeol. Aufs. I, p. 113. Scholl Archaeol. Mitth. p. 119 n. 164.
940. Wagenstuhl*; von Marmor, früher als Bischofs-
stuhl in der Kirche St. Marco in Rom benutzt, seit Pius VI
im Vatikan, wo er zum Theil aus antiken Bruchstücken zu
einer mit Rossen bespannten Biga hergestellt ist.
Der Wagen war gewiss ein Weihgeschenk und man hat
vermuthet, dass er dem Sonnengott geweiht gewesen sein möge,
worauf die Wahl der Ornamente deute. Denn der mit
heiligen Binden und Lorbeerzweigen verzierte Candelaber im
Innern und die aus der Akanthuswurzel sich entwickelnden
Aehren- und Mohnbüschel am Aeussern könnten als Symbole
des leuchtenden und Leben weckenden Apollo-Helios betrachtet
werden. Von andrer Seite wird der Wagen für ein der Ceres
dargebrachtes Weihgeschenk gehalten, bei welcher Annahme
das Ornament des Aeussern allerdings eine treffendere Erklä-
rung findet.
' Das äussere Ornament gehört zu den schönsten römischen
Ornamenten, die uns erhalten sind. Der charakteristische
Unterschied des römischen vom griechischen Ornament, wenig-
stens von dem der griechischen Blüthezeit, besteht darin, dass
das erstere reich und üppig schwellend, in voller runder Rea-
lität gebildet wird, während das letztere flach anliegt und
seine Belebung erst durch die Farbe erhält. Man fühlt leicht,
wie nothwendig dieser reichere und üppigere Charakter des
Ornaments für den Geschmack des kaiserlichen Roms war.
Abg. Visconti Pio-Clem. V tav. 44. 45. Vgl. E. Braun Ruinen u.
Museen p. 454.
941. Candelaber**, von Marmor, in Neapel gefunden
und in den Vatikan gekommen, darauf durch Napoleon nach
Paris versetzt, von wo er nicht wieder zurückgekehrt ist.
Nicht zugehörig aber antik ist die viereckige Basis, ergänzt
(nach antiken Vorbildern) der mit Akanthus bedeckte Ablauf
des Schaftes und die Schaale.
* Im Römischen Saal n. 51.
** Im Römischen Kuppelsaal n. 6.
Thiere und Miscollaneen. 539
Der Caiulelaber ist der grösste unter allen die sich er-
lialten, aber nicht der am reinsten stilisirte. Denn während
im strengeren Stil die Vertikalrichtung ausschliesslich betont
wird, damit der Schaft leicht und schlank emporstrebend er-
scheinC; ist hier die Dekoration zum Theil ringförmig umge-
legt und der Schaft erscheint wie aus einzelnen nicht zur
Einheit verbundenen Trommeln zusammengefügt
Das Relief, schwärmende Bacchantinnen, lässt vermuthen,
dass der Candelaber für einen Festsaal oder auch für den
bacchischen Cultus bestimmt war.
Abg. Visconti Pio-Clem. VII, 38. Clarac pl. 137. Vgl. E. Braun
Ruinen u. Museen p. 497. Visconti Op. var. IV, p. 253.
942. Marmorscheibe*, mit den Masken von Satyr und
Silen; wo das Original sich befindet, wissen wir nicht.
Diese zwar in einen viereckigen Kahmen eingelassene,
ursprünglich aber, wie man noch deutlich sieht, runde Scheibe
gehört zu einer in vielen Exemplaren vertretenen Classe von
Denkmälern, die in den Zwischenräumen der Säulen an Tem-
peln und Privathäusem aufgehängt wurden. Man hat diese
Bestimmung aus einem porapejanischen Fund und aus den Lö-
chern am obern Rand vieler Exemplare errathen, auch sieht
man auf antiken Darstellungen solche Scheiben in der ange-
gebenen Weise aufgehängt. Sie sollten in die Monotonie der
Säulen Abwechslung hineinbringen. In den meisten Fällen
sind sie mit Reliefs bacchischen Inhalts verziert, vermuthlich
nur deshalb, weil derartige Darstellungen ihrer Anmuth wegen
besonders beliebt und auch für diesen Zweck als ein heiteres
Ornament besonders passend waren.
V^l. WelcJtci' A. D. n, p. 122 ff., wo aber dies Exemplar nicht
aufgeführt ist. Brunn Annali 1851 p. 118 ff.
943. Marmorscheibe**, im Antiquarium zu München.
Auf der einen Seite ist Herakles dargestellt, wie er den
gctödtoten nemeischen Löwen davonträgt, auf der andern, wie
ein Knabe ihm eine Schenkelwunde verbindet. Wir glauben,
dass er diese Wunde, die von Andern aus dem Kampf mit
den llippoköontiden abgeleitet wird, im Kampf mit dem Lö-
wen davontrug, denn es wäre eigenthümlich, wenn die beiden
Seiten dieses Diskus nicht in einer deutlichen und bestimm-
* Im Römischen Saal n.. 41.
** Im Saal der Thiere und Broncen n. 314.
540 Thiere und Miscellaiieei).
ten Beziehung zu einander ständen. Der Stil ist sehr mittel-
mässig.
Abg. bei v. Lützow, Müiichener Antiken Taf. 3. 4. Archaool. Ztg.
1861 Taf. 151, 2. Vgl Archaeol. Anz. 1861 p. 171. Wir haben zwar
keine Ueberliefening von einer Verwundung des Herakles im Löwen-
kampf, da er aber den Löwen erdrückte, so war eine Verwundung notli-
wendig und ein Künstler konnte sie daher unbedenklich darstellen.
944. Relief mit einer Triere*, von Marmor, 1860
in Athen gefunden und ebendaselbst befindlich.
Man hat dies gut gearbeitete Relief mit Wahrscheinlich-
keit als Rest eines Ehrendenkmals angesehen, das für einen
Sieg im Trierenwettkampfe errichtet wurde.
Abg. Annali 1861 tav. d'agg. M, n. 2 p. 327. Vgl. Bötticher im
Nachtrag zum Catalog des Neuen Museums p. 35 und über das Tech-
nische der Darstelhmg Graser de veterum re navali §. 84.
945. Schaale des Canole jus**, aus schwarz gefirnisstem
Thon, 1834 in einem caeretanischen Grabe gefunden und in
Paris, im cabin. d. m^d. befindlich.
Es ist eine Trinkschaale, passend mit der Büste eines
Silens verziert, die offenbar nach griechischen Vorbildern co-
pirt ist. Form und Farbe des Gewisses dagegen sind italisch.
Die Form ist unter den aretinischen Vasen häufiger.
Der Verfertiger Calenus Canolejus, dessen Name das Bild
im Innern umgiebt, kann nach den Buchstabenformen der In-
schrift nicht jünger sein als das sechste Jahrhundert der Stadt,
er ist aber auch schwerlich viel älter, denn das stark vor-
springende Relief der Büste entspricht durchaus nicht dem
Stil der edleren Kunst.
Vgl. de Witte, cabinet Durand n. 1434 Brunn Gesch. d. griech.
Künstl. I, 534. Archaeol. Anz. 1863 p. 73—78.
946. Becher von Erz***, in dem Dorfe Erp beiLeche-
nich gefunden und im Museum zu Bonn befindlich.
Das Relief der einen Seite stellt den Besuch des Mars
bei der Rhea Silvia dar, zu dem auch Amor sich einfindet,
das der anderen Seite ist auf den Kampf des Mars gegen
Herkules, der ihm seinen Sohn Kyknos getödtet hatte, oder
auch auf den Kampf des Herkules mit Laomedon von Troja
* Im Griechischen Saal n. 307.
** Im Saal der Thiere und ßroncen lu 132.
*** Ebendas. n. 122. 123.
Thiere und Miscellaneen. 541
gedeutet. Weder die eine noch die andere Deutung scheint
uns überzeugend.
Abg-, Jahrb. d. Vereins v. Alterthumsfreunden im Rheiul. I Taf. 1, 2
mit der Erklüning von Urlichs p. 45. Gegen die Deutung auf Herkules
und Mars spricht allerdings der Umstand, dass dann keine rechte Be-
ziehung zu dem Bilde der anderen Seite da wäre, man müsste denn
die Pointe der Darstellungen so fassen wollen, dass Mars als Liebhaber
und als Kämpfer vorgestellt werden sollte. Aber noch weniger kann
irh der Deutung auf Laomedon's Kampf mit Herkules beistimmen, denn
wer trojanische Helden als Vorfahren Roms darstellen wollte, ging
schwerlich auf Laomedon zurück. Auch wäre dann der Gefallene, um
den gekämpft wird, eine miissige Person.
947. Aschenurne*, in einem Grabe bei Neapel von
(t. Hamilton gefunden, und mit der Townley'schen Sammlung
ins britische Museum gekommen.
Es lag nahe, die Aschenurnen mit künstlichen Blättern
und Blumen zu verzieren, da man auch mit lebendigen Blu-
men die Gräber schmtickte, und so ist denn diese Art der
Verzierung sehr häufig auf den römischen Graburnen, aber
nicht immer so fein ausgeftihrt wie hier. Auf den Henkeln
sind in flachem Relief je zwei Knaben eine Vase tragend
«largestellt, worüber wir keine nähere Auskunft zu geben
vermögen.
Abg. marbles of the brit. mus. V, 3, 2 — 4. EUis, Townley gallery
II, p. 234.
948. Desgl.**, mit der Townley'schen Sanunlung ins
britische Museum übergegangen. Dei* Deckel ist moderne
Ergänzung.
Al)^^ marbles of the brit. mus. V, 10, 2. 3. Ellis,- Townley gallery
11, 254. Die Inschrift lautet D. M. Flaviae Eunyae Titius Justus liugi
(Urs ((»iijup:!) eariss(imae) m(onumeutum) %cit), wird aber von meinem
Colle^eii, Prof. Hübner, für unzweifelhaft modern erklärt.
949. Desgl.***, in Rom, vermuthlich im Vatikan be-
findlich.
Den Ammonsköpfen, welche die Henkel der Vase bilden^
ist die Bedeutung eines Apotropaion beigelegt, vielleicht aber
sind sie nur wegen ihrer tektonischen Angemessenheit von
dem Verfertiger der Vase gewählt.
V^^l. 0. Jahn, Lauersforter Phalerä p. 24. Die Inschrift lautet:
(\ Calpurnius C. f. Ste(llatina tribu) Vibianus.
* Im Römischen Kuppelsaal n. 24.
** Kbendas. n. 27.
*** Kbendas. n. 29.
542 Thiere und Miscellaneen.
950. Desgl.* in Rom, im Vatikan befindlich.
Die Inschrifttafel ist von Candelabern umgeben, eine auf
römischen Grabsteinen häufiger vorkommende Darstellung, die
gewiss mit Recht von den um den Katafalk aufgestellten
Fackeln hergeleitet wird. Die Greifen sind wohl als die
Wächter der Candelaber und der Urne aufzufassen.
Der Fries wird durch umkränzte Stierschädel, zwischen
denen sich Opferinstrumente befiinden, gebildet. Die ersteren
sind ein oft vorkommendes zauberabwehrendes Symbol, könn-
ten aber auch mit den letzteren wohl eine Anspielung auf
die dem Todten darzubringenden Opfer enthalten.
Vgl. Michaelis Archaeol. Ztg. 1866 p. 141. Die Inschrift ist nach
Kellerraann Vigiles p. 64 n. 224 eine ungeschickte moderne Copie einer
andern antiken, gleichfalls im Vatikan befindlichen.
951. Aschenkiste**, 1786 von Townley gekauft und
mit dessen Sammlung ins britische Museum übergegangen.
Die römischen Aschenkisten sind oft in Gestalt eines
Tempelchens gebildet, in offenbarer Nachahmung einer grie-
chischen Sitte. Unter den oben (n. 357 ff.) erwähnten griechi-
schen Grabsteinen haben viele die Gestalt einer Tempelfront,
auch war es vielfach üblich, auf den Gräbern der Verstor-
benen, die als Heroen verehrt wurden, ein säulengetragenes
Tempeldach zu errichten.
Die Sirenen an den Ecken der Kiste haben vermuthlich die-
selbe Bedeutung, wie auf den griechischen Grabsteinen (n. 382 ff).
Abg. mai'bles of the brit. mus. V, 10, 1. Ellis Townley gallery
II, 254. Die Inschrift lautet: D. Albicci Licini Antoni Liberalis.
952. Aschenkiste***, mit der Townley 'sehen Sammlung
ins britische Museum übergegangen.
Auch diese Aschenkiste hat die Gestalt eines Tempels,
aber eines. runden Tempels, dessen Gesims von Hermen und
cannelirten Pfeilern gestützt wird. Die plastischen Verzie-
rungen derselben, wenigstens die Gruppe der zwei Knaben,
die mit einem Vogel spielen, haben gewiss einen besondern
Sinn, den wir aber nicht anzugeben vermögen.
Abg. marbles of the brit. mus. V, 4, 1. 2. Ellis II, p. 237. Die
Inschrift lautet: Serulliae Zosimeni quae vixit ann(is) XXVI bene meren(ti)
fecit Prosdecius filius, ist aber nach Prof. Hübner's Meinung sicher modern.
* Im Römischen Ku])pelsaal n. 30.
** Ebendas. n. 26.
*** Ebendas. n. 25.
Tlüere und Miscdlaneeii. 543
953. Grabaltar des Atimetus*, von W. A. Mackin-
non 1817 dem britischen Museum geschenkt.
Der Altar ist, wie die Inschrift sagt, dem Atimetus,
einem kaiserlichen Freigelassenen, der die Aufsicht über den
Feldbedarf des Kaisers führte, von Gattin und Sohn gesetzt.
Die Darstellung stammt von jenen oben (n. 385) besproche-
nen griechischen GrabdarsteUungen ab, welche den Verstor-
benen trinkend und essend, d. h. im Genuss der von den
Angehörigen ihm bereiteten Opfer darstellen. Kinder oder
Diener umgeben den Atimetus und einer setzt ihm einen Kranz
auf, wie man sie beim Gelage trug.
An den Seiten des Altars sind Krug und Schaale ange-
bracht, Symbole der Opferspenden, die dem Todten darge-
bracht wurden.
Abg. marbles of the brit. mus. V, 1, 2. Ellis Towiüey g^llery II,
228. Die Inschrift lautet D. M. S. Atimeti Aug(usti) l(iberti) a supell
{ectili) castrensi feeerunt Flavia Dada conjug(i) b(ene) m(erenti) et For-
tunatus Aufi^(usti) l(ibertus) parent(i) optimo,
954. Sphinx als Tischfuss**, von Marmor, von G.
Hamilton in der Nähe des alten Lanuvium gefunden und mit
der Townley'schen Sammlung ins britische Museum über-
gegangen.
Die Tischplatte denke man sich auf vier, zu je zweien
mit dem Rücken gegen einander gekehrt sitzenden Sphinxen
ruhend.
Abg. Ellis, Tüwnley gallery II, p. 84.
955. Tischfuss mit Löwenkopf***, von Marmor, aus
der Townley'schen Sammlung ins britische Museum gekommen.
Abg. Ellis, Townley gallery II, p. 89.
956. Desgl.****, von Marmor, mit gehörntem Löwen-
kopf, fragmentirt, 1769 in Hadrians tiburtinischer Villa von
G. Hamilton gefunden und mit der Townley'schen Sammlung
ins britische Museum gekommen.
Al)g. marbles of the brit, mus. 1, 13. Ellis, Townley gallery II, p. 91.
* Im Römischen Kuppelsaal n. 28.
** Im Saal der Thiere und ßroncen n. 31.
*** Im Römischen Saal n. 57. Ein fast ganz übereinstimmendes Exem-
plar ist unter n. 58 verzeichnet.
**** Im Römischen Saal n. 123.
544 Thiere imd Miscellaneen.
957. Desgl.*, von Marmor, mit einem Herkuleskopf;:
wo das Original sich befindet, wissen wir nicht.
958. Desgl.**, von Marmor, aus Pompeji, worauf Amor
auf einem Seepferde dargestellt ist.
858 a.b. Desgl.***, aus dem Dionysostheater von Athen».
959. D,esgl.****, von Marmor, aus Pompeji, von einem
Amor, der eine Muschel hält, gebildet. Besonders anmuthig..
Ein übereinstimmendes Exemplar im hiesigen Museum, das in der
Archaeol. Ztg. 1862 Taf. 158, 4 abgebildet ist.
960. Desgl. t, von Giallo antico, aus dem Haus des
Sallust in Pompeji, jetzt in Palermo befindlich.
961. Desgl. ff, von Bronce, im Hause des Sallust zu
Pompeji ausgegraben und jetzt im Museum zu Palermo.
962. DesgLfff, von Marmor, aus Athen, durch eine-
Sirene, die auf einer Ammonsmaske steht, gebildet. Letzterer
wird die Bedeutung eines Apotropaion beigelegt.
Vgl. 0. Jahn, Die Lauersforter Phalerä p. 24 ff.
963. Geflügelter Löwenfussffff, von einer Brüstung
im kleinen Theater zu Pompeji, zu deren Abschluss er diente^
964. Fuss eines Kohlenbeckens*f, durch einen ge-
flügelten Löwen gebildet. Aus Pompeji.
965. Vierköpfige Herme *ff, aus dem Piraeus, aus:
einer bärtigen ithyphallischen und drei weiblichen Figuren
bestehend. Die Erklärung steht noch nicht fest.
Abg. Stephani, Titulorum gi-aecorum particula V, Dorpat 1850
Taf. 6 p. 20 ff. Vgl. bullet. 1851 p. 71.
966. Sechs Masken*fff, Marmorrelief aus Athen.
Vermuthlich Hat dieses Kehef zum Schmuck des Theaters
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 22.
** Im Römischen Saal n. 114.
*** Im Griechischen Saal n. 369. 370.
**** Im Saal der Thiere und Broncen n. 243.
t Im Rönndschen Saal n. 124.
tt Ebendas. n. 26.
ttt Im Griechischen Saal n. 313.
tttt Im Saal der Thiere und Broncen n. 242.
*t Ebendas. n. 103.
*tt Im Griechischen Saal n. 49.
*ttt Ebendas. n. 302..
Thiere und Miscellaneen. 545
in Athen gedient, denn ebendaselbst sind kürzlich mehrere
mit Masken verzierte Keliefs, darunter auch ein ganz ähn-
liches nur etwas grösseres, ebenfalls sechs Masken enthal-
tendes, aufgefunden worden.
Vgl. Arch. Anz. 1866 p. 170.
967. Tragische und komische Maske*, Marmor-
relief im britischen Museam. Das Kinn der tragischen Maske
ist ergänzt.
Diese Masken sind besonders schön, namentlich ist an
der tragischen der Zug der Trauer sehr ausdrucksvoll her-
vorgehoben. Sie dienten vermuthlich auch zur Dekoration
eines Theaters.
Abg. marbles of the brit. mus. II. Vignette. EUis, the Townley
gallery II, p. 67 n. 23.
968. Bacchische Masken**, Marmorrelief, 1818 für
das britische Museum erworben.
Unten sind die Masken des bärtigen Dionysos und
eines jugendlichen Satyrs, oben die zweier Bacchantinnen dar-
gestellt.
Abg. EUis, the Townley gallery II, p. 67 n. 24.
969. Schlussstein eines römischen Triumph-
bogens**"^', in der Nähe von Frascati gefunden und mit der
Townley'schen Sammlung ins britische Museum übergegangen.
Ergänzt sind der Kopf und der linke Vorderarm der Viktoria.
Sowohl die architektonische Form als die Gestalt der
Viktoria machen den angegebenen Zweck dieses Werks wahr-
scheinlich. Es entspricht durchaus den noch an Ort und
Stelle, wie z. B. am Titusbogen, erhaltenen Schlusssteinen.
Abg. marbles of the brit. mus. I, 15. Ellis, Townley gallery II,
p. 86. Vaiix handbook to the brit. mus. p. 260.
* Im Römischen Saal n. 40.
** Ebendas. n. 35.
*** Im Saal der Thiere und Broncen n. 14.
Friederichs griech. Plastik. 35
IX. Anhang. Etruscische Kunst.
Die Denkmäler etruscischer Kunst, die das Neue Museum
besitzt, sind nicht zahlreich genug, um' eine Vorstellung von
der historischen Entwicklung und von der Mannigfaltigkeit
dieser Kunst zu geben, wir konnten sie daher nur als An-
fang hinzufügen. Doch ist das, was vorhanden ist, charakte-
ristisch gewählt, indem es drei verschiedene Perioden in ein-
zelnen Proben repräsentirt. Wir ordnen die Denkmäler nach
ihrem Alter, lassen also diejenigen vorangehen, die noch nicht
von orientalischen Elementen frei sind, dann die vom stren-
gen altgriechischen Stil abhängigen folgen und schliessen mit
den in freierem Stil gearbeiteten, übrigens auch noch von
der griechischen Kunst abhängigen.
970 — 983. Verzierungen von Geräthen*, vonBronce,
theils Reliefs von getriebener Arbeit, theils runde gegossene
Figuren, 1812 in der Nähe von Perugia gefunden. Die Re-
liefs befinden sich jetzt fast alle in der Glyptothek zu Mün-
chen, die runden Figuren in Perugia.
Gleich bei der Auffindung wurde die allerdings nicht
unwahrscheinliche Vermuthung ausgesprochen, dass diese Bron-
cen oder wenigstens ein Theil derselben zur Verzierung eines
Wagens gedient habe. Die Form der beiden grössten Frag-
mente wenigstens, desjenigen auf dem die Eberjagd und des
andern auf dem die Meduse dargestellt ist, entspricht dieser
* Im Saal der Thiere uud Broncen n. 191—200. 129. 130. 139.
143. 165. 166. 168.
Etruscische Kunst. 5^7
Voraussetzung vollkommen, denn der Wagenstuhl war, wie er-
haltne Wagen zeigen, in ähnlicher Weise ausgeschweift, wie
diese Reliefs. Einige der Platten haben ein höheres Relief
als die andern; wenn die Vermuthung, dass der Wagen nicht
allein aussen, sondern auch im Innern verziert war, richtig
ist, so waren die flacher gearbeiteten Stücke vielleicht innen
und die andern aussen angebracht. Doch beanspruchen wir
nichts weniger als jedem Fragment seine Stelle anweisen zu
können. Das Material des Wagens war jedenfalls Holz.
Auch hinsichtlich der Erklärung bleibt manches dunkel.
Wir glauben indess, dass diejenige Erklärung der Wahrheit
am nächsten konmit, die möglichst wenig tiefere Absichten
voraussetzt. Aehnlich wie am Fries von Assos (n. 4. 5.), der
überhaupt diesen Reliefs sehr verwandt ist, scheint die Zu-
sammenstellung der verschiedenartigsten Dinge ohne bestimmte
Absicht, in harmlosem kindlichem Sinn geschehen zu sein.
Das grösste Fragment stellt eine Eberjagd dar, und
vermuthlich ist die calydonische gemeint, die auch in der
griechischen Kunst zu den ältesten Gegenständen der bilden-
den Kunst gehört. Ihr entsprach vielleicht eine ähnliche
Scene auf der rechten Seite der Platte, von der sich nur ein
paar Figuren erhalten haben. Die Verbindung zwischen bei-
den wird durch zwei wunderliche Figuren vermittelt, von de-
nen die eine ein phantastisches Seethier, die andre eine
menschliche Figur mit Fischflossen darstellt. Wir bezweifeln,
dass eine andre Absicht die Darstellung dieser Figuren ver-
anlasst habe, als die, den gegebenen Raum schicklich auszu-
füllen. Der primitive Künstler wusste sich eben nicht anders
zu helfen. Unter dem Eber befindet sich ohnQ Zusammen-
hang mit den übrigen einer der Jäger, auch diese Figur ist
nur des Raumes wegen hinzugefügt, gerade die älteste Kunst
hat, wie man namentlich an den bemalten Vasen sieht, das
Bestreben, jeden auch den geringsten Raum mit einem Bilde
zu beleben.
Auf einem andern Fragment ist eine Meduse alterthtim-
lichster Art dargestellt, wie es scheint, mit zwei Löwen
kämpfend, in welcher Situation wir sie sonst freilich nicht ken-
nen. Das Seepferd und der storchartige Vogel auf derselben
Platte sind sichtlich nur durch den Raum veranlasst.
Auf den andern Platten sehen wir den Minotaur, eine
Frau mit einem Salbgefäss, die mit einer Hand ihr Gewand
etwas hinaufzieht und wegen dieses Gestus für Venus erklärt
35*
5^8 Etruscische Kunst.
ist, einen bewaffiieten Mann, der Löwen am Seil führt, ausser-
dem aber Thiere, zum Tlieil phantastischer Art, Löwen im
Kampf mit Ebern, Löwen einen Hirsch zerfleischend, Löwe
und Sphinx, eine zweite Sphinx und ein paar Panther.
Die Reliefs haben nach allem Anschein ein hohes Alter»
Einmal der Technik wegen, denn die Bekleidung mit getrie-
benen Blechplatten ist die älteste Anwendung der Metallkunst.
Sodann sind die Gegenstände der Darstellung, Thiere und
Thierkämpfe und die calydonische Eberjagd, auch in der grie-
chischen Kunst die ältesten. Ferner ist die Behandlung des
Reliefs sehr alterthümlich, der Minotaur steht mit Beinen und
Kopf im Profil, mit der Brust en face, worüber schon oben
(p. 15) gesprochen ist. Endlich sind die künstlerischen
Formen noch ganz primitiv, namentlich ist das Profil wie auf
den ältesten Vasen noch ganz schräg.
So alterthümlich übrigens die Reliefs aussehen, so fallen
sie doch bereits in die Zeit des griechischen Einflusses, wie
die Darstellung der calydonischen Jagd beweist. Wir werden
sie als gleichzeitig mit dem so sehr verwandten Fries von
Assos (n. 4. 5.) betrachten dürfen.
Ob die zugleich mitgefundenen runden gegossenen Figu-
ren auch zur Verzierung des Wagens gedient haben, müssen
wir dahin gestellt sein lassen, sie dienten jedenfalls alle zur
Verzierung von Geräthen und sind in altertliümlichem Stil
gearbeitet. Es sind eine phantastische Venus mit vier Flü-
geln*, den Kopf mit der eigenthümlichen etruscischen Mütze,
dem Tutulus, bedeckt, in der Hand eine Taube haltend. Das
Gesicht hat noch durchaus orientalischen Charakter. Aehn-
liehen Gesicbtsschnitt hat die andere, ebenfalls mit dem Tu-
tulus bedeckte Gestalt**, die mit der Linken ihr Gewand
etwas in die Höhe zieht nach Art der alterthtimlichen Venus-
figuren. Sodann ist eine fischschwänzige Frau gefunden, die
dem altgriechischen Typus der Scylla entspricht***, femer
ein Löwe ****, die Protome eines Löwen f und einer Sphinx ff
und eine nackte männliche Figur f ff, deren eigenthtimliche
♦ n. 130.
♦* 11. 143.
*** n. 165.
**** n. 129.
t n. 168.
tt n. 166.
ttt n. 139.
Etruscische Kunst. 549
StelluDg offenbar nur durch ihre tektonische Bestimmung zu
erklären ist.
Al)p^. Micali Antichi monum. tav. 28 — 31. lughirami monum. etrus-
ilii III, tav. 22 ff. Vermiglioli saggio di bronzi etruschi (nur die run-
den Fig^uren) Müller-Wieseler I, 59, 297. 298 (die beiden ersten Reliefs).
\'gl. Scliorn Catalog zur Glyptothek n. 32—38. Abeken, Mittelitalien p.
:386. Brunn Annali 1860 p. 481.
984. Artemis*, Erzrelief, im Jahre 1851 in Gräch*
wyl im Canton Bern gefunden und im Museum zu Bern be-
findlich.
Das Relief, welches zur Verzierung eines Geräthes diente,
vergegenwärtigt einen Göttertypus, der ähnlich in der ältesten
griechischen Kunst wiederkehrt, ursprünglich aber wohl im
Orient zu Haus ist. Man hat ihn als persische Artemis be-
zeichnet, der die Thiere dss Waldes, von denen die Göttin
umgeben ist, untergeben waren.
Die ganze Composition macht den Eindruck des Phan-
tastischen und phantastisch ist überhaupt die älteste etrus-
cische und griechische Kunst, die beide unter dem Einflüsse
der orientalischen Kunst stehen, welcher dieses Element spe-
cifisch eigenthümlich ist.
Abg. AichaiM)!. Ztg. 1854 ^Taf. 63 n. 1. Vgl. p. 177 unil die
dort «'itirte Litoratur.
985. Herkules und Minerva**, Rückseite eines Me-
tallspicgels, früher im Palast Grimani in Venedig, den jetzi-
gen Aufbewahrungsort kennen wir nicht.
Ueber die Erklärung der Gruppe ist man noch nicht
einig, wir müssen tlieils wegen der Inschriften eines überein-
stimmenden Exemplars, theils weil die weibliche Figur deut-
lich einen Helm auf dem Haupte trägt, diejenige Annahme
für wahrscheinlich halten, wonach Herkules im Liebeskampf
mit der Minerva, die sich ihm zu entziehen sucht, dargestellt
ist. Schon oben (n. 69) war von einem solchen durch schrift-
liche Nachrichten nicht überlieferten, aber nach den Monu-
menten vorauszusetzenden Verhältniss der Minerva zum Her-
kules die Rede.
Dieses Relief ist eine ausgezeichnete und charakteristische
Probe der zweiten Periode der etruscischen Kunst, als sie
ganz abhängig war von dem strengen Stil der altgriechischen.
* Im Saal dor Thiere und Broncen n. 404.
** Ebciidas. n. 398.
550 Etriiscische Kunst.
Zwar fehlt es nicht an der Beimischung eines etruscischen
Elements ; die Bewegung der Minerva ist höchst ungraziös^
wie kein Grieche sie erfunden haben würde, ebenso ist die
Haltung des rechten Armes an Herkules steif und unmotivirt
und nur durch den Raum veranlasst, dessen glückliche und
natürliche Ausfüllung überhaupt den Etruskern oft misslang.
Trotzdem aber ist der Gesammteindruck des Werkes wegen
der grossen Consequenz und Präcision, mit welcher der strenge
Stil durchgeführt ist, nichts weniger als abstossend.
Gewöhnlich sind die etruscischen Spiegel auf der Rück-
seite nicht mit einem Relief, sondern mit einer Zeichnung
verziert, aber dies Relief ist so flach gehalten, dass es auch
fast nur wie eine Zeichnung aussieht und den Charakter des
Ornamentalen auf das Strengste bewahrt.
Abg. Gerhard, Etruscische Spiegel Taf. 159. Vgl. die dazu gehö-
rige Erklärung.
986. Bacchus von Satyrn gestützt*, Bronce-
gruppe, die als Deckelgriff einer in Palästrina gefundenen und
jetzt in Paris im musee Napoleon befindlichen Cista dient.
Der Deckelgriff der etruscischen Cisten wird wie der
Henkel der Krüge sehr oft durch Figuren gebildet, die dann
so angeordnet werden mussten wie es der praktische Zweck
des Griffs erfordert Man bildete daher Gruppen von zwei
oder auch drei Personen, die an ihren oberen Theilen in
einander verschlungen eine feste Handhabe gewährten, wäh-
rend sie unten von einander getrennt blieben, um der den
Deckel abhebenden Hand das Hineinfassen möglich zu machen.
Daher finden wir Kämpfer- oder Ringergruppen zu diesem
Zweck verwandt, besonders häufig aber bacchische Figuren^
die sich mit den Armen umschlungen halten, einen Satyr und
eine Bacchantin, oder wie hier den trunkenen Dionysos von
Satyrn gestützt. Es lässt sich nicht läugnen, dass diese Grup-
pen keinen sehr erfreulichen Eindruck machen, denn die ruhige
ja starre Stellung ist gerade für diese Wesen unnatürlich,,
das aber ist doch der Zweck solcher Figuren, dass sie nicht
bloss ihrer tektonischen Bestimmung entsprechen, sondern
auch ihrem Charakter treu bleiben.
Die griechischen Vorbilder sind trotzdem kenntlich, na-
mentlich in dem Kopf des Dionysos, der an den oben be-
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 408.
Etruscische Kunst. 551
sprochenen herkulanischen Kopf (n. 438) erinnert. Aber eben
so kenntlich ist ein Zusatz von Plumpheit und Ungeschick-
lichkeit, von Härte und Mangel an harmonischer Verschmel-
zung der Formen. Sehr charakteristisch sind auch die ab-
stehenden Ohren der Satyrn, wie ich sie nie in griechischer
Kunst gesehn zu haben mich erinnere.
Abgr. monum. d. inst. VI. VII, tav. 64, 1. Vgl. Annali 1862 p. 15 ff,
987. Knabe mit der Gans*, Broncefigur im Museum
zu Leyden.
Die Erfindung ist griechisch, wie mehrere erhaltene Sta-
tuen zeigen, aber etruscisirt. Das hübsche Motiv, dass
der Knabe dem Thiere spielend seinen Finger hinhält, damit
es hineinbeisse , ist kaum mehr verständlich. Der Knabe
hat etwas Steifes und Ungeschicktes und zugleich übertrieben
Weiches, wa§ dem etruscischen Nachahmer, nicht dem Original
zur Last fällt. Nach italischer Sitte hat er eine Bulla um
den Hals, auch sein Armband ist specifisch etruscisch.
Am linken Bein bemerkt man eine etruscische Inschrift.
Vermuthlich war das Werk ein Weihgeschenk und wurde als
solches durch die Inschrift bezeichnet.
Abg^. Micali ant. monum. t. 43. Müller-Wieseler I. 48,291. Vgl.
0. Jahn ßer. d. säclis. Gesell&cli. 1848 p. 50.
Nachtrag.
Zu n. 96. Die Ergänzung dieser Statue zu einem Dory-
phorus wird durch eine tibereinstimmende Gemme des hiesigen
Museums (Tölken IV, n. 249 erklärt sie als Achill) bestätigt
Zu n. 411. Durch den glücklichen Fund einer Münze
hat Brunn, Abhandl. der bayer. Akad. d. Wiss. 1867 p. 1 ff.,
die Statue genauer bestimmen können. Es ist Eigene mit
dem kleinen Plutos auf dem Arm, das Werk des älteren
Kephissodot.
Zu n. 591. Ob diese Venus sich wirklich in Stockholm
befindet, ist mir nach Berichten von dort sehr zweifelhaft;
die im Archaeol. Anz. 1853 p. 396 n. 154 citirte Venus ist
vermuthlich eine andere.
* Im Saal der Thiere und Broncen n. 120.
.^
Alphabetisches Register.
Die Zahlen bezeichnen nicht die Seiten, sondern die Nummern
des Buches.
"ii
f •
Adonis, sogenannter, im Vatikan
444.
Adonis und Venus, von Terra-
kotta 605.
Aeginetische Statuen 32—48.
Aeschines, Statue in Neapel 515.
Aeschylus, angeblicher, Büste im
Capitol 506.
Aesop in Villa Albani 518.
Agrippina, jüngere 812.
AKtaeou, Gruppe in London 101.
Alcibiades unter Hetären, sog.
690.
Alexander, Büste im Louvre 524.
Alexander, sterbender 692.
Allegorische Figuren auf einem
Relief aus Thyrea 674.
Altärchen aus Pompeji 920.
Altar aus Villa Negroni 780 ff.
Amazone in Palast Borghese 432.
Amazone, Mattei'sche 93.
Amazone, sterbende, in Neapel
572.
Amazone aus Salamis, in Dres-
den 95
Amazonentorso in Trier 94.
Amazone, Marmorstatue in Wien
53.
Amazone, Broncestatuette ausHer-
kulanum 865.
Amazonensarkophag 783.
Amor, bogenspannender 608.
Amor, sogenannter, unter den
Elgin marbles 447.
Amor, sogenannter, im Vatikan
448.
Amor mit dem Blitz des Zeus 748.
Amor im Circus 749.
Amor auf einem Delphin 764.
Amor^ Broncestatuette aus Pom-
peji 855.
Amoren am Thron des Neptun 747.
Amoren und Meerdämonen, Sar-
kophag 787.
Amoren einen Schmetterling ver-
brennend 780.
Amoren an einer Candelaberbasis
779.
Amor und Psyche 610.
Amor und Silen, Terrakottarelief
643.
Anakreon, Statue in Villa Borghese
511.
Anchirrhoe, sog. 685.
Anchises und Venus, Broncerelief
604.
Andes, Grabstein des 808 Anm.
Andromeda und Perseus, Gruppe
in Hannover 763.
Andromeda und Perseus, Relief
678.
Antinous, Büste in Villa Albani 758.
Antinous, Büste aus Villa Mon-
dragone 756.
Antinous, Büste von der Colos-
salstatue im Vatikan 755.
Antinous, Kopf im britischen Mu-
seum 757.
Alphabetisclies Register.
553
Antinous vom Capitol 753.
Antinous , seine Todesweihe,
Gruppe von lldefonso 754.
Antinous, sogenannter, vom Bel-
vedere 441.
Antoninus Pius, Büste 838.
Aphrodite s. Venus.
Apollino in Florenz 446.
Apollo, alterthümlicher Kopf aus
Herkulanum 54.
Apoll von Tenea 3.
Apoll von Thera 2.
Apollo, Elgin'scher 447.
Apollo, auch Adonis genannt, im
Vatikan 444.
Apollo Sauroktonos in Villa Al-
bani 445.
Apollo, Marmorstatue in Mantua
90.
Apollo im Belvedere 663.
Apollo, stark restaurirte Statue
im Vatikan 726.
Apollo, Erzstatuette aus Pompeji
850.
Apoll, singend, archaist. Relief 74.
Apollo mit dem Greif, Relief 664.
Apoll und Diana aus Pompeji
842. 843.
Apoll und Herakles um den Drei-
fuss kämpfend 78.
Apoll und Nike, Marmorreliefs
70-73.
Apollonios, Werk des 97.
Apotheose Homers, Marmorrelief
736.
Apotheose Homers, Silberbecher
aus Herkulanum 894.
Apoxvomenos 499.
Ära Casali 791 ff.
Ariadne, schlafende, im Vatikan
634.
Ariadne, Statue in Dresden 635.
Aristion, Grabstein des 20.
Aristogciton und Harmodios, Mar-
morgruppe 24. 25.
Aristoj)hanos und Menander, Dop-
l)elbüste 509.
Aristoteles, Büste in Madrid 519.
Arm einer Colossalstatue aus Ci-
vitavecchia 729.
Artemis s. Diana.
Aschonkisten, römische 951. 952.
Aschenurnen, römische 947 — 950.
Assos, Fries von 4. 5.
Athlet, Erzbüste in Neapel 97. .
Athlet, Marmortorso in Dresden 98.
Atlant aus den Thermen von Pom-
peji 873.
Attalus, sein Weihgeschenk in
Athen 572—578.
Augustus, Kopf 804.
„ 805.
Augustus und Cäsar, Relief von
Ravenna 806.
Bacchantin aus Smyrna 439.
Bacchantin mit einem Idol, Relief
im Louvre 644.
Bacchantin mit Opferstier, Relief
im Vatikan 356.
Bacchantin, Relief im brit. Mu-
seum 639.
Bacchantin, Relief im Louvre 640.
Bacchantin und Satyr, Relief in
Villa Albani 645.
Bacchische Figuren an einer Can-
delaberbasis im Capitol 638.
Bacchische Figuren an einer Mar-
morvase des brit. Mus. 641.
Bacchische Figuren, Relief im
Vatikan 636. 637.
Bacchisches Relief in Neapel 632.
Bacchisches Relief aus dem Thea-
ter in Athen 631.
Bacchisches Relief von Marmor,
aus Pompeji 871.
Bacchische Masken an einer Mar-
morscheibe 942.
Bacchische Masken, Relief in Lon-
don 968.
Bacchusbüste 629.
Bacchuskopf im capitol. Museum
628.
Bacchus, Erzbüste aus Herkula-
num 438.
Bacchuskind, Statue 623.
Bacchus als Kind im capitol. Mu-
seum 619.
Bacchus, alterthüml. Statue in
München 59
Bacchus, Statue in Madrid 625.
Bacchus, Statue in Tarragona 727.
Bacchus, Statue in Tegel 626.
Bacchus, Farnesischer Torso 437.
%
554
Alphabetisches Register.
Bacchus, unbedeutende Statuette
in Dresden 771.
Bacchus,Broncestatuette aus Pom-
peji 856.
Bacchus in der Wieg^, Terra-
kottarelief 622.
Bacchus bei Ikarios 780. !W|
Bacchus, von Satyrn gesttitzt,
etruscische Gruppe 986.
Bacchus und Satyrn, Marmor-
gruppe in Berlin 624.
Bacchus und Hören 76.
Bacchus und Ariadne, Relief im
Vatikan 633.
Bacchus und Viktoria, Dreifuss-
basis aus Athen 630.
Bacchus und Herkules auf einer
goldnen Schaale 790.
Bacchus und die personificirte
Rebe 762.
Bacchussarkophag 785.
Bacchuspriester, sog., in München
59.
Basis eines Dreifusses, aus Dres-
den 75.
Basis einer Statue mit alterthüml.
Reliefs, aus Athen 63.
Basis mit Viktorien, Relief in
Athen 570.
Desgl. 570.
Baton, sog.,Bronce in Tübingen 49.
Becher, in Bonn, mit Reliefs 946.
Becher, von Silber, mit Reliefs,
aus Pompeji 891—893.
Berenice, sog., Broncebüste 869.
Blas, sogenannter, Büste in Ma-
drid 520.
Borghesischer Fechter 681.
Brunnenmündung, capitoliuische
69.
Caelius, M., Grabstein des 808.
Cäsar, Kopf 803.
Cäsar und Augustus, Relief von
Ravenna 806.
Camillus, Broncestatue 797.
Candelaber, im Louvre 941.
Candelaber, barberinische , ihre
Reliefs 739 ff.
Candelaber mit Silensfiguren, aus
Pompeji 876. 877.
Candelaberbasis mit Amoren 779.
Candelaberbasis im capitolin. Mu-
seum 638.
Candelaberstücke aus Pompeji 875.
Canolejus, Schaale des 945.
Capitolinische Brumienmündung
69.
Carminius, Grabstein des 808 Anm.
Caryatiden, vom Erechtheum 324.
Caryatiden, römische 732 ff.
Caryatide des Criton und Niko-
laos 733.
Centaur mit Amor 609.
Centauren mit Amoren, pompeja-
nische Reliefs 891. 892.
Ceres, sog., im Vatikan 686.
Choragische Reliefs 70 — 73.
Cicero, Büste 802.
Clytie, sog., 813.
Colosse von Monte • Cavallo 104.
105.
Corinna und Sappho, angeblich^
Doppelbüste 510.
Dacier, Colossalköpfe 829—831.
Dädalus und Ikarus, Relief 761.
Dejanira und Nessus (?) 677.
Dekrete, mit Reliefs verziert 407
—410.
Demosthenes, Statue im Vatikan
513.
Demosthenes, sogenannter, im
Louvre 514.
Diana von Versailles 665.
Diana, Marmorstatue aus Pom-
peji 56.
Diana, Broncestatuette aus Her-
kulanum 853.
Diana, Torso im Vatikan 772.
Diana von Gabii, sog. 684.
Diana, Büste, von Gabii, in Mün-
chen, 61.
Diana, etruscische 984.
Diana und Apoll aus Pompeji
842. 843.
Dichterstatue in Villa Borghese
512.
Dichter und Musen, Sarkophag788.
Diogenes in Villa Albani 517.
Dionysos s. Bacchus.
Dioskuren von Monte Cavallo 104.
105.
Diskobol des Myron 99
Alphabetisclies Register.
555
Diskobol, ruhig stehender, im Va-
tikan 500.
Dornauszieher 501.
Dorj^phoros, Statue in Neapel
96. vgl. Nachtrag.
Dreifuss aus Pompeji 874.
Dreifussbasis aus Athen 630.
Dresdener Basis 75.
Eber 925.
Eberjagd, etruscisch, 970.
Eimer aus Pompeji und Herku-
lanum 896 ff.
Eleusinisches Relief 298.
Endymion in Stockholm 722.
Erechtheum, Sculpturen vom 324
—334.
Erichthonius, Geburt des, Relief
im Vatikan 493.
Eros s. Amor.
Eule, aus Athen 13.
Eumusia, Statuette in London 774.
Euripides, Marmorstatuette im
Louvre 505.
Euripides und Sophokles, DDp-
pelbüste 504.
Farnesischer Stier 571.
Faun, barberinischer 656.
Faun mit dem Flecken 648.
Faustina die jüngere, sog. 837.
Fechter, borghesischer 681.
Fischer, Statuette aus Pompeji 848.
Flora, Farnesische 618.
Fortuna — Isis , Broncestatuette
860.
Frauen neben einem Idol 691.
Frauenbüste, griechisch, in Mün-
chen 687.
Gallier, Statuen in Venedig und
Neapel 572 tf.
Galli(»r, sterbender, vom Capitol |
579.
Gallier und sein Weib, aus Villa
Ludovisi 580.
Ganvmed, angeblicher, in Florenz
613.
Ganvmed, Torso in Berlin 612.
Gernianikus, sog. 693.
Germanikus, sogenannter, Relief
in Dresden 807.
Götterversammlung an einem Al-
tar im Capitol 745.
Göttin, wagenbesteigende, Relief
aus Athen, 19.
Grabaltar, römischer 953.
Grabstatue, aus Andros 443.
Grabsteine, griechische, des vol-
lendeten und späteren Stils
357—389.
Grabsteine, griechische, mit der
Darstellung des Todtenmahles
385—389.
Grabsteine, römische, 808 ff.
Grabstein des Aristion 20.
Grabstein aus Grotta ferrata 364.
Grabstein aus Neapel, sog. Odys-
seus, 21.
Grabstein aus Orchomenos 22.
Grabstein aus Pompeji 381.
Grabvase in München 361.
Grazie, nackter Torso in Tegel 617.
Grazien, drei, 79.
Greisengruppe, ReUeffi:agment801.
Gürtelschloss , aus Herkulanum
916 ff.
Harmodios und Aristogeiton, Mar-
morgruppe 24. 25.
Harpagosgrab, Reliefs vom, 526 —
567.
Harpokrates, Broncestatuette 861.
Harpyienmonument 27—30.
Hausaltärchen aus Pompeji 920.
Hekate, Statuette vom Capitol 775.
Hekate, Broncestatuette in Arol-
sen 862.
Hektor und Troilus, sog. 731.
Helena und Paris 679.
Henkel und Vasen aus Pompeji
und Herkulanum 910 ff.
Hephästuskopf 668.
Hephäst, fragmentirtes Relief 751.
Hera s. Juno.
Herkulanische und pompejanische
Alterthümer 842 ff.
Herkules, Torso vom Belvedere
676.
Herkules, Farnesischer 675.
Herkules, Büste aus Herkulanum
845.
Herkules mit der Hindin, ReUef
in London 23
^56
Alphabetisches Register.
Herkules mit der Hindin , Erz-
gruppe aus Pompeji 847.
Herkules den Dreifuss raubend 78.
Herkules mit Amor, an einer
Lampe 890.
Herkules und Bacchus auf einer
goldnen Schaale 790.
Herkules (?) und Nike, Relief in
Athen 495.
Herkules und Minerva, etrusc.
Spiegelrelief 985.
Herkulesdarstellungen an einer
Marmorscheibe 943.
Hermaphrodit, borghesischer 614.
Hermaphrodit, Torso 615.
Hermaphrodit und angebliche
Muse, capitolin. Relief 616.
Herme, dem Herkules ähnlich
728.
Herme, vierköpfig 965.
Hermes s. Merkur.
Herodot und Thucvdides, Doppel-
büste 516.
Heros, jugendlicher, Büste aus
Madrid 102.
Hestia s. Vesta.
Hippokrates, sogenannter, Büste
in Madrid 521.
Hippolyt, der heil., Statue 841.
Hirsch, Trauben fressend, 932.
Hirtenknabe, Broncestatuette in
Arolsen 867.
Hirtin mit Böcklein, Statue 799.
Hochzeit des Zeus und der Hera,
Relief in Villa Albani 65.
Homer, Büste in Potsdam 507.
Homer, Büste in London 508.
Homer, seine Apotheose, Marmor-
relief 736.
Homer, seine Apotheose, Silber-
becher aus Herkulanum 894.
Hund, sitzender 926.
Hundegruppe im Vatikan 927.
Hypnos,Broncekopf in Neapel 450.
Hypnos, Marmorstatue in Madrid
Jason, sog. 666.
Ikarus und Dädalus, Relief 761.
Ildefonso, Gruppe von 754.
Inopus, Statue in Paris 454.
Iphigenie auf der Mediceischen
Marmorvase 778.
Isis-Fortuna, Broncestatuette 860.
Isispriesterin 798.
Jüngling, nackter, Broncestatuette
in Bonn 866.
Juno, Statue in Wien 434.
Juno, Farnesische Büste 89.
Juno, Büste in Villa Ludovisi 433.
Junokopf, kleiner, in Villa Ludo-
visi 661.
Junokopf im Vatikan 662.
Juno, Relief an einem Candelaber
739.
Juno und Thetis 777.
Jupiter s. Zeus.
Kalender in Bildern, aus Athen
789.
Kalydonische Jagd, Terrakottare-
lief in Berlin 498.
Kannen aus Pompeji und Herku-
lanum 896 ff.
Knabe mit der Gans 987.
Knabe mit dem Krug 796.
Knäbchen mit der Ente 795.
Knieende Figur in barbarischer
Tracht, Broncestatuette in Arol-
sen 868.
Knöchelspielerin 689.
Köpfe, weibliche, unbestimmbar
695. 696.
Kopf, männlicher, idealer, in Pa-
ris 453.
Kopf, weiblicher, idealer, in Ma-
drid 452.
Korybanten und Satyr, Relief im
Vatikan Q42.
Krieger, ruhender, in Villa Lu-
dovisi. 683. •
Kriegsscene , alterthüml. Relief
aus Athen 64.
Krim, Denkmäler aus der 698 ff.
Krüge aus Pompeji und Herku-
lanum 896 ff.
Kuh mit ihrem Kalb 931.
Lampe in Arolsen 890.
Lampen aus Pompeji und Herku-
lanum 885 ff
Lampengestell aus Pompeji 884.
Laokoon 716.
Laokoon, Kopf in Brüssel 717.
Laokoonsrelief 718.
Alphabetisches Register.
557
Leda mit dem Schwan, Marmor-
relief 607.
Leiikothea, sogenannte in Mün-
chen 411. vgl. Nachtrag.
Leukothea , sog. , Grabrelief in
Villa Albani 31.
Löwe, im Palast Barberini 924.
Löwe einen Stier zerfleischend 930.
Löwen, etriiscisch 970.
Löwenfuss , gefltigelt , aus dem
Theater zu Pompeji 963.
Löwenthor von Mykenä 1.
Lucius Verus, Triumph des, Re-
lief 839.
Lysikratesdenkmal , ßelief vom,
476—492.
Mädchen sich ankleidend 684.
Mädchen mit der Muschel 688.
Mädchen, Wasser holend 685.
Mänade s. Bacchantin.
Männlicher Kopf auf der Biblio-
thek in Paris 453.
^Nlarathonische Vasen, sog. 361.
362. 369—371.
Marmorscheibe mit bacchischen
Masken 942.
Marmorscheibe mit Herkulesdar-
stellungen 943.
Marmorvase mit bacchischen Fi-
guren, im brit. Mus. 641.
Mars Borghese 720.
Mars, Kopf' in München 721.
Mars in Villa Ludovisi 436.
Mars, Relief an einem Candelaber
739.
Mars und Rhea Silvia, Relief auf
einem Becher 946.
Mars und Venus, auf der Ära
Casali 791ff.
Marsyas, Torso in Berlin 659.
Masken, bacchische 968.
Desgl. 942.
Mai^ken, tragische und komische
967.
Masken, Relief aus Athen 966.
Mausoleum, Reliefs vom, 457 —
475.
Medea mit den Töchtern des Be-
llas, Relief 494.
Mediceische Marmorvase in Flo-
renz 778.
Meduse Rondanini 672.
Meduse in Cöln 773.
Meduse, Terrakotta aus Athen
12.
Meduse, etruscisch 970.
Meerdämonen und Amoren, Sar-
kophag 787.
Meergott, Hermenbüste im Vati-
kan 727.
Melpomene, Statue im Louvre
723.
Menander und Aristophanes, Dop-
pelbüste 509.
Menelaus mit der Leiche des Pa-
troklus 430. 431.
Merkur, Statue, im Belvedere 441.
Merkur, Statue, aus Melos 442.
Merkur, Statue in Florenz 667.
Merkur, unter dem Namen Jason
bekannt 666.
Merkur, aus Herkulanum 844.
Merkur, Relief an einem Cande-
laber 739.
Merkur mit dem Bacchuskind,
angeblich, 300.
Merkur (?), Relief aus Athen 18.
Minerva s. Pallas.
Minotaur, etruscisch 970.
Moiren s. Parzen.
Moldau, Denkmäler aus der 713.
714.
1 Muse, angebliche, undHermaphro-
' dit, capitolin. Relief 616.
! Musen und Dichter, Sarkophag
I 788.
I Musius, Grabstein des, 808 Anm.
i Mykenä, Löwenthor 1.
! Myron, Werke des, 99. 100.
I Nemesis 669.
i Neptun, sein Thron mit Amoren
! 747.
I Nereiden auf Seepferden 765. 766.
' Nereidenmonument, Reliefs vom,
526—567.
, Nero, Kopf 814.
Nessus und Dejanira (?) 677.
Nike s. Viktoria.
Nil, Statue 719.
Niobiden, Gruppe in Florenz 412 —
429.
Niobidensarkophag 784.
558
Alphabetisches Register.
Nymphe, Torso aus Athen, 767.
Nymphe, Fragment, in Dresden
730.
Nymphe der Diana, sog. 684.
Nymphe sog., in Tegel 685.
Odysseus, sogenannter, Grabstein
aus Neapel 21.
Odysseus und Tiresias 776.
Olympia, Sculpturen von 106—
109.
Olympus und Pan in Arolsen 654.
Omphale sog. 810.
Orchomenos, tjrabstein aus 22.
Orestes , Marmorfigur in Villa
Albani 92.
Orest und Elektra in Villa Ludo-
visi 715.
Orestessarkophag 786.
Orpheus und Eurydice, Relief 299.
Pallas, Marmorstatue in Dresden
88.
Pallas, alterthüml. Marmorstatue
in Dresden 57.
Pallas in Villa Albani 86.
Pallas, Marmorstatue aus Herku-
lanum 58.
Pallas , Marmorstatue in Paris
aus Villa Medici 82.
Pallas Parthenos des Phidias 81.
Pallas von Velletri 87.
Pallas Giustiniani 725.
Pallas aus der Villa des Gassius,
im Vatikan 769..
Pallas Ergane in München 724.
Pallas, Statuette von Bronce aus
Athen 11.
Pallas, Broncestatuette aus Her-
kulanum 852.
Pallastorsen, kleine, aus Athen,
83—85.
Pallas, Kelief an einem Gandela-
ber 739.
Pallas auf einem Gespann, Silber-
becher aus Herkulanum 895.
Pallas, fragmentirtes Relief in
Athen 496.
Pan, Statuette in Athen 655.
Pan und Olympus, in Arolsen
654.
Pansherme in London 62.
Pansweibchen in Villa Albani 652.
Paris und Helena 679.
Parthenon, Sculpturen vom 130 —
297.
Parthenos, des Phidias 81.
Parzen, Relief 746.
Pasquino, Marmorgruppe in Rom
430. 431.
Peleus und Thetis, Broncegruppe
in Florenz 50.
Pelops und Hippodamia 680.
Penelope 26.
Perikles, Büste, 103.
Perikles, sogenannter, in Paris
525.
Perser, Statue in Neapel 572.
Perseus und Andromeda, Relief
678.
Perseus und Andromeda, Gruppe
in Hannover 763.
Pferd aus Trastevere, im capitol.
Mus. 921.
Pferdekopf in Neapel 923.
Pferdekopf eines der Pferde von
St. Marco 922.
Pferdekopf, Relief aus Athen 14.
Pherecydes, sog., Büste in Madrid
• 55.
Phigalia, Reliefs von 301—323.
Phocion, sogenannter, 502.
Pindar, sogenannter, in Villa
Borghese 512.
Plotina, Büste 835.
Pompejanische und herkulanische
Alterthümer 842 ff.
Posidonius, sogenannter, im Louvre
523.
Priesterin der Isis 798.
Psyche und Amor 610.
Psyche von Capua 611.
Pyrrhichisten, Relief in Athen 568.
Pythische Reliefs, sog. 70 — 73.
Reh 933.
Reiterrelief in Villa Albani 857.
Reiter, Relief aus Pompeji, im
Vatikan 381.
Reiter, angeblich vom Parthenon,
Relief im Vatikan 358.
Ringergruppe in Florenz 682.
Römer, opfernder 811.
Römerin, jimge, Porträtstatue 819.
Alphabetisches Register.
559
Römerin, Büste 836.
Römerinnen aus Herkulanum 817.
818.
Romanius, Grabstein des 808 Anm.
Sängerchor, Relief in Athen 568.
Samothrakisches Relief 10.
Sappho, sog., Broncebüste 870.
Sappho und Corinna, angeblich,
Doppelbüste 510.
Sarkophagreliefs 783 ff.
Satyr, barberinischer 656.
Satyr, tanzend, aus Villa Borghese
657.
Satyr von Myron im Lateran 100.
Satyr mit einem Böckchen, Statue
in Madrid 653.
Satyr, von rothen Marmor, vom
Capitol 760.
Satyr, Statue in Dresden 440.
Satyr aus Herkulanum, lebens- j
grosse Broncestatue 846.
Satyr, einen Schlauch tragend, aus
Villa Albani 768.
Satyr, tanzend, Erzstatuette aus
Pompeji 849.
Satyr, flöteblasend, Broncesta-
tuette aus Herculanum 857.
Satyr, flöteblasend, in Catania 859.
Satyr,lustigeinherspringend,Bron-
cestatuetteaus Herkulanum 858.
Satyr, aposcopeuon, in Athen 658.
Satyr, Fragment aus dem Theater
in Athen 646.
Satyr, Erzbüste in München 649.
Satyr, Marmorbüste in München
648.
Satyrknaben, flötende 650. 651.
Satyr, trunkener, Relief im Va-
tikan 647.
Satyr und Amor, Terrakottarelief
643.
Satyr mit dem Bacchuskind, in
Athen 621.
Satyr und Bacchantin, Relief in
Villa Albani 645.
Satyr und Korybanten , Relief im
Vatikan 642.
Satyr und Hören 77.
Schaale des Canolejus 945.
Schlangensäule, sog., in Constan-
tinopel 51.
Schleifer von Florenz 660.
Schlussstein eines Triumphbogens
969.
Scythien, Denkmäler aus 698 ff.
Selinunt, Reliefs von 6^9.
Serapis^ Büste 759.
Sessel, im Parthenon gefunden 939.
Sessel aus dem Theater zu Athen
937. 938.
Silberbecher in München 497.
Silberbecher aus Herkulanum mit
Reliefs 895.
Silberbecher mit Reliefs, aus Pom-
peji 891—893.
Silberschild mit der Darstellung
des Theodosius 840.
Silen s. Satyr.
Solon, Büste in Madrid 522.
Sophokles, Statue im Lateran 503.
Sophokles und Euripides, Doppel-
büste 504.
Sosibios, Vase des 737.
Sphinx, etruscisch 970.
Spiegelrelie^ etrusc, mit Herkules
und Minerva 985.
Stadtgöttinnen, Relief im Louvre
750.
Statuenbasis mit Reliefs aus Athen
568. 569.
Statuenbasis mit alterthüml. Re-
liefs, aus Athen 63.
Stephanos, Werk des 92.
Sterbender Fechter 579.
Stier, Farnesischer,Marmorgruppe
571.
Stier in Carlsruhe 929.
Stier im Vatikan 928.
Stier von einem Löwen zerfleischt,
aus Lycien 930.
Theodosius auf einem Silberschild
840.
Theseus (?), Relief aus Athen 18.
Theseustempel, Sculpturen vom
110—129.
Thetis und Juno 777.
Thetis und Zeus 738.
Thron des Neptun mit Amoren 747.
Thucydides und Herodot, Doppel-
büste 516.
Thusnelda, sog. 809.
Tiresias und Odysseus 776.
560
Alphabetisches Register.
Tischfüsse 954—962.
Titas, Kopf 81&
Todesgott (?), Marmorstatue aus
Palast Ruspigliosi 673.
Torsen, alterthtimliche, weibliche,
aus Athen 15 — 17.
Torso vom Belvedere 676.
Torso einer Colossalfigur in Athen
455.
Torso, weiblicher, aus Keos 456.
Torso, männlicher, in Carlsruhe
497.
Torso, weiblicher, am Posilipp
gefunden 694.
Torso, nackter, weiblicher, in
Tegel 617.
Torso, nackter, eines Knaben, in
Tegel 620.
Trajan, Kolossalkopf 834.
Trajansbogen, Reliefs vom 833.
Trajanssäule, Reliefs von der
820—828.
Trapezophoren 954 — 962.
Triere, Relief in Athen 944.
Trinkhorn aus Herkulanum 915.
Triumph des Lucius Verus, Relief
839.
Trojanische Geschichten an einem
Silberbecher in München 497.
Troilus und Rektor, sog. 731.
Trophonios, sog. 60.
Urania, sogenannte, 770.
Vase des Sosibios 737.
Vasön aus Pompeji und Herkula-
num 896 ff.
Vasenhenkel ebendaher 910 ff.
Venus von Milo 581.
Venus von Capua 528.
Venus, capitolinische 585.
Venus, mediceische 587.
Venus in Petersburg, 589.
Venus in Dresden 588.
Venus mit dem Delphin in Dres-
den 596.
Venus Kallipygos 606.
Venus in Syrakus 594.
Venus in Stockholm (?) 591. vgl.
Nachtrag.
Venus aus Ostia, in London 583
Venus, kleinere Statue aus Ostia,
in London 595.
Venus im Bade, im Louvre
449.
Venus, das Busenband umlegend^
Broncestatuette in Athen 602.
Venus, Broncestatuette in Neapel
854.
Venus sich die Nägel schneidend^
Broncestatuette 603.
Venus, an ihrem Haar beschäftigt,
Torso 597.
Venus, Torso in Neapel 586.
Venus, Torso, aus Richmond
House 592.
Venus, ihre Sandale lösend, Torso
598.
Venus in demselben Motiv, Bronce-
statuette aus Herkulanum 600.
Venus in demselben Motiv, Bronce-
statuette in München 599.
Venus mit ähnlichem Motiv, Torso
in London 601.
Venus, Torso 593.
Venus, Relief .an einem Cande-
laber 739.
Venus, etruscisch 970.
Venus, Büste von Arles 584.
Venus, Kopf, im Vatikan 590.
Venus und Adonis, von Terra-
kotta 605.
Venus und Anchises, Broncere-
lief 604.
Venus und Mars auf der Ära
Casali 791 ff.
Vespasian, Kopf 815.
Vesta Giustiniani 80.
Viktoria, Broncestatuette aus Her-
kulanum 863.
Viktoriatempel, Sculpturen vom
335 355
Viktorien, Stieropfemd 670. 671.
Viktoria von einem Triumph-
bogen 669.
Viktorien an einer Basis, Relief
570.
Desgl. 570.
Votivreliefs, griechische, 390 —
406.
Votivrelief an Aesculap 404.
an Akademos(?X Pallas,
Herakles 408.
an Demeter und Trip-
tolemus 395.
»
11
A:^v.
Alphabetisches Register.
561
Votivrelief an die Göttermutter
390.
an Herakles 891.
an einen Heros 405.
an Pallas 396—401.
an Pallas und Kekrops
402.
an Pan und die Njrm-
phen 392.
ähnlichen Gegenstands
393.
an Zeus und zwei an-
dere Götter 394.
wegen eines siegrei-
chen Pferdes 406.
Vulkan s. Hephäst.
Waffentänzer, Relief in Athen 668.
Wagen, Relief von einem, etrus-
cisch 970—983.
Wagenbesteigende Göttin, Relief
aus Athen 19.
Wagenlenker, Bronce in Tübin-
gen 49.
Wagenlenker, Relief, angeblich
aus Herkulanum 872.
Wagenstuhl, im Vatikan 940.
>»
»
»
ii
Wasservogel , eine Eidechse
fressend 936.
Weibliche Colossalfigur in Athen
455.
Weiblicher Kopf in Madrid 452.
Weihgeschenk des Königs AttaJns
in Athen 672—578.
Weinbereitung, Relief in Villa
Albani 800.
Wettläuferin im .Vatikan 91.
Xanthische Reliefs, von einem
Siegesdenkmal 526 — 567.
Zeus, von Otiicoli 436.
Zeus, Broncestatnette aus Herku-
lanum 851.
Zeus. Relief an einem Candelaber
739.
Zeus in der Mitte der Götter,
Relief 746.
Zeus und Hephäst 762.
Zeus und Thetis 738.
Ziege 935.
Ziegenböcke, zwei 934.
Zwölfgötteraltar, im Louvre 68.
Zwölf Götter, Mannorrelief 66. 67.
Friederichs, griech. Plastik.
36
%
Vergleichung der Nummern im Neuen Museum mit
denen des Buchs.
Wenn ein Gegenstand in dieser Uebersicht, vielleicht wegen
einer vorgenommenen Umstellung, nicht gleich gefunden wird, so
suche man ihn im alphabetischen Register auf.
I. Lydsehtr Hof.
Nummer im Museum.
Nummer des Buchs.
amer im Museum.
Nummer des Buclis.
36-54.
110—129.
204.
14.
55—63.
457 ff.
205.
2.
64
358.
206.
3.
65-77.
335 ff.
207.
lü.
78.
378.
209. 210.
4. 5.
79—87.
335 ft-. p. 190.
211—252.
626—567.
88.
379.
259—262.
27—30.
89»-
383.
270—273.
6—9.
90—97.
457 ff.
274.
930.
98 103.
783.
280.
21.
104-106.
457 ff.
281.
20.
107.
783.
282.
64.
108—124.
476—492.
283.
18.
125—128.
130 ff. p. 152.
284. 285.
51.
129.
503.
286.
19.
130.
443.
287.
31.
131.
441.
132.
515.
H. Treppenhaus.
133.
672.
1—19.
130 ff. p. 152.
134—156.
301—323.
20.
364.
157.
356.
21—29,
130 ff. p. 155.
158.
672.
26. 27.
753.
159.
374.
30.
664.
160.
78.
31.
300.
161.
74.
32—35.
106—109.
162.
70.
Vergleichung der Nummern im Neuen Museum.
i^es
Nammer im Mnseam.
NnmnMr deg Baeha.
Nummer im Kumiud.
Nummer des Buchs
163.
72.
65. 66.
388. 889.
164.
73.
67.
890.
165.
71.
101—109.
324 ff. p. 185.
166.
77.
126—223.
180 ff. p. 165.
167.
382.
224.
434.
168.
66. 67.
225.
371.
169.
76.
226. 227.
862.
170.
66. 67.
230—242.
180 ff. p. 144.
171.
363.
250.
68.
172.
680.
251.
456.
• 173.
381.
252.
454.
174.
397.
253.
570.
175.
393.
254.
hlO p. 315.
176.
407.
255.
495.
177.
373.
256.
406.
178.
372.
257.
897.
179.
674.
258.
1 401 Anm.
180.
493.
259.
403.
181.
680.
260.
39o.
183.
130 ff. p. 160.
261.
402.
184..
380.
262.
410.
185.
360.
263.
400.
186.
375.
264.
409.
187. 188.
104. 106.
264a.
410 Anm.
189.
618.
265.
407.
190.
675.
266.
396.
191.
87.
267.
268.
269.
401 Anm.
399.
496.
m. Chrieehiflcher Saal.
1—19.
130 ff.
270.
408.
20.
130 ff. p. 147.
271.
401.
21.
130 ff. p. 149.
272.
81.
22.
453.
276.
376.
23—29.
32—48.
277.
377.
40. 41.
324 ff.
278.
368.
42.
447.
279.
383.
43.
455.
280.
382.
44.
658.
283.
386.
45.
767.
289.
361.
46—48.
83—85.
290.
388.
49.
965.
291. 292.
p. 213 Anm.
50.
13.
293.
n. 387.
51—53.
15-17.
294.
p. 213 Anm.
lA.
369.
295.
n. 389.
55.
370.
296. 297.
p. 213 Anm.
56.
371.
298. 299,
p. 217 Anm.
57.
57.
300.
n. 392.
59.
408.
301.
p. 217 Anm.
60.
358 Anm.
302.
n.966.
61.
394.
303. 304.
p. 222 Anm.
63. 64.
p. 213 Anm.
305.
p. 215 Anm.
36
564
Vergleichung der Nnnunern im Neuen Museum.
Nnmmer im Museum.
Nummer deti Buche.
Nummer im Mneenm. Nommer des Biiclis.
307
n. 944.
49.
937.
oUO.
404.
50.
938.
309.
p. 213 Anm.
310.
n. 405.
VI. Saal dei Barberiniiohen Faune.
311.
404 Anm.
1.
98.
312.
395.
2. 3.
817. 818.
313.
962.
4.
430. 431.
315.
391.
5.
442.
316.
23.
6.
93.
317.
787.
7.
94.
318.
789.
8.
723.
319. 320.
568. 569.
9.
448.
336c. .
646.
10.
624.
338.
934.
11.
611.
362.
12.
12.
80.
366.
630.
13.
656.
367.
63.
14.
617.
368.
638.
15.
668.
369. 370.
958»- 1-
16.
662.
371. 372.
130 fif. p. 152.
17.
430. 431.
374-380.
672—578.
18.
19.
20.
759.
435.
773.
lY. Cabinet dei Laokoon.
1.
716.
21.
661.
2.
717.
28.
365.
3*.
746.
24.
359.
5.
384.
25.
367.
6.
8.
385.
26.
366.
718.
vn.
Niobideneaal.
V. Saal dei Fameiifchen Stiert.
1—11.
412—429.
1. '
671.
12.
500.
2.
581.
13.
444.
3.
582.
14.
608.
4.
722.
15.
56.
5.
676.
16.
412 p. 239.
6.
437.'
17.
412 p. 232.
7.
446.
18.
635.
8.
663.
18»-
634.
•9.
626.
19.
579.
10.
771.
20.
412 p. 239.
11.
446.
21.
681.
12.
440.
22.
499.
13.
665.
23.
720.
14.
587.
24.
412 p. 238.
16.
737.
25.
666.
16.
641.
28.
685.
17.
939.
29.
449.
18.
736.
30.
95.
19.
79.
31.
728.
22.
110.
32.
62.
,«■*
Vergleichung der Nummern im Nenen Museum.
.5^
er im Museum.
Nummer des Bachs.
Nvmmer im Knseiuii.
MiEHUMr des Batik».
33.
772.
79.
657.
34.
620.
80.
100.
35.
612.
81.
102.
36.
615.
82.
631.
37.
593.
83.
506.
38.
597.
84.
510.
39.
. 433.
85.
522.
40.
60.
86.
55.
41.
590.
87.
520.
42.
695.
88.
519.
43.
628.
89.
452.
44.
• 696
90.
521.
45.
639.
93.
687.
46.
494.
94. 95.
24. 25.
46a. b.
636. 637.
96.
634.
46c. d.
752.
97.
623.
47.
776.
98.
517.
48.
750.
99.
502.
49.
777.
100.
512.
50.
632.
101.
516.
51.
69.
102.
97.
52.
75.
103.
54.
53.
645 Aum.
104.
411.
53»-
645.
105. 106. 107.
829. 831.
53^.
640.
108.
96.
54.
738.
109.
513.
54».
679.
110.
91.
55.
644.
.111.
621.
56.
872.
112.
432.
57.
99.
113.
412 ff. p. 233.
58.
616.
114.
299.
59.
627.
115.
26.
60.
412 ff. p. 237.
117.
690.
61.
693.
118.
647.
62.
682.
119.
61.
63.
524.
120.
721.
64.
509.
121. 122.
806.
65.
504.
125.
747.
66.
67.
68.
595.
694.
686.
126.
748.
Viii. Saal der Thiere und Bronoen.
69.
673.
1.
760.
70.
68.
2.
927.
71.
784.
3.
729.
72.
774.
5.
619.
73.
505.
6.
795.
74.
89.
7.
518.
75.
103.
8.
796.
76.
508.
9.
926.
77.
757.
10.
922.
78.
82.
11.
923.
<
666 Verglelchung der Nummern im Neuen Museum.
NvBmer im MiMfVB.
Kummer des BncliB.
Nummer im Maeeum.
NoBuiMr des Bnehi
12.
933.
94.
875.
13.
655.
95.
885.
14.
%9.
97—99.
910 ff.
15. 16.
670. 671.
102.
910 Anm.
17. 18.
765. 766.
103.
964.
19.
928.
104.
885.
20.
935.
106.
790.
22.
957.
107. '
498.
23.
858.
109.
932.
27.
865.
110.
624 Anm.
31.
954.
111.
714.
33.
925.
115—119.
p.425.
34.
863.
120.
n.987.
35.
^ 936.
122. 123.
946.
36.
860.
124.
713.
37.
875.
126.
710.
39.
895.
127.
707.
40.
915.
129.
970 ff.
41.
875.
130.
970 ff.
43.
851.
131.
706.
44.
852.
132.
945.
45. 46.
8% ff.
133.
708.
48-50.
896 ff.
135.
866.
52—59.
8% ff.
136.
p. 425.
60.
891.
139.
n. 970 ff.
61.
896 ff.
140.
698.
62. 63.
891 ff.
141.
775.
64.
875 Anm.
142.
698.
65.
920.
143.
970 ff.
66.
882.
144—157.
p. 425.
67.
853.
159. 161—163*
p.425.
68.
857.
165. 166. 168.
n. 970 ff.
69.
856.
170.
439.
70.
859.
172.
709.
71.
883.
174.
711.
72.
916 ff.
177.
p. 425.
73.
855.
179.
p. 425.
74.
861.
181.
p. 425.
75—77.
916 ff.
182.
n. 698.
78.
600.
183.
p. 425.
81.
885.
184.
n. 712.
82.
854.
185.
701.
83.
875.
186.
703.
84.
875.
187.
701.
87.
875.
189.
704.
88.
894.
191—200.
970 ff.
89.
875.
201.
705.
90.
875 Anm.
202.
599.
91.
875.
218.
910.
92.
910 ff.
219.
886.
93.
885.
222.
11.
-#
Vergleichung der Nummern im Neuen HnMtmii
567
Kummer im Kiuaun. Nummer des Buch«.
Nummer im Kueiim.
Nnanier des Bnelu.
223.
602.
9.
591.
228.
731.
10.
688.
231.
864.
11.
663.
232.
849.
12.
650.
233.
847.
13.
662.
234.
850
14.
771 Anm.
235.
848.
15.
601.
236.
843.
16.
762.
237.
869.
17.
799.
238.
870.
18.
768.
239.
438.
19.
764.
240.
836.
20.
669.
244.
884.
21.
6%.
245.
874.
22.
697.
246.
845.
23.
819.
251.
604.
25.
769.
254.
49.
26.
614.
. 266.
670 Anm.
27.
623.
267.
874 Anm.
28.
689.
812.
724.
29.
730.
313.
842.
30.
686.
314.
943.
31.
688.
316.
801.
34.
761.
321.
600 Anm.
36.
968.
328.
606 Anm.
37—39.
780—782.
344.
654.
40.
967.
34(5.
859 Anm.
41.
942.
357.
890.
42.
761.
361.
867.
43. 44.
73 Anm.
383.
868.
45.
94.
381).
862.
46.
839.
390.
497.
47.
745.
391.
929.
48.
800.
392.
697.
49.
642.
395.
605.
60.
779.
396.
691.
51.
940.
398.
985.
67. 58.
956.
404.
984.
60.
613.
408.
986.
61.
798.
439.
50.
62.
650.
450.
895.
63.
846.
606.
698.
IX.
BSmiioher Saal.
64.
6».
1.
770.
66—71.
739—744.
2.
88.
72.
633.
3.
726.
73.
609.
4.
811.
74. 75.
643.
5.
86.
76.
90.
6.
725.
77.
614.
764.
91.
806.
8.
667.
92.
802.
568
Vargleichung der Nummern im Neuen Museum.
Nummer im IfnieiiBu Nummer des Buchs.
■*'
X.
93.
104.
105.
106.
107.
loa
109.
110.
111.
112.
113.
114.
116.
117.
118.
119.
120.
123.
124.
804.
803. 873.
511.
594.
689.
763.
727.
450.
450.
585.
625.
958.
797.
835.
837.
814.
59.
956.
960.
Dnreligänge nun Sdmischea
Kappelsaal.
13—16.
17.
18.
19.
20.
21.
23.
26.
27.
39.
40.
41.
42.
791—794.
749.
807,
758.
931.
785.
756.
786.
871.
788.
786.
755.
924.
XI. Bömiieher Xiq^p«lsaaL
Nummer im Museum. Nummer des Buclit.
1. 2.
3.
5.
6.
7.'
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15—23.
833.
834.
816.
941.
778.
660.
815.
659.
812.
840.
841.
683.
820—828.
Xn. Chnechisoher Hof.
1.
2.
3.
4.
7.
8.
9.
10—13.
1.
684. •
844.
588.
595.
686.
808.
808 Anm.
Im Gewerbeinstitut (Klosterstrasse)
befinden sich n. 58. 65. 101. 357.
584. 592. 601. 607. 610. 622. 643.
677. 678. 684. 739 ff. 810. in der
Humboldt'schen Sammlung in Tegel
n. 436. 580. 715. 813; im archaeo-
logischen Apparat der Kgl. Univer-
sität n. 298. 525. 692, in Potsdam
vor der Orangerie n. 809.
Druck von Bär & Hermann in Leipzig.
Berlins antike Bildwerke
IL
Geräthe und Broncen im Alten Museum
dargestellt
von
Dr. C. Friederichs,
Professor an der UniTersität und Director am Antiqaariam des KöaigL Museums
in Berlin.
\o.
I
Düsseldorf.
Verlagshandluug von Julius Buddeus.
1871.
Kleinere
KUNST UND INDUSTRIE
im Alterthum.
Dargestellt
von
Dr. C. Friederichs,
Professor an der Universität und Director am Antiquarinm des Eönigl. Maseams
in Berlin.
Düsseldorf.
Verlagshandliiug von Julius Buddeus.
1871.
■ / I
L>"
\'
Vorwort.
Es liegt mir die süsse und angenehme Pflicht ob, den
2. Theil dieses Werkes dem Publicum zu übergeben. Der
Verfasser gehört nicht mehr zu den Lebenden, der Tod hat
ihn mitten aus der Arbeit hinweggeraflPt, zur grossen Betrüb-
niss aller derer, die ihm näher gestanden haben. Schon von
der Univeftitätszeit her war ich so glücklich, mit dem Ent-
schlafenen in regem Verkehr zu stehen, ich verdanke ihm
Manches, schätze es aber als das höchste Vertrauen, dass
er mir vom Todtenbette aus die Aufgabe übertrug, für die
Herausgabe seines Buches Sorge zu tragen. Sein einziger
Wunsch war, dasselbe noch vor dem Tode, der vorauszusehen
war, zu vollenden, und mit ununterbrochenem Fleisse und
Anstrengung der geringen Kräfte, die zuletzt nur noch vor-
handen, ist es ihm gelungen, es wirklich zu Ende zu führen.
Seine wissenschaftliche Aufgabe, die er sich als nächste ge-
steckt, hatte er vollendet, da wurde er abberufen. Möge
aucli dieses Buch ein Zeugniss sein seines treuen, unermüd;
liclien Fleisses.
Es lag das Werk vollendet vor bis auf das Inlialts-
verzeichniss und das Kegister, das beides nach der Angabe
des Verfassers angefertigt ist. Es umfasst die Geräthe und
k
VI Vorwort.
Bronzen des Antiquariums und ist somit der zweite schon früher
angekündigte Theil von „Berlins antiken Bilwerken'^. Der
Verfasser hat auch hier einen höheren Zweck verfolgt, als
nur einen Katalog zu schreiben für die Museen, das Werk
sollte uns nach Anleitung der im hiesigen Museum vorhan-
denen Gegenstände einen Einblick thun lassen in die reiche
Entfaltung, die im Alterthume die kleinere Kunst und
Industrie gewonnen hat. Wir werden in dieser Beziehung
manchen belehrenden Aufschluss aus dem Buche gewinnen
können.
So übergebe ich denn das Buch dem archäologischen
Publicum mit der Bitte, den Todten gleich mir in ehrendem
und liebendem Andenken zu bewahren. Er verdient es.
Berlin im November.
Dr. Weber.
Inhaltsverzeichniss.
A. Geräthe n. i— i82if.
Einleitung.
I. Der künstlerische Charakter der antiken Metallgeräthe.
II. Zur Geschichte der Erzarbeit.
I. Das Hausgerätli . n. I—IOOT^-
A. Toiletten- und Schmuckgeräth . . n. 1— 547i.
1) Die Spiegel n. 1—201.
a. Die griechischen Spiegel . . . n. 1 — 11»-
b. Die etruscischen Spiegel . . . n. 12 — 189.
(i. Erste Periode n. 14 — 16.
ß. Zweite Periode n. 17—34.
a. Die specifisch etruscischen. u. 17 — 21.
b. Die mehr griechischen . . n, 22—34.
}'. Dritte Periode n. 35—36.
6. Vierte Periode n. 37—189.
c. Die römischen Spiegel . . . . n. 190 — 201.
2) Die Strigeln n. 202— 230^-
3) Oelkännchen n. 231—232.
4) Flache Schale zum Badeapparat ge-
hörig n. 232»-
5) Instrumente zum Ausreissen kleiner
Härchen n. 233—242.
6) Ohrlöffel und Nagelputzer . . . . n. 242a-d.
7) Haarnadeln n. 243— 249 P-
8) Fibeln und Gewandnadeln n. 250— 392».
a. Mit breiterem Bügel n. 250—299^-
b. Mit schmalem, drahtartigem Bügel n. 300 — 336 <l-
50^^ Vergleichung der Nummern im Neuen Museum.
Nummer im Mimidb.
Kummer des BucIub.
Nummer im Mufeum.
KuiuMr des Buchs.
12.
933.
94.
876.
13.
655.
95.
885.
14.
969.
97—99.
910 ff.
15. 16.
670. 671.
102.
910 Anm.
17. 18.
765. 766.
103.
964.
19.
928.
104.
885.
20.
935.
106.
790.
22.
957.
107. '
498.
23.
858.
109.
932.
27.
865.
110.
624 Anm.
31.
954.
111.
714
33.
925.
115—119.
p.425.
34
863.
120.
n.987.
35.
^ 936.
122. 123.
946.
36.
860.
124
718.
37.
875.
126.
710.
39.
895.
127.
707.
40.
915.
129.
970 ff.
41.
875.
130.
970 ff.
43.
851.
131.
706.
44.
852.
132.
945.
45. 46.
896 ff.
133.
708.
48-- 50.
896 ff.
135.
866.
52—59.
896 ff.
136.
p. 425.
60.
891.
139.
n. 970 ff.
61.
896 ff.
140.
698.
62. 63.
891 ff.
141.
775.
64.
875 Anm.
142.
698.
65.
920.
143.
970 ff.
66.
882.
144—157.
p. 425.
67.
853.
159. 161—163*
p.425.
68.
857.
165. 166. 168.
n. 970 ff.
66.
856.
170.
439.
70.
859.
172.
709.
71.
883.
174
711.
72.
916 ff.
177.
p. 425.
73.
855.
179.
p. 425.
74.
861.
181.
p. 425.
75—77.
916 ff.
182.
n. 698.
78.
600.
183.
p. 425.
81.
885.
184.
n. 712.
82.
854.
185.
701.
83.
875.
186.
703.
84.
875.
187.
701.
87.
875.
189.
704.
88.
894.
191—200.
970 ff.
89.
875.
201.
705.
90.
875 Anm.
202.
599.
91.
875.
218.
910.
92.
910 ff.
219.
885.
93.
885.
222.
11.
Vergleichung der Nummern im Neuen Mosekmii
567
Nommer im tfiueam. Nummer des Bachs. |
Nummer im Masemn.
Ntoimer des Buchs.
223.
602.
9.
591.
228.
731.
10.
588.
231.
864.
11.
653.
232.
849.
12.
650.
233.
. 847.
13.
652.
234.
850
14.
771 Anm.
235.
848.
15.
501.
236.
843.
16.
762.
237.
869.
17.
799.
238.
870.
18.
768.
239.
438.
19.
754.
240.
836.
20.
669.
244.
884.
21.
5%.
245.
874.
22.
597.
246.
845.
23.
819.
251.
604.
25.
769.
254.
49.
26.
614.
. 266.
670 Anm.
27.
623.
267.
874 Anm.
28.
689.
B12.
724.
29.
730.
313.
842.
30.
586.
314.
943.
31.
688.
315.
801.
34.
751.
321.
600 Anm.
35.
968.
328.
606 Anm.
37—39.
780—782.
654.
40.
967.
346.
859 Anm.
41.
942.
357.
890.
42.
761.
361.
867.
43. 44.
73 Anm.
383.
868.
45.
94.
389.
862.
46.
839.
390.
497.
47.
745.
391.
929.
48.
800.
392.
697.
49.
642.
395.
605.
60.
779.
396.
691.
51.
940.
398.
985.
57. 58.
955.
404.
984.
60.
613.
408.
986.
61.
798.
439.
50.
62.
650.
450.
895.
63.
846.
64.
606.
IX.
ESmiBoher Saal.
6».
598.
1.
770.
66—71.
739—744.
2.
88.
72.
633.
3.
726.
73.
609.
4.
811.
74. 75.
642.
5.
86.
76.
90.
6.
725.
77.
614
7.
764.
91.
805.
8.
667.
92.
802.
668
V«rgleiohiing der Nummern im Neuen Museum.
Kummer im l(iiieian* Nummer des Buchs.
. !*■
93.
104.
105.
106.
107.
loa
109.
110.
111.
112.
113.
114.
116.
117.
118.
119.
120.
123.
124.
804.
803. 873.
511.
594.
689.
763.
727.
450.
450.
585.
625.
958.
797.
835.
837.
814.
59.
956.
960.
X. Durchgänge lum Bömisclieii
Kuppeliaal.
13—16.
17.
18.
19.
20.
21.
28.
26.
27.
39.
40.
41.
42.
791—794.
749.
807.
758.
931.
785.
756.
786.
871.
788.
786.
755.
924.
XI. ESmiieher KnppelsaaJ.
Nummer im Museum. Nummer dee Buclis.
1. 2.
3.
5.
6.
7."
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15—23.
833.
834.
816.
941.
778.
660.
815.
659.
812.
840.
841.
683.
820—828.
Griechisdier Hof.
1. 1.
2. 684. ■
3. 844.
4. 588.
7. 695.
8. 686.
9. 808.
10—13. 808 Anm.
Im Gewerbeinstitut (Klosterstrasse)
befinden sich n. 58. 65. 101. 357.
584. 592. 601. 607. 610. 622. 643.
677. 678. 684. 739 ff. 810. in der
Humboldt^schen Sammlung in Tegel
n. 436. 580. 715. 813; im archaeo-
logischen Apparat der Kgl. Univer-
sität n. 298. 525. 692, in Potsdam
vor der Orangerie n. 809.
Druck Ton B&r & Hermann in Leipzig.
Berlins antike Bildwerke
IL
Gferäthe und Broncen im Alten Museum
dargestellt
von
Dr. 0. Friederichs,
Professor an der üniTorsität und Director am Antiqaariam des KönigL MnseamB
in Berlin.
Düsseldorf.
Verlagshandluug von Julius Buddeus.
1871.
Kleinere
KUNST UND INDUSTRIE
im Alterthum.
Dargestellt
von
Dr. C. Friederichs,
Professor an der Universität und Director am Antiquarium des Eönigl. Maseams
in Berlin.
Düsseldorf.
Verlagshandluug von Julius Buddeus.
1871.
2 Der künstlerische Charakter der antikea Metall-Gerätho.
liehen Menschen ist es nothwendig, all sein Thun mit Anmuth
zu zieren, jedem Geräth ein Ornament zu verbinden, das ein
Ausdruck seiner Lust und Phantasie ist und das Geräth aus
der Sphäre des rohen Bedürfnisses heraushebt. Es ist ihm
so nothwendig, wie das Bild in der Bede, wie Poesie und Ge-
sang neben der Prosa, wie Gemüth und Phantasie neben dem
Verstand, es ist wahrhaft menschlich, unter der Anforderung
des Bedürfnisses nicht die Freiheit und den Schwung des
inneren Lebens ersterben zu lassen.
Diese Anlage zur Ornamentirung des Nothwendigen, die
allen Völkern gemein ist, während die höhere Kunst nicht
allen Völkern gemein ist, tritt natürlich nicht überall in
gleicher Stärke hervor. Wenn ein Volk mehr dem inneren
Leben zugekehrt ist, wird es leicht etwas unempfindlich gegen
die Schönheit des äusseren Lebens, aber den Griechen, als
einem geborenen Kunstvolke, war es Bedürfniss, dass der
Mensch und seine ganze Umgebung sich in schönen und
edlen Formen präsentirten. Es genügt zu erinnern an den
Enthusiasmus dieses Volkes für die Schönheit der Körper-
formen, für die Schönheit der Tracht und des Faltenwurfs, für
den Rhythmus und Adel der Bewegung, um zu begreifen, dass
sie auch gegen die Schönheit ihrer täglichen Umgebung nicht
gleichgiltig waren, und einige signifikante Beispiele mögen
hier gleich aufgeführt werden. Bei uns siegelt man mit Namen,
im Alterthum siegelten auch die Aermeren mit Bildern, bei uns
werden die Oertlichkeiten, die man vor Beschädigung oder Be-
schmutzung zu wahren sucht, durch ein in Worten ausge-
sprochnes Verbot geschützt, im Alterthum schützte sie ein
Bild, vornehmlich das einer Schlange, bei uns sind die Meilen-
zeiger und Wegweiser rohe Steine oder Pfähle, die in kürzester
Fassung ihre Weisung geben, in Attika waren es Bilder des
Wegegottes Hermes, die nicht in Prosa, sondern in Versen
redeten und dem Wanderer ausser den nöthigen Anweisungen
auch einen edlen und schönen Spruch mit auf den Weg gaben.
Was giebt es für künstlerische Gestaltung scheinbar Un-
empfänglicheres, als ein Gewichtstück, und doch sind eine
grosse Anzahl der antiken Gewichte nichts weniger als form-
lose Massen, sondern in der mannigfaltigsten Weise figürlich
gestaltet. Besonders charakteristisch ist endlich auch der
Umstand, dass sich unter den Fabrikstempeln allerliebste
kleine Bildchen finden, die fast auf Kunstwerth Anspruch
machen können. So sehr wurde auch das scheinbar Entlegenste
Der künstlerische Charakter der antiken Metall-Gerathe. 3
und Unbedeutendste in die das ganze Leben des Volkes durch-
dringende Atmosphäre hineingezogen.
Aber die Principien, nach denen in der Omamentirung
der Geräthe verfahren wurde, verdienen eine nähere Erörterung.
Die Belebung des mechanisch Gewordenen durch Formen der
organischen Natur ist das oberste und allgemeinste Princip
und die nähere Bestimmung ist diese, dass die Wahl dieser
Formen sich nach Form oder Zweck des Geräthes richtet, so
dass also der Begriff des willkürlich Ersonnenen und Aus-
gekünstelten von der Omamentirung der Geräthe fern zu
halten ist
Wir beginnen mit der Verwendung einzelner Glieder
organischer Wesen zu tektonischen Zwecken, des Fusses, der
Hand und des Fingers, des Kopfes und des Mundes resp.
Mauls.
Dass die Geräthe des Alterthums, Tische und Stühle,
Dreifüsse und Candelaber, Cisten und Kästchen u. s. w. ihrer
grossen Mehrzahl nach nicht bloss einen sogenannten, sondern
wirklichen Fuss haben, ist bekannt genug. Selten ist dazu
ein menschlicher Fuss genommen, Weihrauchbecken findet
man einzeln auf Menschenbeinen ruhend, gewöhnlich aber ist
es eine Thierklaue, die viel geeigneter ist, da der menschliche
Fuss wegen seiner länglichen Form nicht so passend und auch
fast zu edel für solchen Dienst erscheint. Auch hufenförmige
Füsse sind selten, das Gewöhnlichste und unleugbar Schönste
ist der krallenförmige Fuss mit seiner runden, kompakten und
schön belebten Form. Er ruft zugleich die Vorstellung eines
festen Standes hervor, indem er sich gleichsam in den Boden
einkrallt. Man hat wohl gesagt, das Geräth solle durch die
Füsse als ein gleichsam wandelndes, tragbares, nicht im Boden
wurzelndes bezeichnet werden^), aber konnte ein soabstracter
und prosaischer Gedanke in poetisch gestimmter Zeit Aus-
druck finden, oder ist es nicht natürlicher, den Grund der
Sache in dem Bestreben zu finden, das Geräth nicht bloss
praktisch nützlich, sondern auch anmuthig für die Anschauung
zu machen?
Die Hand wird in der verscliiedensten Weise benutzt,
und der Gestus, den sie macht, ist natürlich danach verschieden.
Die ausgestreckte Hand findet sich oft an Haarnadeln und
andern Gerätlien als Griff, sie streckt sich gleichsam zum
1) Visconti Op. var. IV, 250.
4 Der künstlerische Charakter der antiken Metall-Geräthe.
Anfassen einladend aus. Oder aber sie krümmt sich zusammen
und macht den Gestus des Zusammenscharrens, und in diesem
Sinn findet sie sich an Geräthen, die unsern Kohlenschaufeln
entsprechen. Auch der Henkelschluss hat an verschiedenen
Geräthen die Form einer Hand, besonders hübsch und passend
bei solchen Henkeln, welche die Form eines Bügels haben
und zum Heben der betreffenden Vase dienen. Da legt sich
der Henkel mit anfassenden Händen an den Bauch des Ge-
fässes und spricht durch diese Omamentirung seinen Zweck
auf das Sinnlichste und Deutlichste aus.
Der Finger kommt auch als Griff an Geräthen vor, er ist
ja auch das Organ des Anfassens. Ausserdem aber finden sich
isolirte Finger, die den Gestus des Einhakens machen, und an
der Stelle unserer nichtssagenden Haken gebraucht wurden.
So findet man zum Beispiel unten an der Wagendeichsel statt
der Haken oder Kinge, durch welche der Jochriemen gezogen
wird, auch gekrümmte Finger, die sich um den Riemen gleich-
sam herumkrümmen und ihn auf diese Weise festhalten.
Ausserordentlich mannigfaltig ist die Verwendung des
menschlichen und thierischen Kopfes. Am häufigsten wird er
gebraucht, um den Abschluss, die Spitze, gleichsam den Kopf
eines Dinges zu markiren. Die Wagendeichsel präsentirt nicht
roh ihr abgeschnittenes Ende, sondern läuft in einen Kopf aus,
ebenso die Rücken- und Seitenlehnen von Stühlen, und die
Griffe der verscliiedenartigsten Geräthe, Spiegel, Schöpflöffel,
Messer u. s. w. Man kann beobachten, dass es durchgehends
spitzzulaufende Thierköpfe sind, die man für diesen letzteren
Zweck gewählt hat, denn breite Köpfe wären da, wo es darauf
ankommt, einen Griff oder ein ähnliches langgestrecktes Ding
auslaufen zu lassen, nicht am Platze. Wie die Form des Ge-
räths die Wahl des Thierkopfs bedingt, das zeigen sehr sinnig
die Rücklehnen der Sessel und der Griff des Schöpflöffels, die
in Schwanenköpfe auslaufen, weil für diese gewissermaassen
langhalsigen Geräthe kein anderes Thier eine so treffende
Analogie darbot. Eben so sinnreich ist es, wenn die Arme
eines Saiteninstruments oder der hochragende oben gekrümmte
Bügel des altgriechischen und altetruscischen Helms in Form
eines Schwanenkopfs gebildet sind^).
*) Vgl, Stephani im Compte-rendu de la commission imperiale
archeologique pour l'annee 1863 p. 47 ff. Natürlich fehlt es nicht an
Solchen, die weil sie nicht das Einzelne aus dem Ganzen erklären^
Der künstlerische Charakter der antiken Metall-Geräthe. 5
Noch häufiger und mannigfaltiger ist vielleicht der Ge-
brauch der Maske und es lassen sich nicht wohl alle einzelnen
Fälle aufzählen. Sehr oft finden wir sie am Henkelschluss,
wo die Palmette mit ihr wechselt. Es ist nicht leicht den
Sinn dieser Verzierung anzugeben. Man könnte denken, die
Zusammenfügung von Henkel und Bauch des Gefässes solle
verdeckt werden, aber wir finden auch gemalte, nichts ver-
deckende Palmetten unter den Henkeln von Thongefässen. Es
scheint vielmehr auf eine Vermittlung, auf einen hübschen
Uebergang zwischen Henkel und Bauch abgesehn, die schmale
Fläche desersteren muss sich ausbreiten um sich der Art und
Natur des letzteren harmonisch anzuschliessen. Uebrigens
lässt sich nicht leugnen, dass die strahlen- oder fingerartig
sich ausbreitende und anschliessende Palmette an dieser Stelle
schöner ist als die runde indifferente Maske, die auch später
ist als jene.
Die Art der Maske richtet sich manchmal nach dem
Zweck des Gefösses. Silensmasken am Henkel lassen wohl
bestimmt auf ein Weijjgefäss schliessen. Doch giebt es un-
zählige Fälle, wo die Masken ohne irgend welchen Gedanken
ganz zufällig mit dem Gefäss verbunden sind.
Wo es endlich eine Flüssigkeit auszugiessen giebt, da ist
der Mund resp. das Maul das nothwendige Organ, denn das
Wasser, wie es freilich heutigen Tages so oft der Fall ist, aus
einer blossen unverzierten Röhre herausfliessen zu lassen, ist
zwar praktiscli genügend, aber im Uebrigen roh. Ich erinnere
mich unter den zahlreichen antiken Abbildungen von Brunnen
keiner einzigen, wo das Wasser nicht aus einem Thiermaul
herauskäme und viele derartige Köpfe in Bronce und Marmor
sind uns erhalten. Auch hier kann man dieselben feinen Rück-
sichten in der Wahl des Thierkopfes verfolgen, von denen oben
die Rede war. Man wählte nämlich Thiere mit breitem Kopf,
wo es, wie an Brunnen und Dachrinnen, auf das Ausspeien
eines dicken und vollen Strahls ankam, wo dagegen, wie bei
einer gewissen Classe von Trinkhömern, ein feiner, dünner
Strahl auszusenden war, wurden Thiere mit spitzzulaufendem
Kopf vorgezogen ^). Uebrigens sind nicht nur Thierköpfe, son-
gondern ohne weitere Untersuchung sogleich mythologische Gründe ver-
muthen, in diesen Bildungen versteckte symbolische Anspielungen finden,
wie wenn eine Broncefigur mit dem im Text erwähnten Helm für einen
Kyknos erklärt wird.
1) Bötticher, Tektonik I, 199.
Q Der künstierische Charakter der antiken Metall-Geräthe.
dem auch menschliche Köpfe zu Brunnenmtindungen benutzt^
doch erinnere ich mich nur Köpfe von Wasserdämonen^ nament-
lich Silenen, in solcher Verwendung gesehen zu haben. Etwas
Singuläres ist, dass zwei Quellen in der Nähe von Coronea
einen Ausguss in der Form weiblicher Brüste hatten, indem
das Wasser wie die Milch der Quellnymphen dargestellt
wurde ^). Aehnliche Motive findet man an Brunnen der Kenais-
sance, z.B. an dem Brunnen neben der Lorenzkirche in Nürn-
berg, wo das Wasser freilich nicht aus den Brüsten von
Nymphen, sondern von allegorischen Gestalten herausfliesst.
Wir betrachten nun weiter die Yerwendung ganzer
Figuren für tektonische Zwecke und beginnen mit einigen
Schmuckgegenständen, die besonders sinnig erfunden sind. Die
goldnen Ohrringe, die uns aus dem Alterthum erhalten, sind,
wie überhaupt die zum Hängen bestimmten Geräthe, z. B. Ge-
wichte, oft in Form von Eicheln oder ähnlichen Dingen, die
man sich als hängende Körper denkt, gebildet, sehr oft aber
sind es auch geflügelte Figuren in sch^rebender Stellung. Die
Sirene, der vom Adler geraubte Ganpned und die Viktoria
sind in dieser Weise zu Ohrringen benutzt, besonders häufig
aber ist ein kleiner, schwebender Amor. Wie nothwendig ist
an dieser Stelle die geflügelte Figur und wie anmuthig schel-
misch, dass es ein kleiner Amor ist! Die goldenen und
broncenen Armringe, auch Fingerringe sind oft in Form von
Schlangen gebildet und die ersteren hiessen auch „Schlangen",
man wird auch hier, wo es sich darum handelt, ein Glied zu
umringein, das Treffende der Analogie nicht verkennen, nur
ist die Schlange am Arm für unsere Empfindung weniger an-
sprechend, als für die Griechen, denen das Thier im Ganzen
vertrauter war.
Am häufigsten aber ist Griff und Stütze der Geräthe
figürlich gestaltet. Pfannen und Krüge und Geräthe der ver-
schiedensten Art sind oft mit Griffen oder Henkeln in mensch-
licher und thierischer Form versehn und es ist interessant zu
verfolgen, wie die Gestalten behandelt sind, um ihrem tekto-
nischen Zweck zu entsprechen. Eine Figur, die einen Pfannen-
stiel bilden soll, muss möglichst ausgereckt werden und die
Glieder zusammengeschlossen haben, um griffförmig auszusehn.
Auch ist es selbstverständlich, dass bekleidete Figuren schlicht
^) Pausan IX, 34, 4. Vgl, das Gefäss in der Isisprocession bei
Apulejus Metam. XI, p. 768 ff.
Der künstlerische Charakter der antikeQ Metall-Geräthe. 7
und einfach gehalten sind, damit sich der Griff unterordne unter
das Ganze. Andrerseits findet man an den Figuren, welche
oben auf den etruscischen Candelabem angebracht sind und
als Griff dienen, woran der Candelaber emporgehoben und ge-
tragen werden kann, die Arme sehr häufig in irgend einer
Weise vom Körper gelöst, damit die Hand des Anfassenden
sich eben unter die abstehenden Arme lege und so das Geräth
auf die bequemste Weise trage. Die Deckel der etruscischen
Toilettenkasten haben oft Henkel, welche aus Gruppen von
zwei oder drei Figuren bestehen, die mit den Armen sich be-
rühren, während die untern Theile der Körper von einander
entfernt sind, so dass die Hand nur unter die verschlungenen
Arme zu greifen braucht, um den Deckel leicht und bequem
abzuheben. Oder es wird der Griff an diesem und anderen
Geräthen durch eine gekrümmte Figur gebildet, die aber nicht
bloss gezwungen, nämlich um dem tektonisch Nothwendigen zu
genügen, diese Stellung angenommen hat, sondern auch in einem
Motiv dargestellt ist, für welches die angenommene Stellung
natürlich erscheint, es sind nämlich seiltänzerartige Figuren,
die so aussehn als wären sie im Begriff kopfüber zu schlagen.
Was die Stützen der Geräthe betrifft, so stehn manche
Geräthe oder Geräththeile, Dreifüsse, Spiegel und andere, auf
dem festen Rücken von Schildkröten, deren angemessene Ver-
wendung unmittelbar einleuchtet. Auffallend erscheint dagegen
die Verwendung des Frosches an derselben Stelle, die aber
gewiss als ein Ausfluss des Handwerkerhumors aufzufassen ist.
Man darf dies daraus schliessen, dass die armen Thiere manch-
mal ganz platt gedrückt sind unter ihrer Last
Die Füsse der Geräthe werden sehr oft durch geflügelte
Figuren gebildet, wobei aber nicht immer solche Figuren ge-
wählt werden, denen die Flügel habituell sind. An der be-
rühmten Dresdener Basis (Bd. I,n. 75) kommen z.B. geflügelte
Silene vor, und es ist dies ein deutlicher Beweis, dass man
sich vor mythologischen Inkorrektheiten nicht scheute, wo
tektonische Forderungen zu erfüllen waren. Denn die Flügel
sind an dieser Stelle durchaus nothwendig, weil sie den Winkel
zwischen Figur und Geräth ausfüllen und dadurch erst den
harmonischen Zusammenschluss von beiden ermöglichen.
In den figürlich gestalteten Stützen der Geräthe, z. B.
der Spiegel, Thj-miaterien und Candelaber, wiederholt sich im
Kleinen dieselbe Erscheinung, wie bei der Karyatide im
Grossen, nur dass die strengeren Stylgesetze, die bei der letz-
8 Der künstlerische Charakter der antiken Metall-Geräthe.
teren nothwendig sind, in der leichteren, beweglicheren Welt
der Geräthe nicht immer befolgt werden. Die Candelaber und
Thymiaterien sind in dieser Beziehung am instructivsten, die
bald von karyatidenartig streng componirten Figuren gestützt,
bald aber von lustig bewegten, tanzenden Figuren leicht und
graziös auf dem Kopfe balancirt werden.
Dies mag hier genügen um die sinnvolle Dekoration der
antiken Geräthe durch organische Formen anzudeuten. Dass
sich auch manches Barocke findet, wird Niemand wundem und
namentlich sind die Lampen reich an willkürlichen, seltsamen
Erfindungen, wie wenn sie in Form eines menschlichen Fusses,
einer Ente, eines Elephantenrüssels u. s. w. gebildet sind.
Aber im Allgemeinen ist der künstlerische Charakter der
antiken Geräthe unverkennbar und in seiner Wirkung auf die
Bildung des Geschmacks nicht zu unterschätzen. Denn man
darf nicht glauben, dass die figürliche Dekoration etwa nur
bei einzelnen, theuren Geräthen angewandt und daher] nur
den Reicheren zu Gute gekommen sei, man vergleiche nur die
Spiegelgriife oder die Schöpflöffel, die fast immer in Thier-
köpfe auslaufen, oder die älteren etruscischen Candelaber, die
ja in reicher Anzahl erhalten, und auch fast immer mit zier-
lichen Figuren geschmückt sind.
In der vorstehenden Erörterung ist die Dekoration der
Geräthe aus dem allgemeinen Princip der Belebung des
mechanisch Gewordenen durch organische Formen, deren Wahl
sich nach Zweck oder Form des Geräths richte, abzuleiten ge-
sucht Es kann niclit geleugnet werden, dass in einzelnen
Fällen auch noch andere Gründe auf die Wahl der Ornamente
Einfluss gehabt haben. Wenn der Pompejaner Vaccula die
von ihm in die Thermen gestifteten Geräthe mit Kuhköpfen
verzierte, so ist der Grund sofort klar, es ist aber ebenso
klar, dass dieser Fall vereinzelt steht. Häufiger mag die
Dekoration eines Geräths durch abergläubische Rücksichten
veranlasst sein, die Armbänder in Schlangenform haben gewiss
auch den Werth eines Amulets gehabt, da die Schlange ein
sehr gewöhnliches Schutzsymbol gegen Zauber und bösen Blick
war. Allein dies sind einmal doch nur ganz bestimmte
Symbole, und zudem wird man auch in diesen Fällen darauf
Bedacht genommen haben, dass das Symbol den sonst zu neh-
menden Rücksichten nicht hinderlich, sondern eher förderlich
wurde. Die Rücksichten aber, die in der Fabrikation der Ge-
räthe vor Allem maassgebend sind, bleiben immer und überall
Der künstlerifsche Charakter der antiken Metall-Geräthe. 9
dieselben, es ist einerseits die praktische Tauglichkeit und
andererseits die Gefälligkeit der Erscheinung. Der Künstler
geht weiter als der Fabrikant, er ist nicht mit der blossen
Gefälligkeit seiner Ornamente zufrieden, sondern strebt auch
danach, sie bedeutsam zu machen, es ist etwas Anderes ob
Phidias einen Sessel für den olympischen Zeus oder ob ein
Fabrikant einen einfachen Lehnstuhl verfertigt. Aber die Ge-
räthe die wir in unseren Museen haben, sind ja eben Fabrik-
arbeit und es hiesse den Fabrikanten zu viel zutrauen, wenn
man in der Ornamentirung der Geräthe allerhand verborgene
Anspielungen suchte.
Zum Schluss dürfen wir nicht vergessen darauf aufmerk-
sam zu machen, dass die Dekoration der Geräthe, die wir im
Obigen zu charakterisiren versuchten, nicht etwa eine Erfin-
dung, sei es der Griechen oder Etrusker, ist, sondern lange
vorher und im Wesentlichen nach denselben Principien schon
in der assyrischen und ägyptischen Kunst geübt wurde. Es
ist oft überraschend zu beobachten, wie sich in den Geräthen
der Griechen und Etrusker Motive der Aegypter und Assyrer
wiederholen. Unter den ägyptischen Geräthen findet man
z. B. oft eine Schaale, deren Griff durch eine ausgestreckte
Figur gebildet wird, welche die Schaale gleichsam präsentirend
hinstreckt, ganz dasselbe Motiv kommt in etruscischen Broncen
vor. Die Assyrer verzierten die Spitze der Deichsel oder der
Lehnen an Thronsesseln in derselben Weise, wie oben erwälmt
wurde, auch finden wir bei ihnen figürlich als Thiere gestaltete
Gewichtstücke.
Es wird schwer sein, in einzelnen gegebenen Fällen über
die Erfindung oder Entlehnung eines Motivs zu entscheiden,
im Ganzen und Grossen aber haben wir offenbar eine Ueber-
tragung von Volk zu Volk anzunehmen, und die Anfänge
dieser in sich so natürlichen und verständlichen Dekorations-
weise sind gewiss in noch ganz primitiven Zuständen zu
suclien ^).
^) Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass in dieser allgemeinen
Einleitung nur die niedere Ornamentik, wenn ich so sagen darf, die
sich in der Bildung tektonisch nothwendiger Theile des Geräthes kund
giebt, berührt worden ist. Die höhere Ornamentik, deren Gebiet da
beginnt, wo Bilder oder Reliefs ganz unabhängig von tektonischen
Rücksichten dem Gefäss angefügt werden, wird in dem von den be-
malten Vasen handelnden Bande dieses Werks im Zusammenhang er-
örtert werden. Soweit sie für die Broncen in Betracht kommt, z. B.
für die Spiegel, ist darüber an den betreffenden Stellen gehandelt.
10 Zur Geschichte der Er«arbeit,
II. Zur Qeschichte der Erzarbeit.
Bei der Dürftigkeit des Materials können wir nur wenig
sagen. An schriftstellerischen Nachrichten besitzen wir näm-
lich nur einzelne zufällige Notizen und an Denkmälern hat
wenigstens Griechenland bis jetzt ausserordentlich wenig ge-
liefert. Um so reicher sind wir freilich an etruscischen und
unteritalischen Erzarbeiten aus verschiedenen Perioden und
an römischen Broncen aus Herkulanum und Pompeji.
Die verschiedenen Perioden unterscheiden sich sowohl in
der Technik als im Stil. Der Technik nach zerfallen alle Erz-
arbeiten zunächst in getriebene und gegossene. Es giebt eine
grosse Menge etruscischer Gefasse, an welchen kein Theil ge-
gossen ist, auch kleine getriebene Figuren existiren, wenn auch
in geringer Anzahl. An sich ist es nicht nothwendig, dass
solche Werke älter seien als diejenigen, an denen ein Theil
oder das Ganze gegossen ist, indess fehlt es fast nirgend an
Nebenumständen, die eine Entscheidung über das Alter er-
lauben.. Wo z. B. eine hohe Alterthümlilchkeit des Stils mit
dieser Technik verbunden ist, da darf man das Werk in eine
dem Erzguss vorangehende Zeit setzen.
Die meisten der getriebenen Broncegeräthe die wir be-
sitzen, verrathen ihr hohes Alter noch durch eine andere,
gleichfalls technische Besonderheit, nämlich durch den Mangel
der Löthung. Was später angelöthet wird, z. B. der Henkel,
ist hier genietet. Dies ist die Verfahrungsweise der home-
rischen Zeit, die erst im siebenten oder sechsten Jahrhundert
durch die Erfindung des Lothes verdrängt sein soll. Das
etruscische Museum des Vatikans ist ganz besonders reich an
solchen Arbeiten, glücklicherweise fehlen sie auch bei uns
nicht ganz und wir werden in dem Abschnitt über die Grab-
vasen uns näher mit ihnen beschäftigen.
Die grosse Mehrzahl der uns erhaltenen Broncearbeiten
gehört in die Zeit des Erzgusses. Die Figuren sind mit
wenigen Ausnahmen gegossen und an den Geräthen sind immer
wenigstens einzelne Theile, namentlich der Henkel, in dieser
Weise hergestellt. Die Griechen vindiciren sich die Erfindung
des Erzgusses, die etwa in der 50sten Olympiade gemacht sei,
doch ist nur das ihr Verdienst, eine Erfindung Aegyptens zur
höchsten künstlerischen Ausbildung gebracht zu haben, denn
Zar Geschichte der E^arheit. ii
0
der Erzguss war in Aegypten schon im vierzehnten Jahrhun-
dert bekannt^). Doch glaube ich nicht, dass Griechen und
Etrusker den Erzguss direkt von den Aegyptern entlehnten,
vielmehr kam er ihnen nach aller Wahrscheinlichkeit aus
Assyrien zu, wo er ebenfalls früher bekannt war, als die
classische Tradition angiebt. Denn es findet zwischen einigen
gegossenen Alterthümern aus Ninive und einigen uralten
etruscischen und griechischen Broncen eine üebereinstimmung
statt, die auf einen Zusammenhang deutet. Unter jenen näm-
lich befinden sich die Füs&e eines Thronsessels, die aus eisen-
gefüllter gegossener Bronce bestehen 2), und eben dieselbe
Technik, die Ausfüllung der Bronce mit geschmolzenem Eisen
finden wir in altetruscischen Werken. Mehreres dieser Art ^
befindet sich im britischen Museum, wir erwähnen das Kohlen-
becken aus dem berühmten Funde der PoUedrara bei Vulci,
das mitsammt den verzierenden Pferdeköpfen aus bronce-
bekleidetem Eisen besteht^) und eine Venus unteritalischen
Fundorts, die kürzlich von A. Castellani an das Museum ver-
kauft ist Auch an der berühmten Wölfin des Capitols sind,
wenn wir uns recht entsinnen, einzelne Theile, nämlich die
Beine und Zitzen mit Eisen ausgefüllt.
Die ältesten Broncefiguren sind immer massiv, sei es dass
man sie massiv gegossen oder mit Eisen ausgefüllt oder auch
aus Barren herausgearbeitet hat^), und die ganz kleinen
Figuren sind auch später wohl immer massiv. Denn bei ihnen
wäre die Erspamiss an Material verhältnissmässig gering ge-
wesen, während die Arbeit beim Hohlguss unverhältnissmässig
^) Ich hatte mich wegen des Alters der kleinen ägyptischen Broncen
die durchgehends gegossen sind, vergebens an mehre Aegyptologen
um präcise Auskunft gewandt, bis ich Herrn Prof. Lepsius davon sagte,
der mir dann zu meiner grössten Freude eine dem hiesigen Museum
angehörigCf mit Inschrift versehene Statuette des grossen Ramses aus
dem vierzehnten Jahrhundert zeigte, die in schönstem Hohlguss ausge-
fiihrt ist.
2) Vgl. Sem per der Stil I, 234. Ich selbst habe sie auch im
britischen Museum genau betrachtet.
3) Bullet. 1839, p. 71.
^) F. Lenormant bemerkt von einer sehr alten Pallasstatuette in
der Archaeol. Ztg. 1867 p. 121, sie sei fondue en plein ou plutöt
encore dägagee au ciselet et ä la Hme dans uu lingot, exactement
comme le peiit nombre d'autres bronces grecs des plus anciennes epo-
ques que nous connaissons, wozu er dann die Polykratesbronce in
Petersburg und die von Vischer Nuove memoire dell instit. tav. 12
pnblicirten anführt.
12 Zur Geschichte der Erzarbeit.
gross war. Die grösseren Broncen der späteren Zeit sind da-
gegen immer hohl, schon unter dem Bauschutt des Parthenon
hat sich bei Gelegenheit des Museumsbaus auf der Aki*opolis
zusammen mit melireren massiv gegossenen kleinen Figuren
ein etwas grösserer hohl gegossener Apollokopf gefunden.
Man goss die Figuren stückweise, wie die Darstellung der
Erzgiesserei auf einer dem fünften Jahrhundert angehörigen
Vase des hiesigen Museums und erhaltene Broncen beweisen.
Eine etwa lebensgrosse Broncefigur des britischen Museums
besteht aus 9 Stücken^), eine der herkulanischen Mädchen in
Neapel ist aus 7, eine andere aus 10 Stücken zusammenge-
setzt 2). Die erst erwähnte Statue ist auch ein Beweis für die
ausserordentliche Dünnheit des Gusses, die den Alten möglich war,
da sie vor ihrer nicht erheblichen Restauration nur 69 Pfund
wog. Auch der betende Knabe, die Perle des hiesigen Museums,
ist so leicht, dass er von einem Mann bequem getragen werden
kann, während die neben ihm aufgestellte gleich grosse
römische Broncestatue aus Xanten durch vier Mann trans-
portirt werden musste.
Hinsichtlich des Stils zerfallen alle erhaltenen Geräthe
in zwei Classen, die zugleich historischen Perioden entsprechen.
Es ist der grosse Gegensatz von Stil und Natur, von Strenge
und Freiheit, der sich auf allen Gebieten der Kunst wieder-
holt und auch hier eine durchgreifende Trennung macht. An
dem Beispiel des Candelabers tritt dieser Unterschied am
augenfälligsten hervor. Während nämlich der Schaft an den
älteren Candelabern einer cannelirten Säule älmlich ist, haben
jüngere Candelaber oft die Form von Schilfrohr oder Bäumen,
ahmen also unmittelbar ein von der Natur gegebenes Motiv
nach. Jene sind ideal, diese realistisch, jene streben nach
dem Einfachen, Ernsten, Edlen, diese nach dem Reichen, Hei-
tern und Sinnlichen. Der innere psychologische Grund für
den Uebergang von der einen Art zur anderen liegt in der
ethischen Stimmung der verschiedenen Zeiten begründet; hier
muss es genügen, hervorzuheben, dass jede in Sitte und Denk-
weise mehr üppige und luxuriöse Zeit der realistischen Weise
den Vorzug geben wird. Wann dieser Uebergang eingetreten,
vermögen wir ziemlich genau zu bestimmen. Dass bereits vor
Alexander realistisch gebildete Geräthe üblich waren, beweist
1) Bull, dell» inst. 1840 p. 111.
2) Mus. borb. II. zu tav. VII.
Zur Geschichte der Erzarbeit. ]^3
die interessante Notiz des Plinius ^) von einem im Tempel des
Palatinischen Apollo befindlichen Candelaber, der einem mit
Lampen wie mit Früchten behangenen Baum glich und von
Alexander dem Grossen bei der Zerstörung Thebens erbeutet
war. Ja schon von Eallimachos^ einem Künstler aus der Zeit
des peloponnesischen B[riegS; wird berichtet, dass er über der
goldenen Lampe im Erechtheum einen Rauchfang in Gestalt
eines Palmbaums verfertigt habe 2). Aber viel früher wird
auch der Uebergang ins Realistische nicht stattgefunden
haben, wie wir vor Allem aus den architektonischen Orna-
menten schliessen dürfen. Denn erst im korinthischen Stil,
also nicht vor dem Ende des fünften Jahrhunderts werden
die Ornamente realistisch gebildet, während sie früher abstragt
gehalten sind ohne das lebendige Spiel der Naturformen nach-
zuahmen.
Wir versuchen nun, die Kunstindustrie der drei hier in
Betracht kommenden Völker, der Griechen, Etrusker und
Römer etwas näher zu charakterisiren, und knüpfen dabei an
(las eben Gesagte an, indem wir den Geräthen, die wir von
Griechen und Etruskern besitzen, im Grossen und Ganzen
einen mehr idealistischen, den römischen dagegen einen vor-
wiegend realistischen Charakter beilegen. Diese Verschieden-
heit der Geschmacksrichtung tritt gleich in der Technik am
deutlichsten hervor. Bei Griechen und Etruskern nämlich
dominirt entschieden das gemalte oder gezeichnete Ornament,
und wenn Reliefverzierung gewählt wird, so ist das Relief
flächenartig gehalten, die Römer dagegen wählen mit einseitiger
Vorliebe das Relief und zwar das runde Relief, das die Dinge
in ihrer vollen Körperlichkeit imitirt. Die griecliische Vasen-
malerei stirbt unter römischem Einfluss ab, ebenso die Metall-
zeichnung die besonders in Etrurien blühte, und die Relief-
verzierung tritt in Thon- und Metallarbeiten an ihre Stelle.
In unteritalischen und etruscischen Gräbern werden oft Helme
mit graffito verziert gefunden, aus römischer Zeit sind mir nur
Helme mit Reliefschmuck bekannt. Eben diese letzteren —
wir meinen vornehmlich die Gladiatorenhelme aus Pompeji —
sind sehr instructive Beispiele um die Schwäche der römischen
Ornamentik blosszulegen. Das runde Relief ist an sich zur
J) Bist. nat. 34, 14.
2) Pausan. 1, 26, 7.
14 Zur Geschichte der Erzarbeit.
Ornamentirung ebenso geeignet wie die Mittel der Etrusker
und Griechen, unter denen übrigens ersteres ja auch nicht
ganz ausgeschlossen war, allein es führt leichter als jene zur
Willkür und Entartung und diese Gefahr ist in den römischen
Geräthen nicht immer vermieden. An vielen pompejanischen
Geräthen ist von einer Unterordnung des Ornaments unter das
Ganze, was doch für ein schön componirtes Geräth nothwendig
ist, nicht mehr die Rede, das Ornament löst sich oft in völliger
Ungebundenheit ab und stört dadurch die Einheit des Ganzen.
Am weitesten geht in dieser Eichtung der mit trojanischen
Scenen verzierte Gladiatorenhelm, an welchem einzelne Glieder
der Figuren in senkrechter Richtung aus der Fläche heraus-
springen. Man könnte die Beweiskraft gerade dieser Geräthe
für das Ganze mit der Bemerkung anfechten, dass der Helm
eines Gladiatoren, also eines Schaukämpfers, wohl absichtlich
besonders reich, prunkend und eifectvoll, gearbeitet sein möge,
um den Beifall der grossen Masse auf sich zu ziehen, allein
es ist doch auch an anderen Geräthen dieselbe Neigung be-
merkbar. Die Köpfe oder Büsten, mit denen die Geldkisten,
Betten oder andere Geräthe verziert sind, springen oft so weit
vor, dass die Harmonie des Ganzen gestört wird, und schon
im ersten Bande dieses Werks n. 882. 883 wurde an pompe-
janischen Candelabem gezeigt, wie auch hier das Ornament
und die Sache selbst nicht mehr im richtigen Yerhältniss zu
einander stehen. Ueberhaupt wäre es nicht schwer, unter den
pompejanischen und herkulanischen Alterthümern manche Bei-
spiele tektonischer Willkür zu finden, unter denen die Lampen
in ihren oft ganz unmotivirten Formen reich vertreten sein
würden, und wenn wir die grosse Masse dieser Alterthümer
mit den früheren griechischen und etruscischen hinsichtlich
ihrer tektonischen Schönheit vergleichen, so kann man nicht
zweifeln, welcher Classe der Preis zuzuerkennen sei. Nur darf
man dabei nicht vergessen, wieviel stilvolle und wahrhaft
schöne Geräthe doch auch unter ersteren sich befinden. Es
sind freilich zum grossen Theil nicht Neuschöpfungen, sondern
Reproductionen jener älteren Zeit. Die grosse Mehrzahl der
herkulanischen und pompejanischen Candelaber ist — von
einer nur den praktischen Zweck betreffenden Veränderung
abgesehen — den altetruscischen fast ganz gleich und die
Weinkanne der alten Zeit, eins der graziösesten Geräthe des
Alterthums, ist unverändert dieselbe geblieben.
Die Vergleichung der etruscischen und griechischen Ge-
Zur Gesehichte der Erzarbeit * 15
räthe unter sich, zu der wir jetzt übergehen, nachdem wir sie
zuerst als eine zusammengehörige Masse den römischen gegen-
übergestellt, wird theils dadurch erschwert, dass Griechenland
bis jetzt so wenig Material geliefert hat, theils aber durch die
Abhängigkeit der etruscischen Kunst von der griechischen.
Unzweifelhaft sind viele griechische Gedanken auch in die
etruscische Tektonik übergegangen und die Vergleichung der
schwarzen clusinischen Töpferwaare, die wir einstweilen als
originell etruscisch ansehen dürfen, mit den späteren in
Etrurien üblichen Vasenformen giebt den besten Beweis dafür,
dass inzwischen griechischer Einfluss stattgefunden hatte, allein
es giebt doch einzelne Fälle, in denen es ausserordentlich
schwer ist, über Originalität oder NichtOriginalität eines etrus-
cischen Geräths zu entscheiden^). Sollten wir aber auch so
das Yerhältniss zwischen Griechen und Etruskern fassen, dass
ersteren alle schöpferischen Ideen, letzteren nur die Meister-
schaft der Ausführung bliebe, so würde doch zunächst immer
darin ein grosses Verdienst der Etrusker bestehen, griechisch
erfundene Geräthe durch die ganze Welt verbreitet zu haben.
Denn die etruscische Broncewaare ging in der That, wie
Plinius sagt, durch alle Länder und die zahlreichen Funde alt-
etruscischer Geräthe diesseits der Alpen sind der beste Beweis
für die Wahrheit seiner Behauptung. Auch im eigenen Lande
war der Absatz ein ungeheurer, wie man aus den so reich mit
Broncen ausgestatteten etruscischen Gräbern schliessen muss.
Was für einContrast zwischen dem üppigen Luxus eines etrus-
cischen und der Armuth eines griechischen Grabes! Aber so
sehr wir den ethischen Vorzug der letzteren anerkennen, so
können wir doch nicht leugnen, dass die üppigeren Sitten der
Etrusker auf die Belebung der Kunstindustrie mächtig gewirkt
haben. In Griechenland scheint, vielleicht von einzelnen Ge-
räthen wie den überall liin exportirten Strigeln abgesehen, die
Fabrikation von Metallgeräth bei Weitem weniger schAvungvoU
betrieben zu sein, wie wäre es sonst möglich gewesen, dass
man in Atlien und zwar zur Zeit der höchsten Kunstblüthe
die etruscische Metallwaare als die beste von allen schätzte 2)
^) Unten in dem Abschnitt „Grabvasen" wird ein Fall angeführt
werden, wo das Verhältuiss zwischen etruscischer und griechischer
Fabrikation einmal sehr deutlich zu Tage tritt.
2} Vgl. Athen. I, 28, b. c. XV, p. 700.
IQ Zur Geschichte der Erzarheit.
und selbst bezog? Gerade dieser Umstand, dass die Athener
des fünften Jahrhunderts so anerkennend über die etruscischen
Broncen urtheilen, ist der beste Beweis für ihre Yorzüglich-
keit und wohl geeignet, Zweifel zu erwecken, ob die Griechen
in diesen Geräthen nur ihre eigenen Erfindungen bewundert
haben.
Freilich hatte die Massenproduction wie immer, so auch
bei den Etruskem ihre Schattenseite. Es konnte nicht fehlen^
dass viel Flüchtiges und Unschönes producirt wurde, und
dass mechanische Vervielfältigung an die Stelle einer mehr
künstlerischen Productionsweise trat. Wir wagen auf ein
freilich nicht reiches Material hin — es sind besonders die
Reliefs der griechischen und etruscischen Klappspiegel ge-
meint — die Behauptung, dass die Technik des Treibens in
Griechenland immer viel mehr üblich war als in Etrurien, wo
sie durch die Stanzarbeit verdrängt wurde, ähnlich wie sie
auch heutigen Tages durch mehr mechanische Operationen
verdrängt wird. Die griechischen Spiegelreliefs sind, soweit
uns bekannt, bis auf eins, das gegossen ist, alle getrieben, die
etruscischen aber gestanzt und wir besitzen bereits mehrere
aus demselben StetapeH).
Auch im Stil oder vielmehr in der Geschmacksrichtung hat
die etruscische Industrie unleugbar etwas Nationales, was nicht
immer gefällt. Etwas ganz specifisch Etruscisches ist die
Liebhaberei für figürlichen Schmuck selbst an kleinen und
kleinsten Geräthen. Die Candelaber oder richtiger Thymia-
terien, deren Schaale oben von Täubchen umgeben ist und an
deren Schaft eine kleine Figur hinaufklettert, die Fibeln,
selbst die kleinsten, die mit Thieren, ja mit Reihen von
Thieren verziert sind, die Candelaber, Cisten und Dreifüsse
mit ihrem Figurenreichthum und besonders die bald geistreich
bald aber auch wunderlich und phantastisch verzierten
Henkel aller möglichen Geräthe, das Alles sind specifisch
etruscische Bildungen, die wir bei keinem anderen Volk
wiederfinden.
Unübertrefflich aber, ist, wenigstens an den etruscischen
Werken älterer Zeit, die Sauberkeit und Feinheit der Arbeit.
*) Wie das Relief mit Odysseus und Penelope, Annali dell' instit.
1867, 326. Auch unter den vielen Exemplaren des unter n. 3 aufge-
führten Reliefs sind gewiss D Dubletten vorhanden.
Zur Geschichte der Erzarheit. 17
Zwar werden wir erst in den beiden folgenden Bänden dieses
Werks an den Goldarbeiten und Gemmen die ganze Vollendung
etruscischer Arbeiten, die über mtlhseligste und schwierigste
Technik triumphirt, kennen lernen, allein auch unter den
Broncegeräthen älteren Stils sind viele von vollendeter Aus-
führung. Je mehr aber an einem Geräth das Ideelle und
Geistige zurücktritt, um so höher steigt der Werth der for-
mellen Behandlung.
f riederichs, Berlin's Antike Bildwerke II.
L Das HausgerätL
A. Toiletten- und Schmuckgeräth.
1) Die Spieg'eL
a. Die griechischen Spiegel.
Im ganzen Alterthum war der Gebrauch von Metallspiegeln
vorherrschend. Man kannte zwar auch Glasspiegel, die in den
berühmten Glasfabriken Sidons erfunden sein sollten ^); allein
sie waren, wenn wir nach den Funden urtheilen dürfen, wenig
in Gebrauch. Denn unseres Wissens ist nie ein Glasspiegel
gefunden. In Griechenland waren die Broncespiegel gewöhn-
lich, die man in einfacher, unverzierter Form überall in den
griechischen Gräbern und mit bildlichem Schmuck besonders
oft in Korinth findet. Es sind kreisrunde Broncescheiben, oft
grifflos, und wenn sie mit einem Griff versehen sind, doch
verschieden von den etruscischen, die gewöhnlich nur einen
mit dem Spiegelrund zusammenhängenden Zapfen haben, der
in einen knöchernen Cylinder hineingesteckt wurde. Sehr
häufig sind auch Spiegel mit einem die Spiegelfläche schützen-
den Deckel, der entweder — und das ist das Gewöhnliche —
ganz abgenommen oder, vermittelst eines Charniers befestigt,
auf- und zugeklappt werden kann. Solche Spiegel werden zwar
gewöhnlich für Spiegelkapseln gehalten, doch ist entweder
1) Plin. bist. nat. 36, 193.
i
Die griechischen Spiegel. 19
AUS dem Falz der untern Hälfte oder aus der Stellung des
Chamiers leicht das Richtige zu entnehmen. Auch an einer
kleinen Venus in Neapel, die sich in einem solchen Klapp-
spiegel besieht, kann man die Einrichtung dieses Geräths be-
obachten^). Daneben aber giebt es wirkliche Spiegelkapseln^
theils von Holz, theils von Bronce.
Die Kunst hat sich schon früh dieses Geräthes bemächtigt
und die reizendsten Dinge geschaffen. Schon in der Zeit des
altgriechischen Styls hat man öfter dem Spiegel die Figur der
Aphrodite angefügt^). Und das ist überhaupt in griechischer
Zeit das Gewöhnliche, die Figur der Aphrodite gewissermaassen
als Ideal und Vorbild jeder sich schmückenden Frau unter
den Spiegel zu stellen. In mehreren öffentlichen und privaten
Sammlungen^) sind solche Figuren der Aphrodite, zum Theil
von Amoren umflattert, aus der Zeit des schönsten griechischen
Styls erhalten. Die Etrusker haben dies Motiv nachgeahmt.
Doch nicht allein die Stütze des Spiegels ist künstlerisch
gestaltet, auch der Deckel ist an den oben erwähnten Klapp-
spiegeln sehr oft mit einem Relief versehen. Viele derartige
Reliefs sowohl griechischen als etruscischen Styls haben sich
erhalten, die schönsten griechischen sind inTarquinii und Pa-
lestrina gefunden^). Wenn man die ganze Masse derartiger
^) u. 1661. Vgl. unsere unter u. 1928 aufgeführte Venusfigur, von
deren Spiegel auch noch genug erhalten ist, um die ursprüngliche Ein-
richtung zu erkennen. Solch ein Klappspiegel ist auch auf dem Vasen-
bild im Compte-Rendu de la commission imperiale archeologique pour
l'annee 1861 Taf. 1 dargestellt, den der Herausgeber p. 7. für ein
Schminkgeräth erklärt, obgleich die ganze Action der betreffenden Figur,
die Art, wie sie das Geräth hält und der Gestus der andern am Haar
l)eschäftigten Hand deutlich zeigen, dass sie sich im Spiegel besieht,
um ihr Haar zu ordnen. Auch Longperier verkennt sehr stark einen
solchen Klappspiegel oder richtiger Spiegel mit abnehmbarem Deckel,
indem er unter n. 510. 511 seiner Notice des bronces antiques exposes
dans les galeries du musce imperial du Louvre 1868 zwei „Pateren"
aufführt, die in Wahrheit einen Spiegel bilden, und der Art zusammen-
gehören, dass n. 510 der Deckel von n. 511 ist, an dessen Spiegel-
seite sich ein Falz zur Aufnahme des Deckels befindet.
2) So ist kürzlich in Korinth eine schöne Venus mit der Taube auf
der Hand gefunden, die in sehr alterthümlichem Styl gearbeitet ist und
als Spiegelstütze diente. Eine andere ist beim Bau des neuen Museums
auf der Akropolis unter dem Bauschutt des Parthenon gefunden. Beide
befinden sich noch in Athen.
''^) In Athen, in der Sammlung A. Castellani, besonders aber im
britischen Museum.
*) Sie befinden sich im Louvre und in der Sammlung Barberini.
Auch das in Petersburg befindliche, in Südrussland in dem Grabe der
2*
20 öie griechischen Spiegel.
Werke vergleicht, so scheint die Wahl der Gegenstände nicht
ganz willkürlich zu sein. Es sind nämlich in den meisten
Fällen erotische und bacchische Scenen, mit denen man die
Spiegeldeckel verzierte.
Endlich ist auch die Rückseite des Deckels oder des
Spiegels selbst künstlerisch verziert, und zwar mit einer ein-
gegrabenen Zeichnung. Nur wenige derartige Spiegel sind bis
jetzt aus Griechenland bekannt, unter denen ein Spiegel in
Lyon Erwähnung verdient, der eine sehr fein gravirte Amor-
figur enthält 1) und auch dadurch merkwürdig ist, dass die
Figur selbst in Silbergrund gravirt, aber von Broncegrund um-
geben ist, der ihr zur schönsten Folie dient. Indessen würden
unzweifelhaft mehr griechische Spiegelzeichnungen vorhanden
sein, wenn die griechischen Gräber eifriger durchsucht worden
wären. Auch mögen noch einige Spiegel, die als etruscisch
aufgeführt werden, in der That griechisch sein. Dies gilt z. B.
von einem Spiegel des britischen Museums, auf welchem ein
Amor mit Leier und Blume in den Händen dargestellt ist®).
Die Zeichnung desselben ist altgriechisch, nicht etruscisch, und
auch die Form des Spiegels ist griechisch. Er ist nämlich
kreisrund, ohne Griff, und war ursprünglich von einer beson-
dem Stütze getragen.
Trotzdem aber darf man behaupten, dass die gravirten
Spiegel in Griechenland selten waren im Vergleich zu Etrurien.
Wie die griechischen Gräber, aus denen un verzierte Metall-
spiegel in Menge hervorgezogen, einfach und bescheiden sind
im Vergleich zu den etruscischen, so war auch das Leben in
Griechenland nicht so üppig und luxuriös wie in Etrurien.
Dazu kommt, dass die Technik der Metallgravirung nach allem
Anschein in Griechenland nicht sehr beliebt war. Es werden
z. B. in Etrurien und Grossgriechenland nicht selten Helme
mit eingravirten Verzierungen gefunden, in Griechenland ist
grossen Blisnitza gefundene Relief scheint nach der Abbilduug im
Compte-Rendu pour l'annee 1865 Taf. 5 sehr schön zu sein. Stephani
zählt an derselben Stelle p. 159 ff. eine grosse Anzahl solcher mit
Reliefs verzierten Spiegel auf.
1) De Witte r^vue arch^ol 1868 pl. XIII. Die Erklärung des
Herausgebers freilich, dass die Figur den Agon vorstelle und seine Be-
merkungen über den hermaphroditischen Charakter derselben, kann ich
mir nicht aneignen. Es ist einfach ein Amor, etw&s weich gezeichnet,
fast wie auf unteritalischen Vasen. Die andern griechischen Spiegel
mit gravirten Verzierungen zählt Benndorf auf Arch. Ztg. 1868 p. 77.
2) Abgeb. bei Gerhard I, 120.
Die griechischen Spiegel. 21
meines Wissens noch keiner zum Vorschein gekommen^ wie-
wohl nicht wenig griechische Helme vorhanden sind. Sehr
gering ist das, was uns an derartigen Werken aus Griechen-
land erhalten ist, doch befindet sich einiges sehr Alterthüm-
liche darunter, so dass wir nicht zu entscheiden vermögen, oh
die Griechen oder die Etrusker diese Technik früher an-
gewandt haben. Das aber glauben wir bestimmt, dass weder
das eine noch das andere Volk sich die Erfindung derselben
vindiciren darf, denn aus dem Orient, aus Ninive und Kition
auf Cypern sind ebenfalls hoch alterthümliche Arbeiten diesiar
Art bekannt geworden.
Der oben erwähnte Spiegel des britischen Museums ist
der einzige griechische Spiegel alten Styls, alle übrigen ge-
hören späterer Zeit an. Doch fehlt es noch an Material, um
eine historische Entwickelung aufzustellen, und nur die Aphro-
ditefiguren, die, wie oben bemerkt, so oft die griechischen
Spiegel stützen, sind in hinreichender Anzahl aus allen Perioden
erhalten, um die Entwickelung dieses Kunstzweiges aufs An-
schaulichste zu zeigen.
Nach dieser Einleitung gehen wir zur Aufzählung des
Einzelnen über.
Die griechischen Spiegel.
!*• ^- Spiegel nebst Deckel aus Korinth, im Jahre
1868 gekauft. 3583. 3584. Durchm. ß^g".
Der Deckel ist mit einem Profilkopf in getriebener Arbeit,
vermuthlich einem Venuskopf verziert. Dies scheinen das Auge
und die etwas üppigen Lippen anzudeuten. Der Styl ist nicht
ganz so edel, dass man das Relief noch in die Blüthezeit setzen
könnte, aber es steht ihr auch noch nicht fern. Die Aus-
führung ist sehr sorgfältig. Der Kopf ist besonders gearbeitet
imd dann aufgelöthet, war aber jedenfalls mit irgend einer
Masse ausgefüllt, um [gegen Beschädigung Widerstand zu
leisten.
2»- ^- Klappspiegel aus Korinth, im Jahre 1869 ge-
kauft. 3761. Durchm. 4".
Das Relief des Deckels ist niclit ohne Anmuth componirt.
Ein Pan setzt einer Bacchantin zu, mit der linken Hand be-
wundert und mit der rechten untersucht er die Schönheit ihres
geöftneten Busens. Die Bacchantin hat in der Linken ein
Tambourin und hält mit der Rechten den fortflatternden Zipfel
22 I^iß griechischen Spiegel.
ihres Ueberwurfs. Der Styl ist nicht mehr der beste, die Ge-
wänder der Bacchantin sind schon etwas manierirt. DasKelief
ist gegossen und auf den Deckel aufgelöthet.
3*-^* Bacchus und Amor, Klappspiegel mit gepresstem
Kelief. Samml. Bartholdy. D. 92. Durchm. 5".
Die Hauptgruppe, der trunkene und träumerische Bacchus
sich auf Amor lehnend, der ihn fortzureissen und neu zu be-
leben sucht, ist in andern Denkmälergattungen, namentlich in
Glaspasten, oft wiederholt und unzweifelhaft eine griechische
Erfindung aus der Zeit blühender Kunst. Die musicirende
Frau, die dem Zuge vorangeht, ist gewiss eine Bacchantin, wie
wir auch in einer ganz ähnlichen Composition, wo nur statt
Bacchus Silen eingetreten ist, eine noch deutlicher charakteri-
sirte Bacchantin voranschreiten sehen.
Doch nicht bloss die Erfindung, sondern auch die Aus-
führung dieses Reliefs ist griechisch. Das Relief ist mit grie-
chischem* Stempel gepresst. Fast in jedem Museum befinden
sich Wiederholungen davon, zum Theil wohl aus derselben
Form.
Abg. Gerhard, Etr. Spiegel. Taf. 21, 3. Vgl. I, p. 88, wo übrigens
die Bacchantin für eine Muse erklärt wird, die in diese Gesellschaft
nicht hioeinpasst. Wiederholungen z. B. in Wien im Industriemuseum,
in Palermo im museo Casuccini, im Louvre, in London, Carlsruhe etc.
Die im Text citirte ähnliche Composition, wo die Bacchantin ganz deut-
lich ist, ist das bei Zoega bassiril. ant.' 70 und sonst vorkommende
Terrakottarelief.
4a. b. Klapp Spiegel (?). Aus Gerhardts 1859 angekaufter
Spiegelsammlung. 3390. Durchm. ö^/,"
Es ist sehr zweifelhaft, ob diese beiden Stücke zusammen-
gehören. Das eine Stück ist unzweifelhaft das untere Stück
eines Klappspiegels, an welchem vermittelst eines Charniers,
dessen Spur noch vorhanden ist, ein Deckel befestigt war..
Das andere Stück, das selir durch die Oxydirung gelitten, ist
wohl ein Spiegeldeckel, kaim aber mit dem erstgenannten Stück
nicht verbunden gewesen sein.
Von den beiden Figuren des Deckels ist die eine als
Bacchantin kenntlich, die andere scheint auch eine Bacchantin
zu sein, doch ist das nicht ganz sicher zu sagen.
5. Odysseus im Palladienr'aub, gegossener Spiegel-
deckel. Durchm. 5''.
' Die griechischen Spiegel. 23
Die Figur ist aus einer grossem Composition, die uns in
Reliefs und geschnittenen Steinen erhalten ist, herausgenommen.
Es ist Odysseus, lebhaft gestikulirend gegen den hier fehlen-
den Diomedes, mit dem er über die Modalität des Palladien-
raubes uneinig ist. Es scheint, als weise er mit der Hand auf
den neben dem Altar schlafend liegenden Wächter, von dem
man hier nur die Füsse sieht. Vermuthlich will er durch
diesen Gestus den Diomedes zur Vorsicht mahnen und es ist
das ein Zug, der den Charakter beider Helden vorzüglich be-
zeichnet. Neben ihm steht eine Säule, wie sie zur Auf-
stellung von Weihgeschenken in den Tempeln üblich waren.
Uebrigens sieht diese Platte nicht sehr antik aus und ist
wahrscheinlich nur ein moderner Abguss.
Die vollständige Composition, zu welcher diese Figur gehört, findet
sich z. B. auf der bei Overbeck, Gallerie her. Bildw. Taf. 24. n. 21 ab-
gebildeten Gemme. Overbeck findet p. 601. die Stellung des Odysseus
schwer zu erklären, allein sie ist ganz natürlich, sobald man nur die
liegende Figur nicht als todt, sondern als schlafend ansieht, was ich in
der Archaeol. Ztg. 1859 p. 64 zu beweisen gesucht habe.
6. Spiegel, auf der Insel Salamis gefunden, 1845 von
den hiesigen Kunsthändlern Schenk und Gerstäcker gekauft
Dem Vernehmen nach soll Professor Koss ihn an die genann-
ten Kunsthändler verkauft haben. 2817. Durchm. ß^j^'.
Der Spiegel ist zwar ohne Zeichnung, aber doch höchst
werthvoU wegen des äusserst feinen Ornaments, das Spiegel-
rund und Griff (von dem nur wenig erhalten) verbindet. Wie
sehr sticht die grosse Menge der etruscischen Spiegel, an
denen die Verbindung von Griff und Spiegelrund so höchst
roh und unorganisch ist (vgl. n. 166.), gegen diesen Spiegel
ab! Das Ornament ist das Kapitellornament des altjonischen
Styls, nur ist die Palmette, die zwischen den Voluten auf-
zusteigen pflegt, hier halbirt und so gelegt, dass jede Hälfte
den Zwischenraum zwischen Volute und Spiegelrund ausfüllt.
Dadurch ist zugleich für die nöthige Festigkeit wie für die
harmonische Verbindung von Griff und Spiegelrund gesorgt.
7. Desgl. Fundort und Herkunft sind dieselben wie bei
der vorhergehenden Nummer. 2816. Durchm. C^/g".
Der Griff ist in ähnlicher Weise, aber weit einfacher und
kunstloser verziert.
8. Desgl., ganz schmucklos, fast roh. Aus Korinth, von
derselben Quelle bezogen wie die beiden vorhergehenden. 2818.
Durchm. 6".
24 jGrriechische Spiegelgriffe.
Griechische Spiegelgriffe.
9. Venus als Spiegelstütze, aus der Sammlung BellorL
H. 72/3".
Die Figur gehörte nicht zu einem Handspiegel, sondern
zu einem feststehenden Spiegel. Sie hat nämlich eine Basis
und ist sehr schwer an Gewicht, auch unleugbar etwas plump.
JDies mag zum Theil auf Rechnung des alterthümlichen Styls
und auch des Bestrebens den tektonischen Anforderungen zu
entsprechen, geschrieben werden, doch erinnere ich mich
keiner andern alterthümlichen Spiegelstütze, die so plump
wäre. Vielleicht stammt die Figur aus Sicilien und gehört zu
der in den selinuntischen Reliefs (Bd. I. p. 12) vertretenen
Kunstrichtung.
Venus ist an dem Apfel kenntlich, den sie nach der
alterthümlichen Weise, das charakteristische Symbol gleich-
sam als Erkennungszeichen dem Betrachtenden förmlich zu
präsentiren, ausgestreckt hält. Mit der andern Hand hebt sie
leicht ihr Gewand, ein für Venus ebenfalte in alter Zeit cha-
rakteristischer und graziöser Gestus.
Auf dem Kopf ist ein kleines Kapitell und noch etwas
von der Rundung zu sehen, in welche der Spiegel eingriff, und
auf jeder Schulter der Figur ist je eine Thierklaue haften ge-
blieben, da nämlich, wie wir an besser erhaltenen ähnlichen
Figuren sehen, je ein Thier von der Schulter der Göttin bis
an das Spiegelrund in diagonaler Richtung hinanreichte. Der
praktische Zweck dieser Zuthat ist offenbar der, dass man die
Verbindung zwischen Stütze und Spiegel, die sonst nur an
einem Punkt stattfinden würde, vermehren und stärken wollte,
wie man aber dazu gekommen ist, Thiere zu diesem Zweck zu
benutzen, die sich in der That gerade an dieser Stelle sehr
oft finden, ist uns unverständlich Wir setzen für unsere Figur
nach Analogie einer kürzlich in Korinth gefundenen, in Athen
befindlichen Spiegelstütze voraus, dass die auf ihren Schultern
befindlichen Klauen Sphinxen angehörten, ohne freilich über
einen Zusammenhang zwischen Venus und Sphinx Rechen-
schaft geben zu können. Es ist uns aber überhaupt fraglich,
ob ein solcher Zusammenhang existirt.
Abg. Beger thesaurus Brandenburg. III, 301.
10. Desgl. von einem Handspiegel, H. 4".
Es scheint nach dem Rest eines Zapfens, der auf dem
Griechische Spiegelgriffe. 25
Kopf der Figur zurückgeblieben, als sei auch diese Venus ein
Spiegelgriff gewesen. Sie entspricht genau den alterthümlichen
Venusfiguren, die leise schreitend mit der einen Hand das
GQwand heben und in der andern eine Knospe halten. Die
beiden Vorderarme sind nicht erhalten und zum Theil sehr
roh in Blei ergänzt. Der Styl ist echt alterthümlich.
11. Desgl., 1845 von den hiesigen Kunsthändlern Schenk
und Gerstäcker gekauft, welche die Figur ihrerseits von Prof.
Ross erworben haben. Als Fundort wird Lamia in Thessalien
angegeben. 2814. H. T^s''-
Wir dürfen diese Figur wohl Venus nennen, obwohl sie
auf den ersten Blick nichts weiter vorstellt, als ein einfaches,
schlichtes Mädchen. Denn einmal ist als Spiegelstütze keine
Figur gewöhnlicher als Venus und ausserdem hielt die linke
Hand, von welcher ein Ansatz übrig geblieben, ein Attribut,
das Venus charakterisiren mochte.
Der Spiegelgriff gehört dem schönsten griechischen Styl
an und kann recht als Beleg dienen, wie fein die Griechen
solche tektonisch abhängige Figuren behandelten. Die Unter-
ordnung unter das Ganze ist das erste Gesetz, daher die
grösste Einfachheit und Schlichtheit in Stellung und Gewan-
dung.
Die Attache, die sich auf dem Kopf der Figur erhalten,
ist mit einer eingravirten Palmette verziert und läuft in Del-
phinenköpfe aus. Auch das Blatt, das den Spiegel von hinten
festhielt, ist noch vorhanden.
11*- Spiegel mit reich verziertem Griff. KoUer'sche
Sammlung 607.
Am Griff ist in Relief Amor dargestellt, staunend über
einen Schwan, der auf sein Bein geflogen ist. In der alten
Kunst sind solche Scenen, wo Schwäne sich Knaben nähern,
um mit ihnen zu spielen, nicht selten.
Gargiulo erklärt im Verzeichniss der KoUer'schen Samm-
lung, welcher das Stück angehörte, den Henkel für modern.
Allerdings ist die Patina nicht gut, aber die Composition ist
in jedem Fall alt, sodass wir mindestens den Abguss einer
Antike in diesem Stück besitzen
Ein grosser Spiegel des britischen Museums (Arch. Ztg. 1870,
Taf. 32) hat einen ganz ähnlich gestalteten Griff.
26 Die etruscischen Spiegel.
b. Die etruscischen Spiegel^).
Den gravirten etruscischen Spiegeln schicken wir wegen
der Verwandtschaft mit den eben erwähnten griechischen
Spiegeln einen etruscisclien mit Relief verzierten Elappspiegel
voran, der zugleich auf der Rückseite der Spiegelplatte eine
Zeichnung hat.
12. a. u. b. Klappspiegel aus Vulci. Aus Gerhardts
Nachlass 1869 angekauft. Durchm. b".
^) Ich habe geschwankt, ob ich in den hier beginnenden Erklärnngen
etniscischer Spiegel auf die Deutungen Gerhard's in seinem bekannten
Werk eingehen sollte oder nicht. Was mich bestimmt hat, wenigstens
kurz darauf einzugehen, ist der Umstand, dass so Viele über Gerhard
urtheilen und so Wenige ihn kennen. Selbst Otto Jahn hat in seinem
Buch über ihn, in welchem es überhaupt an unrichtigen Darstellungen
nicht fehlt, seine wissenschaftliche Thätigkeit in einer Weise geschil-
dert, dass gerade das Charakteristische nicht erwähnt wird. Dies Cha-
rakteristische liegt, so weit es seine Erkhärungen der Spiegel betrifft,
darin, dass er die Spiegelzeichnungcn nicht als das ansah und behan-
delte, was sie sind, als Fabrikwaare, sondern als Producte tiefer, zum
Theil mystischer Weisheit, die eigenthümlicher Weise sich gerade in
den Spiegeln, die am rohesten und flüchtigsten gezeichnet sind, aufs
Höchste steigert. Es ist derselbe für den gesunden Menschenverstand
so schwer begreifliche Irrthum, der ihm auch das Verständniss der
Vasen unmöglich machte. Dazu kam aber weiter, dass Gerhard ausser
Stande war, die Ausdrucksmittel der Kunst, Formen, Stellungen etc. zu
verstehen. Er stand den Kunstwerken gerade so gegenüber, wie ein
Philolog ohne Kenntniss der Sprache, selbst der ersten Elemente ihrer
Grammatik, einem Schriftsteller gegenübersteht. Diese beiden Umstände
lassen es begreiflich erscheinen, dass der Irrthum in Gerhard's Schriften
nicht etwas Vereinzeltes, sondern etwas Perpetuirliches, Habituelles ist,
was seine Schriften von Anfang bis zu Ende durchzieht. In dem Text
zu den Spiegeln ist dies in dem Grade der Fall, dass nur sehr wenige
Erklärungen darin stehen mögen, die nicht, sei es im Ganzen oder im
Detail, Irrthümer enthielten Es ist daher Pflicht, alle noch Lernenden
und Unselbständigen vor Gerhard's Erklärnngen zu warnen.
Ich kann übrigens auch nicht einmal die Sammlung der Spiegel
als ein Verdienst um die Wissenschaft ansehen, glaube vielmehr, dass
eine mit Sachkunde gemachte Auswahl viel nützlicher gewesen wäre.
So wenig es Jemandem einfallen wird, alle Vasen oder auch nur ein-
zelne Classen derselben vollständig herauszugeben, ebensowenig sollte
man alle die Dutzende nichtsnutziger Repliken, die sich unter den etrus-
cischen Spiegeln finden, vollständig reproduciren. Aber die Bewunde-
rung unserer Zeit über „Vollständigkeit des Materials", auch dann,
wenn diese Vollständigkeit nicht den geringsten Nutzen hat, und die
Gleichgültigkeit gegen alle höheren Aufgaben der Wissenschaft geben
solchen Sammlungen einen Werth, den sie nicht haben würden*, wenn
man mehr an die Zwecke als an die Mittel der Wissenschaft dächte.
Die etruscischen Spiegel. 27
*
Auf dem runden Deckel ist etwas unharmonisch ein vier-
eckiges Kelief von gepresster Arbeit aufgelöthet, in welchem
eine badende Frau oder Venus, was schwer zu entscheiden
sein dürfte, dargestellt ist Denn eine gewisse Aehnlichkeit
der Stellung mit der bekannten im Bade hockenden Venus-
statue (Bd. I, n. 449) beweist nichts. Die Figur ist gerade
beschäftigt, sich einen Eimer Wasser über den Kopf zu giessen,
ein zweites beckenartiges zum . Waschen bestimmtes Gefäss
steht neben ihr. Hinter der Figur ist ein grosses Tuch aus-
gespannnt, das wesentlich den künstlerischen Zweck hat, der
nackten Figur zur Folie zu dienen, indess doch auch nicht ohne
einen materiellen Grund da ist. Wie man nämlichbei uns Wand-
schirme hat, um einen Kaum abzusperren, so spannten die
Alten in ihren Häusern zu ähnlichem Zweck Tücher zwischen
Säulen aus, und daher dient in der Kunst ein ausgespanntes
Tuch oft dazu, einen abgeschlossenen Raum anzudeuten, ein
Begriff, der hier bei der Badescene besonders am Platze ist
Beiläufig sei übrigens darauf aufmerksam gemacht, wie viel
schöner die alte Weise ist, das Tuch nur oben und nur an
den Endpunkten zu befestigen, während wir das Tuch oben
und unten an Stäben und zwar so befestigen, dass lauter ver-
tikale Parallelfalten entstehen, mithin alle Schönheit des
Faltenwurfs verloren geht
Der etruscische Charakter des Reliefs tritt am deutlich-
sten in den wirklich groben Formen des Gesichts hervor.
Der Deckel ist durch einen Griff in die Höhe zu heben
und war durch ein Charnier mit der Spiegelplatte verbunden^
an deren Rückseite man noch an den Spuren von Löthung die
Stelle bemerkt, wo das Charnier ansetzte. Auf der Rückseite
der Spiegelplatte ist ein Parisurtheil vorgestellt, von der Art^
wie wir es im Folgenden genauer kennen lernen werden. Vgl.
n. 123. Es wird sich dann auch zeigen, dass dieser Klapp-
spiegel der letzten Periode der Spiegel angehört, in welcher
üppige und weichliche Gegenstände besonders beliebt waren.
Abg. bei Gerhard, Etr. Spiegel III, 243, 1 und 262, 2.
Etruscische Spiegelstütze.
13. Venus als Spicgelstütze, wenn wir nämlich, was
nicht ganz sicher ist, diese Figur auch ohne bestimmte Attri-
bute so nennen dürfen. Die Figur ist ganz nackt, aber nach
specifisch etruscischer Manier hat sie ihre Schuhe und ihr mit
28 I^ie gravirten etruscischen Spiegel.
Bullen besetztes Halsband nicht abgelegt. Sie hält den Spiegel,
von dem ein Rest erhalten ist, mit beiden Händen über dem
Kopf.
Die Figur ist von späterem etruscischen Styl, übrigens
verhältnissmässig hübsch. H. 7".
Die gravirten etruscischen Spiegel.
Während gravirte Spiegel aus Griechenland, wie wir
sahen, sehr selten sind, ist die Zahl der etruscischen sehr
gross. Schon jetzt mögen über tausend vorhanden sein. Es
ist daher möglich, die historische Entwickelung dieser Gattung
genauer zu verfolgen, wozu wir uns hier um so mehr ver-
anlasst fühlen, als die Spiegelsammlung des hiesigen Museums
sowohl an Zahl wie an Werth bedeutender ist, als irgend eine
andere. Wir schicken indess einige Bemerkungen voraus, die
zur Orientirung über diese ganze Classe von Alterthümem
dienen mögen.
Was zunächst die Form betrifft, so sind die etruscischen
Spiegel entweder kreisrund oder birnenförmig. Doch ist die
letztere Form nicht eigentlich etruscisch zu nennen, weil sie
nur in Palestrina vorkommt. Die älteren Spiegel sind ge-
wöhnlich ganz platt, später erhält die Spiegelseite eine leise
Convexität, namentlich bei den kleineren Spiegeln. Offenbar
sollte durch die Verkleinerung, welche die Convexität bewirkt,
ein möglichst grosser Theil des sich spiegelnden Gegenstandes
auf der Fläche des Spiegels aufgefangen werden^) und zu-
gleich schützte man dadurch die Zeichnung der Rückseite, in-
dem man sie hohl legte. Die Spiegelfläche ist an manchen
Exemplaren noch so blank erhalten, dass sie noch jetzt zu
benutzen wäre.
Der Griff ist entweder von Bronce wie das Uebrige und
läuft, wenn er nicht durch eine Figur gebildet wird, in einen
Thierkopf aus, wovon oben die Rede war, oder aber er war
von Knochen, denn wirklich erhalten sind knöcherne Griffe
nur in ganz einzelnen Fällen. Die Zusammensetzung von Griff
und Spiegelrund ist in letzterem Fall höchst unorganisch und
unharmonisch, wie n. 166 zeigen kann'^). Dieser Tadel trifft
1) Wie E. Braun, Aniiali 1840. p. 150, bemerkt.
2) Vgl. Gerhard, Etrusc. Spiegel I, 43 und auch die angebliche
Patere bei Connestablle Pitture murali a fresco e suppellettili etrusche
Die gravirten etruscischen Spiegel. 29
übrigens nur etruscische Spiegel, die birnenförmigen Spiegel
von Palestrina haben, wenn ich nicht irre, immer Griffe von
Bronce.
Die Zeichnungen der etruscischen Spiegel sind wie die
der griechischen Vasen Producte des höheren Handwerks oder
nach unserer Weise zu reden, der Kunstindustrie. Das etrus-
cische Handwerk aber stand wegen der geringeren künst-
lerischen Anlage des Volkes entschieden niedriger als das
griechische, und es ist wichtig zum Verständniss dieser Gat-
tung, dies aus den Denkmälern selbst nachzuweisen.
Man sagt gewöhnlich, dass es unter den vielen Tausenden
griechischer Vasen nicht zwei völlig übereinstimmende gebe '
und führt dies als Beweis für die freie Entwickelung des
griechischen Handwerks an, wo jeder Arbeiter von seinem
Eigenen zusetzte. Dieser Satz ist, in solcher Schärfe aus-
gesprochen, allerdings nicht richtig, er ist, wie so manche
andere, mehr aus dem, was an Vasen pubücirt ist, als aus
dem, was die Museen besitzen, abstrahirt i), allein seinem
wesentlichen Inhalt nach besteht er doch zu Recht. Es wird
immer bewundernswerth bleiben, dass in einem so bedeutenden
Industriezweige sich nicht der Schlendrian mechanischer Re-
petition einstellte, sondern dass der einzelne Arbeiter so viel
Lust und Freude an der Arbeit behielt, um innerhalb der
Schranken des gegebenen Vorbildes eigene Erfindungen an-
zubringen. Vergleicht man eine Reihe nach demselben Vor-
bild gearbeiteter Vasenbilder, so erstaunt man, selbst bei
untergeordneten Exemplaren, über die Fülle von originellen
und gemüthlichen Einfällen, welche die einzelnen Arbeiter zum
Vorbild hinzufügten und erhält einen lebendigen Begriff von
der geistigen Frische und Regsamkeit des griechischen Hand-
werks. Anders ist der Eindruck, den die grosse Masse der
etruscischen Spiegelzeichnungen hervorruft, freilich mehr die
späteren als die früheren. Das mechanische, ja gedankenlose
Arbeiten, und besonders das Bestreben, möglichst schnell fertig
zu werden, macht sich nur zu oft bemerkbar. Daher die ver-
hältnissmässig grosse Anzahl von genauen Copien^) und die
tav. XIII, 1, Archaeolog. Anz. 1859, 52 ^;\ird ein Spiegel mit eiser-
nem Griff erwälint, worüber man gern etwas Näheres gehört hätte.
^) Im Museum von Girgenti befinden sich z. B. zwei nicht schlecht
gemahe Lekythen, die genau übereinstimmen.
2) Vgl. Archaeol. Ztg. 1865, p. 18. 1862, p. 312. Anz. 1864,
p. 288. 1859, p. 51.
30 ^iö gravirten etruscischen Spiegel.
noch viel grössere Zahl von fast ganz übereinstimmenden Co-
pien, deren Abweichungen aber nicht durch künstlerische Ab-
sichten, wie bei den Griechen, sondern lediglich durch Zafall
oder Nachlässigkeit veranlasst sind. Es ist höchst langweilig,
Keihen etruscischer Spiegel, die auf dasselbe Original zurück-
gehen, zu vergleichen, weil man nirgends auf Geist stösst. Der
etruscische Arbeiter hatte nicht die Lust zur Arbeit wie der
griechische, weil ihm die schöpferische Anlage des letzteren
fehlte. Er hatte daher auch nicht den Ehrgeiz des Griechen, wo-
für die Thatsache bezeichnend ist, dass noch auf keinem etrus-
cischen Spiegel eine Künstlerinschrift zum Vorschein gekommen
ist^), an denen die griechischen Vasen so reich sind. Aber
noch deutlicher ergiebt sich dieser niedrigere Standpunkt des
etruscischen Handwerks, der übrigens einzelne glänzende Aus-
nahmen nicht ausschliesst, aus der Betrachtung der Zeiclmun-
gen selbst.
Die Vorbilder nämlich, Avelche diesen Spiegelzeichnungen
zu Grunde lagen, waren gewiss nicht immer für einen dem
Spiegelrund analogen Raum componirt, sondern es musste oft
eine Uebertragung aus anderem Format heraus stattfinden, bei
dem sich die grössere oder geringere Geschicklichkeit des
Zeichners zeigen konnte. Vergleicht man nun hier griechische
und etruscische Handwerker unter denselben Bedingungen,
jene die Innenbilder der Schaalen, diese die Spiegel ver-
fertigend, so stellt sich ein grosser Unterschied heraus. Bei
den ersteren wird man selten den Eindruck haben, als sei in
dem Bilde etwas Gezwungenes, etwas nur durch Rücksicht auf
den Raum Veranlasstes, Alles ist frei und natürlich, Bild und
Raum decken sich völlig. Anders dagegen auf den etruscischen
Spiegeln und etruscischen Gemmen, wo sich nur auf kleinerem
Raum dieselben Schwierigkeiten wiederholen ^). Den Etruskern
ist die Abfindung mit dem Raum nicht so leicht geworden, sie
haben zu Verzerrungen oder Künstlichkeiten oder fremdartigen
Zuthaten ihre Zuflucht genommen, um nur eine ungefähre
Uebereinstimmung zwischen Bild und Raum herzustellen. Viele
wunderliche, gezwungene Stellungen, auch der so oft vorkom-
mende auffallende Grössenunterschied zwischen den einzelnen
^) In Palestrina ist eine lateinische entdeckt und ausserdem ist eine
griechische bekannt, bull. d. inst. 1867, p. 67. Arch. Ztg. 1868, p. 77.
Oerhard, Etr. Sp. III, 243 A.
8) Vgl. Nuove memorie dell' instit., p, 182.
Die gravirten etruscischeu Spiegel. 31
Figuren eines Bildes erklären sich nur hierdurch, vollends
aber die vielen Blumen und ähnliches Beiwerk haben nicht
etwa materielle Bedeutung (was eine sorgfältige Vergleichung
bald als unrichtig* erkennt), sondern dienen nur dazu, den
überschüssigen Raum zu beleben und sind daher auch je nach
Bedürfniss oft in brutalster Grösse hineingesetzt. In der Kind-
heit und im Verfall der griechischen Vasenmalerei finden wir
ähnliche rein äusserliche Zuthaten auf den Bildern, aber sehr
selten dürften Verzerrungen und unnatürliche Stellungen sein.
Die Vorbilder der etruscischeu Spiegelzeichnungen sind
zum grössten Theil* griechisch, und es besteht gerade darin die
grösste und wichtigste Aufgabe des Spiegelerklärers, unter der
etruscischeu Entstellung das griechische Original herauszufinden.
Denn da die Arbeiter, wie schon bemerkt, wenig Lust und In-
teresse an der Arbeit hatten, so kam es ihnen auf eine treue
Wiedergabe des Originals um so weniger an, als sie ilirem
Publikum gegenüber gewiss nicht allzu ängstlich zu sein
brauchten. So lässt denn der Eine in der Darstellung einer
opfernden Nike das Schwert weg^) und der Andere vergisst
in einer- Minervengeburt gar die Hauptperson, nämlich die
Minerva^ Will man ein Beispiel, wie griechische Lebendig-
keit und Gemüthlichkeit in etruscische Kälte und Ausdrucks-
losigkeit umgesetzt sind, so vergleiche man den vor Herkules
ängstlich ins Fass geflohenen Eurystheus der altgriechischen
Vasen mit derselben Figur auf einem etruscischeu Spiegel^).
Auch hatten die etruscischeu Arbeiter offenbar keine genügende
Kenntniss der griechischen M}i;hologie und ihrer Darstellungs-
weise, wie sich besonders in der vollständigen "Vfillkür zeigt,
die hinsichtlich der Beflügelung der Gottheiten in den Spiegel-
zeichnungen herrscht. Doch dürfen wir bei all diesen Mängeln
nicht vergessen, dass namentlich aus älterer Zeit eine nicht
kleine Anzahl von Spiegeln vorhanden ist, welche ihren grie-
chischen Vorbildern sehr nahe kommen. Der Zeichner des
Semelespiegels, welcher mit Recht als der schönste von allen
gilt, war unzweifelhaft ein Etrusker, hat aber sein griechisches
Vorbild wenigstens in einer Figur so rein copirt, dass man den
Spiegel gewölinlich einem Griechen zuschreibt.
1) Gerhard, Etrusc. Spiegel. Taf. 251 A.
3) Gerhard, Taf. 285, 1, nach dessen Meinung freilich Minervens
Geburt auf diesem Spiegel als „bevorstehend gedacht ist*M
8) Gerhard, Taf. 339.
32 I^ic gravirten etruscischen Spiegel.
Ueberhaupt ist Licht und Schatten sehr gemischt. Neben
den flüchtigsten, nichtsnutzigsten Schmierereien giebt es an-
dererseits, zumal aus älterer Zeit, Zeichnungen von wahrhaft
bewunderungswürdiger Sorgfalt und Feinheit, so dass auch auf
diesem Gebiet die technische Meisterschaft der Etrusker, von
welcher oben in der allgemeinen Einleitung die Rede war, in
schönster Weise hervortritt.
Gefunden werden die gravirten Spiegel in Etrurien an
den verschiedensten Orten und in Palestrina, oft innerhalb der
eisten, von denen später die Rede sein wird. Auch in der
Mhe von Modena ist einmal ein gravirter^ Spiegel gefunden,
der sich durch eine höchst alterthümliche Verzierung von allen
anderen unterscheidet ^), endlich einer in der Schweiz, auf dem
ein Parisurtheil von der gewöhnlichen Weise späterer Zeit
vorgestellt ist. Wir können unter den in Etrurien gefundenen
Spiegeln keine Unterschiede entdecken, die zu einer Scheidung
nach Fabriken Veranlassung geben könnten, zweifeln aber
nicht, dass es dort viele Spiegelfabriken gegeben hat. Nur die
Spiegel aus Palestrina, die zum Theil auch rein etruscischen
Charakter haben, sind doch überwiegend aus einheimischer,
von der etruscischen erheblich verschiedener Fabrikation her-
vorgegangen. Schon oben ist auf Eigenthümlichkeiten der
Form und des Griffes an diesen Spiegeln hingewiesen, wir
zweifeln auch nicht, dass ein geübtes Auge an der Zeichnung
einen Spiegel von Palestrina erkennen könne, wenn es auch
noch schwer halten mag, die Eigenthümlichkeit derselben
präcis in Worten auszudrücken. Vorläufig mag die bloss ne-
gative Bemerkung genügen, dass die für die etruscische Kunst
so charakteristischen Verzerrungen und Karrikirungen auf den
pränestinischen Spiegeln meines Wissens nicht vorkommen.
Wir besitzen in diesen Spiegeln ein Stück lateinischer
Kunst, wie die vielen lateinischen Inschriften, die auf den
^) Abg. Annali 1842. tav. H. mit einer Erklärung von Cavedoui,
die wirklich an Missdeutung das Möglichste leistet. Dargestellt ist
nämliclv unter anderen Gruppen auch eine Figura Veneris, nach Cave-
doni aber eine Begräbnissscene , in welcher einem Todten auf dem
Leichenbett von einer andern Person das Haupt verhüllt werde. Es
kümmert den Erklärer nicht, dass der angebliche Todte seine Beine hoch
in die Luft wirft. Das hoch Alterthümliche dieses Spiegels liegt ausser
der rohen Zeichnung vornehmlich in der ringförmigen Composition und
der dadurch bedingten puppenhaften Kleinheit der Figuren. Es ist das-
selbe Arrangement wie auf den ältesten Vasen und auf den cyprischen
und caeretanischen Metallschalen.
Die erste Periode der etnisciBchen Spiegel.' 33
Spiegeln und Cisten dieses Fundortes sich finden, unzweifel-
haft machen. Doch scheint die Spiegelfahrikation in Palestrina
erst später entstanden zu sein als in Etrurien, denn ich ent-
sinne mich nicht, auf einem birnenförmigen Spiegel je eine
Zeichnung alterthümlichen Styls gesehen zu haben. Auch die
Form dieser Spiegel ist sichtlich aus dem Bestreben entstanden,
eine gefalligere Vermittelung zwischen Griff und Spiegelrund
zu finden, als in den etruscischen Spiegeln vorhanden war^).
Wir versuchen nun zunächst, den ganzen Stoff in Perioden
zu zerlegen, wobei uns die., griechischen Vasen, deren Datirung
möglich ist, von grossem Nutzen sein werden. Die etruscische
Kunst ist von der griechischen abhängig und diese künst-
lerische Abhängigkeit ist, wie mit Hecht bemerkt, gerade zum
guten Theil durch die Vasen vermittelt. Es kommit ddher, um
feste Daten für die Spiegelzcichnungen zu gewinnen, nur da-
rauf an, die verwandte Vasengattung zu finden.
Die Vasen reichen höher hinauf als die Spiegel, den
ältesten Vasen kommt unter den erhaltenen Spiegelzeichnun-
gen keine gleich, es scheint, dass die Sitte, dea Spiegel zu
graviren, verhältnissmässig spät aufkam, wie es denn in der
That einen gewissen Luxus voraussetzt, dem Spiegel zur
Unterhaltung bei der Toilette ein Bild beizugeben. Dürfen
wir nach unserem Vorrath von Spiegeln urtheilen, so ist der Ge-
brauch gravirter Spiegel schwerlich lange vor Ol. 30 aufgekom-
men, denn fast alle erhaltenen Spiegel stehen bereits unter
dem Einfluss der griechischen Kunst, der etwa Ol. 30 begann.
Aber ganz vereinzelt giebt es allerdings Spiegel, die in eine
dem griechisclien Einfluss vorausliegende Zeit hineinri^lfthen
oder wenigstens Spuren jener Zeit zeigen, als die etruscische
Kunst noch unter äg}7)tiscliem und orientalischem Einfluss
stand. Dies gilt namentlicli von dem an erster Stelle auf-
geführten Spiegel.
Die etruscischen Spiegel.
Erste Periode.
14. Geflügelte Figur, Spiegel aus Präneste, 1860 in
Rom durch Prof. Brunn gekauft. 3440.
^) Damit die Eigenthümlichkeilen der pränestinischen Spiegel besser
ins Auge fallen, ist in einem besondern Fach eine grössere Anzahl der-
selben zusammengelegt worden,
Friederichs, Berlin's Antike Bildwerke II. 3
34 Die erste Periode der etruscischen Spiegel.
Die Bedeutung dieser Figur dürfte schwer festzustellen
sein, da sie offenbar aus einer grösseren Composition einzeln
herausgenommen ist, jedenfalls gehört sie in das Gebiet der
dämonischen und phantastischen Wesen, an denen die älteste
Kunst reich ist. Die Befltigelung mit vier Flügeln ist orienta-
lischen Vorbildern entlehnt, sie verschwindet später in grie-
chischer wie etruscischer Kunst. Die Stellung der Figur ist
ganz typisch für den Ausdruck des Forteilens und findet sich
an den verschiedensten Figuren der ältesten Kunst
Auch die Verzierung des Grundes, auf dem die Figur
steht und die Umrahmung sind durchaus alterthümlich. Später
verziert man die Spiegel mit einer geflochtenen Schnur und
häufiger mit einem Kranz, was gewiss das [natürlichste oma-
mentale Motiv ist.
Abg. Gerhard IV. Taf. 328, 2, wo die Figur p. 66 als Agoii er-
klärt wird, „der auf Siegesflügeln herbeigeeilt, nach einem von ihm
begünstigten Jüngling sich umsehe." Ein ähnlicher Spiegel bull. 66, 229.
Wir 'schliessen den folgenden Spiegel hier an, weil er,
obwohl bereits unter griechischem Einfluss entstanden, doch
auch noch eine orientalische Reminiscenz hat.
15. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben.
Auch auf diesem Spiegel finden wir noch die vier orien-
talischen Flügel, ausserdem ist Eos auch an den Füssen ge-
flügelt, was ungewöhnlich ist, aber in der etruscischen Kunst,
deren Ausdrucksweise zumal in handwerksmässiger Thätigkeit
schwankend ist, nicht auffallen darf. Im Styl entspricht die
Zeichnung durchaus den Vasen mit schwarzen Figuren.
Abg. Gerhard IV, 363. Im Text p. 115 heisst es, Kephalos sei
halb bewusstlos gedacht, indem als Absicht aufgefasst wird, was viel-
mehr Unbeholfenheit des Könnens ist. Und die Delphine im Abschnitt
sollen zur Andeutung des auch über die Meeresfläche sicher forteilenden
Fluges der Göttin dienen. Aber sie sind ein ganz conventioneil ge-
wordenes Mittel der Raumfüllung, das in den verschiedensten Situationen
vorkommt und gewiss nur durch die so häufige ornamentale Wellen-
linie ins Leben gerufen ist.
Auch der folgende Spiegel wird am passendsten hier seine
Stelle finden.
16. Sirene, Spiegel aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben.
Die zweite Periode der etruscischen Spiegel. 35
Ob wir diese Figur Sirene oder Harpyie nennen sollen,
ist hier wie in andern Fällen schwer zu sagen, weil die cha-
rakterisirende Handlung fehlt. Die Figur hat nach ältester
Weise vier Flügel. Der Schnörkel auf ihrem Kopf scheint nur
eine Ranke zu sein, dergleichen oft zur RaumausfüUung vor-
kommt.
Zweite Periode.
Reicher vertreten ist der folgende Styl, den wir als
alterthümlichen Styl bezeichnen wollen. Die Spiegel dieser
Periode entsprechen genau den ältesten rothfigurigen Yasen..
Und zwar nicht bloss im Allgemeinen in der Strenge des
Styls, sondern in einem ganz besonders significanten Punkt.
Auf jenen Vasen ist nämlich bei bekleideten Figuren der
Contour des Nackten auch unter dem Gewände angegeben und
eben dasselbe Verfahren ist an den dieser Periode angehörigen
Spiegeln beobachtet. Die Vasen geben damit nur eine Neuerung
des grossen Künstlers Polygnot wieder, der zuerst mulieres
tralucida veste pinxit ^), sie sind also nach Polygnot zu setzen,
aber doch noch vor den Anfang der 80er Olympiaden, weil in
dem Alphabet ihrer Inschriften noch das altattische, aus drei
Strichen gebildete Sigma vorkommt, das später verschwindet.
Dieselbe Zeitbestimmung gilt für die von ihnen abhängigen
etruscischen Spiegel, denn es ist unwahrscheinlich, dass bei
dem lebhaften Verkehr zwischen Griechenland und Etrurien
die künstlerischen Fortschritte der Griechen nicht möglichst
schnell bei den Etruskern Eingang gefunden haben sollten.
Unter den Spiegeln dieser Zeit finden sich bereits mehrere,
auf denen Liebesscenen oder Aehnliches dargestellt ist. Dies
ist in der Folge der beliebteste Gegenstand und allerdings lag
es nahe, ein Putzgeräth, zumal unter üppigem Volk in dieser
Weise zu verzieren. Doch sind die Liebesscenen in dieser
alten Zeit noch keusch und züchtig gehalten.
Was die Composition betrifft, so haben diese Spiegel, ganz
wie die Innenbilder der bemalten Schaalen, höchstens drei Fi-
guren, die durchgehends ins Profil gestellt sind, während,
später eine ganz andere Compositionsweise eintritt. Man hat
in der älteren Zeit mehr Gefühl für das, was decorativer Styl
heisst und eben darum wird auf den Vasen und Spiegeln dieser
^) Vgl. Brunn, Gesell, d. griecli. Kun&tl. II, p. 29.
36 I^iß zweite Periode der etruscischen Spiegel.
Zeit die Profilstellung vorgezogen, während die Figuren in
späterer Zeit oft en face gestellt werden und dadurch freier
und gleichsam losgelöst vom Hintergrund erscheinen.
Unter den Spiegeln dieser Periode finden sich nicht wenige^
die wie Copien altgriechischer Zeichnungen aussehen. Der unter
n. 24 aufgeführte Spiegel mit der Darstellung einer Bacchan-
tin könnte als ein altgriechisches Vasenbild angesehen werden
und es dürfte schwierig sein, irgend etwas specifisch Etrus-
cisches darin aufzufinden. Andererseits giebt es Spiegel-
zeichnungen von ganz specifisch etruscischem Charakter, wovon
der unter n. 17 lÄher besprochene Spiegel vielleicht das
schönste Beispiel giebt. Eine grosse Härte und Eckigkeit in
Formen und Bewegungen ist das allgemeine Kennzeichen dieses
Styls, wozu dann manches Einzelne, z. B. eine gewisse Schädel-
form, die der ägyptischen unleugbar ähnlich ist, hinzukommt.
Und wie die Form, so ist auch der Inhalt der Darstellungen
in dieser Spiegelciasse specifisch national. Nicht griechische
Mythen nämlich sind dargestellt, sondern Gegenstände aus
dem etruscischen Privatleben, namentlicli Tänzerinnen. Doch
stehen diese eigentlich etruscischen Spiegel den mehr gräci-
sirenden in der Ausführung nicht nach, sondern übertreffen
sie zum Theil. Der oben erwähnte Spiegel erinnert in der
Feinheit und Sauberkeit seiner Technik an die schönsten etrus-
cischen Skarabäen.
Wir führen nun zunächst diejenigen Spiegel unserer
Sammlung auf, welche dieser Periode, also dem fünften Jahr-
hundert angehören und schicken dabei die specifisch etruscischen
den mehr gräcisirenden voraus. Natürlich giebt es dabei viele
Mittelstufen, über deren Zutheilung zur einen oder anderen
Classe man schwanken kann.
a) Die specifisch etruscischen Spiegel dieser Periode.
17. Etruscische Tänzerinnen, schwerer gegossener
Spiegel, wie sie gerade im älteren Styl sehr gewöhnlich sind.
War vergoldet. Aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben.
3370.
Die Vorstellung ist von strengstem ornamentalen Cha-
rakter und der Künstler hat auf die Bedeutung der Figuren
sichtlich sehr geringes Gewicht gelegt. Doch lässt sich be-
haupten, dass dieselben dem Leben angehören und nach ihren
Geberden als Tänzerinnen aufzufassen sind. Die Figuren so-
Die specifisch etruscischen Spiegel dieser Periode. 37
wohl wie auch alles raumfüllende Beiwerk, Binden und Blumen
sind mit strengster Symmetrie componirt und das Ganze ist
mit höchster Eleganz und Sauberkeit ausgeführt. Nur fehlte
es dem Künstler, der das Technische so wohl verstand, an dem
höheren künstlerischen Verständniss. Die äusseren Beine der
Frauen sind ganz verzeichnet und der Mantel musste an
beiden Seiten vom Kopf auf die Schultern herabsinken. Die
Figuren erinnern mit ihren fein verzierten Gewändern sehr an
gewisse altetruscische Wandgemälde von Tarquinii. (Mus.
Oreg. I, 102).
Abg. Gerhard I, 44, der die Figuren als Lasen (III, p. 32) erklärt,
indem er Alles missversteht.
18. Tänzerinnen, gegossener und vergoldeter Spiegel.
Aus Gerhardts Besitz 1859 erworben. 3353.
Zwei Tänzerinnen mit Castagnetten in den Händen, genau
einander entsprechend, umgeben einen Jüngling, der sich mit
einer derselben zu schaffen macht. Die Zwischenräume der
Figuren sind mit Reben und Blumen ausgefüllt Der Jtlngling
in der Mitte hat eine in der altetruscischen Kunst häufiger
vorkommende, der ägyptischen ähnliche Schädelform, die ver-
muthlich durch den Einfluss ägyptischer Werke zu erklären
ist. Auch hier ist die Verwandtschaft mit den oben erwähn-
ten Tarquiniensischen Wandgemälden auffallend.
Im Abschnitt Delphine.
Abg. Gerhard I, [98, der das Bild als „bacchische Einweihung"
deutet. III, p. 100.
19. Flötenspieler mit Tänzerinnen, gegossener und
vergoldeter Spiegel, aus Gerhardts Besitz 1859 erworben. 3354.
Das Bild ist dem vorigen sehr ähnlich und rührt ver-
muthlich von derselben Hand oder wenigstens Fabrik her.
Da alle Figuren nach derselben Seite gerichtet sind, so
scheint es, als ob eine Procession dargestellt sei. Wahrschein-
licher aber ist dieser Umstand nur eine Folge ungeschickter
oder alterthümlicher Compositionsweise. Die Figuren der
Tänzerinnen wiederholen sich auf das Genaueste.
Abg. Gerhard I, Taf. 99, der hier einen „Einweihungszug" sieht.
ni, p. 102.
20. Kitharspielerin von Jünglingen bewundert,
gegossener Spiegel, aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
\
3^ Die mehr griechischen Spieg^el dieser Periode.
Sehr ähnliche Darstellung. Die Figuren sind auch hier
durch Bäume oder Sträucher von einander getrennt, ganz wie
auf den erwähnten "Wandgemälden von Tarquinii.
21. Bacchische Scene, aus Gerhardts Besitz 1859 er-
worben. 3290.
Dieser Spiegel enthielt vier Figuren, von denen aber nur
zwei noch deutlich sind, nämlich ein Satyr mit Pferdehuf en^
dergleichen "Wesen auch in griechischer Kunst vorkommen, und
eine tanzende Bacchantin. Die letztere erinnert durch ihre
eckigen Bewegungen, durch die Verzierung des Gewandes und
durch die Form ihres Schädels sehr an die tarquiniensischen
"Wandgemälde.
Abg^. Gerhard, Taf. 92, 5, der die Zeichnung- als „Pan unter Ein-
geweihten" erklärt. Was Gerhard's Zeichnung ausser den beiden ge-
nannten Figuren angiebt, ist ganz unsicher.
b) Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
22. Apoll und Artemis. Gegossener und vergoldeter
Spiegel aus Yulci, 1848 durch Vermittelung von E. Braun an-
gekauft. 2972.
Die Geschwister, inschriftlich als Apulu und Artumes be-
zeichnet, sitzen traulich gruppirt neben einander und Artemis,,
der die Musik nicht fremd ist, spielt ihrem Bruder vor. Hinter
ihr hängt eine Ciste von der Art, wie wir sie als Behälter für
Toilettengeräth kennen, zwischen beiden ein Kranz. Apollo
trägt ein Armband, das nach etruscischer Sitte nicht bloss von
Frauen, sondern auch von Männern getragen wurde, wie aus
vielen Spiegelzeichnungen ersichtlich ist.
Das Bild ist mit alterthümlicher Zierlichkeit gezeichnet
und könnte fast für griechisch gelten.
Abg. Gerhard III. IV, 293, in dessen Text E. Braun's (Annali 1855,
p. 21) Annahme eines Liebesverhältnisses zwischen Artemis und Apollo
befolgt wird. Ich gestehe, dass sie mir mehr als willkürlich scheint,
da das Armband, das Braun wunderlicher Weise als simbolo nuziale
deutet, doch offenbar nichts Anderes ist, als ein simpler Schmuck. Vgl.
wenn nöthig 0. Jahn, Fikoron. Cista, p. 9. Ebenso hinfällig ist die
Annahme für einen andern Spiegel (Gerhard, Taf. 294), wo Artemis
ganz nackt erscheint, was aber nur aus der für die etruscischen Spiegel
so charakteristischen Vorliebe für nackte Frauen zu erklären ist.
23. Bacchus und Ariadne. Gegossener und vergoldeter
Spiegel aus Viterbo. Sammlung Dorow 572.
üb
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 39
Die Figur zur Rechten ist durch den Thyrsusstab als
Bacchantin charakterisirt, die zur Linken kann nur Bacchus
sein. Sie hat wie jene einen Epheukranz und mit Epheu-
blättern verzierte Gewandsäume. Auch führt das Attribut der
Schaale zunächst auf Bacchus. Die Figuren sind in lebhafter
Bewegung, die aber zum Theil nur durch Rücksicht auf den
auszufüllenden Raum veranlasst zu sein scheint. So viel geht
übrigens aus der Handbewegung des Bacchus hervor, dass es
sich um eine Liebesscene handelt.
Die Zeichnung ist im Geschmack der oben erwähnten
tarquiniensischen Wandgemälde gehalten, wo man ebenfalls die
eigenthümlich eckigen Bewegungen, wie in der Haltung des
rechten Armes des Bacchus und die reichen Verzierungen der
Gewänder und Gewandsäume findet.
Eigenthümlich ist das Beiwerk. Zwar die Fische sind
unzweifelhaft nur zur Raumausfüllung da, in welchem Sinne sie
oft im Abschnitt und im Rund des Spiegels selbst vorkommen^),
auch der Zweig zwischen den Köpfen hat gewiss nur dieselbe
Bedeutung, aber die beiden sich umringclnden Schlangen könn-
ten doch irgend eine symbolische Beziehung ausdrücken sollen,
die wir indess nicht anzugeben vermögen. Vielleicht sind es
die Schlangen, die in bacchischen Scencn oft erwähnt und dar-
gestellt werden, wie z. B. Bacchantinnen mit schlangenum-
ringelten Händen vorkommen.
Die Technik ist derb.
Abg. Gerhard I, 89, der (III, p. 93) das ßild nach Panofka's Vor-
gang auf Apoll und Thyia bezieht. Es wird nämlich das für Bacchus
Charakteristische an der Figur zur Linken übersehen und aus dem
bloss raumfüllenden Lorbeerzweig auf Apollo geschlossen. Die an-
genommene Darstellung ist zudem in der bildenden Kunst ganz unbe-
kannt, während unsere Deutung das Bild auf eine auch im Gebiet der
Spiegel gewöhnliche Scene bezieht. Was übrigens die in der Arch.
Ztg. 1853, p. 359 erwähnten Inschriften betrifft, so ist die der angeb-
lichen Thyia ganz erfunden, die andere, die Aplun lauten soll, mehr
als verdächtig. Erstens wegen der Kleinheit der Buchstaben, dann
wegen der Fehler im T und N und auch das A ist nichts weniger
als regelrecht. Endlich sieht man noch in den Vertiefungen der beiden
letzten Buchstaben den Metallglanz, sie sind daher ganz neu oder
wenigstens nachgekratzt. — Die Schaale des Bacchus entspricht ganz
den in Terrakotta erhaltenen Schaalen, an denen der buckeiförmig sich
erhebende Mittelpunkt von concentrischen, ovalen Vertiefungen umgeben
ist, die man hier angedeutet findet.
1) Welcker, A. D. 3, 541 erklärt sie auf einem Spiegel symbolisch,
aber die Vergleichung einer grösseren Anzahl von Spiegeln würde ihn
zu anderer Ansicht gebracht haben.
40 ^i^ mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
24. Bacchantin, gegossener und vergoldeter Spiegel,
der noch jetzt zum Spiegeln benutzt werden könnte. Aus
Gerhardts Besitz 1859 erworben. 334.
Eine lebendig bewegte, mit einem Pantherfell bekleidete
Bacchantin; hinter ihr die Schlange, die bei den bacchischen
Feiern eine Rolle spielte.
Diese Zeichnung könnte für altgriechisch gelten.
Abg. Gerhard I, Taf. 96, der (III, p. 101) das Motiv missversteht,
indem er meint, die ßaccliantin flielie vor der Schlange.
25. Bacchantin zwischen Silenen, gegossener Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3353.
Eine Bacchantin, mit einem Thyrsus in der Hand, umfasst
einen Silen, der Trinkhorn und Schlauch hält. Daneben ein
zweiter Silen, der sich höchlich über die Vertraulichkeit des
Paares verwundert.
Das Bild hat etwas etruscisch Unerfreuliches, etwas
Carikirtes. An den Figuren der Silene ist auch schon zu viel
Detail ausgedrückt.
. Die Delphine im Abschnitt ganz wie oben.
Abg. Gerhard I, Taf. 102, in dessen Erklärung (III, p. 104) aber
die Motive missverstanden sind. Der Lorbeerkranz auf dem Kopfe des
einen Silen soll nach Gerhard die „geläuterte Weihe** desselben be-
zeichnen.
26. Silensmaske, aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3357.
Die Neigung der Etrusker zur Carikirung und Ueber-
treibung ist in diesem Kopf wieder sehr merklich. Die langen,
abstehenden Ohren wird man in griechischer Kunst vergebens
suchen. Der Kopf ist wie ein zauberabwehrendes Symbol nach
Art eines Medusenkopfes auf dem Spiegel angebracht.
Abg. Gerhard I, 71, 6.
27. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben, 3323.
Die Deutung dieses Bildes ist nicht ganz sicher, weil das
zu Grunde Hegende griechische Vorbild Yeränderungen er-
fahren zu haben scheint, die das Verständniss desselben trüben.
Man wird allerdings an die griechischen Darstellungen von der
Verfolgung des Kephalos durch die Eos erinnert, versteht aber
Die mehr griechischen Spiegel dieser. Periode. 4],
nicht, wie Kephalos, der ein Jäger war, zu den Geräthen
kommt, die der Knabe trägt. Es ist nämlich eine Ciste, wie
sie zur Aufbewahrung von Toilettengeräth diente, und ein an
beiden Seiten spitzer Stecken, dessen Bestimmung uns freilich
unklar ist. Man könnte daher auch an die auf Vasen nicht
seltenen Darstellungen denken, wo Nike einen Jüngling verfolgt,
nur dass man auch dann Kranz oder Binde in den Händen
der Göttin erwartet.
Im Allgemeinen steht die Zeichnung den griechischen
VorbiWem nahe, aber die Haltung des linken Beins der Eos
ist wieder eine etruscische Härte und Gewaltsamkeit.
Eigenthümlicli unktinstlerisch ist auch das Ornament.
Eine noch dazu phantastisch behandelte Palmette, die in der
griechischen Ornamentik für bestimmte Zwecke, namentlich
als Bekrönung verwendet wird, ist hier als ein roh abge-
schnittenes Glied einfach in den Raum zur Belebung desselben
hineingesetzt Und der Epheukranz, der das Ganze einfasst,
entwickelt sich auf höchst unorganische und unverständliche
Weise aus dem ebenfalls palmettenartig gestalteten Ornament
am Griff. Die unorganische Entwicklung des Kranzes aus
dem Griffornament ist überhaupt ein Fehler sehr vieler etrus-
cischer Spiegel. Man sieht hier und in vielen ähnlichen
Fällen deutlich, dass die etruscischcn Künstler nicht etwa
fertige griechische Spiegel vorfanden, die sie nur zu copifen
brauchten, sondern dass sie nur die einzelnen Elemente ihrer
Darstellung aus der griechischen Kunst nahmen, deren Ver-
bindung und Zurichtung für den Zweck der Spiegelzeichnung
ihnen überlassen blieb.
Abg. Gerhard II, 179.
28. Eos und Memnon, in Vulci gefunden. Aus Ger-
hardts Besitz 1859 erworben, n. 3360.
Die Göttin schreitet langsam mit dem .Leichnam des
Sohnes dahin. Der Schleier, der sie umhüllt, ist für den Aus-
druck der Trauer angemessen.
Die Composition hat etwas unschön Rechtwinkliges.
Schon auf alterthümlichen griechischen Vasen ist der Gegen-
stand viel natürlicher componirt.
Das Käuzlein dient wohl nur zur Raumausfüllung.
Abg. Gerhard III. IV, 361, der den von ihm für verschwunden
gehaltenen Spiegel wunderlicher Weise auf Eos und Kephalos, „der
ohnmächtig von dannen gebracht wird" erklärt.
42 Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
29. Herkules und Antaeus, vulcentischer Spiegel,
1863 durch .Vermittlung von Prof. Brunn erworben, 3496.
Dieses Bild kann trotz einer räthselhaften Inschrift wohl
nicht anders als auf Herkules und Antaeus gedeutet werden.
Denn sichtlich ist Herkules bemüht, den Antaeus, der mit dem
rechten Fuss am Boden zu haften strebt, während er den linken
vor Schmerz bereits erhoben hat, vollends in die Höhe zu
heben. Die Arme des Antaeus haben allen Widerstand be-
reits aufgegeben, der rechte ist mit einer Trauergeberde gegen
den Kopf erhoben. Neben der Gruppe steht in Stellung und
Gewandung an die berühmte Pallas Albani erinnernd, die
Schutzgöttin des Herkules, durch die erhobene Hand ihren
Schützling, wie es scheint, anfeuernd.
Die Jugendlichkeit des Herkules ist nicht auffallend, er
erscheint auf den etruscischen Spiegeln fast immer so, eher
aber könnte Antaeus zu knabenhaft erscheinen. Aber die Vor-
liebe für bartlose Gesichter ist für die etruscischen Gemmen
wie für die Spiegel in gleicher Weise charakteristisch. Dort
finden wir selbst einen unbärtigen Poseidon, hier ist ein bart-
loser Zeus wenigstens durchaus nicht ungewöhnlich und Merkur
wie Bacchus sind fast nur als Jünglinge bekannt.
Wie die Inschrift des Antaeus Epiur zu verstehen sei,
wissen wir nicht. Auf einem anderen Spiegel trägt ein Eros
die Beischrift Epeur, und durch diese Uebereinstimmung wird
der Sinn derselben noch räthselhafter. Auch Herkules hat
seine Beischrift Hercle.
Abg. Gerhard III. IV, 335, 2, der sich p. 79 in allerhand unbe-
weisbaren Vermuthungen ergeht. Vgl. Brunn bullet. 1862 p. 110.
30. Achill und Penthesilea, volcentischer Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben, 3296.
Achill hat Penthesilea ergriffen, um ihr den Todesstoss
zu geben, während sie bittend die Rechte gegen ihn ausstreckt.
Die Inschriften sind wie auf den älteren griechischen Vasen
so angeordnet, dass sie alle Zwischenräume der Figuren aus-
füllen. Man liest Achle und Penta(s)ila, indem das fehlende s
für die an seiner Stelle befindliche Beschädigung vorauszu-
setzen ist.
Dieser Spiegel steht griechischen Vasenbildern von der
Art der Sosiasschaale sehr nahe. Die Ausführlichkeit im
Detail findet sich hier wie dort. Aber daneben fehlt auch das
eigenthümlich Etruscische nicht, und es liegt besonders in der
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 45
gezwungenen Stellung der beiden Figuren, die freilich bei
nicht wenigen Spiegeln wiederkehrt.
Die beiden Figuren entsprechen sich, wie es oft auf den
Spiegeln der Fall ist, fast ganz genau. Nur das längere Haar
und das Halsband unterscheidet das Weib.
Abg. Gerhard II, 233.
31. Orest und Klytämnestra, aus der Sammlung Ger-
hardts 1859 erworben, 3371.
Orest (Urusthe) hat die Klytämnestra (Clutumita) ergriffen,
um ihr den Todesstoss zu versetzen. Jene hält ihm die ent-
blösste Brust entgegen, wie Aeschylus gedichtet hatte, dass
die Mutter dem Mörder die Brust gezeigt habe, die ihn ge-
nährt. Die Zwischenräume der Figuren sind durch Blumen
ausgefüllt. Am Griff ist eine geflügelte und strahlenbekränzte
Figur, die wir nicht näher bestimmen können.
In der Stellung und Gewandung der Klytämnestra ver-
misst man das richtige Verständniss. Die gesträubten Haare
derselben sind für die Uebertreibung der etruscischen Kunst
charakteristisch.
Abg. Gerhard II, 237. Stephani Nimbus und Strahlenkranz p. 69
nennt die geflügelte Figur am Griff eine Erinys, „weil die an den
Griffen der Spiegel angebrachten Figuren fast immer in dem engsten
Zusammenhang mit der Hauptdarstellung stehen". Diese Behauptung
ist »schwer zu beweisen, weil wir in so vielen Fällen die Figuren an
den Griffen gar nicht benennen können, und schwer zu glauben, wenn
man sich nach den Producteu ein Bild der Producenten zu machen
versucht. Es scheint mir daher mehr als gewagt, eine Figur, deren
äussere Charakteristik auf ganz andere Gebiete hindeutet, Erinys zu
nennen und zwar mit einer Sicherheit, die nicht „den geringsten Zweifel
obwalten" lässt.
32. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben, 3329.
Auf diesem sorgfältigen Spiegel sind zwei Figuren ohne
Handlung einander gegenübergestellt. Die zur Linken scheint
männlich, die andere möchten wir wegen des langen Gewandes
für weiblich halten. Jener hält eine Ranke in der einen
Hand, diese zieht mit der Linken ihr Gewand an, ein Gestus,
der auch eher für eine Frau passt. Wir denken bei diesem
Spiegel an die auf Vasen nicht seltenen Scenen, wo Männer
und Frauen sich verbindlich gegenüberstehen und sich ein
Blümchen präsentiren etc.
44 I^ie etruscischen Spiegel.
Kelches Beiwerk umgiebt die Scene. Zwischen den
Figuren steht ein Baum, wie es scheint, ein Palmbaum, an
Wandgemälde aus Tarquinii erinnernd, wo die einzelnen Figuren
durch Bäume getrennt sind. Ausserdem sind mehrere Pflanzen,
ein Sessel und eine Kiste zur Belebung des Raumes benutzt.
Die starke Oxydation des Spiegels hindert über alle
Einzelheiten ins Klare zu kommen.
34. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 angekauft. 3328.
Zwei Jünglinge mit einander im Gespräch, der eine leb-
liaft gestikulirend. Diese Zeichnung erinnert sehr an alt-
griechische Vasenbilder.
33. Astarte, den gefundenen Stern nach Tyrus
tragend. Aus Gerhardts Sammlung 1859 angekauft. 3313.
Eine geflügelte Frau, deren Obertheil zerstört ist, trägt
mit beiden Händen eine mit einem Stern verzierte KugeL
Diese Vorstellung entspricht genau einem Münztypus, welcher
der Stadt Marium auf Cypern beigelegt (de Luynes, numis-
matique et inscriptions Cypriotes p. 37) und auf den genannten
phönicischen Mythus bezogen wird. Es ist jedenfalls sehr
interessant, diesen phönicischen Typus auf einem etruscischen
Spiegel wiederzufinden. Doch ist dies nicht die einzige Be-
rührung zwischen phönicischer und etruscischer Kunst.
Neben der Figur befinden sich raumfüllende Ornamente,
links eine Blume mit einem Vogel darauf, zur Rechten eine
unbestimmbare Verzierung, im Abschnitt zwei sich schnäbelnde
Tauben.
Abg. Gerhard I, 36, 2, von dessen Phantasien ich nur die erwähne,
dass er auf der Kugel (III, p. 18) ein „zum Pentagramm verschlungenes
zwiefaches Dreieck", zu sehen und als ein „Symbol der in sich ver-
schränkten Weltordnung" betrachten zu müssen glaubt. Der fragliche
Gegenstand besteht aber aus einer Kreislinie, an welche sich Zacken
anschliessen, wird also als Stern bezeichnet werden müssen. Auch die
„phrygische Mütze" der Figur ist mehr als zweifelhaft.
Dritte Periode.
Die im Vorstehenden aufgeführten Spiegel gehören dem
alterthümlichen Stil an, der bis in die zweite Hälfte des fünften
Jahrhunderts in Griechenland und vermuthlich auch in Etrurien
herrschte. Aus der nächstfolgenden Periode, als man in
Die etniscischen Spiegel. 45
grossartigem Stil, wenn auch noch mit einiger Strenge compo-
nirte, sind mir keine Spiegel bekannt^), und ich gehe daher
zu den Spiegeln des vierten Jahrhunderts über, von denen ich
freilich mit einiger Zuversicht nur zwei anführen kann, die
beiden schönsten unter denen die existiren, den Telephus- und
Semelespiegel. Auf dem ersteren begegnen wir bereits gewissen
technischen Veränderungen, die später so häufig vorkommen,
zunächst nämlich der Punktirung des Grundes. Dies Verfahren
hat den Zweck, den hellen Figuren eine matte Folie zu be-
reiten, auf der sie besser hervortreten können, ähnlich wie die
etruscischen Goldschmiede, um helle Partien eines Geschmeides
zu heben, ihnen einen mit unzähligen Goldkörnern, wie mit
feinem Staub überstreuten Grund gaben. Sodann werden von
jetzt an, nicht immer, aber sehr oft, die inneren Linien, die
früher ganz wie der Contour gezogen wurden, durch kleine,
feine neben einander gesetzte Parallelstriche ausgedrückt»
Gewöhnlich ist mit dieser Technik eine grosse Häufung des
Details verbunden und eben darin liegt ein unleugbarer Nach-
theil. Der jidekorative Charakter, der Charakter der Umriss-
zeichnung, geht verloren. Man vergleiche um sich des Unter-
schiedes bewusst zu werden, die beiden erwähnten Spiegel, von
denen der eine, der Telephusspiegel, die spätere, der andere
die frühere Weise wiedergiebt.
35. Die Heilung des Telephus, in der Umgegend von
Bomarzo gefunden. Aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3294.
Zur Rechten sitzt Telephus auf einem Stein, das leidende
Bein auf einen Schemel stützend. Sein ganzes Aussehen macht
den Eindruck des Leidens, der Kopf ist gesenkt, der linke
Arm stützt den Körper, der rechte hängt schlaff über das
Knie herab. Neben ihm steht Achill, mit einem sichelförmigen
Messer am Schaft seiner Lanze kratzend, so dass der Abfall
auf die am Schenkel befindliche Wunde des Telephus fallen
muss 2), und hinter diesem Agamemnon, der die Linke auf einen
1) Denn der bei Gerhard Taf. 61 abgebildete Spiegel, der auffallend
au Vasenbilder grossartigen Stils erinnert, ist nach meiner Ansicht nicht
acht. Auch Gerhard III, p. 64 Anm. 3 dachte an die Möglichkeit einer
Fälschung.
2) Man muss annehmen, dass der Künstler dem Achill eine ganz
eherne Lanze beilegte, wie auch bei Plin. Nat, bist. 84, 152 ange-
deutet ist.
46 I^ie etruscischen Spiegel.
Stab stützt und mit der Rechten eine Geberde der Beschwich-
tigung und des Zuspruchs gegen Telephus macht. Im Felde
hängt ein Schild. Die Figuren haben jede ihre Beischrift
Tele(phe), Achle, Aclimemrun.
Die Figur des Telephus ist sehr schön und ausdrucks-
voll; und es ist wohl kein Zweifel, dass ein schönes griechisches
Original dieser Zeichnung zu Grunde liegt ^). Aber eben so
gewiss ist, dass der Spiegel von einer etruscischen Hand aus-
geführt ist Nicht bloss wegen der Armbänder des Telephus
und Achill, der Schuhe des letzteren und der unorganischen
Art, wie der umgebende Kranz sich aus dem Ornament am
Griff entwickelt, sondern auch wegen der UeberfüUung mit
Detail in den Formen des Achill und Telephus. Agamemnon
unterscheidet sich darin von den anderen, Achill ist in jeder
Beziehung die am wenigsten gelungene und gewiss nicht von
etruscischer Umbildung freie Figur.
Die Composition hat noch eine gewisse Strenge und Ein-
fachheit, wesswegen wir sie ins vierte Jahrhundert und zwar
mehr in den Anfang als ans Ende setzen.
Abg. Gerhard II, 229 und im Berliner Winckelmannsprogramm
von 1843.
36. Bacchus und Semele, in Vulci gefunden, aus Ger-
hardts Sammlung 1859 erworben. 3276.
Dieser schönste aller erhaltenen Spiegel befindet sich
leider in einem solchen Zustande, dass die Linien der Zeich-
nung nur langsam und mit Mühe verfolgt werden können, sie
sind indessen noch unversehrt.
Die Figuren sind mit Ausnahme des kleinen flötenden
Satyrs zur Linken mit Namen versehen, Semla, Phuphluns
d. i. Bacchus und Apulu. Der letztere steht als ruhiger Zu-
schauer der innigen Umarmung des Bacchu« und seiner Mutter
gegenüber, seine Anwesenheit ist vermuthlich durch die mytho-
logische Verwandschaft zu Bacchus zu motiviren. In Betreff
der Hauptgruppe hat man, erinnernd an die Sage, wonach
Bacchus seine vom Zeus getödtete Mutter aus der Unterwelt
zum Olymp hinauf geführt habe, angenommen, dass er hier die
wiedergefundene und wiedererstandene Mutter umarme, doch
^) Pliuius 34, 152 und 25, 5 spricht von Gemälden in denen Achill
in derselben Action dargestellt sei. Auch Parrhasios hatte diese Scene,
um die Figur des Odysseus erweitert, dargestellt.
Die etruscischen Spiegel. 47
ist dies nicht in der Composition angedeutet und daher um so
weniger anzunehmen, als das Original der Gruppe wahrschein-
lich etwas ganz Anderes als Bacchus und Semele darstellte.
Eine ganz ähnliche Gruppe kommt nämlich auch auf
griechischen Monumenten vor, theils auf Gemmen, besonders
aber auf einem der schönsten Reliefs ^), und zwar in anderer
Bedeutung, es ist nämlich ein getroffener Niobide, der, im Be-
griff hintenüber zu sinken, von einer Schwester aufgefangen
wird und nun im Tode innig seinen Arm um den Hals der
Schwester legt. Er erhebt nur einen Arm, während der andere
ihm bereits schlaff herabhängt, allein dieser Unterschied
zwischen den beiden Gruppen ist doch nicht erheblich genug,
um ihren Ursprung von einem und demselben Original in Frage
zu stellen. Fragt man nun aber nach der Bedeutung der
Originalcomposition, so lässt sich wohl nicht leugnen, dass die
Gruppe als eine Gruppe von sterbenden Niobiden besser moti-
virt ist, als in der anderen Bedeutung auf dem Spiegel, denn
dass der Jtlngling sich hintenüber neigt zur Umarmung, ist
natürlicher und ungesuchter in jener Situation als in dieser.
Eben darum ist anzunehmen, dass die Bedeutung der Gruppe
auf dem Spiegel verändert ist.
Der Verfertiger war, wie wir glauben, ein etruscischer
Künstler, der nach einem griechischen Vorbild arbeitete. Denn
bei der Annahme griechischen Ursprungs würden wir nicht
den etruscischen Arm- und Halsschmuck der Figuren, noch
weniger aber die etruscischen Inschriften begreiflich finden.
Warum sollten, falls man Spiegel aus Griechenland importirte,
diese Spiegel nicht eben so gut in rein griechischer Form
importirt sein, wie die Vasen, die doch ohne alle etruscische
Zuthat sind? Und zudem ist in der Gestalt der Semele etwas
nicht ganz Griechisches, was man am besten bei Vergleichung
jenes erwähnten griechischen Vorbildes herausfühlt. Ja es
fehlt nicht an starken Zeichnungsfehlern, wie wenn der linke
Fuss der Semele en face, das Knie aber im Profil gesehen
wird und an dem kleinen Satyr der Kopf vor, die Beine aber
hinter der Figur des Apollo sich befinden.
Gewiss aber dürfen wir das Werk in die Zeit der
griechisclien Kunstblüthe, in das vierte Jahrhundert setzen.
Die Figuren haben nämlich bei aller Grazie doch immer noch
^) Der Gypsabgiiss desselben ist jetzt im Neuen Museum und zwar
Im Niobidensaale zu finden, eine Abbildung in Starkes Buch über Niobe.
40
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
24. Baccliautin, gegossener und vergoldeter Spiegel]
der noch jetzt zum Spiegeln benutzt werden könnte. Ans
Gerhardts Besitz 1859 erworben. 334.
Eine lebendig bewegte, mit einem Pantherfell bekleidete
Bacchantin; hinter ilir die Schlange, die bei den bacchischcE
Feiern eine Rolle spielte.
Diese Zeichnung könnte für altgriechisch gelten.
Abg. Gerhard I, Taf. 96, der (III, p. 101) das Motiv missversteht
indem er meint, die ßaccliantin fliehe vor der Schlange.
25. Bacchantin zwischen Silenen, gegossener Spiegel
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3353.
Eine Baccliantin, mit einem Tliyrsus in der Hand, umfasse
einen Silen, der Trinkliorn und Sclilauch hält. Daneben eil
zweiter Silen, der sich liöclilich über die Vertraulichkeit dei
Paares verwundert.
Das Bild liat etwas etruscisch Unerfreuliches, etwa:
Carikirtes. An den Figuren der Silenc ist auch schon zu vie
Detail ausgedrückt.
. Die Delphine im Abschnitt ganz wie oben.
Abg. Gerhard I, Taf. 102, in dessen Erklärung (III, p. 104) abe
die Motive missverstanden sind. Der Lorbeerkranz auf dem Kopfe de
einen Silen soll nacli Gerhard die „geläuterte Weihe*' desselben b€
zeichnen.
26. Silensmaske, aus Gerhardts Sammlung 1859 ei
worben. 3357.
Die Neigung der Etrusker zur Carikirung und Uebei
treibung ist in diesem Kopf wieder sehr merkliclu Die langer
abstehenden Ohren wird man in griechischer Kunst vergeben
suchen. Der Kopf ist wie ein zauberabwehrendes Symbol nac
Art eines Medusenkopfes auf dem Spiegel angebracht.
Abg. Gerhard I, 71, 6.
27. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Sammlung 185
erworben, 3323.
Die Deutung dieses Bildes ist niclit ganz sicher, weil da
zu Grunde liegende griechische Vorbild Veränderungen ei
fahren zu haben scheint, die das Verständniss desselben trübei
Man wird allerdings an die griechischen Darstellungen von de
Verfolgung des Kephalos durch die Eos erinnert, versteht abc
Die mehr ^echischen Spietel c."i'.>-.! Prr..»:'r.
41
nicht, wie Kcphalos, der ein Jäiier vvar. zu .1 "tL:: :
kommt, die der Knabe trägt. Es ist näiLlicL -.ii-: « .«• . r..
sie zur Aufbewahrung von Toiletteng..'rät]i «livL:-.. :iL. • a -.
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nur dass man auch daim Kranz oder Biniv ii Ivi Hlii-i
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ilinen überlassen blieb.
Abg. Gerliard II, 179.
28. Eos und Memnon, k ^ifi f'tnniln.
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42 ^^^ mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
29. Herkules und Antaeus, vulcentischer Spiegel,
1863 durch Vermittlung von Prof. Brunn erworben, 3496.
Dieses Bild kann trotz einer räthselhaften Inschrift wohl
nicht anders als auf Herkules und Antaeus gedeutet werden.
Denn sichtlich ist Herkules bemüht, den Antaeus, der mit dem
rechten Fuss am Boden zu haften strebt, während er den linken
vor Schmerz bereits erhoben hat, vollends in die Höhe zu
heben. Die Arme des Antaeus haben allen Widerstand be-
reits aufgegeben, der rechte ist mit einer Trauergeberde gegen
den Kopf erhoben. Neben der Gruppe steht in Stellung und
Gewandung an die berühmte Pallas Albani erinnernd, die
Schutzgöttin des Herkules, durch die erhobene Hand ihren
Schützling, wie es scheint, anfeuernd.
Die Jugendlichkeit des Herkules ist nicht auffallend, er
erscheint auf den etruscischen Spiegeln fast immer so, eher
aber könnte Antaeus zu knabenhaft erscheinen. Aber die Vor-
liebe für bartlose Gesicliter ist für die etruscischen Gemmen
wie für die Spiegel in gleicher "Weise charakteristisch. Dort
finden wir selbst einen unbärtigen Poseidon, hier ist ein bart-
loser Zeus wenigstens durchaus nicht ungewöhnlich und Merkur
wie Bacchus sind fast nur als Jünglinge bekannt.
Wie die Inschrift des Antaeus Epiur zu verstehen sei,
wissen wir nicht. Auf einem anderen Spiegel trägt ein Eros
die Beischrift Epeur, und durch diese Uebereinstimmung wird
der Sinn derselben noch rätlisclhafter. Auch Herkules hat
seine Beischrift Hercle.
Abg. Gerhard III. IV, 335, 2, der sich p. 79 in allerhand unbe-
weisbaren Vermuthungen ergeht. Vgl. Brunn bullet. 1862 p. 110.
30. Achill und Penthesilea, volcentischer Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben, 3296.
Achill hat Penthesilea ergriffen, um ihr den Todesstoss
zu geben, während sie bittend die Rechte gegen ihn ausstreckt.
Die Inschriften sind wie auf den älteren griecliischen Vasen
so angeordnet, dass sie alle Zwischenräume der Figuren aus-
füllen. Man liest Achle und Penta(s)ila, indem das fehlende s
für die an seiner Stelle befindliche Beschädigung vorauszu-
setzen ist.
Dieser Spiegel steht griechischen Vasenbildern von der
Art der Sosiasschaale sehr nahe. Die Ausführlichkeit im
Detail findet sich hier wie dort. Aber daneben fehlt auch das
eigenthümlich Etruscische nicht, und es liegt besonders in der
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 43
gezwungenen Stellung der beiden Figuren, die freilich bei
nicht wenigen Spiegeln wiederkehrt.
Die beiden Figuren entsprechen sich, wie es oft auf den
Spiegeln der Fall ist, fast ganz genau. Nur das längere Haar
und das Halsband unterscheidet das Weib.
Abg. Gerhard II, 233.
31. Orest und Klytämnestra, aus der Sammlung Ger-
hardts 1859 erworben, 3371.
Orest (Urusthe) hat die Klytämnestra (Clutumita) ergriffen,
um ihr den Todesstoss zu versetzen. Jene hält ihm die ent-
blösste Brust entgegen, wie Aeschylus gedichtet hatte, dass
die Mutter dem Mörder die Brust gezeigt habe, die ihn ge-
nährt. Die Zwischenräume der Figuren sind durch Blumen
ausgefüllt. Am Griff ist eine geflügelte und strahlenbekränzte
Figur, die wir nicht näher bestimmen können.
In der Stellung und Gewandung der Klytämnestra ver-
misst man das richtige Verständniss. Die gesträubten Haare
derselben sind für die Uebertreibung der etruscischen Kunst
charakteristisch.
Abg. Gerhard II, 237. Stephani Nimbus und Strahlenkranz p. 69
nennt die geflügelte Figur am Grijff eine Erinys, „weil die an den
Griffen der Spiegel angebrachten Figuren fast immer in dem engsten
Zusammenhang mit der Hauptdarsteliung stehen". Diese Behauptung
ist »schwer zu beweisen, weil wir in so vielen Fällen die Figuren an
den Griffen gar nicht benennen können, und schwer zu glauben, wenn
mau sich nach den Producteu ein Bild der Producenten zu machen
versucht. Es scheint mir daher mehr als gewagt, eine Figur, deren
äussere Charakteristik auf ganz andere Gebiete hindeutet, Erinys zu
nennen und zwar mit einer Sicherheit, die nicht „den geringsten Zweifel
obwalten" lässt.
32. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben, 3329.
Auf diesem sorgfältigen Spiegel sind zwei Figuren ohne
Handlung einander gegenübergestellt. Die zur Linken scheint
männlich, die andere möchten wir wegen des langen Gewandes
für weiblich halten. Jener hält eine Ranke in der einen
Hand, diese zieht mit der Linken ihr Gewand an, ein Gestus,
der auch eher für eine Frau passt. Wir denken bei diesem
Spiegel an die auf Vasen nicht seltenen Scenen, wo Männer
und Frauen sich verbindlich gegenüberstehen und sich ein
Blümchen präsentiren etc.
44 ^^6 etruscischen Spiegel.
Reiches Beiwerk umgiebt die Scene. Zwischen den
Figuren stellt ein Baum, wie es scheint, ein Palmbaum, an
Wandgemälde aus Tarquinii erinnernd, wo die einzelnen Figuren
durch Bäume getrennt sind. Ausserdem sind mehrere Pflanzen,
ein Sessel und eine Kiste zur Belebung des Raumes benutzt.
Die starke Oxydation des Spiegels hindert über alle
Einzelheiten ins Klare zu kommen.
34. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 angekauft. 3328.
Zwei Jünglinge mit einander im Gespräch, der eine leb-
haft gestikulirend. Diese Zeichnung erinnert sehr an alt-
griechische Vasenbilder.
33. Astarte, den gefundenen Stern nach Tyrus
tragend. Aus Gerhardts Sammlung 1859 angekauft. 3313.
Eine geflügelte Frau, deren Obertheil zerstört ist, trägt
mit beiden Händen eine mit einem Stern verzierte KugeL
Diese Vorstellung entspricht genau einem Münztypus, welcher
der Stadt Marium auf Cypern beigelegt (de Luynes, numis-
matique et inscriptions Cypriotes p. 37) und auf den genannten
phönicischen Mythus bezogen wird. Es ist jedenfalls sehr
interessant, diesen phönicischen Typus auf einem etruscischen
Spiegel wiederzufinden. Doch ist dies nicht die einzige Be-
rührung zwischen phönicischer und etruscischer Kunst.
Neben der Figur befinden sich raumfüllende Ornamente,
links eine Blume mit einem Vogel darauf, zur Rechten eine
unbestimmbare Verzierung, im Abschnitt zwei sich schnäbelnde
Tauben.
Abg. Gerhard 1, 36, 2, von dessen Phantasien ich nur die erwähne,
dass er auf der Kugel (III, p. 18) ein „zum Pentagramm verschlungenes
zwiefaches Dreieck", zu sehen und als ein „Symbol der in sich ver-
schränkten Weltordnung" betrachten zu müssen glaubt. Der fragliche
Gegenstand besteht aber aus einer Kreislinie, an welche sich Zacken
anschliessen, wird also als Stern bezeichnet werden müssen. Auch die
„phrygische Mütze" der Figur ist mehr als zweifelhaft.
Dritte Periode.
Die im Vorstehenden aufgeführten Spiegel gehören dem
alterthümlichen Stil an, der bis in die zweite Hälfte des fünften
Jahrhunderts in Griechenland und vermuthlich auch in Etrurien
herrschte. Aus der nächstfolgenden Periode, als man in
Die etruscischen Spiegel. 45
grossartigem Stil, wenn auch noch mit einiger Strenge compo-
nirte, sind mir keine Spiegel bekannt^), und ich gehe daher
zu den Spiegeln des vierten Jahrhunderts über, von denen ich
freilich mit einiger Zuversicht nur zwei anführen kann, die
beiden schönsten unter denen die existiren, den Telephus- und
Semelespiegel. Auf dem ersteren begegnen wir bereits gewissen
technischen Veränderungen, die später so häufig vorkommen^
zunächst nämlich der Punktirung des Grundes. Dies Verfahren
hat den Zweck, den hellen Figuren eine matte Folie zu be-
reiten, auf der sie besser hervortreten können, ähnlich wie die
etruscischen Goldschmiede, um helle Partien eines Geschmeides
zu heben, ihnen einen mit unzähligen Goldkömern, wie mit
feinem Staub überstreuten Grund gaben. Sodann werden von
jetzt an, nicht immer, aber sehr oft, die inneren Linien, die
früher ganz wie der Contour gezogen wurden, durch kleine^
feine neben einander gesetzte Parallelstriche ausgedrückt*
Gewöhnlich ist mit dieser Technik eine grosse Häufung des
Details verbunden und eben darin liegt ein unleugbarer Nach-
theil. Der ^dekorative Charakter, der Charakter der Umriss-
zeichnung, geht verloren. Man vergleiche um sich des Unter-
schiedes bewusst zu werden, die beiden erwähnten Spiegel, von
denen der eine, der Telephusspiegel, die spätere, der andere
die frühere Weise wiedergiebt.
35. Die Heilung des Telephus, in der Umgegend von
Bomarzo gefunden. Aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3294.
Zur Recliten sitzt Telephus auf einem Stein, das leidende
Bein auf einen Schemel stützend. Sein ganzes Aussehen macht
den Eindruck des Leidens, der Kopf ist gesenkt, der linke
Arm stützt den Körper, der rechte hängt schlaff über das
Knie herab. Neben ihm steht Achill, mit einem sichelförmigen
Messer am Schaft seiner Lanze kratzend, so dass der Abfall
auf die am Schenkel befindliche Wunde des Telephus fallen
muss ^), und hinter diesem Agamemnon, der die Linke auf einen
1) Denn der bei Gerhard Taf. 61 abgebildete Spiegel, der auffallend
an Vasenbilder grossartigen Stils erinnert, ist nach meiner Ansicht nicht
acht. Auch Gerhard III, p. 64 Anm. 3 dachte an die Möglichkeit einer
Fälschung.
2) Man muss annehmen, dass der Künstler dem Achill eine ganz
eherne Lanze beilegte, wie auch bei Plin. Nat. hist. 84, 152 ange-
deutet ist.
40 1^*6 mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
24. Bacchantin, gegossener und vergoldeter Spiegel,
der noch jetzt zum Spiegeln benutzt werden könnte. Aus
Gerhardts Besitz 1859 erworben. 334.
Eine lebendig bewegte, mit einem Pantherfell bekleidete
Bacchantin; hinter ihr die Schlange, die bei den bacchischen
Feiern eine Rolle spielte.
Diese Zeichnung könnte für altgriechisch gelten,
Abg. Gerhard I, Taf. 96, der (IH, p. 101) das Motiv missversteht,
indem er meint, die ßaccliantin fliehe vor der Schlange.
25. Bacchantin zwischen Silenen, gegossener Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3353.
Eine Bacchantin, mit einem Thyrsus in der Hand, umfasst
einen Silen, der Trinkhorn und Schlauch hält. Daneben ein
zweiter Silen, der sich höchlich über die Vertraulichkeit des
Paares verwundert.
Das Bild hat etwas etruscisch Unerfreuliches, etwas
Carikirtes. An den Figuren der Silene ist auch schon zu viel
Detail ausgedrückt.
. Die Delphine im Abschnitt ganz wie oben.
Abg. Gerhard I, Taf. 102, in dessen Erklärung {III, p. 104) aber
die Motive missverstanden sind. Der Lorbeerkranz auf dem Kopfe des
einen Silen soll nach Gerhard die „geläuterte Weihe*' desselben be-
zeichnen.
26. Silensmaske, aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3357.
Die Neigung der Etrusker zur Carikirung und Ueber-
treibung ist in diesem Kopf wieder sehr merklich. Die langen,
abstehenden Ohren wird man in griechischer Kunst vergebens
suchen. Der Kopf ist wie ein zauberabwehrendes Symbol nach
Art eines Medusenkopfes auf dem Spiegel angebracht.
Abg. Gerhard I, 71, 6.
27. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben, 3323.
Die Deutung dieses Bildes ist nicht ganz sicher, weil das
zu Grunde liegende griechische Vorbild Veränderungen er-
fahren zu haben scheint, die das Verständniss desselben trüben.
Man wird allerdings an die griechischen Darstellungen von der
Verfolgung des Kephalos durch die Eos erinnert, versteht aber
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 41
nicht, wie Kephalos, der ein Jäger war, zu den Geräthen
kommt, die der Knabe trägt. Es ist nämlich eine Ciste, wie
sie zur Aufbewahrung von Toilettengeräth diente, und ein an
beiden Seiten spitzer Stecken, dessen Bestimmung uns freilich
unklar ist. Man könnte daher auch an die auf Vasen nicht
seltenen Darstellungen denken, wo Nike einen Jüngling verfolgt,
nur dass man auch dann Kranz oder Binde in den Händen
der Göttin erwartet.
Im Allgemeinen steht die Zeichnung den griechischen
Vorbiklern nahe, aber die Haltung des linken Beins der Eos
ist wieder eine etruscische Härte und Gewaltsamkeit.
Eigenthümlich unkünstlerisch ist auch das Ornament.
Eine noch dazu phantastisch behandelte Palmette, die in der
griechischen Ornamentik für bestimmte Zwecke, namentlich
als Bekrönung verwendet wird, ist hier als ein roh abge-
schnittenes Glied einfach in den Raum zur Belebung desselben
hineingesetzt. Und der Epheukranz, der das Ganze einfasst,
entwickelt sich auf höchst unorganische und unverständliche
Weise aus dem ebenfalls palmettenartig gestalteten Ornament
am Griff. Die unorganische Entwicklung des Kranzes aus
dem Griffornament ist überhaupt ein Fehler sehr vieler etrus-
oischer Spiegel. Man sieht hier und in vielen ähnlichen
Fällen deutlich, dass die etruscischen Künstler nicht etwa
fertige griechische Spiegel vorfanden, die sie nur zu copiren
brauchten, sondern dass sie nur die einzelnen Elemente ihrer
Darstellung aus der griechischen Kunst nahmen, deren Ver-
bindung und Zurichtung für den Zweck der Spiegelzeichnung
ilinen überlassen blieb.
Abg. Gerhard II, 179.
28. Eos und Memnon, in Vulci gefunden. Aus Ger-
hardts Besitz 1859 erworben, n. 3360.
Die Göttin sclireitet langsam mit dem .Leichnam des
Sohnes dahin. Der Schleier, der sie umhüllt, ist für den Aus-
druck der Trauer angemessen.
Die Composition hat etwas unschön Rechtwinkliges.
Schon auf alterthümlichen griechischen Vasen ist der Gegen-
stand viel natürlicher componirt.
Das Käuzlein dient wohl nur zur Raumausfüllung.
Abg. Gerhard III. IV, 361, der den von ihm für verschwunden
gehaltenen Spiegel wunderlicher Weise auf Eos und Kephalos, „der
ohnmächtig von dannen gebracht wird" erklärt.
42 ^^^ mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
29. Herkules und Antaeus, vulcentischer Spiegel,
1863 durch .Vermittlung von Prof. Brunn erworben, 3496.
Dieses Bild kann trotz einer räthselhaften Inschrift wohl
nicht anders als auf Herkules und Antaeus gedeutet werden.
Denn sichtlich ist Herkules bemüht, den Antaeus, der mit dem
rechten Fuss am Boden zu haften strebt, während er den linken
vor Schmerz bereits erhoben hat, vollends in die Höhe zu
heben. Die Arme des Antaeus hjaben allen Widerstand be-
reits aufgegeben, der rechte ist mit einer Trauergeberde gegen
den Kopf erhoben. Neben der Gruppe steht in Stellung und
Gewandung an die berühmte Pallas Albani erinnernd, die
Schutzgöttin des Herkules, durch die erhobene Hand ihren
Schützling, wie es scheint, anfeuernd.
Die Jugendlichkeit des Herkules ist nicht auffallend, er
erscheint auf den etruscischen Spiegeln fast immer so, eher
aber könnte Antaeus zu knabenhaft erscheinen. Aber die Vor-
liebe für bartlose Gesichter ist für die etruscischen Gemmen
wie für die Spiegel in gleicher Weise charakteristisch. Dort
finden wir selbst einen unbärtigen Poseidon, hier ist ein bart-
loser Zeus wenigstens durchaus nicht ungewöhnlich und Merkur
wie Bacchus sind fast nur als Jünglinge bekannt.
Wie die Inschrift des Antaeus Epiur zu verstehen sei,
wissen wir nicht. Auf einem anderen Spiegel trägt ein Eros
die Beischrift Epeur, und durch diese Uebereinstimmung wird
der Sinn derselben noch räthselhafter. Auch Herkules hat
seine Beischrift Hercle.
Abg. Gerhard III. IV, 335, 2, der sich p. 79 in allerhand unbe-
weisbaren Vermulhungen ergeht. Vgl. Brunn bullet. 18G2 p. 110.
30. Achill und Penthesilea, volcentischer Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben, 3296.
Achill hat Penthesilea ergriffen, um ihr den Todesstoss
zu geben, während sie bittend die Rechte gegen ihn ausstreckt.
Die Inschriften sind wie auf den älteren griechischen Vasen
so angeordnet, dass sie alle Zwischenräume der Figuren aus-
füllen. Man liest Achle und Penta(s)ila, indem das fehlende s
für die an seiner Stelle befindliche Beschädigung vorauszu-
setzen ist.
Dieser Spiegel steht griechischen Vasenbildern von der
Art der Sosiasschaale sehr nahe. Die Ausführlichkeit im
Detail findet sich hier wie dort. Aber daneben fehlt auch das
eigenthümlich Etruscische nicht, und es liegt besonders in der
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 43
gezwungenen Stellung der beiden Figuren, die freilich bei
nicht wenigen Spiegeln wiederkehrt.
Die beiden Figuren entsprechen sich, wie es oft auf den
Spiegeln der Fall ist, fast ganz genau. Nur das längere Haar
und das Halsband unterscheidet das Weib.
Abg. Gerhard II, 233.
31. Orest und Klytämnestra, aus der Sammlung Ger-
hardts 1859 erworben, 3371.
Orest (Urusthe) hat die Klytämnestra (Clutumita) ergriffen^
um ihr den Todesstoss zu versetzen. Jene hält ihm die ent-
blösste Brust entgegen, wie Aeschylus gedichtet hatte, dass
die Mutter dem Mörder die Brust gezeigt habe, die ihn ge-
nährt. Die Zwischenräume der Figuren sind durch Blumen
ausgefüllt. Am Griff ist eine geflügelte und strahlenbekränzte
Figur, die wir nicht näher bestimmen können.
In der Stellung und Gewandung der Klytämnestra ver-
misst man das richtige Verständniss. Die gesträubten Haare
derselben sind für die Uebertreibung der etruscischen Kunst
charakteristisch.
Abg. Gerhard II, 237. Stephani Nimbus und Strahlenkranz p. 69
nennt die geflügelte Figur am Grijff eine Erinys, „weil die an den
Griffen der Spiegel angebrachten Figuren fast immer in dem engsten
Zusammenhang mit der Hauptdarsteliung stehen". Diese Behauptung
ist »schwer zu beweisen, weil wir in so vielen Fällen die Figuren an
den Griffen gar nicht benennen können, und schwer zu glauben, wenn
man sich nach den Producteu ein Bild der Producenten zu machen
versucht. Es scheint mir daher mehr als gewagt, eine Figur, deren
äussere Charakteristik auf ganz andere Gebiete hindeutet, Erinys zu
nennen und zwar mit einer Sicherheit, die nicht „den geringsten Zweifel
obwalten" lässt.
32. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben, 3329.
Auf diesem sorgfältigen Spiegel sind zwei Figuren ohne
Handlung einander gegenübergestellt. Die zur Linken scheint
männlich, die andere möchten wir wegen des langen Gewandes
für weiblich halten. Jener hält eine Ranke in der einen
Hand, diese zieht mit der Linken ihr Gewand an, ein Gestus,
der auch eher für eine Frau passt. Wir denken bei diesem
Spiegel an die auf Vasen nicht seltenen Scenen, wo Männer
und Frauen sich verbindlich gegenüberstehen und sich ein
Blümchen präsentiren etc.
40 ^'^^ mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
24. Bacchantin, gegossener und vergoldeter Spiegel,
der noch jetzt zum Spiegeln benutzt werden könnte. Aos
Gerhardts Besitz 1859 erworben. 334.
Eine lebendig bewegte, mit einem Pantherfell bekleidete
Bacchantin; hinter ihr die Schlange, die bei den bacchischen
Feiern eine Rolle spielte.
Diese Zeichnung könnte für altgriechisch gelten.
Abg. «ierliard I, Taf. 96, der (IH, p. 101) das Motiv missverslehi,
indem er meint, die ßaccliantin fliehe vor der Schlange.
25. Bacchantin zwischen Silenen, gegossener Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3353.
Eine Baccliantin, mit einem Tliyrsus in der Hand, umfasst
einen Silen, der Trinkhorn und Sclilauch hält. Daneben ein
zweiter Silen, der sich höchlich über die Vertraulichkeit des
Paares verwundert.
Das Bild hat etwas etruscisch Unei-freuliches , etwas
Carikirtes. An den Figuren der Silene ist auch schon zu nel
Detail ausgedrückt.
. Die Delphine im Abschnitt ganz wie oben.
Abg. Gerhard I, Taf. 102, in dessen Erklärung (III, p. 104) aber
die Motive missverstanden sind. Der Lorbeerkranz auf dem Kopfe des
einen Silen soll nach Gerhard die „geläuterte Weihe** desselben be
zeichnen.
26. Silensmaske, aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3357.
Die Neigung der Etruskcr zur Carikirung und Ueber-
treibung ist in diesem Kopf wieder sehr merklich. Die langen,
abstehenden Ohren wird man in griecliischer Kunst vergebens
suchen. Der Kopf ist wie ein zauberabwehrendes Symbol nach
Art eines Medusenkopfes auf dem Spiegel angebracht.
Abg. Gerhard I, 71, 6.
27. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben, 3323.
Die Deutiuig dieses Bildes ist nicht ganz sicher, weil das
zu Grunde liegende griechische Vorbild Veränderungen er-
fahren zu haben scheint, die das Verständniss desselben trüben.
Man wird allerdings an die griechischen Darstellungen von der
Verfolgung des Kephalos durch die Eos erinnert, versteht aber
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 41
nicht, wie Keplialos, der ein Jäger war, zu den GrnxhrZL
kommt, die der Knabe trägt. Es ist nämlich eine Ciste, '»ic
sie zur Aufbewahrung von Toilettengeräth dient«, und ein ui
beiden Seiten spitzer Stecken, dessen Bestimmung uns freilich
unklar ist Man könnte daher auch an die auf Vasen nicbt
seltenen Darstellungen denken, wo Nike einen jQngling verfolft,
nur dass man auch dann Kranz oder Binde in den Binden
der Göttin erwartet.
Im Allgemeinen steht die Zeiclmung den griechischeL
Vorbiklern nahe, aber die Haltung des linken Bein» der Erjz
ist wieder eine etruscische Härte und Gewaltsamkeit.
Eigenthtimlich unkünstlerisch ist auch das OmameifL
Eine noch dazu phantastisch behandelte Palmette, die in der
griechischen Ornamentik für bestimmte Zwecke, namentlich
als Bekrönung verwendet wird, ist hier als ein roh abge-
schnittenes Glied einfach in den Raum zurBelebnug def^vellia
liineingesetzt Und der Epheukranz, der das Ganze eiüi»wt-
entwickelt sich auf höchst unorganische und uDvermiindli^^m
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oischer Spiegel. Man sieht hier und in Tjel*a. iimii'nr^
Fällen deutlich, dass die etruscischen KtinvtW ui-sr ^-t»a
fertige griechische Spiegel vorfanden, die «e nur zi wi»im
braucliten, sondern dass sie nur die einzelnei Li^nu^szs- .!in*r
Darstellung aus der griechisclion Kunst nalini<a.- •htti '---
bindung und Zurichtung für den Zweck dfr butssHuittannj
ihnen überlassen blieb.
Abg. Gerhard II, 179.
28. Eos und Memnon, in Vul'-J ^nmva. .kn- '.■ ■•
hard's Besitz 1859 erworben, n. SSKij
Die Göttin sclireitct langsam mr u-m I>rnr-ftni
Sohnes dahin. Der Schleier, der «a*: umaffi: jr iir «..-t ■
druck der Trauer angemessen.
Die Composition hat et»fi* uir!^« 3>-*.irr - ,
Schon auf alterthümlichen gri'-nift^^a "^»^ >•• •■ ■ . -
stand viel natürlicher componiTw
Das Käuzlein dient wohl mr sar iMdMn^^'i ' : -
. ■ f
Abg. Gerhard III. IV, 3€L fi? sa -wi. bqt
gehaltenen Spiegel wunderikhsr '^^9^ mf Imn in^i « >
ohnmächtig von dannen
42 ^^^ mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
29. Herkules und Antaeus, vulcentischer Spiegel,
1863 durch Vermittlung von Prof. Brunn erworben, 3496.
Dieses Bild kann trotz einer räthselhaften Inschrift wohl
nicht anders als auf Herkules und Antaeus gedeutet werden.
Denn sichtlich ist Herkules bemüht, den Antaeus, der mit dem
rechten Fuss am Boden zu haften strebt, während er den linken
vor Schmerz bereits erhoben hat, vollends in die Höhe zu
heben. Die Arme des Antaeus haben allen Widerstand be-
reits aufgegeben, der rechte ist mit einer Trauergeberde gegen
den Kopf erhoben. Neben der Gruppe steht in Stellung und
Gewandung an die berühmte Pallas Albani erinnernd, die
Schutzgöttin des Herkules, durch die erhobene Hand ihren
Schützling, wie es scheint, anfeuernd.
Die Jugendlichkeit des Herkules ist nicht auffallend, er
erscheint auf den etruscischen Spiegeln fast immer so, eher
aber könnte Antaeus zu knabenhaft erscheinen. Aber die Vor-
liebe für bartlose Gesichter ist für die etruscischen Gemmen
wie für die Spiegel in gleicher Weise charakteristisch. Dort
finden wir selbst einen unbärtigen Poseidon, hier ist ein bart-
loser Zeus wenigstens durchaus nicht ungewöhnlich und Merkur
wie Bacchus sind fast nur als Jünglinge bekannt.
Wie die Inschrift des Antaeus Epiur zu verstehen sei,
wissen wir nicht. Auf einem anderen Spiegel trägt ein Eros
die Beischrift Epeur, und durch diese Uebereinstimmung wird
der Sinn derselben noch räthselhafter. Auch Herkules hat
seine Beischrift Hercle.
Abg. Gerhard 111. IV, 335, 2, der sich p. 79 in allerhand unbe-
weisbaren Vermulhungen ergeht. Vgl. Brunn bullet. 18G2 p. 110.
30. Achill und Penthesilea, volcentischer Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben, 3296.
Achill hat Penthesilea ergriffen, um ihr den Todesstoss
zu geben, während sie bittend dieKechte gegen ihn ausstreckt.
Die Inschriften sind wie auf den älteren griechischen Vasen
so angeordnet, dass sie alle Zwischenräume der Figuren aus-
füllen. Man liest Achle und Penta(s)ila, indem das fehlende s
für die an seiner Stelle befindliche Beschädigung vorauszu-
setzen ist.
Dieser Spiegel steht griechischen Vasenbildern von der
Art der Sosiasschaale sehr nahe. Die Ausführlichkeit im
Detail findet sich hier wie dort. Aber daneben fehlt auch das
eigenthümlich Etruscische nicht, und es liegt besonders in der
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 45
gezwungenen Stellung der beiden Figuren, die freilich bei
nicht wenigen Spiegeln wiederkehrt.
Die beiden Figuren entsprechen sich, wie es oft auf den
Spiegeln der Fall ist, fast ganz genau. Nur das längere Haar
und das Halsband unterscheidet das "Weib.
Abg. Gerhard II, 233.
31. Orest und Klytämnestra, aus der Sammlung Ger-
hardts 1859 erworben, 3371.
Orest (Urusthe) hat die Klytämnestra (Clutumita) ergriffen,
um ihr den Todesstoss zu versetzen. Jene hält ihm die ent-
blösste Brust entgegen, wie Aeschylus gedichtet hatte, dass
die Mutter dem Mörder die Brust gezeigt habe, die ihn ge-
nährt. Die Zwischenräume der Figuren sind durch Blumen
ausgefüllt Am Griff ist eine geflügelte und strahlenbekränzte
Figur, die wir nicht näher bestimmen können.
In der Stellung und Gewandung der Klytämnestra ver-
misst man das richtige Verständniss. Die gesträubten Haare
derselben sind für die Uebertreibung der etruscischen Kunst
charakteristisch.
Abg. Gerhard II, 237. Stephani Nimbus und Strahlenkranz p, 69
nennt die geflügelte Figur am Grijff eine Erinys, „weil die an den
Griffen der Spiegel angebrachten Figuren fast immer in dem engsten
Zusammenhang mit der Hauptdarstellung stehen". Diese Behauptung
ist »schwer zu beweisen, weil wir in so vielen Fällen die Figuren an
den Griffen gar nicht benennen können, und schwer zu glauben, wenn
man sich nach den Producteu ein Bild der Producenten zu machen
versucht. Es scheint mir daher mehr als gewagt, eine Figur, deren
äussere Charakteristik auf ganz andere Gebiete hindeutet, Erinys zu
nennen und zwar mit einer Sicherheit, die nicht „den geringsten Zweifel
obwalten" lässt.
32. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben, 3329.
Auf diesem sorgfältigen Spiegel sind zwei Figuren ohne
Handlung einander gegenübergestellt Die zur Linken scheint
männlich, die andere möchten wir wegen des langen Gewandes
für weiblich halten. Jener hält eine Kanke in der einen
Hand, diese zieht mit der Linken ihr Gewand an, ein Gestus,
der auch eher für eine Frau passt. Wir denken bei diesem
Spiegel an die auf Vasen nicht seltenen Scenen, wo Männer
und Frauen sich verbindlich gegenüberstehen und sich ein
Blümchen präsentiren etc.
44 ^^^ etruscischen Spiegel.
Reiches Beiwerk umgiebt die Scene. Zwischen den
Figuren steht ein Baum, wie es scheint, ein Palmbaum, an
Wandgemälde aus Tarquinii erinnernd, wo die einzelnen Figuren
durch Bäume getrennt sind. Ausserdem sind mehrere Pflanzen,
ein Sessel und eine Kiste zur Belebung des Raumes benutzt.
Die starke Oxydation des Spiegels hindert über alle
Einzelheiten ins Klare zu kommen.
34. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 angekauft. 3328.
Zwei Jünglinge mit einander im Gespräch, der eine leb-
haft gestikulirend. Diese Zeichnung erinnert sehr an alt-
griechische Vasenbilder.
33. Astarte, den gefundenen Stern nach Tyrus
tragend. Aus Gerhardts Sammlung 1859 angekauft. 3313.
Eine geflügelte Frau, deren Obertheil zerstört ist, trägt
mit beiden Händen eine mit einem Stern verzierte Kugel.
Diese Vorstellung entspricht genau einem Münztypus, welcher
der Stadt Marium auf Cypern beigelegt (de Luynes, numis-
matique et inscriptions Cypriotes p. 37) und auf den genannten
phönicischen Mythus bezogen wird. Es ist jedenfalls sehr
interessant, diesen phönicischen Typus auf einem etruscischen
Spiegel wiederzufinden. Doch ist dies nicht die einzige Be-
rührung zwischen phönicischer und etruscischer Kunst.
Neben der Figur befinden sich raumfüllende Ornamente,
links eine Blume mit einem Vogel darauf, zur Recliten eine
unbestimmbare Verzierung, im Abschnitt zwei sich schnäbelnde
Tauben.
Abg. Gerhard I, 36, 2, von dessen Phantasien ich nur die erwähne,
dass er auf der Kugel (III, p. 18) ein „zum Pentagramm verschlungenes
zwiefaches Dreieck", zu sehen und als ein „Symbol der in sich ver-
schränkten Weltordnung" betrachten zu müssen glaubt. Der fragliche
Gegenstand besteht aber aus einer Kreislinie, an welche sich Zacken
anschliessen, wird also als Stern bezeichnet werden müssen. Auch die
„phrygische Mütze" der Figur ist mehr als zweifelhaft.
Dritte Periode.
Die im Vorstehenden aufgeführten Spiegel gehören dem
alterthümlichen Stil an, der bis in die zweite Hälfte des fünften
Jahrhunderts in Griechenland und vermuthlich auch in Etrurien
herrschte. Aus der nächstfolgenden Periode, als man in
Die etruscischen Spiegel. 45
grossartigem Stil, wenn auch noch mit einiger Strenge compo-
nirte, sind mir keine Spiegel bekannt^), und ich gehe daher
zu den Spiegeln des vierten Jahrhunderts über, von denen ich
freilich mit einiger Zuversicht nur zwei anführen kann, die
beiden schönsten unter denen die existiren, den Telephus- und
Semelespiegel. Auf dem ersteren begegnen wir bereits gewissen
technischen Veränderungen, die später so häufig vorkonmien^
zunächst nämlich der Punktirung des Grundes. Dies Verfahren
hat den Zweck, den hellen Figuren eine matte Folie zu be-
reiten, auf der sie besser hervortreten können, ähnlich wie die
etruscischen Goldschmiede, um helle Partien eines Geschmeides
zu heben, ihnen einen mit unzähligen Goldkörnern, wie mit
feinem Staub überstreuten Grund gaben. Sodann werden von
jetzt an, nicht immer, aber sehr oft, die inneren Linien, die
früher ganz wie der Contour gezogen wurden, durch kleine^
feine neben einander gesetzte Parallelstriche ausgedrückt.
Gewöhnlich ist mit dieser Technik eine grosse Häufung des
Details verbunden und eben darin liegt ein unleugbarer Nach-
theil. Der ^dekorative Charakter, der Charakter der Umriss-
zeichnung, geht verloren. Man vergleiche um sich des Unter-
schiedes bewusst zu werden, die beiden erwähnten Spiegel, von
denen der eine, der Telephusspiegel, die spätere, der andere
die frühere Weise wiedergiebt.
35. Die Heilung des Telephus, in der Umgegend von
Bomarzo gefunden. Aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3294.
Zur Rechten sitzt Telephus auf einem Stein, das leidende
Bein auf einen Schemel stützend. Sein ganzes Aussehen macht
den Eindruck des Leidens, der Kopf ist gesenkt, der linke
Arm stützt den Körper, der reclite hängt schlaff über das
Knie herab. Neben ihm steht Achill, mit einem sichelförmigen
Messer am Schaft seiner Lanze kratzend, so dass der Abfall
auf die am Schenkel befindliche Wunde des Telephus fallen
muss ^), und hinter diesem Agamemnon, der die Linke auf einen
1) Denn der bei Gerhard Taf. 61 abgebildete Spiegel, der auffallend
an Vasenbilder grossartigen Stils erinnert, ist nach meiner Ansicht nicht
acht. Auch Gerhard III, p. 64 Anm. 3 dachte an die Möglichkeit einer
Fälschung.
2) Man muss annehmen, dass der Künstler dem Achill eine ganz
eherne Lanze beilegte, wie auch bei Plin. Nat. bist. 84, 152 ange-
deutet ist.
36 I^iß zweite Periode der etruscischen Spiegel.
Zeit die Profilstellung vorgezogen, während die Figuren in
späterer Zeit oft en face gestellt werden und dadurch freier
und gleichsam losgelöst vom Hintergrund erscheinen.
Unter den Spiegeln dieser Periode finden sich nicht wenige^
die wie Copien altgriechischer Zeichnungen aussehen. Der unter
n. 24 aufgeführte Spiegel mit der Darstellung einer Bacchan-
tin könnte als ein altgriechisches Vasenhild angesehen werden
und es dürfte schwierig sein, irgend etwas specifisch Etrus-
cisches darin aufzufinden. Andererseits giebt es Spiegel-
zeichnungen von ganz specifisch etruscischem Charakter, wovon
der unter n. 17 daher besprochene Spiegel vielleicht das
' schönste Beispiel giebt. Eine grosse Härte und Eckigkeit in
Formen und Bewegungen ist das allgemeine Kennzeichen dieses
Styls, wozu dann manches Einzelne, z. B. eine gewisse Schädel-
form, die der ägyptischen unleugbar ähnlich ist, hinzukonmit
Und wie die Form, so ist auch der Inhalt der Darstellungen
in dieser Spiegelclasse specifisch national. Nicht griechische
Mythen nämlich sind dargestellt, sondern Gegenstände aus
dem etruscischen Privatleben, namentlich Tänzerinnen. Doch
stehen diese eigentlich etruscischen Spiegel den mehr gräci-
sirenden in der Ausführung nicht nach, sondern übertreffen
sie zum Theil. Der oben erwähnte Spiegel erinnert in der
Feinheit und Sauberkeit seiner Technik an die schönsten etrus-
cischen Skarabäen.
Wir führen nun zunächst diejenigen Spiegel unserer
Sammlung auf, welche dieser Periode, also dem fünften Jahr-
hundert angehören und schicken dabei die specifisch etiniscischen
den mehr gräcisirenden voraus. Natürlich giebt es dabei viele
Mittelstufen, über deren Zutheilung zur einen oder anderen
Classe man schwanken kann.
a) Die specifisch etruscischen Spiegel dieser Periode.
17. Etruscische Tänzerinnen, schwerer gegossener
Spiegel, wie sie gerade im älteren Styl sehr gewöhnlich sind.
War vergoldet. Aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben.
3370.
Die Vorstellung ist von strengstem ornamentalen Cha-
rakter und der Künstler hat auf die Bedeutung der Figuren
sichtlich sehr geringes Gewicht gelegt. Doch lässt sich be-
haupten, dass dieselben dem Leben angehören und nach ihren
Geberden als Tänzerinnen aufzufassen sind. Die Figuren so-
Die specifisch etruscischen Spiegel dieser Periode. 37
wohl wie auch alles raumfüllende Beiwerk, Binden und Blumen
sind mit strengster Symmetrie componirt und das Ganze ist
mit höchster Eleganz und Sauberkeit ausgeführt. Nur fehlte
es dem Künstler, der das Technische so wohl verstand, an dem
höheren künstlerischen Verständniss. Die äusseren Beine der
Frauen sind ganz verzeichnet und der Mantel musste an
beiden Seiten vom Kopf auf die Schultern herabsinken. Die
Figuren erinnern mit ihren fein verzierten Gewändern sehr an
gewisse altetruscische Wandgemälde von Tarquinii. (Mus.
Greg. I, 102).
Abg. Gerhard I, 44, der die Figuren als Lasen (III, p. 32) erklärt,
indem er Alles missversteht.
18. Tänzerinnen, gegossener und vergoldeter Spiegel.
Aus Gerhardts Besitz 1859 erworben. 3353.
Zwei Tänzerinnen mit Castagnetten in den Händen, genau
einander entsprechend, umgeben einen Jüngling, der sich mit
einer derselben zu schaffen macht. Die Zwischenräume der
Figuren sind mit Reben und Blumen ausgefüllt Der Jüngling
in der Mitte hat eine in der altetruscischen Kunst häufiger
vorkommende, der ägyptischen ähnliche Schädelform, die ver-
muthlich durch den Einfluss ägyptischer Werke zu erklären
ist. Auch hier ist die Verwandtschaft mit den oben erwähn-
ten Tarquiniensischen Wandgemälden auffallend.
Im Abschnitt Delphine.
Abg. Gerhard 1, [98, der das Bild als „bacchische Einweihung"
deutet. III, p. 100.
19. Flötenspieler mit Tänzerinnen, gegossener und
vergoldeter Spiegel, aus Gerhardts Besitz 1859 erworben. 3354.
Das Bild ist dem vorigen sehr ähnlich und rührt ver-
muthlich von derselben Hand oder wenigstens Fabrik her.
Da alle Figuren nach derselben Seite gerichtet sind, so
scheint es, als ob eine Procession dargestellt sei. Wahrschein-
licher aber ist dieser Umstand nur eine Folge ungeschickter
oder alterthümlicher Compositionsweise. Die Figuren der
Tänzerinnen wiederholen sich auf das Genaueste.
Abg. Gerhard I, Taf. 99, der hier einen „Einweihnngszug" sieht.
III, p. 102.
20. Kitharspielerin von Jünglingen bewundert,
gegossener Spiegel, aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
554
Alphabetisches Register.
Bacchus, unbedeutende Statuette
in Dresden 771.
Bacchus, Broncestatuette aus Pom-
peji 856.
Bacchus in der WiegeJ, Terra-
kottarelief 622.
Bacchus bei Ikarios 780. M
Bacchus^ von Satyrn gestützt,
etruscische Gruppe 986.
Bacchus und Satyrn, Marmor-
gruppe in Berlin 624.
Bacchus und Hören 76.
Bacchus und Ariadne, Relief im
Vatikan 633.
Bacchus und Viktoria, Dreifuss-
basis aus Athen 630.
Bacchus und Herkules auf einer
goldnen Schaale 790.
Bacchus imd die personificirte
Rebe 762.
Bacchussarkophag 785.
Bacchuspriester, sog., in München
59.
Basis eines Dreifusses, aus Dres-
den 75.
Basis einer Statue mit alterthüml.
Reliefs, aus Athen 63.
Basis mit Viktorien, Relief in
Athen 570.
Desgl. 570.
Baton,sog.,Bronce in Tübingen 49.
Becher, in Bonn, mit Reliefs 946.
Becher, von Silber, mit Reliefs,
aus rompeji 891—893.
Berenice, sog., Broncebüste 869.
Bias, sogenannter, Büste in Ma-
drid 520.
Borghesischer Fechter 681.
Brunnenmündung, capitoliuische
69.
Caelius, M., Grabstein des 808.
Cäsar, Kopf 803.
Cäsar und Augustus, Relief von
Ravenna 806.
Camillus, Broncestatue 797.
Candelaber, im Louvre 941.
Candelaber, barberinische , ihre
Reliefs 739 ff.
Candelaber mit Silensfiguren, aus
Pompeji 876. 877.
Candelaberbasis mit Amoren 779.
Candelaberbasis im capitolin. Mu-
seum 638.
Candelaberstücke aus Pompeji 875.
Canolejus, Schaale des 945.
Capitolinische Brumienmündimg
69.
Carminius, Grabstein des 808 Anm.
Caryatiden, vom Erechtheum 324.
Caryatiden, römische 732 ff.
Caryatide des Criton und Niko-
laos 733.
Centaur mit Amor 609.
Centauren mit Amoren, pompeja-
nische Reliefs 891. 892.
Ceres, sog., im Vatikan 686.
Choragische Reliefs 70 — 73.
! Cicero, Büste 802.
i Clytie, sog., 813.
: Colosse von Monte • Cavallo 104.
' 105.
I Corinna und Sappho, angeblich^
Doppelbüste 510.
Dacier, Colossalköpfe 829—831.
Dädalus und Ikarus, Relief 761.
Dejanira und Nessus (?) 677.
Dekrete, mit Reliefs verziert 407
-410.
Demosthenes, Statue im Vatikan
513.
Demosthenes, sogenannter, im
Louvre 514.
Diana von Versailles 665.
Diana, Marmorstatue aus Pom-
peji 56.
Diana, Broncestatuette aus Her-
kulanum 853.
Diana, Torso im Vatikan 772.
Diana von Gabii, sog. 684.
Diana, Büste, von Gabii, in Mün-
chen, 61.
Diana, etruscische 984.
Diana und Apoll aus Pompeji
842. 843.
Dichterstatue in Villa Borghese
512.
Dichter und Musen, Sarkophag788.
Diogenes in Villa Albani 517.
Dionysos s. Bacchus.
Dioskuren von Monte Cavallo 104.
105.
Diskobol des Myron 99
Alphabetisches Register.
555
Diskobol, ruhig stehender, im Va-
tikan 500.
Domauszieher 501.
Dorj^phoros, Statue in Neapel
96. vgl. Nachtrag.
Dreifuss aus Pompeji 874.
Dreifussbasis aus Athen 630.
Dresdener Basis 75.
Eber 925.
Eberjagd, etruscisch, 970.
Eimer aus Pompeji und Herku-
lanum 896 ff.
Eleusinisches Relief 298.
i:^ndymion in Stockholm 722.
Erechtheum, Sculpturen vom 324
—334.
Erichthonius, Geburt des, Relief
im Vatikan 493.
Eros s. Amor.
Eule, aus Athen 13.
Eumusia, Statuette in London 774.
Euripides, Marmorstatuette im
Louvre 505.
Euripides und Sophokles, DDp-
pelbüste 504.
Faruesischer Stier 571.
Faun, barberinischer 656.
Faun mit dem Flecken 648.
Faustiua die jüngere, sog. 837.
Fechter, borghesischer ^1.
Fischer, Statuette aus Pompeji 848.
Flora, Farnesische 618.
Fortuna — Isis , Broncestatuette
860.
Frauen neben einem Idol 691.
Fraueubüste, griechisch, in Mün-
chen 687. i
Gallier, Statuen in Venedig und i
Neapel 572 tf. |
Gallier, sterbender, vom Capitol |
579.
Gallier imd sein Weib, aus Villa
Ludovisi 580.
Ganymed, angeblicher, in Florenz
613.
Ganymed, Torso in Berlin 612.
Germauikus, sog. 693.
Germanikus, sogenannter, Relief
in Dresden 807.
Götterversammlung an einem Al-
tar im Capitol 745.
Göttin, wagenbesteigende, Relief
aus Athen, 19.
Grabaltar, römischer 953.
Grabstatue, aus Andros 443.
Grabsteine, griechische, des vol-
lendeten und späteren Stils
357—389.
Grabsteine, griechische, mit der
Darstellung des Todtenmahles
385—389.
Grabsteine, römische, 808 ff.
Grabstein des Aristion 20.
Grabstein aus Grotta ferrata 364.
Grabstein aus Neapel, sog. Odys-
seus, 21.
Grabstein aus Orchomenos 22.
Grabstein aus Pompeji 381.
Grabvase in Mtlnchen 361.
Grazie, nackter Torso in Tegel 617.
Grazien, drei, 79.
Greisengruppe, ReUei&agment801.
Gürtelschloss , aus Herkulanum
916 ff.
Harmodios und Aristogeiton, Mar-
morgruppe 24. 25.
Harpagosgrab, Reliefs vom, 526 —
567.
Harpokrates, Broncestatuette 861.
Harpyienmonument 27 — 30.
Hausaltärchen aus Pompeji 920.
Hekate, Statuette vom Capitol 775.
Hekate, Broncestatuette in Arol-
sen 862.
Hektor und Troilus, sog. 731.
Helena und Paris 679.
Henkel und Vasen aus Pompeji
und Herkulanum 910 ff.
Hephästuskopf 668.
Hephäst, fragmentirtes Relief 751.
Hera s. Juno.
Herkulanische und pompejanische
Alterthümer 842 ff.
Herkules, Torso vom Belvedere
676.
Herkules, Faruesischer 675.
Herkules, Büste aus Herkulanum
845.
Herkules mit der Hindin, Relief
in London 23
556
Alphabetisches Register.
Herkules mit der Hindin, Erz-
gruppe aus Pompeji 847.
Herkules den Dreifuss raubend 78.
Herkules mit Amor, an einer
Lampe 890.
Herkules imd Bacchus auf einer
goldnen Schaale 790.
Herkules (?) und Nike, Relief in
Athen 495.
Herkules und Minerva, etrusc.
Spiegelrelief 985.
Herkulesdarstellungen an einer
Marmorscheibe 943.
Hermaphrodit, borghesischer 614.
Hermaphrodit, Torso 615.
Hermaphrodit und angebliche
Muse, capitolin. Relief 616.
Herme, dem Herkules ähnlich
728.
Herme, vierköpfig 965.
Hermes s. Merkur.
Herodot und Thucydides, Doppel-
büste 516.
Heros, jugendlicher, Büste aus
Madrid 102.
Hestia s. Vesta.
Hippokrates, sogenannter, Büste
in Madrid 521.
Hippolyt, der heil., Statue 841.
Hirsch, Trauben fressend, 932.
Hirtenknabe, Broncestatuette in
Arolsen 867.
Hirtin mit Böcklein, Statue 799.
Hochzeit des Zeus und der Hera,
Relief in Villa Albani 65.
Homer, Büste in Potsdam 507.
Homer, Büste in London 508.
Homer, seine Apotheose, Marmor-
relief 736.
Homer, seine Apotheose, Silber-
becher aus Herknlanum 894.
Himd, sitzender 926.
Hundegruppe im Vatikan 927.
Hypnos,Broncekopfin Neapel 450.
Hypnos, Marmorstatue in Madrid
Jason, sog. 666.
Ikarus und Dädalus, Relief 761.
Hdefonso, Gruppe von 754.
Inopus, Statue in Paris 454.
Iphigenie auf der Mediceischen
Marmorvase 778.
Isis-Fortuna, BroncesJtatuette 860.
Isispriesterin 798.
Jüngling, nackter, Broncestatuette
in Bonn 866.
Juno, Statue in Wien 434.
Juno, Farnesische Büste 89.
Juno, Büste in Villa Ludovisi 433.
Junokopf, kleiner, in Villa Ludo-
visi 661.
Junokopf im Vatikan 662.
Juno, Relief an einem Candelaber
739.
Juno und Thetis 777.
Jupiter s. Zeus.
Kalender in Bildern, aus Athen
789.
Kaly donische Jagd, Terrakottare-
lief in Berlin 498.
Kannen aus Pompeji und Herkn-
lanum 896 ff.
Knabe mit der Gans 987.
Knabe mit dem Krug 796.
Knäbchen mit der Ente 795.
Knieende Figur in barbarischer
Tracht, Broncestatuette in Arol-
sen 868.
Kuöchelspielerin 689.
Köpfe, weibliche, unbestimmbar
695. 696.
Kopf, männlicher, idealer, in Pa-
ris 453.
Kopf, weiblicher, idealer, in Ma-
drid 452.
Korybanten und Satyr, Relief im
Vatikan Q42.
Krieger, ruhender, in Villa Lu-
dovisi. 683. ♦
Kriegsscene , alterthüml. Relief
aus Athen 64.
Krim, Denkmäler aus der 698 ff.
Krüge aus Pompeji und Herkn-
lanum 896 ff.
Kuh mit ihrem Kalb 931.
Lampe in Arolsen 890.
Lampen aus Pompeji und Herku-
lanum 885 ff
Lampengestell aus Pompeji 884.
Laokoon 716.
Laokoon, Kopf in Brüssel 717.
Laokoonsrelief 718.
Alphabetisches Register.
557
Leda mit dem Schwan, Marmor-
relief 607.
Leukothea, sogenannte in Mün-
chen 411. vgl. Nachtrag.
Leukothea , sog. , Grabrelief in
Villa Albani 31.
Löwe, im Palast Barberini 924.
Löwe einen Stier zerfleischend 930.
Löwen, etriiscisch 970.
Löwenmss , geflügelt , aus dem
Theater zu Pompeji 963.
Löwenthor von Mykenä 1.
Lucius Verus, Triumph des, Re-
lief 839.
Lysikratesdenkmal , Kelief vom,
476—492.
Mädchen sich ankleidend 684.
Mädchen mit der Muschel 688.
Mädchen, Wasser holend 685.
Mänade s. Bacchantin.
Männlicher Kopf auf der Biblio-
thek in Paris 453.
Marathonische Vasen, sog. 361.
362. 369—371.
Marmorscheibe mit bacchischen
Masken 942.
Marmorscheibe mit Herkulesdar-
stellungen 943.
Marmorvase mit bacchischen Fi-
guren, im brit. Mus. 641.
Mars Borghese 720.
Mars^, Kopf' in München 721.
Mars in Villa Ludovisi 436.
Mars, Relief an einem Candelaber
739.
Mars und Rhea Silvia, Relief auf
einem Becher 946.
Mars und Venus, auf der Ära
Casali 791ff.
Marsyas, Torso in Berlin 659.
Masken, bacchische 968.
Desgl. 942.
Masken, tragische und komische
967.
Masken, Relief aus Athen 966.
Mausoleum, Reliefs vom, 457 —
475.
Medea mit den Töchtern des Be-
llas, Relief 494.
Mediceische Marmorvase in Flo-
renz 778.
Meduse Rondanini 672.
Meduse in Cöln 773.
Meduse, Terrakotta aus Athen
12.
Meduse, etruscisch 970.
Meerdämonen und Amoren, Sar-
kophag 787.
Meergott, Hermenbüste im Vati-
kan 727.
Melpomene, Statue im Louvre
723.
Menander und Aristophanes, Dop-
pelbüste 509.
Menelaus mit der Leiche des Par
troklus 430. 431.
Merkur, Statue, im Belvedere 441.
Merkur, Statue, aus Melos 442»
Merkur, Statue in Florenz 667.
Merkur, unter dem Namen Jason
bekannt 666.
Merkur, aus Herkulanum 844.
Merkur, Relief an einem Cande-
laber 739.
Merkur mit dem Bacchuskind,,
angeblich, 300.
Merkur (?), Relief aus Athen 18.
Minerva s. Pallas.
Minotaur, etruscisch 970.
Moiren s. Parzen.
Moldau, Denkmäler aus der 713.
714.
Muse, angebliche, und Hermaphro-
dit, capitolin. Relief 616.
Musen und Dichter, Sarkophag
788.
Musius, Grabstein des, 808 Anm.
Mykenä, Löwenthor 1.
Myron, Werke des, 99. 100.
Nemesis 669.
Neptun, sein Thron mit Amoren
747.
Nereiden auf Seepferden 765. 766.
Nereidenmonument, Reliefs vom,
526—567.
Nero, Kopf 814.
Nessus und Dejanira (?) 677.
Nike s. Viktoria.
Nil, Statue 719.
Niobiden, Gruppe in Florenz 412 —
429.
Niobidensarkophag 784.
Q Der künstierische Charakter der antiken Metall-Geräthe.
dem auch menschliche Köpfe zu Brunnenmündungen benutzt,
doch erinnere ich mich nur Köpfe von Wasserdämonen, nament-
lich Silenen, in solcher Verwendung gesehen zu haben. Etwas
Singuläres ist, dass zwei Quellen in der Nähe von Coronea
einen Ausguss in der Form weiblicher Brüste hatten, indem
das Wasser wie die Milch der Quellnymphen dargestellt
wurde ^). Aehnliche Motive findet man an Brunnen der Renais-
sance, z.B. an dem Brunnen neben der Lorenzkirche in Nürn-
berg, wo das Wasser freilich nicht aus den Brüsten von
Nymphen, sondern von allegorischen Gestalten herausfliesst.
Wir betrachten nun weiter die Verwendung ganzer
Figuren für tektonische Zwecke und beginnen mit einigen
Schmuckgegenständen, die besonders sinnig erfunden sind. Die
goldnen Ohrringe, die uns aus dem Alterthum erhalten, sind,
wie überhaupt die zum Hängen bestimmten Geräthe, z. B. Ge-
wichte, oft in Form von Eicheln oder ähnlichen Dingen, die
man sich als hängende Körper denkt, gebildet, sehr oft aber
sind es auch geflügelte Figuren in sch^^ebender Stellung. Die
Sirene, der vom Adler geraubte Ganymed und die Viktoria
sind in dieser Weise zu Ohrringen benutzt, besonders häufig
aber ist ein kleiner, schwebender Amor. Wie nothwendig ist
an dieser Stelle die geflügelte Figur und wie anmuthig schel-
misch, dass es ein kleiner Amor ist! Die goldenen und
broncenen Armringe, auch Fingerringe sind oft in Form von
Schlangen gebildet und die ersteren hiessen auch „Schlangen",
man wird auch hier, wo es sich darum handelt, ein Glied zu
umringein, das Treffende der Analogie nicht verkennen, nur
ist die Schlange am Arm für unsere Empfindung weniger an-
sprechend, als für die Griechen, denen das Thier im Ganzen
vertrauter war.
Am häufigsten aber ist Griff und Stütze der Geräthe
figürlich gestaltet. Pfannen und Krüge und Geräthe der ver-
schiedensten Art sind oft mit Griffen oder Henkeln in mensch-
licher und thierischer Form versehn und es ist interessant zu
verfolgen, wie die Gestalten behandelt sind, um ihrem tekto-
nischen Zweck zu entsprechen. Eine Figur, die einen Pfannen-
stiel bilden soll, muss möglichst ausgereckt werden und die
Glieder zusammengeschlossen haben, um griffförmig auszusehn.
Auch ist es selbstverständlich, dass bekleidete Figuren schlicht
^) Pausan IX, 34, 4. Vgl, das Geföss in der Isisprocession bei
Apulejus Metam. XI, p. 768 ff.
k
Der kimstierische Charakter der antiken Metall-Geräthe. 7
und einfach gehalten sind, damit sich der Griff unterordne unter
das Ganze. Andrerseits findet man an den Figuren, welche
ohen auf den etruscischen Gandelabem angebracht sind und
als Griff dienen, woran der Candelaber emporgehoben und ge-
tragen werden kann, die Arme sehr häufig in irgend einer
Weise vom Körper gelöst, damit die Hand des Anfassenden
sich eben unter die abstehenden Arme lege und so das Geräth
auf die bequemste Weise trage. Die Deckel der etruscischen
Toilettenkasten haben oft Henkel, welche aus Gruppen von
zwei oder drei Figuren bestehen, die mit den Armen sich be-
rühren, während die untern Theile der Körper von einander
entfernt sind, so dass die Hand nur unter die verschlungenen
Arme zu greifen braucht, um den Deckel leicht und bequem
abzuheben. Oder es wird der Griff an diesem und anderen
Geräthen durch eine gekrümmte Figur gebildet, die aber nicht
bloss gezwungen, nämlich um dem tektonisch Nothwendigen zu
genügen, diese Stellung angenommen hat, sondern auch in einem
Motiv dargestellt ist, für welches die angenommene Stellung
natürlich erscheint, es sind nämlich seiltänzerartige Figuren,
die so aussehn als wären sie im Begriff kopfüber zu schlagen.
Was die Stützen der Geräthe betrifft, so stehn manche
Geräthe oder Geräththeile, Dreifüsse, Spiegel und andere, auf
dem festen Kücken von Schildkröten, deren angemessene Ver-
wendung unmittelbar einleuchtet. Auffallend erscheint dagegen
die Verwendung des Frosches an derselben Stelle, die aber
gewiss als ein Ausfluss des Handwerkerhumors aufzufassen ist
Man darf dies daraus schliessen, dass die armen Thiere manch-
mal ganz platt gedrückt sind unter ihrer Last
Die Füsse der Geräthe werden sehr oft durch geflügelte
Figuren gebildet, wobei aber nicht immer solche Figuren ge-
wählt werden, denen die Flügel habituell sind. An der be-
rühmten Dresdener Basis (Bd. I,n. 75) kommen z.B. geflügelte
Silene vor, und es ist dies ein deutlicher Beweis, dass man
sich vor mythologischen Inkorrektheiten nicht scheute, wo
tektonische Forderungen zu erfüllen waren. Denn die Flügel
sind an dieser Stelle durchaus nothwendig, weil sie den Winkel
zwischen Figur und Geräth ausfüllen und dadurch erst den
harmonischen Zusammenschluss von beiden ermöglichen.
In den figürlich gestalteten Stützen der Geräthe, z. B.
der Spiegel, Th}Tniaterien und Candelaber, wiederholt sich im
Kleinen dieselbe Erscheinung, wie bei der Karyatide im
Grossen, nur dass die strengeren Stylgesetze, die bei der letz-
9 Der kanstlerische Charakter der antiken Metall-Geräthe.
teren nothwendig sind, in der leichteren, beweglicheren Welt
der Geräthe nicht immer befolgt werden. Die Candelaber und
Thymiaterien sind in dieser Beziehung am instructivsten, die
bald von karyatidenartig streng componirten Figuren gestützt,
bald aber von lustig bewegten, tanzenden Figuren leicht und
graziös auf dem Kopfe balancirt werden.
Dies mag hier genügen um die sinnvolle Dekoration der
antiken Geräthe durch organische Formen anzudeuten. Dass
sich auch manches Barocke findet, wird Niemand wundem und
namentlich sind die Lampen reich an willkürlichen, seltsamen
Erfindungen, wie wenn sie in Form eines menschlichen Fusses,
einer Ente, eines Elephantenrüssels u. s. w. gebildet sind.
Aber im Allgemeinen ist der künstlerisclie Charakter der
antiken Geräthe unverkennbar und in seiner Wirkung auf die
Bildung des Geschmacks nicht zu unterschätzen. Denn man
darf nicht glauben, dass die figürliche Dekoration etwa nur
bei einzelnen, theuren Geräthen angewandt und daher] nur
den Reicheren zu Gute gekommen sei, man vergleiche nur die
Spiegelgriffe oder die Schöpflöffel, die fast immer in Thier-
köpfe auslaufen, oder die älteren etruscischen Candelaber, die
ja in reicher Anzahl erhalten, und auch fast immer mit zier-
lichen Figuren geschmückt sind.
In der vorstehenden Erörterung ist die Dekoration der
Geräthe aus dem allgemeinen Princip der Belebung des
mechanisch Gewordenen durch organische Formen, deren Wahl
sich nach Zweck oder Form des Geräths richte, abzuleiten ge-
sucht. Es kann nicht geleugnet werden, dass in einzelnen
Fällen auch noch andere Gründe auf die Wahl der Ornamente
Einfluss gehabt haben. Wenn der Pompejaner Vaccula die
von ihm in die Thermen gestifteten Geräthe mit Kuhköpfen
verzierte, so ist der Grund sofort klar, es ist aber ebenso
klar, dass dieser Fall vereinzelt steht. Häufiger mag die
Dekoration eines Geräths durch abergläubische Rücksichten
veranlasst sein^ die Armbänder in Schlangenform haben gewiss
auch den Werth eines Amulets gehabt, da die Schlange ein
sehr gewöhnliches Schutzsymbol gegen Zauber und bösen Blick
war. Allein dies sind einmal doch nur ganz bestimmte
Symbole, und zudem wird man auch in diesen Fällen darauf
Bedacht genommen haben, dass das Symbol den sonst zu neli-
menden Rücksichten nicht hinderlich, sondern eher förderlich
wurde. Die Rücksichten aber, die in der Fabrikation der Ge-
räthe vor Allem maassgebend sind, bleiben immer und überall
Der künstlerische Charakter der antiken Metall-Geräthe. 9
dieselben, es ist einerseits die praktische Tauglichkeit und
andererseits die Gefälligkeit der Erscheinung. Der Künstler
geht weiter als der Fabrikant, er ist nicht mit der blossen
Gefälligkeit seiner Ornamente zufrieden, sondern strebt auch
danach, sie bedeutsam zu machen, es ist etwas Anderes ob
Phidias einen Sessel für den olympischen Zeus oder ob ein
Fabrikant einen einfachen Lehnstuhl verfertigt. Aber die Ge-
räthe die wir in unseren Museen haben, sind ja eben Fabrik-
arbeit und es hiesse den Fabrikanten zu viel zutrauen, wenn
man in der Omamentirung der Geräthe allerhand verborgene
Anspielungen suchte.
Zum Schluss dürfen wir nicht vergessen darauf aufmerk-
sam zu machen, dass die Dekoration der Geräthe, die wir im
Obigen zu charakterisiren versuchten, nicht etwa eine Erfin-
dung, sei es der Griechen oder Etrusker, ist, sondern lange
vorher und im Wesentlichen nach denselben Principien schon
in der assyrischen und ägyptischen Kunst geübt wurde. Es
ist oft überraschend zu beobachten, wie sich in den Geräthen
der Griechen und Etrusker Motive der Aegypter und Assyrer
wiederholen. Unter den ägyptischen Geräthen findet man
z. B. oft eine Schaale, deren Griff durch eine ausgestreckte
Figur gebildet wird, welche die Schaale gleichsam präsentirend
hinstreckt, ganz dasselbe Motiv kommt in etruscischen Broncen
vor. Die Assyrer verzierten die Spitze der Deichsel oder der
Lehnen an Thronsesseln in derselben Weise, wie oben erwähnt
wurde, auch finden wir bei ihnen figürlich als Thiere gestaltete
Gewichtstücke.
Es wird schwer sein, in einzelnen gegebenen Fällen über
die Erfindung oder Entlehnung eines Motivs zu entscheiden,
im Ganzen und Grossen aber haben wir offenbar eine Ueber-
tragung von Volk zu Volk anzunehmen, und die Anfänge
dieser in sich so natürlichen und verständlichen Dekorations-
weise sind gewiss in noch ganz primitiven Zuständen zu
suchen ^),
1) Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass in dieser allgemeinen
Einleitung nur die niedere Ornamentik, wenn ich so sagen darf, die
sich in der Bildung- tektonisch nothwendiger Theile des Geräthes kund
giebt, berührt worden ist. Die höhere Ornamentik, deren Gebiet da
beginnt, wo Bilder oder Reliefs ganz unabhängig von tektonischen
Rücksichten dem Gefäss angefügt werden, wird iu dem von den be-
malten Vasen handelnden Bande dieses Werks im Zusammenhang er-
örtert werden. Soweit sie für die Broncen in Betracht kommt, z. B.
für die Spiegel, ist darüber an den betreffenden Stellen gehandelt.
10 Zur Geschichte der Erzarbeit.
II. Zur Qeschichte der Erzarbeit.
Bei der Dürftigkeit des Materials können wir nur wenig
sagen. An schriftstellerischen Nachrichten besitzen wir näm-
lich nur einzelne zufällige Notizen und an Denkmälern hat
wenigstens Griechenland bis jetzt ausserordentlich wenig ge-
liefert. Um so reicher sind wir freilich an etruscischen und
unteritalischen Erzarbeiten aus verschiedenen Perioden und
an römischen Broncen aus Herkulanum und Pompeji.
Die verschiedenen Perioden unterscheiden sich sowohl in
der Technik als im Stil. Der Technik nach zerfallen alle Erz-
arbeiten zunächst in getriebene und gegossene. Es giebt eine
grosse Menge etruscischer Gefasse, an welchen kein Theil ge-
gossen ist, auch kleine getriebene Figuren existiren, wenn auch
in geringer Anzahl. An sich ist es nicht nothwendig, dass
solche Werke älter seien als diejenigen, an denen ein Theil
oder das Ganze gegossen ist, indess fehlt es fast nirgend an
Nebenumständen, die eine Entscheidung über das Alter er-
lauben.. Wo z. B. eine hohe Alterthümlilchkeit des Stils mit
dieser Technik verbunden ist, da darf man das Werk in eine
dem Erzguss vorangehende Zeit setzen.
Die meisten der getriebenen Broncegeräthe die wir be-
sitzen, verrathen ihr hohes Alter noch durch eine andere,
gleichfalls technische Besonderheit, nämlich durch den Mangel
der Löthung. Was später angelöthet wird, z. B. der Henkel,
ist hier genietet. Dies ist die Verfahrungsweise der home-
rischen Zeit, die erst im siebenten oder sechsten Jahrhundert
durch die Erfindung des Lothes verdrängt sein soll. Das
etruscische Museum des Vatikans ist ganz besonders reich an
solchen Arbeiten, glücklicherweise fehlen sie auch bei uns
nicht ganz und wir werden in dem Abschnitt über die Grab-
vasen uns näher mit ihnen beschäftigen.
Die grosse Mehrzahl der uns erhaltenen Broncearbeiten
gehört in die Zeit des Erzgusses. Die Figuren sind mit
wenigen Ausnahmen gegossen und an den Geräthen sind immer
wenigstens einzelne Theile, namentlich der Henkel, in dieser
Weise hergestellt. Die Griechen vindiciren sich die Erfindung
des Erzgusses, die etwa in der 50sten Olympiade gemacht sei,
doch ist nur das ihr Verdienst, eine Erfindung Aegyptens zur
höchsten künstlerischen Ausbildung gebracht zu haben, denn
Zar Geschichte der Erzarheit. 11
m
der Erzguss war in Aegypten schon im vierzehnten Jahrhun-
dert bekannt^). Doch glaube ich nicht, dass Griechen und
Etrusker den Erzguss direkt von den Aegyptern entlehnten,
vielmehr kam er ihnen nach aller Wahrscheinlichkeit aus
Assjrrien zu, wo er ebenfalls früher bekannt war, als die
classische Tradition angiebt. Denn es findet zwischen einigen
gegossenen Alterthümern aus Ninive und einigen uralten
etruscischen und griechischen Broncen eine Uebereinstimmung
statt, die auf einen Zusammenhang deutet. Unter jenen näm-
lich befinden sich die Füsse eines Thronsessels, die aus eisen-
gefüllter gegossener Bronce bestehen 2), und eben dieselbe
Technik, die Ausfüllung der Bronce mit geschmolzenem Eisen
finden wir in altetruscischen Werken. Mehreres dieser Art
befindet sich im britischen Museum, wir erwähnen das Kohlen-
becken aus dem berühmten Funde der PoUedrara bei Vulci,
das mitsammt den verzierenden Pferdeköpfen aus bronce-
bekleidetem Eisen besteht^) und eine Venus unteritalischen
Fundorts, die kürzlich von A. Castellani an das Museum ver-
kauft ist. Auch an der berühmten Wölfin des Capitols sind,
wenn wir uns recht entsinnen, einzelne Theile, nämlich die
Beine und Zitzen mit Eisen ausgefüllt.
Die ältesten Broncefiguren sind immer massiv, sei es dass
man sie massiv gegossen oder mit Eisen ausgefüllt oder auch
aus Barren herausgearbeitet hat*), und die ganz kleinen
Figuren sind auch später wohl immer massiv. Denn bei ihnen
wäre die Erspamiss an Material verhältnissmässig gering ge-
wesen, während die Arbeit beim Hohlguss unverhältnissmässig
*) Ich hatte mich wegen des Alters der kleinen ägyptischen Broncen
die durchgehends gegossen sind, vergebens an mehre Aegyptologen
um präcise Auskunft gewandt, bis ich Herrn Prof. Lepsius davon sagte,
der mir dann zu meiner grössten Freude eine dem hiesigen Museum
angehörige, mit Inschrift versehene Statuette des grossen Ramscs aus
dem vierzehnten Jahrhundert zeigte, die in schönstem Hohlguss ausge-
fiihrt ist.
^ Vgl. Sem per der Stil I, 234. Ich selbst habe sie auch im
britischen Museum genau betrachtet.
3) Bullet. 1839, p. 71.
*) F. Lenormant bemerkt von einer sehr alten Pallasstatuette in
der Archaeol. Ztg. 1867 p. 121, sie sei fondue en plein ou plutöt
eucore d^gagöe au ciselet et ä la lime dans uu lingot, exactement
comme le peiit nombre d'autres bronces grecs des plus anciennes epo-
ques que nous connaissons, wozu er dann die Polykratesbronce in
Petersburg und die von Vischer Nuove memoire dell instit. tav. 12
publicirten anfährt.
"12 Zui" Geschichte der Erzarbeit.
gross war. Die grösseren Broncen der späteren Zeit sind da-
gegen immer hohl, schon unter dem Bauschutt des Parthenon
hat sich bei Gelegenheit des Museumsbaus auf der Aki*opolis
zusammen mit mehreren massiv gegossenen kleinen Figuren
ein etwas grösserer hohl gegossener Apollokopf gefunden.
Man goss die Figuren stückweise, wie die Darstellung der
Erzgiesserei auf einer dem fünften Jahrhundert angehörigen
Vase des hiesigen Museums und erhaltene Broncen beweisen.
Eine etwa lebensgrosse Broncefigur des britischen Museums
besteht aus 9 Stücken i), eine der herkulanischen Mädchen in
Neapel ist aus 7, eine andere aus 10 Stücken zusammenge-
setzt 2). Die erst erwähnte Statue ist auch ein Beweis für die
ausserordentliche Dünnheit des Gusses, die den Alten möglich war,
da sie vor ihrer nicht erheblichen Restauration nur 69 Pfund
wog. Auch der betende Knabe, die Perle des hiesigen Museums,
ist so leicht, dass er von einem Mann bequem getragen werden
kann, während die neben ihm aufgestellte gleich grosse
römische Broncestatue aus Xanten durch vier Mann trans-
portirt werden musste.
Hinsichtlich des Stils zerfallen alle erhaltenen Geräthe
in zwei Classen, die zugleich historischen Perioden entsprechen.
Es ist der grosse Gegensatz von Stil und Natur, von Strenge
und Freiheit, der sich auf allen Gebieten der Kunst wieder-
holt und auch hier eine durchgreifende Trennung macht. An
dem Beispiel des Candelabers tritt dieser Unterschied am
augenfälligsten hervor. Während nämlich der Schaft an den
älteren Candelabern einer cannelirten Säule ähnlich ist, haben
jüngere Canrlelaber oft die Form von Schilfrohr oder Bäumen,
ahmen also unmittelbar ein von der Natur gegebenes Motiv
nach. Jene sind ideal, diese realistisch, jene streben nacli
dem Einfachen, Ernsten, Edlen, diese nach dem Reichen, Hei-
tern und Sinnlichen, Der innere psychologische Grund für
den Uebergang von der einen Art zur anderen liegt in der
ethischen Stimmung der verschiedenen Zeiten begründet; hier
muss es genügen, hervorzuheben, dass jede in Sitte und Denk-
weise mehr üppige und luxuriöse Zeit der realistischen Weise
den Vorzug geben wird. Wann dieser Uebergang eingetreten,
vermögen wir ziemlich genau zu bestimmen. Dass bereits vor
Alexander realistisch gebildete Geräthe üblich waren, beweist
1) Bull. delF inst. 1840 p. 111.
2) Mus. borb. II. zu tav. VII.
Zar Geschichte der Erzarbeit. 23
die interessante Notiz des Plinius ^) von einem im Tempel des
Palatinischen Apollo befindlichen Candelaber, der einem mit
Lampen wie mit Früchten behangenen Baum glich und von
Alexander dem Grossen bei der Zerstörung Thebens erbeutet
war. Ja schon von Kallimachos, einem Künstler aus der Zeit
des peloponnesischen Kriegs, wird berichtet; dass er über der
goldenen Lampe im Erechtheum einen Eauchfang in Gestalt
eines Palmbaums verfertigt habe^). Aber viel früher wird
auch der Uebergang ins Realistische nicht stattgefunden
haben, wie wir vor Allem aus den architektonischen Orna-
menten schliessen dürfen. Denn erst im korinthischen Stil,
also nicht vor dem Ende des fünften Jahrhunderts werden
die Ornamente realistisch gebildet, während sie früher abstraft
gehalten sind ohne das lebendige Spiel der Naturformen nach-
zuahmen.
Wir versuchen nun, die Kunstindustrie der drei hier in
Betracht kommenden Völker, der Griechen, Etrusker und
Römer etwas näher zu charakterisiren, und knüpfen dabei an
das eben Gesagte an, indem wir den Geräthen, die wir von
Griechen und Etruskern besitzen, im Grossen und Ganzen
einen mehr idealistischen, den römischen dagegen einen vor-
wiegend realistischen Charakter beilegen. Diese Verschieden-
heit der Geschmacksrichtung tritt gleich in der Technik am
deutlichsten hervor. Bei Griechen und Etruskern nämlich
(lominirt entschieden das gemalte oder gezeichnete Ornament,
und wenn Reliefverzierung gewählt wird, so ist das Relief
flächenartig gehalten, die Römer dagegen wählen mit einseitiger
Vorliebe das Relief und zwar das runde Relief, das die Dinge
in ihrer vollen Körperlichkeit imitirt. Die griecliische Vasen-
malerei stirbt unter römischem Einfluss ab, ebenso die Metall-
zeichnung die besonders in Etrurien blühte, und die Relief-
verzierung tritt in Thon- und Metallarbeiten an ihre Stelle.
In unteritalischen und etruscischen Gräbern werden oft Helme
mit graffito verziert gefunden, aus römischer Zeit sind mir nur
Helme mit Reliefschmuck bekannt. Eben diese letzteren —
wir meinen vornehmlich die Gladiatorenhelme aus Pompeji —
sind sehr instructive Beispiele um die Schwäche der römischen
Ornamentik blosszulegen. Das runde Relief ist an sich zur
J) Hist. nat. 34, 14.
2) Pausan. 1, 26, 7.
j^4 '^^ Geschichte der Erzarbelt.
Ornamentirung ebenso geeignet wie die Mittel der Etrusker
und Griechen, unter denen übrigens ersteres ja auch nicht
ganz ausgeschlossen war, allein es führt leichter als jene zur
Willkür und Entartung und diese Gefahr ist in den römischen
Geräthen nicht immer vermieden. An vielen pompejanischen
Geräthen ist von einer Unterordnung des Ornaments unter das
Ganze, was doch für ein schön componirtes Geräth nothwendig
ist, nicht mehr die Rede, das Ornament löst sich oft in völliger
Ungebundenheit ab und stört dadurch die Einheit des Ganzen.
Am weitesten geht in dieser Richtung der mit trojanischen
Scenen verzierte Gladiatorenhelm, an welchem einzelne Glieder
der Figuren in senkrechter Richtung aus der Fläche heraus-
springen. Man könnte die Beweiskraft gerade dieser Geräthe
für das Ganze mit der Bemerkung anfechten, dass der Helm
eines Gladiatoren, also eines Schaukämpfers, wohl absichtlich
besonders reich, prunkend und effectvoU, gearbeitet sein möge,
um den Beifall der grossen Masse auf sich zu ziehen, allein
es ist doch auch an anderen Geräthen dieselbe Neigung be-
merkbar. Die Köpfe oder Büsten, mit denen die Geldkisten,
Betten oder andere Geräthe verziert sind, springen oft so weit
vor, dass die Harmonie des Ganzen gestört wird, und schon
im ersten Bande dieses Werks n. 882. 883 wurde an pompe-
janischen Candelabern gezeigt, wie auch hier das Ornament
und die Sache selbst nicht mehr im richtigen Verhältniss zu
einander stehen. Ueberhaupt wäre es nicht schwer, unter den
pompejanischen und herkulanischen Alterthümern manche Bei-
spiele tektonischer Willkür zu finden, unter denen die Lampen
in ihren oft ganz unmotivirten Formen reich vertreten sein
würden, und wenn wir die grosse Masse dieser Alterthümer
mit den früheren griechischen und etruscischen hinsichtlich
ihrer tektonischen Schönheit vergleichen, so kann man nicht
zweifeln, welcher Classe der Preis zuzuerkennen sei. Nur darf
man dabei nicht vergessen, wieviel stilvolle und wahrhaft
schöne Geräthe doch auch unter ersteren sich befinden. Es
sind freilich zum grossen Theil nicht Neuschöpfungen, sondern
Reproductionen jener älteren Zeit. Die grosse Mehrzahl der
herkulanischen und pompejanischen Candelaber ist — von
einer nur den praktischen Zweck betreffenden Veränderung
abgesehen — den altetruscischen fast ganz gleich und die
Weinkanne der alten Zeit, eins der graziösesten Geräthe des
Alterthums, ist unverändert dieselbe geblieben.
Die Vergleichung der etruscischen und griechischen Ge-
Zur Geschichte der Erzarbeit. ^ 15
räthe unter sich, zu der wir jetzt übergehen, nachdem wir sie
zuerst als eine zusammengehörige Masse den römischen gegen-
übergestellt, wird theils dadurch erschwert, dass Griechenland
bis jetzt so wenig Material geliefert hat, theils aber durch die
Abhängigkeit der etruscischen Kunst von der griechischen.
Unzweifelhaft sind viele griechische Gedanken auch in die
etruscische Tektonik übergegangen und die Vergleichung der
schwarzen clusinischen Töpferwaare, die wir einstweilen als
originell etruscisch ansehen dürfen, mit den späteren in
Etrurien üblichen Vasenformen giebt den besten Beweis dafür,
dass inzwischen griechischer Einfluss stattgefunden hatte, allein
es giebt doch einzelne Fälle, in denen es ausserordentlich
schwer ist, über Originalität oder NichtOriginalität eines etrus-
cischen Geräths zu entscheiden^). Sollten wir aber auch so
das Verhältniss zwischen Griechen und Etruskern fassen, dass
ersteren alle schöpferischen Ideen, letzteren nur die Meister-
schaft der Ausführung bliebe, so würde doch zunächst immer
darin ein grosses Verdienst der Etrusker bestehen, griechisch
erfundene Geräthe durch die ganze Welt verbreitet zu haben.
Denn die etruscische Broncewaare ging in der That, wie
Plinius sagt, durch alle Länder und die zahlreichen Funde alt-
etruscischer Geräthe diesseits der Alpen sind der beste Beweis
für die Wahrheit seiner Behauptung. Auch im eigenen Lande
war der Absatz ein ungeheurer, wie man aus den so reich mit
Broncen ausgestatteten etruscischen Gräbern schliessen muss.
Was für ein Contrast zwischen dem üppigen Luxus eines etrus-
cischen und der Armuth eines griechischen Grabes! Aber so
sehr wir den ethischen Vorzug der letzteren anerkennen, so
können wir doch nicht leugnen, dass die üppigeren Sitten der
Etrusker auf die Belebung der Kunstindustrie mächtig gewirkt
haben. In Griechenland scheint, vielleicht von einzelnen Ge-
räthen wie den überall hin exportirten Strigeln abgesehen, die
Fabrikation von Metallgeräth bei Weitem weniger schwungvoll
betrieben zu sein, wie wäre es sonst möglich gewesen, dass
mau in Athen und zwar zur Zeit der höchsten Kunstblüthe
die etruscische Metallwaare als die beste von allen schätzte ^j
^) Unten in dem Abschnitt „Grabvasen" wird ein Fall angeführt
werden, wo das Verhältniss zwischen etruscischer und griechischer
Fabrikation einmal sehr deutlich zu Tage tritt.
2) Vgl. Athen. I, 28, b. c. XV, p. 700.
ä
15 Zur Geschichte der Erzarbeit.
und selbst bezog? Gerade dieser Umstand, dass die Athener
des fünften Jahrhunderts so anerkennend über die etruscischen
Broncen urtheilen, ist der beste Beweis für ihre Vorzüglich-
keit und wohl geeignet, Zweifel zu erwecken, ob die Griechen
in diesen Geräthen nur ihre eigenen Erfindungen bewundert
haben.
Freilich hatte die Massenproduction wie immer, so auch
bei den Etruskem ihre Schattenseite. Es konnte nicht fehlen,
dass viel Flüchtiges und Unschönes producirt wurde, und
dass mechanische Vervielfältigung an die Stelle einer mehr
künstlerischen Productionsweise trat Wir wagen auf ein
freilich nicht reiches Material hin — es sind besonders die
Reliefs der griechischen und etruscischen Klappspiegel ge-
meint — die Behauptung, dass die Technik des Treibens in
Griechenland immer viel mehr üblich war als in Etrurien, wo
sie durch die Stanzarbeit verdrängt wurde, ähnlich wie sie
auch heutigen Tages durch mehr mechanische Operationen
verdrängt wird. Die griechischen Spiegelreliefs sind, soweit
uns bekannt, bis auf eins, das gegossen ist, alle getrieben, die
etruscischen aber gestanzt und wir besitzen bereits mehrere
aus demselben StetapeP).
Auch im Stil oder vielmehr in der Geschmacksrichtung hat
die etruscische Industrie unleugbar etwas Nationales, was nicht
immer gefällt. Etwas ganz specifisch Etruscisches ist die
Liebhaberei für figürlichen Schmuck selbst an kleinen und
kleinsten Geräthen. Die Candelaber oder richtiger Thymia-
terien, deren Schaale oben von Täubchen umgeben ist und an
deren Schaft eine kleine Figur hinaufklettert, die Fibeln,
selbst die kleinsten, die mit Thieren, ja mit Reihen von
Thieren verziert sind, die Candelaber, Cisten und Dreifüsse
mit ihrem Figurenreichthum und besonders die bald geistreich
bald aber auch wunderlich und phantastisch verzierten
Henkel aller möglichen Geräthe, das Alles sind specifisch
etruscische Bildungen, die wir bei keinem anderen Volk
wiederfinden.
Unübertrefflich aber, ist, wenigstens an den etruscischen
Werken älterer Zeit, die Sauberkeit und Feinheit der Arbeit.
*) Wie das Relief mit Odysseus und Penelope, Annali dell' instit.
1867, 326. Auch unter den vielen £xemplaren des unter n. 3 aufge-
führten Reliefs sind gewiss D Dubletten vorhanden.
Zur Geschichte der Erzarbeit. ;17
Zwar werden wir erst in den beiden folgenden Bänden dieses
Werks an den Goldarbeiten und Gemmen die ganze YoUendong
etruscischer Arbeiten, die über mühseligste und schwierigste
Technik triumphirt, kennen lernen, allein auch unter den
Broncegeräthen älteren Stils sind viele von vollendeter Aus-
führung. Je mehr aber an einem Geräth das Ideelle und
Geistige zurücktritt, um so höher steigt der Werth der for-
mellen Behandlung.
fViederichs, Berlin's Antike Bildwerke II.
ä
L Das HausgeratL
A. Toiletten- und Schmuckgeräth.
1) Die Spiegjel.
a. Die griechischen Spiegel.
Im ganzen Alterthum war der Gebrauch von Metallspiegeln
vorherrschend. Man kannte zwar auch Glasspiegel, die in den
berühmten Glasfabriken Sidons erfunden sein sollten i), allein
sie waren, wenn wir nach den Funden urtheilen dürfen, wenig
in Gebrauch. Denn unseres Wissens ist nie ein Glasspiegel
gefunden. In Griechenland waren die Broncespiegel gewöhn-
lich, die man in einfacher, unverzierter Form überall in den
griechischen Gräbern und mit bildlichem Schmuck besonders
oft in Korinth findet. Es sind kreisrunde Broncescheiben, oft
grifflos, und wenn sie mit einem Griff versehen sind, doch
verschieden von den etruscischen, die gewöhnlich nur einen
mit dem Spiegelrund zusammenhängenden Zapfen haben, der
in einen knöchernen Cylinder hineingesteckt wurde. Sehr
häufig sind auch Spiegel mit einem die Spiegelfläche schützen-
den Deckel, der entweder — und das ist das Gewöhnliche —
ganz abgenommen oder, vermittelst eines Charniers befestigt,
auf- und zugeklappt werden kann. Solche Spiegel werden zwar
gewöhnlich für Spiegelkapseln gehalten, doch ist entweder
1) Plin. bist. nat. 36, 193.
k
Die griechischen Spiegpel. 19
aus dem Falz der untern Hälfte oder aus der Stellung des
Charniers leicht das Richtige zu entnehmen. Auch an einer
kleinen Venus in Neapel, die sich in einem solchen Klapp-
spiegel besieht, kann man die Einrichtung dieses Geräths be-
obachten^). Daneben aber giebt es wirkliche Spiegelkapseln,
theils von Holz, theils von Bronce.
Die Kunst hat sich schon früh dieses Geräthes bemächtigt
und die reizendsten Dinge geschaffen. Schon in der Zeit des
altgriechischen Styls hat man öfter dem Spiegel die Figur der
Aphrodite angefügt^). Und das ist überhaupt in griechischer
Zeit das Gewöhnliche, die Figur der Aphrodite gewissermaassen
als Ideal und Vorbild jeder sich schmückenden Frau unter
den Spiegel zu stellen. In mehreren* öffentlichen und privaten
Sammlungen^) sind solche Figuren der Aphrodite, zum Theil
von Amoren umflattert, aus der Zeit des schönsten griechischen
Styls erhalten. Die Etrusker haben dies Motiv nachgeahmt.
Doch nicht allein die Stütze des Spiegels ist künstlerisch
gestaltet, auch der Deckel ist an den oben erwähnten Klapp-
spiegeln sehr oft mit einem Relief versehen. Viele derartige
Reliefs sowohl griechischen als etruscischen Styls haben sich
erhalten, die schönsten griechischen sind inTarquiuii und Pa-
lestrina gefunden^). Wenn man die ganze Masse derartiger
^) n. 1661. Vgl. unsere unter n. 1928 aufgeführte Venusfigur, von
deren Spiegel auch noch genug erhalten ist, um die ursprüngliche Ein-
richtung zu erkennen. Solch ein Klappspiegel ist auch auf dem Vasen-
hild im Compte-Rendu de la commission imperiale archeologique pom*
Tannee 1861 Taf. 1 dargestellt, den der Herausgeber p. 7. für ein
Schminkgeräth erklärt, obgleich die ganze Action der betreffenden Figur,
die Art, wie sie das Gerüth hält und der Gestus der andern am Haar
beschäftigten Hand deutlich zeigen, dass sie sich im Spiegel besieht,
um ihr Haar zu ordnen. Auch I-iongperier verkennt sehr stark einen
solchen Klappspiegel oder richtiger Spiegel mit abnehmbarem Deckel,
indem er unter n. 510. 511 seiner Notice des bronces antiques exposes
dans les galeries du musee imperial du Louvre 1868 zwei „Pateren"
aufführt, die in Wahrheit einen Spiegel bilden, und der Art zusammen-
gehören, dass n. 510 der Deckel von n. 511 ist, an dessen Spiegel-
seite sich ein Falz zur Aufnahme des Deckels befindet.
^) So ist kürzlich in Korinth eine schöne Venus mit der Taube auf
<ler Hand gefunden, die in sehr alterthümlichem Styl gearbeitet ist und
als Spiegelstütze diente. Eine andere ist beim Bau des neuen Museums
auf der Akropolis unter dem Bauschutt des Parthenon gefunden. Beide
befinden sich noch in Athen.
•**) In Athen, in der Sammlung A. Castellani, besonders aber im
britischen Museum.
*) Sie befinden sich im Louvre und in der Sammlung Barberini.
Auch das in Petersburg befindliche, in Südrussland in dem Grabe der
2*
\
20 J^« ^iechischen Spiegel.
Werke vergleicht, so scheint die Wahl der Gegenstände nicht
ganz willkürlich zu sein. Es sind nämlich in den meisten
Fällen erotische und bacchische Scenen, mit denen man die
Spiegeldeckel verzierte.
Endlich ist auch die Rückseite des Deckels oder des
Spiegels selbst künstlerisch verziert, und zwar mit einer ein-
gegrabenen Zeichnung. Nur wenige derartige Spiegel sind bis
jetzt aus Griechenland bekannt, unter denen ein Spiegel in
Lyon Erwähnung verdient, der eine sehr fein gravirte Amor-
figur enthält 1) und auch dadurch merkwürdig ist, dass die
Figur selbst in Silbergrund gravirt, aber von Broncegrund um-
geben ist, der ihr zur schönsten Folie dient. Indessen würden
unzweifelhaft mehr griechische Spiegelzeichnungen vorhanden
sein, wenn die griechischen Gräber eifriger durchsucht worden
wären. Auch mögen noch einige Spiegel, die als etruscisch
aufgeführt werden, in der That griechisch sein. Dies gilt z. B.
von einem Spiegel des britischen Museums, auf welchem ein
Amor mit Leier und Blume in den Händen dargestellt ist^).
Die Zeichnung desselben ist altgriechisch, nicht etruscisch, und
auch die Form des Spiegels ist griechisch. Er ist nämlich
kreisrund, ohne Griff, und war ursprünglicli von einer beson-
dem Stütze getragen.
Trotzdem aber darf man behaupten, dass die gravirten
Spiegel in Griechenland selten waren im Vergleich zu Etrurien.
Wie die griechischen Gräber, aus denen unver zierte Metall-
spiegel in Menge hervorgezogen, einfach und bescheiden sind
im Vergleich zu den etruscischen, so war auch das Leben in
Griechenland nicht so üppig und luxuriös wie in Etrurien.
Dazu kommt, dass die Technik der Metallgravirung nach allem
Anschein in Griechenland nicht sehr beliebt war. Es werden
z. B. in Etrurien und Grossgriechenland nicht selten Helme
mit eingravirten Verzierungen gefunden, in Griechenland ist
grossen Blisnitza gefundene Relief scheint nach der Abbildung im
Compte-Rendu pour l'annee 1866 Taf. 5 sehr schön zu sein. Stephani
zählt an derselben Stelle p. 159 ff. eine grosse Anzahl solcher mit
Reliefs verzierten Spiegel auf.
1) De Witte revue arch^ol 1868 pl. XIII. Die Erklärung des
Herausgebers freilich, dass die Figur den Agon vorstelle und seine Be-
merkungen über den hermaphroditischen Charakter derselben, kann ich
mir nicht aneignen. Es ist einfach ein Amor, etwas weich gezeichnet,
fast wie auf unteritalischen Vasen. Die andern griechischen Spiegel
mit gravurten Verzierungen zählt Benndorf auf Arch. Ztg. 1868 p. 77.
2) Abgeb. bei Gerhard I, 120.
Die griechiBchen Spiegel. 21
meines Wissens noch keiner zum Vorschein gekommen, wie-
wohl nicht wenig griechische Helme vorhanden sind. Sehr
gering ist das, was uns an derartigen Werken aus Griechen-
land erhalten ist, doch befindet sich einiges sehr Altert hüm-
liche darunter, so dass wir nicht zu entscheiden vermögen, ob
die Griechen oder die Etrusker diese Technik früher an-
gewandt haben. Das aber glauben wir bestimmt, dass weder
das eine noch das andere Volk sich die Erfindung derselben
vindiciren darf, denn aus dem Orient, aus Ninive und Kition
auf Cypern sind ebenfalls hoch alterthümliche Arbeiten dieser
Art bekannt geworden.
Der oben erwähnte Spiegel des britischen Museums ist
der einzige griechische Spiegel alten Styls, alle übrigen ge-
hören späterer Zeit an. Doch fehlt es noch an Material, um
eine historische Entwickelung aufzustellen, und nur die Aphro-
ditefiguren, die, wie oben bemerkt, so oft die griechischen
Spiegel stützen, sind in hinreichender Anzahl aus allen Perioden
erhalten, um die Entwickelung dieses Kunstzweiges aufs An-
schaulichste zu zeigen.
Nach dieser Einleitung 'gehen wir zur Aufzälilung des
Einzelnen über.
Die griechischen Spiegel.
j[a. b. Spiegel neb'st Deckel aus Korinth, im Jahre
1868 gekauft. 3583. 3584. Durchm. G'/g".
Der Deckel ist mit einem Profilkopf in getriebener Arbeit,
vermuthlich einem Venuskopf verziert. Dies scheinen das Auge
und die etwas üppigen Lippen anzudeuten. Der Styl ist nicht
ganz so edel, dass man das Relief noch in die Blüthezeit setzen
könnte, aber es steht ihr auch noch nicht fern. Die Aus-
führung ist sehr sorgfältig. Der Kopf ist besonders gearbeitet
und dann aufgelöthet, war aber jedenfalls mit irgend einer
Masse ausgefüllt, um [gegen Beschädigung Widerstand zu
leisten.
2*-^' Klappspiegel aus Korinth, im Jahre 1869 ge-
kauft. 3761. Durchm. 4".
Das Relief des Deckels ist nicht ohne Anmuth componirt.
Ein Pan setzt einer Bacchantin zu, mit der linken Hand be-
wundert und mit der rechten untersucht er die Schönheit ihres
geöffneten Busens. Die Bacchantin hat in der Linken ein
Tambourin und hält mit der Rechten den fortflatternden Zipfel
22 I^ic griechischen Spiegel.
ihres Ueberwurfs. Der Styl ist nicht mehr der beste, die Ge-
wänder der Bacchantin sind schon etwas manierirt. Das Relief
ist gegossen und auf den Deckel aufgelöthet.
3a. ^- Bacchus und Amor, Klappspiegel mit gepressten^
Relief. Samml. Bartholdy. D. 92. Durchm. 5".
Die Hauptgruppe, der trunkene und träumerische Bacchus
sich auf Amor lehnend, der ihn fortzureissen und neu zu be-
leben sucht, ist in andern Denkmälergattungen, namentlich in
Glaspasten, oft wiederholt und unzweifelhaft eine griechische
Erfindung aus der Zeit blühender Kunst. Die mijsicirende
Frau, die dem Zuge vorangeht, ist gewiss eine Bacchantin, wie
wir auch in einer ganz ähnlichen Composition, wo nur statt
Bacchus Silen eingetreten ist, eine noch deutlicher charakteri-
sirte Bacchantin voranschreiten sehen.
Doch nicht bloss die Erfindung, sondern auch die Aus-
führung dieses Reliefs ist griechisch. Das Relief ist mit grie-
chischem* Stempel gepresst. Fast in jedem Museum befinden
sich Wiederholungen davon, zum Theil wohl aus derselben
Form.
Abg. Gerhard, Etr. Spiegel. Taf. 21, 3. Vgl. I, p. 88, wo übrigens
die Bacchantin für eine Muse erklärt wird, die in diese Gesellschaft
nicht hineinpasst. Wiederholungen z. B. in Wien im Industriemuseum,
in Palermo im museo Casuccini, im Louvre, in London, Carlsruhe etc..
Die im Text citirte ähnliche Composition, wo die Bacchantin ganz deut-
lich ist, ist das bei Zoega bassiril. ant.' 70 und sonst vorkommende
Terrakottarelief.
4a. ^. Klapp Spiegel (?). Aus Gerhardts 1859 angekaufter
Spiegelsammlung. 3390. Durchm. b^jo"*
Es ist sehr zweifelhaft, ob diese beiden Stücke zusammen-
gehören. Das eine Stück ist unzweifelhaft das untere Stück
eines Klappspiegels, an welchem vermittelst eines Charniers,
dessen Spur noch vorhanden ist, ein Deckel befestigt war.
Das andere Stück, das selir durch die Oxydirung gelitten, ist
wohl ein Spiegeldeckel, kann aber mit dem erstgenannten Stück
nicht verbunden gewesen sein.
Von den beiden Figuren des Deckels ist die eine als
Bacchantin kenntlich, die andere scheint auch eine Bacchantin
zu sein, doch ist das nicht ganz sicher zu sagen.
5. Odysseus im Palladienr'aub, gegossener Spiegel-
deckel. Durchm. 5".
^
* Die griechischen Spiegel« 25
Die Figur ist aus einer grossem Composition, die uns in
Keliefs und geschnittenen Steinen erhalten ist, herausgenommen.
Es ist Odysseus, lebhaft gestikulirend gegen den hier fehlen-
den Diomedes; mit dem er über die Modalität des Palladien-
raubes uneinig ist. Es scheint, als weise er mit der Hand auf
den neben dem Altar schlafend liegenden Wächter, von dem
man hier nur die Füsse sieht. Vermuthlich will er durch
diesen Gestus den Diomedes zur Vorsicht mahnen und es ist
das ein Zug, der den Charakter beider Helden vorzüglich be-
zeichnet Neben ihm steht eine Säule, wie sie zur Auf-
stellung von Weihgeschenken in den Tempeln üblich waren.
Uebrigens sieht diese Platte nicht sehr antik aus und ist
wahrscheinlich nur ein moderner Abguss.
Die vollständige Composition, zu welcher diese Figur gehört, findet
sich z. B. auf der bei Overbeck, Gallerie her. Bildw. Taf. 24. n. 21 ab-
gebildeten Gemme. Overbeck findet p. 601. diie Stellung des Odysseus
schwer zu erklären, allein sie ist ganz natürlich, sobald man nur die
liegende Figur nicht als todt, sondern als schlafend ansieht, was ich in
der Archaeol. Ztg. 1859 p. 64 zu beweisen gesucht habe.
•
6. Spiegel, auf der Insel Salamis gefunden, 1845 von
den hiesigen Kunsthändlern Schenk und Gerstäcker gekauft.
Dem Vernehmen nach soll Professor Ross ihn an die genann-
ten Kunsthändler verkauft haben. 2817. Durchm. 674"«
Der Spiegel ist zwar ohne Zeichnung, aber doch höchst
werthvoU wegen des äusserst feinen Ornaments, das Spiegel-
nmd und Griff (von dem nur wenig erhalten) verbindet. Wie
sehr sticht die grosse Menge der etruscischen Spiegel, an
denen die Verbindung von Griff und Spiegelrund so höchst
roh und unorganiscli ist (vgl. n. 166.), gegen diesen Spiegel
ab! Das Ornament ist das Kapitellornamcnt des altjonischen
Styls, nur ist die Palmette, die zwischen den Voluten auf-
zusteigen pflegt, hier halbirt und so gelegt, dass jede Hälfte
den Zwischenraum zwischen Volute und Spiegelrund ausfüllt.
Dadurch ist zugleich für die nöthige Festigkeit wie für die
harmonische Verbindung von Griff und Spiegelrund gesorgt.
7. Desgl. Fundort und Herkunft sind dieselben wie bei
der vorhergehenden Nummer. 281G. Durchm. GVs"-
Der Griff ist in ähnlicher Weise, aber weit einfacher und
kunstloser verziert.
8. Desgl., ganz schmucklos, fast roh. Aus Korinth, von
derselben Quelle bezogen wie die beiden vorhergehenden. 2818.
Durchm. 6''.
24 jGrriechische SpiegelgrifFe.
Griechische Spiegelgriffe.
9. Venus als Spiegelstütze, aus der Sammlung Bellori.
H. 7%".
Die Figur gehörte nicht zu einem Handspiegel, sondern
zu einem feststehenden Spiegel. Sie hat nämlich eine Basis
und ist sehr schwer an Gewicht, auch unleugbar etwas plump.
J)ies mag zum Theil auf Rechnung des alterthümlichen Styls
und auch des Bestrebens den tektonischen Anforderungen zu
entsprechen, geschrieben werden, doch erinnere ich mich
keiner andern alterthümlichen Spiegelstütze, die so plump
wäre. Vielleicht stammt die Figur aus Sicilien und gehört zu
der in den selinuntischen Reliefs (Bd. I. p. 12) vertretenen
Kunstrichtung.
Venus ist an dem Apfel kenntlich, den sie nach der
alterthümlichen Weise, das charakteristische Symbol gleich-
sam als Erkennungszeichen dem Betrachtenden förmlich zu
präsentiren, ausgestreckt hält. Mit der andern Hand hebt sie
leicht ihr Gewand, ein für Venus ebenfalte in alter Zeit cha-
rakteristischer und graziöser Gestus.
Auf dem Kopf ist ein kleines Kapitell und noch etwas
von der Rundung zu sehen, in welche der Spiegel eingriff, und
auf jeder Schulter der Figur ist je eine Thierklaue haften ge-
blieben, da nämlich, wie wir an besser erhaltenen ähnlichen
Figuren sehen, je ein Thier von der Schulter der Göttin bis
an das Spiegelrund in diagonaler Richtung hinanreichte. Der
praktische Zweck dieser Zuthat ist offenbar der, dass man die
Verbindung zwischen Stütze und Spiegel, die sonst nur an
einem Punkt stattfinden würde, vermehren und stärken wollte,
wie man aber dazu gekommen ist, Thiere zu diesem Zweck zu
benutzen, die sich in der That gerade an dieser Stelle sehr
oft finden, ist uns unverständlich Wir setzen für unsere Figur
nach Analogie einer kürzlich in Korinth gefundenen, in Athen
befindlichen Spiegelstütze voraus, dass die auf ihren Schultern
befindlichen Klauen Sphinxen angehörten, ohne freilich über
einen Zusammenhang zwischen Venus und Sphinx Rechen-
schaft geben zu können. Es ist uns aber überhaupt fraglich,
ob ein solcher Zusammenhang existirt.
Abg. Beger thesaurus Brandeoburg. III, 301.
10. Desgl. von einem Handspiegel, H. 4".
Es scheint nach dem Rest eines Zapfens, der auf dem
Griechische Spiegelgriffe. 25
Kopf der Figur zurückgeblieben, als sei auch diese Venus ein
Spiegelgriff gewesen. Sie entspricht genau den alterthümlichen
Venusfiguren, die leise schreitend mit der einen Hand das
Gewand heben und in der andern eine Knospe halten. Die
beiden Vorderarme sind nicht erhalten und zum Theil sehr
roh in Blei ergänzt. Der Styl ist echt alterthümlich.
11. Desgl., 1845 von den hiesigen Kunsthändlern Schenk
und Gerstäcker gekauft, welche die Figur ihrerseits von Prof.
Ross erworben haben. Als Fundort wird Lamia in Thessalien
angegeben. 2814. H. 7^1^".
Wir dürfen diese Figur wohl Venus nennen, obwohl sie
auf den ersten Blick nichts weiter vorstellt, als ein einfaches,
schlichtes Mädchen. Denn einmal ist als Spiegelstütze keine
Figur gewöhnlicher als Venus und ausserdem hielt die linke
Hand, von welcher ein Ansatz übrig geblieben, ein Attribut,
das Venus charakterisiren mochte.
Der Spiegelgriff gehört dem schönsten griechischen Styl
an und kann recht als Beleg dienen, wie fein die Griechen
solche tektonisch abhängige Figuren behandelten. Die Unter-
ordnung unter das Ganze ist das erste Gesetz, daher die
grösste Einfachheit und Schlichtheit in Stellung und Gewan-
dung.
Die Attache, die sich auf dem Kopf der Figur erhalten,
ist mit einer eingravirten Palmette verziert und läuft in Del-
phinenköpfe aus. Auch das Blatt, das den Spiegel von hinten
festhielt, ist noch vorhanden.
11*- Spiegel mit reich verziertem Griff. KoUer'sche
Sammlung 607.
Am Griff ist in Relief Amor dargestellt, staunend über
einen Schwan, der auf sein Bein geflogen ist. In der alten
Kunst sind solche Scenen, wo Schwäne sich Knaben nähern,
um mit ihnen zu spielen, nicht selten.
Gargiulo erklärt im Verzeichniss der KoUer'schen Samm-
lung, welcher das Stück angehörte, den Henkel für modern.
Allerdings ist die Patina nicht gut, aber die Composition ist
in jedem Fall alt, sodass wir mindestens den Abguss einer
Antike in diesem Stück besitzen
Ein grosser Spiegel des britischen Museums (Arch. Ztg. 1870,
Taf. 32) hat einen ganz ähnlich gestalteten Griff.
26 Die etruscischen Spiegel.
b. Die etruscischen Spiegel^).
Den gravirten etruscischen Spiegeln schicken wir wegen
der Verwandtschaft mit den eben erwälinten griechischen
Spiegeln einen etruscischen mit Relief verzierten Klappspiegel
voran, der zugleich auf der Eücksoite der Spiegelplatte eine
Zeichnung hat.
12. a. u. b. Klappspiegel aus Vulci. Aus Gerhardts
Nachlass 1869 angekauft. Durchm. 5''.
1) Ich habe geschwankt, ob ich in den hier beginnenden Erklärungen
etruscischer Spiegel auf die Deutungen Gerliard's in seinem bekannten
Werk eingehen sollte oder nicht. Was mich bestimmt hat, wenigstens
kurz darauf einzugehen, ist der Umstand, dass so Viele über Gerhard
urtheilen und so Wenige ihn kennen. Selbst Otto Jahn hat in seinem
Buch über ihn, in welchem es überhaupt an unrichtigen Darstellungen
nicht fehlt, seine wissenschaftliche Thätigkeit in einer Weise geschil-
dert, dass gerade das Charakteristische nicht erwähnt wird. Dies Cha-
rakteristische liegt, so weit es seine Erklärungen der Spiegel betrifft,
darin, dass er die Spiegelzeichnungen nicht als das ansah und behan-
delte, was sie sind, als Fabrik waare, sondern als Producte tiefer, zum
Theil mystischer Weisheit, die eigenthümlicher Weise sich gerade in
den Spiegeln, die am rohesten und flüchtigsten gezeichnet sind, aufs
Höchste steigert. Es ist derselbe für den gesunden Menschenverstand
so schwer begreifliche Irrthum, der ihm auch das Verständniss der
Vasen unmöglich machte. Dazu kam aber weiter, dass Gerhard ausser
Stande war, die Ausdrucksmittel der Kunst, Formen, Stellungen etc. zu
verstehen. Er stand den Kunstwerken gerade so gegenüber, wie ein
Philolog ohne Kenntniss der Sprache, selbst der ersten Elemente ihrer
Grammatik, einem Schriftsteller gegenübersteht. Diese beiden Umstände
lassen es begreiflich erscheinen, dass der Irrthum in Gerhard's Schriften
nicht etwas Vereinzeltes, sondern etwas Perpetuirliches, Habituelles ist,
was seine Schriften von Anfang bis zu Ende durchzieht. In dem Text
zu den Spiegeln ist dies in dem Grade der Fall, dass nur sehr wenige
Erklärungen darin stehen mögen, die nicht, sei es im Ganzen oder im
Detail, Irrthümer enthielten Es ist daher Pflicht, alle noch Lernenden
und Unselbständigen vor Gerhard's Erklärungen zu warnen.
Ich kann übrigens auch nicht einmal die Sammlung der Spiegel
als ein Verdienst um die Wissenschaft ansehen, glaube vielmehr, dass
eine mit Sachkunde gemachte Auswahl viel nützlicher gewesen wäre.
So wenig es Jemandem einfallen wird, alle Vasen oder auch nur ein-
zelne Classen derselben vollständig herauszugeben, ebensowenig sollte
man alle die Dutzende nichtsnutziger Repliken, die sich unter den etrus-
cischen Spiegeln finden, vollständig reproduciren. Aber die Bewunde-
rung unserer Zeit über „Vollständigkeit des Materials", auch dann,
wenn diese Vollständigkeit nicht den geringsten Nutzen hat, und die
Gleichgültigkeit gegen alle höheren Aufgaben der Wissenschaft geben
solchen Sammlungen einen Werth, den sie nicht haben würden*, wenn
man mehr an die Zwecke als an die Mittel der Wissenschaft dächte.
Die etruscischen Spiegel. 27
Auf dem runden Deckel ist etwas unharmonisch ein vier-
eckiges Relief von gepresster Arbeit aufgelöthet, in welchem
eine badende Frau oder Venus, was schwer zu entscheiden
sein dürfte, dargestellt ist Denn eine gewisse Aehnlichkeit
der Stellung mit der bekannten im Bade hockenden Venus-
statue (Bd. I, n. 449) beweist nichts. Die Figur ist gerade
beschäftigt, sich einen Eimer Wasser über den Kopf zu giessen,
ein zweites beckenartiges zum . "Waschen bestimmtes Gefäss
stellt neben ihr. Hinter der Figur ist ein grosses Tuch aus-
gespannnt, das wesentlich den künstlerischen Zweck hat, der
nackten Figur zur Folie zu dienen, indess doch auch nicht ohne
einen materiellen Grund da ist. Wie man nämlichbei uns Wand-
schirme hat, um einen Baum abzusperren, so spannten die
Alten in ihren Häusern zu ähnlichem Zweck Tücher zwischen
Säulen aus, und daher dient in der Kunst ein ausgespanntes
Tuch oft dazu, einen abgeschlossenen Baum anzudeuten, ein
Begriff, der hier bei der Badescene besonders am Platze ist.
Beiläufig sei übrigens darauf aufmerksam gemacht, wie viel
schöner die alte Weise ist, das Tuch nur oben und nur an
den Endpunkten zu befestigen, während wir das Tuch oben
und unten an Stäben und zwar so befestigen, dass lauter ver-
tikale Parallelfalten entstehen, mithin alle Schönheit des
Faltenwurfs verloren geht.
Der etruscische Charakter des Reliefs tritt am deutlich-
sten in den wirklich groben Formen des Gesichts hervor.
Der Deckel ist durch einen Griff in die Höhe zu heben
und war durch ein Charnier mit der Spiegelplatte verbunden^
an deren Rückseite man noch an den Spuren von Löthung die
Stelle bemerkt, wo das Charnier ansetzte. Auf der Rückseite
der Spiegelplatte ist ein Parisurtheil vorgestellt, von der Art,
wie wir es im Folgenden genauer kennen lernen werden. Vgl.
n. 123. Es wird sich dann auch zeigen, dass dieser Klapp-
spiegel der letzten Periode der Spiegel angehört, in welcher
üppige und weichliche Gegenstände besonders beliebt waren.
Abg. bei (rerharcl, Etr. Spiegel III, 243, 1 und 262, 2.
Etruscische Spiegelstütze.
13. Venus als Spiegelstütze, wenn wir nämlich, was
nicht ganz sicher ist, diese Figur auch ohne bestimmte Attri-
bute so nennen dürfen. Die Figur ist ganz nackt, aber nach
specifisch etruscischer Manier hat sie ihre Schuhe und ihr mit
28 Die gravirten etruscischen Spiegel.
Bullen besetztes Halsband nicht abgelegt. Sie hält den Spiegel,
von dem ein Rest erhalten ist, mit beiden Händen über dem
Kopf.
Die Figur ist von späterem etruscischen Styl, übrigens
verhältnissmässig hübsch. H. 7".
Die gravirten etruscischen Spiegel.
Während gravirte Spiegel aus Griechenland, wie wir
sahen, sehr selten sind, ist die Zahl der etruscischen sehr
gross. Schon jetzt mögen über tausend vorhanden sein. Es
ist daher möglich, die historische Entwickelung dieser Gattung
genauer zu verfolgen, wozu wir uns hier um so mehr ver-
anlasst fühlen, als die Spiegelsammlung des hiesigen Museums
sowohl an Zahl wie anWerth bedeutender ist, als irgend eine
andere. Wir schicken indess einige Bemerkungen voraus, die
zur Orientirung über diese ganze Classe von Alterthümem
dienen mögen.
Was zunächst die Form betrifft, so sind die etruscischen
Spiegel entweder kreisrund oder birnenförmig. Doch ist die
letztere Form nicht eigentlich etruscisch zu nennen, weil sie
nur in Palestrina vorkommt. Die älteren Spiegel sind ge-
wöhnlich ganz platt, später erhält die Spiegelseite eine leise
Convexität, namentlich bei den kleineren Spiegeln. Offenbar
sollte durch die Verkleinerung, welche die Convexität bewirkt,
ein möglichst grosser Theil des sich spiegelnden Gegenstandes
auf der Fläche des Spiegels aufgefangen werden^) und zu-
gleich schützte man dadurch die Zeichnung der Rückseite, in-
dem man sie hohl legte. Die Spiegelfläche ist an manchen
Exemplaren noch so blank erhalten, dass sie noch jetzt zu
benutzen wäre.
Der Griff ist entweder von Bronce wie das Uebrige und
läuft, wenn er nicht durch eine Figur gebildet wird, in einen
Thierkopf aus, wovon oben die Rede war, oder aber er war
von Knochen, denn wirklich erhalten sind knöcherne Griffe
nur in ganz einzelnen Fällen. Die Zusammensetzung von Griff
und Spiegelrund ist in letzterem Fall höchst unorganisch und
unharmonisch, wie n. 166 zeigen kann*-^). Dieser Tadel trifft
1) Wie E. Braun, Annali 1840. p. 150, bemerkt.
2) Vgl. Gerhard, Etrusc. Spiegel I, 43 und auch die angebliche
Patere bei Gonnestabile Pitture murali a fresco e suppellettili etrusche
Die gravirten etrascischen Spiegel. 29
übrigens nur etruscische Spiegel, die birnenförmigen Spiegel
von Palestrina haben, wenn ich nicht irre, immer Griffe von
Bronce.
Die Zeichnungen der etrascischen Spiegel sind wie die
der griechischen Vasen Producte des höheren Handwerks oder
nach unserer Weise zu reden, der Kunstindustrie. Das etrus-
cische Handwerk aber stand wegen der geringeren künst-
lerischen Anlage des Volkes entschieden niedriger als das
griechische, und es ist wichtig zum Verständniss dieser Gat-
tung, dies aus den Denkmälern selbst nachzuweisen.
Man sagt gewöhnlich, dass es unter den vielen Tausenden
griechischer Vasen nicht zwei völlig übereinstimmende gebe '
und führt dies als Beweis für die freie Entwickelung des
griechischen Handwerks an, wo jeder Arbeiter von seinem
Eigenen zusetzte. Dieser Satz ist, in solcher Schärfe aus-
gesprochen, allerdings nicht richtig, er ist, wie so manche
andere, mehr aus dem, was an Vasen publicirt ist, als aus
dem, was die Museen besitzen, abstrahirt *), allein seinem
wesentlichen Inhalt nach besteht er doch zu Recht. Es wird
immer bewundernswertli bleiben, dass in einem so bedeutenden
Industriezweige sich nicht der Schlendrian mechanischer Re-
petition einstellte, sondern dass der einzelne Arbeiter so viel
Lust und Freude an der Arbeit behielt, um innerhalb der
Schranken des gegebenen Vorbildes eigene Erfindungen an-
zubringen. Vergleicht man eine Reihe nach demselben Vor-
bild gearbeiteter Vasenbilder, so erstaunt man, selbst bei
untergeordneten Exemplaren, über die Fülle von originellen
und gemüthlichen Einfällen, welche die einzelnen Arbeiter zum
Vorbild hinzufügten und erhält einen lebendigen Begriff von
der geistigen Frische und Regsamkeit des griechischen Hand-
werks. Anders ist der Eindruck, den die grosse Masse der
etrascischen Spiegelzeichnungen hervorruft, freilich mehr die
späteren als die früheren. Das mechanische, ja gedankenlose
Arbeiten, und besonders das Bestreben, möglichst schnell fertig
zu werden, macht sich nur zu oft bemerkbar. Daher die ver-
hältnissmässig grosse Anzahl von genauen Copien^) und die
tnv. XIII, 1. Archaeolog. Anz. 1859, 52 wird ein Spiegel mit eiser-
nem Griff erwähnt, worüber man gern etwas Näheres gehört hätte.
^) Im Museum von Girgenti befinden sich z. B. zwei nicht schlecht
gemalte Lekythen, die genau tibereinstimmen.
2) Vgl. Archaeol. Ztg. 1865, p. 18. 1862, p. 312. Anz. 1864,
p. 288. 1859, p. 51.
30 ^ic gravirten etruscischen Spiegel.
noch viel grössere Zahl von fast ganz übereinstimmenden Co-
pien, deren Abweichungen aber nicht durch künstlerische Ab-
sichten, wie bei den Griechen, sondern lediglich durch Zufall
oder Nachlässigkeit veranlasst sind. Es ist höchst langweilig,
Reihen etruscischer Spiegel, die auf dasselbe Original zurück-
gehen, zu vergleichen, weil man nirgends auf Geist stösst. Der
etruscische Arbeiter hatte nicht die Lust zur Arbeit wie der
griechische, weil ihm die schöpferische Anlage des letzteren
fehlte. Er hatte daher auch nicht den Ehrgeiz des Griechen, wo-
für die Thatsache bezeichnend ist, dass noch auf keinem etrus-
cischen Spiegel eine Künstlerinschrift zum Vorschein gekommen
ist^), an denen die griechischen Vasen so reich sind. Aber
noch deutlicher ergiebt sich dieser niedrigere Standpunkt des
etruscischen Handwerks, der übrigens einzelne glänzende Aus-
nahmen nicht ausschliesst, aus der Betrachtung der Zeichnun-
gen selbst.
Die Vorbilder nämlich, welche diesen Spiegelzeichnungen
zu Grunde lagen, waren gewiss nicht immer für einen dem
Spiegelrund analogen Raum componirt, sondern es musste oft
eine Uebertragung aus anderem Format heraus stattfinden, bei
dem sich die grössere oder geringere Geschicklichkeit des
Zeichners zeigen konnte. Vergleicht man nun hier griechische
und etruscische Handwerker unter denselben Bedingungen,
jene die Innenbilder der Schaalen, diese die Spiegel ver-
fertigend, so stellt sich ein grosser Unterschied heraus. Bei
den ersteren wird man selten den Eindruck haben, als sei in
dem Bilde etwas Gezwungenes, etwas nur durch Rücksicht auf
den Raum Veranlasstes, Alles ist frei und natürlich, Bild und
Raum decken sich völlig. Anders dagegen auf den etruscischen
Spiegeln und etruscischen Gemmen, wo sich nur auf kleinerem
Raum dieselben Schwierigkeiten wiederholen ^), Den Etruskern
ist die Abfindung mit dem Raum nicht so leicht geworden, sie
haben zu Verzerrungen oder Künstlichkeiten oder fremdartigen
Zuthaten ihre Zuflucht genommen, um nur eine ungefähre
Uebereinstimmung zwischen Bild und Raum herzustellen. Viele
wunderliche, gezwungene Stellungen, auch der so oft vorkom-
mende auffallende Grössenunterschied zwischen den einzelnen
^) In Palestrina ist eine lateinische entdeckt und ausserdem ist eine
griechische bekannt, bull. d. inst. 1867, p. 67. Arch. Ztg. 1868, p. 77.
Oerhard, Etr. Sp. III, 243 A.
^) Vgl. Nuove memorie dell' instit., p, 182.
Die gravirten etruscischen Spiegel. 31
Figuren eines Bildes erklären sich nur liierdurch, vollends
aber die vielen Blumen und ähnliches Beiwerk haben nicht
etwa materielle Bedeutung (was eine sorgfältige Vergleichung
bald als unrichtig* erkennt), sondern dienen nur dazu, den
überschüssigen Raum zu beleben und sind daher auch je nach
Bedürfniss oft in brutalster Grösse hineingesetzt. In der Kind-
heit und im Verfall der griechischen Vasenmalerei finden wir
ähnliche rein äusserliche Zuthaten auf den Bildern, aber sehr
selten dürften Verzerrungen und unnatürliche Stellungen sein.
Die Vorbilder der etruscischen Spiegelzeiclinungen sind
zum grössten Theil' griechisch, und es besteht gerade darin die
grösste und wichtigste Aufgabe des Spiegelerklärers, unter der
etruscischen Entstellung das griechische Original herauszufinden.
Denn da die Arbeiter, wie schon bemerkt, wenig Lust und In-
teresse an der Arbeit hatten, so kam es ihnen auf eine treue
Wiedergabe des Originals um so weniger an, als sie ihrem
Publikum gegenüber gewiss nicht allzu ängstlich zu sein
brauchten. So lässt denn der Eine in der Darstellung einer
opfernden Nike das Schwert weg^) und der Andere vergisst
in einer- Minervengeburt gar die Hauptperson, nämlich die
Minerva®). Will man ein Beispiel, wie griechische Lebendig-
keit und Gemüthlichkeit in etruscische Kälte und Ausdrucks-
losigkeit umgesetzt sind, so vergleiche man den vor Herkules
ängstlich ins Fass geflohenen Eurystheus der altgriechischen
Vasen mit derselben Figur auf einem etruscischen Spiegel^).
Auch hatten die etruscischen Arbeiter offenbar keine genügende
Kenntniss der griechischen Mythologie und ihrer Darstellungs-
weise, wie sich besonders in der vollständigen "Vyillkür zeigt,
die hinsichtlich der Beflügelung der Gottheiten in den Spiegel-
zeichnungen herrscht. Doch dürfen wir bei all diesen Mängeln
nicht vergessen, dass namentlich aus älterer Zeit eine nicht
kleine Anzahl von Spiegeln vorhanden ist, welche ihren grie-
chischen Vorbildern sehr nahe kommen. Der Zeichner des
Semelespiegels, welcher mit Recht als der schönste von allen
gilt, war unzweifelhaft ein Etrusker, hat aber sein griechisches
Vorbild wenigstens in einer Figur so rein copirt, dass man den
Spiegel gewöhnlich einem Griechen zuschreibt.
1) Gerhard, Etrusc. Spiegel. Taf. 251 A.
2) Gerhard, Taf. 285, 1, nach dessen Meinung freilich Minervens
Gebart auf diesem Spiegel als „bevorstehend gedacht ist^M
3) Gerhard, Taf. 339.
32 Die gravirten etruscischen Spiegel.
Ueberhaupt ist Licht und Schatten sehr gemischt. Neben
den flüchtigsten, nichtsnutzigsten Schmierereien giebt es an-
dererseits, zumal aus älterer Zeit, Zeichnungen von wahrhaft
bewunderungswürdiger Sorgfalt und Feinheit, so dass auch auf
diesem Gebiet die technische Meisterschaft der Etrusker, von
welcher oben in der allgemeinen Einleitung die Kede war, in
schönster Weise hervortritt
Gefunden werden die gravirten Spiegel in Etrurien an
den verschiedensten Orten und in Palestrina, oft innerhalb der
eisten, von denen später die Rede sein wird. Auch in der
Nähe von Modena ist einmal ein gravirter^ Spiegel gefunden,
der sich durch eine höchst alterthümliche Verzierung von allen
anderen unterscheidet ^), endlich einer in der Schweiz, auf dem
ein Parisurtheil von der gewöhnlichen Weise späterer Zeit
vorgestellt ist. Wir können unter den in Etrurien gefundenen
Spiegeln keine Unterschiede entdecken, die zu einer Scheidung
nach Fabriken Veranlassung geben könnten, zweifeln aber
nicht, dass es dort viele Spiegelfabriken gegeben hat. Nur die
Spiegel aus Palestrina, die zum Theil auch rein etruscischen
Charakter haben, sind doch überwiegend aus einheimischer,
von der etruscischen erheblich verschiedener Fabrikation her-
vorgegangen. Schon oben ist auf Eigenthümlichkeiten der
Form und des Griffes an diesen Spiegeln hingewiesen, wir
zweifeln auch nicht, dass ein geübtes Auge an der Zeichnung
einen Spiegel von Palestrina erkennen könne, wenn es auch
noch schwer halten mag, die Eigenthümlichkeit derselben
präcis in Worten auszudrücken. Vorläufig mag die bloss ne-
gative Bemerkung genügen, dass die für die etruscische Kunst
so charakteristischen Verzerrungen und Karrikirungen auf den
pränestinischen Spiegeln meines Wissens nicht vorkommen.
Wir besitzen in diesen Spiegeln ein Stück lateinischer
Kunst, wie die vielen lateinischen Inschriften, die auf den
^) Abg. Annali 1842. lav. H. mit einer Erklärung von Cavedoni,
die wirklich an Missdeutung das Möglichste leistet. Dargestellt ist
nämliclv unter anderen Gruppen auch eine Figura Veneris, nach Cave-
doni aber eine Begräbnissscene , in welcher einem Todlen auf dem
Leicheubett von einer andern Person das Haupt verhüllt werde. Es
kümmert den Erklärer nicht, dass der angebliche Todte seine Beine hoch
in die Luft wirft. Das hoch Alterthümliche dieses Spiegels liegt ausser
der rohen Zeichnung vornehmlich in der ringförmigen Composition und
der dadurch bedingten puppenhaften Kleinheit der Figuren. Es ist das-
selbe Arrangement wie auf den ältesten Vasen und auf den cyprischen
und caeretanischen Metallschalen.
Die erste Periode der etnisclschen Spiegel.' 33
Spiegeln und Cisten dieses Fundortes sich finden, unzweifel-
haft machen. Doch scheint die Spiegelfabrikation in Palestrina
erst später entstanden zu sein als in Etrurien, denn ich ent-
sinne mich nicht, auf einem birnenförmigen Spiegel je eine
Zeichnung alterthümlichen Styls gesehen zu haben. Auch die
Form dieser Spiegel ist sichtlich aus dem Bestreben entstanden,
eine gefälligere Vermittelung zwischen Griff und Spiegelrund
zu finden, als in den etruscischen Spiegeln vorhanden war^).
Wir versuchen nun zunächst, den ganzen Stoff in Perioden
zu zerlegen, wobei uns die,, griechischen Vasen, deren Datirung
möglich ist, von grossem Nutzen sein werden. Die etruscische
Kunst ist von der griechischen abhängig und diese künst-
lerische Abhängigkeit ist, wie mit Kecht bemerkt, gerade zum
guten Theil durch die Vasen vermittelt. Es komnit dÄer, um
feste Daten für die Spiegelzeichnungen zu gewinnen, nur da-
rauf an, die verwandte Vasengattung zu finden.
Die Vasen reichen höher hinauf als die Spiegel, den
ältesten Vasen kommt unter den erhaltenen Spiegelzeichnun-
gen keine gleich, es scheint, dass die Sitte, deft Spiegel zu
graviren, verhältnissmässig spät aufkam, wie es denn in der
That einen gewissen Luxus voraussetzt, dem Spiegel zur
Unterhaltung bei der Toilette ein Bild beizugeben. Dürfen
wir nach unserem Vorrath von Spiegeln urtheilen, so ist der Ge-
brauch gravirter Spiegel schwerlich lange vor Ol. 30 aufgekom-
men, denn fast alle erhaltenen Spiegel stehen bereits unter
dem Einfluss der griechischen Kunst, der etwa Ol. 30 begann.
Aber ganz vereinzelt giebt es allerdings Spiegel, die in eine
dem griechischen Einfluss vorausliegende Zeit hineinreichen
oder wenigstens Spuren jener Zeit zeigen, als die etruscische
Kunst noch unter ägyptischem und orientalischem Einfluss
stand. Dies gilt namentlich von dem an erster Stelle auf-
geführten Spiegel.
Die etruscischen Spiegel.
Erste Periode.
14. Geflügelte Figur, Spiegel aus Präneste, 1860 in
Rom durch Prof. Brunn gekauft. 3440.
^) Damit die Eigenthümlichkeiten der pränestinisclien Spiegel besser
ins Auge fallen, ist in einem besondern Fach eine grössere Anzahl der-
selben zusammengelegt worden.
FriedeTichs, Berlin'« Antilce Bildwerke II. 3
34 I^ie erste Periode der etruscischen Spiegel.
Die Bedeutung dieser Figur dürfte schwer festzustellen
sein, da sie offenbar aus einer grösseren Composition einzeln
herausgenommen ist, jedenfalls gehört sie in das Gebiet der
dämonischen und phantastischen Wesen, an denen die älteste
Kunst reich ist. Die Beflügelung mit vier Flügeln ist orienta-
lischen Vorbildern entlehnt, sie verschwindet später in grie-
chischer wie etruscischer Kunst. Die Stellung der Figur ist
ganz typisch für den Ausdruck des Forteilens und findet sich
an den verschiedensten Figuren der ältesten Kunst.
Auch die Verzierung des Grundes, auf dem die Figur
steht und die Umrahmung sind durchaus alterthümlich. Später
verziert man die Spiegel mit einer geflochtenen Schnur und
häufiger mit einem Kranz, was gewiss das [natürlichste oma-
mentale Motiv ist.
Abg. Gerhard IV. Taf. 328, 2, wo die Figur p. 66 als Agon er-
klärt wird, „der auf Siegesflügeln herbeigeeilt, nach einem von ihm
begünstigten Jüngling sich umsehe." Ein ähnlicher Spiegel bull. 66, 229.
Wir 'schliessen den folgenden Spiegel hier an, weil er,
obwohl bereits unter griechischem Einfluss entstanden, doch
auch noch eine orientalische Reminiscenz hat.
15. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben.
Auch auf diesem Spiegel finden wir noch die vier orien-
talischen Flügel, ausserdem ist Eos auch an den Füssen ge-
flügelt, was ungewöhnlich ist, aber in der etruscischen Kunst,
deren Ausdrucksweise zumal in handwerksmässiger Thätigkeit
schwankend ist, nicht auffallen darf. Im Styl entspricht die
Zeichnung durchaus den Vasen mit schwarzen Figuren.
Abg. Gerhard IV, 363. Im Text p. 115 heisst es, Kephalos sei
halb bewusstlos gedacht, indem als Absicht aufgefasst wird, was viel-
mehr Unbeholfenheit des Könnens ist. Und die Delphine im Abschnitt
sollen zur Andeutung des auch über die Meeresfläche sicher forteilenden
Fluges der Göttin dienen. Aber sie sind ein ganz conventionell ge-
wordenes Mittel der RaumfuUung, das in den verschiedensten Situationen
vorkommt und gewiss nur durch die so häufige ornamentale Wellen-
linie ins Leben gerufen ist.
Auch der folgende Spiegel wird am passendsten hier seine
Stelle finden.
16. Sirene, Spiegel aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben.
Die zweite Periode der etruscischen Spiegel. 35
Ob wir diese Figur Sirene oder Harpyie nennen sollen,
ist hier wie in andern Fällen schwer zu sagen, weil die cha-
rakterisirende Handlung fehlt. Die Figur hat nach ältester
Weise vier Flügel. Der Schnörkel auf ihrem Kopf scheint nur
eine Ranke zu sein, dergleichen oft zur Raumausfüllung vor-
kommt.
Zweite Periode.
Reicher vertreten ist der folgende Styl, den wir als
ülterthümlichen Styl bezeichnen wollen. Die Spiegel dieser
Periode entsprechen genau den ältesten rothfigurigen Vasen..
Und zwar nicht bloss im Allgemeinen in der Strenge des
Styls, sondern in einem ganz besonders significanten Punkt.
Auf jenen Vasen ist nämlich bei bekleideten Figuren der
Contour des Nackten auch unter dem Gewände angegeben und
eben dasselbe Verfahren ist an den dieser Periode angehörigen
Spiegeln beobachtet. Die Vasen geben damit nur eine Neuerung
des grossen Künstlers Polygnot wieder, der zuerst mulieres
tralucida veste pinxit ^), sie sind also nach Polygnot zu setzen,
aber doch noch vor den Anfang der 80er Olympiaden, weil in
dem Alphabet ihrer Inschriften noch das altattische, aus drei
Strichen gebildete Sigma vorkommt, das später verschwindet.
Dieselbe Zeitbestimmung gilt für die von ihnen abhängigen
etruscischen Spiegel, denn es ist unwahrscheinlich, dass bei
dem lebhaften Verkehr zwischen Griechenland und Etrurien
die künstlerischen Fortschritte der Griechen nicht möglichst
schnell bei den Etruskern Eingang gefunden haben sollten.
Unter den Spiegeln dieser Zeit finden sich bereits mehrere,
auf denen Liebesscenen oder Aehnliches dargestellt ist Dies
ist in der Folge der beliebteste Gegenstand und allerdings lag
es nahe, ein Putzgeräth, zumal unter üppigem Volk in dieser
Weise zu verzieren. Doch sind die Liebesscenen in dieser
alten Zeit noch keusch und züchtig gehalten.
Was die Composition betrifft, so haben diese Spiegel, ganz
wie die Innenbilder der bemalten Schaalen, höchstens drei Fi-
guren, die durchgehends ins Profil gestellt sind, während,
später eine ganz andere Gompositionsweise eintritt. Man hat
in der älteren Zeit mehr Gefühl für das, was decorativer Styl
heisst und eben darum wird auf den Vasen und Spiegeln dieser
^) Vgl. Brunn, Gesell, d, griecli. Kunstl. II, p. 29.
36 Die zweite Periode der etruscischen Spiegel.
Zeit die Profilstellung vorgezogen, während die Figuren in
späterer Zeit oft en face gestellt werden und dadurch freier
und gleichsam losgelöst vom Hintergrund erscheinen.
Unter den Spiegeln dieser Periode finden sich nicht wenige,
die wie Copien altgriechischer Zeichnungen aussehen. Der unter
n. 24 aufgeführte Spiegel mit der Darstellung einer Bacchan-
tin könnte als ein altgriechisches Vasenbild angesehen werden
und es dürfte schwierig sein, irgend etwas specifisch Etrus-
cisches darin aufzufinden. Andererseits giebt es Spiegel-
zeichnungen von ganz specifisch etruscischem Charakter, wovon
der unter n. 17 rfüher besprochene Spiegel vielleicht das
schönste Beispiel giebt. Eine grosse Härte und Eckigkeit in
Formen und Bewegungen ist das allgemeine Kennzeichen dieses
Styls, wozu dann manches Einzelne, z. B. eine gewisse Schädel-
form, die der ägyptischen unleugbar ähnlich ist, hinzukommt.
Und wie die Form, so ist auch der Inhalt der Darstellungen
in dieser Spiegelclasse specifisch national. Nicht griechische
Mythen nämlich sind dargestellt, sondern Gegenstände aus
dem etruscischen Privatleben, namentlich Tänzerinnen. Doch
stehen diese eigentlich etruscischen Spiegel den mehr gräci-
sirenden in der Ausführung nicht nach, sondern übertreffen
sie zum Theil. Der oben erwähnte Spiegel erinnert in der
Feinheit und Sauberkeit seiner Technik an die schönsten etrus-
cischen Skarabäen.
Wir führen nun zunächst diejenigen Spiegel unserer
Sammlung auf, welche dieser Periode, also dem fünften Jahr-
hundert angehören und schicken dabei die specifisch etruscischen
den mehr gräcisirenden voraus. Natürlich giebt es dabei viele
Mittelstufen, über deren Zutheilung zur einen oder anderen
Classe man schwanken kann.
a) Die specifisch etruscischen Spiegel dieser Periode.
17. Etruscische Tänzerinnen, schwerer gegossener
Spiegel, wie sie gerade im älteren Styl sehr gewöhnlich sind.
War vergoldet. Aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben.
3370.
Die Vorstellung ist von strengstem ornamentalen Cha-
rakter und der Künstler hat auf die Bedeutung der Figuren
sichtlich sehr geringes Gewicht gelegt. Doch lässt sich be-
haupten, dass dieselben dem Leben angehören und nach ihren
Geberden als Tänzerinnen aufzufassen sind. Die Figuren so-
Die specifisch etruscischea Spiegel dieser Periode. 37
wohl wie auch alles raumfüllende Beiwerk, Binden und Blumen
sind mit strengster Symmetrie componirt und das Ganze ist
mit höchster Eleganz und Sauberkeit ausgeführt. Nur fehlte
es dem Künstler, der das Technische so wohl verstand, an dem
höheren künstlerischen Verständniss. Die äusseren Beine der
Frauen sind ganz verzeichnet und der Mantel musste an
"beiden Seiten vom Kopf auf die Schultern herabsinken. Die
Figuren erinnern mit ihren fein verzierten Gewändern sehr an
gewisse altetruscische Wandgemälde von Tarquinii. (Mus.
Oreg. I, 102).
Abg. Gerhard I, 44, der die Figuren als Lasen {III, p. 32) erklärt,
indem er Alles missversieht.
18. Tänzerinnen, gegossener und vergoldeter Spiegel.
Aus Gerhardts Besitz 1859 erworben. 3353.
Zwei Tänzerinnen mit Castagnetten in den Händen, genau
einander entsprechend, umgeben einen Jüngling, der sich mit
einer derselben zu schaffen macht. Die Zwischenräume der
Figuren sind mit Reben und Blumen ausgefüllt. Der Jüngling
in der Mitte hat eine in der altetruscischen Kunst häufiger
vorkommende, der ägjrptischen ähnliche Schädelform, die ver-
muthlich durch den Einfluss ägyptischer Werke zu erklären
ist. Auch hier ist die Verwandtschaft mit den oben erwähn-
ten Tarquiniensischen Wandgemälden auffallend.
Im Abschnitt Delphine.
Abg. Gerhard I, [98, der das Bild als „bacchische Einweihung"
deutet. III, p. 100.
19. Flötenspieler mit Tänzerinnen, gegossener und
vergoldeter Spiegel, aus Gerhardts Besitz 1859 erworben. 3354.
Das Bild ist dem vorigen sehr ähnlich und rührt ver-
muthlich von derselben Hand oder wenigstens Fabrik her.
Da alle Figuren nach derselben Seite gerichtet sind, so
scheint es, als ob eine Procession dargestellt sei. Wahrschein-
licher aber ist dieser Umstand nur eine Folge ungeschickter
oder alterthümlicher Compositionsweise. Die Figuren der
Tänzerinnen wiederholen sich auf das Genaueste.
Abg. Gerhard 1, Taf. 99, der hier einen „Einweihnngszug" sieht.
in, p. 102.
20. Kitharspielerin von Jünglingen bewundert,
gegossener Spiegel, aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
\
38 Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
Sehr ähnliche Darstellung. Die Figuren sind auch hier
durch Bäume oder Sträucher von einander getrennt, ganz wie
auf den erwähnten Wandgemälden von Tarquinii.
21. Bacchische Scene, aus Gerhardts Besitz 1859 er-
worben. 3290.
Dieser Spiegel enthielt vier Figuren, von denen aber nur
zwei noch deutlich sind, nämlich ein Satyr mit Pferdehufen,,
dergleichen Wesen auch in griechischer Kunst vorkommen, und
eine tanzende Bacchantin. Die letztere erinnert durch ihre
eckigen Bewegungen, durch die Verzierung des Gewandes und
durch die Form ihres Schädels sehr an die tarquiniensischen
Wandgemälde.
Ab^. Gerhard, Taf. 92, 5, der die Zeichnung als „Pan unter Ein-
geweihten" erklärt. Was Gerhard's Zeichnung ausser den beiden ge-
nannten Figuren angiebt, ist ganz unsicher.
b) Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
22. Apoll und Artemis. Gegossener und vergoldeter
Spiegel aus Vulci, 1848 durch Vermittelung von E. Braun an-
gekauft. 2972.
Die Geschwister, inschriftlicli als Apulu und Artumes be-
zeichnet, sitzen traulich gruppirt neben einander und Artemis,,
der die Musik nicht fremd ist, spielt ihrem Bruder vor. Hinter
ihr hängt eine Ciste von der Art, wie wir sie als Behälter für
Toilettengeräth kennen, zwischen beiden ein Kranz. Apollo
trägt ein Armband, das nach etruscischer Sitte nicht bloss von
Frauen, sondern auch von Männern getragen wurde, wie aus
vielen Spiegelzeichnungen ersichtlich ist.
Das Bild ist mit alterthümlicher Zierlichkeit gezeichnet
und könnte fast für griechisch gelten.
Abg. Gerhard III. IV, 293, in dessen Text E. Braun's (Annali 1855,
p. 21) Annahme eines Liebesverhältnisses zwischen Artemis und Apollo
befolgt wird. Ich gestehe, dass sie mir mehr als willkürlich scheint,
da das Armband, das Braun wunderlicher Weise als simbolo nuziale
deutet, doch offenbar nichts Anderes ist, als ein simpler Schmuck. Vgl.
wenn nöthig 0. Jahn, Fikoron. Cista, p. 9. Ebenso hinfällig ist die
Annahme für einen andern Spiegel (Gerhard, Taf. 294), wo Artemis
ganz nackt erscheint, was aber nur aus der für die etruscischen Spiegel
so charakteristischen Vorliebe für nackte Frauen zu erklären ist.
23. Bacchus und Ariadne. Gegossener und vergoldeter
Spiegel aus Yiterbo. Sammlung Dorow 572.
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode. 39
Die Figur zur Rechten ist durch den Thyrsusstab als
Bacchantin charakterisirt^ die zur Linken kann nur Bacchus
sein. Sie hat wie jene einen Epheukranz und mit Epheu-
blättern verzierte Gewandsäume. Auch führt das Attribut der
Schaale zunächst auf Bacchus. Die Figuren sind in lebhafter
Bewegung, die aber zum Theil nur durch Rücksicht auf den
auszufüllenden Raum veranlasst zu sein scheint. So viel geht
übrigens aus der Handbewegung des Bacchus hervor, dass es
sich um eine Liebesscene handelt.
Die Zeiclmung ist im Geschmack der oben erwähnten
tarquiniensischen Wandgemälde gehalten, wo man ebenfalls die
eigenthümlich eckigen Bewegungen, wie in der Haltung des
rechten Armes des Bacchus und die reichen Verzierungen der
Gewänder und Gewandsäume findet.
Eigenthümlich ist das Beiwerk. Zwar die Fische sind
unzweifelhaft nur zur Raumausfüllung da, in welchem Sinne sie
oft im Abschnitt und im Rund des Spiegels selbst vorkommen^),
auch der Zweig zwischen den Köpfen hat gewiss nur dieselbe
Bedeutung, aber die beiden sich umringelnden Schlangen könn-
ten doch irgend eine symbolische Beziehung ausdrücken sollen,
die wir indess nicht anzugeben vermögen. Vielleicht sind es
die Schlangen, die in bacchischen Scenen oft erwähnt und dar-
gestellt werden, wie z. B. Bacchantinnen mit schlangenum-
ringelten Händen vorkommen.
Die Technik ist derb.
Abg. Gerhard I, 89, der (III, p. 93) das Bild nach Panofka's Vor-
gang auf Apoll und Thyia bezieht. Es wird nämlicli das für Bacchus
Charakteristische an der Figur zur Linken übersehen und aus dem
bloss raumfüllenden Lorbeerzweig auf Apollo geschlossen. Die an-
genommene Darstellung ist zudem in der bildenden Kunst ganz unbe-
kannt, während unsere Deutung das Bild auf eine auch im Gebiet der
Spiegel gewöhnliche Scene bezieht. Was übrigens die in der Arch.
Ztg. 1853, p. 359 erwähnten Inschriften betrifl't, so ist die der angeb-
lichen Thyia ganz erfunden, die andere, die Aplun lauten soll, mehr
als verdächtig. Erstens wegen der Kleinheit der Buchstaben, dann
wegen der Fehler im T und N und auch das Ä ist nichts weniger
als regelrecht. Endlich sieht man noch in den Vertiefungen der beiden
letzten Buchstaben den Metallglanz, sie sind daher ganz neu oder
wenigstens nachgekratzt. — Die Schaale des Bacchus entspricht ganz
den in Terrakotta erhaltenen Schaalen, an denen der buckeiförmig sich
erhebende Mittelpunkt von concentrischen, ovalen Vertiefungen umgeben
ist, die man hier angedeutet findet.
^) Welcker, A. D. 3, 541 erklärt sie auf einem Spiegel symbolisch,
aber die Vergleichung einer grösseren Anzahl von Spiegeln würde ihn
zu anderer Ansicht gebracht haben.
40 I^*ß mehr griechischen Spieg-el dieser Periode.
24. Bacchantin, gegossener und vergoldeter Spiegel,
der noch jetzt zum Spiegeln benutzt werden könnte. Aus
Gerhardts Besitz 1859 erworben. 334.
Eine lebendig bewegte, mit einem Pantherfell bekleidete
Bacchantin; hinter ihr die Schlange, die bei den bacchischen
Feiern eine Rolle spielte.
Diese Zeichnung könnte für altgriechisch gelten,
Abg. Gerhard I, Taf. 96, der (III, p. 101) das Motiv missversteht,
indem er meint, die Baccliantln fliehe vor der Schlange.
25. Bacchantin zwischen Silenen, gegossener Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3353.
Eine Bacchantin, mit einem Thyrsus in der Hand, umfasst
einen Silen, der Trinkhorn und Schlauch hält. Daneben ein
zweiter Silen, der sich höchlich über die Vertraulichkeit des
Paares verwundert.
Das Bild hat etwas ctruscisch Unerfreuliches, etwas
Carikirtes. An den Figuren der Silene ist auch schon zu viel
Detail ausgedrückt.
. Die Delphine im Abschnitt ganz wie oben.
Abg. Gerhard I, Taf. 102, in dessen Erklärung {III, p. 104) aber
die Motive miss verstanden sind. Der Lorbeerkranz auf dem Kopfe des
einen Silen soll nach Gerhard die „geläuterte Weihe*' desselben be-
zeichnen.
26. Silensmaske, aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3357.
Die Neigung der Etrusker zur Carikirung und Ueber-
treibung ist in diesem Kopf wieder sehr merklich. Die langen,
abstehenden Ohren wird man in griechischer Kunst vergebens
suchen. Der Kopf ist wie ein zauberabwehrendes Symbol nach
Art eines Medusenkopfes auf dem Spiegel angebracht.
Abg. Gerhard I, 71, 6.
27. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben, 3323.
Die Deutung dieses Bildes ist nicht ganz sicher, w^eil das
zu Grunde liegende griechische Vorbild Veränderungen er-
fahren zu haben scheint, die das Verständniss desselben trüben.
Man wird allerdings an die griechischen Darstellungen von der
Verfolgung des Kephalos durch die Eos erinnert, versteht aber
Die mehr griechischen Spiegel dieser. Periode. 41
nicht, wie Kephalos, der ein Jäger war, zu den Geräthen
kommt, die der Knabe trägt. Es ist nämlich eine Ciste, wie
sie zur Aufbewahrung von Toilettengeräth diente, und ein an
beiden Seiten spitzer Stecken, dessen Bestimmung uns freilich
unklar ist Man könnte daher auch an die auf Vasen nicht
seltenen Darstellungen denken, wo Nike einen Jüngling verfolgt,
nur dass man auch dann Kranz oder Binde in den Händen
der Göttin erwartet.
Im Allgemeinen steht die Zeichnung den griechischen
Vorbildern nahe, aber die Haltung des linken Beins der Eos
ist wieder eine etruscische Härte und Gewaltsamkeit.
Eigenthümlich unkünstlerisch ist auch das Ornament.
Eine noch dazu phantastisch behandelte Palmette, die in der
griechischen Ornamentik für bestimmte Zwecke, namentlich
als Bekrönung verwendet wird, ist hier als ein roh abge-
schnittenes Glied einfach in den Raum zur Belebung desselben
hineingesetzt. Und der Epheukranz, der das Ganze einfasst,
<3ntwickelt sich auf höchst unorganische und unverständliche
"Weise aus dem ebenfalls palmettenartig gestalteten Ornament
am Griff. Die unorganische Entwicklung des Kranzes aus
dem Griffornament ist überhaupt ein Fehler sehr vieler etrus-
cischer Spiegel. Man sieht hier und in vielen ähnlichen
Fällen deutlich, dass die etruscischen Künstler nicht etwa
fertige griechische Spiegel vorfanden, die sie nur zu copiren
brauchten, sondern dass sie nur die einzelnen Elemente ihrer
Darstellung aus der griechischen Kunst nahmen, deren Ver-
bindung und Zurichtung für den Zweck der Spiegelzeichnung
ihnen überlassen blieb.
Abg. Gerhard II, 179.
28. Eos und Memnon, in Vulci gefunden. Aus Ger-
hardts Besitz 1859 erworben, n. 3360.
Die Göttin schreitet langsam mit dem .Leichnam des
Sohnes dahin. Der Schleier, der sie umhüllt, ist für den Aus-
druck der Trauer angemessen.
Die Composition hat etwas unschön Rechtwinkliges.
Schon auf alterthümlichen griechischen Vasen ist der Gegen-
stand viel natürlicher componirt.
Das Käuzlein dient wohl nur zur Raumausfüllung.
Abg. Gerhard III. IV, 361, der den von ihm für verschwunden
gehaltenen Spiegel wunderlicher Weise auf Eos und Kephalos, „der
ohnmächtig von dannen gebracht whrd" erklärt.
42 ^^^ mehr griechischen Spiegel dieser Periode.
29. Herkules und Antaeus, vulcentischer Spiegel^
1863 durch .Vermittlung von Prof. Brunn erworben, 3496.
Dieses Bild kann trotz einer räthselhaften Inschrift wohl
nicht anders als auf Herkules und Antaeus gedeutet werden.
Denn sichtlich ist Herkules bemüht, den Antaeus, der mit dem
rechten Fuss am Boden zu haften strebt, während er den linken
vor Schmerz bereits erhoben hat, vollends in die Höhe zu
heben. Die Arme des Antaeus haben allen Widerstand be-
reits aufgegeben, der rechte ist mit einer Trauergeberde gegen
den Kopf erhoben. Neben der Gruppe steht in Stellung und
Gewandung an die berühmte Pallas Albani erinnernd, die
Schutzgöttin des Herkules, durch die erhobene Hand ihren
Schützling, wie es scheint, anfeuernd.
Die Jugendlichkeit des Herkules ist nicht auffallend, er
erscheint auf den etruscischen Spiegeln fast immer so, eher
aber könnte Antaeus zu knabenhaft erscheinen. Aber die Vor-
liebe für bartlose Gesichter ist für die etruscischen Gemmen
wie für die Spiegel in gleicher Weise charakteristisch. Dort
finden wir selbst einen unbärtigen Poseidon, hier ist ein bart-
loser Zeus wenigstens durchaus nicht ungewöhnlich und Merkur
wie Bacchus sind fast nur als Jünglinge bekannt.
Wie die Inschrift des Antaeus Epiur zu verstehen sei,
wissen wir nicht. Auf einem anderen Spiegel trägt ein Eros
die Beischrift Epeur, und durch diese Uebereinstimmung wird
der Sinn derselben noch räthselhafter. Auch Herkules hat
seine Beischrift Hercle.
Abg. Gerhard III. IV, 335, 2, der sich p. 79 in allerhand unbe-
weisbaren Vermuthungen ergeht. Vgl. Brunn bullet. 1862 p. 110.
30. Achill und Penthesilea, volcentischer Spiegel,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben, 3296.
Achill hat Penthesilea ergriffen, um ihr den Todesstoss
zu geben, während sie bittend die Rechte gegen ihn ausstreckt.
Die Inschriften sind wie auf den älteren griechischen Vasen
so angeordnet, dass sie alle Zwischenräume der Figuren aus-
füllen. Man liest Achle und Penta(s)ila, indem das fehlende s
für die an seiner Stelle befindliche Beschädigung vorauszu-
setzen ist.
Dieser Spiegel steht griechischen Vasenbildern von der
Art der Sosiasschaale sehr nahe. Die Ausführlichkeit im
Detail findet sich hier wie dort. Aber daneben fehlt auch das
eigenthümlich Etruscische nicht, und es liegt besonders in der
Die mehr griechischen Spiegel dieser Periode, 45
gezwungenen Stellung der beiden Figuren, die freilich bei
nicht wenigen Spiegeln wiederkehrt.
Die beiden Figuren entsprechen sich, wie es oft auf den
Spiegeln der Fall ist, fast ganz genau. Nur das längere Haar
und das Halsband unterscheidet das Weib.
Abg. Gerhard II, 233.
31. Orest und Klytämnestra, aus der Sammlung Ger-
hardts 1859 erworben, 3371.
Orest (Urusthe) hat die Klytämnestra (Clutumita) ergriffen,
um ihr den Todesstoss zu versetzen. Jene hält ihm die ent-
blösste Brust entgegen, wie Aeschylus gedichtet hatte, dass
die Mutter dem Mörder die Brust gezeigt habe, die ihn ge-
nährt. Die Zwischenräume der Figuren sind durch Blumen
ausgefüllt. Am Griff ist eine geflügelte und strahlenbekränzte
Figur, die wir nicht näher bestimmen können.
In der Stellung und Gewandung der Klytämnestra ver-
misst man das richtige Verständniss. Die gesträubten Haare
derselben sind für die Uebertreibung der etruscischen Kunst
charakteristisch.
Abg. Gerhard II, 237. Stephani Nimbus und Strahlenkranz p. 69
nennt die geflügelte Figur am Griff eine Erinys, „weil die an den
Griffen der Spiegel angebrachten Figuren fast immer in dem engsten
Zusammenhang mit der Hauptdarstellung stehen". Diese Behauptung
ist »schwer zu beweisen, weil wir in so vielen Fällen die Figuren an
den Griffen gar nicht benennen können, und schwer zu glauben, wenn
man sich nach den Producteu ein Bild der Producenten zu machen
versucht. Es scheint mir daher mehr als gewagt, eine Figur, deren
äussere Charakteristik auf ganz andere Gebiete hindeutet, Erinys zu
nennen und zwar mit einer Sicherheit, die nicht „den geringsten Zweifel
obwalten" lässt.
32. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben, 3329.
Auf diesem sorgfältigen Spiegel sind zwei Figuren ohne
Handlung einander gegenübergestellt. Die zur Linken scheint
männlich, die andere möchten wir wegen des langen Gewandes
für weiblich halten. Jener hält eine Ranke in der einen
Hand, diese zieht mit der Linken ihr Gewand an, ein Gestus,
der auch eher für eine Frau passt. Wir denken bei diesem
Spiegel an die auf Vasen nicht seltenen Scenen, wo Männer
und Frauen sich verbindlich gegenüberstehen und sich ein
Blümchen präsentiren etc.
44 ^i^ etruscischen Spiegel.
Keiches Beiwerk umgiebt die Scene. Zwischen den
Figuren steht ein Baum, wie es scheint, ein Palmbaum, an
Wandgemälde aus Tarquinii erinnernd, wo die einzelnen Figuren
durch Bäume getrennt sind. Ausserdem sind mehrere Pflanzen,
ein Sessel und eine Kiste zur Belebung des Raumes benutzt.
Die starke Oxydation des Spiegels hindert über alle
Einzelheiten ins Klare zu kommen.
34. Scene aus dem Leben, aus Gerhardts Sammlung
1859 angekauft. 3328.
Zwei Jünglinge mit einander im Gespräch, der eine leb-
haft gestikulirend. Diese Zeichnung erinnert sehr an alt-
griechische Vasenbilder.
33. Astarte, den gefundenen Stern nach Tyrus
tragend. Aus Gerhardts Sammlung 1859 angekauft. 3313.
Eine geflügelte Frau, deren Obertheil zerstört ist, trägt
mit beiden Händen eine mit einem Stern verzierte Kugel.
Diese Vorstellung entspricht genau einem Münztypus, welcher
der Stadt Marium auf Cypern beigelegt (de Luynes, numis-
matique et inscriptions Gypriotes p. 37) und auf den genannten
phönicischen Mythus bezogen wird. Es ist jedenfalls sehr
interessant, diesen phönicischen Typus auf einem etruscischen
Spiegel wiederzufinden. Doch ist dies nicht die einzige Be-
rührung zwischen phönicischer und etruscischer Kunst.
Neben der Figur befinden sich raumfüllende Ornamente,
links eine Blume mit einem Vogel darauf, zur Rechten eine
unbestimmbare Verzierung, im Abschnitt zwei sich schnäbelnde
Tauben.
Abg. Gerhard I, 36, 2, von dessen Phantasien ich nur die erwähne,
dass er auf der Kugel (III, p. 18) ein „zum Pentagramm verschlungenes
zwiefaches Dreieck", zu sehen und als ein „Symbol der in sich ver-
schränkten Weltordnung" betrachten zu müssen glaubt. Der fragliche
Gegenstand besteht aber aus einer Kreislinie, an welche sich Zacken
anschliessen, wird also als Stern bezeichnet werden müssen. Auch die
„phrygische Mütze" der Figur ist mehr als zweifelhaft.
Dritte Periode.
Die im Vorstehenden aufgeführten Spiegel gehören dem
alterthümlichen Stil an, der bis in die zweite Hälfte des fünften
Jahrhunderts in Griechenland und vermuthlich auch in Etrurien
herrschte. Aus der nächstfolgenden Periode, als man in
Die etniscischen Spiegel. 45
grossartigem Stil, wenn auch noch mit einiger Strenge compo-
nirtC; sind mir keine Spiegel bekannt^), und ich gehe daher
zu den Spiegeln des vierten Jahrhunderts über, von denen ich
freilich mit einiger Zuversicht nur zwei anführen kann, die
beiden schönsten unter denen die existiren, den Telephus- und
Semelespiegel. Auf dem ersteren begegnen wir bereits gewissen
technischen Veränderungen, die später so häufig vorkommen,
zunächst nämlich der Punktirung des Grundes. Dies Verfahren
hat den Zweck, den hellen Figuren eine matte Folie zu be-
reiten, auf der sie besser hervortreten können, ähnlich wie die
etruscischen Goldschmiede, um helle Partien eines Geschmeides
zu heben, ihnen einen mit unzähligen Goldkömern, wie mit
feinem Staub überstreuten Grund gaben. Sodann werden von
jetzt an, nicht immer, aber sehr oft, die inneren Linien, die
früher ganz wie der Contour gezogen wurden, durch kleine^
feine neben einander gesetzte Parallelstriche ausgedrückt.
Gewöhnlich ist mit dieser Technik eine grosse Häufung des
Details verbunden und eben darin liegt ein unleugbarer Nach-
theil. Der ^dekorative Charakter, der Charakter der Umriss-
zeichnung, geht verloren. Man vergleiche um sich des Unter-
schiedes bewusst zu werden, die beiden erwähnten Spiegel, von
denen der eine, der Telephusspiegel, die spätere, der andere
die frühere Weise wiedergiebt.
35. Die Heilung des Telephus, in der Umgegend von
Bomarzo gefunden. Aus Gerliard's Sammlung 1859 er-
worben. 3294.
Zur Rechten sitzt Telephus auf einem Stein, das leidende
Bein auf einen Schemel stützend. Sein ganzes Aussehen maclit
den Eindruck des Leidens, der Kopf ist gesenkt, der linke
Arm stützt den Körper, der rechte hängt schlaff über das
Knie herab. Neben ihm steht Achill, mit einem sichelförmigen
Messer am Schaft seiner Lanze kratzend, so dass der Abfall
auf die am Schenkel befindliche Wunde des Telephus fallen
muss 2), und hinter diesem Agamemnon, der die Linke auf einen
^) Denn der bei Gerhard Taf. 61 abgebildete Spiegel, der auffallend
au Vasenbilder grossartigen Stils erinnert, ist nach meiner Ansicht nicht
acht. Auch Gerhard III, p. 64 Anm. 3 dachte an die Möglichkeit einer
Fälschung.
2) Man muss annehmen, dass der Künstler dem Achill eine ganz
eherne Lanze beilegte, wie auch bei Plin. Nat. bist. 84, 152 ange-
deutet ist.
46 ^iß etruscischen Spiegel.
Stab stützt und mit der Rechten eine Geberde der Beschwich-
tigung und des Zuspruchs gegen Telephus macht. Im Felde
hängt ein Schild. Die Figuren haben jede ihre Beischrift
Tele(phe), Achle, Achmemrun.
Die Figur des Telephus ist sehr schön und ausdrucks-
voll; und es ist wohl kein Zweifel, dass ein schönes griechisches
Original dieser Zeichnung zu Grunde liegt*). Aber eben so
gewiss ist, dass der Spiegel von einer etruscischen Hand aus-
geführt ist Nicht bloss wegen der Armbänder des Telephus
und Achill, der Schuhe des letzteren und der unorganischen
Art, wie der umgebende Kranz sich aus dem Ornament am
Griff entwickelt, sondern auch wegen der UeberfüUung mit
Detail in den Formen des Achill und Telephus. Agamemnon
unterscheidet sich darin von den anderen, Achill ist in jeder
Beziehung die am wenigsten gelungene und gewiss nicht von
etruscischer Umbildung freie Figur.
Die Composition hat noch eine gewisse Strenge und Ein-
fachheit, wesswegen wir sie ins vierte Jahrhundert und zwar
mehr in den Anfang als ans Ende setzen.
Abg. Gerhard II, 229 und im Berliner Winckelmannsprogramm
von 1843.
36. Bacchus und Semele, in Vulci gefunden, aus Ger-
hardts Sammlung 1859 erworben. 3276.
Dieser schönste aller erhaltenen Spiegel befindet sich
leider in einem solchen Zustande, dass die Linien der Zeich-
nung nur langsam und mit Mühe verfolgt werden können, sie
sind indessen noch unversehrt.
Die Figuren sind mit Ausnahme des kleinen flötenden
Satyrs zur Linken mit Namen versehen, Semla, Phuphluns
d. i. Bacchus und Apulu. Der letztere steht als ruhiger Zu-
schauer der innigen Umarmung des Bacchu? und seiner Mutter
gegenüber, seine Anwesenheit ist vermuthlich durch die mytho-
logische Verwandschaft zu Bacchus zu motiviren. In Betreff
der Hauptgruppe hat man, erinnernd an die Sage, wonach
Bacchus seine vom Zeus getödtete Mutter aus der Unterwelt
zum Olymp hinauf geführt habe, angenommen, dass er hier die
wiedergefundene und wiedererstandene Mutter umarme, doch
^) PHnius 34, 152 und 25, 5 spricht von Gemälden in denen Achill
in derselben Action dargestellt sei. Auch Parrhasios hatte diese Scene^
um die Figur des Odysseus erweitert, dargestellt.
Die etruscischen Spiegel. 47
ist dies nicht in der Composition angedeutet und daher um so
weniger anzunehmen, als das Original der Gruppe wahrschein-
lich etwas ganz Anderes als Bacchus und Semele darstellte.
Eine ganz ähnliche Gruppe kommt nämlich auch auf
griechischen Monumenten vor, theils auf Gemmen, besonders
aber auf einem der schönsten Reliefs ^), und zwar in anderer
Bedeutung, es ist nämlich ein getroffener Niobide, der, im Be-
griff hintenüber zu sinken, von einer Schwester aufgefangen
wird und nun im Tode innig seinen Arm um den Hals der
Schwester legt. Er erhebt nur einen Arm, während der andere
ihm bereits schlaff herabhängt, allein dieser Unterschied
zwischen den beiden Gruppen ist doch nicht erheblich genug,
um ihren Ursprung von einem und demselben Original in Frage
zu stellen. Fragt man nun aber nach der Bedeutung der
Originalcomposition, so lässt sich wohl nicht leugnen, dass die
Gruppe als eine Gruppe von sterbenden Niobiden besser moti-
virt ist, als in der anderen Bedeutung auf dem Spiegel, denn
dass der Jüngling sich hintenüber neigt zur Umarmung, ist
natürlicher und ungesuchter in jener Situation als in dieser.
Eben darum ist anzunehmen, dass die Bedeutung der Gruppe
auf dem Spiegel verändert ist.
Der Verfertiger war, wie wir glauben, ein etruscischer
Künstler, der nach einem griechischen Vorbild arbeitete. Denn
bei der Annahme griechischen Ursprungs würden wir nicht
den etruscischen Arm- und Halsschmuck der Figuren, noch
weniger aber die etruscischen Inschriften begreiflich finden.
Warum sollten, falls man Spiegel aus Griechenland importirte,
diese Spiegel nicht eben so gut in rein griechischer Form
importirt sein, wie die Vasen, die doch ohne alle etruscische
Zuthat sind? Und zudem ist in der Gestalt der Semele etwas
nicht ganz Griechisches, was man am besten bei Vergleichung
jenes erwähnten griechischen Vorbildes herausfühlt. Ja es
fehlt nicht an starken Zeichnungsfehlern, wie wenn der linke
Fuss der Semele en face, das Knie aber im Profil gesehen
wird und an dem kleinen Satyr der Kopf vor, die Beine aber
hinter der Figur des Apollo sich befinden.
Gewiss aber dürfen wir das Werk in die Zeit der
griechischen Kunstblüthe, in das vierte Jahrhundert setzen.
Die Figuren haben nämlich bei aller Grazie doch immer noch
^) Der Gypsabguss desselben ist jetzt im Neuen Museum und zwar
im Niobidcnsnale zu' finden, eine Abbildung in Starkes Buch über Niobe.
48 ^^ie etruscischen Spiegel.
eine gewisse Haltung und Noblesse, und der dekorative
Charakter igt aufs Schönste festgehalten, es ist eine Umriss-
zeichnung. Auch die Technik ist vortrefflich, auf keinem
andern Spiegel, ja so viel wir wissen, in keinem anderen
graffito sind die Linien so zart und fein eingegraben.
Abg^ Gerhard I, 83, in dessen Erklärung (III, p. 87) ich übrigens
die Vermuthung eines bräutlichen Verhältnisses zwischen Baechns
und Semele schon desswegen nicht theilen kann, weil Bacchus hier
offenbar jugendlich, fast knabenhaft der Semele gegenüber steht.
Vierte Periode.
Wir gehen nun über zu der letzten Classe der Spiegel, zu
denjenigen Spiegeln, die wir einerseits durch die Zeit Alexanders,
andererseits durch die Zeit der römischen Kaiser begrenzen
müssen. Einige wenige lassen sich durch die Formen ihrer
(lateinischen) Inschriften noch etwas genauer bestimmen, doch
ist djüoait wenig gewonnen.
■ Wenn wir den künstlerischen und ethischen Charakter
dieser Zeichnungen ins Auge fassen, so tritt uns zunächst eine
grosse Weichlichkeit, Ueppigkeit und Sinnlichkeit entgegen.
Inhalt und Form der Darstellungen zeigen das in gleicher
Weise. Denn besonders häufig finden sich verliebte Scenen,
namentlich Götterliebschaften, Frauenbäder und Frauen-
schmückung, kurz weichliche und sinnliche Gegenstände. Selten
sind Kampfscenen auf diesen Spiegeln, dagegen kommen nackte
Frauen, die nur noch nicht, was sehr charakteristisch ist, ihren
Schmuck und ihre zierlichen Schuhe abgelegt haben, in keiner
andern Gattung von Monumenten so häufig vor, wie auf den
Spiegeln. Und die Situationen, Stellungen und Formen sind
oft unsäglich weichlich und widerwärtig, auch ist charakteristisch,
dass die weibliche Schaam, die in aller edleren Kunst nicht
dargestellt wird, fast immer angegeben ist. Die pompejanischen
Bilder, die doch in der That eine nichts weniger als sittlich
reine Zeit voraussetzen, sind keusch zu nennen im Vergleich
zu den etruscischen Spiegeln, deren Darstellungen manchmal
unerhört sind^). In keiner Gattung erscheint die antike Kunst
widerwärtiger und gemeiner und die Kunst muss in dieser
Zeit wirklich wie ein zerstörendes Gift im Volk&leben gewirkt
haben. Allerdings liegt das, was die Darstellungen eigentlich
1) Vgl. namentlich Gerhard I, Taf. 81, 1.
Die etruscischen Spiegel. 49
gemein macht, in der etruscischen Zuthat begründet, aber auch
die griechische Kunst, das Vorbild der etruscischen, ging in
dieser Zeit auf gefährlichen Wegen. Dabei wollen wir aber
nicht vergessen, dass gerade der Spiegel, das Putzgeräth mehr
als irgend ein anderes Geräth zu derartigen sinnlichen Dar-
stellungen reizte.
Was die Vorbilder betrifft, so merkt man trotz der etrus-
cischen Umbildung tiberall die griechische Grundlage. Die
Ausdrucksweise ist mehr oder weniger etruscisch, Stoff und
Motive sind griechisch. Die nationalen Stoffe sind ganz ver-
schwunden, die auch in den anderen Denkmälergattungen der
etruscischen Kunst allmählich zurücktreten.
Ganz verschieden von der früheren Zeit ist die Anordnung
der Figuren. Auf den alterthümlichen Spiegeln herrschte ein
streng dekorativer Stil, die Figuren waren reliefartig zusammen-
gestellt. Jetzt dagegen werden die Figuren en face gestellt
und dadurch vom Grund abgehoben und die schon erwähnte
technische Veränderung, den Grund zu punktiren, dient dem-
selben Zweck. Manchmal stehen auch zwei Reihen von Figuren
hinter einander, eine dichtere und mehr malerische Gruppirung,
die wir aus der Vasenmalerei überhaupt gar nicht kennen.
Der Meleagerspiegel des hiesigen Museums, gewiss einer der
schönsten dieser späteren Zeit, kann eine vortreffliche Probe
dieser ganz verschiedenen Compositionsweise abgeben.
Auf die UeberfüUung mit Detail, die den dekorativen
Stil so sehr beeinträchtigt, wurde schon oben hingewiesen.
Man vergleiche z. B. den Apollo auf dem Semelcspiegel mit
einem fast ganz übereinstimmenden Apollo auf einem späteren
Spiegel ^). Jener ist eine einfache Umrisszeichnung, an diesem
ist dagegen alles Detail des Nackten mit peinlicher Sorgfalt
angegeben und eben dadurch der dekorative Charakter ver-
nichtet. Selbst bei ganz rohen Spiegeln sind doch die inneren
Linien oft mit grösster Ausfülirlichkeit angegeben.
Ueberhaupt wird die Composition und Omamentirung
reicher. Auf den älteren Spiegeln ist immer wie auf den
Innenbildem der griechischen Schaalen, eine sehr geringe An-
zahl von Figuren, jetzt kommt es sogar vor, dass die Spiegel-
fläche sehr unorganisch in zwei Hälften getheilt und mit mehr
als einem Dutzend Figuren angefüllt wird. Der Hintergrund
wird mit reichen Baulichkeiten verziert, ähnlich wie auf den
1) Gerliard I, Taf. 83 und 82.
Frioderichs, terlin's Antiko Bildwerke II.
50 ^^ic etruscischen Spiegel.
unteritalischen Vasen, die überhaupt manche Berührungspunkte
mit diesen späteren Spiegeln haben. Auch die Ansatzstelle
des Henkels, die wir früher gewöhnlich durch rein Omamen-
tales verziert fanden, wird jetzt oft durch Figuren geschmückt,
am häufigsten durch Figuren mit ausgebreiteten Flügeln, die
dem gegebenen Kaum am besten entsprachen.
Die Sitte, den Spiegel mit einer gravirten Zeichnung zu
verzieren, scheint ebenso wie die griechische Vasenmalerei zur
Zeit der römischen Kaiser oder schon früher untergegangen
zu sein. Wenigstens ist nie, soviel wir wissen, in Gräbern der
Kaiserzeit ein gravirter Spiegel gefunden worden. Wir er-
klären uns den Untergang der Spiegelzeichnung und der
Vasenmalerei auf ganz ähnliche Weise. Der römische Geist,
der in der Kunst der Kaiserzeit zur Geltung kommt, ver-
schmäht das zeichnende und malende Ornament und zieht das
plastische, körperliche vor. Das letztere ist eben effectvoUer
und entspricht mehr einer Kunstrichtung, die nach sinn-
licherer Wirkung strebtq als mit griechischem Idealismus ver-
träglich war. Daher kommt es, dass plastisch verzierte Thon-
waare in der Kaiserzeit sehr beliebt war, während Vasenmalerei
und Spiegelzeichnung aufhört.
Aber es ist für das Verschwinden der gravirten Spiegel
noch ein besonderer Grund anzuführen. Der Luxus der
römischen Kaiserzeit suchte mehr Kostbarkeit des Materials
als Verzierung durch Kunst Kurz vor der Kaiserzeit, wie
wir unten noch näher sehen werden, kam die Sitte auf, silberne
Spiegel zu gebrauchen. Wo das Material aber so hoch ge-
schätzt wird, da stumpft sich der Sinn für künstlerische Ver-
zierung ab. Griechisch ist es, geringes Material durch Kunst
zu adeln, in üppigen Zeiten aber, wie es die römische Kaiser-
zeit war, gilt immer der stoffliche Werth höher als der künst-
lerische.
37. Liebschaft des Jupiter, von Prof. Brunn 1863 in
Rom gekauft. 3497.
Wer die vom Jupiter (Tinia) umarmte und Uni genannte
Frau ist, vermögen wir nicht anzugeben. Hinter dem Paar
steht die Göttin mit Schminkbüchse und Stift, von welcher
unten die Rede sein wird, die leeren Flecke des Bildes sind
mit dem Donnerkeil des Jupiter, mit einer den Frauen gehörigen
Cista und mit einem Stern, der sicherlich nur ornamental ist,
ausgefüllt.
Die etruscischen Spiegel. 51
Abg. Gerhard IV, 282, der die Uni für Juno erklärt. Auf Taf.
346 und 284 kommt dieselbe Beischrift vor, doch sind auch hier die
betreffenden Figuren ohne nähere Charakteristik.
38. Geburt der Minerva, 1850 von einem hiesigen
Kunsthändler angekauft. 2979.
Sehr symmetrisch componirte Gruppe, aber von merk-
würdiger Ausdruckslosigkeit bei dem so wunderbaren Ereig-
niss. "Wie viel lebensvoller stellen auch die rohesten griechischen
Vasen den Vorgang dar!
Die Beischriften sind alle deutlich, doch wissen wir nicht
die Bedeutung von allen. Wir lesen ausser Tinia (Zeus) und
(dem nur zum Theil erhaltenen) Menrfa als Namen der beiden
Frauen Thalna und Uni. Erstere kommt öfter vor und scheint
eine Geburtsgöttin zu sein, vielleicht d^ Diana entsprechend,
letztere fanden wir bereits auf n. 37, ohne sie genauer be-
stimmen zu können. Die beiden sich correspondirenden Jüng-
linge werden Preale und Lalan genannt, letzterer vermuthlich
identisch mit Laran, der im Habitus mit ihm übereinstimmt,
und dem Mars zu entsprechen scheint Der Name Preale ist
ganz unklar.
Abg. Gerhard Taf. 284. Vgl. über Laran zu n. 51. E. Braun
Ann. 1851 p. 141 macht darauf aufmerksam, dass die einzelnen Namen
der Figuren durch Punkte eingeschlossen seien. In einem Fall sind
deutlich drei übereinander stehende Punkte zu erkennen, wie auf alt-
griechischen Inschriften, von denen es wohl hergenommen sein mag.
Nur hat es hier freilich keinen rechten Sinn, da die Wörter ohnedies
durch Zwischenräume von einander geschieden sind.
39 — 41. Minerva, in den Kampf eilend, aus Gerhardts
Sammlung 1859 erworben. 3375. 3298. 3380.
Diese drei Spiegel gehen auf dasselbe Original zurück
und stellen eine in den Kampf eilende Minerva dar. Das
Schwert ist auf griechischen Denkmälern eine in der Hand
dieser Göttin ungewöhnliche Waffe, auf etruscischen dagegen
um so häufiger. Auch die Flügel verleiht die etruscische Kunst
mehreren Göttern, die bei den Griechen ungeflügelt sind, doch
ist die Praxis der ersteren keineswegs constant.
Abg. Gerhard I, 36, 6. 8. 7.
42. Aehnliches Bild, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3352.
Die Göttin eilt mit einem Donnerkeil in den Händen da-
4*
52 J^iß etruscischen Spiegel.
hin. Die unförmliche Grösse des Attributs hat viele Analogien
auf den Spiegeln und erklärt sich nur aus dem rohen, unkünst-
lerischen Sinn der Spiegelzeichner.
Abg. Gerhard Taf. 246.
43. Aehnliches Bild, 1859 aus Gerhardts Sammlung
erworben. 3377.
Die Waffe in der Rechten der Göttin fehlt, wohl nur aus
Flüchtigkeit. Der Fisch und Vogel sind natürlich rein oma-
mentale Zuthaten.
44. Minerva im Gigantenkampf, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 erworben, 3331.
An der Darstellung ist nichts Besonderes zu bemerken,
nur ist der Flügel der Göttin höchst phantastisch ausgezackt
Am Griff bemerkt man zwei runde Fabrikstempel in Form
eines Seepferdes und zwischen beiden eine oblonge Vertiefung,,
die vielleicht einen Namen enthielt, von dem jetzt aber kein
Buchstabe mehr leserlich ist.
Abg. Gerhard Taf. 67.
45. Dieselbe Darstellung, 1860 von Dr. Brunn in
Rom angekauft. 3441.
Der Gigant ist geflügelt, was aber in etruscischer Kunst,
die in dieser Beziehung keinen festen Gebrauch kennt, nicht
auffallen darf.
Abg. Gerhard IV, 286, 1.
46. Minerva und Marsyas, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben. 3325.
Marsyas hatte die Flöten aufgehoben, die Minerva weg-
geworfen, weil sie ihr Gesicht entstellten. Hier selien wir die
beiden ruhig neben einander, eine übrigens höchst ausdrucks-
lose Gruppe.
In griechischer Kunst wird Marsyas bärtig dargestellt,
wie auch auf dem griechischer Kunst näher stehenden Spiegel
bei Gerhard Taf. 70, aber dem etruscischen Geschmack ent-
sprachen mehr die jugendlichen Figuren, wie alle Gattungen
etruscischer Denkmäler zeigen.
Abg. Gerhard Taf. 69, aus dessen Text ich nur die Bemerkung
notire, dass die Minerva durch die Flügel als Siegesgöttin bezeichnet
' Die etruscischesi Spiegel. 5B
■werde, was an sich ebenso unverständlich als nach der Praxis der
«truscischen Kunst, wo beflügelte und unbeflügelte Dämonen sichtlich
ohne Bedeutungsunterschied wechseln — es hängt hqiuptsächlich vom
Raum ab — auffallend wäre.
47. Minerva als Kindespflegerin, von dem Canonikus
Mazzetto in Chiusi 1848 angekauft. 2947.
Der Gegenstand dieses Bildes ist durchaus räthselhaft.
Minerva (Menrfa) hält ein Kind, das über einem Kruge sitzt und
die räthselhafte Inschrift Maris Husrnana hat. Denn dass
diese Inschrift dem Kinde zukommt, geht aus einem ähnlichen
Spiegelbilde (Gerhard Taf. 257 B.) hervor. Neben der Minerva
steht Venus (Turan) und neben dieser eine Leinth genannte
Jünglingsgestalt mit einem Kinde, dem die Beischrift Maris
Halna gilt. Die dem Jüngling correspondirende Figur auf der
anderen Seite ist ohne Inschrift, denn der Name Recial, der
unter dem Krug steht, bezieht sich wohl auf die nackte weib-
liche Figur am Griff.
Abg. Gerhard Taf. 166. Auf die Phantasien, welche dieser Spiegel
hervorgerufen hat, gehe ich niclit ein, nur das will ich bemerken, dass
über die Vertheilung der Inschriften unter Vergleichung von Taf. 257 ß.,
wo jedes der drei Kinder einen mit Maris beginnenden Namen hat, kein
Zweifel hätte stattfinden sollen.
48. Minerva unter anderen Göttinnen, aus Gerhardts
Sammlung 1859 erworben. 3337.
Auf einer grösseren Anzahl von Spiegeln sind vier Göt-
tinnen dargestellt, unter denen auf etwas genauer gezeichneten
Minerva kenntlich hervortritt. Die nähere Bestimmung der
übrigen ist schwerlich möglich.
Abg. Gerhard Taf. 272, 1, der wieder unglaubliche Phantasien vor-
bringt. Der Kopf unter dem Sitz der Figur zur Linken (nach Gerhard
der Libera), den der Zeichner zur Belebung in den leeren Raum hinein-
setzte, ist eine „Andeutung der wiederkehrenden Mysteriengöttin."
49. Minerva mit drei anderen Figuren, aus Ger-
hardts Sammlung 1859 erworben. 3340.
Die Zeichnung dieses Spiegels ist zu flüchtig, als dass
eine genauere Erklärung möglich wäre. Nur Minerva ist mit
Sicherheit zu benennen.
Abg. Gerhard Taf. 162, dessen Zeichnung und Text dem Jüngling
zwischen den beiden Frauen einen Petasus giebt, der auf dem Original
nicht mit Sicherheit zu erkennen ist und auch wenn er es wäre, doch
54 I^i© etruscischen Spiegel.
nicht genügen würde, um die Deutung der Figur auf Merkur zu recht-
fertigen. Man könnte denken, die Figur stelle Herkules vor wegen der
Uebereinstimmung mit dem Herkules auf Taf. 164.
50. Geflügelte Göttin mit Speer, aus Gerhard's
Sammlung 1859 erworben. 3383.
Es ist schwer, dieser Göttin einen bestimmten Namen zu
geben, da sie keiner griechischen Figur entspricht. Am wahr-
scheinlichsten scheint es uns wegen des Speers eine Minerva
zu sein. Neben ihr steht ein Altar.
Die Zeichnung ist nicht ohne Sorgfalt gemacht, sogar die
Härchen der AugenHder sind angegeben. Um so fühlbarer aber
ist die Plumpheit und Ungeschicklichkeit des Ganzen.
Abg. Gerhard I, 38, der den Altar für ein Wassergefäss erklärt,,
ohne die viereckige Platte zu bemerken, die oben darauf liegt.
51. Rückführung des Hephäst, aus Chiusi. Samm-
lung Dorow. Vgl. Dorow Voyage archeologique dans Tancienne
fitrurie p. 29. pl. 15.
Die Darstellung ist theils durch Inschriften, theils durch
die Attribute und Handlung der Figuren klar. Hephäst (Seth-
lans) mit dem Handwerkerhut und dem Hammer wird von
Bacchus (Phuphlun(s), der ihn trunken gemacht und eben da-
durch versöhnt hatte, in den Olymp zurückgeführt. Auch in
griechischer Kunst ist diese Gruppe, zum Theil in grossartiger
Weise aufgefasst, erhalten, aber eine directe Verwandtschaft
dieses etruscischen Werkes mit einem griechischen ist nicht
ersichtlich.
Die Nebenfiguren, welche die Gruppe umgeben, sind eine
rein etruscische Zuthat, denn sie passen als ruhig sitzende
Zuschauer gar nicht zu der in Bewegung begriffenen Mittel-
gruppe und sind eben nur als willkommenes Ausfüllungsmittel
angebracht. Hätten sie nicht andere Inschriften, so würde man
in ihnen die unvermeidlichen Dioskuren wiederfinden, jetzt aber
hat der eine die Inschrift Laran, die sprachlich unverständlich,,
nach den Bildern aber den Mars zu bezeichnen scheint, und
der andere ist Maris benannt, eine nach der Autorität anderer
Spiegel für appellativisch zu haltende Inschrift, deren Sinn wir
aber nicht kennen.
Die technische Ausführung ist sehr ungleich, insgfern bei
der einen Figur die Angabe des Details fast ganz fehlt, bei
der anderen übertrieben ist. Die Haare sind ganz maschinen-
,1
Die etruscischen Spiegel. 55
massig wie lauter Ringel gezeichnet, eine "Weise, an der man
sofort die spätere Zeit erkennt.
Abg. Gerhard I, 90, der p. 95 das Motiv misszuverstehen scheint,
indem er nur von der Darstellung der Freundschaft des Bacchus
und Vulkan spricht. Dass Laran dem Mars entspricht, möchte man be-
sonders aus der Zusammenstellung mit Turan Taf. 69, 2 und Taf. 257 C.
schliessen.
52. Venus und Adonis, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3344.
Venus und Adonis (Turan, Atunis) stehen in zärtlicher
Umarmung neben einander. Nicht ganz deutlich ist die Be-
wegung der linken Hand der Venus und der Gegenstand, den
sie darin hält. Vielleicht soll es ein Apfel sein, den Venus
spielend vor Adonis zu verstecken sucht. Wir vermuthen, dass
hier ein griechisches Motiv, ein Liebesspiel zwischen Venus
und Adonis, in ungraziöse etruscische "Weise übersetzt ist. Zur
Linken dieser Gruppe sitzt die Göttin mit Schminkbüchse und
Schminkstäbchen, die wir unten näher kennen lernen werden,
die hier aber den unverständlichen Namen Snenath hat, rechts
Apollo mit der ebenfalls räthselhaften Beischrift Pulthisph,
dessen Anwesenheit wir nicht näher zu motiviren vermögen,
lieber diesen beiden Figuren erheben Schwäne ihre langen
Hälse, ein durch Venus und vielleicht auch durch Apoll ver-
anlasstes Beiwerk, das wie gewöhnlich sich übermässig breit
macht.
Bemerkenswerth ist noch, dass der Name der Snenath
auf dem Körper der Figur selbst angeschrieben ist. Auf
griechischen Denkmälern, Vasen und Broncen kommt einige
Male etwas Aehnliches vor, aber in der etruscischen Kunst ist
diese unschöne Weise viel häufiger und viel weniger bescheiden.
Es finden sich Beispiele, wo das ganze Bein einer Figur mit
Inschriften bedeckt ist, so dass man an die wunderliche
assyrische Weise erinnert wird, quer mitten durch die Figuren
hindurch zu schreiben.
Abg. Gerhard Taf. 111.
53. Venus und Adonis, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3312.
Auch in dieser Scene ist vermuthlich ein hübsches
griechisches Motiv ins Etruscische übersetzt. Venus (Turanati)
hält einen Vogel an den Flügeln in die Höhe und Adonis
56 ^1^ etruscischen Spiegel.
(Atunis) hasclit danach. Der letztere ist hier geflügelt, was bei
der etruscischen Weise zwar nichts Auffallendes hat, doch aber
den Gedanken hervorruft, die Figur sei eigentlich Amor und
nur etruscisch umgetauft. Für Amor passt auch das ganze
Motiv besser.
Unter dem Stuhl der Venus steht ein Toilettenkästchen,
daneben liegt ein Spiegel.
Abg. Gerhard Taf. 116, dessen Text sich wieder wie zu Taf. 116
in wunderlichen und willkürlichen Annahmen ergeht.
54. Amor's Ballspiel, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3316.
Anmuthigste griechische Poesie in rohem Jargon vorge-
tragen. Das Knäbchen Amor bittet Venus um einen Ball zum
Spielen, daneben sitzt etwa Peitho und schnurrt mit einer
kleinen Scheibe, ein Spiel, das den Alten so gut bekannt war
als uns und oft dargestellt ist. ApoUonius Rhodius und nach
ihm der jüngere Philostrat beschreiben eine ähnliche Situation.
Als Beiwerk bemerkt man ausser den gewöhnlichen raum-
füllenden Pflanzen eine Leier und einen Vogel auf einem
Pfeiler, die griechischen Vasen geben uns häufige Beispiele,
ein wie beliebtes Spielzeug für Frauen und Knaben die Vögel
waren.
Abg. Gerhard Taf. 328, 1, wo es wieder an Miss Verständnissen
nicht fehlt. Das dichterische Vorbild bei Apollon. Rhod. 3, 132.
Philostr. jun. 8.
55. Amor mit einem Flügelross, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 angekauft. 3310.
Das Bild wird durch Vergleichung analoger griechigcher
Darstellungen deutlich. Amor belustigt sich mit allen mög-
lichen Thieren, mit den Thieren des Wassers und des Landes,
und schon im schönsten Stil der Vasenmalerei kommen der-
artige Motive vor. Ein solches Bild lag diesem Spiegelzeichner
vor, der den Amor wie es scheint neben einem Flügelross hin-
schweben lässt. Bei dem Flügelross braucht man nicht gleich
an Pegasus zu denken, auf den Vasen finden sich manche Bei-
spiele, wo ein Pferd nur zur poetischen Bezeichnung seiner
SchnelHgkeit Flügel hat.
Der Leib des Pferdes ist in ganz phantastischer Weise
verziert. Trotzdem gehört der Spiegel im Allgemeinen noch
guter Zeit an.
Die etruscischen Spiegel. 57
Abg. Oerhard Taf. 118, wo ein Dämou des Kampfes mit einem
Siegesross angenommen wird.
56. Amor auf einem Seepferd, aus Gerhard's Samm-
lung erworben. 3334.
Das Schwert in der Hand Amors wissen wir nicht zu
motiviren. Der Schwanz des Thieres ist mit phantastischen
Verzierungen bedeckt. Das Bild entspricht im Stil durchaus
dem unteritalischen Vasenstil, wo die phantastischen Seethiere
ganz in derselben Weise gezeichnet werden.
Abg. Gerhard Taf. 119. Zwischen den onteritalischen Vasen und
den späteren Spiegeln giebt es überhaupt, wie schon oben bemerkt
wurde, manche Berührungspunkte. Die eigenthümlichen mit Zacken be-
setzten phrygischen Mützen finden sich hier wie dort. Vgl. Gerhard
Spiegel Taf. 181. 218. 217 nut Overbeck Gall. her. Bildw. 12, 6 und
vielen anderen Beispielen.
57. Amor mit einer anderen Flügelfigur, Spiegel
»US Präneste, 1860 von Prof. Brunn in Rom gekauft. 3442.
Die Figur zur Rechten wird man wohl Amor nennen
dürfen, die zur Linken ist schwer zu benennen. Ja wir sind
sogar über ihr Geschlecht im Unklaren. Das Gewand sieht
wie ein männliches Kleidungsstück, wie die Chlamjrs, aus,
andererseits lässt der Gestus der Rechten, die einen Gewand-
zipfel hält, auf eine Frau schliessen. Am Griff befindet sich
eine Achelousmaske, die vielleicht zum Schutz gegen Zauber
und bösen Blick angebracht ist.
Abg. bei Gerhard IV, 331, 2, der an Amor und Psyche denkt,
was mir sehr unwahrscheinlich vorkommt.
58. Bacchuskopf, Spiegel aus der Bartholdy'schen
Sammlung B. 67.
Der Kopf ist mitEpheu bekränzt und von einem Lorbeer-
kranz umgeben.
Abg. Gerhard I, 71, 6, der den Spiegel irrthümlich in Bologna
vermuthet, und über Lorbeer und Epheu wieder eine sehr gesuchte
Bemerkung macht.
59. Satyr, aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3349.
Ein Satyr, in leidenschaftlicher Bewegung, wie sie diesen
Dämonen eigen ist.
Abg. Gerhard Taf. 93, 1.
53 Die etruscischen Spieg^el.
60. Zwei Silene, aus der Bartholdy'schen Sammlung
B. 6. 69.
Dargestellt sind zwei Silene, lebhaft gegen einander ge-
stikulirend.
Abg. Gerhard I, 94.
I
61. Bacchantin, gefunden in Bomarzo, aus Gerhard'^
Sammlung 1859 erworben. 3356.
Eine Bacchantin in lebhafter Bewegung, begleitet vom
Reh, als dem Thier, das an dem Ort bacchischer Feste, auf
Bergen und in Wäldern haust. Mit barbarischer Rohheit
macht sich das bloss raumftiUende Ornament der Blume
geltend.
Abg. Gerhard Taf. 93, 3, der die Blume als Andeutung „blumiger
Wiesen" auffasst.
62. Bacchantinnen, aus Gerhardts Sammlung 18ö&
erworben.
Von den drei Frauen dieser Spiegelzeichnung ist eine
durch Thyrsus und Flöten als Bacchantin charakterisirt, die
anderen sind vermuthlich gleichartige Wesen.
Abg. Gerhard Taf. 95, wo die Einfassung der Figuren als An-
deutung einer „blumenerfüllten Grotte" aufgefasst wird.
63. Silen und Bacchantin, aus Gerhard's Sammlung
1859 erworben. 3351.
Flüchtig gezeichneter Spiegel mit etruscischer Verzerrung
der Hände. Doch ist das Motiv noch deutlich, der Satyr will
einen Angriff auf die Bacchantin machen und diese spielt die
Abwehrende.
Abg. Gerhard Taf. 100, 2.
64. Zwei Bacchantinnen, 1863 von Prof. Brunn in
Rom gekaufter Spiegel, 3495.
Zwei Bacchantinnen, die eine einen Thyrsus haltend, die
andere sich auf eine Priapherme stützend, stehen ausdruckslos
einander gegenüber.
Abg. Gerhard IV, 310. Dass die Herme eine Priapherme ist, be-
weist der Modius auf ihrem Kopfe, der auf dem Original deutlicher ist
als auf der Zeichnung.
Die etrusoischen Spiegel. 59
65. Desgl., ebendaher, 3494.
Dass die beiden Figuren in die bacchische Sphäre ge-
hören, beweist das Beiwerk, der Panther und der Panisk.
Der Stab der einen sieht einem Thyrsus ähnlich, die andere
hat ein buntes Aermelkleid, wie es im theatralischen Kostüm
üblich ist. Der Stern hat keine materielle Bedeutung.
Abg. Gerhard IV, 311, nach dessen Auffassung die Frauen ihren
Blick auf „den leuchtenden Stern Jacchos" gerichtet haben.
66. Satyr mit Bacchantinnen, aus Gerhardts Samm*
lung 1859 erworben. 3338.
Ein begierig heraneilender Satyr, von einer Bacchantin
mit etruscisch verzerrten Händen zurückgescheucht, daneben
eine zweite Bacchantin. Dem Verfertiger dieser Zeichnung
kam es darauf an, jeden kleinsten Fleck des Bildes auszufüllen^
wobei es denn flüchtig genug zuging. Die Bestie neben dem
Satyr ist kaum zu bestimmen, doch soll es wohl der Panther
sein, der zum bacchischen Gefolge gehört, zwischen den Beinen
der gegenüberstehenden Bacchantin kommen die Beine eines
anderen Thieres zum Vorschein, das aber nicht fertig ge-
worden ist. Der Abschnitt des Bildes ist durch Seepferde aus-
gefüllt, die Zwischenräume der Figuren durch Palmetten und
Rosetten, wie es ähnlich im spätesten Vasenstyl der Fall ist.
Abg. Gerhard Taf. 103, dessen Erklärung p. 104 nicht ohne Miss-
verständnisse ist.
67. Satyr mit Baccb antinnen, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 erworben. 3324.
Die Thyrsusstäbe der Bacchantinnen haben auf den ersten
Blick eine seltsame und gewiss auch missverstandene Form,
die aber doch durch eine Vergleichung der Thyrsusstäbe des
spätesten Vasenstyls deutlich wird. Es giebt sich dann die
Spitze an dem Stabe der Frau zur Linken als spitz zulaufender
Pinienzapfen mit etwas abstehenden Schuppen zu erkennen.
Der Stab der anderen soll auch ein Thyrsus sein, wie man an
den beiden Blättern oder Zweigen sieht, die in der späteren
Vasenmalerei ebenfalls gewöhnlich sind.
Der Satyr ist ganz besonders unerfreulich, theils wegen
seiner ungeschickten, ausdruckslosen Stellung, theils wegen
seiner Kahlköpfigkeit, die sich in der griechischen Kunst nur
an älteren, bei den Etruskern vermuthlich aus Unachtsamkeit,
•
i
^Q Die etruscischen Spiegel.
auch bei jüngeren Satyrn findet. Merkwürdig ist auch der
Schwänz behandelt.
Abg. Gerhard Taf. 104, dessen Text übriffens wieder Willkürliches
und Missverstandenes enthält. ^
68. Aehnliche Scene, aus Gerhardts Nachlass 1859
erworben. 3342.
Ein Satyr umfasst eine nackte, geflügelte Bacchantin, hin-
ter welcher eine zweite mit Thyrsus und Kanne. Die Beflüge-
Jung von Bacchantinnen hat in der etruscischen Kunst, wo fast
alle Dämonen mit und ohne Flügel vorkommen, nichts Auf-
fälliges. Die Handlung ist übrigens leblos und ohne Feuer.
Abg. Gerhard, Taf. 105, wo mit völliger Verkennung der Ab-
sichten des Verfertigers hocliklingende Namen für die Figuren vor-*
geschlagen werden
69. Silen am Brunnen, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3321.
An den Quellen wohnen die lüsternen Satyrn und Silene
und stellen den Frauen nach, die dort zum Bade gehen. So
naht sich hier ein Silen mit gieriger Geberde einer nackt da-
stehenden Frau. Das Geräth in ihrer Linken soll' vielleicht
einen Spiegel vorstellen, der Stuhl ist zum Kleiderablegen be-
stimmt.
Abg. Gerhard Taf. 106, der in diesem Bild das „Läuterungsbad
einer Eingeweihten" erblickt. Vgl. Taf. 108, dessen simple Darstellung
auch in der wunderlichsten Weise aufgefasst wird.
70. Eos und Tithonus, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3396.
Auf diesem Spiegel scheint die Liebe zwischen Eos und
Tithonus dargestellt zu sein. Von den Hauptfiguren hat näm-
lich die eine die Beischrift Tinthu, was wir um so eher mit
Tithonus identificiren dürfen, als auf einem fast ganz über-
einstimmenden Spiegel eine ebenso benannte Figur mit Thesan,
der etruscischen Aurora, gruppirt ist. Hier freilich hat die
Geliebte des Tithonus den uns unbekannten Namen Evan, doch
ist eben wegen der Uebereinstimmung beider Spiegel schwer-
lich eine andere als Aurora gemeint. Als ruhige Zuschauer
der Liebesscene in der Mitte sind links Thetis (Thethis geschr.),
rechts ein Jüngling anwesend, neben dem ganz unleserliche
Schriftzüge stehen.
Die etruscischen Spiegel. Qi
Abg. Gerhard II, 232. Vgl. III, p. 217. Wegen des Namen»
Evau erinnert Gerhard an Memuons Namen Evas. Auf Taf. 290 ist der
übereinstimmende Spiegel abgebildet, wo die Figuren die Beischrift
Tinthun und Thesan haben.
71. Eos und Kephalos, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3346.
Die Gruppe ist ähnlich componirt, wie auf griechischen
Vasenbildem späterer Zeit.
Abg. Gerhard IV, 362.
72—78. Geflügelte Göttin mit Schminkbüchse,
n. 72 ist aus der Bartholdy'schen Sammlung B. 66, die übri-
gen sind aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3314. 3315.
3376. 3378. 3348. 3379.
Die Spiegel; die wir hier unter einem Titel zusammen-
fassen, sind sämmtlich von geringerem Umfang und Werth.
Man findet überhaupt auf keinem kleineren Spiegel eine .auch
nur einigermaassen sorgfältige Zeichnung.
Die Figuren, die auf diesen Spiegeln gezeichnet sind;
kehren ungemein häufig wieder. Es sind dämonische Wesen,
meist geflügelt und völlig nackt und ein Gefäss nebst Stift,
wahrscheinlich eine Schminkbtichse nebst Schminkstäbchen, in
den Händen tragend. An einigen dieser Figuren bemerkt man
auch eine der phrygischen Mütze ähnliche Kopfbedeckung,
doch ist diese Uebereinstimmung keine völlige, da die jener
Mütze eigenthümlichen Backenklappen fehlen, es wird daher
richtiger sein, die in etruscischen Darstellungen häufige und
tutulus genannte etruscische Mütze hier anzunehmen.
Das Attribut der Schminkbüchse bezeichnet bereits im
Allgemeinen das Wesen dieser Göttin. Es muss eine Göttin
sein, die es mit weiblicher Anmuth und Grazie zu thun hat.
Und in der That finden wir sie auch in Uebereinstimmung
hiermit als Gefährtin der Venus und in Scenen, wo es sich um
die Schmückung einer Frau handelt.
Ihr einen Namen zu geben ist schwer. Sie führt nämlich
verschiedene Namen auf den Monumenten, die uns alle gleich
unverständlich sind. Auch wüssten wir keine Göttergestalt der
griechischen Kunst, der sie genau entspräche, aber ihr Wesen
ist wohl richtig dadurch bestimmt, dass man sie den griechi-
schen Grazien an die Seite gesetzt hat. Dazu würde auch das
stimmen, dass sie öfter in der Mehrzahl vorkommt. Die Figur
wäre demnach auch eine passende Verzierung für einen Spiegel.
^
ß2 I^iö etruscischen Spiegel.
n. 73—76 sind abg. bei Gerhard I, 35, 8. 33, 7. 34, 2. 35, 3.
Vgl. Roulez, Annali 1862, p. 181, der Gerhard's wunderliche Meinung,
das Gefass sei ein Tintenfass , richtig widerlegt, dagegen den Stift ähn-
lich wie Garucci, der ihn (bullet. 1865, p. 55) für ein Instrument zum
Haarscheiteln, discerniculum, hält, wofür er aber viel zu spitz ist, f&r
eine Haarnadel und das Gefäss für ein Salbgefäss erklärt, was ich nicht
glauben kann, da die beiden Geräthe augenscheinlich zusammen gehören.
Denn oft steckt die Figur den Stift in das Gefäss (auch auf einer grie-
chischen Vase schönsten Styls, Monum. d. inst. V, 49) und einmal ge-
braucht sie ihn in einer Weise, dass der Gedanke an ein Schmink-
stäbchen von selbst hervorgerufen wird. Das ist nämlich auf Taf. 319
der Fall, wo eine Frau frisirt wird, der eine Diejierin den Spiegel
vorhält, während die andere mit eben diesem Stift an ihrem Gesicht
operirt. Dass aber die Alten ein Stäbchen zum Schminken benutzten,
ist nothwendig anzunehmen, da sich nur durch ein solches die Um-
ränderung der Augen mit schwarzer Farbe (Becker, Charikles I, 299), die
sie eben sowohl kannten als die heutigen Orientalinnen, herstellen lässt.
Koch jetzt werden im Orient dasselbe Schminkstäbchen und ganz ähn-
liche Schminkbüchsen benutzt. Vgl. Thomson, the land and the book,
p. 645, der auch Abbildungen giebt. Natürlich konnte das Gefäss auch
zu Salben benutzt werden, aber hier, wo Stift und Geföss offenbar zu-
sammengehören, kann es nur, wie ich glaube, eine Schminkbüohse sein,
79. Aehnliche Figur, 1848 von Gerhard in Italien ge-
kaufs. 2966.
In den Attributen unterscheidet sich diese Figur aller-
dings von den eben betrachteten, sie trägt nämlich einen
Kranz und neben ihr bemerkt man ein Toilettenkästchen und,
wie es scheint, einen zweiten Kranz, doch ist gewiss dieselbe
Göttin gemeint.
Abg. Gerhard Taf. 244, der diesen rohen Spiegel wieder für my-
stische Theorien zu verwerthen sucht.
80. Aehnliche Figur, kleiner fragmentirter SpiegeL
Die Figur scheint eine Knospe in der Hand zu haben,
aber die Zeichnung ist zu roh, als dass man Sicheres sagen
könnte.
81. Desgl. In Rom durch Emil Braun 1856 erworben.
Sehr zerbrochen. 3213.
Das Gefäss in der Linken ist deutlich, nicht aber das
Attribut der Rechten.
82 und 82*' Desgl. Der erstere aus Gerhard's Samm-
lung 1859 erworben 3299, der letztere 1869 aus Gerhard's
Nachlass.
Die Figur ist hier ohne alle Attribute.
I
Die etru£(cischen Spiegel. 63
83. Geflügelte Göttinnen, aus Gerhard's Sammlung
1859 erworben. 3384.
Ueberaus häufig sieht man in der Weise componirte
Spiegelzeichnungen, dass zwei verwandte oder zusammen-
gehörige Gestalten sich in entsprechender Stellung einander
gegenübergesetzt sind. So müssen wir auch diese beiden
Figuren als wesensverwandt auffassen, deren eine offenbar den
eben betrachteten entspricht, während die andere, deren Arm
wie an Bacchantinnen von einer Schlange umringelt ist, uns
unverständlich bleibt.
Abg. Gerhard I, 42, 6.
84. Aehnliche Figuren, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3305.
Wir wissen weder die bekleidete Flügelfigur näher zu
bestimmen, noch die nackte, ungeflügelte Frau mit dem Salb-
gefäss in der Hand mit Bestimmtheit als Göttin zu bezeichnen.
Neben dieser Figur befindet sich ein Pfeiler mit einem Vogel,
einem in Frauenscenen nicht seltenen Spielzeug. Die Weise,
durch sich schlängelnde Linien die Zwischenräume auszufüllen,
ist nicht selten auf den Spiegeln.
Abg. Gerhard Taf. 248, dessen Text starke Missverständnisse der
Zeichnung enthält. Das Beiwerk ist ebenso auf Taf. 328, 1.
85. Aehnliche Scene, aus Gerhard's Sammlung 1859
erworben. 3283.
Auch hier ist die Situation zu wenig individualisirt, als
dass sich das Bild näher bestimmen liesse.
Abg. Gerhard Taf. 250.
86 — 98. Dioskuren, n. 86 — 88 aus Viterbo mit der
Dorow'schen Sammlung (573. 575. 576), die übrigen aus Ger-
hard's Sammlung 1859 erworben. 3366. 3363. 3367. 3365.
3361. 3304. 3364. 3330. 3308. 3303.
Es giebt keine häufigere Vorstellung auf den etruscischen
Spiegeln als die der Dioskuren. Wir wissen nicht, was für
ein Grund dieselben für die Spiegelzeichnungen — denn in
der sonstigen etruscischen Kunst erscheinen sie nur selten —
so empfehlenswerth gemacht habe, jedenfalls waren sie ein ge-
eigneter Stoff für die schon oben erwähnte Yer?ierungsweise,
zwei verwandte Figuren symmetrisch einander gegenüber-
zusetzen. Die Vorstellung kommt besonders auf kleinen, roh
gezeichneten Spiegeln vor.
I
54 ^ic etruscischen Spiegel.
Die Deutung der Figuren auf die Dioskuren steht fest^
sprechende Attribute, namentlich die Sterne über ihren Häup-
tern bezeichnen sie als solche, auch ist (in Avignon) ein Spiegel
vorhanden, wo sie die Beischriften Castur und Puluce haben«
Die Tracht ist wechselnd, indem sie bald nackt und mit Helm
und Speer, bald mit den ihnen eigenthümlichen Schiffennützen
und bekleidet auftreten. Es scheint wohl manchmal, als trägen
sie auch eine phrygische Mütze, aber bei genauerer Ver-
gleichung ist es entweder die Schiffermütze oder ein Helm.
Der Zwischenraum zwischen den beiden Figuren wird in der
verschiedensten Weise ausgefüllt, durch Pflanzen, Vasen oder
auch durch blosse Linien, Kreise etc., in denen sich der rein
formelle Zweck dieser Zuthaten am deutlichsten ausspricht,
n. 86—88 sind abg. Gerhard I, 4d, 4. 46, 6. 48, 5, n. 89—97 sind
abg. 45, 2. 3. 7. 46, 4. 7. 47, 1. 3. 5. 48, 3. 4. 50, 4. 51, 1. 52, 2.
49, 2.
99 — 102. Dieselbe Darstellung auf grösseren Spiegeln,
n. 99 — 101 sind aus Gerhard's Sammlung 1859 erworben,
3306. 3343. 3332, n. 102 ist 1856 durch Yermittelung von
E. Braun in Rom gekauft. 3212.
Von diesen Spiegeln zeichnet sich n. 99 durch feine Gra-
virung aus, auf n. 101 ist die "Waffe der Figuren, ein sichel-
förmiges Messer, bemerkenswerth und auf n. 102 das Bei-
werk, ein Reh, das nach einem Zweige schnappt.
. Abg. Gerhard I, 51, 1. 49, 2. 50, 4. 257 C, 2.
103.104. Geflügelte Dioskuren, aus Gerhard's Samm-
lung 1859 erworben. 3362. 3307.
Die Figuren sind hier geflügelt, wie schon öfter bemerkt
wurde, dass in der etruscischen Kunst mehrere Gottheiten,
bald mit, bald ohne Flügel vorkommen.
Die erstere Darstellung ist technisch dadurch merkwürdig,
dass alle Linien roth ausgefüllt sind, was die Deutlichkeit der
Zeichnung sehr erhöht. Ich erinnere mich nie etwas Aehn-
liches auf Spiegeln gesehen zu haben.
Abg. Gerhard I, 53. 54, 1.
105. 106. Sogenannte Kabiren, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 erworben. 3285. 3300.
. Sehr häufig ist auf den etruscischen Spiegeln die Gruppe
von drei gewöhnlich ganz gleichen Männern, die bald nackt
Die etroscischen Spiegel 65
mit einer der phrygischen Mütze ähnlichen Kopfbedeckung,
bald bekleidet und gerüstet dargestellt werden. Der Umstand,
dass diese Gruppe nur auf nachlässigeren und unbedeutenden
Spiegeln vorkommt, erschwert die Deutung derselben ungemein,
da man nicht weiss, wie weit man bestimmte Absichten voraus-
setzen darf. Die Deutung auf die Kabiren hat in der That
keinen andern Grund als die Dreizahl für sich anzuführen und
dieser Grund genügt denn doch nicht.
Abg. Gerhard Taf. 55, 6 und 256. Vgl. Taf. 55.
107 — 113. Dioskuren, Minerva, Venus, n. 107 in
Chiusi gefunden und aus der Gerhard'schen Sammlung 1859
erworben, 3359; n. 108 in Yiterbo gefunden und aus der
Dorow'schen Sammlung 574.; n. 109 aus Gerhard's Sammlung
3347; n, 110 in Corneto gefunden und aus der Dorow'schen
Sammlung 578. Mit diesem letzten stimmt n. 118, der aus
Gerhardts Sammlung stammt (3385), vollständig überein. n. 111
ist aus der Bartholdy'schen Sammlung, B. 65 und n. 112 von
unbekannter Herkunft.
Diese Spiegel gehen sämmtlich auf ein Original zurück
und sind nur ein kleiner Theil der in grosser Anzahl erhalte-
nen Repliken desselben. "Wir müssen die Darstellung nach den
in ihr selbst gegebenen Judicien und nach den Inschriften einer
Replik so deuten, wie die Ueberschrift angiebt, ohne freilich den
Grund dieser Götterzusammenstellung und ohne die Möglich-
keit bestreiten zu können, dass die Composition ursprünglich
einen ganz andern Sinn gehabt habe. Es kommen nämlich auf
etruscischen Spiegeln Parisurtheile mit zwei Göttinnen, Venus
und Minerva, vor, welche den hier besprochenen Darstellungen
überraschend ähnlich sind. Als Parisurtheil aber würde die
Composition viel verständlicher sein.
Dieses Ineinanderspielen verschiedener Vorstellungen, das
sich auf dem Gebiet der kleineren werthloseren Spiegel auch
sonst noch wiederholt, zeigt deutlich die sorglose Weise, mit
der die Spiegelzeichner arbeiteten. Es ist gewiss nicht zu viel
behauptet, wenn wir nach der durchgängigen Nachlässigkeit
dieser kleineren Spiegelzeichnungen annehmen, dass die Ver-
fertiger nicht immer mit Absicht und Verständniss die ihnen
vorliegenden Originale variirt haben.
Abg. Gerhard 276, 1. 4. 277, 1. 3. 7. 278, 6. In der Darstellung
auf Taf. 278, 4 ist die Minerva an der Aegis kenntlich. Vgl. Taf. 255 B.
Friederichs, Berlin's Antike Bildwerte II. 5
QQ Die etruscischen Spiegel.
Der im Text erwähnte Inschriftspiegel ist Taf. 59, 3 abgebildet und
enthält die Namen von Cas(tur), (Menr)fa, Pultuc(e). Dass in der nack-
ten Frau Turan gemeint ist, geht aus dem ebendas. n. 2 (vgl. 257 C.)
abgebildeten Inscluriftspiegel, der dieselbe Composition mit zum Theil
anderen Namen (Laran, Aplu statt der Dioskuren) und mit geringen
Abweichungen des Costüms enthält, hervor, zugleich ein Beweis, wie
wenig es den Arbeitern auf präcise Charakteristik ankam. Wesswegen
ich aber annehme, dass das Parisurtheil mit zwei Göttinnen die Grund-
lage dieser Compositionen ist, geschieht einmal wegen der Aehnlichkeit
mit den grösseren und sicheren Parisurtheilen, namentlich mit Tafel 194,^
ausserdem aber ist in der Handlung selbst ein Kriterium, das für das
Parisurtheil treffend wäre, indem nämlich der eine der Dioskuren, der
dann Hermes wäre, sehr oft den Gestus der Rede, der andere, Paris,
den des Sichbesinnens macht. Vgl. Tafel 275—278.
114. 115. Aehnliche Darstellungjen, aus Gerhard'^
Sammlung 1859 erworben. 3281. 3291.
Diese Composition ist nur darin von der vorhergehenden
verschieden, dass statt der nackten Frau ein nackter Mann ein-
getreten, welcher der ersteren bis auf die Männlichkeit entspricht.
Man könnte versucht sein, ihn für eine reine Caprice zu halten,
doch scheint der Verfertiger eines anderen Spiegels (Gerhard,
Taf. 260, 2) in ihm den Menelaos haben darstellen wollen^
wenn anders die Inschrift Menle sich auf diese Figur bezieht.
Aber wieder ein anderer (Gerhard, Taf. 255 B) hat die drei
Männer seiner Darstellung Castor, PoUux und Jolaos getauft^
so dass man deutlich sieht, wie willkürlich die Spiegelzeichner
mit dem Namengeben verfuhren. Es kam eben bei so billiger
Waare nicht viel darauf an.
Abg. Gerhard 267, 4. 266, 2.
116. Dioskuren mit Nebenfiguren, aus der Dorow*-
schen Sammlung 579.
Wir glauben, dass auch dieser Spiegelzeichnung ein Paris-
urtheil ursprünglich zu Grunde liegt. Wenigstens sieht die
Figur zur Rechten mit der phrygischen Mütze und dem Gestus
des Nachdenkens gerade so aus, wie der über die Entschei-
dung sinnende Paris. Aber auf einem ähnlichen Spiegel haben
zwei der Jünglinge die Beischrift Castor und PoUux, und wenn
das wirklich von einem Mann herrührt, der wusste, was er
machte, so möchte man hier an Helena denken. Die vierte
Figur bleibt freilich unerklärt.
Abg. Gerhard Taf. 268A, 1. III, p. 833, wo wieder die abeu-
teuerlichsten Phantasien zu finden sind.
Die etroscischen Spiegel. ^7
117. Dioskuren mit Venus und Helena(?), aus Ger-
hard's Sammlung 1859 erworben. 3373.
Die Deutung dieser Spiegelzeichnung ist nicht über-
zeugend, aber auch nicht unmöglich. Wir haben eben kein
Mittel, das Bild präcis zu erklären. Der Zeichner dachte nur
daran, seinen Spiegel streng symmetrisch mit je zwei Figuren
links und rechts zu verzieren, um die Bedeutung der Figuren
war's ihm sichtlich gar nicht zu thun.
Abg. Gerhard IV, 880.
118. Menelaus und Helena mit den Dioskuren (?),
aus Gerhard's Sammlung 1859 erworben. 3319.
Die angegebene Deutung dieses Spiegels hat die abstracte
Möglichkeit für sich, aber auch, nicht mehr.
Abg. Gerhard II, 208.
119. Desgl., aus Gerhard's Sammlung 1859 erworben.
3322.
Dieser Spiegel stimmt bis auf ganz unwesentliche Ab-
weichungen mit dem vorigen tiberein.
120. Helena und die Dioskuren, aus Gerhard's
Sammlung 1859 erworben. 3277.
Die nackte, eine Binde in den Händen haltende Frau,
welche einer der Dioskuren zu bekränzen im Begriff ist, wäh-
rend der andere ihr einen nicht näher bestimmbaren Gegen-
stand hinreicht, ist vermuthlich Helena, die in den Spiegel-
zeichnungen eine grosse Rolle spielt und zugleich als Schwester
den Dioskuren nahe steht.
Abg. Gerhard Taf. 202.
121. Schmückung der Helena, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 erworben. 3295.
Auf einer nicht kleinen Anzahl von Spiegeln kommt eine
der hier dargestellten ähnliche Scene vor, deren Mittelpunkt eine
vornehm thronende Frau ist, die von dienenden, mit der
Schmückung der Herrin beschäftigten Gestalten umgeben ist.
Die Hauptfigur hat mehrere Male die Beischrift Malafisch oder
Malacisch, deren Deutung zu unternehmen bei unserer geringen
Kenntniss des Etruscischen mehr als gewagt ist. Doch ist,
von der Inschrift abgesehen, die Deutung auf Helena nicht
ganz unwahrscheinlich, weil einmal Helena eine nicht seltene
5*
QQ Die etruscischen Spiegel.
Erscheinung auf den etruscischen Spiegeln ist und sodann weil
wir auch in griechischer Kunst, wenigstens auf einem späteren
Yasenbild ^\ eine ähnliche Scene finden. Die dienenden Wesen,
welche die Helena umgeben, sind jedenfalls göttlicher Natur,
da mehrere ' Male Yenus (Turan) sich unter ihnen befindet,
einige von ihnen auch geflügelt sind. Mehrere von ihnen haben
Beischriften, die wir aber nicht zu deuten vermögen.
Auf unserem Exemplar ist ausser zwei dienenden Gestal-
ten auch Apollo anwesend, dessen Erscheinung wir nicht be-
gründen können. Am Gebälk des Hintergrundes bemerkt man
eine Satyrmaske oder wohl eher einen Satyrkopf, der einem
neugierig und lüstern zuschauenden Satyr, wie sie in solchen
Scenen nicht selten sind, angehören mag. Am Griff ist ein ge-
flügelter Knabe, vielleicht ein Amor.
Abg. Gerhard Taf. 212. Vgl. Taf. 211—216 und die Literatur
ebendas. p. 200 ff. Gerhard's Erklärung ist wieder reich an mysteriösen
und unbewiesenen Phantasien.
122. Paris und Hermes, aus dem Besitz Bellori's an-
gekauft. B. 20.\
Das Bild stellt den Hermes dar, dem Paris seinen Auf-
trag, ihm die drei Göttinnen zum Schiedsspruch zuzuführen,
meldend. Die Säule hinter Hermes ist eine Andeutung von
dem Hause des Paris. Diese Abbreviatur ist auf griechischen
Yasen guter Zeit sehr gewöhnlich.
Merkwürdig sind die lateinischen Inschriften dieses
Spiegels, die sich auch noch auf einigen anderen Spiegeln
finden und einen Anhalt zu näherer Zeitbestinmaung geben.
Sie lauten Mirqurios und Alixentros, wobei das s in letzterem
Namen etruscisch geschrieben ist, eine auch sonst vorkommende
Mischung, die auf eine Zeit des üeberganges aus etruscischer
zu römischer Cultur deutet. Wegen des o in den Formen, wo
später u eintritt, kann der Spiegel jedenfalls nicht nach dem
fünften Jahrhundert der Stadt verfertigt sein.
Doch wird er auch nicht viel früher verfertigt sein, wenig-
stens wenn wir von den griechischen Yasen einen Rückschluss
machen dürfen. Paris ist nämlich bereits phrygisch^costümirt,
was nach der Praxis der Yasenbilder erst im vierten Jahr-
hundert aufkam.
1) 0 verbeck, Gallerie her. Bildw. 12, 6.
Die etruscischen Spiegel. 69
Abg. Gerhard II, 182. Vgl. 0. Jahn, Ficoron. Cista, p. 57 und
Mommsen bei Jahn, p. 44 mit der Berichtigung von Henzen im bullet.
1858, p. 104. Anm. 1.
123. Parisurtheil, aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3278.
Paris deutet mit dem ausgestreckten Finger auf die ihm
gegenübersitzende Venus, die, wie öfter, eine der phrygischen
Mütze ähnliche Kopfbedeckung trägt. Vermuthlich ist nur der
etruscische Tutulus gemeint, wenn es auch nicht undenkbar
wäre, dass Venus als troische Göttin durch diese Mütze be-
zeichnet worden wäre. Doch muss man in dieser Classe von
Spiegeln nur zu sehr sich hüten, bestimmte Absichten des
Verfertigers vorauszusetzen. Gleich unser Spiegel zeigt dies,
auf dem die neben Venus befindliche Göttin dieselbe Mütze
trägt, ohne dass bei ihr irgend ein Grund anzuführen wäre.
Abg. Gerhard I, 186, der übrigens III, p. 184 irrthümlich von
einem „besonderen Brustlatz" der Figuren spricht, indem er die rohe
Zeichnung der Gewandfalten nicht bemerkte oder für Absicht hielt.
124. De&gl., aus Gerhard's Sammlung 1859 erworben.
3288.
Merkur übergiebt der nackten Venus den Apfel, den er
von Paris erhalten. Im Hintergrunde eine Säule, etwa als An-
deutung von dem Hause des Paris.
Abg. Gerhard I, 189, der III, p. 186 in der Figur des Paris wun-
derlich genug die Oenone voraussetzt und auch in der Eiform des Apfels
symbolische Beziehungen annimmt, die mit der Rohheit der Zeichnung
und der daraus zu folgernden Gedankenlosigkeit des Zeichners schnei-
dend contrastiren.
125. Parisurtheil, aus Gerhard's Sammlung 1859 er-
worben. 3368.
Trotz einiger Besonderheiten scheint auf diesem Spiegel
Paris mit den drei Göttinnen vorgestellt zu sein. Wir bezeich-
nen als Paris die Figur mit der phrygischen Mütze, ohne
freilich den Gegenstand erklären zu können, den er in der
Rechten hält. Minerva ist deutlich und hält, wie auf einem
griechischen Vasenbilde, einen Kranz für Paris bereit. Die
nackte Figur, die wunderlicher Weise Stiefeln trägt, woran
indess bei einem solchen Werk kein Anstoss zu nehmen, würde
Venus sein und Juno wäre die letzte Figur mit dem wie ein
Epheublatt gestalteten Fächer, der nach späteren griechischen
Monumenten copirt ist.
70 ^ie etruscischen Spiegel.
Abg. Gerhard I, 88. Vgl. HI, p. 92, wo wieder Alles voll von
Missverständnissen ist, die immer in dem einen Miss v erstand niss zu-
sammentreffen, dass Gerhard keine Ahnung von dem Charakter der
Zeichnung und den Intentionen ihres Verfertigers hat.
126. Parisurtheil, aus Gerhard's Sammlung 1859 er-
worben. 3280.
Auf diesem Spiegel ist Paris, eine Keule haltend, unter
den drei Göttinnen vorgestellt. Zur Motivirung dieses Attri-
butes kann an das Hirtenleben des Paris erinnert werden.
Abg. Gerhard II, Taf. 187.
127. Parisurtheil, 1863 in Rom von Prof. Brunn ge-
kauft. 3493.
Merkur sitzt und demonstrirt Paris den Fall. Von den
Göttinnen ist eine wegen Mangel an Platz weggelassen. Mi-
nerva hört ganz besonders aufmerksam und nachdenklich der
Rede des Hermes zu. Am Griff ein kleiner Amor.
Abg. Gerhard IV, 372, wo es wieder an Missverständnissen nicht
fehlt.
128. Desgl., aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben.
3279.
Fast ganz dieselbe Composition.
Abg. Gerhard II, 195.
128*- Trunkener Herkules, 'aus Gerhardts Sammlung
1859 angekauft. 3286.
Herkules als gewaltiger Zecher war ein beliebtes Thema
griechischer Kunst und Poesie. Aber er kann es dem Bacchus
und seinen Gesellen nicht halten und wird betrunken von ihnen
fortgeschleppt. So sehen wir ihn hier auf einen kleinen Satyr
gestützt. An seiner Rechten bläst ein mit einem Leibgurt be-
kleideter Pan auf der Syrinx, links ist eine ganz wunderliche
Figur, deren Erklärung die Flüchtigkeit der Zeichnung un-
möglich macht.
Abg. Gerhard Taf. 150, der die räthselhafte Figur zur Rechten
. p. 141 als Sirene erklärt, deren „bacchischer Bezug unzweifelhaft" sei.
Aber das nackte Bein gehört sicher zu ihrer Figur und schliesst eben
dessweffen den Gedanken an eine Sirene aus.
-o'
129. Herkules mit Minerva und Merkur, Spiegel
aus Orvieto, aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3369.
..»
Die etruscischen Spiegel. 7X
Herkules (Hercle), sich auf seinen Geleitsmann Merkur
(Turmus) stützend, erhebt fröhlich die Schaale, neben ihm
Minerva (Menrfa). Es ist eine Scene, wie sie oft auf den Vasen
vorkommt, Herkules zecht nach überstandenen Mühen.
Abg. Gerhard II, 158. Vgl. III, p. 145 ff., wo Alles wieder miss-
verstanden ist. Die Grösse des Herkules ist ja nur durch die räum-
lichen Verhältnisse veranlasst, ebenso wie das Umgekehrte auf Taf. 127,
wo Herkules gegen Merkur klein ist.
130. Minerva, Herkules, Jolaos, Laran, 1862 in
Rom gekaufL 3469.
Eine öfter vorkommende Composition, in der nach den
Inschriften Herkules (Hercle), Minerva (Menrfa), Jolaos (Vile ^)
und Laran, der, wie oben bemerkt wurde, wahrscheinlich dem
Mars entspricht, dargestellt sind. Nach der Art der meisten
Spiegelzeichnungen unbedeutenderer Art stehen die Figuren
handlungslos neben einander.
Abg. Gerhard Taf. 255 C.
131. Herkules, Minerva, Venus, Spiegel aus Tarquinii,
mit Gerhard's Sammlung 1859 erworben. 3381.
Die Stellungen der drei Figuren (Hercle, Turan, Menrfa)
scheinen anzudeuten, dass Herkules mit Venus davongehe und
Minerva zurücklasse, es ist daher wahrscheinlich, dass hier die
Wahl des Herkules zwischen Minerva und Venus im Sinne der
Fabel des Prodikus von Herkules am Scheidewege darge-
stellt sei.
In der Tracht der Minerva ist bemerkenswerth, dass
ausser dem von einem Medusenkopf zusammengehaltenen Brust-
panzer, der freilich nur schwach angedeutet ist, noch ein Ziegen-
fell über den Leib der Figur herabhängt, wodurch die Aegis
dargestellt werden soll.
Die Zeichnung ist theils wegen der Plumpheit der Figuren,
theils wegen des breit und unbescheiden sich entfaltenden
Ornaments besonders unangenehm.
Abg. Gerhard Taf. 156.
132. Herkules und Achelous, von dem hiesigen Kunst-
händler Marguier 1851 angekauft. 2984.
^) Ueber das Digamma vgl. Welcker A. D. 8, 261.
72 I^ie etruscisclien Spiegel.
Diese Darstellung des Kampfes zwischen Herkules (Heracle)
und Achelous (Achlae) erinnert augenfällig an griechische
Vasenbilder, auf denen Achelous ebenfalls als ein Stier mit
Menschengesicht dargestellt wird. Eben so deutlich ist aber
wieder die etruscische Zuthat und namentlich der Kopf des
Achelous hat etwas unangenehm Etruscische s. Auffallend ist
auch die Bartlosigkeit desselben, während er auf griechischen
Werken fast ausnahmslos einen dichten Bart trägt, den auch
Sophokles als etwas Charakteristisches an ihm erwähnt.
Abg. Gerhard Taf. 340. Vgl. die Abhandl. 0. Jaha's über die
Kunstvorstellungen des Achelous in d. Archaeol. Ztg. 1862 p. 313 ff.
133. Ausruhender Herkules, aus Gerhard's Nachlass
1869 erworben.
Herkules sitzt trauernd über sein mühseliges Leben da.
Tröstend steht neben ihm Minerva. Die Figur neben dieser,,
die aller näheren Charakteristik entbehrt, wird für Jolaos zu
nehmen sein.
Man hat die Bekränzung der beiden männlichen Figuren
für Strahlenbekränzung erklärt und allerhand weitergehende
Schlüsse daraus gezogen. Achtet man aber auf die Rohheit
dieses Spiegels und die Darstellungsweise ähnlicher Produkte^
so kann man nicht zweifeln, dass es ungeschickt gezeichnete
Blattkränze sind.
Abg. Gerhard Taf. 163. Vgl. wegen des Kranzes z. B. Taf. 175.
194. 219. 220 etc. Man würde, wenn man diese Blätter für Strahlen
erklärte, eine sehr respektable Anzahl „solarischer Wesen" aus den
Spiegeln zusammenstellen können.
134. Prometheus und Herkules, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 erworben. 3345.
In der Mitte steht mit angefesselten Händen Prometheus
(Pr)umathe), an der einen Seite in unschöner Regungslosigkeit
sein Befreier Herkules (Hercle), an der anderen auf seinen
Lorbeer gestützt Apollo (Ap(l)u), dessen Anwesenheit nicht un-
wahrscheinlich aus einem Yers des gelösten Prometheus des
Aeschylus erklärt wird, in welchem Herkules den Apollo bittet^
den rettenden Schuss auf den Adler, der Prometheus zer-
fleischte, sein Ziel nicht verfehlen zu lassen.
Abg. Gerhard Taf. 139. Vgl. III, p. 133. Ueber die Beischrifl
des Apollo ist Gerhard's Bemerkung vollkommen richtig. Der auf seiner
Tafel wie ein i aussehende Buchstabe ist ein deutliches p, auch von
Die etrnscischen Spiegel. 73
dem fehlenden I glaube ich noch Spuren zu entdecken und der letzte
Buchstabe kann nur u sein.
135. Herkules am Brunnen, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben. 3341.
Dieses Bild ist wohl nur unter der Voraussetzung ver-
ständlich, dass die Figur des Herkules (Hercle) aus einer
grösseren Composition herausgenonmien ist Man sieht näm-
lich keinen Feind, gegen den er die Keule schwingen könnte.
Die Brunnenmündung mit . dem Erug daneben scheint anzu-
deuten, dass ihm beim Wasserschöpfen irgend jemand hindernd
in den "Weg getreten war und nicht unwahrscheinlich ist ver-
muthet worden, es sei der Kampf mit der lemäischen Hydra
gemeint, die an einer Quelle hauste. Was die Inschrift Philece
bedeutet und auf wen sie sich beziehen soll, ist uns unver-
ständlich.
Abg. Gerhard Taf. 135.
136. Herkules und Itfinerva.
Zu der Annahme eines Liebesverhältnisses zwischen
Minerva und ihrem Schützling Herkules zwingen uns mehrere
etruscische Monumente, ob aber die Sage auch von einem
Kinde dieses Liebesbundes gedichtet habe, ist zweifelhaft.
Man hat es aus dem Bilde dieses Spiegels schliessen wollen,
indem man das Kind, das Herkules trägt und die Göttin berührt,
als das gemeinsame Kind beider ansah. Von anderer Seite
ist das Kind Telephus genannt, so dass Minerva nur als
Pflegerin desselben erschiene. Es ist schwer, eine Entscheidung
zu treffen, die Gegenwart der Venus macht die erstere An-
nahme wahrscheinlicher.
Venus ist nach altgriechischer Weise durch das Symbol
der Blüthe charakterisirt. Ihr gegenüber steht die uns schon
bekannte Göttin mit der Schminkbüchse, die dem Herkules
einen Kranz auf den Kopf setzt. Man hat neben ihr den jetzt
verschwundenen Namen Munthu gelesen, der uns unverständ-
lich ist. Auch den übrigen Figuren sind die Namen beige-
schrieben (H)ercle, Menrfa, Turan.
Abg. Gerhard Taf. 165. Vgl. III, p. 156. Hinsiclitlich des Kinde»
ist ein derber Schnitzer zu berichtigen, der mehreren Gelehrten passirt
ist. Man hat es nämlich wegen seiner Glatze für den greisenhaften
Tages erklärt, ohne zu bedenken, dass kleine Kinder, ich weiss nicht
ob alle, aber viele, zuerst an den Seiten, dann oben auf dem Schädel
74 I^ie etruscischeii Spiegel.
Haare bekommen, dass also der vermeintliche Tages ein Kind wie alle
anderen ist. Auch aus den etruscischen Spiegeln selbst war das su
ersehen, vgl. z. B. Taf. 213.
137. Minerva von Herkules umarmt (?), aus Emil
Braun's Besitz 1848 erworben. 2971.
Von den Figuren ist nur Minerva durch die Aegis
charakterisirt, alle übrigen können wegen mangelnder Attribute
nicht bestimmt werden. Doch stüzt sich die Erklärung, dass
die^ Liebschaft zwischen Herkules und Minerva dargestellt sei,
auf analoge Darstellungen, wo die Theilnehmer deutlicher
charakterisirt sind.
Abg. Gerhard II, 161, in dessen Erklärung der Nebenfiguren
übrigens wieder Art und Charakter dieser Spiegelzeichnungen gänzlich
verkannt werden.
138. Herkules und Minerva, opfernd, ausGerhard's
Sammlung 1859 erworben. 3289.
Die Figuren des Herkules und der Minerva sind inschrift-
lich bezeichnet, Herchle und Meneruca, (oder wohl richtiger
Menerufa), denn die letztere am Altar angebrachte Inschrift
kann doch nur der Frau gelten, die allerdings durch kein
Attribut als Minerva bezeichnet ist, was aber bei der rohen
Zeichnung dieses Spiegels nicht auffallen darf. Auch der Sinn
der Darstellung ist eben wegen der künstlerischen Rohheit
schwer zu errathen, doch kann Minerva mit der Weihrauch-
büchse in ihrer Linken wohl nur als Theilnehmerin des Opfers
betrachtet werden. Vielleicht geht die Scene im Hesperiden-
garten vor sich, denn ein Apfelbaum und eine Schlange sind
da, wenn auch die Schlange den Baum nicht umringelt, wie es
gewöhnlich ist. Man könnte dann glauben, das Opfer werde
wegen der glücklichen Erbeutung der Hesperidenäpfel ge-
bracht. Ob Sonne und Stern etwas Anderes sind als raum-
füllende Ornamente, ist schwer zu sagen.
Abg. Gerhard U, 140. Vgl. IH, IV, p. 134, wo die Inschrift Mene-
ruca auf den Altar und nicht auf die zweite Figur bezogen wird.
139. Herkules von Viktoria bekränzt, 1868 durch
Dr. Heibig in Rom erworben. 3777.
Viktoria setzt Herkules einen Kranz auf, eine einfache
Composition, die nicht ohne Anmuth ist. Jene hat die Bei-
schrift Mea(n), womit auf den Spiegeln eine Göttin bezeichnet
Die etruscischen Spiegel. 75
wird, die bald im Gefolge der Venus, etwa wie eine Peitho,
auftritt, bald aber auch ganz und gar, wie auf diesem Spiegel,
der Viktoria entspricht. Herkules hat die ebenfalls aus
anderen Spiegeln bekannte Inschrift Calanice d. i. xaAA/rtxoc;.
Abg. Gerhard II, 143, wo aber die Inschriften fehlen. Gerhai-d's
Zeichnung ist nicht vom Original genommen, es ist auch der weitere
Fehler darin, dass die Keule, die Herkules in der Linken hält, bis auf
das obere (ganz in der Luft schwebende) Stück weggelassen ist. Vgl.
Taf. 82 und andererseits Taf. 141. 142.
140. Minerva und Perseus, aus Gerhard's Sammlung
1859 erworben. 3372.
Minerva (Menrfa) hält in der Rechten das Medusenhaupt,
das Perseus ihr gebracht hatte, in die Höhe, damit es sich in
dem Wasser am Boden spiegele und auf diese Weise dem
Perseus, der den Kopf selbst nicht anschauen durfte, deutlich
werde. Dieser selbst (Pherse) hält die Harpe, mit der er die
Meduse getödtet und die Tasche, in welcher er das abge-
schlagene Haupt verbarg. Sein Blick ist so wenig wie der
aller übrigen Personen auf das Spiegelbild im Wasser gerichtet,
da der Spiegelzeichner um den richtigen Ausdruck nicht sehr
besorgt war. Neben der Minerva steht Apollo (Aplu), dessen
Anwesenheit wir nicht besonders zu motiviren im Stande sind,
neben Perseus eine unbenannte Figur, vielleicht Andromeda.
Auf griechisch-römischen Monumenten ist eine genau
übereinstimmende Gruppe nicht vorhanden, doch verdienen
namentlich die pompejanischen Wandgemälde verglichen zu
werden, wo Perseus der Andromeda die Meduse in einer
Quelle zeigt.
Abg. Gerhard Taf. 122, der aber das Motiv des Bildes missver-
steht. Die Bewegung des rechten Arms der Minerva führt nothwendig
auf die Annahme, dass die Göttin den Kopf hält, wie es auf Taf. 124
noch deutlicher ist.
«
141. Perseus und Merkur.
Von den drei Figuren dieses Spiegels ist Merkur an
seinen Attributen kenntlich, und auch die mittlere Figur eines
auf einem Stein sitzenden Jünglings mit einem sichelförmigen
Messer in der Linken darf wohl mit Sicherheit auf Perseus
gedeutet werden. Die dritte Figur, ein Jüngling, der sich auf
eine Lanze stützt, ist nicht zu benennen.
Da man vom Medusenhaupt nichts sieht, so scheint ein
76 I^ie etruscischen Spiegel.
der Enthauptung vorhergehender Moment dargestellt. Es
würde der Situation entsprechen, wenn man sagte, es sei der
Moment dargestellt, wo Perseus von der "Wanderung an den
Ort der That sich ausruht.
142. 143. Tyro und ihre Söhne, ersterer aus Gerhard's
Nachlass 1869 erworben, letzterer von unbekannte^? Herkunft.
Die Autorität eines in den wesentlichen Punkten überein-
stiromenden Inschriftspiegels berechtigt uns, in diesen beiden
Spiegeln Tyro mit ihren Söhnen Pelias und Neleus zu er-
kennen. Auf jenem Spiegel ist nämlich Tyro in niedriger
Arbeit, als Tempeldienerin "Weihwasser tragend, dargestellt
und einer der Söhne, Pelias, hält die Mulde in der Hand, in
der er ausgesetzt war und vermittelst deren die "Wiedererken-
nung zwischen Mutter und Söhnen erfolgte. Auch auf unseren
Spiegeln sehen wir eine Frau mit einem kleinen Eimer in der
Hand, den sie auf einen Altar oder wohl richtiger auf ein
Weihbecken niedergesetzt hat, welches sie eben mit Wasser
versorgen musste. Der oben erwähnte Inschriftspiegel und ein
vierter Spiegel, in dessen Hintergrund ein Tempel angebracht
ist, zeigen ijoch deutlicher, dass Tyro an einem Heiligthum
Dienste zu verrichten hatte. Die beiden Jünglinge haben neben
öich ein Geräth, das man unter Vergleichung des Inschrift-
spiegels als die Mulde erkennt, in der sie ausgesetzt waren.
Die Erkennung scheint bereits stattgefunden zu haben, wenig-
stens hat auf einem der beiden Spiegel Tyro ihren Arm um
den Hals eines Sohnes gelegt. Im üebrigen fehlt freilich jeder
Ausdruck lebhafterer Empfindung. Wer die bekleidete Frau
ist, die man in der Scene bemerkt, wissen wir bei dem völligen
Mangel jeder Charakteristik nicht anzugeben.
Abg. Gerhard Taf. 351, 2. 3. Vgl. IV. p. 99 ff. Gerhard irrt
hinsichtlich der Herkunft des zweiten Spiegels, der nicht aus seiner
Sammlung stammt. Er irrt auch sehr stark in der Behauptung Tyro
trage ausser dem Krug auch noch die TvAi/, das Kopfpolster, auf dem
gewöhnlich die Krüge getragen werden, denn der Krug, den Tyro trägt,
ist eben nicht ein Krug, der auf dem Kopfe, sondern der an einer Kette
schwebend getragen wurde, und es ist an einem dieser Spiegel deut-
lich zu sehen, dass die angebliche tvXtj der Ring ist, von dem die den
Krug tragende Kette herabhängt. Genau solche Krüge wie Tyro hier
trägt, sind nicht selten in Etrurien gefunden und werden unten eben
vermittelst dieser Spiegel als Weihwasserkessel bestimmt werden.
144. Meleager und Oeneus, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben. 3339.
Die etruscischen Spiegel. 77
Nach Analogie eines anderen Spiegels und eines etrus-
cischen Reliefs müssen wir hier in der lebhaft gestikulirenden
Figur den Oeneus erkennen, der dem Meleager Vorwürfe
macht wegen der Tödtung seiner Oheime. Die Unbärtigkeit
der Figur ist zwar auffallend, doch in dieser Gattung von
Kunstwerken zu begreifen. Das Aermelkleid werden wir, da
diesem Werk ja doch griechische Sage und Kunst zu Grunde
liegen, ebenso erklären dürfen, wie auf den unteritalischen
Vasenbildern, wo es die Tracht der Herrscher ist. Auch die
phrygische Mütze liesse sich vielleicht erklären, wenn es
nicht gerathener wäre, bei Spiegeln dieser Art lieber an die
Möglichkeit eines Fehlers zu denken.
Meleager trägt als Sieger einen Kranz um den Hut, neben
ihm steht ganz nackt Atalante, deren Nacktheit auf einem
etruscischen Spiegel ebenso wenig auffallen darf, wie die der
Artemis.
Abg. Gerhard Taf. 174, wo die Figur zur Linken auf Toxeus er-
klärt wird, indem willkürlich behauptet wird, „die barbarische Tracht
sei seiner ätolischen Abkunft entsprechend". Kekulö, de fabula Meleagrea
Berol. 1861 p. 43, erklärt die Figur für Althaea. Ich glaube das Bild
darf wegen wesentlicher Uebereinstimmungen nicht von Taf. 175 und
der von Kekuld publicirten etruscischen Urne getrennt werden. Die
Taf. 175 ist auch, wie mir scheint, nicht richtig gedeutet, trotzdem
dass sich in London ein Inschriftspiegel befindet, der den Figuren die
Namen giebt, die aus ihrem Habitus hervorgehen. Denn die dnrch die
Mondsichel bezeichnete Figur kann ja doch keine andere als Artemis
sein und die trauernde Atalante hat unverkennbare Aehnlichkeit mit
der auf römischen Sarkophagen um Meleager trauernden Atalante.
145. Kalydonische Eberjagd (?), aus der Bartholdy'-
schen Sammlung B. 63.
Dieser Spiegel ist von besonderer Grösse und reizte da-
durch zu der auf Spiegeln ungewöhnlichen Gruppirung mehrerer
Figuren übereinander. Ob die kalydonische Eberjagd gemeint
ist, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Man könnte
zwar in dem unter dem Eber liegenden Verwundeten den
Ankaeus erkennen, der in Darstellungen der kalydonischen
Jagd nicht fehlt, es ist aber noch ein zweiter Verwundeter da
imd es fehlt ausserdem an jeder individuellen Charakteristik.
Mehrere Jäger haben eigenthümliche Spitzen über dem Kopfe,
vermuthlich sollen es in der Heftigkeit des Kampfes aufflat-
ternde Haare sein, alle aber sehen wie Kinder und nicht wie
Männer aus, was doch schwerlich Absicht ist.
78 I^i^ etruscischen Spiegel.
Abg. Gerhard Taf, 173, dessen Text wieder den Charakter des-
Bildes vollkommen verkennt, indem er die Haupthelden Meleager und
Peleus bestimmt und die Dioskuren aus den ^,Strahlen^^ zu erkennea
glaubt, die aber ja nicht diesen allein, sondern auch jenen gegeben sind.
Ein ähnlich componirtes Spiegelbild Taf. 329.
146. Atropos zwischen unglücklichen Liebes-
paaren, 1797 bei Perugia gefundener Spiegel, aus der Bar-
tholdy'schen Sammlung (B. 62), nachdem er früher im museo
Oddi in Perugia gewesen war, ins Königliche Museum tiber-
gegangen.
Auf diesem berühmten Spiegel ist die Schicksalsgöttin in
der Mitte von zwei unglücklichen Liebespaaren, Meleager und
Atalante, Venus und Adonis dargestellt. Sie ist als Athrpa
(Atropos) bezeichnet und steht im Begriff, einen Eberkopf mit
Nagel und Hammer festzuklopfen. Man könnte an die An-
nagelung eines Siegeszeichens denken, um so mehr, als auf
einer etruscischen Cista eine ganz übereinstimmende und
schwerlich anders als Nike zu erklärende Figur vorkommt,
aber zu dem Namen Athrpa passt eine solche Handlung nicht.
Wir glauben daher, dass der Eberkopf nicht als Siegeszeichen,
sondern als ünglückszeichen, zur Andeutung der Veranlassung,
die nicht allein dem Meleager, sondern auch dem Adonis den
Tod brachte, hier von der Schicksalsgöttin aufgerichtet wird,
und es lässt sich ein bekanntes Relief griechischer Erfindung
damit vergleichen, auf dem über der Figur des verwundeten
Adonis ein Eberkopf hängt, zur Hindeutung auf die Ursache
seines Todes. So aufgefasst ist die Handlung der Mittelfigur
für beide Gruppen bedeutsam.
Die Gruppe von Meleager, der sichtbar betrübt dasteht,
und Atalante ist durch Inschriften gesichert, Atlenta und
Meliaph oder wahrscheinlicher im Einklang mit der sonstigen
Benennung des Meleager und mit dem lautlich zu Erwartenden:
Meliacr, indem C und D in einen Buchstaben zusammengezogen
sind. Von der anderen Gruppe sind nur von dem Namen der
Frau, die den sitzenden Jüngling umfasst und mit zärtlicher
Neigung des Kopfes anblickt, ein paar Buchstaben erhalten,
nämlich Tu, das sich aber gewiss zu Turan ergänzen lässt,
da die Gruppe den sonst auf etruscischen Spiegeln vorkömmen-
den Liebesscenen zwischen Venus und Adonis entspricht.
Die Zeichnung der Körper zeugt vom Studium griechischer
Vorbilder, die Gesichter aber sind etruscisch roh und aus-
druckslos.
Die etruscischen Spiegel. 79
Abg. Gerhard Taf. 176. Vgl. p. 169 ff. und Kekulö de fab. Meleagrea
p. 43. Gewöhnlich wird die Handlung der Atropos anders aufgefasst,
man nimmt nämlich an, sie klopfe neben dem Eberkopf, der zur
Charakteristik des Meleager diene, einen Nagel ein in dem Sinne der
horazischen necessitas , clavos trabales gestans. Aber der Künstler
müsste sich dann doch höchst missverständlich ausgedrückt haben, da
Jedermann wie auf der Cista (Archaeol. Ztg. 1862, Taf. 164. 165), so
auch hier nur an ein Festklopfen des Eberkopfes denken wird, der zu-
dem sonst in der Luft schweben würde, ein Umstand, der bei einem
besser gezeichneten Spiegel wohl in Anschlag zu bringen ist.
147. Orest, Iphigenie und Pylades.
Wie auf einem Vasenbild ^), so sitzen hier Orest und
Pylades als Schutzflehende an heiliger Stätte, während Iphigenie
zu ihnen tritt. Es ist der Moment vor der Wiedererkennung
der Geschwister. In demjenigen der Jünglinge, der das Götter-
bild umfasst hat, ist wohl Orest gemeint.
Vor dem Götterbilde steht ein Altar, auf dem, wie es
scheint. Flammen emporschlagen. Das Salbgefäss in der Hand
der Göttin ist ungewöhnlich, doch bei der üngenauigkeit dieser
Darstellungen nicht auffallend.
Abg. Gerhard Taf. 239.
148. Tödtung der Klytämnestra, 1843 von E.Braun
in Rom angekauft. 2728.
Orest (Urusthe) hat die Mutter (Clutumustha) am Haar
ergriffen und zückt das Schwert gegen sie, die bittend ihre
Hand ausstreckt. Hinter ihm erscheint eine Furie mit der un-
verständlichen Inschrift Nathum, die nur als Verfolgerin des
Orest anzusehen ist, wenngleich des Raumes wegen die linke
Hand und Schlange ohne Ziel dahin fährt. In der wie eine
Jägerin leichtgeschürzten Furie sind die griechischen Vorbilder,
wie wir sie auf späteren Vasenbildern finden, unverkennbar,
aber eben so deutlich ist in dem wild gesträubten Haar und
in dem aus dem Munde herausragenden Zahn die etruscische
Zuthat
Im Abschnitt ist Jason dargestellt, vom Drachen, den er
nach der Sage von innen getödtet hatte, wieder ausgespieen.
In der Linken scheint er das goldene Vliess zu halten. Er
hat die Beischrift Heiasun, deren Aspiration an die unter-
italischen Vasen erinnert, wo er Hiason heisst.
») Overbeck Gall. her. Biidw. Taf. 30, 4.
gQ Die etruscischen Spiegel.
Abg. Gerhard Taf. 238, dessen Erklärung nicht ohne Missverständ-
niss ist.
149. Orest undElektra, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3387.
Neben einer Grabstele sitzt trauernd eine Frau mit einem
Krug im Arm, aus dem sie unzweifelhaft ein Opfer gespendet
hatte Vor ihr steht ein Jüngling mit tröstlichem Zuspruch.
Diese Spiegelzeichnung ist fast eine Copie griechischer
Vasen zu nennen. Nur fragt sich, ob Orest und Elektra am
Grabe des Vaters oder eine allgemeine Gruppe Leidtragender,
wie auf den attischen Vasen, hier copirt sei. Doch ist das
Erstere wohl wahrscheinlicher.
150. Ringkampf, unerklärte Vorstellung, 1856 von
E, Braun in Rom gekauft. 3210.
Dieses Bild ist -noch nicht richtig erklärt, doch ist soviel
einleuchtend, dass die beiden geflügelten Dämonen die mittlere
Figur von der Stelle zu rücken suchen. Uns scheint die Ana-
logie einiger anderer Spiegel dafür zu sprechen, in den Dämonen
dieDioskuren zu erkennen, und die mittlere Figur könnte viel-
leicht, wie von einem jener Spiegel gemeint ist, Talos sein.
Vergleicht man wenigstens die berühmte Talosvase, so liesse
sich vielleicht ein Moment des Kampfes zwischen Talos und
den Dioskuren denken, der dem hier dargestellten entspräche.
Auffallend ist freilich die Bärtigkeit der Dioskuren.
Die Blume, sowie Mond und Sterne dienen nur zur Aus-
füllung des Raums.
Abg. Gerhard Taf, 255. Vgl. p. 267, wo auch die anderen Er-
klärungsversuche mitgetheilt sind. Die im Text herangezogenen Spiegel
sind Taf. 56, 1 und 58 abgebildet.
151. Liebesscene zwischen Göttern, unerklärte Vor-
stellung, aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3327.
Das Liebespaar ist sowenig zu bestimmen, wie die Neben-
figuren, nur dass es Götter sind, lässt sich aus einem überein-
stimmenden Spiegel schliessen, wo die den Jüngling umarmende
Frau Flügel hat.
Abg. Gerhard IV, 300, der sich wieder mit Behagen in den wun-
derlichsten Vermuthungen ergeht, deren Ausgangspunkt die für einen
Epheukranz gehaltene Locke des Jünglings auf dem anderen, überein-
stimmenden Spiegel ist.
Die etniscischen Spiegel. gl
152. Liebesscene von zweifelhafter Bedeutung,
1848 von Dr. Emil Braun in Rom angekauft. 2970.
Dargestellt ist ein zärtliches Liebespaar, von Amor einer-
seits, von einem anderen Paar von Mann und Frau andererseits
umgeben. Die Scene ist zu wenig individualisirt, als dass es
möglich wäre, Namen zu geben. Im Hintergrunde eine Säulen-
halle, die der Zeichner perspectivisch zu zeichnen versucht hat.
Abg. Gerhard II, 206. Vgl. III, 196, wo natürlich eine Erklärung,
freilich eine ganz haltlose, gegeben wird.
152*- Aehnliche Scene, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3399. 3401.
Die Mitte des Spiegels nimmt ein Liebespaar, ein Jüng-
ling auf dem Schooss eines Mädchens sitzend, ein, rechts ist
ein nackter Jüngling, links eine nackte Frau dargestellt. Auf
eine Erklärung müssen wir wegen mangelnder Charakteristik
verzichten.
Abg. Gerhard 279, 3 und als „mystische Hochzeit" der Libera und
eines Dioskuren gedeutet.
153. ßäthselhafte Vorstellung, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 erworben. 3282.
Eine sitzende mit Aermelkleid bekleidete Frau mit drei
nackten Jünglingen.
Abg. Gerhard II, 220, der die Scene ganz haltlos auf Helena von
troischen Helden umgeben deutet.
154. Desgl., aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben.
3318.
Sowohl die ganze Handlung als auch die einzelnen Figuren
sind uns, mit Ausnahme des an seinem Schwanz kenntlichen
Satyrn, nicht deutlich. Die Mittelfigur trägt einen Speer, dessen
Eisen hinter dem Hut zum Vorschein kommt.
Abg. Gerhard Taf. 57, dessen Erklärung lauter Willkür ist. Be-
sonders merkwürdig aber ist der „Wunderstab, der von dem verlängerten
Finger des Hermes ausgeht", als ein Beleg, wie die von Gerhard ver-
tretene Richtung eher alles Andere, selbst das Abenteuerlichste, annimmt,
als das nach dem Charakter des Bildes Natürliche, nämlich Flüchtigkeit
der Zeichnung.
155. Vier Göttinnen, 1852 von dem Kunsthändler
Marguier angekauft. 3043.
Friederichs, £erlin*s Antike Bildwerke. IL 6
ä
32 I^ie etruscischen Spiegel.
Sowohl die Namen Thanr, Achuvitr, Alpanu, Tipanu, als
auch die Figuren sind uns gänzlich undeutlich. Jedenfalls sind
sämmtliche Figuren weiblich.
Abg. Gerhard Taf. 814, der sich in haltlosen Vermuthungen
ergeht.
156. Frauenscene, in Bomarzo gefunden, aus Gerhardts
Sammlung 1859 erworben. 3309.
Ob die Figuren göttliche oder sterbliche Frauen sind,
wagen wir nicht zu entscheiden. Die mittlere hat ein Salbge-
fäss, die andere nackte hält die Zipfel ihres Gewandes und
trägt ein Kreuzband, das auf dem nackten Körper freilich keine
rechte Bedeutung hat, da es zum Halt der Gewänder diente.
Phantastisch ist der Kopfputz der drei Frauen, doch liegt
schwerlich eine besondere Bedeutung darin. Blumen und
Ranken füllen die Zwischenräume.
Abg. Gerhard Taf. 271, wo es wieder an Phantasien nicht fehlt.
157. Verhüllte Frau, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3350.
Auf diesem kleinen Spiegel ist eine verhüllte Frau darge-
stellt, die an manche Figuren griechischer Grabsteine und
Vasen erinnert. Es gehörte zum anständigen Ton in Griechen-
land, mit verschleiertem Kopf zu gehen.
Abg. Gerhard Taf. 92, 4, von dem die Figur natürlich als „Ein-
geweihte" bezeichnet wird.
158. Knabe mit seinem Hund, aus Gerhardts Samm-
lung 1859 erworben. 3326.
Ein Knabe lässt seinen Hund nach einem Stück Futter
springen.
159. Obscöne Lieb esscene, Spiegel aus Präneste, 1860
von Dr. Brunn in Rom gekauft. 3439.
Diese Spiegelzeichnung ist dadurch interessant, dass sie
eine Scene des Lebens enthält, was in dieser Denkmälergattung
ausserordentlich selten ist. Höchst charakteristisch für die
Sphäre, in der sich die Spiegelzeichnungen bewegen, ist aber
die Wahl der Scene, es ist nämlich eine derbe Obscönität dar-
gestellt. Ein Jüngling hat eben ein Mädchen aufgedeckt und
will sich nun zu ihr legen. Amor bringt dem Jüngling den
■ \
Die etniscischen Spiegel. 33
Biegerkraiiz, hinter der Liebesgruppe aber sieht eine Alte
durch's Fenster und krächzt sehr verwundert über das, was
sie erblickt, laut auf. Das Beiwerk, zwei sich schnäbelnde
Tauben, scheint hier zur Darstellung in Bezug zu stehen.
160. 161. Köpfe, aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3358. 3317.
Diese beiden Spiegel sind mit Köpfen verziert, die sich
einer näheren Erklärung entziehen. Der erste, besser gezeich-
nete, ist männlich, der andere durch die Ohrringe als weiblich
bezeichnet.
Abg. Gerhard Taf. 71, 2. 4.
162. Kopf mit phrygischer Mütze, aus Gerhardts
Sammlung 1859 erworben. 3335.
Der Kopf ist weiblich, wie die Ohrringe zeigen, und trägt
eine phrygische Mütze von der Form, wie sie in den späteren
griechischen Vasenbildern vorkommt.
Abg. Gerhard Taf. 287, 4.
163. Pflanzen und Fische, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben. 3382.
Dieser Spiegel ist ganz eigenthümlich, übrigens höchst
flüchtig verziert. An beiden Seiten ist ein Abschnitt gemacht
und mit Schnörkeln verziert, in der Mitte steht ein Baum oder
eine andere Pflanze, welche rings von Delphinen umgeben ist.
Vielleicht eine rohe Reminiscenz irgend eines landschaftlichen
Bildes.
163** Storch und Schlange, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben. 3333.
Ein Storch kämpft mit einer Schlange. Im Feld zwei
Bäume.
164. Ein geflügeltes Pferd, aus Gerhardts Sammlung
1859 erworben. 3320.
165. Spiegel mit unbestimmbaren Figuren, aus
Gerhard's Sammlung 1859 erworben. 3336.
Die Rückseite dieses Spiegels ist mit vorstehenden Ringen
verziert, als wäre sie nicht für eine Zeichnung bestimmt ge-
wesen. Trotzdem sind auf dem äussersten Ringe einige Figuren
von Menschen und Thieren eingeritzt.
6*
ä
34 ^^6 etruscischen Spiegel.
166. Hippokamp, aus Gerhardts Sammlung 1859 er-
worben. 3287.
Dieser mit einem phantastischen Seethier verzierte Spiegel
ist dadurch besonders interessant, dass er seinen alten knöcher-
nen Griff bewahrt hat, an welchem man nun die Rohheit ab-
nehmen kann, mit der die Etrusker Griff und Spiegel oft ver-
banden.
167. Geharnischter Krieger, in Rom durch Emil Braun
1856 angekauft. 3211.
Nur die mittlere Figur, ein geharnischter Jüngling, ist zu
erkennen. Der Spiegel ist stark oxydirt und in viele Stücke
gebrochen.
168. Sitzender Jüngling, zerbrochener und sehr durch
Oxydation zerstörter Spiegel, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3297.
Nur die Figur eines sitzenden, halbnackten Jünglings, dem
eine andere Figur die Hand auf die Schulter legt, ist erkennbar.
169. Zerstörter Spiegel, aus Gerhardts Sammlung 1859
erworben. 3301.
Auf diesem theils zerbrochenen, theils durch Oxydation
zerstörten Spiel sind nur die Reste einiger Figuren zu er-
kennen.
170. Desgl., aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben
3389.
Es sind nur noch einzelne Linien erkennbar.
171. Desgl., aus Gerhard's Sammlung 1859 erworben.
3388.
172. Desgl., aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben.
3374.
173. Spiegel mit reich verziertem Griff. Aus der
Sammlung Bellori. B. 21.
Der Griff läuft unten in einen Eselskopf aus, oben in
einen Blumenkelch, aus dem sich drei Köpfe entwickeln, er ist
übrigens, vermuthlich schon im Alterthum, falsch angesetzt
denn die drei Köpfe befinden sich auf der Rückseite des
Spiegels.
Abg. Beger, thes. Brand. III, 421. Gerhard, I, 23. 3. 4.
Die römischen Spiegel. 85
174. Desgl., aus der Koller*schen Sammlung 606.
Der Griff dieses Spiegels ist fast ganz derselbe, nur dass
«r richtig mit der Spiegelfläche verbunden ist.
Abg. Gerhard I, 23, 1. 2 (der ihn unrichtig schon in Beger's Zeit
setzt). Gargiulo hält den Griff für modern, was ich bezweifele.
175. 176. Spiegel ohne Zeichnung, nach der birnen-
förmigen Gestalt zu schliessen, aus Präneste, der erstere aus
der KoUer'schen Sammlung 611, der andere aus der Sammlung
Bartholdy B. 68.
177 — 187. Elf runde Spiegel ohne Zeichnung,
n. 177 — 186 sind aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben.
3292. 3293. 3392. 3393. 3394. 3395. 3396. 3397. 3398.3419.
An dem Griff von nf 179. 180 sind noch die Stifte er-
lialten zur Befestigung der Bekleidung des Griffes.
188. Spiegel mit moderner Zeichnung, aus Ger-
hardts Sammlung 1859 erworben. 3284.
Der Griff dieses Spiegels ist von ionischen Voluten be-
krönt, unten aber hohl, vermuthlich, um irgendwo befestigt zu
werden, so dass der Spiegel fest stand. Als Handspiegel wäre
er auch reichlich schwer. Dass die Zeichnung modern ist,
lässt sich nicht nur an der Beschaffenheit der Linien, sondern
auch daran sehen, dass die Linien über Gypsausbesserungen
hinübergeführt sind.
Abg. Gerhard I, 23, 5, der bei diesem Spiegel ohne Grund an eine
Opfprschale denkt.
189. Spiegelkapsel mit Spiegel. In Cäre gefunden,
aus Gerhardts Sammlung 1859 erworben. 3391.
Die drei Platten sind zusammen gefunden, der Spiegel
innerhalb der beiden anderen, so dass wir hier unzweifelhaft
eine vollständig mit Spiegel erhaltene Kapsel vor uns haben.
Abg. Gerhard I, 20, 1—4. 9, p. 85.
c. Die römischen Spiegel.
Schon oben ist von dem Verschwinden der gravirteu
Spiegel in römischer Zeit die Rede gewesen und die Neigung
zum Luxus als Hauptgrund dafür angegeben. Man sah mehr
auf Kostbarkeit des Materials als auf Kunstwerth, und der Ge-
ä
36 Die römischen Spiegel.
brauch silberner Spiegel wurde daher allgemein. Plinius^)
sagt, dass die silbernen Spiegel durch den Künstler Pasiteles
zur Zeit des Pompe jus eingeführt seien, früher habe maa
Spiegel aus einer Composition von Zinn und Kupfer verfertigt
und in Brundusium seien besonders gute Fabriken solcher
Spiegel gewesen, später aber seien die silbernen Spiegel in
dem Grade allgemein geworden, dass selbst die Mägde sich
derselben bedient hätten. Dass vor Pasiteles kein silberner
Spiegel sollte verfertigt tvorden sein, werden wir nicht wört-
lich verstehen dürfen, um so gewisser aber ist die Thatsache
des allgemeinen Gebrauches silberner Spiegel in der Kaiser-
zeit. Und zwar hatte man nicht bloss kleine Handspiegel von
Silber, wie sie auch uns, namentlich aus Pompeji, erhalten sind^
sondern wir hören auch von Spiegeln aus Silber, ja aus Gold,
die der ganzen Höhe eines Menschen gleich kamen 2).
Es konnte indessen nicht ausbleiben, dass die Sitte, sil-
Ijerne Spiegel zu gebrauchen, auch billigeren Ersatz hervorrief,
der dem äusseren Anschein nach jenen gleich kam, dem Werth
nach aber verschieden war. Und so besitzen wir auch noch
jetzt römische Spiegel, die anscheinend von Silber, in Wahr-
heit aber nur plattirt sind. Daneben finden sich manche
Spiegel, die fast wie Silber aussehen und doch nach chemischer
Untersuchung ^) nur eine Composition von Kupfer und Blei sind.
Vermuthlich sollten auch diese Spiegel ein billigerer Ersatz
für -die silbernen sein.
In künstlerischer Hinsicht sind die römischen Spiegel, so-
weit wir sie kennen, dürftig und uninteressant. Man findet
einzeln ein kleines Relief an der Rückseite, das ist aber auch
• Alles, was sie an Schmuck enthalten. In den Formen findet
sich manches Spielende, sehr gewöhnlich sind z. B. die aus-
gezackten Ränder.
Römische Spiegel.
190. Grosser viereckiger Spiegel. Aus der Samm-
lung Koller. 604. L. SS^/^". Br. 18".
Dieser Spiegel besteht aus einer sehr harten, spröden,
ganz weissen Metallmischung. Eine Hohlkehle am Rande zeigt,
dass er in einen Rahmen gefasst war.
1) 83, 130 und 34, 160.
^ Seneca quaest. nat. I, 17, 8.
" Bei Caylus recueil V, p. 174 ff.
Die römischen Spiegel. 37
191. Spiegel aus Pompeji, mit eigenthümlichem
Griff. Die Hälfte fehlt. V, 5.
192. Grosser Spiegel, aus Xanten. Im Jahre 1844 er-
worben.
Der Spiegel ist zwar gänzlich zerbrochen, doch sieht man
noch an mehreren Fragmenten, dass der Rand ausgezackt war.
Eben diese Verzierung .kommt öfter in römischer Zeit vor,
man fand die einfach runde Form zu einförmig.
193. Kleiner plattirter Spiegel, bei Cleve gefunden,
aus der Sammlung Minutoli. V, 3.
Der durchlöcherte Rand ist eine an römischen Spiegeln
sehr häufige Verzierung. Der Griff fehlt.
Abg. Gerhard I, 20, 14.
194. Desgl., von silberartiger Masse mit Griff von Bronce.
Abg. Gerhard I, 22, 10.
195. 196. Zwei desgl., bei Cleve gefunden. Aus der
Sammlung Minutoli. V, 1. 2.
197. Desgl., in Stücke gebrochen. Aus Trier, von Herrn
Besselich ebendaselbst im Jahre 1869 angekauft. 3595.
198. DesgL Dieser Spiegel war irgendwo eingelassen.
Aus der KoUer'schen Sanmilung. 608.
199. Desgl., stark restaurirt, aus Gerhardts Nachlass
1869 erworben.
200. Kasten mit Spiegelfragmenten.
Diese Fragmente rühren zum Theil von römischen, zum
Theil von etruscischen Spiegeln her. Unter jenen sind zwei
Fragmente von viereckigen Spiegeln, bei Cöln gefunden
(Sammlung Minutoli V, 4), hervorzuheben, diese bestehen in
6 Henkeln und einem Fragment eines gravirten Spiegels.
Letzteres, sowie einer der Henkel sind aus der Gerhard'schen
Sammlung 1859 erworben (3404. 3402).
201. Spiegel (?) von dickem gegossenen Metall, mit er-
38 Die Strigeln.
erhöhtem Rande; 3^/2" lang. Der Stiel hat fast die Gestalt
eines Hermesstabes. Aus der Sammlung Bellori. B. 23.
Abg. Beger, thes. Brand III, 416, der ein Feldzeichen daraus
machen will.
2) Die Strigeln.
Die Strigel diente dazu, das Oel, mit dem man sich nach
dem Bade einrieb, vom Körper zu entfernen, und es ist leicht
einzusehen, wie passend ihre Form für diesen Zweck ist. Beide
Geschlechter bedienten sich derselben, es fehlt unter den alten
Denkmälern nicht an Badescenen, in denen wir sie auch in
der Hand von Frauen erblicken*). In den Gräbern älterer
Zeit, besonders in den griechischen, ist kaum ein Gegenstand
gewöhnlicher als sie, in römischen Gräbern der Kaiserzeit aber
ist es seltener, eine Strigel zu finden. Das Geräth hatte seine
Bedeutung im Leben verloren, während es bei den Griechen
gleichsam das charakteristische Symbol für das Leben des
Mannes war, das fast den grössten Theil des Tages in der
Palästra verlief.
In der Form der Strigel sind einige Unterschiede zu
merken. Die älteren, griechischen oder etruscischen, haben
eine Händhabe, durch welche man die Hand hindurch stecken
muss und zeichnen sich ausserdem durch eine sehr graziöse
Krümmung aus, während die Handhabe der römischen, beson-
ders durch die pompejanischen, die man in Neapel in grosser
-Anzahl sehen kann, vertretenen Strigel nicht immer zum Durch-
stecken, sondern oft nur zum Umfassen eingerichtet und die
Krümmung derselben unschöner, weil plötzlicher ist. Auch
pflegt der Griff eckig zu sein, was keinen so schönen Anschluss
an's Runde giebt. Eine besondere Species sind die auffallend
breiten, im Uebrigen den älteren entsprechenden Strigeln, die
in Etrurien und Präneste gefunden werden und namentlich in
der barberinischen Sammlung zu sehen sind.
Das gewöhnliche Material der Strigel war wenigstens in
Attika Eisen, das sich häufiger in den Gräben findet als Bronce.
Auch bleierne Strigel kommen vor, nicht als wirkliche Ge-
räthe, sondern nur zum Schein, wie man denn fast alle Geräthe
der Grabesausstattung auch in Blei als blosse Scheingeräthe
findet. Davon wird unten näher die Rede sein.
r 1) Z. ß. auf den Spiegeln bei Gerhard, Taf. 317. 318.
Die Strigeln. 39
Interessant sind die Strigeln endlich wegen der Inschriften
der Fabrikanten, die theils griechische, theils lateinische oder
etruscische Namen geben. Es ist begreiflich, dass bei dem
ungeheueren Verbrauch eines für das tägliche Leben so noth-
wendigen Geräthes sich überall Lokalfabriken bildeten. Die
Strigeln mit griechischen Marken finden sich übrigens auch in
Etrurien und Palestrina.
Vgl. an Fundberichten bullet, d. instit. 1862, p. 149, 1829, p 204.
Eine Auswahl römischer Strigeln ist abgebildet bei Lindenschmit,
Alterth. unserer heidn. Vorzeit 11, 9, 4. Ueber die Fabrikmarken der
Strigel vgl. Detlefsen im bullet. 1863, p. 21 mit dem Zusatz von Brunn
ebendas., p. 188.
202. Strigel von Bronce, aus Athen, angekauft mit
dem Nachlass des Prof. Ross in Halle im Jahre 1860. 3413.
Die Strigel hat einen sehr niedlichen Fabrikstempel, der
sich am Griff zweimal wiederholt. Es ist nämlich ein nackter
Mann in tanzender Stellung vorgestellt, der in der einen Hand
eine Leier (?), in der anderen eine Strigel (?) hält. Am Kopf
bemerkt man so etwas, was wie ein Kopfflügel aussieht, so dass
man an Hermes denken könnte. Dazu die Umschrift POP)
als Anfang des Fabrikantennamens.
Diese, sowie die beiden folgenden Strigeln, haben in der
Form das Besondere, dass sie an der Spitze nach Art von
Fingern leise aufwärts gebogen sind, und dass das nicht zu-
fällig ist, beweisen ein paar im Besitz von Dr. Heydemann
hierselbst befindliche Strigeln, an deren Extremitäten deutlich
ein Nagel angegeben ist. Vgl. bull. 1869, p. 16.
203. Desgl., ebendaher, aus derselben Quelle. 3414.
204. Desgl., auf der Insel Kythnos gefunden, 1849 durch
Schaubert eingesandt. 2976.
205. Desgl., aus Athen, mit anderen Sachen 1869 ge-
kauft. 3762.
206. Desgl., fragmentirt, aber mit eingravirten Palmetten
fein am Griff verziert und mit dem Stempel ^IlOA^O^Fily
was gewiss aus A7to'k'ko6(jjQ(jo verschrieben ist^).
Nach dem Genitiv auf w zu schliessen, war der Fabrikant
Apollodorus in einer dorischen Stadt zu Hause. Der Griff läuft
nicht, wie es gewöhnlich ist, bügeiförmig aus, sondern schliesst
^) Das Tt ist hier und auf den folgenden Strigeln bis 211 überall
das ältere mit ungleichen Schenkeln.
r
90 I^»e Strigeln.
mit kurzer, in einen Knopf auslaufender Krümmung. Aus der
Sammlung Bartholdy. D. 80^).
207. Desgl.; mit demselben Stempel, 1834 von Prot
Gerhard in Italien gekauft. Die Strigel besteht, wie öfters, aus
zwei Stücken, indem der Griff und die andere Hälfte für sich
gearbeitet und dann zusammengesetzt sind.
208. Desgl., fragmentirt, mit demselben Stempel, 1850
von einem Reisenden gekauft. 2978.
Neben dem Stempel ist als weiteres Fabrikzeichen noch
eine undeutliche Thierfigur angebracht.
209. Desgl., fragmentirt, mit demselben Stempel, der
jederseits von einer undeutlichen Thierfigur umgeben ist. Der
Griff wie an n. 206. Aus der Sammlung Bellori. L. 5.
210. Desgl., fragmentirt, miteingravirter Palmette am Griff
und dem Stempel ÜAuiYMMA XOY (statt IlaXtf^fiaxov),
Griff wie bei n. 206. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erwor-
ben. 8.
211. Desgl., fragmentirt, mit dem Stempel JT^YMM^-
XOPYy was gewiss dasselbe sein soll, wie der vorhergehende
Stempel. Zu jeder Seite des Stempels ein nicht erkennbares
Thier. Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben, 11.
212. Desgl., fragmentirt, mit der Inschrift 2i2TEIPA.
Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 7.
Diese* Inschrift wird wohl mit Recht so erklärt, dass die
mit Soteira bezeichnete Göttin gewissermaassen die Schutz-
patronin der Fabrik gewesen sei. Vgl. bull. 1860, p. 10.
213. Desgl., fragmentirt, von dem Stempel ist nur
... OAAO zu lesen. An jeder Seite neben dem Stempel ein
vierfüssiges Thier, etwa ein Löwe oder Panther. Aus Ger-
hardts Nachlass 1869 erworben. 8.
214. Etruscische Strigel, fragmentirt, mit dem Stem-
pel AONOÄNCAjyij daneben eine sternförmige Verzierung.
Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 9.
^) Die bei Detlefsen a. a. 0. p. 22. n. 7. mitgetheilte Inschrift ist
vielleicht durch den Stempel dieser Strigel zu erklären.
Die Strigeln. 91
215. 216. Zwei breite etruscische Strigeln, aus
Corneto. Aus der Sammlung Dorow. 560. 561.
217. 218. Zwei desgl. An der einen schliesst sich der
Griff mit einer Palmette, an der anderen mit einer ausge-
spreizten Hand an. Gewiss sind dies dieselben Strigeln, die
Emil Wolff vor Jahren im römischen Institut vorzeigte. Die
Beschreibung stimmt wenigstens ganz überein, sie würden dann
aus Aegina stammen. Vgl. bull. d. inst. 1832, p, 27.
219. Desgl., mit einem Hermesstab als Fabrikzeichen.
Aus der Sammlung Bartholdy. D. 81.
220. Desgl., aus der Sammlung Koller. 623.
221. Desgl., ganz übereinstimmend.
222. Desgl., aus der Sammlung Koller. 624. Die ganze
obere Hälfte, die besonders gearbeitet war, fehlt.
223. 224, Zwei desjgl., fragmentirt.
225. Desgl., nur die obere Hälfte, die für sich gearbeitet
war, ist erhalten. Aus Gerhard's No^chlass 1869 erworben. 12.
226. Römische Strigel von der in Pompeji so gewöhn-
lichen Form, bei Gelduba gefunden. Sammlung Minutoli. L. 2.
227. Desgl., von derselben Form.
227*- DesgL, bei Cleve gefunden, aus der Sammlung
Minutoli. L. 6.
228. Kleine verbogene Strigel mit halbrundem Griff.
Sammlung Minutoli. L. 7.
229. Strigel, nur zur Hälfte erhalten, es fehlt nämlich
das Instrument selbst, nur der Griff und das Blatt, an dem
jenes befestigt war, sind erhalten. Das Blatt ist zierlich aus-
gezackt und durchljrochen und man bemerkt noch die Spuren
zweier Nägel, mit denen es befestigt war.
230. Griff einer Strigel, worauf als Fabrikzeichen
eine niedliche nackte männliche Figur mit einem Thier zur
Seite dargestellt ist.
^2 Oelkännchen. — Flache Schale zum Badeapparat gehörig.
230*- Desgl.; bei Cleve gefunden, aus der Sammlung
Minutoli. L. 8.
230^- Desgl., fragmentirt, von anderer Form, mit Zeichen
an der hintern Seite, IIK am Griff und III weiter oben hinaul
Aus Pompeji. Mit dem Nachlass des Prof. Rösel 1844 er-
worben. 2769.
230^- Fragment einer Strigel, mit dem Nachlass des
Prof. Ross 1860 erworben. 3429.
230^* Kasten mit zwölf Fragmenten von Strigeln,
darunter zwei von Eisen.
3) Oelkännchen.
231. Oelkännchen, aus Athen, 1845 von dem Ge-
sandten Brassier de St. Simon angekauft. 2820.
Diese Kanne ist, wie Yasen und Reliefs lehren, die rich-
tige Oelkanne, welche die athenischen Jünglinge und Männer an
einem Ring hängend mit in die Palästra nahmen. Sie haben immer
«inen breiten, aufstehenden Rand bei enger Mündung, vermuth-
lich, damit das Oel beim Eingiessen nicht überlief und beim
Ausgiessen, soweit es nicht gebraucht wurde, bequem zurück-
floss. Vgl. n. 1619 ff., 1638 ff.
Vgl. wegen der Form der Kanne z. B. das Relief Bd. I,
n. 21.
232. Desgl., aus Athen 1846 erworben. 2825.
Dies Kännchen unterscheidet sich nur durch den an dieser
Klasse von Gefässen seltenen Henkel, der mit Masken ver-
ziert ist.
4) Flache Schale, zum Badeapparat gehörig.
232** Man hat in Pompeji einmal die für das Bad noth-
wendigen Geräthe alle zusammen an einem Ring hängend ge-
funden, nämlich ein Oelkännchen, mehrere Strigeln und eine
flache Schaale, welche aufs Genaueste mit der hier aufgeführten,
die auch, wie man an der Durchbohrung des Griffes sieht, an
einem Ringe getragen wurde, übereinstimmt. Durch diesen Fund
ist der Zweck dieses Geräthes im Allgemeinen bestimmt,
Näheres aber wissen wir leider nicht anzugeben. Am nächsten
Instrumente zum Ausreissen kleiner Härchen. 9^
liegt wohl die Annahme, dass man sich nach dem Gebrauch
der Strigel noch einmal mit Wasser abgespült und dazu dieser
Schalen bedient habe.
Der pompejanische Fund ist abg. Mus. borb. VII, 16.
5) Instrumente zum Ausreissen kleiner
Härchen.
Es war eine widerwärtige, aber sehr gewöhnliche Ko-
ketterie im Alterthum, sich mit kleinen Zangen die Härchen,
z. B. des Bartes, auszureissen, um hübsch glatt zu er-
scheinen. Man bediente sich dazu der im Folgenden auf-
geführten Instrumente, die zwar auch für Lampenscheeren er=
klärt sind, aber sicher Toilettengeräth sind. Den Beweis dafür
giebt ein Exemplar, das zugleich mit einem Ohrlöffel an dem-
selben Tragring befestigt gefunden ist und ferner ein anderes
bei uns befindliches (n. 237), an dessen oberem Ende ein Ohr-
löffelchen angebracht ist. Man darf übrigens diese Geräthe
nicht mit einem ganz gleich gestalteten medicinischen Instru-
ment verwechseln, das sich nur dadurch unterscheidet, dass
es gezahnt ist.
Diese Haarzangen werden nicht nur in classischen, son-
dern auch in barbarischen Gräbern, vorwiegend in denen von
Männern, gefunden.
Das im Text citirte Exemplar ist abg. bei Smith, collect, antiq. II,.
pl. 5, 1. Vgl. über Fundnotizen auch Lindenschmit, Alterth. II zu V, 6.
233. Haarzange, bei Cöln gefunden, Sammlung Minu-
toli. U. 4. L. 3V2"-
224. 235. Desgl. Zwei ähnliche, bei Cleve gefunden.
L. 31/2". U. 2. 3.
236. Desgl. L. 2^1^". Aeltere Sammlung. U. 5.
237. Desgl. Oben mit einem Ohrlöffel versehen. Aeltere
Sammlung. L. 43/^". U. 1.
238. Desgl. Aus dem Nachlass von Prof. Rösel 1844
erworben. 2787. Aus Pompeji. L. 372"«
239. Desgl. Aus dem Nachlass des Obristlieut. Schmidt
1846 erworben. 2868. L. l'/g".
94 Ohrlöffel und Nagpelputzer. — Haarnadela.
240. 241. Zwei desgl. L. 4^/4'' und 241: 3V2".
242. Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 19-
Von der Kette, an welcher man das Geräth trug, ist noch
ein Ring übrig. L.
6) Ohrlöffel und Nagelputzer.
Man hat öfter, namentlich in englischen Gräbern, kleine
Bündel von Instrumenten der Körperpflege, als Ohrlöffel,
Nagelputzer, Nagelmesser, Zahnstocher an einem Ringe hängend
gefunden, mit welchen die im Folgendem aufgeführten Geräthe
übereinstimmen. Wie es scheint, wurden sie am Gürtel ge-
tragen.
Vgl. Smith, Collect, ant. VI, p. 152 und das unter dem
Artikel Zahnstocher Citirte.
242*- Kleines Bündel von Geräthen, unter denen ein
Ohrlöffel kenntlich ist. Die beiden gabelförmig auslaufenden
Geräthe werden für Instrumente zum Reinigen der Nägel er-
klärt. Das letzte Stück scheint ein Zahnstocher zu sein.
Sämmtliche Geräthe haben Verzierungen von punktirten Linien.
242^- DesgL, grösser, aus der Sammlung Koller. 600.
Unter den sieben Stücken, die hier zu einem Bündel ver-
einigt sind, ist der Ohrlöffel deutlich. Die übrigen sechs sind
jsämmtüch Nagelputzer.
242<^- Desgl., ebendaher. 600.
Die Geräthe sind zum Theil fragmentirt.
242^- Ein einzelner Nagelputzer.
7) Haarnadeln.
243. Haarnadel, 1845 von dem Kunsthändler Marguier
angekauft 2803.
Von schöner Form und Patina. L. 6".
244. Desgl., 1844 aus dem Nachlass des Prof. Rösel
^rekauft. 2756. L. 579".
- 245. DesgL, von derselben Form, nur kleiner. Eben-
daher. 2791. L. 31/4".
Haarnadeln. 95
246. Desgl., 1846 hierselbst gekauft. 2885. L. SVs"-
277—249. Drei desgl. L. 2^8". ^^Is'- ^Vs"-
249*- Grosse Haarnadel mit einer Figur darauf. Aus
dem Nachlass von Prof. Gerhard 1869 erworben. L. 107a"-
So grosse Haarnadeln sind öfter in Etrurien und Pa-
lestrina gefunden. Dass sie als Haarnadeln benutzt wurden,
geht aus der Praxis des heutigen Landvolkes hervor, das sie
noch jetzt von derselben Grösse trägt, wie ja überhaupt das
Landvolk das Grosse und Massive am Schmuck liebt. Ausser-
dem giebt das Motiv der Figur an unserem Exemplar einen
Grund für den vorausgesetzten Zweck ab. JDie Nadel ist näm-
lich von einer halbnackten, nicht ungraziösen Frau, bekrönt,
die mit einer Hand an ihrem Haar beschäftigt ist. Der Stiel
der Nadel entwickelt sich nach etruscischer Weise aus einem
Thierkopf. Schön erhalten. Späterer etruscischer Styl.
Vgl. die Bemerkung im bullet. 1851, p. 147 und die Ab-
bildung in monum. d. inst. VUI, tav. 58 e.
249^- Desgl., vierkantig, an der Spitze ein King mit
Buckeln. Von Prof. Gerhard 1851 ans Museum verkauft. 3004.
L. 10".
249*^- Desgl., zum Theil mit schräger Cannelirung, an
der Spitze in einen Thierkopf, etwa Rehkopf, auslaufend. Eben-
daher. 3006. L. 10".
249^- Desgl., mit drei Knöpfen am Kopf, doch fehlt der
oberste. Aus dem Gerhard'schen Nachlass 1869 erworben.
77. L.
249®- Desgl., mit fehlender Spitze. Der Griff ist tek-
tonisch besonders markirt und läuft in einen Rehkopf aus.
249^- Desgl., mit fehlender Spitze. Der obere Theil ist
schräg cannellirt. Von Prof. E. Braun 1856 in Rom gekauft.
3215.
249^- Desgl., oben mit einem Delphin verziert. Aeltere
Sammlung. S. 2. L. 5V4".
249^ Desgl., in einen Delphinkopf auslaufend. Bei Cleve
gefunden. Aus der Sammlung Minutoli. S. 1. L. S^s"-
96 Haarnadeln.
249^- Kopf einer Haarnadel (denn die Spitze fehlt
fast ganz) in Form einer Frauenhand, die zierlich zwischen
zwei Fingern eine Frucht, etwa eine Granate, hält. Solche Mo-
tive kommen öfter vor, wie z. B. Lindenschmit, Alterth. 11, 11^
4, 4 eine derartige Haarnadel abgebildet hat, 1846 am Ehein
gekauft. 2916.
249^ Haarnadel (?), an beiden Enden in ein Ohrlöffel-
chen auslaufend und somit vielleicht einem doppelten Zweck
dienend. Sammlung Bartholdy. D. 88. L. 9^/^''.
249^- Fragmentirter Kamm, angeblich aus einem pom-
pejanischen Grabe. 1843 angekauft. 2720.
Man wundert sich, dass die Alten neben ihren Kämmen
von Holz und Knochen auch Kämme von Bronce hatten.
Doch ist die Thatsache durch mehr als einen Fall festgestellt
Vgl. z. B. Annali deir instit. 1855, p. 65.
Hieran schliessen wir die Erwähnung von einigen vor-
zugsweise weiblichen Geräthen, die wir anderswo nicht so gut
unterbringen können, nämlich der Scheere und der Nähnadeln.
249™- Scheere mit Verzierungen, zum Hausgebrauch.
Die meisten antiken Scheeren, die man in Fasano besonders
häufig findet, sind Schafscheeren. L. 6".
249*^* Grosse Nähnadel, aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben. 79. L. 4:'^!^".
249^- Desgl. L. 51/2"-
24900. Desgl., von Eisen, aus der Sammlung Minutoli.
Fragmentirt. 0. 9.
249P- Zwei feine Nähnadeln. Aus Lentini. Aus Ger-
hardts Nachlass erworben.
8) Fibeln oder Gewandnadeln.
Wenn man die Darstellungen auf den antiken Denkmälern
allein als maassgebend für die Lebenssitte des Alterthums be-
trachten wollte, so würde man annehmen müssen, dass die
Alten sich zur Befestigung der Gewänder nur der runden^
Fibeln oder Gewandnadeln. 97
scheibenförmigen Fibel, die in der Form ganz unserer Brosche
entspricht, bedient hätten. Denn nur diese kommt, wenn wir
nicht irren, wenigstens in guter Zeit vor. Aber viele Funde
beweisen, dass auch die bügeiförmige Fibel, die zur Aufnahme
der Gewandfalte halbkreisförmig sich ausbiegt, bekannt und
zwar seit den ältesten Zeiten bekannt war, und wenn wir den
in den Museen befindlichen Vorrath an Fibeln überblicken, so
scheint gerade sie die gewöhnliche gewesen zu sein. Dar-
gestellt ist aber die bügeiförmige Fibel erst auf den Diptychen
und spätrömischen Münzen und Grabsteinen, sodass wir an-
nehmen müssen, die scheibenförmige Fibel sei den Künstlern
für ihre Zwecke passender erschienen und eben darum so
häufig dargestellt. Und allerdings ist sie auch die schönste,
weil es am natürlichsten ist, einen Schmuck, der eine centrale
Stelle zwischen zwei Gewandtheilen einnehmen soll, kreisförmig,
nach allen Seiten gleich zu bilden.
In der classischen Zeit wurde die Fibel stets, wie es
scheint, zu einem praktischen Zweck benutzt, nämlich zum
Zusammenhalten von zwei Gewandzipfeln, während in spät-
römischer Zeit der Gebrauch aufgekommen zu sein scheint, die
Fibel bloss als Ziernadel vorzustecken^).
Die Fibeln finden sich in den Gräbern oft in grosser An-
zahl, schon fünfzig sind aus einem etruscischen Grabe hervor-
gezogen ^), die natürlich nicht alle auf dem Gewände des Todten
befestigt waren. Dass man ihrer aber eine ziemliche Anzahl
trug, zeigen einzelne spätrömische Grabsteine, die einen sichre-
ren Schluss auf das wirkliche Leben verstatten, als die melir
künstlerisch ausgestatteten Denkmäler, die eben aus künst-
lerischen Gründen oft von der Wirklichkeit abweichen. Oft
werden die Fibeln paarweise gearbeitet gefunden, da viele von
ihnen für correspondirende Stellen des Gewandes bestimmt
waren.
Ueber nationale und zeitliche Besonderheiten in der
Bildung und Ornamentirung der Fibeln wird bei den beson-
deren Abtheilungen gehandelt. Doch wird von den Eigenthüm-
lichkeiten fränkischer Fibeln erst im folgenden Bande, der
die Gold- und Silbersachen des Antiquariums umfasst, ge-
sprochen werden können.
^) Dies ist ganz deutlich auf dem Grabstein des Blussus im Mainzer
Museum; vgl. die Abbildungen v©n Alterthümem des Mainzer Museums
1848, Taf. 1.
2) bull. 1830, p. 6.
Friederichs, Berlin's Antike Bildwerke II. 7
98 Die Fibeln.
a) Bügeiförmige Fibeln.
Die bügeiförmige Fibel ist diejenige, welche sich am
weitesten hinauf verfolgen lässt, sie findet sich bereits in den
ältesten etruscischen Gräbern und ist sogar unter der Lava
des Albanergebirges zusammen mit liöchst primitiven Aschen-
urnen gefunden worden. Die Nadel entwickelt sich entweder
— und dies scheint die ältere Form zu sein — ununterbrochen
aus dem in einen Draht auslaufenden und mehrfach um-
gewickelten Bügel, sodass sie wie eine elastische Feder wirkt,
oder sie ist besonders eingesetzt und herausnehmbar. Die im
Folgenden aufgeführten Exemplare sind theils römisch, theils
etruscisch und sich untereinander so ähnlich, dass durchgehende
Unterschiede nicht aufgestellt werden können. Nur in n. 259
tritt ganz specifisch etruscischer Geschmack hervor. Wohl zu
bemerken sind einige grosse, bestimmt der classischen Welt
angehörige Fibeln, die man für barbarisch halten würde, wenn
man niclit das Gegentheil wüsste. Denn im Allgemeinen zwar
ist die übermässige Grösse des Schmuckes ein Zeichen bar-
barischen Geschmackes und gerade die Fibeln, die man auf
spätrömischen Denkmälern abgebildet sieht und aus deutschen
Gräbern des fünften und sechsten Jahrhunderts noch besitzt
(vgl. Lindenschmit in den Abbildungen von Alterthümern des
Mainzer Museums 1851, p. 1 if.), beweisen das sehr deutlich,
allein es gab in der classischen Zeit auch Bauern, und der
Geschmack der Bauern ist wie heutigen Tages, so zu allen
Zeiten, verschieden von dem der Gebildeten.
A. Mit breiterem Bügel.
250. Grosse btigelförmige Fibel, vermuthlich aus
Pompeji, da sich das Siegel der neai)olitanisclien Alterthümer-
commission daran befindet. Mit einfachen linearen Verzierun-
gen auf dem Bügel, der nach innen geöffnet ist. L, ß^j^".
250^'~^- Drei desgl. aus Pompeji, durch Herrn Ternite
erworben. W. g. 7 — 9. L. G^-V bis 5''.
251. Desgl., doch mit geschlossenem Bügel. Aeltere
Sammlung. W. f. 7. L. 4\V'- ^^^ linearen Verzierungen,
worunter die. Würfelaugen, bedeckt
Die Fibeln. 99
251«- Desgl., aus der Sammlung Koller. 619. L. 5".
25ib-e. Yüni desgl., ohne Nadel.
252. Desgl., aus Pompeji, durcli Ternite erworben.
I^. 472''» Ani Bügel links und rechts eine knopfartige Ver-
zierung.
252*-^- Drei desgl. Ebendaher. W. g. 5. 6. 12. L. von
2^8 bis 2«/8".
253. Desgl. Ebendaher. Aus dem Nachlass von Prof.
Rösel 1844 erworben. 2771. L. VjJ'.
254. Desgl., durch Ternite in Italien erworben. W.g. 2*-
L 2V/'.
255. Desgl., bei Cleve gefunden. Sammlung Minutoli.
W. f. 4. L. 2".
25G. Desgl. Sammlung Minutoli. L. l^/g". W. f. 6.
257. Desgl. Koller\sche Sammlung. 620. L. 2^8".
257*- Desgl., etwas fragmentirt. Aeltere Sammlung.
"W'. m. X. 44.
257^-^- Drei desgl. L. von 3" bis 3^4".
257«- Desgl., die Nadel fehlt.
258. Desgl., mit elgenthümlicher Vorrichtung zur Be-
festigung der Nadel, es ist nämlich ein Schieber vorlianden,
der die Nadel vor'm Heraussi)ringen schützte. L. 3%".
259. Desgl., ein für etruscische Industrie sehr charak-
teristisches Stück. Der Bügel ist nämlich mit drei (ursprüng-
lich vier) kleinen Enten verziert, die sofort die analogen Ver-
zierungen der etruscischen Candelaber oder Thymiaterien ins
Gedächtniss rufen. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
199. L. i»;/'-
259^- Desgl., nicht so gut erhalten. Die Nadel fehlt
und zwei Enten.
7*
ä
100 ^ie Fibeln.
260—262. Drei desgl. Gerhardts Nachlass. L. 2'^
36. 64. 92.
263. Desgl., aus Gerhard's Nachlass. 34. Diese Fibel
hat, was sehr selten ist, einen Stempel, wahrscheinlich eine
Fabrikmarke. Man Uest AV. CISSA. L. 2V4".
264. Desgl., von Eisen, stark verrostet. Gerhardts Nach-
lass. 46. L. l'/g^'.
Ein Stück des Gewandes ist an der Fibel hängen ge-
blieben. Die Spitze am unteren Ende hatte eine knöcherne
Umhüllung, wie man aus vollständig erhaltenen Exemplaren^
dergleichen sich z. B. im Museum von Neapel finden, schliessen
kann.
265. Desgl., aus Italien durch Ternite erworben. W.k. 51^
L. 2'/8".
Der Bügel ist mit Knochen bekleidet.
266. 267. Zwei desgl., versilbert, bei Cleve gefunden.
Sammlung Minutoli. W. i. 3. 4. L. 2" und 1%".
268 — 269. Zwei desgl., ein Paar bildend, mit feinen
Verzierungen. L. 2" und l'/s"»
270 — 275. Sechs desgl., alle mit Knöpfen am Bügel
versehen. L. von 478^ l^is IV2" ^^^S*
275*- Desgl., etwas abweichend. L. 3^/^"..
276. 277. Zwei desgl., die ein Paar gebildet haben
könnten. L. l'/g".
278. 279. Zwei desgl., mit Würfelaugen verziert. L.2'*
und IV4".
280. 281. Zwei desgl., mit linearen Verzierungen.
L. iVs" nnd 28/4".
282. Desgl. Statt der Röhre, in welche sonst die Nadel
hineingebogen wird, ist hier eine runde Platte am Bügel befestigt,
die einen für die Nadel bestimmten Einschnitt hat. L. 2^/4".
283.284. Zwei desgl., einander ähnlich. Aus der Samm-
lung Bartholdy. D. 77. 78. L. 2V2" und 2^lj'.
Die Fibeln. 101
285. 286. Zwei desgL> fein verziert; einander ähnlich.
L. iVs''.
287. 288. Zwei desgl., einander ähnlich. Beide hatten
zierende Anhängsel, wie man aus den Löchern am unteren
Ende sieht. L. l^g" und l'/g".
289. 290. Zwei desgl., versilbert. L. 2" und 2^8"-
290** Desgl., ohne Versilberung. L. V/^".
291. 292. Zwei desgl., fein verziert. L. 2" und IV2".
293—295. Drei desgl.
296. 296*- Zwei desgl., einander ähnlich.
297. Desgl., abweichend.
298. 299. Zwei desgl., mit schildförmigem Bügel, der
an der einen mit punktirten Verzierungen bedeckt ist. 2"
und IV2".
299*- ^- Zwei desgl., weit grösser, die erste aus dem
Nachlass des Obristlieutenant Schmidt 1846 erworben (2859),
die zweite bei Cleve gefunden und aus der Sammlung Minu-
toli. W. e. 1. Letztere war versilbert. Man sagt gewöhnlich,
dass diese grossen, schildförmigen Fibeln zur Befestigung von
Soldatenmänteln gedient hätten (Fiedler, Houben's Antiquarium,
p. 57), aber ohne Beweis. L. 4V4" und 31/2".
B. Mit schmalem, drahtartigem Bügel.
300. Grosse Fibel mit seltsam gewundenem Bügel.
Koller'sche Sammlung. 617. L. 6^/4".
301. Desgl., ähnlich, mit dickem Knopf. Sammlung
Bartholdy. D. 71, früher bei Senator Martini in Florenz.
L. 5".
«
302. Desgl., ähnlich. Aus Gerhardts Nachlass 1869. 29.
L. 58/4".
303. 304. Zwei desgl., ähnlich. L. 45/3" und 31/2".
102 Die Fibeln.
304*- ^- Zwei desgl., ähnlich. L. 5" und 8^2'^.
305. Desgl., noch wunderlicher gebogen. Koller'sche
Sammlung. 621. L. 3V4".
305** Desgl., ähnlich, etwas fragmentirt.
306. 307. Zwei desgl., ein Paar bildend, mit Knöpfen
am Bügel. Gerhardts Nachlass. 3I. 33. L. 4:^'^".
308. 309. Zwei desgl., ganz ähnlich, auch ein Paar
bildend. L. 378^' und 3".
310. Desgl., ganz ähnlich. Gerhard's Nachlass. 32.
L. 3\/2".
310*- Desgl., ganz ähnlich. Fragment.
311. Desgl., ähnlich. L. 2^IJ'.
311*- Desgl., ähnlich, beiCleve gefunden, aus der Samm-
lung Minutoli. W. 1. 25. L. 3^1^".
311^- Desgl., ähnlich, aus der Sammlung Bartholdy.
B. 79. L. 31/4''.
311°- Desgl., ähnlich, durch Ternite erworben. W. k. 50.
L. 3«/8".
311^- Desgl., einfach bogenförmig. Sammlung Koller.
618. L. 5V2".
311®* Desgl., aus Pompeji. Mit dem Nachlass des Prof.
Rösel 1844 erworben. 2772. L. 2^1^".
311^- Desgl. L. 31/4".
312 — 315. Vier desgl., am Rhein gefunden, 1846 ge-
kauft. 2098— 2098«- L. 2^1^" bis 2V4".
316. Desgl., 1846 von einem Hrn. Meyer angekauft.
2886. L. l'/s".
317. Desgl., 1854 von Prof. aus'm Weerth gekauft.
3087. L. IV4".
Die Fibeb. 103
318. Desgl., besonders interessant, weil der Bügel unten
in einen Thierkopf ausläuft und oben in einen Ring, an dem
ein Anhängsel hängt. Es war nämlich nicht selten, an den
Fibeln noch allerhand zierende Anhängsel zu tragen, wie man
am besten in der Sammlung des Prinzen Sayn- Wittgenstein
beobachten kann. Die Nadel ist von Eisen. L. 178''-
319 — 325. Sieben desgl., einfach und gewöhnlich, aus
der Sammlung Minutoli. L. l»/^" bis 2".
326. Desgl., Gerhardts Nachlass. 35. L. 2^1^".
327. Desgl., mit wunderlich gekrtinuntem Bügel. L. 2Vg"
328 — 336. Neun de Sgl., von gewöhnlicher Form. L. l^/g"
bis 2V2".
336** ^- Zwei desgl., aus dem Nachlass des Kriegs-
ministers V. Rauch 1841 erworben. 2643. 2644. L, l^jo" und
336^- 2^V' lang.
336^- Desgl., durch Ternite in Italien erworben. W. k. 52.
L. 3''.
336^- Desgl., bei Cleve gefunden, aus der Sammlung
Minutoli. W. l. 19. L. 2V4".
336«-^- Sechs desgl. L. von S^g" bis S^j^'^
33ßi-in. Zwei desgl., von etwas abweichender Form.
L. 4» 4" und 336°^ L. 2V2".
336°- Bündel von sieben Fibeln. 1846 gekauft. 2909.
•
336^- Desgl., ein Bündel von fünf, aus dem Nachlass
des Obristlieutenants Schmidt 1846 gekauft, 2860.
336P- Fibel bei Cleve gefunden. W. k. 45. Der Me-
chanismus dieser Fibel ist uns unklar. Die Nadel entwickelt
sich aus der Mitte einer Spirale, deren Enden einen flachen
Bogen bilden, den die Nadel senkrecht durchschneidet. Wo
sie ihren Halt hatte, wissen wir nicht.
336^- Desgl., ganz übereinstimmend. Die Nadel fehlt.
104 I^ie Fibeln.
C. Bügeiförmige Fibeln aus spätrömischer Zeit.
Die im Folgenden aufgeführten Fibeln, deren Charakte-
ristisches in der Kreuzform und den Knöpfen an den drei
Ecken liegt, gehören nicht mehr der classischen Zeit an ; man
möchte das schon aus ihrer plumpen Form folgern. Zu welcher
Zeit sie üblich waren, zeigt ein Diptychon aus dem Ende des
vierten oder Anfang des fünften Jahrhunderts, auf dem sie vor-
kommen und in dieselbe Zeit führt ein Fund von Münzen, mit
welchen eine solche Fibel zusammen gefunden wurde. Noch
früher aber fällt eine aus Arezzo stammende Fibel Maximinians,
deren Zeit durch die Inschrift feststeht.
Vgl, die hübschen Aufsätze von A. de Longperier in der Revue
archeol. XIV, p. 103 und von Gamurrini im bull. 68, p. 25.
337. 338. Zwei Fibeln, bei Cöln gefunden. Sammlung
Minutoli. W. h. 1. 14. L. 31/2'' «nd 2^^".
Erstere war vergoldet.
339—344. Sechs dergl. L. 3V8" bis 2^/2 "• Aeltere
Sammlung. W. h. 3. 7. 8. 11. 13. 16.
Die Nadel fehlt bei allen. Zwei davon haben Vergoldung.
Eine der letzteren, die zwar in der Form plumper als alle ist,
hat feine eingelegte Ornamente.
345 — 348. Vier desgl., die erste vergoldet. L. S^jJ'
bis 3".
349. Desgl., mit einer besonderen Vorrichtung zumFest-
halten der Nadel. Die Nadel befindet sich nämlich in einem
cylinderförmigen Schieber, der vermittelst eines Knopfes an
seinem unteren Ende auf- und niedergeschoben werden kann.
L. 2%''.
350. Desgl., aus der Sammlung Bartholdy. D. 76.
L. 2^/8".
351. Desgl. Sammlung Böcking. 481. Aus Herappel
bei Trier. L. 3V8".
351»- DesgL Aeltere Sammlung. W, h. 12. L. 272"-
351^- Desgl., aus dem Nachlass des Kriegsministers
Die Fibeln. 105
von Rauch 1841 erworben. In zwei Stücke gebrochen. 2645.
2647.
D. Fibeln mit Spiralen.
Die mit Spiralen verzierten Fibeln sind ein Schmuck
der Römer und Etrusker gewesen, selbst die grossen, die
auf den ersten Blick ganz barbarisch scheinen. Denn man
findet sie sowohl in Pompeji, wie in Corneto, und was man
im Norden findet, ist vermuthlich eben durch die Etrusker
importirt. Wahrscheinlich waren sie nur eine Tracht des
niederen Volkes, das überall im Schmuck das Grosse und
Schwere liebt, es ist übrigens auffallend, dass sie auf bild-
lichen Darstellungen, soviel wir wissen, nicht vorkommen.
Gewiss wurden sie als Brustnadeln getragen.
352. Grosse Fibel mit vier Spiralen, von denen
zwei fehlen, vermuthlich aus Pompeji (da sich an dem Geräth
das Siegel der neapolitanischen Alterthumscommission befindet).
L. 7%".
Die Nadel ist ganz erhalten, im Centrum war eine Ver-
zierung angebracht, die nur zum Theil erhalten ist.
Vgl. das in Constanz gefundene Exemplar bei Linden-
schmit I, 9, 2, 9, wo die Verzierung des Centrums ganz er-
halten ist.
353. Desgl., mit zwei Spiralen, aus Corneto. Dorow'-
sche Sammlung. 559. L. T^g"«
354. Desgl. Nur die 5" lange, mit Bommeln geschmückte
Nadel ist erhalten, aber man sieht noch Reste der eisernen
Nägel, mit denen die Spiralen befestigt waren. Aus Pompeji,
durch den Maler Temite erworben. P. z. 9. L. 5".
Diese Nadel ist dadurch sehr merkwürdig, dass an ihr
kleine Bommeln, 13 an der Zahl, aufgereiht sind. Es ist ein
Schmuck, der auch an kleineren Fibeln in einzelnen Fällen
sich erhalten hat.
355. Desgl., die Spiralen fehlen. Aus Gerhard's Nach-
lass 1869. n. 30. L. 5Vo".
355*- Desgl., nur die Nadel erhalten. L. 6".
106 i>ie Fibeln.
356. Desgl., mit zwei Spiralen, aus Pompeji, durch den
Maler Ternite. Die Nadel fehlt und die beiden Spiralen sind
auseinandergebrochen, Y. 2. L. 3%".
357. Desgl., ganz erhalten, aus Pompeji. Aus dem
Röserschen Nachlass 1844 erworben. 2773. L. öV^".
358. Desgl., die Nadel fehlt. Angeblich aus Palestrina.
Von einem Herrn Meyer 1843 erworben. 2721. L. 3^/4".
359. Desgl., ganz erhalten. An der Nadel hängt eine
Kette, die gewiss einen Bommel oder ähnlichen Zierrath trug.
L. 51/4".
359*- Eine einzelne abgebrochene Spirale, aus
Pompeji, durch Ternite erworben. Y. 1. Durchm. 3^/J'.
359*^- Desgl., auseinandergegangen.
359^- Desgl., aber in der Mitte oifen und das schlies-
sende Ende im Innern ist abgeplattet und von einer Niete
durchbohrt, als sei hier eine die Mitte ausfüllende Verzierung
angebracht gewesen.
359^®- Zwei desgl., kleiner und von der gewöhnlichen
Form.
Diesen Fibeln schliessen wir am passendsten zwei Frag-
mente von exclusiv barbarischen Fibeln an, nämlich von jenen,
die aus zwei durch einen Bügel und die Nadel verbundenen
schildförmigen Platten bestehen, wie man sie bei Linden-
schmit, Alterth. I, 7, 4 vollständig erhalten sehen Eann.
359^* ^' Zwei Fragmente barbarischer Brustspangen.
E. Fibeln in Form von Thieren und anderen Dingen.
Auch diese Fibeln sind nicht etwa, wie man gemeint
hat, fränkischen Ursprunges, sie waren vielmehr, wie Styl
und Fundort beweisen, bei Etruskern und Römern in Ge-
brauch, sind aber allerdings in fränkischer Zeit imitirt.
360. Fibel in Form eines grasenden Pferdes.
Aeltere Sammlung. L. l^/g". W. c. 1.
fek.
Die Fibeln. 107
361. 362. Zwei desgl., genau übereinstimmend; bei Cleve
gefunden. Sammlung Minutoli. W. c. 3. L. 1%".
363. 364. Zwei desgl., ganz übereinstimmend, in Form
eines Reiters. Bildeten wohl ein Paar. Bei Cleve gefunden.
Sammlung Minutoli. W. c. 3. L. 1^2''»
365. 366. Zwei desgl., ganz übereinstimmend, in Form
von Täubcheii. Bildeten wohl ein Paar. Bei Cleve gefunden.
Sammlung Minutoli. W. c. 3. L. l^/g".
367. Desgl., in Form einer Taube. Aeltere Sammlung.
W. c. 4. L. I^IJ'.
Abg. Beger, thes. III, p. 434.
368. Desgl., in Form eines Pferdes, ganz rund ge-
gossen. Aeltere Sammlung. W. c. 2. L. l^j.»",
Abg. Beger III, p. 434.
368*- Desgl., aber platt. Sammlung Minutoli. Ziemlich
verstümmelt.
369. Desgl., in Form einer Fusssohle. Aeltere Samm-
lung. W. c. 8. L. 1%''.
370. Desgl., einerseits mit einer Doppelaxt, anderer-
seits mit einer einfachen Axt verziert. Aeltere Sammlung.
W. c. 7. L. 1%''.
370^- Desgl., mit Doppelaxt (deren eine fehlt) und
Amazonenschild verziert.
Abg. Beger III, p. 434.
371. Desgl., in Form einer Axt, versilbert. Aeltere
Sammlung. W. c. 6. L. IV4".
372. Desgl., mit Ranken verziert. Aeltere Sammlung,
W. 6. 1. L. Vj,".
Abg. Beger III, p. 433.
108 I^ie Fibeln.
F. Fibeln, die mit Email oder Glasmosaik verziert
sind oder waren.
Die hier aufgeführten Fibeln scheinen sämmtlich römi-
schen, wenn auch zum Theil spätrömischen Ursprunges zu sein.
373. 374. Zwei Fibeln, die eine scheibenförmig, die
andere rautenförmig, beide mit Glasmosaik verzi|3rt. Aus dem
Nachlass des Obristlieutenant Schmidt 1846 erworben. 2861^-
2861. D. IV4''. L. 2V8''.
Diese beiden Fibeln sind zusammen mit einigen Bronce-
münzen des Kaisers Valentinian gefunden, womit ein Anhalt
für ihre Zeitbestimmung gegeben ist.
375. Desgl., wie ein Schild mit Buckel gestaltet und
mit verschiedenfarbigem Email gefüllt. Aeltere Sammlung.
W. a. 1. D. 2'^
Abg. Beger HI, p. 433
376. Desgl., wie ein platter Knopf gestaltet, sternförmig
verziert und emaillirt. Aeltere Sammlung. W. a. 2. D. 1^/4".
Abg. Beger III, p. 433.
377. Desgl., viereckig, schnallenförmig, mit kreuzweis
sich durchschneidenden, durchbrochenen Bögen. Im Durch-
schneidungspunkt war Emailverzierung. Aeltere Sammlung.
W. 6. 2. D. 11/4''.
Abg. Beger III, p. 433.
378. Desgl., mit einfachem eckigen durchbrochenem
Bogen. Jederseits in einen rohen Thierkopf auslaufend. Oben
mit Email verziert. Aeltere Sammlung. W. 6. 3. L. l'/s"«
Abg. Beger III, p. 433.
379. Desgl., bei Cleve gefunden. Sammlung Minutoli.
Das Email ist verschwunden. W. d. 5. L. l^/g".
380. Desgl., mit blauem und rothem Glas verziert.
Aeltere Sammlung. W. d. 4. L. I^IJ',
381 — 383. Drei desgl., in Form von Seethier, Taube
und Pfau, mit Glas oder Email verziert. L. l^/^" bis ^s"*
Die Fibeln. 109
384 — 388. Fünf desgl., bei denen die Glas- oder Email-
verzierung meist geschwunden ist. L. 1^/g" bis l^s"«
389. Desgl., scheibenförmig mit Buckeln, in der Mitte
mit Glasmosaik roth und weiss verziert. In Cöln gefunden.
Aus dem Rauch'schen Nachlass 1841. 2649. Durchm. 1^4"«
390—392. Drei desgl., am Rhein gefunden, 1846 an-
gekauft. 2909 a — c. An einer derselben hängt noch eine
Glasperle. L. IV2 l^is 2".
Fränkische Fibel.
392*- Schildförmige Fibel, die sichtlich einen Mftnz-
typus imitirt, da sie auch auf der Rückseite, wo die Nadel
angebracht war, ein Bild hat. Und zwar sind es, wie Dr.
Friedländer mir gezeigt hat, karolingische Münzen, denen die
hier imitirte Münze sehr ähnlich ist. Auf der Vorderseite
ist eine Figur mit einem Kreuz in der Hand dargestellt, von
einer Inschrift umgeben, auf der Rückseite erkennt man nur
Spuren eines rohen Kopfes. 3093. In Cöln 1856 gekauft.
9) Brustnadel.
393. Brustnadel, ganz wie die unserigen gestaltet, ein
einfacher Knopf mit sternförmiger Emailverzierung. Die Nadel
ist nicht ganz erhalten. Aelt. Samml. W. a. 4. Durch, ^/g".
Barbarische Gewandnadeln.
In dem merkwürdigen Grabfelde von Hallstadt hat man
auf der Brust von männlichen und weiblichen Skeletten lange
Nadeln gefunden, die unzweifelhaft zur Befestigung des Ge-
wandes dienten. Einige derselben haben die enorme Länge
von 18". Die obere Hälfte ist gewöhnlich mit kugel- oder
scheibenförmigen Körpern verziert.
Diesen Nadeln entspricht die hier an erster Stelle aufge-
führte so sehr, dass wir sie unter dieser Rubrik aufführen zu
müssen glaubten.
Vgl. V. Sacken das Grabfeld von Hallstadt p. 67. Taf. 15, 10. 12.
393*^- Grosse Gewandnadel, mit kugel- und scheiben-
förmigen Körpern verziert, I5V2" lang. 1852 gekauft. 3044.
110 Schmuck au Halsketten. — Bommel z. Anhängen an Fibeht etc.
393**- Desgl.. mit einfachem Knopf. Diese Nadel hatte
Yermuthlich denselben Zweck. L. 18".
393 <^- Desgl. fragmentirt.
10) Schmuck an Halsketten.
394. Halsschmuck, blattförmig gestaltet, mit einem
Fisch in Email verziert. Vielleicht christlich, da der Fisch
ein bekanntes Sjmbol der alten Christen ist. InCöln gefunden,
,von Prof. aus'm Weerth 1854 gekauft. 3083. L. l»/^".
Könnte übrigens auch ein Olirring gewesen sein.
395. Desgl. rautenförmig, mit Email verziert. Gerhard's
Nachlass. 231. L. 2^4".
396. Desgl. ringförmig, mit lauter kleinen, aufrecht
stehenden Cjlindern verziert, in denen kleine Glasknöpfe sind
oder waren. Drei dieser Cylinder fehlen. Aus dem Naclilass
des Hrn. von Radowitz. 1856 erworben. 320S. D. l^/V'.
397. Desgl. herzförmig, mit Glasmosaik fein verziert.
Zum Theil restaurirt. L. 2^1 J'.
337a. b. 7^vei desgl., rund, mit Email verziert; der eine
hat wie es scheint, seine Oese verloren.
397^- Kleiner emaillirter Knopf, der wohl zu ähn-
lichem Zweck gedient hat.
11) Bommel zum Anhängen an Fibeln oder
Halsketten.
Man pflegt solche Bommel als Kleiderbeschwerer zu be-
trachten, die man an die Zipfel der Kleider genäht habe, um
dadurch einen schönen Faltenwurf hervorzubringen. Es ist
sehr möglich, dass diese Sitte existirte, doch felilt bis jetzt der
Beweis. Denn die Bommeln, die man an den Gewändern der
Marmorstatuen so oft dargestellt sieht, sind nicht als metallene
Kugeln, sondern als wollige Troddeln oder Quaste zu denken,
wie man an einer Statue des hiesigen Museums (n. 107), wo
die Bommel detaillirt ausgeführt ist, beobachten kann. Wir
Bommel zmn Anhängen an Fibeln oder Halsketten. m
halten es daher für gerathener, die fraglichen Gegenstände als
Anhängsel an Fiheln (vgl. n. 354) oder Halsketten zu bezeichnen.
Unter den Anhängseln an Halsketten verdienen besonders
hervorgehoben zu werden die kleinen einhenkligen Krüge, die
man nicht selten sielit. Die Probe, ob ein solches Krüglein
nicht zu anderen Zwecken, etwa als Kinderspielzeug, gedient
hat, lässt sich dadurch machen, dass man probirt ob es stehen
kann. Die als Bommeln benutzten Krüge haben nämlich einen
Fuss, aber können doch nicht stehen.
Vgl. Braun, bullrt. 1844 p. 34.
398. Bommel, hohl und geöffnet. Aelt. Samml. P. z. 1.
L. 1'//'.
399. Desgl., durchbrochen und hohl. Von Hrn. v. Staif
erhalten. Aelt. Samml. P. z. 4. L. l^g'/.
400. Desgl. 1858 in Cöln gekauft. 3269. L. 2".
401. Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erwor])en.
113. L. 1»/^".
401*- Desgl., ganz ähnlich.
402. 403. Zwei desgl. L. l^s" bis iVs"-
403*- ^- Zwei desgl.
403^- Anhängsel in Form einer kleinen einhenkligen
massiven Kanne. Von Prof. Petermann 1856 im Orient ange-
kauft. 3147. H. 1".
4Q3d-ii. Fünf desgl., etwas grösser, ebenfalls massiv.
An einer derselben ist die Patina verdächtig. Aus der Samml.
Koller 412. H. l'V bis 2'!^".
403^- Anhängsel in Form einer Hand wie an einem bei
Jahn, Berichte d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1855 Taf. 5 abge-
bildeten Halsband.
403^'- Desgl., 1856 von Prof. Petermann aus dem Orient
mitgebracht. 3122.
403^- Anhängsel in Form einer kleinen Herme. Der
Ring ist nicht ganz erhalten. Vgl. Jahn a. a. 0.
112 ^^® Gürtelschnallen.
12) Gürtelschnallen.
Es ist eine irrthtimliche Annahme, dass der Gürtel im
classischen Alterthum nur zusammengeknotet und nicht ge-
schnallt worden sei^). Allerdings war das Zusammenknoten,
wie man an den Denkmälern sowohl bei Männern wie bei
Frauen sieht, die gewöhnliche Weise, allein es genügt auf die
ganze Classe römischer Soldatengrabsteine hinzuweisen, um
auch für den geschnallten Gürtel Belege zu haben.
404 — 408. Fünf Gürtelschnallen in einfacher Ring-
form. Durchm. von 274"» l>is '/s"-
409 — 411. Drei desgl., die erste aus der alten SammL
J. 10. Breite von l^^" bis Vj^'. Diese drei Schnallen
scheinen fränkisch zu sein, die Form und die Art des Schlusses
sind wenigstens ganz dieselben wie an den Schnallen aus dem
Grabe Childerichs. Eine derselben ist mit den bekannten
Würfelaugen verziert, an einer anderen läuft die Zunge in
einen Thierkopf aus.
Vgl. Cochet, Le tombeau de Childeric p. 233 ff.
412. 413. Zwei desgl. von etwas anderer Form. Breite
von 11/4" his IV2''.
414 — 417. Vier desgl., mit einer Verlängerung zum
Aufnähen auf einen anderen Stoff.
Diese vier Exemplare scheinen ebenfalls fränkisch zu sein^
theils wegen der Form der Schnalle und Zunge, theils wegen
der Verzierungen die wenigstens an zweien an die fränkische
Ornamentik erinnern. Auf der dritten ist ein unbestimmbares
vierfüssiges Thier roh eingegraben. L. von 1^' ^^s 2'/8"«
'-%
'^-- 418 — 420. Drei desgl. von anderer Form. Sie scheinen
römisch zu sein und stimmen mit den von Lindenschmit U, 6, 5
publicirtön ziemlich überein.
- 420*- Fragment einer Schnalle, aus dem Nachlass
des Kriegsministers von Rauch 1841 erworben. 2650.
420^- Kleine Schnalle, ganz erhalten.
^
') Cochet, Le tombeau de Childeric p. 265.
Die Gürtelketten. 113
13) Gürtelkette.
Vom Gürtel zierende Ketten herabhängen zu lassen, war
bei nicht wenigen Völkern üblich. Selbst die Römer kennen
sie wenigstens in der Soldatentracht, wovon unten näher die
Rede sein wird. Vorwiegend ist es freilich wohl Barbarensitte,
wie die Gräber der Barbaren beweisen. Doch findet man sie
auch in etruscischen Gräbern, falls nämlich das hier aufge-
führte Exemplar wirklich den Zweck hatte, den wir ihm zu-
schreiben.
420*- Grosser Gürtelschmuck, 14" lang aus Schnör-
keln von Broncedraht bestehend, die jederseits in Spiralen aus-
laufen. Das Gehänge zerfällt in eine obere Abtheilung von
sechs grösseren und in eine untere von achtzehn kleineren
Spiralen. Der etruscische Ursprung dieses Schmucks wird dar
durch wahrscheinlich gemacht, dass ein genau übereinstim-
mendes, jetzt in Carlsruhe befindliches Exemplar wirklich in
einem etruscischen Grabe gefunden ist.
Vgl. Lindenschmit Alterth. II, 11, 1, 1, wo das Exemplar in Carls-
nihe abgebildet ist.
Im Folgenden führen wir einige eigenthümlich gestaltete
Ringe auf, die gewöhnlich zum Pferdeschmuck gerechnet wur-
den, neuerdings aber nicht ohne Wahrscheinlichkeit so erklärt
sind, dass sie dazu gedient hätten, kleine nothwendige Uten-
silien, Messer etc. aufzunehmen und sie mit dem Gürtel, an dem
man sie getragen, zu verbinden. Diese Annahme stützt sich
hauptsächlich auf die Praxis einiger nordischen Völker, die
sich noch jetzt dieser Ringe zu dem genannten Zweck bedienen.
Die Ringe werden vorwiegend diesseits der Alpen gefunden,
sie sind indessen auch in etruscischen Fundstätten zum Vor-
schein gekommen.
Die im Text befolgte Annahme ist von H. de Longp^rier
aufgestellt in der Revue archöol. N. S. XVI. p. 343 ff. 337 ff.,
der auch eine Classifikation derselben versucht.
420^-^- Zwei Ringe vom Gürtelgehänge, 1844 aus
dem Nachlass des Prof. Rösel erworben. Sie sind so ziemlich
von der Form, die in der R^vue archeol. a. a. 0. pl. 25, 10
abgebildet ist. Bei dem kleineren könnte man an der voraus-
Friederichs, Berlin*« Antike Bildwerke II. g
114 Die Fingerringe.
gesetzten Bestimmung zweifeln, weil die einzelnen Parallelringe
einander so nahe und eine Befestigung des Gürtels zwischen
sich schwer zulassen. Durchm. b:!^/^" — c:2^lg",
420^- Desgl. in Form eines Rades, oben mit einer breiten
Oese zum Anheften versehen. Aus der Sammlung Koller 647.
Durchm. 3V4".
Dieser Ring entspricht dem in derßövuea. a. O.pl. 25, 17
abgebildeten.
420®- Desgl. in Form eines achtspeichigen Rades, ohne
Oese zum Anheften. Aus der Samml. Koller 649. Durchm. 8^4".
Vgl. Longperier a. a. 0. p. 355.
14) Fingerringe.
Ueber die Ringe im Allgemeinen können wir erst in dem
Bande dieses Werks, der den Gemmen gewidmet wird, sprechen
und über die Bronceringe wissen wir wenig zu sagen. Sie
sind im Ganzen eine wenig bedeutende und interessante Classe
von Alterthtimern. Es lässt sich in diesem Material nicht viel
Jiünstlerisch Bedeutendes erwarten und andererseits fehlt auch
den broncenen Ringen das culturhistorische Interesse, das der
eiserne Ring wenigstens in Rom hatte. Es scheint, dass sie
hauptsächlich für den Gebrauch ärmerer Leute fabricirt wurden
und auch erst spät in allgemeineren Gebrauch kamen. Soviel
ich wenigstens beobachtet habe, sind Bronceringe älteren Stils
sehr selten.
Hinsichtlich der Form des Ringes kann noch darauf auf-
merksam gemacht werden, dass in spätrömischer Zeit die un-
schöne eckige Form aufkommt, statt der bis dahin allein
üblichen runden.
421. 422. Zwei ganz einfache Fingerringe, bei
Xanten gefunden, 1854 von Prof. aus'm Weerth gekauft. 3086 *-^-
423. Desgl. Gerhardts Nachlass. 115.
424—430. Sieben desgl.
I j 431. DesgL (?) mit einem Schloss, in Form eines umge-
legten Bandes. Bei Xanten gefunden, 1854 von Prof. aus'm
Weerth gekauft. 3086.
k
Die Fingerringe. 115
Wir sind nicht sicher^ ob dieser und der folgende Ring
wirklich Fingerringe gewesen sind.
432* Desgl., war ursprünglich wohl in derselben Weise
arrangirt. Jetzt fehlt das Schloss.
433 — 435. Drei desgl., mit zwei in einander gelegten
Händen verziert, dem Symbol der Eintracht, das auch auf
geschnittenen Steinen häufig vorkommt, n. 435 stammt aus
Gerhard's Nachlass. 116.
436—439. Vier desgL mit Zahlen beschrieben, YIUI,
XXXIV, XL VI, LXIV. Auf letzterem ist ausserdem links von
der Zahl ein M und rechts davon ein Y eingegraben. Aus Ger-
hard's Nachlass 118. 117. 120. 119.
Diese sehr häufig vorkommenden Ringe hatten vermuth-
lich irgend eine officielle Bedeutung^).
440—442. Drei desgl. mit V, XXVI (?) und VIII. Auf
dem letzten ist links von der Zahl ein Pfeil, rechts ein undeut-
licher Gegenstand eingegraben, auf dem ersten bemerkt man
rechts von der Zahl einen Donnerkeil.
443. Desgl. mit einer quergestellten X, Geschenk des
Hm. V. Olfers.
444. Desgl. mit einer Glaspaste verziert, die einen Frosch
vorstellt und skarabäenartig durchbohrt ist. Der Frosch dient
als Amulet, wie man auch noch heutigen Tages an manchen
Orten an Zauberkräfte der Frösche glaubt.
Vgl. 0. Jahn, Ueber den Aberglauben des bösen Blicks p. 99.
445. 446. Zwei desgl. in Form von Schlangen, welche
1) Nach Vopisc. Aurel. cap. 7 trugen die Soldaten einen Finger-
ring; es wäre möglich^ dass sie so ausgesehen hätten, wie die hier
aufgeführten. Nur ist dabei bedenklich, was schon im bullet. 1844
p. 131 bemerkt wurde, dass so viele enge nur für Frauen oder Kinder
oder für die vorderen Glieder der Finger bestimmte Ringe mit diesen
Zeichen vorkommen. Nicht zu übersehen ist auch, dass römische Zahl-
zeichen auf vielen Geräthen z. B. auf Nägeln ohne irgend eine Bedeu-
tung bloss als lineares Ornament vorkommen (vgl. unten den Abschnitt
über die Nägel und Gozzadini di un antica necropoli a Marzabotto 1865
p. 62), allein hier scheint der Fall doch anders zu sein.
8*'
116 • Die Fingerringe.
auch die Bedeutung eines Amulets hatten. Gerhard's Nach-
lass. 122. 123.
Vgl. Jahn a. a, 0.
447. Desgl., in zwei wie Schlangenköpfe gestaltete Spitzen
auslaufend. Am Rhein gefunden, 1846 gekauft. 2912^
448. 449. Zwei desgl., mit einer knopfförmigen Glas-
paste verziert.
450. Desgl., mit eingravirtem Anker, dem altchristlichen
Symbol, daher vielleicht christlich.
451. Desgl. mit eingravirtem Yogel.
452. Desgl. mit einem Hirsch.
453. Desgl, mit einem Löwen.
454. Desgl. mit Amor auf einem Seepferd. Gerhardts
Nachlass. 126.
455. Desgl. mit Seepferd. Gerhard's Nachlass. 127.
456. Desgl. mit zwei ganz rohen Figuren, deren eine,
wie es scheint, eine Waage hält. Gerhard's Nachlass. 131.
457. Desgl. mit zwei nicht näher erkennbaren Figuren.
Ebendaher. 125.
458. Desgl. mit einem Kopf verziert, der wie ein byzan-
tinischer Christuskopf aussieht, und doch wohl einen Serapis
vorstellen soll, da er einen Modius trägt. Gerhard's Nach-
lass. 128.
469. Desgl. mit einer Figur verziert, deren Handlung
und Attribute nicht deutlich sind. Ebendaher. 124.
459*- Desgl., darauf, wie es scheint, eine Frau, die
einen Kranz hält, fragmentirt. Von Prof. Petermann 1856 im
Orient gekauft 3116.)
460. Desgl. mit undeutlicher Verzierung. Ebendaher. 130.
Die Fingerringe. H7
461. Desgl. ohneSchloss, der Reif selbst mit Hirsch und
Blume abwechselnd verziert. Ebendaher. 129,
462. 463. Zwei desgl. mit undeutlichen Figuren.
463*- Ein Kästchen mit 8 Ringen, von denen 7 frag-
mentirt und mit undeutlichen oder werthlosen Zeichen versehen
sind, während der achte grösste eine wenigstens zum Theil er-
kennbare räthselhafte Vorstellung enthält. Man glaubt näm-
lich einen dreiköpfigen Vogel zu erkennen. Von Prof. Peter-
mann 1856 aus dem Orient mitgebracht. 3112. 3113. 3115.
3120. 3121. 3191.
464. Desgl. aus Athen, mit Punkten und undeutlichen
Zeichen verziert. Aus dem Nachlass von Prof. Ross. 3426.
464*- Desgl., man erkennt einen Wagenlenker. Eben-
<daher. 3430.
465 — 467. Drei desgl., mit undeutlichen oder nichts
bedeutenden Zeichen versehen.
467*-' Desgl., aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844
erworben. 2752.
468 — 470. Drei desgl., ohne Verzierung auf dem Schloss.
470»- Desgl. 1846 am Rhein gekauft. 2912.
471. Desgl. von eigenthümlicher Form, mit sehrtreiter,
einfach verzierter Platte. Scheint barbarischen Ursprungs.
1852 von einem hiesigen Kunsthändler gekauft 3055.
Vgl. den ebenso gestalteten sicher barbarischen Ring bei Linden-
•«chmit I, 11, 8, 10»-
472. Desgl. mit einem Nikkolo verziert, in den eine un-
deutliche Figur eingesclmitten ist.
473. Desgl. mit Bernstein verziert.
474. 475. Zwei desgl. deren Stein oder Glas herausge-
fallen ist.
475*- Ein Bündel von elf werthlosen Ringen.
476. Desgl. mit altlateinischer Inschrift und alterthüm-
licher, einem Stempel ähnlicher Form, die an den altetruscischeu
118 Die Fingerringe.
in Gold gravirten Bingen gewöhnlich ist. Die Inschrift lautet:
Manlio Liber. Opuergi. Samml. Bartholdy D. a. 68.
Henzen, dem ich den Ring zeigte, erklärte die Inschrift unter Zu-
stimmnng Mommsen's für falsch, indem er auf das umgekehrte N und
B, dann auf das ganz geschlossene P bei sonst so alter Schrift auf-
merksam macht. Ich erkenne dies vollkommen an, muss aber anderer-
seits bemerken, dass aus dem äusseren Ansehen des Ringes nicht daa
geringste Indicium einer Fälschung abzuleiten ist, dass er im Gegen-
theil, sowohl wegen seiner ganz singulären Form, als auch im Uebrigeo
entschieden den Eindruck der Aechtheit macht.
476* Sechs werthlose Ringe von Eisen in einem
Bündel.
476**- Ein Kasten mit Bleiringen, darunter 10 gut
erhalten, die anderen fragmentirt.
Wir hätten diese Ringe vielleicht richtiger unter der
Rubrik der Grabesausstattung aufführen sollen, denn in prak-
tischem Gebrauch sind sie schwerlich gewesen. Es waren
sicherlich Todtenringe, also Scheinringe, wie man gerade das
Blei zu solchen Scheingeräthen vorzugsweise gebrauchte, wovon
unten noch näher die Rede sein wird. Mit dieser Annahme
stimmt auch, dass die Verzierung des Schlosses bei fast allen
dieselbe ist. Es sind nämlich zwei sich kreuzende und an
beiden Enden belaubte Zweige.
476^- Fingerring von Bronce aus altchristlicher Zeit,,
mit der Inschrift : I. H. S. d. h. in hoc signo seil, vinces. üeber
dem Querstrich des H erhebt sich das Signum, nämlich das
Kreuz, und unter dem H bemerkt man das bekannte altchrist-
liche Symbol des Ankers. Aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. 132.
476^- Broncemedaillon in silberner Ringfassung^
freilich sehr unpraktisch, um als Ring getragen zu werden.
Auf beiden Seiten desselben eingegrabene Figuren, welche das
Geräth als Schmuckgegenstand charakterisiren. Einerseits
Venus halbnackt, sich im Spiegel betrachtend, und neben ihr
Amor, ein Gewinde emporhaltend, mit dem er sie schmücken
möchte; im Felde ein Candelaber und ein zweites Gewinde.
Andererseits die drei Grazien in der gewöhnlichen Zusammen-
stellung, mit Blumen in den Händen. Im Feld jederseits eine
Fackel. Die Arbeit ist roh und spät.
Die Armringe. 119
15) Armringe.
Das Armband war als Männertracht bei Griechen und
Kömern zwar nicht unbekannt, aber doch nicht geachtet. Ein
Trimalchio schmückt sich damit, nicht aber ein anständiger
Kömer. Damit ist indessen nur die Sitte, der gebildeten Classen
bezeichnet, das Landvolk konnte sehr wohl davon abweichen.
Auch das Militär scheint eine Ausnahme gemacht zu haben,
bei dem das Armband theils als militärische Auszeichnung,
theils als ein Stück des militärischen Costüms aufgeführt wird ^).
Auf den Grabsteinen römischer Krieger kommt ein Armband
nicht selten vor 2).
Auf griechischen Denkmälern begegnet man vereinzelt
jungen Männern mit Armbändern, aber es mögen eher Stutzer
als anständige Leute gemeint sein. Anders dagegen bei den
Barbaren. Der Unterschied, den gebildete Völker zwischen
den Geschlechtem machen, indem sie eigentlich nur dem Weibe
den Schmuck gestatten, existirt für die Barbaren nicht. Bei
ihnen schmückt sich Mann und Frau. Ohrringe z. B. trug kein
ordentlicher Grieche oder Römer, aber bei wieviel barbarischen
Nationen finden wir den Gebrauch, dass nicht bloss die Frauen,
sondern auch die Männer Ohrringe trugen!
Für die Frauen ist dagegen die Sitte einen Armring zu
tragen, bei allen Völkern dieselbe. Und zwar trug man in
classischer Zeit, wie namentlich die pompejanischen Gemälde
zeigen, sehr oft zwei Armringe zugleich, den einen am Unter-,
den anderen am Oberarm. Gewöhnlich besteht der Armring
in einem einfachen Keif, der sich in nichts von dem über die
Fussknöchel gelegten Ringe unterscheidet, dessen Anwendung
eben auch die pompejanischen Bilder am besten illustriren, eine
kunstvollere Form ist die Schlangenform, von welcher bereits
in der Einleitung die Kede war.
Die classischen Armringe unterscheiden sich von den bar-
barischen schon durch die Form. Ich habe unter jenen immer
nur kreisrunde Kinge gesehen, nie die ovale Form, die bei
letzteren gerade die gewöhnliche ist. In dem Gräberfelde von
Hallstadt sind nur ovale Ringe gefunden^). Auf die Unter-
^) Vopisc. Aurel. cap. 7.
2) Lindenschmit Alterth. I, 3, 7, 1; 4, 6; 6, 5.
») Vgl. E. Sacken, Das Grabfeld v. Hallstadt p. 69.
120 ^^® Armringe,
schiede der Omamentirung näher einzugehen, ist hier nicht der
Ort, weil die barbarischen Ringe zu spärlich hier vertreten sind.
A. Kreisrunde Armringe,
477 — 479. Drei Armringe von dickem Broncedraht, der
sechsfach über einander liegt, und mit seinem Ende spiral-
förmig über die letzte Windung gewickelt ist. Alle drei sind
sich vollkommen gleich. Aus Pompeji von dem Maler Temite
erworben. N. x. 14 a — c. Durchm. 3V2 — 3%"«
Dieöe Ringe waren vermuthlich zum Schmuck des Ober-
arms bestimmt. Vgl. übrigens n. 1002.
Bei Lindenschmit Alterth. I, 10, 1, 9 ist |ein genau übereinstim-
mender Ring abgebildet.
480. Desgl. ganz von derselben Form bis auf die Zahl
der "Windungen, deren nur vier sind. Beim Festungsbau in
Cöln gefunden. Aus dem Nachlass des Generals von Ranch
1841 erworben. 2656. Durchm. 2^4".
481. Desgl. mit drei Windungen, aus Pompeji. Eine
Windung fehlt. Aus dem Nachlass von Prof. Rösel 1844 er-
worben. 2774. Durchm. 272"»
481*- Desgl. mit vier Windungen. Aus der Sanunl*
Koller. 627. Durchm. 3". J
481^* Desgl. mit drei Windungen, aus Gerhardts Nach-
lass 1869 erworben. Durchm. 3".
482. Einfacher Armring, doch mit einem Schloss ver-
sehen, auf welchem eine schwarz und weiss gestreifte Paste an-
gebracht ist. Die Darstellung derselben — ein Jüngling, der
in der Linken den Griffel, m der Rechten das Schreibtäfelchen
hält — ist auf den Abdruck berechnet, die Gemme konnte
also auch zum Siegeln dienen. Aus dem Nachlass des Ministers
V. Altenstein, der es von dem Consul Bartholdy in Rom er-
'halten, 1845 erworben. 2810. Durchm. 278"-
482*- Kinderarmband in Form einer Schlange, von
fünf Windungen.
482^* Fragment eines ähnlichen.
h.
Die ArmriDge. 121
482®* Armband in Form eines breiten, hohlen Bandes
, mit übergreifenden und spitz zulaufenden Enden. Durchm. 2 Vs"-
■
482 ««• Desgl. etwas fragmentirt.
482^- Desgl., aber mit gegen einander stehenden und nicht
^anz geschlossenen Enden. Aus Gerhard's Samml. 1869 er-
worben. 222. •
482®- Zwei Fragmente derselben Art.
482'- Desgl. ein schmaler Keif in Form einer Schlange,
deren Schwanz etwas über den Kopf hinausragt. Aus Gerhard's
Nachlass 1869 erworben. 221.
483. Drei desgl., die, um etwas nachgeben zu können,
nicht ganz geschlossen sind, aus dem Nachlass des Obristlieut
Schmidt 1846 erworben. 2854. Durchm. 3^8 "•
Die Kinge haben eine in bestimmter Distanz sich wieder-
holende Verzierung, die ein umgelegtes Band imitirt. Wir
sind übrigens nicht ganz sicher, ob diese Binge nicht auch zu
anderen Zwecken gedient haben.
484. Desgl. mehr bandartig und nach der Oeffnung zu
sich verbreiternd. Mit Verzierungen. Bartholdy. Durchm. 2^2"«
485. Desgl., ganz ähnlich dem beiLindenschmitI, 9, 1,7
abgebildeten und bei Mainz gefundenen. Durchm. 3".
486. Desgl., platt, geriefelt und in Knöpfe auslaufend.
Durchm. S'/g".
487. Desgl., aus zwei ineinander geflochtenen Drähten
bestehend und in Haken und Oese zum Auf- und Zumachen
auslaufend. Durchm. 2^ Ig".
488.' Desgl. breiter und bandartig, mit Würfelaugen ver-
ziert. KoUer'sche Sammlung 630. Durchm. 2^8"-
489. Desgl. aus einem einfachen, nach den Enden immer
dünner werdenden Draht zusammengebogen. Aus dem Nach-
lass des Generals von Bauch 1841 erworben und beim Festungs-
bau in Cöln gefunden. 2657. Durchm. 2V8"-
122 ^^^ Armringe.
490. Desgl., mit abgebrochenen Spitzen.
490*- Desgl. in Knöpfe auslaufend. Durchm. 2".
B. Ovale Armringe.
491. Ovaler Armring, in Thierköpfe Auslaufend, gewiss
barbarisch. Sammlung Bartholdy D. 84. Durchm. 2'/8 ^i^d 2*/g'^
492. Desgl., ebenfalls in Thierköpfe auslaufend. Samm-
lung Bartholdy D. 85. Durchm. 2V2" und 2^lJ'.
493. Desgl. in Knöpfe auslaufend. Sammlung Bartholdy
D. 86. Durchm. 31/4" und 278".
494. Desgl. mit feinen linearen Verzierungen bedeckt*
Durchm. 31/2" und 3".
G. Armringe mit übergreifenden Enden.
495. King, dessen Enden in Knöpfe auslaufen. Durchm»
2^/3 ". Aelt. Samml. N. 20. Abg. bei Beger thes. Brand. HI;.
p. 425.
Vgl. Lindenschmit, AUerth. I, 10 Taf. 1, wo viel Aehnliches ab-
gebildet ist.
496. Desgl. kleiner, zum Gebrauch von Kindern, 1843
angekauft. 2724. Durchm. 1%".
497. Desgl., aus demNachlass des Hrn. v. Radowitz dem
Museum 1856 übergeben. 3207. Durchm. 2^1^"
498 — 509. Zwölf desgl., einige verziert. Durchm. l'/g'*
bis gs/s".
510. Desgl. Die Grundlage dieses seltenen Ringes ist ein
starker Broncedraht, der mit feinem Broncedraht übersponnen
i^. Sodann sind längs der äusseren Fläche des Ringes über-
silberte Broncedrähte aufgelegt, die durch umgewickelten
Silberdraht, der aber immer mit kleinen Zwischenräumen an-
gebracht ist, befestigt sind. Um die Enden des Ringes sind
kleine silberne Cylinder gelegt. Durchm. 4".
511. Desgl. Durchm. 38/4".
Die Armriage. 123
D. Armringe in Form von Spiralen.
Die Bestimmung dieser Spiralen ist durch Gräberfunde
in Livland und am Khein ausser Zweifel gesetzt. Man fand
nämlich den Unterarm der Skelette damit bedeckt, will sie
aber auch am Oberarm bemerkt haben, und zwar nicht bloss
in Männer-, sondern auch in Kindergräbem. Dieser letzte Um-
stand führt darauf, sie im Wesentlichen als einen Schmuck-
gegenstand anzusehen, wenn es auch nicht unmöglich ist, dass sie
am Arm der Männer auch einen praktischen Zweck zum Schutz
des Arms hatten. Soviel mir bekannt, ist darüber nichts fest-
gestellt, ob man sie auch in Frauengräbem findet oder nicht>
Es soll übrigens solche Spiralen von 2V2' Höhe und verhält-
nissmässiger Dicke geben, die man als eine Art Beinschienen
betrachtet.
Die meisten Exemplare verengern sich nach unten, um
sich der Form des Arms fest anschliessen zu können, doch
giebt es auch solche, die in gleichmässiger Breite fortlaufen.
Der Schmuck ist entschieden barbarisch, die antiken Arm-
ringe umringein nie den ganzen Arm, sondern immer nur einen
kleinen Theil, eine bestimmte Stelle, wie es ja auch im Wesen
des Schmucks begründet liegt. Dieser barbarische Ursprung
wird übrigens schon durch die Auffindung dieser Geräthe in
curländischen, livländischen und skandinavischen Gräbern be-
wiesen. Das rheinische Grab — in Guntersblum bei Mainz —
in welchem man diese Spiralen am Arm des Skeletts fand^
bietet auch einen Anhalt zur Zeitbestimmung, da es nämlich
eine Münze des Maxentius enthielt.
Ygl. Kruse Necrolivon. p. 11. Bahr, Gräber der Liven
p. 10 und besonders Frau Mertens-Schaafhausen in d. Khein.
Jahrb. XV, p. 138, Taf. 3.
512. Armband in Form einer Spirale, amKhein ge-
funden, 1846 ebendas. von dem Generaldirector Hrn. v. Olfers
gekauft. 2901.
513. Desgl., KoUer'sche Sammlung 628,
514 — 518. Fünf desgl., grösser und kleiner, keins voll-
ständig.
519. Desgl. von acht Windungen, vollständig erhalten,
124 ^^6 Halsringe.
SO dass man die einfach zusammengerollten Enden des Drahts
sieht.
520 — 523. Yier desgl. für Kinderarme, grössere und
kleinere, keins vollständig.
524. 525. Zwei desgl., breiter, bandartiger.
526. Desgl. Koller'sche Sammlung. 629.
16) Halsringe.
Die Halsringe für Männer sind ein Schmuck, der Griechen
und Kömern unbekannt, aber unter den Barbaren weit ver-
breitet war. Berühmt sind die Gallier wegen ihrer gewundenen
Halsbänder, aber wie theils die Schriftsteller, theils neuere
Ausgrabungen lehren, ist derselbe Schmuck auch den Persem,
Scythen, Germanen eigen gewesen.
527. Zwei Fragmente von röhrenartigen Halsketten aus
eng gewundenem Broncedraht. Wahrscheinlich wurde ein
Draht oder Band hindurchgezogen, der dann zum Zusammen-
schluss und zur Befestigung diente. Aus dem Nachlass von
Prof. Kösel 1844 erworben. 2792.
Solche Halsketten finden sich in den Gräbern der Liven
(Bahr, Die Gräber der Liven Taf. 2, 4, 5), wo sie übrigens auch
zu Kopfbedeckungen zusammengewickelt vorkommen. Wir
wissen nicht, ob man sie noch an anderen Orten gefunden hat.
^^ *
528 — 532. Fünf desgl, in verschiedener Grösse und Dicke.
533. Gewundenes Halsband, torques, 1852 angekauft
von dem Herrn Vollard, Secretär des Prinzen Heinrich. 3057.
Durchm. ß^lJ'.
534. Desgl. aus Corneto. Dorow'sche Sammlung. 562.
Durchm. 7V8".
534*- Desgl. aus der Sammlung Bartholdy. D. 87.
534^- Desgl.
535. Halsring von einfachem Draht, aber an beiden Enden
in einen Kopf von sehr roher Arbeit auslaufend. Durchm. 572''«
Die HalsriDge. 125
535*- Desgl. mit Knöpfen an den Enden. 1846 aus dem
Nachlass des Obristlieutenant Schmidt gekauft. 2853.
536. Desgl., mit Knöpfen verziert und in Knöpfe aus-
laufend, durch einen Ring zusammengeschlossen. Dieser Ring
diente vermuthlich als Halseisen, das ja auch dem Alterthum
bekannt war. Wenigstens ist der zusammenschliessende Ring
bei einem gewöhnlichen Halsring nicht erklärlich. Von Herrn
V. Vollard 1858 angekauft. 3245. Durchm. 5V8"-
537. Desgl., der Ring ganz glatt. Von dem hiesigen
Kunsthändler Marguier 1852 angekauft. 3049. Durchm. 5^/4''.
538. Halsring, wie ein breites Band gestaltet, mit ein-
geschlagenen Verzierungen, concentrischen Kreisen und ein-
fachen Strichen, bedeckt. Durchm. 4^/2".
539. Desgl. bandartig, mit übergreifenden Enden, die
durchbohrt sind und festgeschlossen werden konnten. Aus dem
Besitz Bellori's. N. x. 1. Durchm. 5''.
Dies Halsband gehört zu denen, welche man entlaufenen
Sklaven um den Hals legte, wie aus der Inschrift hervorgeht,
die folgendermaassen lautet: P(e)tronia tene me quia fugibi (vi)
et revoca me ad domu(m) A(?)theopotenis ad domnum meum
Vitalione(m).
Mehrere ähnliche Denkmäler haben sich erhalten. VgL
Marquards Handb. d. röm. Alterth. V, 1, p. 191 und Henzen
Annali 1853, p. 123.
Nachdem wir im Vorhergehenden die einzelnen Geräthe
der Toilette aufgeführt, schliessen wir mit denjenigen Geräthen,
die zur Aufbewahrung derselben dienten, mit den Cisten oder
Toilettenkasten.
Die Cisten oder Toilettenkasten,
Die Cisten sind gewöhnlich von cylindrischer, selten von
ovaler Form und noch seltener viereckig i). Einige von ihnen
bestehen aus Holz, das mit Leder tiberzogen und an den
Rändern mit Metallstreifen eingefasst ist oder auch aus ganx
^) Wie die von Pieralisi in der lettera sopra una cista prenestina,
Roma 1867 herausgegebene. Eine andere habe ich kürzlich im Louvre
gesehen. Vgl. bull. 59, p. 100.
126 ^i^ eisten oder Toilettenkasten.
mit Blech überzogenem Holz, die grosse Mehrzahl aber ist
nur aus Metallblech gearbeitet, Füsse und Henkel aber sind
gegossen.
Früher Messen diese Cisten cistae mysticae, indem man
einen Gebrauch derselben in den Mysterien voraussetzte, aber
die Gegenstände die in den Cisten gefunden werden, liessen
nicht lange über ihre Bestimmung zu Toilettenkasten zweifeln.
Man findet nämlich Spiegel, Striegel, Salbgefässe, Schwämme,
Haarnadeln, Kämme und ähnliche Gegenstände darin. Es
steht nichts der Annahme entgegen, dass sie für den Gebrauch
beider Geschlechter dienten, und die Darstellungen auf einigen
derselben, Scenen athletischer Kraft und Geschicklichkeit,
scheinen noch ausdrücklich auf ihre Benutzung auch von Seiten
der Männer hinzudeuten, aber doch glauben wir, dass sie vor-
wiegend von den Frauen gebraucht wurden. Denn in den
Bildern der Spiegel, auf denen diese Cisten manchmal vor-
kommen, finden sie sich fast nur in Frauenscenen.
In Griechenland scheinen diese Geräthe unbekannt ge-
wesen zu sein, es sind wenigstens keine dort gefunden, noch
auf irgend einem griechischen Monument, soviel wir wissen,
dargestellt. Vorwiegend werden sie in den Gräbern von
Präneste gefunden, von einigen ist Etrurien als Fundort be-
kannt. Yermuthlich wurden sie in Präneste zum grossen
Theil auch fabricirt, lateinische Beischriften bei den Figuren
der Darstellungen und lateinische Fabrikmarken scheinen das
anzudeuten, andererseits deutet der Stil von manchen und
Eigenthümlichkeiten des Costüms nach Etrurien hin. Wir
glauben, dass die Fabrikation der Cisten, ebenso wie die der
Spiegel, von Etrurien ausging, dass sich in der Folge aber
die Sitte auch nach auswärts ausdehnte und dort Fabriken,
namentlich in Präneste, in's Leben rief.
Die Cisten, selbst die schönsten, sind im Sinne desAlter-
thums nur ziemlich werthlose Fabrikarbeit. Dies geht deut-
lich aus der rohen Verbindung der Füsse und Henkel mit
dem Gefäss hervor. Dieselben verdecken nämlich Theile der
Zeichnungen, die ihrerseits olme alle Rücksicht auf diese Zu-
thaten gearbeitet sind. Noch störender sind die Knöpfe, an
denen die Ringe sich befinden, welche die Ketten zum Tragen
des Gefässes aufnahmen, oft mitten in die Brust oder in den
Kopf einer Figur hineingesetzt. Doch ist diese Rohheit an
den Cisten noch weniger auffallend, als an den berühmten
Hildesheimer Silbergefässen, wo sie genau ebenso wiederkehrt
Die eisten oder Toilettenkasten. 127
Und zwar nicht bloss an den unbedeutenderen unter ihnen,
sondern sogar an dem schönen und einzigen Eühlgefäss mit
den fischenden Knaben sind die Henkel mitten ins Ornament
hineingesetzt. Aehnlich ist es auch an der berühmten Medi-
ceischen Marmorvase. Man sieht, dass so Vieles, was uns
den Eindruck der Kunst im eigentlichsten Sinn des Wortes
macht, den Alten doch nur Fabrikarbeit war.
Eine Angemessenheit der Darstellungen zum Zweck des
Oeräths lässt sich nicht immer verfolgen. Doch kommen, wie
schon erwähnt, athletische Scenen vor und andererseits Frauen-
scenen, in denen es sich um den Preis der Schönheit handelt,
die sichtlich charakteristisch gewählt sind. Die Composition
ist der Regel nach so, dass das Granze aus zwei oder drei
Gruppen besteht, die aber ohne räumliche Trennung neben
einander stehen. Eine Trennung wäre bei einem henkellosen
Oefäss unmotivirt, eine Zerlegung in Gruppen ist aber anderer-
seits nothwendig, weil man immer zur Zeit nur eine Hälfte
des Gefässes sieht.
Wir müssen indess bemerken, dass bis jetzt das Material
kaum reich genug ist, um solche auf das Ganze gehende
Fragen zu beantworten. Ein vor wenigen Jahren verfertigtes
Yerzeichniss zählt nicht mehr als fünfundsiebenzig Cisten auf,
und selbst von diesen ist ein sehr grosser Theil noch nicht
genauer bekannt.
Es ist daher auch noch nicht möglich, über die historische
Entwicklung dieses Industriezweiges etwas Vollständiges auf-
zustellen. Doch wissen wir so viel, dass man bereits in sehr
alter Zeit bildlich verzierte Cisten hatte. Wir besitzen näm-
lich eine silberüberzogene hölzerne Ciste, die alle Zeichen
eines hohen Alters an sich trägt.
Denn die zu dekorirende Fläche ist wie bei den ältesten
griechischen Vasen in mehrere Zonen zerlegt, so dass die
Figuren nur klein und puppenhaft ausfallen konnten, und
der Bilderschmuck besteht in Thierfiguren, die zudem ganz
primitiv gezeichnet sind. Diese Ciste steht übrigens ganz allein,
alle übrigen sind durch eine Lücke von Jahrhunderten
von ihr getrennt. Denn von diesen letzteren, von denen
mehrere, ihrer Inschriften wegen, vor dem sechsten Jahrhun-
dert Roms verfertigt sein müssen, ist schwerlich eine älter
als Alexander der Grosse. So dürfen wir wenigstens behaupten,
wenn die Annahme richtig ist, dass die italische Kunst einen
der griechischen Kunst, von der sie beherrscht wurde, ana-
128 1^16 eisten oder Toilettenkasten.
logen Verlauf gehabt habe. Erst zur Zeit Alexanders oder
jedenfalls nicht viel früher, kamen so weichliche Scenen auf,
wie wir sie gerade auf den hier befindlichen Cisten dargestellt
finden und für die anderen Cisten lassen sich andere Gründe
anführen, die auf dasselbe Kesultat hinauslaufen.
Die Fabrikation gravirter Cisten hat vermuthlich gleich-
zeitig und aus denselben Gründen wie die der gravirten
Spiegel ihr Ende erreicht. Wir verweisen darüber auf das
bei den Spiegeln Bemerkte.
Vgl. Schöne in Annali 1866 p. 150 ff. und den Nachtrag eben-
daselbst 186.
540. Cista aus Präneste, 1862 aus Kom erworben.
Hoch (ohne Deckel) llV*"- Durchm. 91/2"-
Das Bild am Bauch des Gefässes bezieht sich unzweifel-
haft auf den Mythus des Meleager, ist aber in seinen Einzel-
heiten, wegen mangelhafter Charakteristik der meisten Figuren^
schwer verständlich. Die Hauptfigur des Ganzen, um die sich
auch eine grössere Gruppe gebildet hat, ist eine Victoria, die
einen Eberkopf an einen Palmbaum annagelt, ihn also wie
eine Trophäe aufhängt. Von ihrer Umgebung drücken die
beiden Jünglinge zu ihrer Kechten, durch die erhobenen Hände^
Theilnahme an dem Vorgange aus, es ist aber nicht bestinunt
zu sagen, ob in freundlichem oder feindlichem Sinne. Von
letzterer Annahme ausgehend, hat man die Figuren für die
neidischen Oheime Meleagers erklärt, die mit unwilligem Staunen
der Victoria zusähen. Es könnten aber auch Freunde, be-
wundernd theilnehmende Freunde und Genossen des Meleager
sein. Die beiden anderen zu dieser Gruppe gehörigen Figuren,
die nackte, an einen Pfeiler gelehnte Frau und der links von
der Victoria stehende Jüngling entbehren jeder näheren
Charakteristik, sodass es unmöglich ist, sie zu benennen und
ihr Verhältniss zur Handlung der Victoria anzugeben.
An diese Hauptgruppe schliessen sich links und rechts
zwei Gruppen von je drei Personen an, eine belebte und eine
ruhige. Jene scheinen den Jubel über den Sieg Meleagers
repräsentiren zu sollen, ein Mann hebt im Uebermaass der
Lust eine Frau vom Boden, eine andere, mit einem Palmzweig
in der Hand, läuft, wie entsetzt über die Vertraulichkeit der
beiden, davon. In der andern Gruppe erscheint Meleager
selbst, kenntlich am Kranz auf seinem Haupt. Diese Figur
ist sichtlich nach einem berühmten statuarischen Typus, in
Die eisten oder Toilettenkasten. 129
welchem der siegesfrohe Meleager dargestellt ist, cöpirt, nur
dass auf der Cista der Kopf der Figur etwas mehr gesenkt
ist. Wir wissen aber nicht, ob dies Absicht ist und ob dar-
aus geschlossen werden darf, dass Meleager hier traurig sin-
nend, als ahne er die Folgen seines Siegs, dargestellt werden
sollte. Noch weniger vermögen wir über die Frauengruppe
neben ihm nähere Auskunft zu geben.
Die Kinge an denen die Cista getragen wurde, sind zum
Theil mitten in die Figuren hineingesetzt
Der Deckel ist mit einem zum Hauptbild passenden
Schmuck, nämlich mit schwebenden Yictorien verziert. Als
Griff fungirt die gewöhnliche Gruppe eines Satyrn und einer
Bacchantin, über den Füssen befinden sich kleine Löwen.
Abg. Archaeol. Ztg. 1862 Taf. 164, 165 und erklärt von Kekul6,
dessen feine Combinationen ich, wie mein Text zeigt, nicht überall als
gesichert acceptiren konnte.
541. Cista aus Präneste, in Rom von Prof. Brunn
angekauft, seit 1865 im Museum. 3528. Höhe 11" (ohne
Deckel) Durchm. 9".
Die bildliche Verzierung zerfällt in zwei durch eine
jonische Säule getrennte Gruppen von vier und fünf Personen.
Die erste erinnert, wie schon in einer Beschreibung dieser
Cista bemerkt worden ist, an eine Gruppe der berühmten
Ficoroni'schen Cista und könnte sich sehr wohl auf die
Fesselung des Amycos durch PoUux beziehen. Die Hauptfigur
ist wenigstens ein wild aussehender Mensch, dem ein Jüng-
ling die Hände auf dem Rücken zusammen bindet, während
ein anderer Jüngling ihm drohend, wie es scheint, die Faust
entgegenstreckt. Die Frau die zu dieser Gruppe gehört, ver-
mögen wir nicht näher zu bestimmen.
In der zweiten Gruppe ist ein geharnischter Jüngling
mit einem eigenthümlichen zackenbesetzten Helm die Haupt-
figur. An ihn heran treten drei Jünglinge, davon zwei leb-
haft gestikulirend, als ob sie ihm eine wichtige Mittheilung
zu machen hätten. Dahinter eine nackte geflügelte Frau,
vermuthlich eine Nike. Könnte vielleicht in dieser zweiten
Scene Jason dargestellt sein, dem die Gefährten und Nike die
Nachricht von dem Sieg über Amycos bringen?
Zwischen den Köpfen fast aller Figuren wiederholen sich
bedeutungslose, raumfüllende Linien.
Auf dem Deckel bemerkt man die so häufig an dieser
Frietlerichs, Berlin's Antike Bildwerke II. 9
130 I^ie eisten oder ToUettenkasten.
Stelle wiederkehrenden SeethierC; die gewiss nur durch den
Eaum veranlasst sind, für den sie sich sehr gut eignen. Der
Griff wird durch die ebenfalls so sehr häufige Gruppe eines
Satyru; der eine nackte Bacchantin umfasst, gebildet Ueber
den Füssen sind liegende Silene angebracht.
Die Cista ist beschrieben von Schöne, Annali 1866 p. 181 n. 62,
542. Cista aus Präneste, 1862 in Rom durch Ver-
mittlung von Prof. Brunn angekauft. 3467. Hoch 9^/2" (ohne
Deckel). Durchm. 8".
Auf dem Deckel sind zwei Dreigespanne, von Frauen ge-
lenkt, dargestellt. Die eine derselben hat die Beischrift Venus,
die andere Aucena oder Alcena, was völlig räthselhaft ist*
Das Gespann der Venus wird von einer nackten Frau gelenkt,
vor den Pferden, der anderen flieht ein nackter Knabe, so
dass man an eine Entführungsscene gedacht hat. Die Lücken
der Zeichnung sind durch Thiere, Schlangen und einen Löwen,
vor dem sich ein Pferdekopf befindet, ausgefüllt. Zur Be-
lebung der Fläche sind auf dem Körper des einen Pferdes
der Aucena und ebenso auf den Pferden am Bauch der Cista
Blumen gezeichnet, eine wunderliche öfter vorkommende Weise,
die deutlich zeigt, dass man bei diesen Zeichnungen nur einen
ganz oberflächlichen ornamentalen Eindruck beabsichtigte.
Das Dreigespann übrigens ist eine etruscische Sitte, wie
viele Denkmäler beweisen^).
Die Henkelgruppe, deren Basis einen Theil der Zeich-
nung verdeckt, ist die so oft wiederkehrende von Satyr und
Bacchantin.
Die Zeichnung an der Cista selbst zerfällt in zwei Scenen,
deren eine ganz wie ein Parisurtheil aussieht, nur dass statt
der Göttinnen Heroinen gerichtet werden. Die Handlung geht
an einem Brunnen vor sich, dessen Wasser aus einem Löwen-
maul in ein grosses Becken fliesst, so dass man sich zu denken
hat, die Frauen haben erst Toilette gemacht, was auch auf
Parisurtheilen griechischer Vasen sehr anschaulich darge-
stellt wird.
Paris (Alixente(r) überreicht der ihm zunächst stehenden
Frau, welche die Beischrift Ateleta führt und mit der Linken
*) Hauptsächlich Grabsteine, z. B. im rauseo Casuccini in Palermo.
Ich erwähne nur noch die Thonreliefs aus Velletri in Neapel, deren
etruscischer Ursprung, welcher bezweifelt worden ist, auch durch diese
und andere Einzelheitai bestätigt werden kann.
Die eisten oder ToUettenkastea. 13 X
^ui ihrem Haar beschäftigt ist, ein Zweiglein, eine Handlung,
die wir nur als eine Art von Galanterie auffassen können,
dergleichen ähnlich auf den Vasen vorkommt. Yermuthlich
ist die Frau Atalante. Ihre Nachbarin mit der räthselhaften
Beischrift Alsir, lehnt sich an ein Piedestal und hält einen
Apfel in der Linken^). Den Gestus ihrer Rechten verstehen
wir nicht. Sodann kommt Helena (Felena), ihr Gewand, wie
es scheint, ausbreitend, um ihre Schönheit zu enthüllen.
Die Erklärung, dass hier die Ankunft des Paris in Sparta
dargestellt sei, scheint uns durchaus unwahrscheinlich, sowohl
die Situation, als die Bewegungen der Figuren widersprechen.
Wir fassen vielmehr die Scene in dem oben angegebenen
Sinne als ein Parisurtheil, nicht als jenes mythologisch be-
gründete, sondern als auf freier Erfindung eines Dichters oder
Künstlers beruhend, wie wir auch etwas Aehnliches auf dem
Meleagerspiegel (n. 146) fanden.
Die zweite Scene ist noch schwerer zu verstehen, weil
sie einmal aus mythischen Figuren besteht, die nach unserem
Wissen nichts mit einander zu thun haben und dann weil
gar keine Handlung zwischen diesen Figuren vor sich geht.
Zunächst dem Paris steht ein Jüngling mit Speer, der nach
den Resten seines Namens eses für Theseus zu halten ist,
dann folgt zu Pferde Oinumama d. h. ünimama, eine Bezeich-
nung der Amazonen, die ja ihrer kriegerischen Uebungen
willen eine Brust verstümmelt haben sollen, darauf kommt
wieder ein ruhig stehender Krieger, mit der Inschrift Ajax,
sodann eine Crisida d. i. Chryseis genannte Frau, welche einen
Becher präsentirend emporhält und endlich eine zweite Amazone
mit Namen Cassenter(a).
lieber den Füssen befinden sich Löwen.
Abg. Monum. dell' instit. VI, 55 mit der Erklärung von Garrucci
in Annali 1861 p. 162 ff., die aber ganz unglücklich ist. Vgl. 0. Jahn
in Mommsen's Corpus inscrtpt. latin. I, p. 554.
543. Kleine volcentische Cista, aus Gerhardts Nach-
lass 1869 erworben. H. (mit Deckel) 7". Durchm. oben
3V2", unten S^/^".
Die Cista hängt an drei Ketten, es ist uns aber nicht
klar, wie der erhaltene nur nach zwei Seiten entwickelte Griff
^) Der Gegenstand ist auch für ein Blatt gehalten, unmöglick wegen
der Art wie die Frau ihn anfasst.
132 ^^^ eisten oder Toilettenkasten.
mit diesen Ketten verbunden war. Auf dem Deckel befand
sich als Griff ein Delphin in der gewöhnlichen Stellung, den
Kopf nach unten gerichtet. Sehr plump sind die Ftisse, die
unten hufenartig gespalten, oben das Motiv einer aus Blättern
herauswachsenden Blüthe oder Frucht zeigen.
544. Deckelgriff einer Cista, aus der Sammlung-
Pourtales 1865 erworben. 3545. •
Der Griff wird durch zwei mit einander ringende Jüng-
linge gebildet, die mit den Köpfen gegen einander stossen
und eben dadurch eine passende Handhabe herstellen.
Der Ring auf der Basis zwischen den beiden Ringern
diente wahrscheinlich dazu, den Deckel auf der Cista festzu-
lialten, doch ist der Mechanismus im Einzelnen nicht deutlich.
545. Desgl. durch einen nackten Jüngling gebildet, der
sich hintenüber gelehnt hat, als sei er im Begriff, kopfüber
zu schlagen. In älterem Stil gearbeitet. Dies Motiv ist auf
Gistendeckeln nicht selten. Aus der Sammlung Bartholdy.
B. 49.
546. 547. eisten füsse aus Corneto. Dorow'sche Samm-
lung. 563. 564.
Ueber den Thierklauen befindet sich in Relief eine in
altetruscischem Stil gearbeitete Gruppe von zwei Männern,
die einen Schlauch oder wohl eher eine grosse Vase davon-
tragen. Der eine, grössere, hat eine Keule, der andere einen
nur in graffito angegebenen Bogen. Es könnte Herkules und
Jolaos sein, die sich gütlich thun wollen.
Die Gruppe stimmt ganz mit der im Mus. Gregor. I,
6t, 2 abgebildeten überein und war durch Nägel an der
Cista befestigt.
547*- Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 6.
Die Attache ist mit einem nackten geflügelten Knaben
in kauernder Stellung verziert. In der Rechten hält er, wie
es scheint, eine Strigel.
547^- Desgl. mit einer doppelleibigen Sirene über der
Kralle. Ebendaher. 5.
547 bb. Desgl. Ein Mann mit Keule, vielleicht Herkules,
einer Frau gegenüberstehend. Die Kralle fehlt. Ebendaher. 145.
Die Gißten oder Toilettenkasten. 133
54Ybbi). Nackter Krieger, in der Linken den Helm
haltend; die rechte Hand auf den Kopf seines neben ihm
stehenden Pferdes legend. Die Beine von Mann und Ross
sind unten verstümmelt. Wahrscheinlich von dem Fuss einer
Cista. In Corneto gefunden. Aus der Samml. Dorow. 581.
Höhe iVe".
547c. Verzierungen vom Deckel einer Cista oder
eines ähnlichen Geräths, bestehend in kleinen rohen Figuren
von Menschen und Thieren, im Ganzen 57 Stück, aus der
Sammlung Koller. 276—281.
Die ersteren bestehen in zehn theils ganz menschlich
gestalteten, theils mit Thierkopf versehenen Figuren, es ist
indessen nicht unmöglich, dass alle thierköpfig sind, was bei
der Rohheit der Arbeit nicht immer zu entscheiden ist. Nur
drei Thierköpfe sind ganz deutlich, doch ist selbst hier die
Gattung schwer zu bestimmen, es sind Thiere mit spitz-
zulaufendem Kopf, an deren einem man auch Hörner be-
merkt. Fast alle diese Figuren haben beide Arme ausge-
streckt, während sie mit den Füssen fest zusammengeschlossen
stehen, was aber einen Zwischenraum zwischen den Beinen
nicht ausschliesst, so dass sie krummbeinig aussehen. Die
Füsse, die übrigens gar nicht dargestellt sind, sind mit einer
horizontal liegenden Spirale verbunden, die als Basis der
Figuren diente und mit eisernen Stiften, wovon sich an einem
Exemplar ein Rest erhalten zu haben scheint, auf einem
Grunde befestigt war. Zu beiden Seiten des Kopfes oder
auch in den Händen der Figuren befinden sich Löcher, in
denen noch Reste von Kettchen hängen, an denen das Geräth,
zu dem sie gehörten, getragen wurde. Die Thierfiguren be-
stehen in Vögeln und vierfüssigen Thieren, sind aber im Ein-
zelnen, mit der Ausnahme eines Hirsches, schwer zu bestimmen.
Sie stehen entweder auf schlichten Basen oder sind in der
oben erwähnten Weise mit Spiralen verbunden, den meisten
fehlt jetzt übrigens die Basis. Alle aber haben eine Vor-
richtung, um Ketten daran zu befestigen, ein Loch im Maul
oder, einen Ring auf dem Rücken, sodass sie offenbar in
derselben Weise angebracht waren, wie die menschlichen
Figuren.
Und wie nun beide angebracht waren, erhellt aus ana-
logen Denkmälern; es sind Verzierungen von Deckeln von
Gefässen, die an Ketten nach Art der Cisten getragen wurden,
134 Das Schreibgeräthe.
und zwar nehmen wir an, dass von jeder der kleinen
Figuren eine besondere Kette ausging.
Die Figuren sind etruscisches Fabrikat, was durch einen
neueren Fund festgestellt ist. Es ist auch durchaus derselbe
etruscische Geschmack, der sich in der Verzierung der Weih-
rauchständer und Candelaberschäfte mit kleinen Thieren aus-
spricht.
Vgl. Gerhard Spiegel I, Taf. 18, wo ganz übereinstimmeDde Figuren-
abgebildet sind, Gozzadini di un sepolcreto etrusco 1854 p. 23, 24,.
tav. 5, 9 und bullet. 1866 p. 98.
547d. Yier desgl. zumTheil phantastisch gebildet Aus.
Gerhardts Nachlass 1869 erworben 192. 193. 195. 207.
5476. f. Zwei desgl., ganz tibereinstimmend, das erstere
aus der alt. Samml. B. d. B. B. 35.
547g.l1. Zwei de'sgl., aus den an einander gesetzten
Vordertheilen gehörnter Thiere bestehend. Aus der SammL
Koller 237. 238.
547^ Desgl. In der Mitte des Bauches durchbohrt
B. Schreibgeräthe.
1) Schreibgriffel.
Die Alten schrieben auf Papier mitRohrfedem ohne oder
mit Spalte^), auch mit Broncestiften mit gespaltener Spitze^
auf ihre wachsüberzogenen Holztafeln aber, von denen einige
im Pesther und im hiesigen Museum zu sehen sind, mit ein-
fachen Stiften von Bronce oder Knochen. Man hat aber auf--
zumerken, um diese Schreibgriffel nicht mit anderen Dingen
zu verwechseln. Denn man hat die Schreibgriffel wohl för
^
*) Das erstere wird durch die in Neapel befindliche Rohrfeder be-
wiesen, die zugleich mit Martorelll's bekanntem Dintenfass gefunden ist^
lieber das Andere vgl. die Stellen in Becker-Marquardt's Handbuch V^
p. 401.
2) In Trastevere wurde an der Steile, wo der Apoxyomenos gefun-
den ist, ein Broncegriffel gefunden colla punta spaccata a guisa delle
uostre penne uud daneben ein kleines Gefäss mit Dinte, bullet. 1849
p. 169.
Das Schreibgeräthe. 135
Ohrlöffel erklärt, indem das obere Ende oft einem Ohrlöffel-
chen ähnlich sieht und gewiss auch so benutzt wurde. Der
Unterschied ist aber dieser, dass der Ohrlöffel immer ein
kurzes Instrument ist und auch keine Spitze unten hat, die
dem Grriffel nothwendig ist. Das obere Ende des Griffels,
das dazu diente, irrthümlich in's Wachs Eingeritztes auszu-
wischen oder richtiger auszuglätten, oder auch bereits benutzte
Blätter zu neuer Benutzung herzurichten, ist verschiedenartig,
immer aber sehr praktisch gestaltet. Bald sieht es wie ein
kleiner Meissel, bald wie ein Ohrlöffelchen, und endlich, was
besonders hübsch ist, wie ein glättender Daumennagel aus.
Sichere Ohrlöffel sind bei Smith collect, antiq. IX, 5, 1 publicirt,
wo der Ohrlöffel zusammea mit einer volsella noch an einem Ring hängt,
cf. Vi. pl. 34, 3.
548. Schreibgriffel, oben meisselförmig gestaltet, mit
feinen Verzierungen. L. 4%". Aelt. Samml. R. 1.
549. Desgl., ganz einfach. L. 4%". Aelt. Samml. R. 2.
550. Desgl., kleiner, Minutoli. L. 2'/8"«
551. Desgl., nicht ganz erhalten.
552. Desgl., oben wie der Nagel des Fingers gestaltet.
Samml. Minutoli.
552*- Desgl. ähnlich, aus Gerhardts Samml. 1869 er-
worben. 28.
553. Desgl. oben ohrlöffelförmig. Aelt. Samml. R. 7.
L. 51/4''.
554. Desgl. Aelt. Samml' R. 7»- L. b^jj'.
555. Desgl. Aelt Samml. R. 8. L. 4V4".
556. Desgl. Aelt Samml. R. 9. L 6".
557. Desgl. Aus dem Nachlass des Obristlieut Schmidt
1846 erworben. 2866. L. 572''-
558. Desgl. Ebendaher. 2867. L. 3".
559. Desgl. Aus Attika, 1869 gekauft. 2757.
136 Das Schreibgeräthö.
559^ Zwei desgl. aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. 24. 80*- L. 5".
559^- Zwei desgl., einer fragmentirt.
559^- Desgl. mit plattem Knopf. Aus dem Nachlass
des Prof. Kösel 1844 erworben. 2755. L. 5^8".
560—564. Fünf desgl. v. S'/g" bis 5'' Länge.
2) Dintenfässer.
In der Bestimmung der im Folgenden aufgeführten Ge-
fässe haben wir uns theils durch pompejanische Bilder leiten
lassen, wo ganz ähnliche Geräthe vorkommen und aus ihrer
Umgebung mit Sicherheit zu bestimmen sind, theils durch
die Aehnlichkeit derselben mit modernen Dintenfässern und
durch ihre für den vorausgesetzten Zweck praktische Ein-
richtung.
Vgl. Mus. borbon. I, 12.
565. Kleines Dintenfass, aus Pompeji, durch Ternite
ins Museum gekommen. T. 3. H. l^lo"- Durchm. IV*''«
566. Desgl. grösser und mit Deckel. Aus Pompeji. Von
Prof. Zahn 1869 angekauft. 3768. H. 3^/4". Durchm. SV*".
567. Desgl. aus der alt. Sammlung K. 33. H. 21/4".
Durchm. 2^U''.
568. Desgl., fragmentirt, aus der Sammlung Koller 364.
Hierin ist noch die Dinte in versteinertem Zustande erhalten.
3) Angebliche Siegelkapseln.
Wir führen die folgenden Geräthe unter dieser Benen-
nung auf, obgleich wir an der Kichtigkeit derselben zweifeln.
Aber da wir nichts Besseres an die Stelle zu setzen wissen,
so schien es am räthlichsten, in der Classificirung der relativ
besten Annahme zu folgen.
Nach derselben sind diese kleinen, theils runden, theils
viereckigen, theils herzförmigen Kapseln Siegelbehälter ge-
wesen, die man an Diplome heftete. Durch die Löcher die
Die angeblichen Siegelkapseln. 137
man au den Seiten und auf dem Boden der Kapsel bemerkt,
wurde wie man glaubt das Band gezogen, an dem die Kapsel
hing und dann durch das darauf gesetzte Wachssiegel be-
festigt. Bei dieser Annahme ist nur die Kleinheit mehrerer
dieser Kapseln auffallend, mehr aber noch ein bei n. 573
vorkommender Umstand. Diese Kapsel hat nämlich nicht
einen aufliegenden oder übergreifenden Deckel, wie die
übrigen, sondern einen ins Innere der Kapsel hineingreifenden
Deckel, der, wenn zugeklappt, unfehlbar das Siegel zerstören
würde. Auch der Fundort ist bei dieser Annahme auffallend,
man findet nämlich solche Kapseln in Aschenurnen i).
Nach Anderer Meinung waren diese Kapseln zur Auf-
nahme wohlriechender Stoffe, etwa von Riechschwamm, be-
stimmt und die Löcher zur Verbreitung des Wohlgeruchs.
Aber dieser Meinung steht der Umstand entgegen, dass keine
dieser Kapseln eine Oese zum Anhängen hat, und anders als
nach Art schmückender Anhängsel konnten doch solche Wohl-
geruchkapseln schwerlich getragen werden. Dass sie wenig-
stens gesehen werden sollten, beweisen die zum Theil nied-
lichen und feinen Reliefs auf den Deckeln.
Alle diese Kapseln scheinen" übrigens römischen Ursprungs
zu sein.
Die Annahme, dass diese Kapseln zur Aufbewahrung von Siegeln
gedient hätten, rührt von Frau Mertens-Schaafhausen her, die ihrer
viele gesammelt hatte. Vgl. Jahrb. f. Alterthumsfr. im Rheinlande XV,
p. 140 und Taf. 4 und XXVII, p. 94. Ebenso meint Brunn im bull.
1862 p. 7. Die andere Meinung dagegen ist die traditionelle, die auch
E. aus'm Weerth in den citirten Jahrbüchern an der zweiten Stelle
ausspricht.
569. Kapsel mit dem niedlichen Relief einer Victoria
auf dem Deckel, die in eilendem Schritt Palmzweig und Kranz
überbringt. Aus der Bartholdy'scben Sammlung. D. 91.
570. Desgl. mit dem Bilde eines Merkur, der reich mit
Attributen versehen ist. Er hält Caduceus und Beutel und
neben ihm steht ein Hahn und auf der anderen Seite wie es
scheint ein Schaaf. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 58.
571. Desgl. herzförmig und auf dem Deckel emaillirt.
Ebendaher 50.
^) Gochet sepultures gauloises, romaines etc. p« 65.
138 Die Sieg:el.
572. Desgl. viereckig. Ebendaher 49.
573. Desgl. rund; mit eingreifendem Deckel, wovon eben
in der Einleitung die Rede war. Bei Cleve gefunden. Aelt»
Samml. Q»- 1.
574 — 576. Drei desgl., zwei viereckig, eine herzförmig.
Bei Cleve gefunden. Aelt. Samml. Q*- 2 — 4.
577 — 579. Drei desgl., ohne Deckel. Bei Cleve ge-
funden. Aelt. Samml. Q*« 5 — 7.
4) Siegel.
Es sind uns aus dem Alterthum Siegel von Terrakotta
und von Blei erhalten. Die ersteren waren sämmtlich^ wie
es scheint, zum Anhängen an Schriftstücke bestimmt, sie sind
nämlich ihrem ganzen Durchmesser nach durchbohrt, um die
Schnur, an der sie hingen, durchziehen zu können, die letz-
teren sind zum Theil von derselben Art und diese erkennt
man leicht an dem höheren Relief, das schon der Durch-
bohrung wegen nöthig war, zum grösseren Theil aber sind
sie ganz glatt und müssen auf andere Weise, etwa in Kapseln^
mit dem Schriftstück in Verbindung gebracht sein.
Vgl. Ficoroni piombi antichi und unten den Abschnitt
über Bleimarken.
579^ Siegel zum Anhängen. Einerseits ein Löwenkopf
in sehr hohem Relief, andererseits der bekannte Gemmen-
und Mänztypus der Venus, auf dem sie Helm und Lanze in
den Händen und den Schild neben sich hat. Auf der Seite
des Löwenkopfs bemerkt man noch die Löcher, durch welche
die Schnur gezogen wurde. Aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben.
579^- Plattes Siegel mit gnostischen Emblemen. Auf
der einen Seite der auf den gnostischen Gemmen so gewöhn-
liche hahnenköpfige und in Schlangen auslaufende Gott, auf
der anderen Seite ein kleiner von einem Löwen angegriffener
Mann. Ebendaher.
C Eiichengeräth.
Es ist eine auffallende Thatsache, dass auch das Eüchen-
geräth zum grossen Theil aus Gräbern hervorgezogen wird.
Casserolen, Kessel und Aehnliches. 13^
Und zwar nicht bloss in einzelnen Stücken, die mehr zufällig
hineingesetzt sein könnten, sondern man findet manchmal einen
ganzen Küchenapparat, den wir nur durch die Voraussetzung
zu erklären vermögen, dass die Wohnungen der Todten ebenso
wie die "Wohnungen der Lebendigen ausgestattet werden
sollten.
Küchengeräth aus Gräbern von Orvieto bull. 1832 p. 217, aus eng-
lischen Gräbern Smith Collect. II, 29 ff.
1) Casserolen, Kessel und Aehnliches.
580. Grosse Casserole, von welcher nur der Boden
und der obere Rand mit dem Stiel erhalten ist. Gefunden
1869 auf dem Blumentharschen Rittergute Segenthin im Kreis
Schlawe in Pommern. 3765. Durchm. 9V2".
Der Stiel trägt den Fabrikstempel TALIO F. Inwendig
ist das Gefäss versilbert oder mit einer silberartigen Compo-
sition überzogen.
Antike Gelasse inwendig verzinnt, was die Alten nach Pliniii»
kannten, waren einem Kenner, dorn Grafen Caylus Recueil d'antiq. V^
292 nicht bekannt, die herkulanischen sind, wie er behauptet, versilbert.
Von den unserigen wage ich nur nach dem Urtheil eines Sachverstän-
digen zu behaupten, dass sie nicht verzinnt sind.
581. DesgL', aus der KoUer'schen Sammlung. 381»
Durchm. 478"« ^^^ Gefäss war aussen und innen versilbert^
aber die Versilberung ist zum Theil heruntergegangen.
582. Desgl. Auch dies Gefäss war aussen und innen
versilbert. Durchm. A^IJ*.
583. Desgl., aus dem Nachlass des Obristlieutenant
Schmidt zu Berlin 1846 erworben. 2842. Durchm. 7".
Von diesem schönen Gefäss ist leider wenig erhalten,,
nämlich nur der Henkel mit einem Stück des Randes und
ein anderes Stück des Randes. Der Henkel hat einen Fabri-
kantenstempel VRBIANVS. EPH)!, und ist mit feinen Orna-
menten verziert. Das Gefäss war innen ganz und aussen am
Rand versilbert.
584. Tiegel zum Kochen, auf drei Füssen ruhend*
Durchm. 7V2".
140 I^ic Pfannen.
584*- Pfanuenartiges Geräth, aber mit einem Fuss
zum Hinstellen versehen. Der^Griff ist mit Knöpfen ver-
ziert. Durchm. OVs"*
584^- Grosser Wasserkessel; der bestimmt war über
dem Feuer zu hängen, 1822 in Pompeji in Gegenwart des
Königs Friedrich Wilhelm III. ausgegraben und aus dessen
Besitz in den des Museums übergegangen. A. 1. H. 14^2".
Durchm. I3V2''.
Der Kessel ist vollständig erhalten bis auf die Henkel,
deren früheres Vorhandensein indess durch Reste der Niet-
nägel bewiesen sind. Wie die Henkel aussahen, kann man
an den genau übereinstimmenden im Mus. borb. V, 58 abge-
bildeten Exemplaren sehen, die ebenfalls in Pompeji ge-
funden sind.
Dies ist der gewöhnliche Wasserkessel, der wohl in
keinem Hause fehlte, das ahenum quod supra focum pendet.
Die Stellen der Alten bei Becker Gallus H, 312.
584*- Feuerbock aus Chiusi, 1841 durch Professor
Gerhard gekauft. 2700.
Höchst wahrscheinlich diente dies Geräth zusammen mit
einem zweiten gleichen dazu, die Unterlage eines Rostes zu
bilden, der dann durch übergelegte Querstäbe gebildet wurde,
oder es konnte auch ganz einfach zum Feueranmachen be-
nutzt werden, indem man Holzscheite darüber legte. Jeden-
falls hat es für sich bestanden, da man nirgend eine Spur
bemerkt, dass ein anderer Gegenstand damit verbunden war.
In Pompeji und Pästum sind ähnliche Geräthe gefunden
worden. Vgl. Mus. borb. X, tav. 64 und Rieh, lUustrirtes
Wörterbuch der Rom. Alterth. s. v. vara n. 3.
2) Pfannen.
Die hier aufgeführten Pfannen haben zum Theil so reich
verzierte Griffe, dass sie vielleicht gar nicht für die Küche
bestimmt waren. Man kann freilich andererseits nicht wissen,
wie weit der etruscische Luxus ging — denn nur um etrus-
cische Pfannen handelt es sich. Denkbar wäre auch, dass
sie nur für das Grab fabricirt wären, wir können diese Fragen
leider nicht beantworten.
584^- Etruscische Pfanne, aus der Sammlung Bar-
tholdy B. 60. Durchm. 12".
Die Pfannen. 14^
Der Stiel derselben wird durch eine nackte männliche
Figur gebildet, deren alterthümlicher Stil mit der Strenge
des tektonischen Motivs in glücklichstem Einklang steht. Die
Figur die in Pfannen von Terrakotta ganz ähnlich wiederkehrt
ist wie eineArt Atlant gedacht, sie trägt mit symmetrisch erhobe-
nen Armen die Schale tiber ihrem Haupte und ist fest mit den
Beinen zusammengeschlossen, um griffartig fungiren zu können.
Da nun aber der Griff seiner Natur nach in eine Spitze aus-
laufen muss, so hat man wie gewöhnlich an Griffen, einen
spitzzulaufenden Thierkopf, einen Widderkopf hinzugefügt.
Auch oben konnte die menschliche Figur nicht unmittelbar
die Schaale berühren, es bedurfte zur Festigkeit des Zusam-
menhangs zwischen Griff und Schale eines breiteren Mittel-
gliedes, das denn nicht unver ziert bleiben konnte und hier
mit Thieren, mit Schafen verziert ist. Dies Mittelglied ist
auch in künstlerischer Hinsicht nicht unvortheilhaft, eben als
vermittelndes Glied zwischen dem breiten Rand der Schale
und dem dünnen Griff.
Es heiest die geistige Sphäre, in welcher sich die Fabri-
kanten solcher Geräthe befanden, völlig missverstehen, wenn
man, wie geschehen ist, die Verzierungen dieses Griffs etwa
auf mythologische oder symbolische Motive, die ohnehin immer
nur mit unlogischen oder gezwungenen Operationen gewonnen
werden, zurückführt. Unter n. 1037 ff. werden ganz analog
gebildete Geräthe aufgeführt, nämlich Gürtelhaken in Form
von geharnischten Männern, unter Heren Füssen ein Rehkopf
angebracht ist, sollte es wohl möglich sein, hiefür eine andere
Motivirung zu finden, als die Rücksicht auf die tektonische
Zweckmässigkeit ?
Uebrigens ist dieser Griff in vielen Exemplaren vorhanden.
584®- Desgl., aus der Bartholdy'schen Sammlung. B. 61.
Durchm. 9".
Der Griff wird durch einen Löwen gebildet, der mit
seinen Vordertatzen in ein jonisches Kapitell hineingreift,
welches die Vermittlung zwischen Schale und Griff bildet.
An die Hinterfüsse schliesst sich eine Palmette an, die keinen
praktischen Zweck hat, sondern nur omamental ist, sie soll
nämlich den Griff in eine Spitze auslaufen lassen, wozu der
Widderkopf an dem vorigen Stück diente. Man kann die
figürlich gestalteten Henkel von Krügen vergleichen, an welchen
die Figur auf einer Palmette steht.
i
142 Die Küchensiebe. — Die Trichter, Schöpfkellen, Reiben.
3) Küchensiebe.
In der Unterscheidung von Küchensieben und Weinsieben
haben wir uns zunächst durch die Erwägung leiten lassen,
dass die letzteren als zum Tafelservice gehörig, feiner und
eleganter aussehen mussten, als die ersteren. Sodann aber
scheint auch ein Unterschied der Form vorhanden gewesen
zu sein, die Weinsiebe haben auf den Denkmäjem nicht die
Form einer einfachen tiefen Schale, sondern einer Schale, in
deren Boden sich mit besonderer Ausbauchung das Sieb an-
hängt. Vgl. den Artikel über die Weinsiebe.
585. Küchensieb, aus der Koller'schen Sammlung 388.
L. 12%". Durchm. 4" und 5^2 ". Der Boden des Siebes ist
eingesetzt, aber antik.
586. Desgl., aus der Koller'schen Samml. 387. L. ll^«".
Durchm. 5". Das Sieb hat auf der einen Seite einen längeren,
wie es scheint, in einen Schlangenkopf auslaufenden Henkel
und auf der anderen Seite einen kürzeren, der ein festes
Auflegen des Siebes möglich machte.
4) Trichter, Schöpfkellen, Reiben.
587. Trichter, 1822 in Pompeji in Gegenwart des
Königs Friedrich Wilhelm III. gefunden, der ihm dem Museum
geschenkt hat. B. 26*-
Er besteht in einer halbkugelförmigen Schale und langer,
spitzer Röhre. L. 4V2"«
588. Schöpfkelle, die in Pompeji gefunden sein soll
Aus dem Vermächtniss des Prof. Rösel, der 1844 eine nicht
kleine Anzahl von Broncen dem Museum vermachte. 2754.
L. 12 Vi".
Das ziemlich kugelförmige Schöpfgefäss ist nur vermit-
telst eines umgelegten Drahtes mit dem Griff befestigt.
Ein ganz übereinstimmendes Geräth ist in Gräbern von Nocera ge-
funden, das Minervini bullet, napol. N. S. V. zu tav. 3 irrthümlich mit
dem Simpulum identificirt.
589. DesgL, flacher. Aus der Bartholdy'schen SammL
D. 8. L. 118/^".
Die Gefässe zum Waschen der Hände und Füsse. ]^45
589*- Schöpflöffel; beiCleve gefunden, aus der Samm-
lung Minutoli. B. 28. L. 12".
589^- Löffel mit flachem Blatt, nur zum Umrühren
bestimmt
590 — 593. Reiben, drei ziemlich vollständig erhalten,
nebst drei Fragmenten. Länge von 4^2 l^is 5".
Diese Reiben sind fast ganz so gestaltet, wie unsere heu-
tigen, nur dass sie nicht gebogen sind. An einer derselben
sind am Rande noch Nietnägel erhalten, die unzweifelhaft den
Zweck hatten, eine Randverstärkung, die ja auch heutiges
Tages üblich ist, anzuheften. Diese Randverstärkung wird
zugleich den Griff zum Anfassen gebildet haben.
In Gräbern von Nocera, Sorrent etc. sind ähnliche gefunden. Vgl.
Bullet, archeol. Bapolet. N. S. V, zu tav. III.
593*- Pfefferstreuer, ein seltenes Stück. Aus der
Sammlung Koller 622. Er ist eicheiförmig gestaltet und der
untere Theil der Eichel ist siebförmig durchlöchert, während
der obere den Deckel bildet, der jetzt übrigens nicht mehr
abnehmbar ist. Der sechskantige Stiel ist nicht ganz voll-
ständig erhalten.
D. Tafelgeräth.
1) Gefässe zum Waschen der Hände und Füsse.
Für Hand- und Fusswaschung musste es im Alterthum
kostbarere Geräthe geben, als bei uns, weil diese Proceduren
nicht bloss im Verborgenen, in der Kammer, sondern auch
öffentlich in festlicher Umgebung vorgenommen wurden. Denn
es war Sitte, vor der Mahlzeit sich zuerst die Füsse waschen
zu lassen und dann die Hände zu waschen. Von den Ge-
räthen freilich, die man dazu gebrauchte, wissen wir kaum
mehr als den blossen Namen, doch können wir uns aus den
antiken Darbtellungen von der Fusswaschung des Odysseus
und des Skiron eine Vorstellung von dem betreffenden Geräth
machen. Es waren flache Schalen von grossem Umfange, wie
es für die praktische Bestimmung am angemessensten ist,
dazu mit einem Fuss und auch wohl mit Henkeln versehen.
j^44 ^'6 Giesskannen.
Das Geräth im Hause des Odysseus war von Erz und dies wird
wohl in begüterten Häusern das Gewöhnliche gewesen sein.
Vgl. z. B. Monum. d. inst. III, 47. IV, 32. Auf einem bekannten
Wandgemälde von Tarquinii (Mus. Greg. I, 104) ist ein reich besetzter
Schenktisch dargestellt und unter demselben stehen Becken mit Kannen
darin, die gewiss zum Waschen der Hände und Füsse dienten.
594. Becken zum Fusswaschen, mit zwei Henkeln
und Fuss. Zierlich omamentirt. D. 16^ jj'.
595. Desgl. Aus der KoUer'schen Sammlung. 311., auch
mit Henkeln und drei Füssen in Form kleiner Rollen. D. 14^/8".
Kleine Rollen als Vasenfiisse kommen an pompejanischen Vasen
vor (Mus. borb. IV, 12, 2), vielleicht ist auch unser Geföss aus Pompeji.
596. Kleineres Gefäss derselben Form, das ver-
muthlich zum Waschen der Hände diente. Mit Fuss und zwei
Henkeln. D. llVo".
2) Giesskannen.
Die Giesskannen für Wein und Wasser sind in der Form
nicht von einander verschieden, es wäre auch kein Grund far
einen Unterschied denkbar. Nur hinsichtlich der Grösse möch-
ten wir die Voraussetzung wagen, dass alle kleinen Giess-
kannen Weingefässe gewesen seien. Wo wir diese kleinen
Kannen auf Denkmälern gesehen haben, da wurde Wein da-
raus geschenkt, was aber mehr bedeutet, ist der Umstand, dass
die Kleinheit der Kanne beim Wein viel besser zu motiviren
ist als beim Wasser. Man trank den Wein doch eben in
bestimmten kleinen Quantitäten und mit sehr viel Wasser ge-
mischt Endlich ist auch das zu beachten, dass an diesen
kleinen Kannen Verzierungen vorkommen, die nur für Wein-
kannen passend sind, z. B. Mus. borb. IV, 43.
Die kleinen Kannen sind daher alle unter dem Wein-
geräth aufgeführt, die grossen dagegen, die für Jbeides, für
Wein und Wasser, bestimmt sein mögen, folgen hier unten.
Man hat solche Geräthe auch in Thon, an denen nur
dem Henkel nach der Natur des Materials nicht die Freiheit
gelassen ist, wie in der Bronce. Henkel, die sich schlank und
hoch über den Rand des Gefässes erheben, dürften sich im
guten Thonstyl, der das Praktische sucht und in den Grenzen
des Materials bleibt, nicht leicht finden. Anders freilich im
Etruscische Kannen älteren Styles. 145
Verfallstyl, wie ein Blick in eine Sammlung unteritalischer
Vasen lehrt, wo man eben über die Schranke des Materials
hinausgeht und Broncehenkel imitirt.
Es lässt sich nicht leugnen, dass gerade in der Gestal-
tung der Henkel die Bronce einen grossen Vorsprung hat vor
dem Thon und dass eben darum, da die Formen des Gefässes
für beide dieselben sind, die Broncegefässe den thönernen
an Schönheit voranstehen. Die Broncekannen mit den hohen,
graziös geschwungenen Henkeln gehören in der That zu den
schönsten antiken Geräthen, die existiren.
Wir können nach unserem Material Giesskannen alten
und jüngeren Styls unterscheiden. Doch nur in etruscischen
. Arbeiten, auf die wir ja überhaupt wegen der Ärmuth der
griechischen Gräber fast ausschliesslich angewiesen sind.
Am fühlbarsten ist der Unterschied älterer und jüngerer
Bildung an den unter 597 — 599 einerseits und 606 — 608
andererseits aufgeführten Kannen. An jenen ist alles
starrer und strenger, an den späteren sind die Formen be-
lebter und schwungvoller. Diese sind nämlich bauchiger, so
dass ihr Contour eine bewegtere Linie bildet, während jene
gleichförmiger ohne starke Ausladung anwachsen. Der Hals
bildet an jenen ein starres, kaum geschwungenes Profil, hier
ist er stärker, hohlkehlenartig eingezogen, am fühlbarsten aber
ist die Verschiedenheit der Mündung, indem dort die auf-
wärts gerichtete Tülle sich in starrer gerader Linie lostrennt,
während hier alle Linien abgerundet sind, so dass die Klee-
blattform der Mündung entsteht, die zugleich so praktisch ist,
indem sie alles Uebergiessen verhindert und in höchstem
Maasse elegant aussieht. Endlich bleibt noch die Verschieden-
heit des Henkels zu erwähnen, der dort ganz einfach und
streng gehalten ist, während er sich hier in graziöser
Schwingung über das Gefäss erhebt.
Diese elegantere Form der Giesskanne war in Griechen-
land bereits im fünften Jahrhundert üblich, wie aus den Vasen-
bildem hervorgeht. Sie hat sich Jahrhunderte lang gehalten, in
Pompeji und Herkulanum kommt sie noch ganz unverändert vor.
a. Etruscische Kannen älteren Styles.
597. Kanne, aus dem Besitz Bellori's. A. 4. H. lOVg"*
Der Henkel läuft oben in Widderköpfe aus, unten in
einen menschlichen Kopf, der von Schlangen umringelt ist,
unter denen sich die Palmette befindet
Friedericbs, Berlin^s Antike Bildwerke II. XO
146 Etruscische Kannen älteren Styles.
Abg. ßeger, thes. Brand. III, 302, der irrthümlich ein Gefäss des
ägyptischen Cultus zu erkennen glaubt. Vgl. die in Mus. Greg. I, 4, 1
publicirte Kanne. Auch in Nocera ist eine solche Kanne gefunden.
Bullet, archeol. napolet. N. S. V, 3.
598. Desgl., 1865 aus dem Verkauf der Sammlung
Pourtal^s erworben. 3544. H. 9".
Der Henkel läuft unten in eine Palmette aus, über wel-
cher, ähnlich wie bei n. 597, Schlangen emporragen.
599. Desgl., Fragment Nur Hals und ein kleines, mit
feinen Verzierungen bedecktes Stück des Bauches sind er-
halten.
b. Aehnliche Kannen älteren Styles, sämxntlich
etruscisch.
6(X). Kanne mit kleeblattförmigem Ausguss und fein ver-
ziertem Fuss. Der Henkel läuft oben in drei Löwenköpfe,
unten in eine von Schlangen überragte Palmette aus. H, d^JJ'.
Diese Kanne stimmt mit der im Mus. Greg. I, 7, 1 oder I, 3, 1*
publicurten.
601. Desgl., von derselben Form. Der Henkel läuft
oben in einen von Widderköpfen umgebenen Löwenkopf aus;
auf der unteren Attache ist eine aus Voluten sich erhebende
Palmette in graffito angebracht H. 8^/4".
602. Desgl., in der Form etwas schöner, weil sie nach
unten spitzer zuläuft, wodurch mehr Bewegung entsteht. Der
Henkel wird durch eine nackte Jünglingsfigur gebildet, die
auf einer von zwei Büsten überragten Palmette steht und sich
nach hinten überbiegt, etwa wie Einer, der kopfüber schlagen
will. Am Bande des Gefässes sitzen zwei nicht näher be-
stimmbare Figuren. H. 14".
c. Kannen von etwas anderer Form, älteren
Styles und speciflsch. etruscisch.
603. Kanne aus Cometo. Sanmilung Dorow. 514.
H. T^/s".
Diese und die folgende Kanne sind ebenfalls etruscische
Fabrikate, wie die Tülle, die ähnlich gestaltet ist wie an
Die Löffel. 147
n. 597 ff. und der kantige Contour beweist Auch an den
griechischen Yasenformen lässt sich bemerken, dass im alten
Styl kantige Uebergänge von einem Theil der Vase zum andern
vorkommen, während der elegante Styl alle Kanten abrundet,
so dass der Contour der Vase durch eine ununterbrochene
und weich geschwungene Linie gebildet wird.
Vgl. die im Mus. Gregor. I, 4, 1 abgebildete and die ähnliche aus
Nocera, Bullet, archeol. napol N. S. V, 8.
604. Desgl., von derselben Form, etwas zerfressen.
Koller'sche Sammlung. 334. H. S^IJ'.
605. Desgl., von derselben Form, aber aus einer späteren
Entwickelung, indem das Kantige hier abgerundet erscheint.
Der Henkel hat feine Verzierungen, er sieht wie eine Flechte
aus und legt sich mit einer Palmette, in deren Mitte sich eine
Eichel befindet, an den Bauch des Gefässes an. H. 13^/^".
d. Kannen eleganteren Styles.
606. Kanne eleganten Styles, die nach ihrer Form so-
wohl griechisch als etruscisch sein könnte. Sie ist an mehre-
ren Stellen verbogen. H. 12^ 1^"»
Vgl. die übereinstimmenden Kannen im Mus. Greg. I, 6, 1. 8, 1^» etc.
607. De Sgl, aus Corneto. Dorow'sche Sammlung. 518.
An einigen Stellen beschädigt. H. B'/g"»
608. Desgl. Aeltere Sammlung. A. 5. H. IOV4".
3) Essgeräth.
a. Löffel.
Die gewöhnlichste Classe von Löffeln, die man in den
Museen findet, sind die für Eier und zugleich für Schaal-
thiere bestimmten. Es sind Löffel, die an der einen Seite
eine kleine Schaale, bald rund, bald von der Form unserer
Theelöffel haben und am anderen Ende in eine oft ganz
scharfe Spitze auslaufen. Diese Kennzeichen werden hin-
reichen, um sie mit dem cochlear zu identificiren^ welches
Martial (14, 121) sich so charakterisiren lässt: Sum cochleis
habilis, sed nee minus utilis ovis. Das Löffelchen an dem
10»
148 Die Löffel.
einen Ende dient nämlich zum Ausessen der Eier, die Spitze
am entgegengesetzten Ende zum Herausholen der Schaalthiere
aus ihren Gehäusen.
An vielen dieser Löffel ist die Schaale vermittelst eines
kleinen Knies an den Stiel angesetzt, wir wissen nicht, ob
hierbei irgend ein praktischer Grund maassgebend war.
Es ist natürlich, dass diese kleinen Eierlöffel sich in
leisen üebergängen mit anderen etwas grösseren, für andere
Zwecke bestimmten Löffeln berühren und es wird daher in
jedem einzelnen Fall nicht möglich sein, eine bestimmte Ent-
scheidung zu geben.
G. Pagano, la ligula ossia quell' istrumento da tavola dl cui gli
antichi facevan uso invece della nostra forchetta, Napoli 1830 will nach
dem Bericht im bullet, d'inst. 1830, p. 223 diese kleinen Löffel mit
der ligula identificiren und meint, dass eben die Spitze derselben die
Gabel ersetzt habe. Aber die Türken beweisen, dass man 'solchen Er-
satz nicht braucht und Martial widerspricht in der Benennung. In den
Antiq. du Bosph. Cimm. zu Taf. 30, wo ein solcher Löffel aus Silber,
in einem scythischen Grabe gefunden, abgebildet ist, wird auf Grund
der daran befindlichen, griechisch geschriebenen Inschrift Vale vermuthet,
er habe zu medicinischen Zwecken gedient. Allein die Richtigkeit der
Lesung, die ich bezweifele, vorausgesetzt, so würde die Inschrift doch
auch ebenso gut mit dem von mir angenommenen Zweck, den übrigens
auch schon Andere, wie z. B. Becker, Gallus III, p. 276 vorausgesetzt
haben, stimmen.
609. Eierlöffel, versilbert, 1846 am Rhein gekauft.
2919. Der Schaft dieses Löffelchens ist kannellirt und an
diesen kannellirten Theil schliesst sich die Spitze an. L. 5".
610. DesgL, einfacher, aber ganz mit der Spitze er-
halten. Sammlung Minutoli. L. 4".
611. Desgl. Aeltere Sammlung. M, 8. L. 3", Ab-
gebrochen.
612. DesgL Aeltere Sammlung. M. 9. L. 2V2". Ab-
gebrochen.
613. DesgL, 1846 aus dem Nachlass des Obristlieutenant
Schmidt erworben. Abgebrochen. 2862. L. 372"-
614. DesgL Sammlung MinutolL M. 4. L. 31/2"- Ab-
gebrochen.
615. Desgl., ganz erhalten und kannellirt. Von Silber.
Aeltere Sammlung. M. 6. L. b^lJ*.
i
Die Löffel. 149
616. Desgl., ganz erhalten, aber verbogen. Sammlung
Bartholdy. D. 82.
617. 618. Zwei desgl., zusammen mit n. 609 gekauft.
Sehr fragmentirt. 2919.
619. 620. Zwei desgl., fast ganz erhalten.
620*- Desgl., ohne Stiel, 1863 vom Obristlieutenant
Senckler erworben und in Trier gefunden. 3490.
621. Desgl., 1846 gekauft. 2884. Dieser und die 3
folgenden Löffel könnten auch zu anderem Zweck gedient
haben, da die Schaufeln zum Eieressen fast etwas zu breit
zu sein scheinen. L. 6".
622. Desgl. KoUer'sche Sammlung. 584. L. 6".
623. Desgl. Sammlung Minutoli. M. 3. L. ö'/g"*
624. Desgl., die Spitze halb verloren.
Esslöffel oder Suppenlöffel sind nicht viel aus dem
Atterthum auf uns gekommen, doch sind ihrer mehrere von
Silber in Pompeji gefunden.
In der casa del Centauro wurden 1829 13 silberne Löffel gefunden,
sechs kleine und sieben grosse, deren Griff meist in einen Ziegenfuss
ausläuft. Bull. 1829, p. 146.
625. Esslöffel. Koller'sche Sammlung. 583. Die Pa-
tina dieses Löffels sieht sehr bedenklich aus. L. 5^/^".
626. Anders gestalteter Löffel, die Schaale ist mit
einem Knie an den Stiel gesetzt und lancettförmig. Aeltere
Sammlung. M. 1. L. T^V'.
627. Löffel von Zinn, mit runder Schaufel Aeltere
Sammlung. M. 2. L. 5".
628. Löffel von einer weissen mit Bronce überzogenen
Masse, der platte Stiel fast ganz verloren. Sammlung Minu-
toU. M. 5. L. 2%''.
629. Kleiner Löffel, 1841 aus dem Nachlass des
Generals von Rauch erworben. 2654. L. 4^4"«
150 I^^ö Gabeln. — Die Zahnstocher.
Der Löffel hatte wahrscheinlich einen eisernen Griff, der
nicht erhalten ist.
b. Gabeln.
Gabeln sind sehr selten und es scheint mir noch zweifel-
haft, ob diejenigen, welche vorhanden sind, in derselben Weise
gebraucht sind wie die unserigen, denn man ass gewöhnlich
mit den Fingern. Eine in England gefundene Gabel, die zu-
gleich als Löffel diente — denn an der einen Seite des Ge-
räthes ist eine zweizinkige Gabel, an der änderen ein Löffel
angebracht — könnte am ersten den Gebrauch der Gabel, in
unserem Sinn beweisen, andererseits aber giebt es auch eine
andere Verwendung der Gabel, wie ein merkwürdiger,, im
Kgl. Museum vorhandener Terrakottafries zeigt. Auf diesem
Fries sind nämlich lauter sakrale Geräthe dargestellt, ein
Augurstab, Opfermesser, Weihwedel, eine Priestermütze, ein
bindenbehangener Ochsenschädel und endlich eine fünfzinkige
Gabel, die nothwendiger Weise im Cult gebraucht sein muss^
vielleicht zur Fleischvertheilung. Ob nun die vorhandenen
Gabeln in der einen oder anderen Weise gebraucht sind^
müssen wir dahingestellt sein lassen.
Die englische Gabel ist abgebildet bei Smith, Collect, antiq. IV^
pl. 16. Vgl. p. 62, wo die in England gefundenen aufgezählt werden,
von denen mehrere erst dem 8. oder 9. Jahrhundert, eine aber aueb
römischer Zeit angehören soll. Zwei antike Gabeln bes«88 Kestner,
bullet, d'inst. 1846, p. 95. Dann hat Graf Caylus, Recueil III, pl. 84
eine zweizinkige aus einem römischen Grabe publicirt und eine fünf-
zinkige ist in Pästum gefunden. Rieh, Illustrirt. Wörterbnch der rö-
mischen AUerth. s. v. FasciRuIa.
630. Gabel mit zwei Zinken, deren Griff in eine kleine
nackte weibliche Figur ausläuft. Etruscisch. Aus Gerhardts
Nachlass 1869 erworben. 18. L. 5".
631. Desgl.,. ebendaher. L. 5".
c. Zahnstocher.
Ob die Alten Zahnstocher von Bronce hatten, ist zwar
aus schriftlichen Nachrichten, so viel wir wissen, nicht zu
entscheiden, indessen doch wohl wahrscheinlich. Sie kannten
wenigstens metallene Zahnstocher, wie Trimalchio bei Petro-
nius einen von Silber hat. Jedenfalls lässt es sich sehr wahr-
-.1
Die Schöpflöffel. 151
scheinlich machen, dass die im Folgenden aufgeführten bron-
cenen Geräthe Zahnstocher sind. Man fand nämlich in einem
englischen Grabe zwei solcher Geräthe nebst einem Ohrlöffel
noch an dem Ringe hängend, an dem sie getragen wurden,
und eben diese Nachbarschaft des Ohrlöffels lässt an der Be-
stimmung dieser Geräthe, für die sie übrigens auch sehr
praktisch eingerichtet sind, nicht zweifeln, so wie man auch
noch heutiges Tages Ohrlöffel und Zahnstocher zusammen
trägt.
Vgl. Smith, Collect, antiq. VI, pl. 34 (der übrigens die Zahnstocher
für Nadeln erklärt) und IV, 16, wo sie in ganz ähnlicher Gesellschaft
vorkommen.
632. Zahnstocher, nach oben zum bequemeren An-
fassen und der Festigkeit wegen allmählich breiter werdend
und in der Spitze durchbohrt, weil an einem Ring getragen,
wie die an der citirten Stelle abgebildeten. L. SV*"«
633. Desgl., ganz übereinstimmend. L. S^*"«
4) Trinkgeräth.
a. Schöpflöffel.
Die Geräthe, die wir im Folgenden zusammenstellen, sind
unseren Punschlöffeln zu vergleichen und dienten dazu, aus
tiefen Krügen den Wein herauszuschöpfen. Dieser Zweck er-
klärt die Form derselben und die Form rief wieder das Or-
nament des Henkels hervor. Fast jeder dieser Schöpflöffel
läuft nämlich in einen Schwanenkopf aus, welches Ornament
offenbar durch die gleichsam langhalsige Form des Geräthes
hervorgerufen ist.
In römischer Zeit scheinen die langhenkeligen Schöpf-
löffel, die man auf den griechischen und etruscischen Denk-
mälern sieht, verschwunden zu sein. Auf römischen Altären,
auf denen der Schöpflöffel unter anderen Opfergeräthen nicht
selten vorkommt, entsinne ich mich immer nur solcher mit
kurzem Griff, wie z. B. mus. borb. VI, 57, gesehen zu haben,
und dasselbe gilt für das profane Leben der Kömer, wofür
das pompejanischc Bild mit den zechenden Amoren und
Psychen bei Zahn III, 51 als charakteristisches Beispiel an-
geführt werden kann. Auch unter den Hildesheimer Silber-
gefilssen befindet sich ein solcher kurzhenkeliger Schöpflöffel.
152 Die Schöpflöffel.
Dass übrigens auch das Trinkgeräth ebenso wie das
Essgeräth in Gräbern gefunden wird, bedarf wohl kaum mehr
der Bemerkung.
634. Etruscischer Schöpflöffel, aus Vulci, 1841
durch Prof. Gerhard gekauft. 2699.
Das Geräth ist aufs Zierlichste ornamentirt. Unten an
der leider etwas zerstörten Schaale bemerkt man aufstrebende
Palmetten, die am Rande durch ein Bandgeflecht zusammen-
gehalten werden. Das Verbindungsglied zwischen Henkel und
Schaale ist mit einer Sphinx und andererseits mit einem Jüng-
ling verziert, der einen Stab und wie es scheint, einen Apfel
trägt, übrigens mit der Sphinx wohl in keiner Verbindung
steht. Am Schluss des Henkelschaftes ist ein sowohl nach
oben wie nach unten weisendes Blüthenornament. Die Spitze
des Henkels ist abgebrochen. L. 10".
635. Desgl. Die Schaale ist am Rande mit einem Ge-
flecht verziert, am Verbindungsglied ist einerseits eine Sphinx,
andererseits ein Tänzer mit Castagnetten in den etrusciscb
verrenkten Händen dargestellt. Am Schluss des Henkelschaftes
ist ein ähnliches Ornament wie oben angebracht und statt in
eine, läuft dieser Löffel in zwei Spitzen aus, die mit Hirsch-
köpfen verziert sind. L. lO^j^".
636. Desgl., ganz einfach, in zwei Schwanenköpfe aus-
laufend. Aus Corneto. Dorow'sche Sammlung. 525. L. 9".
637. Desgl., mit einem Schwanenkopf. Ebendaher. 526.
L. 8»//'.
638. Desgl. Fragment. Am Henkelschluss ist ein nack-
ter Jüngling mit einem Diskus in der Hand dargestellt. Aus
Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 67.
639 — 643. Fünf desgl., von der griechisch-etruscischen
Form. n. 639 aus der Sammlung Bellori. B. 27. n. 640 aus
der Sammlung Bartholdy. D. 9. n. 641 — 643 aus der KoUer'-
schen Sammlung. 405. 406. 407. L. von IOV4" bis 12".
Der Griff des letzten läuft in einen blossen Eiiopf ans,
alle anderen sind mit einem Schwanenkopf verziert.
D. 639 ist bei Beger im thes. Brandenburgicus III, 456 abgebildet.
Das Weinsieb. I53
644 — 647. Vier desgl., aus der JKoller'schen Samm-
lung. 401 — 404. Diese Löffel unterscheiden sich durch die
tiefere Schaale von den vorigen. Die Henkel von allen laufen
in Schwanenköpfe aus. L. 16" bis 208/8".
648. Desgl., bedeutend kleiner. Die Spitze des Henkels
fehlt. KoUer'sche Sammlung. 408. L. ö^/g".
Dieser Schöpflöffel ist nach dem in der Einleitung Be-
merkten für römisch zu halten.
648*- Henkel eines Schöpflöffels aus der Samm-
lung Bartholdy. D. 10.
648^- Desgl., aus der Sammlung Koller. 487.
648®- Fragment eines solchen mit Schwanenkopf, bei
Cleve gefanden. K. 10. Aus der Sammlung lilinutoli.
b. Weinsieb.
Es war im Alterthum Sitte, dass man den Wein nicht
unmittelbar, sondern durch ein feines Sieb in den Becher
goss, um den Bodensatz zurückzubehalten. Griechische Vasen-
bilder und etruscische Wandgemälde zeigen den Aufwärter
nicht selten mit einem den hier aufgeführten entsprechen-
den Siebe in der Hand.
649. Weinsieb, etruscisch, 1848 von Prof. Gerhard
gekauft. 2965.
Genau ebenso geformte Siebe, auch mit demselben,
schlangenförmig gewundenen Henkel, sieht man auf etrus-
cischen Wandgemälden. Die Kleinheit des Siebes zeigt, dass
es nur für ein kleines Geräth, Becher oder Schaale, be-
rechnet war. L. 11%". Durchm. 5".
650. Desgl., ganz übereinstimmend. KoUer'sche Samm-
lung. 389. L. 12%". Durchm. öVs"-
651. Desgl., 1848 von Professor Panofka für das Mu-
seum angekauft. 2960. L. 11". Durchm, 5%".
Der Griff dieses nicht zum Besten erhaltenen Siebes ist
kunstreich verziert. Er läuft in einen Schwanenkopf aus,
unter welchem sich in Eelief eine mit geflügelten Füssen
154 ^^^ Weinsieb.
davoneilende Meduse — ein dem alten Styl sehr gewöhn-
licher Typus — befindet. Der Schaft des Henkels ist mit
Streifen versehen, auf deren mittlerem eine Keule angebracht
ist Auf der Rückseite am Henkelschluss befindet sich eine
nicht mehr in allem Detail deutliche Vorstellung. Man unter-
scheidet noch eine keulenschwingende Figur und, am Boden
liegend, vermuthlich ein Thier mit Tatzen.
652. Desgl., wir wissen nicht, ob etruscisch oder grie-
chisch-römisch. L. 10 Vs"- !>• 5"-
Der Henkel läuft in einen Schwanenkopf aus, und ist
an beiden Seiten mit einem fein eingravirten Palmetten- und
Volutenomament verziert. Der Boden des Gefässes ist re-
staurirt.
653. Desgl., ganz übereinstimmend. Auch hier scheint
der Boden restaurirt zu sein. L. 10^/4". D. öVg"«
654. Desgl., ganz übereinstimmend, nur etwas grösser.
Boden restaurirt. L. 98/4". D. 41/2".
655. Desgl., einfacher, ohne Ornamentik. Die Spitze
des Henkels ist nicht erhalten. L. 8^/4". D. 4,'^! 2"'
656. Desgl., mit einem Ring zum Aufhängen oben am
Henkel, 1841 von Prof. Gerhard gekauft. 2706. Etwas zer-
brochen. L. llVs"- !>• öVs"-
657. Kleine;* es Sieb mit zwei Henkeln, die sehr
graziös durch stark gekrümmte Schwanenköpfe gebildet werden.
Das Gefäss spitzt sich trichterförmig zu, über dem Trichter
aber liegt das Sieb. Der Trichter hat übrigens einen Fuss,
so dass das Gefäss auch hingestellt werden konnte. Einer
der Henkel ist nicht ganz erhalten. Aus der Sammlung
Pourtal^s 1865 gekauft. 3549. D. 4".
658. Desgl., sehr zerstört und in Gyps restaurirt,
übrigens fast ganz mit n. 657 übereinstimmend. D. 474".
659. Desgl. KoUer'sche Sammlung. 396. Mit zwei
Henkeln, die. in Schwanenköpfe auslaufen. Der Boden ist
restaurirt. D. 3%".
^ ?i
Die Weinkannen. I55
660. Desgl. Ebendaher. 395. Die Henkel sind ein-
fach ringförmig, einer derselben nebst dem Boden fehlt.
D. 31/2".
661. Desgl., mit einem in einen Kehkopf auslaufenden
Henkel. Der Boden scheint restaurirt. Aus der Sammlung
Pourtal^s 1865 angekauft. 3548. D. 38/4".
661*- Ein ähnliches Henkelpaar, 1844 aus dem
Nachlass des Prof. Rösel erworben. 2795 e. f.
c. Weinkannen.
Schon oben ist bemerkt, dass alle kleineren Kannen unter
den Weingeräthen aufgeführt werden würden, weil sie nur
hier ihre Erklärung fänden. Die grosse Mehrzahl derselben
hat offenbar für den täglichen Hausbedarf gedient, denn es
scheint, dass man den feineren Wein, wenigstens bei den
Römern, aus verschlossenen Glasflaschen, den -gewöhnlichen
dagegen eben aus solchen Kannen trank. Bei Gelagen scheinen
wohl nur grössere Kannen in Gebrauch gekommen zu sein,
denn nach den Denkmälern war es nicht Sitte, dass jeder
Gast seine besondere Kanne vor sich hatte. Doch sieht man
auf dem Schenktisch eines etruscischen Gelages, das in einem
Grabe zu Orvieto dargestellt ist, eine grössere Anzahl solcher
Kannen in verschiedener Grösse, deren Zweck uns nicht deut-
lich ist.
Die pompejanischen Kannen haben den altetruscischen
oder altgriechischen Typus bis auf eine Kleinigkeit bei-
behalten. Die Tülle nämlich, die bei jenen spitz, blattförmig
zuläuft, ist hier durchaus abgerundet. Dieser Unterschied
gilt auch für die grössere Kanne, vielleicht übrigens nur für
den älteren Styl.
662. Kleine Kanne mit kleeblattförmigem Ausguss,
aus Bomarzo. Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben.
Etruscisch. H. 48/4".
662*- Desgl., so klein, dass sie vielleicht als Kinder-
spielzeug gedient hat. Aus Cometo. Der Henkel fehlt. Samm-
lung Dorow. 513. H. 2''. D. l^".
662^- Desgl., etwas grösser, mit Henkel. Sammlung
Koller. 344. H. 3V4''. D. 2V8".
156 ^^® Weinkannen.
663. Desgl., römisch. Am Henkelschluss über der Pal-
mette eine Sirene mit vier Flügeln und einer Binde, die zu
beiden Seiten auf die Schulter herabhängt und in Kupfer
eingelegt ist. Auch über der Sirene sind noch einige von
Silber und Kupfer eingelegte Ornamente. Schönes Exemplar.
H. 78/4".
664. Desgl., aus der Koller'schen Sammlung. 342.
Sehr fein ornamentirt. Es ist eine Art feiner Kannellirung auf
dieser Vase angebracht, wie sie an den grossen Marmorvasen,
auch an den schwarzen Thonvasen körperlicher, runder, effect-
voller angebracht zu werden pflegt. Hier sind es flach auf-
liegende Streifen, die theils vom Fuss, theils vom Hals in
entgegengesetzter Richtung ausgehen und nur den Zweck haben,
die Form zu beleben, indem sie Richtung und Bewegung hinein-
bringen. Da wo die von unten und oben ausgehenden Streifen
sich treffen, ist sehr schön ein Bandgeflecht umgelegt, das
der sich ausbreitenden Richtung jener Streifen gleichsam ent-
gegenwirkt und das Ganze zusammenhält. H. 6''.
665. Desgl., Aeltere Sammlung. A. 8. H. 6^1^*'.
Der obere Theil des Henkels ist mit einem Löwenkopf,
an dem die Hand beim Einschenken eine Stütze hat, der
untere mit einer Löwentatze verziert.
Abg. Beger, thes. Brand. III, 392. Diese Kanne und die folgende
stimmen fast ganz mit der im Mus. borb. IV, 43, 1, 2 publicirten und
vermuthlich aus Pompeji stammenden überein.
666. Desgl., fast ganz übereinstimmend. Sammlung
Bartholdy. H. 6^8^. D. 12".
667. Desgl. Aeltere Sammlung. A. 7. H. 6^/4^
Oben ist der Henkel mit einem Löwenkopf, unten mit
einer Maske verziert.
668. Desgl. KoUer'sche Sammlung. 343. H. 4%".
Am Henkelschluss war eine geflügelte Figur, vermuth-
ich eine Sirene, von welcher nur der Kopf erhalten ist.
669. Desgl. KoUer'sche Sammlung. 341. H. 5^/3 ". Der
Henkelschluss ist mit Ranken verziert, ähnlich wie an n. 665.
666.
Die Weinkrug^e. 157
670. Desgl., mit einer Kindermaske als Henkelschluss.
Oben am Henkel erhebt sich aus einem Kelch ein Schwan,
dessen Kopf dazu diente, um die Hand beim Einschenken zu
stützen. H. 58/4".
Weinkannen von etwas anderer Form.
671. Kanne, in der Form einer Ente ähnlich. KoUer'sche
Sammlung. 360. L. o^/J'. H. 6".
Diese Form ist sowohl aus etruscischen als aus pompe-
janischen Funden bekannt, und es scheint, als ob sie einer
Ente nachgebildet wäre. Wir gestehen übrigen^, dass wir die
von der Mündung herabhängenden vorstehenden Streifen nicht
zu erklären vermögen.
Gefässe in Thierform sind namentlich in Terakotta sehr
häufig und es könnte leicht diese Kanne nach einem solchen
Gefäss in Entenform imitirt sein.
Vgl. Mus. borb. II, 47.
672. Desgl., von anderer Form, auf drei Füssen in Form
von Tatzen stehend. Der Griff läuft unten in eine Silensmaske
aus, oben in einen Greifenkopf, an den sich zu beiden Seiten
Enten- oder Gansköpfe anschUessen. KoUer'sche Sammlung.
333. H. 8V2''-
673. Desgl., etwas bauchiger. Aus der Sammlung Bellori.
A. 10. H. 68/4".
Der Henkel ist nicht durch das Loth befestigt, sondern
durch Bänder, die durch den Rand der Vase hindurchgehen.
d. Weinkrüge.
Die Bestimmung des Zweckes der Geräthe ist auch hier
wie überall sehr schwer. Doch liess sie sich in einigen
Fällen sicher machen, indem alte Nachrichten zu Hülfe kamen
oder auch die Formen selbst ihren Zweck so entschieden
aussprechen, dass kein Zweifel möglich war. Endlich ent-
schied auch manchmal die Ornamentation, denn man wird
wenigstens bei sorgfältiger gearbeiteten Gefässen eine aus. dem
Kreise des Bacchus genommene Ornamentik nicht für will-
kürlich halten dürfen.
158 ^iö Weinkrüge.
674. Amphora; gefunden 1849 bei Schwarzenbach im
Fürstenthum Birkenfeld, mit der Böcking'schen Sammlung 1858
angekauft. H. 148/4". D. 12".
Man fand diesen Krug mit verbrannten Knochenresten
gefüllt, doch ist wohl nicht zu bezweifeln, dass er ursprüng-
lich nicht zur Aschenurne bestimmt war. Seiner Form nach
könnte er sowohl für "WasseV als für Wein bestimmt gewesen
sein, denn für beide Zwecke sieht man Krüge derselben Ge-
stalt auf den Denkmälern verwendet, allein, da er einen Deckel
hat, so ist es wahrscheinlicher, dass er ein Weinkrug sein
sollte. Man kann sich hierfür auch auf die Yerzierungen
unter den Henkeln berufen, welche Silene darstellen, deren
einer aus einem Becher trinkt, während der andere die Syrinx
spielt. Denn es ist bei einem so fein ausgeführten Geräth
wohl vorauszusetzen, dass die Ornamente mit Bewusstsein ge-
wählt sind.
Die Verzierung dieser Yase ist eine an Vasen derselben
Form sehr gewöhnliche. Denn gerade an fusslossen, wie
hängende Körper gestalteten Vasen, ist eine Omamentation
gewöhnlich, die sich nur vom Hals bis über die Henkel er-
streckt, so dass der grössere Theil des Gefässes ganz glatt
bleibt Auch unter den bemalten Vasen der gleichen Form
findet sich an der bezeichneten Stelle ein Bildstreifen, wäh-
rend alles üebrige unbemalt bleibt. Sichtlich haben die
Thonmaler in diesem Punkt die älteren Produkte der Metall-
arbeit imitirt. Bei den Broncevasen aber scheint uns eine
Naturanalogie die Art dieser Omamentation zu erklären. Das
Geräth ist sichtlich nach dem Vorbild eines hängenden Körpers,
einer Frucht, gebildet. "Wir glauben, dass die Eichel, die in
der ganzen etruscischen Ornamentik, namentlich in den Gold-
arbeiten, eine so grosse Rolle spielt, auch hier das Vorbild
abgegeben habe und dass eben darum sich der untere Theil
der Vase glatt und glänzend aus dem oberen rauhen ent-
wickele.
Was aber die Art der Omamentation betrifft, so sind
es Streifen, die man als eine Kannellirung betrachten kann
und welche den Zweck haben, die Formen zu beleben und
gleichsam zu interpretiren, indem sie nämlich die Ausbreitung
des Gefässes versinnlichea Das Band, das sodann umgelegt
ist, wirkt dieser Ausstrahlung wieder entgegen, indem es die
Form zusammenfasst.
Die Henkel sind, was nach dem bei den Gisten Bemerk-
Die Weinkrüge. 15 9
ten nicht mehr auffallen wird; mitten in das Ornament hinein-
gesetzt. Ehe man über ein etwas künstlerisches Arrangement
nachdachte, das Henkel und Ornament in eine organische
Verbindung brachte, schien es viel bequemer, das Ornament
ganz herumzuführen und dann den Henkel an beliebiger
Stelle hineinzusetzen. Auch diese Vase ist eben nichts
Anderes als Fabrikarbeit
Die Gruppen unter den Henkeln sind bereits erwähnt,
an dem oberen Abschluss derselben liegen kleine zusammen-
gekauerte Hündchen, die sehr glücklich in den Raum hinein-
gebracht sind, was auch von den Silenen gilt, deren Stellungen
zugleich durchaus charakteristisch sind.
Die Auffindung eines rein etruscischen Gefässes, das
nach seinem Styl nicht später als im fünften Jahrhundert
entstanden sein kann, diesseits der Alpen, hat manche Er-
klärungen hervorgerufen, die aber zum grossen Theil ganz
unhaltbar sind. Man will diese und ähnliche Funde als einst-
maligen Besitz von Römern deuten, die wie Verres Liebhaber
alter Kunstsachen gewesen und mit ihren Schätzen hier dies-
seits der Alpen gelebt hätten und begraben wären. Aber die
so glauben, haben keine Ahnung von der Ausdehnung, in der
sich etruscische Waare im Norden findet. Wir begnügen uns,
livländische Gräber zu citiren, in denen sich Thonkrüge finden,
die aufs Genaueste mit alten clusinischen Gefässen überein-
stimmen ^).
Andere meinen, die etruscischen Geräthe, die man dies-
seits der Alpen gefunden, seien in der That gar nicht so alt,
als sie «u sein scheinen, sie seien Reproductionen älterer
Fabrikate, die erst in römischer Zeit gemacht seien. Aber
dieser Annahme widerstrebt Alles. Wie unwahrscheinlich
wäre es, da die Blüthe der Kunstindustrie doch nicht etwas
von den Schicksalen des Volkes Unabhängiges ist, dass ein
Volk im Zustande der Unselbständigkeit und des Verfalles
ganz dasselbe leisten sollte, wie während seiner Blüthe! Die
schönen etruscischen Geräthe, die selbst in Athen zur Zeit
des peloponnesischen Krieges, also während der höchsten
Kunstblüthe berühmt waren, konnten gewiss nicht zu jeder
Zeit entstehen, ja die ganze etruscische Kunst ist ein sprechen-
der Beleg dafür, was es für die Kunst ausmacht, ob ein Volk
1) Vgl. Bahr, Die Gräber der Liven, Taf. 21. n. 27.
160 ^i® Weinkrüge.
frei und selbständig dasteht oder von einem anderen unter-
drückt wird.
Das einzig Richtige ist, die im Norden gefundenen etrus-
cischen Geräthe der Zeit zuzuweisen, welche der Styl angiebt,
und anzunehmen, dass damals ein lebhafter Handel bestand,
der sie zu uns führte. Nur durch diese Annahme erklärt
sich, dass die etruscischen Alterthümer im Norden in so
grosser Menge und über so weiten Baum verstreut gefunden
werden.
In Rom, im etruscischen Museum des Vatikans, befindet
sich eine Broncevase aus Vulci, die fast ganz genau mit der
unserigen übereinstimmt und auch den ringförmigen Unter-
satz bewahrt hat, in welchen solche fusslose Vasen hineingesetzt
wurden. An etruscischen Dreifüssen und anderen Geräthen
hat man bereits dieselbe überraschende Uebereinstimmung
zwischen eis- und transalpinischen Funden beobachtet.
•
Abg. von Gerhard in d. Archaeolog. Ztg. 1856, Taf. 86. Vgl. Rhein.
Jahrb. XXIII. XXIV, p. 131, wo derselbe den Silensfiguren an den
Henkeln „altgriechischen Styl" beilegt (!). Ueber den ganzen Fond vgl.
E. aus^m Weerth, Rheinisches Festprogramm zum Winkelmannsfest 1870,
p. 1 ff. Die römische Vase ist im Mus. Gregor. I, Taf. 8, 4 abgebildet.
Ueber die in Deutschland gefundenen Broncen und ihre Herkunft vgl
Lindenschmit, Alterthümer unserer heidn. Vorzeit H, Heft 2, Beilage sn
Tat 1. 2.
674*' Grosse Amphora. Aeltere Sammlung. H. 18^/a".
Die Blätter, womit sich die Henkel an den Bauch an-
legen, sind mit Satyrscenen verziert. Man erkennt deutlich
die langen, spitzen Ohren und das Ziegenfell, desseji Tatzen
um den Hals geknüpft sind.
Abg. bei Beger, thes. Brandenb. III, p. 390, aber seine Abbildung
ist ebenso unbrauchbar wie seine Erklärung, dass die Satyrn Osiris-
statuen seien.
674^- Desgl. Sammlung Koller. 294. H. 9".
Das Gefäss ist krukenförmig und mit zwei zum Heben
eingerichteten Henkeln versehen. Jeder Henkel ist durch je
zwei Silensköpfe angefügt. Das Gefäss ist von griechischem
Styl und sehr schön.
Sogenannte Kühler und Aehnliches.
Die im Folgenden aufgeführten eimerförmigen Geßlsse
haben unzweifelhaft zum Weingeräth gehört, wenn sich auch
Die Weinkrüge. ißl
über das genauere Detail ihrer Verwendung nicht Alles voll-
kommen klar machen lässt.
Es gab nämlich im Alterthum ein Weingeräth, das in
der Form einem Körbchen verglichen wird und seinem Zweck
nach wie ein Mischgefäss benutzt wurde. Man sieht es oft
abgebildet, unter Anderem haben es die Laren in der Hand,
um es aus ihren Hörnern zu füllen, wodurch zugleich die
Bestimmung des Geräthes ausser allen Zweifel gesetzt wird.
Diesen Geräthen entsprechen die unserigen aufs Genaueste.
Schwierigkeit macht aber Folgendes. Das Gefäss hatte
den Namen Kühler und worin dieser Name seinen Grund
hatte, das eben sieht man nicht ein. Wozu, wenn das Ge-
fäss wie ein anderer Mischkrug gebraucht wurde, dieser ganz
specifische Name?
Wir glauben daher, dass dieses Gefäss ursprünglich nicht
den Zweck hatte, selbst den Wein zu enthalten, sondern viel-
mehr diesen, mit kaltem Wasser oder Schnee gefüllt, die
Weinflasche aufzunehmen, um ihren Inhalt kühl zu halten.
Es war mit einem Wort ein Kühlgefäss, und dass es zu
diesem Zweck praktisch ist, beweist wohl hinlänglich die
Thatsache, dass die heutigen * Champagnerkühler fast ganz
dieselbe Form haben.
Dass aber die Alten die Sitte kannten, ihren Wein in
Kühlgefässe zu stellen, beweisen zwei pompejanische Bilder
von Gelagen, auf denen Glasgefässe in beckenförmigen Kühl-
gefässen sichtbar sind. Die letzteren sind freilich von an-
derer Form als die hier vorausgesetzten.
Wir glauben daher, die ursprüngliche, den Namen mo-
tivirende Bestimmung war die, ein Kühlgefäss zu sein, man
gebrauchte aber eben dieselben Gefässe auch zu anderen
Zwecken, vor Allem als Weinkrüge, dann auch zu Blumen
und Früchten und wie auch erwähnt wird, als Milchgefässe.
Ueber diese %pvxT^Q genannte Vasenform hat Ussing in den Annali
1849, p. 139 ausführlich gehandelt, ohne aber die im Text hervor-
gehobene Schwierigkeit zu berühren. Wenn ich ihn recht verstehe,
so bemerkt er, p. 141, dass die auf den beiden pompejanischen Bildern
dargestellten, in Kühlgefassen befindlichen Vasen, die übrigens nicht
von Silber, sondern von Glas zu denken sind, Psykteren seien und die
von den Alten als solche bezeichnete Form hätten, er nimmt also wahr-
scheinlich an, dass diese Vasen darum Kühler genannt worden seien, weil
sie in ein Kühlgeföss gestellt zu werden pflegten. Das aber wäre eben
wunderlich, nicht das Kühlende, sondern das Gekühlte tpvxT^Q zu nennen.
Friederichi;, Berlin's Antike Bildwerke II. 11
162 I^i® Weinkrüge.
675. Weinkrug in Form eines Korbes, mit doppeltem
beweglichen Henkel. Am Hals ein Ornament, das ein ge-
flochtenes Band imitirt. H. 91/2". Ob. D. S^jJ*.
676. DesgL, von derselben Form, mit doppeltem be-
weglichen Henkel. Sammlung Koller. 298. Boden restaorirt
H. 978"- Ob. D. SVs''.
676*- Desgl., von derselben Form, mit einfachem Hen-
kel. Aeltere Sammlung. A. 17. H. 9". Ob. D. 88/4".
677. DesgL, von derselben Form. Sammlung Koller.
295. H. 98/4''. D. SVs''.
Die beiden Henkel laufen in Chamieren, die wie jonische
Kapitelle gestaltet sind, der Art, dass die Spitze des Henkels
das Auge der Yolute bildet. Die Mündung ist mit einem
Eierstab umgeben, an den sich ein feines Blattomament an-
schliesst. Gleich darunter befindet sich auf beiden Seiten
des Gefässes ein sehr feines flaches Belief, Yictoria auf einem
Tigergespann, von denen leider das eine fast ganz zerstört
ist. Der untere Band ist wieder mit einem Eierstab, der
aber eine dem oberen entgegengesetzte Bichtung hat, ein-
gefasst, und getragen wird das Gefäss von drei zierlichen
Sphinxen.
Das Gefäss ist von rein griechischem Styl der besten
Zeit. Die Zartheit und Eleganz der Ornamente ist bewun-
dernswürdig.
677»- Eimerförmiges Gefäss mit Hals, 1869 auf dem
Blumenthal'schen Bittergute Segenthin im Kreis Schlawe in
Pommern gefunden. 3764.
Das Gefäss scheint als Weinkühler gedient zu haben,
jedenfalls war es nach den Ornamenten ein Wassergefilss.
Der Henkel ist nicht erhalten, aber man sieht noch die
Stellen, wo er angelöthet war.
Höchst merkwürdig sind die Yerzierungen und besonders
die Technik, in der sie ausgeführt sind. Das Gefäss wurde
nämlich zuerst auf seiner ganzen Oberfläche versilbert, so-
dann wurden Figuren und Ornamente eingravirt, erstere meist
durch fortlaufende Linien, letztere durch blosse Punkte und
endlich wurde die Versilberung innerhalb der Contouren
wieder weggenommen, so dass der Kupfergrund zum Vor-
schein kam.
Die Weinkrüge. 163
Der Hals hat zwei Reihen von Ornamenten, oben einen
Wein- und unten einen Olivenkranz. Der Bauch hat deren
<lrei. Zuerst kommt ein schmales Band mit Zickzackverzierung,
dann der breite Hauptstreifen, auf dem zwischen Fischen und
anderen Seethieren abwechselnd drei Tritonen und drei See-
centauren mit Dreizack, Trinkgefäss und Muscheltrompete
dargestellt sind, endlich der untere Saum, der wieder in
einem Olivenkranz besteht.
Das Gefäss ist eins der merkwürdigsten, dass je in
diesen Ländern gefunden ist Nach seinem Styl kann es
nicht jünger sein als das dritte Jahrhundert.
678. Eimerförmiges Gefäss ohne Hals. KoUer'sche
Sammlung. 299. H. 9''. D. 8''.
Die beiden Henkel, die einst vorhanden waren, sind nicht
erhalten. Unter den Charnieren je eine Silensmaske. Das
pefäss ruht auf drei Muscheln.
679. Desgl., von derselben Form. H. 10". D. 8".
Die Henkel sind erhalten und haben Masken des ge-
hörnten Bacchus, wie es scheint, am Schluss. Das Gefäss
ruht auf drei Tatzen, am Rand ein Eierstab.
680. Desgl., dem vorigen in der Form ganz ähnlich.
KoUer'sche Sammlung. 296. H. 98/4''. D. 8''.
Das Gefäss ist Eimer und Ausgussgefäss zugleich, es hat
nämlich zwei Henkel und eine Tülle zum Ausguss. Gegen-
tiber der Tülle befindet sich ein Griff, der im Verein mit
einem ähnlichen, unter der Tülle befindlichen Griff die Ope-
ration des Ausgiessens sehr bequem macht. Das Gefäss ruht
auf eigenthümlich, etwa birnenförmig gestalteten Füssen, oben
am Rand ist es mit einem Eierstab verziert.
681. Desgl., von etwas verschiedener Form, nämlich
geschweifter, nach unten spitz zulaufend. Aus Chiusi. 1841
von Prof. Gerhard in Italien gekauft. 2672. H. 10 V^". D. 9 V4".
An der einen Seite befindet sich als Henkelschluss eine
Silensmaske, an der anderen der Ausguss in Form einer
Löwenmaske. Am Rand des Gefässes, d. h. nicht unmittel-
bar am Rand, — denn diese Stelle, weil von den nieder-
gelegten Henkeln occupirt, konnte nicht ornamentirt werden
— sondern als Saum um den Rand bei niedergelegtem Henkel
11*
1 64 I^ic Trinkgefässe. — Die Weihrauchgefässe (Thymiaterien).
ist ein Bandgeflecht umgelegt, von dem aber nur wenig noch
zu erkennen ist. Das Gefäss ist vielfach restaurirt.
681*- Desgl., von derselben Form, Der Ausguss kommt
aus einem Thiermaul heraus, auf der anderen Seite läuft der
Doppelhenkel in einer mit einem behelmten Kopf verzierten
Attache. Von Prof. Gerhard 1834 gekauft.
e. Trinkgefasse.
Das gewöhnliche Trinkgefäss bei Griechen und Etruskem
war die zweihenkelige, mit einem Fuss versehene Schale, die
Kylix. Doch waren bei den Etruskern auch henkel- und fass-
lose Schalen in Gebrauch i). Wir meinen nicht Schalen^ die
sich durch den Buckel in der Mitte unterscheiden, sondern
ganz einfache Schalen, an denen nichts Besonderes ist. Ueber
die Form und geschichtliche Entwickelung der Trinkschale
ausführlicher zu reden, versparen wir billig, bis wir an diö
Betrachtung der Thongefässe kommen.
682. Etruscische Trinkschale, ganz einfach. In
Conjeto gefunden. Sammlung Dorow. 520. D. 5*^/g". ^
683. Zweihenkelige Schale (Kylix), 1841 durch Prot
Gerhard in Italien gekauft. 2692. D. 4V4".
Die Henkel sind bereits ein wenig schnörkelhaft und
manierirt, sie stimmen ganz überein mit den Henkeln der
kleinen Thonschalen unteritalischen Styles, mit welchen diese
Schalen wohl gleichzeitig sein mögen.
684. Desgl. Sammlung Koller. 374, genau überein-
stimmend. D. 4c^ls"*
6S5. Desgl., flacher. Sammlung Koller. 375. Der Fuss
ist ergänzt Diese Schale hat im Innern eine Vertiefung.
D. 5".
f. Weüirauchgefasse (Thymiaterien).
Auch diese Geräthe glaubten wir am passendsten unter
den Geräthen des Privatlebens aufführen zu können. Dass
*) Vgl. z. B. Monum. d. instit. VIII, 2. Canina Etrarla maritima^
tav. 64
Die Weihrauchgefässe (Tliymiaterien). 165
das Yerbrennen von Weihrauch eine religiöse Cerenfbnie im
Alterthum war, ist freilich bekannt. Aber auch im Privat-
leben, z. B. bei Gelagen, war es wie bei uns Sitte, wohl-
riechende Substanzen anzuzünden. Die dazu erforderlichen
Geräthe Messen Thymiaterien und sind oft auf antiken Dar-
stellungen abgebildet, so dass wir sie danach unter unseren
Geräthen wieder erkennen können. Sie haben eine gewisse
Aehnlichkeit mit den Candelabem, doch liegt der Unterschied
einmal darin, dass der Candelaber, je nachdem er auf den
Boden oder auf den Tisch gestellt werden sollte, eine
variable Grösse hat und manchmal mannshoch ist, während
das Thymiaterion, mochte es nun auf den Tisch oder auf den
Boden gestellt werden, halbe Mannsgrösse nicht überschreitet.
Der wichtigere Unterschied aber liegt in der Form. Der
Candelaber hat nämlich, wie wir sehen werden, an seinem
oberen Ende Haken zum Anspiessen der Kerzen oder einen
Teller zum Aufsetzen der Lampe oder endlich drittens eine
Schale, an deren Grunde sich ein Dom zum Aufspiessen der
Kerze befindet und die den praktischen Zweck hat, den Ab-
fall vom Licht aufzufangen. Das Thymiaterion dagegen kann
nur in eine Schale auslaufen, die natürlich keinen Dom hat
und zur Aufnahme der duftenden Substanzen dient. Manch-
mal ist diese Schale von einem durchlöcherten Deckel bedeckt,
aus dessen Löchern dann der Rauch entströmte. Ausserdem
aber ist die Form, wenigstens der meisten auf griechischen
Denkmälern dargestellten Thymiaterien dadurch vom Can-
delaber verschieden, dass sie nichts von dem leicht und
schlank Aufstrebenden hat, das für jenen charakteristisch ist.
Der Fuss wird nämlich meistens durch eine dreiseitige Py-
ramide gebildet, ähnlich wie die Füsse der Marmorcandelaber
und der Schaft ist von mehreren flachen, nach unten sich
öffnenden Schalen umgeben, deren praktische Bedeutung wir
nur dadurch motiviren können, dass sie die Hand beim An-
fassen oder Herumtragen vor allen etwa abfallenden brennen-
den Stoffen schützen sollten. Wir gestehen freilich, damit
nicht die Mehrzahl dieser Schalen erklärt zu haben.
Es haben sich fast nur etruscische Thymiaterien er-
halten, die nur selten jene pyramidale Basis der griechischen
haben und gewöhnlich unten candelaberartig gestaltet sind.
Nach etrascischer Sitte sind sie mit Bildwerk reich ge-
schmückt und besonders häufig ist es, dass sie von Figuren
getragen werden. Es lag nahe, so leichte Geräthe kleinen
166 Die Weihrauchg^efässe (Thymiaterien).
Figuren' auf den Kopf zu stellen. Vergleicht man die zu
diesem Zweck gewählten Figuren, so lässt sich nicht ver-
kennen, dass mit Vorliehe Tänzer dazu genommen sind. Esr
ist eine ganz hühsche Idee, den Schaft auf dem Kopf eines
Tänzers oder Gauklers halanciren zu lassen, denn anch im
Lehen machen ja gerade derartige Leute ähnliche Kunststücke.
Ueber das Thymiaterion handeh ausfährlich Stephan! im Compte-
rendu p. l'annee 1860 p. 30, irrt aber, wenn er ibid. Anm. 4 den Unter-
schied zwischen Candelaber und Thymiaterion verwischt. . Ueberhaupt
wird dieser Unterschied oft übersehen, namentlich auch im museo Gre-
goriano. Ein sehr instrnctives Beispiel eines altetruscischen Thymiaterions
ist in den Monum. delP inst. VIII, 2.
686. Thymiaterion, 1848 von Professor Gerhard iir
Italien angekauft. 2967. H. 2' IOV2''.
Die Form ist ganz die eines Candelahers, bis auf die
Schale, die eben das Geräth als Thymiaterion charakterisirt
Die Schale wird durch eine Karyatide gestützt, welche sehr
an gewisse Karyatiden römischer Kunst erinnert. In der
Stellung und Haltung der Arme nämlich ist die Figur archi-
tektonisch streng componirt, aber mit dieser Strenge contrastirt
durchaus die Behandlung der Körperformen, die möglichst
weich und üppig hervorgehoben sind.
687. Etruscisches Thymiaterion, getragen von einer
Herkulesfigur, welche die Keule und einen Rest des Bogens
in den Händen hat An der Ecke der Basis stehen kleine
nackte Männer, die den Gestus der Reverenz machen, der bei
den alten Egyptern üblich war. Wir wissen ihren Gestas
wenigstens nicht anders zu deuten und halten bei der nahen
Berührung zwischen ägyptischer und etruscischer Kunst diese
Annahme für nicht unwahrscheinlich. Die eine dieser Figuren
fehlt bis auf die Füsse, an der anderen bemerkt man Spuren
von Vergoldung, die sich wahrscheinlich aufs Ganze erstreckte.
Die Schale ruht auf einem Blumenkelch. H. lö^/g".
688. Desgl., von einem Silen gestützt, der in der Linken
ein Trinkhom, in der Rechten, wie es scheint, einen Tann-
zapfen (den man auf den Thyrsusstab steckte) trägt. An der
Basis Enten. H. I6V4".
689. Desgl., 1841 durch Gerhard in Italien gekauft.
2667. H. 19%".
Das Thymiaterion tuht auf menschlichen Beinen- (lauter
i
Die Weihraudigefasse (Thymiaterien). 167
rechten Beinen um der Symmetrie willen), welche durch ein
Gewand mit einander verbunden sind. Der Schaft ist spiral-
förmig cannellirt, und ein Affe klettert daran empor, der einen
gefangenen Vogel triumphirend emporhält. Es ist, wie schon
bemerkt, etwas charakteristisch Etruscisches, überall kleine
Figuren anzubringen, die beleben sollen, oft aber auch spie-
lend sind.
690. Desgl., auf Pferdefüssen ruhend, die aus Greifen-
mäulem hervorgehen. H. 16*^/8"
Es ist ein in der etruscischen Tektonik ausserordentlich
häufiges Motiv, durch ein Thiermaul eine neue Entwicklung
anzuknüpfen, gleichsam als habe sich das Thier daran fest-
gebissen.
691. D|esgl. Sammlung Koller 655. H. 16 V2".
Das Thymiaterion ruht auf Pferdebeinen, in der Mitte
des Schaftes, dessen obere Hälfte restaurirt ist, sitzt ein Vogel
und auf dem Rand der Schale sitzen zwei, ursprünglich vier
Tauben. Dies letztere in spät etruscischer Kunst häufige
Motiv ist vielleicht durch das berühmte Mosaik des Sosus
veranlasst, wo Tauben am Rande eines Gefasses sitzend dar-
gestellt waren.V/, n.
692. Desgl., aus Vulci,! 1841 durch Prof. Gerhard in
Italien gekauft. 2669. H. 10".
Dieses kleine Thymiaterion wird von einer weiblichen
Figur getragen, die nach der Bewegung ihrer Arme für eine
Tänzerin zu halten ist. Sie ist in ganz specifisch altetrus-
cischem Stil gearbeitet, namentlich sind auch die unnatürlich
verbogenen Hände für die Etrusker charakteristisch. Auf
ihrem Kopf trägt sie zunächst eine Blume und aus dieser
entfaltet sich dann der Schaft, welcher die Schale trägt. Die
Blume oder richtiger ein Blattkelch ist oft in griechischer
wie etruscischer Tektonik ein vorbereitendes Mittel aus dem
sich die eigentliche Spitze der Sache entwickelt. Büsten ent-
wickeln sich sehr oft aus kelchförmigen Basen, gerade wie
die Blüthe aus ihrem Kelch.
Die Basis der Figur bildet ein dreibeiniges Tischchen.
693. Desgl., fragmentirt. Nur ein Theil des Schaftes
von einer Figur gestützt, ist erhalten. Bei Clusium gefunden.
168 ^i^ Weihrauchgefasse (Thymiaterion).
von Prof. Gerhard 1841 in Italien gekauft 2686. H. 474"
ohne Basis.
Die Figur ist so überraschend graziös^ dass man ihren
etruscischen Ursprung bezweifehi möchte, wenn er zn be-
zweifeln wäre. Sie ist aber eben darum besonders interessant
und wichtig.
Es ist ein Tänzer der mit Castagnetten in der Hand
gerade seinen Tanz beginnt. Das linke Bein ist elastisch
vorgestreckt und der Kopf neigt sich anmuthig wie im Vor-
gefühl der Wonne des Tanzes. In der Schmalheit der Hüften
verglichen mit der Breite der Schultern ist noch ein alter-
thümlicher Zug bemerkbar, aber im Ganzen ist die Figur be-
reits frei entwickelt
Der Schaft, welchen der Tänzer balancire^d auf seinem
Kopf trug, ist nur bis zur Blüthe erhalten, aus welcher sich
dann ganz wie bei n. 692 die letzte Abtheilung des Geräthes
entwickelte.
Der dreifüssige Tisch, in welchen die Figur eingelassen,
ist modern.
693*- Tänzerin in alterthümlichen, etruscischem Stil
mit eng anliegendem Gewände, worüber eine kurze Jacke, auf
welcher Kreuzbänder. Sie hat Krotalen in den Händen. An
dem runden Aufsatz auf dem Kopf sieht man, dass die Figur
ein Geräth, vermuthlich ein Thymiaterion trug. H. 4^/«".
693^- Nackte weibliche Figur mit Bulla und etrus-
cischen Armbändern, in den Händen Castagnetten. Sie trägt
auf dem Kopf einen schräg cannelirten Schaft, auf welchem
ursprünglich vermuthlich die Schale des Thymiaterions be-
festigt war. Die Füsse der Figur sind ergänzt.
694. Thymiaterion, fragmentirt, nur die Basis mit der
Figur ist erhalten. H. 974"«
Auf einer dreiseitigen von Krallen getragenen und mit
kleinen Enten an den Ecken verzierten Basis steht ein nackter
Tänzer oder Gaukler, der sich in einem Kunststück producirt
Er steht nämlich balancirend auf einem Bein und hält in
der ausgestreckten Linken hoch erhoben den Schaft, von
welchem aber nur die Basis erhalten ist. Die Figur ist
specifisch etruscisch, besonders in den eckigen, ungraziösen
Bewegungen. Auch die spitzen Schuhe sind etruscisch.
Die Candelaber. 169
Im cabin. Pourtal^s pl. 40 ist ein genau übereinstim-
mendes; aber vollständig erhaltenes Thymiaterion abgebildet,
wodurch das unserige ergänzt werden kann.
695. DesgL, ganz einfach und von abweichender Form.
Aus Vulci, 1841 durch Prof. Gerhard in Italien gekauft.
2670. H. 8Vs".
Eine breite Schale ruht auf einem dicken, sich nach
oben verjüngenden, nach unten tellerartig ausgebreiteten und
von Krallen getragenen Schaft.
695*- ^- Die oberen Schalen von zwei Thymiaterien, die
beide, wie man an den Resten des Charniers sieht, mit einem
jedenfalls durchlöcherten Deckel versehen waren. Sie stimmen
bis auf die Grösse vollkommen überein. Etruscisch. Aus
Cometo. Samml. Dorow. Durchm. aiS^/^''. b:4'/8".
E. Beleuchtungsapparat.
I) Candelaber.
Hinsichtlich der Candelaber ist ein wesentlicher Unter-
schied zu beachten, sie sind nämlich entweder Lampenträger
oder Kerzenträger. Die ersteren können erst verhältniss-
mässig spät aufgekommen sein, weil die Lampe, wie die Be-
richte der Alten und die Monumente lehren, nicht das älteste
Beleuchtungsmittel ist. Homer kennt sie noch nicht, die Be-
leuchtung im Hause des Odysseus wird dadurch hergestellt,
dass man trockenes Holz aufschichtete und anzündete, wobei
denn immer einer zum Nachschüren dabei stehen musste (Od.
18,307), im vornehmeren Hause desAlkinoos standen goldene
Knaben auf Postamenten mit Fackeln in den Händen (Od. 7,
100), die an erhaltene Candelaber erinnern, an denen der
Schaft des Candelabers durch eine Figur getragen wird. Als
tragbares Licht, womit beim Schlafengehen vorgeleuchtet wird,
diente die Fackel.
Es lässt sich aber nicht genau bestimmen, wann die
Lampe eingeführt ist und man darf nicht glauben, dass die
uns erhaltenen kerzentragenden Candelaber einer der Erfin-
dung der Lampe vorausliegenden Zeit augehören. Vielmehr
170 ^^^ Candelaber.
haben wir aus Etrurien, welchem Lande eben diese Candelaber
angehören, eine grosse reichverzierte Lampe — die von Cor-
tona — welche in Alterthtimlichkeit des Stils mit jedem
Candelaber rivalisiren kann. Es wurden mindestens seit dem
Jahr 500 Lampen neben den Kerzen gebraucht.
Das Material, mit dem wir es hier zu thun haben ist
etruscisch und römisch, Griechenland hat nur sehr wenig
Candelaber geliefert und von diesen wenigen wissen wir nicht
viel mehr als ihre Existenz ^). Die etruscischen Gräber haben
uns dagegen eine reiche Fülle von Candelabern gegeben, die
fast in allen Museen, vorzüglich reich aber im museo Grego-
riano des Vaticans vertreten sind. Diese etruscischen Can-
delaber sind nun fast alle, die älteren unter ihnen ohne Aus-
nahme, Kerzenträger, nicht Lampenträger, während anderer-
seits die pompejanischen und herculanischen Candelaber, die
uns ebenfalls in reicherer Anzahl vorliegen, Lampenträger
sind. Jene senden oben drei oder vier Spitzen aus, an welche
Kerzen angeheftet wurden, was sowohl durch alte Nachrichten,
als auch durch die vor einigen Jahren bei Orvieto entdeckten
etruscischen Wandgemälde, auf denen derartige brennende
Candelaber dargestellt sind, bestätigt wird 2).
Die Candelaber sind ohne Ausnahme gegossen, natürlich
stückweise, selbst der Schaft besteht au grösseren Exemplaren
aus zwei Stücken. Wir betrachten zunächst die etruscischen,
die in der That zu den schönsten Geräthen des Alterthums
gehören.
Der Schaft ruht auf drei Thierbeinen, deren Linie nicht
bloss durch ihre graziöse Bewegung erfreut, sondern auch die
Vorstellung thätiger Kräfte hervorruft, als übten die Füsse,
wie von innerer Lebenskraft beseelt, eine Gegenwirkung aus
gegen die Last des Schaftes. Sie werden zwar niedergedrückt
mit ihrem oberen Theil, verlieren aber doch nicht die Elasti-
cität, den Schaft mit neuer Aufwärtsschwingung leicht und
frei emporzuheben. Man vergleiche das unter n. 689 aufge-
führte Thymiaterion, an dem die Biegung nach unten fehlt,
^) In einem athenischen Grabe hat man einmal zwei silberne Can-
delaber neben der Leiche gefunden bullet. 1838, p. 8. Wo sie geblieben
sind, weiss ich nicht, ich habe in keiner der vielen Sammlungen Athens
einen Candelaber gesehen, Conze und Michaelis haben auf ihrer Reise
durch Griechenland einen gesehen. Annali 1861, p. 63.
^) Connestabile, pitture murali a fresco etc. tav. XI.
Die Candelaber. 171
xm den Unterschied zwischen einer ausdruckslosen und
einer gleichsam beseelten oder organisch belebten, den
Widerstreit von Kräften veranschaulichenden Form nachzu-
empfinden.
Die Verbindung zwischen den Füssen und dem Schaft
wird oft in den schöneren Exemplaren durch darüber gelegte
Blätter vermittelt. Wir bemerkten schon, dass der Blattkelch
analog seiner Funktion in der Natur, auch in der Tektonik
eine neue Entwicklung vorbereitet.
Ehe wir nun die Entwicklung des Schafts verfolgen,
müssen wir noch ein zwischen den Füssen des Candelabers
befindliches Ornament erwähnen, dessen Angemessenheit schon
unter dem blossen Gesichtspunkt der Kaumausfüllung gerade
durch die Vergleichung der kahleren Exemplare einleuchtet,
das aber auch noch eine tektonische Bedeutung hat. Es be-
steht gewöhnlich in seinem unteren freien Theil aus einer
auf den Kopf gestellten, also mit der Spitze nach unten
zeigenden, in schräger Richtung hingestreckten Palmette
und diese Palmette markirt deutlich die Vorstellung des Ab-
laufs. Der obere dem Kern des Candelabers verknüpfte
Theil des Ornaments hat natürlich eine Entwicklung nach
oben hin.
Der Schaft beginnt nun mit einem Ornament, das in den
meisten Exemplaren seinem Sinn nach undeutlich, in einigen
aber noch klar ausgeprägt vorliegt, es sind Kelchblätter mit
überhängender Spitze, die auf die Entwicklung des Schaftes
vorbereiten. Und nun beginnt, indem zugleich die ganze
Entwicklung in der schönsten Abstufung vom Dickeren zum
Dünneren fortschreitet, der Schaft im engeren Sinn wieder
mit einem Ornament von Blättern, die aber ganz verschieden
von jenen sich glatt, schuppenartig an den Stengel anlegen.
Es ist offenbar, dass bei der Erfindung dieses Geräthes, an
die Analogie eines Rohrstengels gedacht ist, der sich ja ähn-
lich aus Blätterumgebung schlank entwickelt, jedenfalls aber
handelt es sich nicht, wie bei den späteren Candelabern, um
genaue Imitation eines Motivs der Natur, sondern es bleibt
bei Anklängen und Analogien. Und namentlich der utiunter-
brochen aufstrebende und cannelirte Schaft — nur weniger
schöne Exemplare haben eine* Unterbrechung und sind un-
cannelirt — hebt das Geräth aus der Abhängigkeit vom Vor-
bilde der Natur heraus. Es bedarf kaum der Bemerkung,
dass der Scliaft wie an der Säule, sich allmählich verjüngt,
172 ^** Candelaber.
wodurch die Schlankheit und Leichtigkeit natürlich erhöht
wird.
Unter den abspringenden Haken, an welche die Wachs-
kerzen angespiesst wurden, bemerkt man häufig eine Scheibe
mit einem nach unten vorstehenden Rand und ausserdem ein
wenig nach unten gewölbt. Offenbar soll sie die Hand^ die
hier bequem anfassen würde, vor abträufelndem Wachs schützen.
Denn man gebrauchte diese Candelaber, wenigstens die klei-
neren, leichter tragbaren auch zum Vorleuchten, wie unsere
Armleuchter. Zwischen den Haken des Candelabers steht fast
immer ein Figtirchen, das nicht bloss als die zierlichste Be-
krönung von ornamentaler Bedeutung ist, sondern wie schon
in der allgemeinen Einleitung bemerkt wurde, als Handhabe,
an welcher der Candelaber getragen wurde, auch praktischen
Werth hat. Die Figürchen haben nämlich häufig abstehende
Arme, um eine bequeme Handhabe für die umfassenden Finger
abzugeben. Natürlich kann dies nur bei leichteren und klei-
neren, halbe Manneshöhe nicht tiberschreitenden Candelabem
der Fall sein.
Die Frage, ob die Erfindung dieser Candelaber den
Etruskern zuzuschreiben ist oder den Griechen, wird schwer
mit Sicherheit zu beantworten sein. Für die Etrusker kann
der schon in der allgemeinen Einleitung erwähnte Umstand
angeführt werden, dass griechische Zeugen aus der Zeit der
höchsten Kunstblüthe die Meisterschaft der Etrusker in allem
Erzgeräth, darunter in der Verfertigung der Candelaber, her-
vorheben und den Gebrauch desselben in Griechenland an-
deuten. Wir besitzen noch Candelaber aus der Zeit, der
diese Zeugnisse angehören, und können somit die Wahrheit
dieses Lobes bezeugen. Andererseits lässt sich nicht läugnen,
dass einem Theil des etruscischen Metallgeräths, z. B. den
schönen Weinkannen griechische Vorbilder zu Grunde liegen,
und es kann daher der Vermuthung, dass es sich mit dem
Candelaber ebenso verhalten möge, kein ernstlicher Grund
entgegengesetzt werden.
j Die Candelaber der zweiten Art sind Lampenträger.
Wie jene durch die etruscischen Funde, so sind diese uns
hauptsächlich aus Pompeji und Herculanum bekannt*). Sie
*) Ganz einzeln hat man auch in Pompeji kerzentragende Candelaber
gefunden, bullet, d. inst. 1841, p. 114.
Die Candelaber. 173
unterscheiden sich vornehmlich durch die Bildung des oberen
Theils, der vasenförmig gebildet und oben durch einen Teller
geschlossen ist, welcher zur Aufnahme der Lampe dient. Im
Uebrigen haben sie die schöne etruscische Form fast ganz
beibehalten, nur dass manchmal die Ornamente zwischen den
Füssen reich dlirchbrochen sind und dass über den Füssen
ein reich verzierter Teller liegt, der den praktischen Zweck
haben mochte, den Fuss zu beschweren, aber weil er die
schlanke Entwicklung des Schaftes aus den Füssen verdeckt^
dem künstlerischen Eindruck des Geräthes nicht gerade vor-
theilhaft ist 2).
Wie beim Thymiaterion, so finden wir auch hier den
Schaft oft von Figuren getragen und die fackelhaltenden
goldenen Knaben in dem Palast des Alkinoos sind wohl das
älteste Beispiel dieses Gebrauchs. In hochalterthümlichem
griechischem Stil ist die Figur eines nackten Jünglings er-
halten, der wahrscheinlich den Schaft eines Candelabers auf
dem Kopf trug^). Sie ist ganz streng componirt und geht
völlig in ihrer tektonischen Funktion auf und in dieser Weise
haben wir uns vielleicht überhaupt die ähnlichem Zweck
dienenden Figuren des alten Stils zu denken. Es konnte
aber nicht ausbleiben, dass die Figur sich allmählich freier
und selbständiger benahm und den tektonischen Zwang durch-
brach, und so finden sich denn auch später manche hübsche
und freiere Motive, namentlich dies, dass die Figur den Can-
delaber tanzend auf dem Kopf balancirt. Endlich löst sich
der Zusammenhang zwischen Geräth und Figur ganz, indem
letztere als Fussbeschwerer einfach daneben gesetzt und so-
mit reine ornamentale Zuthat wird. Dies ist namentlich an
einigen pompejanischen und herculanischen Candelabern der
Fall*).
Aber es wird auch und dies allerdings erst in späterer
Zeit, die ganze Idee des Candelabers verändert, wie. schon
oben angedeutet wurde. Es treten nämlich rein naturali-
stische Motive auf, der Schaft ahmt einen Schilfstengel oder
knorrigen Baum nach und die Lampen hängen wie Früchte
an den Zweigen. Es ist oben die Zeit näher zu fixiren ge-
-') Vgl Bd. I, n. 875-881.
') Die jetzt in Petersburg früher in der Sammlung Pourtales befind-
liche bekannte Statuette.
*) Vgl. die Bd. I. p. 882. 883 erklärten Gypsabgüsse.
174 ^^® Candelaber.
sucht, wann diese neue Bildung aufkam^ die reichsten Bei-
spiele dafür liefern Pompeji und Herculanum, wo zugleich
die ganz ausdruckslose Form eines Pfeilers an dem die Lampen
hängen, öfter vorkommt.
Die Candelaber werden sehr häufig paarweise, links und
rechts von der Leiche aufgestellt gefunden. Sie gehören näm-
lich nicht eigentlich zur Mitgabe des Todten, sondern wurden
bei Todtenfeiem an bestimmten Tagen benutzt. Doch stellte
mancher auch nur zum Schein, oder um der Sitte zu geniigen,
Candelaber auf, es finden sich nämlich ihrer viele von Blei,
die zu praktischem Gebrauch ganz untauglich waren. Die
Sammlung Caputi in Euvo besitzt eine grössere Anzahl davon.
Die Stellen der Alten, auf die hier Bezug genommen ist, s. bei
Becker Gallus II, 345 und Marquardt Handb. d. röm. Altertli. V, 1
p. 869. Ueber die Aufstellung der Candelaber in den Gräbern bullet, d.
iust. 1838 p. 8, 1840 p. 56.
In der Aufzählung des Einzelnen schicken wir die ältesten
Candelaber, d. h. die für die Anheftung von Fackeln einge-
richteten voran, und bezeichnen die in alterthümlich etrus-
cischem Stil gearbeiteten als altetruscisch, die übrigen einfach
als etruscisch.
696. Altetruscischer Candelaber, in Locri gefunden,
aus der Sammlung Pourtal^s 1865 gekauft. Der Schaft be-
steht aus zwei Stücken. H. 4' 4^4 "•
Der Candelaber wird durch eine Gruppe bekrönt, die
vermuthlich Mars und Venus vorstellt. Die fehlende Rechte
des Mars hielt wahrscheinlich den Speer. Aecht alterthüm-
lich ist der langherabhängende Helmbusch. Die Gruppe und
alle übrigen Ornamente sind sorgfältig ausgeführt, die jBLaken,
an welche die Kerzen angespiesst wurden, noch etwas starr
und gradlienig gebogen. Der Diskus der die anfassende Hand
vor abträufelndem Wachs schützte, fehlt hier, wie übrigens
auch an manchen anderen.
Die Gruppe ist abg. bei Panofka Antiq. du cab. Pourtales pl. 3,
der den Stil derselben so wunderbar verkennt, dass er sie als ein Werk
aus römisch-etruscischer Zeit betrachtet und mit den Aschenamen von
Alabaster zusammenstellt. Vgl. Dubois description des antiques du
comte de Pourtales 1841 n. 721.
697. Desgl. aus Vulci, 1841 in Italien durch Grerhard
Die Candelaber. X75
gekauft. 2660. Der Schaft besteht aus zwei Stücken. Höhe
4' 21/2''.
Der Candelaber ruht auf geflügelten Krallen^ denen eine
nackte knieende Figur vorgelegt ist, die sich gleichsam dem
ausladenden Fuss entgegenstemmt. Oben ist eine ähnliche
Gruppe angebracht, wie an n. 696, nur dass diese Gruppe
entschieden dem täglichen Leben angehört. Es ist ein Jüng-
ling und ein Mädchen, die sich lieb haben. Ersterer hält
einen Kranz. Die Gruppe ist sorgfältig ausgeführt.
698. Desgl. aus Vulci, 1841 von Gerhard in Italien
gekauft. 2G63. H. 3' 5V2".
Das Motiv der oben stehenden Figur — eines mit einem
Mäntelchen bekleideten Jünglings — ist nicht recht klar.
Mit der Rechten macht er eine Geberde, als wollte er zur
Stille oder Vorsicht ermahnen, in der Linken schwingt er ein
Geräth, das am ersten einer Glocke zu vergleichen ist.
699. Desgl., ebendaher und aus demselben Ankauf.
2666. H. 2' 9V2"
Der Candelaber wird von der Figur eines Kriegers be-
krönt, der sich einen Helm aufsetzt. An der linken Hüfte
trägt er einen Köcher.
700. Desgl., 1844 von Waagen in Italien gekauft. 2731.
H. 3' 11".
Der Candelaber ist besonders fein in den Verzierungen.
Das obere Stück, die Haken nebst der Figur, fehlt.
701. Desgl. H. 3' 3".
Per Schaft ist polygonal, aber uncannelirt und besteht
aus zwei Stücken, deren Commissur durch einen Knopf ver-
deckt wird, welcher sehr unschön die schlanke Entwicklung
des Schaftes unterbricht. Auch fehlen die Palmetten zwischen
den Füssen, der Candelaber ist überhaupt kahl und unschön.
Oben ist ein pferdebeiniger Satyr angebracht in übertriebener
etruscischer Gesticulation. Eine unter den altgriechischen
Broncen aufgeführte Figur zeigt, wie dieser Satyr oder viel-
mehr sein griechisches Original ursprünglich gedacht war.
Er sieht nämlich neugierig ins Weite.
702. Desgl. H. 2' 111/2''.
Auch hier ist der Schaft polygonal und uncannelirt. Oben
276 ^^^ Candelaber.
stand ein Knabe mit einer Ente auf den Händen, der kürz-
lich von roher Hand abgebrochen und entwendet ist. Nnr
die Füsse sind zurückgeblieben.
703. Desgl., 1841 von Prof. Gerhard in Italien gekauft
2665. R 3' 6V2".
Der Candelaber ist kahl und unschön, der Diskus, der
zum Schutz der Hand dient, ist ganz ohne Verzierung ge-
lassen. Oben darauf steht ein nackter gestikulirender Jüng-
ling, der wie es scheint im Begriff ist, einen Tanz zu be-
ginnen.
704. Etruscischer Candelaber aus Vulci, 1841 von
Gerhard in Itaüen gekauft. 2661. H. 4' 3«/^".
Der Candelaber ist von einem nackten eine Lanze hal-
tenden Jüngling bekrönt, dessen linke Hand fehlt
705. Desgl., aus Vulci, zu demselben Ankauf gehörig.
2662. H. 3' 71/2".
Ein Jüngling der ein springendes Boss zurückhalten will^
steht oben darauf.
706. Desgl., ebendaher und zu demselben Ankauf ge-
hörig. 2664. H. 3' 5".
Der Candelaber wird durch eine Merkursfigur bekrönt^
die sich auf den Hirtenstab (dessen oberes krummes Ende
abgebrochen ist) stützt und nach oben schaut Kenntlich ist
Merkur an dem Flügelhut
707. Etruscischer Candelaber. H. 3' 4".
Dieser Candelaber trägt oben eine Schale, in deren
Mitte sich ein Dorn zum Aufspiessen der Kerze befindet
Die Schale ruht auf einem Blattkelch, aus dem sie sich
gleichsam wie die Blüthe entwickelt Der Schaft des Can-
delabers ist viereckig und zweimal unterbrochen durch weib-
liche Figuren, die den alterthümlichen Venustypus roh imitirt
darstellen. Die untere von ihnen steht auf einer Schildkröte,
welche hier wohl als Attribut der Venus, als welches sie
bekannt ist, aufgefasst werden muss. lieber den Köpfen der
Figuren sind je zwei Haken angebracht, um Lampen oder
andere kleinere Gegenstände daran aufzuhängen^). Der Fuss
ist eine Imitation von Rohr oder Schilf.
Die CandelabcF. 177
Der Candelaber sieht auf den ersten Blick sehr alt aus,
und doch ist er es nicht. Das naturalistische Motiv des
Fusses, und die unruhige Unterbrechung des Schaftes durch
die Figuren, sprechen dagegen. Solche Figuren aber wie diese
Venusfiguren wurden zu allen Zeiten repetirt. Sie sind übrigens
nicht mehr mit vollem Verständniss gemacht, denn die rechte
Hand sollte eine Blume halten.
708. Candelaber römischen Stils. KoUer'sche Samm«
lung 652. H. 2' 7^1^''.
Das obere Ende fehlte, es ist daher ein moderner Teller,
von welchem drei Haken zum Aufhängen von noch mehreren
Lampen ausgehen, hinzugefügt worden. Vermuthlich war es
auch ursprünglich so. Das Motiv der feinen Schilfblätter,
die den ansteigenden Schaft zu umgeben pflegen, ist nicht
mehr verstanden.
709. Desgl., wahrscheinlich aus Pompeji. H. 1972"«
Dieser kleine Candelaber hat oben die Vasenform und
über den Füssen den Diskus, was beides den pompejanischen
Candelabern eigenthümlich ist. Auf pompejanischen Ursprung
deutet auch die bläuliche Patina, die den dort gefundenen
Broncen (wenn auch nicht ausschliesslich) eigenthümlich ist.
710. Lampengestell, wahrscheinlich ebendaher. Samml.
Bartholdy, D. 35. H. 1872"-
Auch dies Lampengestell hat unter den pompejanischen
Alterthümem in Neapel mehre Analogien. Die Lampen hingen
von den Ranken herab, die vom Schaft ausgehen. Die Platte
ruht auf Kuhfüssen und ist ringsherum fein verziert.
711. Candelaber in Form eines Rohrstengels.
H. 4' 4".
Dies Motiv ist unter den Candelabern späterer Zeit sehr
gewöhnlich. Der obere Theil ist wie ein Blumenkelch ge-
staltet und schliesst mit einem flachen Teller, auf den die
Lampe gestellt wurde.
^) Vgl. das Wandgemälde bei Caoina £trnria maritima tav. 64,
wo eigene candelaberähnliche Stander zam Anhängen kleiner Gegen-
stände, dergleichen auch in Valci nach bullet 1882 p. 194 gefunden,
vorgestellt sind.
Friederichs, Berlin's Antike Bildwerke. II. X
178 9^^ Gandeiaber.
712. Candelaber in Form eines Baumstamms. SammL
Bartholdy D. 37. H. 9%".
Das Motiv eines knotigen^ seiner Zweige beraubten
Baumstamms ist für Candelaber römischer Zeit sehr gewöhn-
lich. Man sieht es besonders oft an den pompejanischen
Exemplaren. Unser Exemplar hat unten zwischen zwei Füssen
einen au&echt stehenden Stachel^ auf den vielleicht noch eine
Kerze gesteckt wurde.
713. Desgl., ganz ähnlich. Samml. Koller 656. H. 9".
Der Diskus ist alt, für das Alter des Uebrigen aber
möchten wir nicht garantiren.
714. Lampenuntersatz, aus Bellori's Besitz. Aeltere
Samml. B. 23*- H. 31/2". Durchm. 4".
Dieser Untersatz entspricht ganz genau den zahlreich in
Pompeji gefundenen Lampenuntersätzen. Wir gestehen übrigens,
über das Alterthum dieses Gegenstandes nicht ganz ruhig zu
sein, die Patina sieht jedenfalls nicht zum Besten aus.
714*- Der obere Teller eines Leuchters; der Dom
zum Aufspiessen der Kerze ist fragmentirt»
715. Candelaber mit fester Lampe, Samml. Koller
658. H. 12 V2"
Auf diesem Candelaber sitzt die kleine, zweidochtige
Lampe fest. Der Schaft ist spiralförmig cannellirt, die Füsse
sollen wohl Baumstämme imitiren.
715*- Figur, die einen etruscischen Candelaber
bekrönt hat, nämlich eine geflügelte, oben weibliche, unten
in zwei durcheinander geflochtene Fischschwänze auslaufende
Figur, die in beiden ausgestreckten Händen je eine Schlange
emporhält. Einen bestimmten Namen für die Figur ausza-
sinnen, wäre Thorheit, da ein solcher gar nicht beabsichtigt
ist. Die Angemessenheit der Figur für den vorausgesetzten
Zweck ist unmittelbar einleuchtend, auch ist ein Candelaber
bekannt, auf dem eine Copie der Figur sich erhalten (bullet>
62 p. 70). H. 31/2".
715^* Desgl., ein Silen mit Pferdehufen mit übertrie-
benen, carrikirten Bewegungen. Bei Clusium gefunden, durch
Prot Gerhard 1841 angekauft. 2686. H. 4:%".
Die Candelaber. 179
715*^- Desgl., lang- und spitzbärtige Figur mit einer
spitzen Mütze, einem kurzen Wamms, worüber ein Mäntelchen,
die Linke in die Hüfte gestüzt, die Rechte wie deklamirend
erhoben. Die Figur soll wohl einen Lustigmacher vorstellen.
Etruscisch. H. 3^0".
715^- Desgl., Amor mit einer uns nicht verständlichen
Bewegung der Arme. Etruscisch. H. S^/V'.
715®* Desgl., ein langweiliger Silen, mit demTrinkhorn
in der Rechten, die Linke in die Hüfte gestützt. Aus Bomarzo.
In der Auction der Sammlung Pourtal^s 1865 gekauft. 3537.
H. 4".
715^ Nackter Jüngling, in der Rechten den Diskus
haltend, die Linke etwas ausgestreckt. Die Form der Basis
ist die, wie bei den oben auf den Candelabem befindlichen
Figuren. Aus dieser Verwendung erklärt sich auch die Hal-
tung der Hände, nämlich um einen Anhalt für's Anfassen zu
haben. An den Beinen ist die Figur ganz unausgearbeitet.
Etruscisch. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 47. H. ^^j.^'*
mit Basis.
715?- Nackter Jüngling, mit der Rechten einen Dis-
kus an seinen Schenkel drückend, die eigenthümliche Haltung
des linken Arms, an dem die Hand fehlt (so wie auch beide
Füsse fehlen) .erklärt sich durch den tektonischen Zweck, die
Arme sind so gekrümmt zum bequemen Anfassen. Etruscisch.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 71. H. 2%".
715^* Nackter Jüngling, die Arme zurückgezogen
nach einem Motiv, welches bei den oben auf Candelabern
befindlichen Figuren oft vorkommt, damit nämlich ein be-
quemes Anfassen möglich sei. Etruscisch. Aus der älteren
Sammlung. H. 278"-
715*- Desgl., in ganz derselben Stellung. Nur hat die
Basis nicht die gewöhnliche Form. Etruscisch. H. 4:^1^*'^
715^ Jüngling mit Himation in feinem etruscischen
Stil. Die Arme sind rechtwinklig gekrümmt und die Rechte
hielt etwas, was nicht mehr da ist, die Linke macht einen
nichts bedeutenden Gestus. H. 4*/e".
12*
130 ^^^ Lampen.
715^ Nackte Frau, nur am rechten Bein vom Gewand
bedeckt. Die Figur hat Schuhe, Halsband und Armband. In
der linken Hand scheint sie etwas gehalten zu haben ^ der
ganze rechte Arm fehlt. Die Figur steht auf einem drei-
seitigen korinthischen Kapitell und oben auf ihrem Kopfe ent-
wickelt sich wie aus einem Kelch der Ansatz eines Schaftes^
von dem nur wenig erhalten. Es ist uns nicht ganz sicher^
dass sie zu einem Candelaber und nicht zu einem anderen
Geräth gehörte. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 28. H. 8^2 "►
2) Lampen.
Eigenthümlich ist die Seltenheit etruscischer Lampen»
Es giebt deren und zwar bereits in ziemlich früher Zeit, aber
wenn wir von den Funden in den Gräbern einen Schluss auf
die Sitte des Lebens machen dürfen, so wurden vorwiegend
Kerzen gebrannt. Es wurde schon erwähnt, dass fast alle
erhaltenen etruscischen Candelaber Kerzen-, nicht Lampen-
träger sind.
Auch griechische Broncelampen sind selten, die im Fol-
genden aufgeführten Lampen sind sämmtlich römischen Ur-
sprungs und zwar zum Theil heidnisch, zum Theil schon
christlich.
An bildlicher Verzierung sind die Broncelampen im All-
gemeinen weit ärmer als die Thonlampen. Dass der Griff in
einen Thierkopf ausläuft, sollte nach der Analogie anderer
Geräthe, z. B. der Spiegel und Schöpflöffel viel häufiger vor-
kommen, als es in der That vorkommt, nicht gar häufig sind
auch die mit Masken oder Köpfen verzierten Lampen, ein
Motiv, das durch die Form der Lampe und durch das zum
Eingiessen des Oels nothwendige Loch, welches dann den
Mund der Maske bildet, von selbst hervorgerufen wurde.
Wir theilen die Lampen in heidnische und christliche
und schicken in jedem Abschnitt die Hängelampen den zum
Hinstellen eingerichteten voran. Ein Unterschied der Form
ist zwischen diesen Classen freilich nur theilweise vorhanden,
die Lampen, welche an Candelaber (wie n. 710) angehängt
wurden, sind durchaus nicht verschieden von denen, welche
oben auf die Candelaber gestellt wurden, wohl aber haben
diejenigen Hängelampen, welche kronleuchterartig in der Mitte
eines Zimmers aufgehängt wurden, eine abweichende Form.
Die Lampen. X81
Sie sind kreisförmig, das Licht nach allen Seiten radienartig
aussendend; gebildet.
a. Heidnische Lampen.
a* zum Hängen eingerichtete Lampen.
716. Grosse kreisförmige Lampe mit sechs Tüllen.
Aus dem Nachlass des Hofraths Becker in Offenburg 1837
angekauft, Durchm. 18" mit den Tüllen.
Die sechs Ketten an denen die Lampe hing, sind nicht
erhalten, wohl aber die sechs Ringe, an welchen die Ketten
befestigt waren. Der Deckel, welcher die für das einzugies-
sende Oel bestimmte Oeffnung verschliesst, hat als Griff eine
Mondsichel, die mit einer Maske in der Mitte verziert ist,
so dass die beiden Hörner zum Anfassen frei bleiben. Zu
beiden Seiten der Sichel sind jugendliche nicht näher be-
stimmbare Köpfe angebracht, die man höchstens wegen der
zwischen ihnen befindlichen Epheublätter nebst Epheufrucht
auf Bacchus beziehen könnte.
Um die Oeffnung, welche der Deckel schliesst, läuft ein
doppeltes Ornamentband, ein schmäleres mit einer uns ganz
unverständlichen Verzierung versehen — es sind drei kleine
obere Kugeln, an welche sich eine mehr schlauchartig ge-
staltete unten anschliesst — und ein breiteres, mit Epheu-
blättern und Epheufrüchten verziert. Zwischen den Tüllen,
also vertikal stehend, wiederholen sich die auf dem Deckel
befindlichen Köpfe, nur dass sie — offenbar weil vertikal an-
gebracht — eine Stütze erhalten haben. Man bemerkt näm-
lich unter dem Kinn jedes Kopfes ein mit den Schwänzen
zusammengeflochtenes Delphinenpaar, das gleichsam als Träger
des Kopfes erscheint, wie man etwas Aehnliches oft auf
Gemmen sieht
717. Desgl., auf sieben Flammen berechnet Sammlung
Koller 513. D. 71/4" mit den Tüllen.
Die Lampe ist vollständig mit ihren drei Ketten und
dem sie zusammenhaltenden Binge (dessen Zugehörigkeit ich
freilich nicht garantiren möchte) erhalten. Sie ist ganz ohne
Ornamente, übrigens schwerlich modern, wie der Verfasser
des KoUer'schen Catalogs, Gargiulo, meint Zwar fehlt die
Patina fast ganz, aber unten ist doch noch ein Pünktchen
jsehr schöner Patina erhalten.
182 ^i® Lampen.
718. Desgl. für zwei Flammen, ein Weihgeschenk ait
Pallas Victrix. Aus dem Besitz Bellori's. Aelt. Samml. C.
a. 1. Die Höhe des Ganzen mit den Ketten beträgt 19".
Von dem Griff der Lampe erhebt sich unter einem von
Säulen getragenen Bogen, der unzweifelhaft den Eingang
eines Heiligthums darstellen soll, eine Figur der Pallas, die
mit der Linken ihren Mantel fasst, in der Rechten aber ein
unbestimmbares Geräth (Laubzweig?) hält. Die Lampe wird
von drei Ketten getragen, die sich an einem zu ihrer Auf-
nahme dreifach blattförmig ausgezackten Täfelchen vereinigen^
welches die Inschrift trägt Palladi Victrici, welcher die Lampe
dedicirt war. Darüber ein Haken zum Aufhängen.
Die Figur der Minerva ist roh, überhaupt das Ganze
aus später Zeit.
719. Desgl. mit zwei Flammen, auch im XJebrigen sehr
ähnlich. Aus dem Besitz Bellori's. Aelt. Samml. C. *a. 3.
Länge 6".
Der Greif der sich am Griff der Lampe befindet, war
zur Zeit, als Beger dies Stück im thesaurus Brandenburgicus
ni, p. 442 publicirte, noch etwas besser erhalten, es befand
sich nämlich unter der erhobenen Vordertatze ein sechs-
speichiges Rad. Die Säulen aber zu beiden Seiten des Greifen
waren schon damals beschädigt, wir glauben mit Bestimmt-
heit annehmen zu dürfen, dass sie ganz ähnlich wie an n. 718
einen Bogen trugen, von welchem auf einer Säule noch ein
kleiner Ansatz sich erhalten hat. Der Greif mit dem Rade
scheint uns ein religiöses Symbol, der Vertreter der Gottheit,,
welcher, wie wir glauben, die Lampe dedicirt war. Wir sind
indessen nicht im Stande, dies Symbol näher zu erklären.
Die drei Ketten, an denen die Lampe hing, sind voU-^
ständig erhalten.
720. Desgl. mit zwei Flammen, in Form eines Nachens.
Samml. Koller 518. L. 8".
721. Desgl. mit zwei Flammen, von derselben Form»
Die Ketten sind erhalten. Samml. Koller 521. L. 5".
722. Desgl. mit zwei Flammen, von derselben Form.
Die Ketten und einer der Ringe, an denen sie befestigt waren,
fehlen. Samml. Koller 524. L. 4V2".
.■ i
Die Lampen, lg3
723. Lampe mit einer Flamme, in einen Pferdekopf
auslaufend, der zugleich als Griff dient. Der Pferdekopf geht
aus einem Kranz von Kelchblättern hervor, ein ebenso ge-
wöhnliches als anmuthiges Motiv. Das Loch zum Oelein-
giessen befindet sich innerhalb einer Muschel, die bei n. 741
den Deckel bildet, hier aber rein ornamental angebracht ist
Die Ketten sind erhalten. Aus dem Besitz Bellori's. Aelt.
Samml. C. b. 1. L. 61/2"-
724. Desgl. aus dem Besitz Bellori's. Aelt. Sammlung
C. b. 4. L. 91/2".
Die Tüllen, sowie das tulpenförmig sich ausbreitende
hintere Stück, setzen sich an den Bauch der Lampe mit einem
Kranz von Blättern an. Von den Ketten ist nur wenig er-
halten.
725. Desgl., an drei Ketten befestigt, von denen aber
nur wenig erhalten. An der Handhabe ein eigenthümlich ver-
ziertes Schildchen. Aelt. Samml. C. b. 11. L. S^a"»
726. Desgl., an drei Ketten hängend, die zum Theil er-
halten. Am Griff eine Mondsichel. Aus Trier, ebendaselbst
1869 gekauft. 3594. L. 38/8".
727. Desgl., mit derselben Verzierung am Griff. In der
Mitte eine komische Maske, durch deren Mund das Oel ein-
geschenkt wurde. Von den Ringen, an denen die drei Ketten
hingen, ist nur einer erhalten, doch sieht man die Spuren
der andern. Sammlung Koller 523. L. 4^/2".
^'^728. Desgl., mit derselben Verzierung am Griff. Am
Griff ist der Ring erhalten, in welchen die Kette eingriff.
Samml. Koller 534. L. 3V2".
729. DesgL, ganz tibereinstimmend, nur etwas grösser.
KoUer'sche Sanmilung 531. L. 3^/2".
730. Desgl., an zwei Ketten hängend. KoUer'sche Samm-
lung 533. L. 8V4".
731. Desgl., etwas beschädigt, doch erkennt man noch
aus dem Rest eines Ringes, dass die Lampe eine Hänge-
lampe war.
134 P^6 Lampen.
732. Desgl., mit einem Deckel und blattförmigem Schild
über dem Griff. Von den beiden Ketten ist' nur ein Ring
erhalten. L. 6^2''«
732*- Desgl., ohne Griff und ohne Ketten, die kleine
Lampe war nämlich eine Wandlampe und bestimmt an einem
Nagel aufgehängt zu werden, wozu der vertikal stehende Bing
diente. Unter demselben bemerkt man einen Stierkopf, von
welchem einerseits ein aufgerichteter Phallus, andererseits
eine Hand in der Geberde der fica ausgeht. Von diesen
S}Tnbolen, welche das Geräth gegen bösen Zauber schützen
sollten, ist unten bei den Amuleten näher die Rede. Gefanden
bei Gelduba. SammL Minutoli. C. b. 16. L, 2^lJ'.
732^- Lampe in Form eines Schiff leins, mit vier Füssen
und einem Griff, der in einen Ochsenkopf (?) ausläuft, üeber
demselben scheint ein Ring zum Anhängen gewesen zu sein
und ein zweiter Ring war inmitten des Bügels, der die Lampe
quer überspannt.
ß. Zum Hinstellen eingerichtete Lampen.
733. Lampe für zwei Flammen, mit 'einem Adler am
Griff. L. 6".
734. Desgl. für drei Flammen, aus dem Nachlass des
Prof. Rösel 1844 erworben. 2736. L. 6^1^".
735. Desgl. für eine Flamme, mit einer etwas beschädigten
Mondsichel am Griff. Aelt. Samml. C. b. 7. L. 4^/3".
736. Desgl., mit derselben Verzierung am Griff. Die
Lampe ist oben ganz offen und hat einen Fuss, der darauf
deutet, dass sie nicht aufgesetzt, sondern eingesetzt wurde.
Aelt. Samml. G. b. 8. L. 4".
737. Desgl., mit derselben übrigens nurjsehr theilweise
erhaltenen Verzierung am Griff. Die Lampe ist am Rhein
gefunden und dort 1846 gekauft. 2900. L. 6^^".
738. Desgl. mit sehr zierlichem Griff, der durch einen
nackten Knaben gebildet wird, welcher auf einer komischen
Maske steht und die für die Krümmung des Griffs noth-
wendige Stellung angenommen hat. So gewöhnlich solche
Die Lampen. ;]^35
Motive in der etruscischen Kunst sind, so verhältnissmässig
selten sind sie in der römischen, der dies Stück angehört.
Die Lampe hatte einen Deckel, der durch eine Kette
mit dem Griff verbunden war. Von der Kette hat sich ein
8tück erhalten.
Von Waagen 1842 in Rom für's Museum gekauft. 2732.
L. 5V2".
739. Desgl., mit einem Griff, der wegen der Grösse der
Lampe für die Hand, nicht wie gewöhnlich für den Finger
eingerichtet ist und durch zwei hochaufsteigende Bügel gebildet
wird, denen vorn ein herzförmig gestaltetes Schild vorgelegt
ist. Aus dem Besitz Bellori's. C. b. 5. L. S^l^'»
740. Desgl., mit einem Relief auf der oberen Fläche,
was nur selten vorkommt. Man erkennt ein auf einem Delphin
reitendes Knäbchen, ohne aber nähere Details angeben zu
können. Aelt. Samml. G. b. 10. L. 3^lJ'.
741. Desgl., auf der Insel Polyandros gefunden und von
Schaubert 1849 eingesandt. 2975. L. 5".
Das Schild am Griff, das zum Halt der Hand diente, hat
die Form eines Blattes, das zum Eingiessen des Gels be-
stimmte Loch hat einen Deckel in Form einer Muschel.
742. Desgl., mit ähnlich gestaltetem Griff. Sammlung
Bartholdy. D. 41. L. 3V4''.
742*- Desgl., bei Cleve gefunden. Samml. Minutoli.
C. b. 17. L. 2V2".
743. Desgl., Samml. Bartholdy D. 40. L. 2V2''.
744. Desgl., ganz einfach. L. 4^2''*
745. Lampe von besonderer Form, indem nämlich
die für den Docht bestimmte Geffnung wie die Mündung einer
Flasche emporsteigt und der Henkel seitwärts angebracht ist.
In Thon sind diese Lampen gewöhnlicher, übrigens, weil nur
für das Grab bestimmt, ohne Geffnung in der Mitte, die viel-
mehr durch eine Maske geschlossen ist. Samml. Koller 539.
L. 28V'-
746. Lampe, die zugleich zum Hängen und zum
Hinstellen eingerichtet ist. Drei Ringe um das Loch
1Q^ Die Lampen.
in der Mitte herum, von denen einer vollständig erhalten,
deuten auf den ersteren Zweck, und ein auf Krallen ruhender,
übrigens mit der Lampe zusammenhängender Untersatz auf
der letzteren. Eine dornartige Erhöhung im Innern der Lampe
wissen wir nicht zu erklären. Oben um die Mündung hemm
und am Untersatz sind streifenförmige Yerzierungen. Samm-
lung Koller. 517. L. 41/4".
747. Desgl., ohne Griff und in Form eines Kinder-
kopfes, doch so, dass die Dochtöfi&iung besonders angesetzt
ist Sammlung Koller. 535. L. S^g"«
Gargiulo im Katalog der Koller'schen Sammlung erklärt diese Lampe
für ein Werk des Cinquecento, was uns nicht ganz sicher scheint.
748. Desgl., mit einer komischen Maske verziert, deren
Mund zum Eingiessen des Oeles diente, während die Docht-
öffnung besonders angesetzt ist. L. 4^/4".
749. Desgl., in Form eines epheubekränzten Mohren-
kopfes, der die Flamme aus seinem Munde spie. Die Lampe
hat einen besonderen Fuss, der Deckel fehlt. Aeltere Samm-
lung. C. b. 12. L. 31/2"-
Vgl. die ähnliche Lampe im mus. borb. VIT, 15.
750. Desgl., in Form eines Elephantenrüssels, dessen
Spitze die Handhabe bildet. Die obere Fläche ist mit einer
phantastischen, ganz mit Blättern bedeckten Maske verziert,
deren Mund die Flamme ausspie. Aus dem Nachlass des
Hofrathes Becker in Offenbach 1837 erworben. L. A^IJ'.
751. Desgl., in Form eines mit einer Sandale beklei-
deten Fusses. Die Dochtöffnung ist ganz unorganisch an die
grosse Zehe angesetzt. Etwas beschädigt. Bei Cleve ge-
funden. Sammlung Minutoli. C. b. 15. L. 4".
752. Grosse Lampe in Form einer Ente, deren rück-
wärts gedrehter Kopf den Griff bildet, während der Schwanz
in zwei Dochtöffnungen ausläuft. In Wiesbaden 1863 an-
gekauft. 3492. L. 13''.
752** Eine Lampe, gebildet durch zwei Figuren, die
im Coitus mit einander begriffen sind. Aeusserst roh. Aus
der Koller'schen Sammlung. 688.
Die Lampen. 137
b. Altchristliche Lampen.
Es war den alten Christen Bedürfiiiss, die Geräthe des
täglichen Lebens mit Zeichen und Symbolen ihres Glaubens
zu verzieren, damit ihre ganze Umgebung sie stets an ihren
Herrn und Meister erinnerte. Der Trinkbecher, die Gewänder,
der Eing und Schmuck und so auch die Lampe, sowohl die
unscheinbare thöneme als die aus kostbarerem Material ge-
fertigte wurden mit religiösen Zeichen und Sinnbildern ver-
ziert. Es ist im Wesentlichen dasselbe grosse Princip, das
im Mittelalter und in der Bltithezeit der griechischen Kunst
herrschte, das Princip, das tägliche Leben mit religiösen Ge-
danken zu durchdringen, das für die Kunst wie für das Leben
gleich fruchtbar war.
753. Grosse Lampe für zwei Flammen und mit
muschelförmig gestaltetem Deckel. Am Henkel erhebt sich
eine fünf Zoll hohe radförmig gestaltete und aussen mit
Knöpfen versehene Verzierung, in deren Mitte die Anfangs-
buchstaben des Namens Christi, das X und P zu einem Zuge
verschlungen, sich befinden. Rings herum läuft eine Wein-
ranke mit Trauben, ein auf das Gleichniss Christi vom Wein-
stock zielendes altchristliches Symbol. Aus dem Besitz Bel-
lori's. C. a. 4. L. 10".
754. Hängelampe für zwei Flammen, an zwei, vor-
mals drei Ketten hängend. Aus dem Besitz Bellori's. C. a. 5.
L. 68/4".
Am Griff ist eine ganz ähnliche, nur einfeche Verzierung
wie bei n. 753. Zum Monogramm Christi tritt hier indessen
ein A und ß hinzu, nach der bekannten Stelle der Offen-
barung.
Zu dieser Lampe gehört nach LevezoVs Inventar, die
Inschrift:
NONIATTICI
VCETINLVS
TRIS.
755. Desgl., in Form eines Delphins. Aeltere Samm-
lung. C. 1. 2. L. 7".
Die Lampe ist für zwei Flammen berechnet und die
Tüllen entwickeln sich aus je einem Delphinskopf, über denen
138 ^^^ Lampen.
sich ein Kreuz erhebt, das an der. oberen Spitze durchbohrt
ist, um eine Kette aufzunehmen. Nur eines dieser Kreuze
ist vollständig erhalten. Die beiden Delphinsköpfe haben
einen gemeinschaftlichen Leib und Schwanz, welcher letztere
als Handhabe dient und sich oben in eine mit Flossfedern
blätterartig umgebene Tülle öffnet, die zum Oeleingiessen
diente. An der vorderen Spitze dieses Blattkranzes befindet
sich der Best eines dritten Kreuzes, an welchem die dritte
Kette befestigt war. Mitten durch den Bauch der Lampe geht
ein Loch, dessen Zweck uns unverständlich ist.
Die Kreuze erklären sich selbst, auch der Fisch ist ein
bekanntes altchristliches Symbol. Er erscheint bald als Del-
phin, bald in andrer Form, ohne dass irgend ein Unterschied
ersichtlich wäre.
756. Desgl., mit einer Tülle. Aus dem Besitz Bellori's.
C. b. 3. L. 7^2".
Die Lampe hängt an zwei Ketten und ist am Griff mit
einem aufrecht stehenden Weinblatt verziert, dessen christ-
liche Bedeutung schon oben berührt wurde.
757. Desgl., aus dem Besitz Bellori's. C. b. 2. L. 8".
Der Griff läuft in einen Greifenkopf aus, zwischen dessen
Ohren sich ein oben fragraentirtes Kreuz oder wohl richtiger
Monogramm erhebt. An beiden Seiten des Deckels ist gleich-
falls ein Monogramm angebracht. Die beiden Ketten ver-
einigen sich zu einer und am Vereinigungspunkt hängt eine
Sichel herab.
Der Greifenkopf ist hier gewiss nicht bedeutungslos,
doch ist er uns als christliches Symbol unbekannt.
758. Desgl., in Form eines Täubchens mit einem Hals-
band, an welchem ein Kreuz hängt. Von den beiden Ketten
ist nur ein Stück der einen erhalten. L. S^/g".
Lampen in Form von Tauben waren in altchristlicher
Zeit sehr gewöhnlich. Mehreres darüber bei Munter, Sinn-
bilder und Kunstvorstellungen der alten Christen, p. 105 ff.
758*' Fragment einer altchristlichen Lampe, be-
stehend in einer ganz ähnlichen Verzierung, wie wir sie an
der Lampe n. 753 fanden. In dieser radförmigen Verzierung
ist das Monogramm nebst dem a und co angebracht und oben
Die Laternen. — Kohlenbecken, Zangen und Schaufeln. Ig9
darauf sitzt die Taube. Der Griff ist einfach hakenförmig
gestaltet. H. 58/4".'
3) Laternen.
Laternen sind, so viel wir wissen, nur in Pompeji zum
Vorschein gekommen. Sie haben immer dieselbe einfache und
praktische Form und waren wohl erst später mit Glas, früher
mit Hom oder anderem durchscheinenden Material geschlossen.
Dies sieht man an dem hiesigen Exemplare sehr deutlich, an
welchem die Nieten erhalten sind, die zur Befestigung von
Glas untauglich wären.
Vgl. Becker-Marquardt's Handbuch d. rom. AU. V, 2, 303.
759. Laterne aus Pompeji, ausgegraben im Jahre 1822
in Gegenwart Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IIL
Die Laterne ist vollständig bis auf die Hornumkleidung er-
halten. C. b. 14.
760. Laternenlämpchen, vermuthlich auch aus Pom-
peji, da es ganz mit den pompejanischen übereinstimmt und
auch die bläuliche Patina hat, die den pompejanischen Broncea
eigen ist. Sammlung Koller. 530.
F. Feuerimgsapparat
1) Kohlenbecken, Zangen und Schaufeln.
Oefen kannte man im Alterthum eben so wenig, wie man
sie heut zu Tage im Süden kennt. Als die Römer sich dies-
seits der Alpen festsetzten, übertrugen sie die Art der Heizung,,
die sie in ihren Bädern bereits angewandt hatten, auf ihre
Privatwohnungen. Am Rhein sind manche Reste derselben
gefunden, in denen die Stuben durch das sog. hypocaustum
erwärmt wurden» Es war eine Luftheizung, indem von einem
unter dem hohlgelegten Fussboden befindlichen Kamin aus
die warme Luft sich zunächst unter dem Fussboden frei ver-
breitete, dann aber auch in Röhren mit verschliessbaren Oeff-
nungen die Zimmerwände hinauf geleitet wurde. Indessen war
doch auch in den Privathäusem des Südens für besonders
strenge Kälte irgend ein Wärmeapparat nothwendig, und da
bediente man sich ganz wie noch heutigen Tages, eines
120 Kohlenbecken, Zangen und Schaufeln.
Kohlenbeckens, das mitten in's Zimmer gestellt wurde. Man
findet auch diese Kohlenbecken in den Gräbern und zwar in
der Mitte des Grabes aufgestellt, mit sichtlicher Nachahmung
der häuslichen Sitte.
Ueber die Auffindung dieser Geräthe bullet, dell' inst. 1843, p. 101.
761. Etruscisches Kohlenbecken, auf Löwentatzen
ruhend, die sich aus dem Maul von Greifen entwickeln.
Durchm. 22^2"-
762. Etruscische Feuerzange, 1843 von E. Braun
in Rom gekauft. 2729. L. 18".
Sehr fein verziertes Geräth. Ein Bandgeflecht zieht sich
an den Stielen hinab, deren Spitzen in Widderköpfe auslaufen.
763. Desgl., aus Vulci, 1841 durch Prof. Gerhard ge-
kauft. 2694. L. I6V4".
Diese Zange ruht auf Rädern, eine auf den ersten Blick
seltsame und doch sehr praktische Einrichtung. Das GerÄth
lag nämlich für gewöhnlich auf den oben erwähnten Kohlen-
becken und wird auch noch in dieser Lage gefunden, um es
nun aber leichter anfassbar zu machen, wird es durch die
Räder emporgehoben. Die Stiele sind schräg cannellirt und
laufen in Eichelköpfe aus.
764. Etruscische Feuerschaufel, 1841 von^ Prof.
Gerhard gekauft. 2697. L. 12^1^".
Feuerschaufeln, wie die vorliegende, werden auf dem
Kohlenbecken liegend in den Gräbern gefunden und dienten
dazu, die auseinanderfallenden Kohlen zusammenzuschieben
und dadurch neue Gluth zu entfachen. Denn die Hand, welche
die Stelle der Schaufel vertritt, macht den Gestus des Zu-
sammenrakens, wie wenn sie von allen Seiten die Kohlen
nach dem Mittelpunkte zu sammeln wollte. Die Verbindung
der einzelnen Theile des Geräthes wird durch Thierköpfe
vermittelt. Aus einem Schlangenkopf geht die Hand hervor,
und ebenfalls aus einem Schlangenkopf entwickelt sich der
schräg cannellirte Schaft. Es fehlt an dem Geräth nur ein
kurzer knöcherner Griff, der an anderen Exemplaren, die
nicht selten sind, erhalten ist.
765. DesgL, aus demselben Ankauf, -weit weniger sorg-
fältig gearbeitet. 2698. L. 19''.
Die Dreifüsse. 191
766. Desgl., nicht mehr als Hand gebildet. Die
knöcherne Bekleidung des Griffes fehlt. L. 12^/4".
2) Dreifüsse.
Die Dreifüsse ; die sich in den Museen befinden^ stam-
men fast alle aus Etrurien und zwar aus den Gräbern Yulci's.
Die Vermuthung, dass sie den Todten als errungene Siegespreise
und somit als liebe Andenken mitgegeben seien^ hält bei ge-
nauerer Durchforschung der Fundberichte nicht Stich. Na-
mentlich führt der Fund von Dürkheim zu ganz anderer
Annahme. Der in Dürkheim gefundene, jetzt im Museum zu
Speyer befindliche Dreifuss enthält nämlich eine Einrichtung,
die ihn aufs Deutlichste als Untersatz einer Vase charakteri-
sirt. Es ist ein Kohlenbecken darin angebracht, das sich
nach unten durch ein Ventil öffnet, während es oben von
einem Rost überdeckt ist, auf den die noch erhaltene, zu-
gehörige Vase gestellt wurde. Dieselbe Einrichtung, die, weil
von Eisen, leicht verschwinden konnte, ist auch für ein paar
jenseits der Alpen gefundene Dreifüsse vorauszusetzen, die
bis auf das fehlende Kohlenbecken mit dem Dürkheimer
Exemplar übereinstimmen. Auch eine andere Hypothese, wo-
nach die Dreifüsse als Weihrauchgefässe aufzufassen seien,
ist mit dem Fund von Dürkheim nicht vereinbar, auch sind
dazu die Gefässe viel zu gross. Die etruscischen Dreifüsse
sind vielmehr Kohlenbecken und als solche ebenso wohl in
den Stuben als in den Gräbern der Etrusker aufgestellt.
Nirgends herrscht so sehr wie in Etrurien die Sitte, das
Grab ganz nach dem Vorbilde der Wohnung der Lebendigen
auszustatten.
Der etruscische Dreifuss unterscheidet sich von dem
griechischen durch das Fehlen der Henkel und durch die
auswärts gestellten Beine, die bei letzterem senkrecht oder
einwärts zu stehen pflegen. Vielleicht bezieht sich dieser
Unterschied aber nur auf den alt etruscischen Dreifuss, denn
nur solche besitzen wir, und die zu möglichst festem Stand
weit gespreizten Beine haben in der That einen alterthüm-
lichen Charakter.
Es scheint, dass die Erfindung dieses Geräthes wesent-
lich den Etruskern gebührt, und allerdings der Reichthum
an plastischem Schmuck, den wir auch hier wie an Cande-
labern und Thymiaterien finden, ist etwas specifisch Etrus-
192 Die Dreifüsse.
cisches. Auch die etwas unorganische Art, wie die ver-
schiedenen Stäbe aus dem Fuss herauskommen, möchten wir
den Etruskem zuschieben. Um so schöner sind dagegen die
Ornamente, die wie ein Halsband mit hängenden Bommeln
oben das kahle und durchsichtige Stabwerk znsammen-
schliessen.
Die figürlichen Verzierungen an den Dreifttssen sind
ebenso wie diejenigen der Candelaber und Thymiaterien ganz
willkürlich, wie es bei fabrikmässiger Verfertigung nicht
anders zu erwarten ist.
Der Fund von Dürkheim ist abgebildet bei Liudenschmit , Alter-
thümer II, 2, 2.
767. Etruscischer Dreifuss aus Vulci, 1837 in der
Versteigerung der Sammlung Durand in Paris gekauft. H. 2'
Die meisten Dreifüsse scheinen einen besonders ein-
gesetzten Kessel gehabt zu haben, der unserige hat einen
festen und wie alles Uebrige aus Bronce bestehenden Kessel
Als Verzierung befindet sich über der bogenförmig gebogenen
Stütze die dreimal wiederkehrende Gruppe eines Löwen, der
ein Beh zerfleischt, während die geraden Stützen von je einer
auf die Geschichte der Meduse bezüglichen Figuren bekrönt
sind. Die Meduse ist wenigstens unverkennbar und so werden
die beiden sie verfolgenden Männer wohl Perseus und Merkur
sein sollen. Von Fabrikarbeiten dieser Art ist keine Ge-
nauigkeit zu erwarten, Perseus z. B. macht den Gestns des
Zuschlagens, hat aber keine Waffe in der Hand, die eben
weggelassen ist. Auch liegt der Wahl dieser Verzierungen
natürlich keine besondere Absicht zu Grunde.
768. Etruscischer (?) Dreifuss, in den Ruinen von
Metapont gefunden. Früher in der Sammlung Pourtalös, aus
welcher er 1865 zu uns kam. 3542. H. 2' 4^/V'.
Die allgemeine Form dieses Dreifusses, dessen Schaale
übrigens fehlt, ist etruscisch. Auch in einigen der Thiere
glauben wir etwas Etruscisches zu bemerken. Doch liesse
sich schwer der Gegenbeweis führen, wenn Jemand ihn dem
altgriechischen Styl Unteritaliens, den wir kaum kennen, zu-
schreiben wollte.
In der Zusammenstellung der Thiere, Pferd, Löwe, Stier
oder Kuh und Schlange suchen wir vergebens nach irgend
Die Schlösser. 193
einem leitenden Gedanken. Nicht einmal das kann zugegeben
werden, dass diese Thiere als Schützer und Wächter, als
a7C0TQ67t(xia angebracht seien. Denn wenn dies auch von
Löwe, Schlange und Stier gelten könnte, so wissen wir wieder
mit den Pferdeköpfen nichts anzufangen. Es scheint daher,
wir müssen dies Geräth wie eine Anzahl alter Keliefs und
Vasen betrachten, wo ohne besondere Absichten beliebte und
lebendige Thiere in naiver Weise zusammengestellt sind. Die
Pferdeköpfe sind übrigens nach auswärts gebogen, um als
Griff dienen zu können.
Bei der allgemeinen Angabe des Fundortes ist- es nicht
möglich, über die Bestimmung des Geräthes etwas Näheres
anzugeben. Da indessen die unteritalischen Gräber meines
Wissens noch keine Dreifüsse geliefert haben, so ist die An-
nahme, der Dreifuss sei in den Ruinen eines Tempels ge-
funden, nicht unwahrscheinlich. Denn in den Tempeln und
im Tempelbezirk standen auf Säulen errichtet nicht wenige
solcher Tripoden, die seit den ältesten Zeiten ein sehr be-
liebtes Weihgeschenk waren,
Abg. bei Panofka cabin. Pourtales pl. XIII, dessen Abbildung aber
ungenügend ist, noch mehr freilich der Text, indem zunächst die
Voraussetzung, dass die Embleme des Dreifusses aus dem Hauptcult des
Fundortes, dem Demetercult, zu erklären seien, ja völlig willkürlich ist
und sodann die Durchführung dieser These noch viel mehr an Willkür
und Unwahrscheinlichkeit leidet.
0. Schlosser und SchliisseL
1) Schlösser.
üeber die Einrichtung der römischen Schlüssel und
Schlösser — denn nur vom Verständniss der römischen, nicht
der griechischen^) und etruscischen kann nach dem uns vor-
liegenden Material die Rede sein — ist auf Grund der in
der römischen Colonie von Neuwied am Ende des vorigen
und Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts gefundenen, ganz
^) Doch will ich hinsichtlich der griechischen Schlüssel auf die in
den Händen von Priesterinnen so oft dargestellten und gewiss mit Recht
für Schlüssel erklärten Geräthe aufmerksam machen, die in ihrer Form
ganz den specifisch römischen Schlüsseln entsprechen und daher wohl
ebenso eingerichtet waren. Die Zinken habe ich freilich nie dargestellt
gesellen, was denn auf Rechnung einer bloss andeutenden Zeichnung
käme.
Frieatrichs, Berlin's Antike Bildwerke II. 13
194 I^ie Schlösser.
besonders instructiven Exemplare mit so anßgezeichneter
Sachkunde gesprochen^), dass ich mich auf ein kurzes Referat
beschränken kann.
Die römischen Schlüssel zerfallen in zwei Classen, deren
eine unseren gewöhnlichen deutschen Schlüsseln ziemlich ge-
nau entspricht, während die andere ganz abweicht Der Bart
der letzteren besteht aus längeren oder kürzeren und ver-
schieden, sehr oft im rechten Winkel gruppirten Zinken,
welche mit einem ihrer Gruppirung entsprechend durch-
löcherten Schlussriegel correspondiren. Aus den Löchern
dieses Biegeis haben sie zunächst die Stifte herauszudrücken,
die den Riegel festhalten, um ihn dann verschieben und da-
durch ö&en zu können. Denn dieser Schlüssel wird nicht
wie der andere gebohrte Schlüssel im Schloss ganz herum-
gedreht, sondern dient nur zum Hin- und Herschieben. Der
Ausdruck clavem subjicere bestimmt näher die Art und Weise,
wie man den Schlüssel gebrauchte, der Schlüssel fasst näm-
lich unter den Schlussriegel und drückt die den letzteren
festhaltenden Stifte von unten nach oben.
Die innere Einrichtung der Schlösser ist an den in Neu-
wied gefundenen Exemplaren noch gut erhalten, an den un-
serigen fehlt sie. Wir gehen deswegen nicht näher darauf
ein, wollen aber doch bemerken, dass die antiken Schlösser
ebensowohl ihre Feder hatten wie die modernen.
Man findet Schlösser und Schlüssel sehr gewöhnlich in
den Gräbern, sie sind die metallenen Ueberreste hölzerner
Kästchen, insbesondere von Schmuckkästchen, deren Spuren
oft in den Gräbern gefunden werden.
769. Vorhängeschloss in Form eines kleinen Cy-
linders, aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben. L. 2".
In Neuwied ist ein ganz übereinstimmendes, nur besser
erhaltenes Schloss gefunden, das zur Erklärung des unserigen,
an welchem nicht allein die ganze innere Einrichtung, son-
dern auch die Ketten fehlen, an denen es hing und der Riegel,
der ins Schloss ging, verwandt werden kann*). Es ist fBr
einen Schlüssel der gewöhnlichen Form bestimmt, wie die
Form des Schlüsselloches zeigt. Man bemerkt ferner den
*) Von dem Baumeister Huadeshagen bei Dorow, Rom. Alterth. io
und um Neuwied, p. 83—107. Vgl. Taf. 20. 21, die ganz diesem
Gegenstand gewidmet sind.
2; Abg. bei Dorow a. a. 0., Taf. 20, 2.
Ik
Die Schlösser. 195
Ausschnitt, in welchen der Riegel hineingriff und die drei
liöcher, die mit drei Löchern an der unteren Fläche cor-
respondirend Nägel aufnahmen, welche durch das ganze Schloss
fingen und zum Zusammenhalt desselben dienten.
770. Deckel eines ganz ähnlichen Schlosses, ebendaher.
44. D. IV2''.
Dieser Deckel enthält eine Inschrift, worin dem Besitzer
glückliche Benutzung des Geräthes gewünscht wird. Man liest
EYTYXi22XPiI, doch in den Buchstabenformen späterer
Zeit E und 2 haben die runden Formen und das £i ist
cursiv.
771. Beschlag eines Schlosses, rund und mit einem
Schieber versehen, um das Schlüsselloch ganz zu schliessen.
Letzteres hat die einem Winkelmaass ähnliche Form, die mit
dem specifisch römischen Schlüssel correspondirt. Sammlung
XoUer. 504. D. 48/4".
772. Desgl., viereckig tmd für einen Schlüssel der-
selben Form bestimmt. Die Nägel, mit denen das Schloss
befestigt war, sind noch zur Hälfte vorhanden, es wareif im
Ganzen ihrer acht. Sammlung Koller. 565. L. 4" und S*/^".
773. Desgl., von einem Schubriegelschloss. Die Nägel
sind noch zum Theil erhalten. Sammlung Koller. 566.
L. 2»/8a".
774. Theil eines Schlosses, von Eisen.
775. Desgl.
775*^ Desgl. Aus dem Nachlass des Kriegsministers
von Rauch erworben. 2651.
776 — 794. Neunzehn Schlussriegel mit dem spe-
cifisch römischen Schlüssel correspondirend, in verschiedener
Weise, einfacher und künstlicher durchlöchert^), n. 776 ist
in Cleve gefunden und stammt aus der Sammlung Minutoli.
F. 25; n. 777 aus der älteren Königl. Sanmilung. K. 30;
n. 778 stammt aus Pompeji. K 30 ; n. 779 ist aus dem
*) Früher hielt man diese Geräthe fiir Schlüssel. Vgl. z. B. Caylos,
Recueil IV zu pl. 55, 5.
13*
196 öie Schlüsse!.
Nachlass des Oberstlieutenant Schmidt 1846 erworben. 2852;
n. 780 stammt ans Pompeji und ist aus dem Nachlass des
Prof. Rösel 1844 zu uns gekommen. 2783; n. 781. 782
endlich sind aus Gerhard's Nachlass 1869 acquirirt. 40. 41.
Die Länge dieser Schlossriegel variirt zwischen 3^/g"und 1^2"*
794*- Desgl. (?) von Eisen, ältere Sammlung. F. 31.
2) Schlüssel.
a. Die gewöhnlichen, unseren deutschen gebohrten
Schlüsseln entsprechenden.
795 — 810. Sechszehn gewöhnliche Schlüssel, deren
Ring entweder wie bei unseren Schlüsseln, dem Bart parallel
gerichtet ist oder aber senkrecht auf ihm steht, n. 795 ist
aus der Sammlung Koller. 569; n. 796 aus der älteren
Sammlung. F. 22; n. 797 ist bei Cleve gefunden und aus
der Sammlung Minutoli. F. 8; n. 798 ist in Pompeji ge-
funden und aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844 erworben.
27 W; n. 799. 800 sind aus Gerhardts Nachlass 1869 ac-
quirirt, 42. 45; 801 ist aus dem Besitz des Oberstlieutenant
Senckler 1863 erworben. 3487* Die Länge dieser Schlüssel
variirt von 31/2" bis 1^4".
811. Kleinerer Schlüssel, dessen Griff durch eine
weibliche Hand gebildet wird, welche zwischen Daumen und
Zeigefinger eine Frucht hält. Aus dem Nachlass des Oberst-
lieutenant Schmidt 1846 erworben. 2851. L. 1^/2".
812 — 831. Einundzwanzig Schatullenschlüssel,
die sehr praktisch am Finger ringartig getragen wurden,
n 812 ist bei Cleve gefunden und befand sich in der Samm-
lung MinutolL F. b. 21; n. 813 ist 1841 aus dem Nachlass
des Kriegsministers von Rauch angekauft. 2652; n. 814
stammt aus Pompeji und ist mit dem Nachlass des Prof.
Rösel 1844 zu uns gekommen. 2780; n. 815 ist aus dem
Nachlass des Oberstlieutenant Schmidt 1846 erworben. 2850;
n, 816 ist 1846 am Rliein gekauft 2910*; n. 817. 818 sind
vom Oberstlieutenant Senckler 1863 erw^orben. 3487^- ®-
831*- Desgl., fragmentirt.
• Die Schlüssel. 197
832 — 846. Fünfzehn desgl., ungebohrt, mit anders
geformtem Bart. n. 832 ist bei Cleve gefunden und aus der
Sammlung Minutoli. F. b. 22; n. 833. 834 sind aus Pompeji
und 1844 aus dem Nachlass des Prof. Rösel erworben. 2781.
2782; n. 835—837 sind aus Gerhardts Nachlass 1869 an-
gekauft. 114*-*'-
847. 848. Eiserne Schlüssel von ungewöhnlicher
Form. Der erste ist 1846 am Rhein gekauft (2911), der
andere ist aus dem Nachlass des Herrn v. Radowitz 1856
tibergeben. 3206. L. 2" und 2^1^".
849 — 851. Drei desgl., zum Theil von sehr zierlicher
Form. L. l^jj'.
852. Desgl., gebohrt, aber mit ungewöhnlichem Bart
L. 2«/8".
852*- Ein Schlüssel ganz mit Inschriften bedeckt,
unter denen die Worte Cor(n)elia sponsa Pomponi für uns
leserlich sind.
b. Die specifisch römischen Schlüssel.
853 — 890. Achtunddreissig römische Schlüssel
mit den Zinken am Bart, einige von Eisen, n. 853. 854 sind
aus der älteren Sammlung. F. 3. 5; 855 ist von Herrn
v. Staff erworben. F. 7; 856. 857 sind bei Cleve gefunden
und aus der Sammlung Minutoli. F. 8. 9; n. 858 ist aus
derselben Sammlung. F. 13; n. 859 aus der Sammlung Bar-
tholdy. D. 31; n. 860 — 862 sind aus Pompeji und mit dem
Nachlass des Prof. Rösel 1844 zu uns gekommen. 2776 — 2778;
n. 863 ist 1846 am Rhein gekauft. 2910; n. 864 ist 1856
aus dem Nachlass des Herrn v. Radowitz übergeben. 3205;
n. 865 — 868 sind aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
37 — 39, 43. Die Länge dieser Schlüssel variirt von 1'' bis
3^2'^ ^^ einem derselben n. 869 ist noch die Kette erhalten,
an welcher er getragen wurde.
890*- ^' Zwei desgl., von Eisen, bei Cleve gefunden.
Aus der Sammlung Minutoli. F. 29. 30.
198 Die Waagen.
H. Maass und Gewicht.
1) Waagen.
Es gab im Alterthum, wie heutigen Tages, zwei Arteit
von Waagen, die gewöhnliche Waage mit zwei und die Schnell-
waage mit einer Schaale. Die erste war entweder mit einer
Zunge versehen zur allgemeinen Angabe des Gewichtsunter-
schiedes oder sie hatte eine Einrichtung zu genauerer Be-
stimmung der Differenz, indem nämlich auf einer an einend
der Waagebalken angebrachten Skala ein kleines Gewicht
hin und her geschoben wurde.
Diese Einrichtung ist im Wesentlichen die der Schnell-
waage, die nur mit einer Schaale oder nach der Be-
schaffenheit des zu wägenden Gegenstandes mit einem Haken
versehen ist und an dem längeren Waagebalken eine oder
mehrere Skalen enthält, an welchen das Gewichtstück auf
und nieder gleitet. Die Anzahl der Skalen richtet sich nach
der Anzahl der Aufhängungspunkte des Waagebalkens und
die Art derselben nach der grösseren oder geringeren Länge
des Hebelarmes. Für den vom Gewicht entferntesten oder
dem Aufhängungspunkt des zu wägenden Dinges nächsten
Aufhängungspunkt, also für den längsten Hebelarm gilt die
grösste Skala, für die näheren die anderen. Das Gewöhn-
liche waren, wie wir namentlich aus vielen pompejanischen.
Beispielen entnehmen können, zwei Aufhängungspunkte, wo-
mit man schon einen Umfang von etwa 25 Pfunden erreichte,.
es giebt aber auch Waagen mit drei, ja wenn ich nicht irre,,
mit vier Aufhängungspunkten und entsprechenden Skalen, die
begreiflicher Weise auch zum Wägen bedeutend schwererer
Gegenstände geeignet waren.
Griechische — mit Ausnahme einer sehr späten — oder
etruscische Waagen entsinne ich mich nie gesehen zu haben,
was uns erhalten ist, stammt aus römischen oder barbarischen
Funden. Auch in Gräbern findet man Waagen.
Vgl. das Material im Mus. borb. I, 55. YIII, 16 und bei Caylus^
Recueil IV, pl. 9-4 — 96. Eine altrömische ganz von den gewöhnlichen
abweichende Waage bei Gamurriui in Annali delP inst. 1869 tav. L.
Ueber die Auffindung der Waagen in Gräbern, vgl. Cochet, Sepoltureft
gauloises, romaines etc., p. 185. 253.
Die Waagen. 199
a. Waagen mit zwei Schaalen.
891. Waage aus Pompeji, wo sie 1822 in Gegenwart
des Königs Friedrich Wilhelm III. ausgegraben ist, der sie
dann dem Museum schenkte. B. b. 1.
Der 14^/4" lange Waagebalken hängt an einem Haken,
welcher in einen Schwanenkopf ausläuft Die eine Hälfte
desselben, auf welcher ein kleines rundes Gewicht hängt, ist
in 4 Abtheilungen zerlegt, deren jede mit Ausnahme der
letzten wieder in 3 Unterabtheilungen zerfällt Die letzte
hat deren nur zwei, weil der Rest des Waagebalkens das
ganze Dutzend voll macht.
Ob die Waageschaalen, die man an diesen Waagebalken
gehängt hat, ursprünglich dazu gehören, ist schwer zu sagen.
Jedenfalls sind sie nicht beide zugehörig, denn die eine der-
selben ist an der unteren FlS^che verziert, während die andere
glatt ist
892. Desgl., aus der Sammlung Koller. 572.
Die Hälfte des Waagebalkens, auf welcher das (fehlende)
Gewicht hin und her geschoben wurde, ist mit einer Skala
versehen, die jener obigen genau entspricht. Nur dass sie
nicht durch Striche, sondern durch Punkte — die Haupt-
abtheilungen durch drei, die Unterabtheilungen durch einen
Punkt — ausgedrückt ist Ob die Schaalen, die den pom-
pejanischen sehr ähnlich zugehörig sind, vermögen wir nicht
zu sagen. Länge des Waagebalkens 12^/g".
893. ^Waagebalken aus der KoUer'schen Sammlung.
573. L. 14'^/8".
Die eine Hälfte desselben ist ganz in derselben Weise
getheilt, wie die vorigen.
894—896. Drei desgl, ebendaher. 573. L. v. 11%''
bis 15V2".
Die Skala ist ganz dieselbe.
897. Desgl., mit derselben Skala. Die Haken an den
beiden Seiten sowie der in der Mitte sind erhalten. L. 10%".
898. Desgl., am Rhein gefunden und 1863 von Oberst-
lieutenant Senckler erworben. 3480. L. 8%".
200 Die Waagen.
Dieser Waagebalken hat weder eine Skala noch hatte
er eine Zunge, da in der Mitte noch einer der Ringe er-
halten ist, an welchen der Haken hing. Man konnte daher
mit dieser Waage nur nach dem Augenmaass wägen.
899. Desgl;, am Rhein gefunden und 1846 gekauft.
2914. L. 6V4".
Dieser Waagebalken hat ein doppeltes Gelenk, so dass
er zusammengelegt werden kann und dadurch sehr bequem
für den Transport wird. Man hat viele derartige Waagen
diesseits der Alpen gefunden.
Vgl. Kruse in den Rhein. Jahrb. XVIII, p. 248.
b. Waagen mit einer Schaale.
900. Waage mit zwei Aufhängungspunkten, aus Pompeji,
mit dem Nachlass des Prof. Rörsel 1841 erworben. 2702.
L. S^ls".
Ob die Schaale zugehörig ist, vermögen wir nicht zu be-
stimmen, dagegen ist der Waagebalken mit seinen Anhängseln
vollkommen erhalten. Das Gewicht hat die Form einer
Kindesbtiste. Was aber an diesem Waagebalken auffällt, ist
der Mangel der Skala. Ich weiss dafür kein zweites Bei-
spiel und keine andere Erklärung, als die, dass dieses Exem-
plar noch nicht ganz fertig gewesen ist.
901. Waagebalken mit zwei Aufhängungspunkten, aus
dem Besitz Bellori's. Aeltere Sammlung. D. b, 2. L. 6^/4".
Auf der einen Seite ist er in zwei Hauptabtheilungen
zerlegt, die durch ein S (emis) halbirt werden. Jede Hälfte
ist durch fünf Punkte in 6 Theile getlieilt bis auf die letzte,
die unvollständig ist und nur 4 Punkte enthält, aber durch
den Knopf des Waagebalkens ergänzt wird. Die gegenüber-
liegende Seite des Waagebalkens zerfällt in 4^2 Einheiten,
von welchen die vollen durch S halbirt werden, während die
letzte eben nur eine Hälfte ist. Jede Hälfte ist wieder durch
fünf Punkte getheilt. An der Grenze der achten und neunten
Hälfte steht seitwärts am Waagebalken ein V.
902. Desgl., mit zwei Aufhängungspunkten, bei Cleve
gefunden, aus der Sammlung Minutoli. D. b. 3. L. 6".
Dieser Waagebalken ist sehr sinnreicli eingetheilt, näm-
lich in folgender Weise. Auf einer der breiteren Flächeu
k
Die Waagen. 201
liest man I, II, lU, UU, Y, VI, VII und correspondirend mit
dieser Skala, sind auf einer der schmalen Kanten die Unter-
abtheilungen dieser grossen Einheiten angegeben. Hier cor-
respondiren nämlich mit jedem Zwischenraum zwischen den
Zahlen zwölf Punkte, die wieder durch Striche in Hälften
zerlegt sind.
Auf der anderen breiteren Fläche setzt sich die Skala
fort. Sie beginnt mit der Zahl VII, mit welcher sie auf-
gehört hatte und dann kommen die Abtheilungen X, V, XX,
V, also 10, 15, 20, 25. Auch diese Skala hat auf der an-
deren sclimalen Kante ihre Unterabtheilungen, und zwar ihrer
3 zwischen VII und X und ihrer 5 zwischen den übrigen
Zahlen. Jede Unterabtheilung ist durch zwei Striche markirt,
deren Hälfte wieder durch einen Punkt bezeichnet ist.
Die pompejanischen Waagen im Mus. borb. Vllf, tav. 16 sind ganz
älinlich eingetheilt.
903. Desgl., mit zwei Aufhängungspunkten, aus der
Sammlung Koller. 574. L. U^U".
Dies Exemplar ist nicht ganz vollständig erhalten und
ausserdem sehr stark oxydirt, so dass die beiden Skalen, die
sich darauf befinden, nicht mehr genau zu verfolgen sind.
Doch erkennt man auf der einen Seite deutlich eine Anzahl
von Einheiten, die in je zwölf oder genauer zweimal sechs
Theile getheilt sind.
904. Fragment eines Waagebalkens, es ist das
Eckstück, an .dem die verschiedenen, nach unten und oben
gericliteten Ringe befestigt sind.
905. Doppelhaken von einer Waage, 6" lang. Aus
■der Sammlung Minutoli. J. 4.
906. Ein einfacher Haken, um eine Waage daran
aufzuhängen, wie man aus anderen, vollständig erhaltenen
Exemplaren erkennen kann.
907. Waagschaale mit vier Löchern, aus Pompeji.
Angekauft von dem Finder Prof. Zahn im Jahre 1869. 3773.
2) Gewichte.
a. Griechische.
Die (Iriechen hatten für ihre Münzen und für ihre Ge-
202 ^^® Gewichte.
Wichte dieselbe Benennung und Eintheilung. Talent, Mine,
Drachme, Obol sind zugleich Münzen und Gewichte.
Gewöhnlich sind die griechischen Gewichte viereckig und
von Blei, welches Material seiner Schwere wegen ein mög-
lichst kleines Volumen gestattet, aber auch sehr durch Ab-
reibung leidet. Doch kommen auch Gewichte von Stein,
Bronce, ja von Thon und in anderen Formen vor.
Die Gewichte ohne bildliche Verzierung zu lassen, hätte
dem Sinn der Griechen widersprbchen. Doch ist man noch
nicht sicher über die Bedeutung der Symbole, mit denen die
Gewichte verziert sind. Die Meinung, dass das Gewichts-
zeichen die Waare angebe, die danach gewogen wurde, hätte
zwar eine unten anzuführende Analogie in römischer Sitte
für sich, ist aber doch nicht haltbar. Vielmehr scheinen
diese Zeichen zu den Münztypen in näherer Beziehung zu
stehen, so dass sie also als Kennzeichen des Staates, dem
sie angehören, fungiren. Zu ihnen kommen dann noch die
in Buchstaben oder Linien und Punkten bestehenden Zeichen
zur Angabe des Gewichtes. Merkwürdig ist, dass man auch
die Gewichte in Gräbern findet.
Vgl. Longp^rier in Annali 1847, p. 333 ff. und Schillbach ebendas.
1865, p. 160 ff. Auffindung von Gewichten in Gräbern bullet. 1862,
p. 149.
908. Viereckiges Bleigewicht aus Griechenland,
1856 angekauft 3104.
Dies Gewicht, eine Mine, hat als Symbol einen Delphin
und dabei die rückläufige und in alterthümlichen Buchstaben
ausgeführte Inschrift MNA. Das Gewicht beträgt 643 Gr.
Abg. Annali 1865, tav. M, n. 1. Nach Sciüllbach's Untersuchun-
gen p. 171 ff. steht diese Mine ganz allein und ist eine [ivä i/iinogixij
alter Zeit. Diese Handelsmine sollte nämlich 150 Drachmen, d. h. 654 Gr.
wiegen und damit stimmt das Gewicht dieses Stückes so ziemlich über-
ein, indem die Differenz auf die Abreibung gerechnet werden kann.
909. Desgl., in Athen von dem Kunsthändler Lambros
1864 gekauft. 3500.
Dies Gewicht ist der sechste Theil einer Mine, wie die
Inschrift HMITPITON, d. h. die Hälfte des Drittels, beweist
Dasselbe drückt das Symbol aus, eine durchgeschnittene Am-
phora. Wie nämlich auf den Münzen oft Brüche durch wirk-
liche Halbirung des Typus, welchen die Einheit trägt, aus-
gedrückt werden, ebenso verfuhr man auf den Gewichten.
Die Gewichte. 203
Wir haben einen Gewichtstypus, der die ganze Amphora hat
und das Doppelte des hier aufgeführten wiegt und anderer-
seits auch ein Gewicht mit einem Viertel der Amphora und
entsprechend geringerem Gewicht Dies System der Werth-
bezeichnung war offenbar auf Leute berechnet, die des Lesens
unkundig waren und für diese ja auch sehr praktisch.
Wohin die Gewichte mit der Amphora gehören/ ist
ebenso wenig zu sagen als in welches Gewichtssystem sie ein-
zureihen sind. Das Gewicht dieses Stückes beträgt 151,97.
Abg. Annaii 1865, tav. M. Vgl. SchiUbach, p. 175. Longp^rier,
a. a. 0., p. 835.
909*- Desgl., ebendaher, 1871 angekauft. Auf der
einen Seite eine Viertel-Amphora, während die andere Seite
leer ist 6213.
910. DesgL, von derselben Herkunft wie n. 909. 3498.
Dies Gewicht hat eine Schildkröte als Symbol und ge-
hört vermuthlich nach Aegina, dessen Münzen denselben
Typus haben. Die Inschrift ist JEMO, d. h. druioaiov und
bezieht sich darauf, dass es amtlich geprüft ist.
Aus der Insclurift eines anderen Exemplares geht her-
vor, dass dies ein reraQTrinoQtoVy der vierte Theil einer
Mine ist. Das Gewicht unseres Exemplares beträgt 217,2^
das des eben erwähnten besser erhaltenen aber 236 und ent-
spricht somit derselben Mine wie n. 909.
Abg. Moiium. VIII, 14, 43. Vgl. Schillbach, p. 176.
911. Desgl., ebendaher. 3499.
Dies Gewicht ist die Hälfte des eben erwähnten, wie
der Typus, die halbirte Schildkröte und die Inschrift HMITE-
TAFTON (d. h. die Hälfte des Viertels beweist). Gewicht
117,895.
Abg. Monum. VIII, 14, 45. Vgl. Schillbach, p. 176.
912. DesgL, ebendaher. 3501.
Der Typus ist eine Mondsichel, in deren Mitte ein
Stempel, nämlich eine Eule zwischen zwei Oelzweigen, ein-
geschlagen ist Da dies derselbe Stempel ist, der auf atti-
schen Münzen und Richtertäfelchen vorkommt, so ist das
Gewicht, gewiss ein athenisches. Die Inschrift heisst JEMO^
d. h. drjjiioaiov'^ wie auf den Münzen Athens, so ist auch
204 Die Gewichte.
hier das alte E noch zu einer Zeit beibehalten, als man ber
reits,iJ schrieb.
Dieser Typus findet sich übrigens nur bei kleineren
Grewichten, Zu was für einer Mine sie gehören, ist nicht
ganz klar. Gewicht 74,7.
Abg. Mohum. VIII, 14, 53. Vgl. Schillbach, p. 177 ff.
913. Desgl., ebendaher. 3502.
Der Typus ist eine Sphinx, die auf einer Amphora sitzt,
und da dies nun der Münztypus der weinreichen Insel Chios
ist, so darf man über die Herkunft dieses Gewichtes ausser
Zweifel sein. Die Inschrift ist nicht mehr zu entziffern, auch
ist das Gewichtssystem, zu dem das Stück gehört, nicht mit
Sicherheit anzugeben.
Abg. Monum. VIII, 14, 73. Vgl. ScluUbach, p. 180, der das Ge-
wicht irrlhiimlich auf Chios gefunden sein lässt und OPdO (ON) zu
erkennen glaubt.
914. Desgl. Durch den Bildhauer Siegel 1858 in Athen
gekauft. 3248.
Dies Gewicht ist ganz abweichend von den anderen, ge-
wiss auch erst in späterer, römischer Zeit gemacht. Es hat
auf den vier Ecken einen Stempel, der wie von einer römi-
schen Münze genommen aussieht. Man unterscheidet darauf
den Herkules ganz in der Haltung der farnesischen Statue
und eine unbärtige Figur, die eine Schale vor ersterem aus-
giesst, ihm also ein Opfer bringt. Diese Figur trägt einen
Panzer und darüber die Chlamys, deren Zipfel am rechten
Arm herabhängt, sodann einen Speer und hohe Stiefeln, es
ist wahrscheinlich ein Kaiser, der hier dem Herakles seine
Verehrung bezeugt. Kings herum läuft die Inschrift /J?PO^£/
KQN mit runden Buchstaben und dem cursiven w. Eine Münz-
aufschrift ist das nicht, wie mir von competenter Seite ver-
sichert wird, vermuthlich bezeichnet die Inschrift die Behörde
oder Corporation, in deren Händen sich das Gewicht befand.
Gewicht 262,3, vermuthlich ist es die Hälfte einer Mine.
Abg. Monum. VIII, 14, 75. Vgl. Schillbach, p. 182.
915. Desgl. Ebendaher. 3249.
Dies Gewicht hat an den Ecken und in der Mitte einen
Stempel, in welchem man die Umrisse eines bärtigen Kopfes
Die Gewiclite. 205
erkennt. Es wiegt 318, 7 und wird für ein römisches Pfund
gehalten, dessen Gewicht 327,453 beträgt
Vgl. Schillbaeh, p. 191.
916. Desgl., ebendaher. 3253.
Dies Gewicht hat einerseits die zwar verstümmelte aber un-
zweifelhafte Inschrift TPIOYrKION^l andererseits ITAyU-
KON, so dass es also für einen römischen Quadrans zu halten
ist. Letzterer soll Äwar 81,86 wiegen, während dies nur
64,8 wiegt, allein es ist eben ganz durchlöchert und auch
am Rande beschädigt Die erstere Inschrift umgiebt einen
geflügelten Caduceus, der als Symbol attischer Münzen vor-
kommt, die andere eine Amphora.
Abg. Monum. VIII, 14, 88. Vgl. Schillbach, p. 190.
917. Desgl., ebendaher. 3247.
Dies Gewicht hat einerseits die Inschrift AElTPAy^
andererseits ITAAIKH, ist also ein römisches Pfund trotz-
der Gewichtsdifferenz von 271,3 zu 327,453, die schwer-
lich allein durch die Beschädigungen, die das Gewicht er-
litten, erklärt wird. Die Symbole sind eines Theiles ein
Geräth, das einer Fackel am ähnlichsten sieht, andererseits
eine Amphora.
Abg. Monum. VIJJ, 14, 99. Vgl. Schillbach, p. 191.
918. Desgl., ebendaher. 3250.
Das Gewicht hat den doppelt eingeschlagenen Stempel
]VE, was wohl mit Recht als das Zeichen der Metronomen,
der Behörde, welche die Aufsicht über das Gewichtswesen
hatte, betrachtet wird. Es wiegt 334,3 und wird auch für
ein römisches Pfund gehalten, was indessen nicht ganz
sicher ist.
Vgl. Schillbach, p. 191.
919. Desgl., ebendaher. 3252.
Das Gewicht scheint einen Stempel zu haben, der aber
nicht mehr erkennbar ist. Gewicht 147,1, vielleicht ein halbes
römisches Pfund.
Vgl. Schillbach, p. 191, der übrigens irrthümlich bemerkt, dass das>
Gewicht ursprünglich durchbohrt gewesen sei.
920. Desgl., ebendaher. 3251.
*) OY ist in Ligatur geschrieben.
206 I^ie Gewichte.
Das Gewicht ist ohne Bild oder Inschrift und wieg
626,7, vielleicht ein römisches Doppelpfund.
Vgl. Schillbach, p. 191.
921. Desgl., ebendaher. 3255.
Ob dies runde, in der Mitte durchbohrte Stück Blei ein
Gewicht ist, mögen wir nicht mit Sicherheit behaupten. Den
erhöhten Rand hat es, der an Gewichten gewöhnlich ist. Es
wird für ein Zehndrachmeustück gehalten, dem es nach
seinem Gewicht 43,5 fast ganz genau entspricht.
Vgl. SchUlbach, p. 169.
922. Desgl., ebendaher. 3254.
Von diesem runden Stück Blei glauben wir eher, dass
es ein Gewicht war, da die Durchbohrung daran fehlt Es
wiegt 87,4, was dem Gewicht von 20 Drachmen entspricht
Vgl. Schillbach, p. 169.
922*- Desgl., von Bronce mit dem Werthzeichen OY^^),
d. h. eine Unze, was mit dem Gewicht 1 L. 6 Qu. ziemlich
übereinstimmt. Das Normalgewicht wäre l^/g L. Die Buch-
staben sind wie oft bei Broncegewichten in Silber eingelegt
Das Gewicht ist aus dem Nachlass des Hofrath Becker in
Offenbach 1837 erworben.
B. Römische Gewichte.
Wie bei den griechischen Gewichten, so heben wir auch
hier unserem Zweck gemäss mehr die Form als den Werth
des Gewichtes hervor und diese Betrachtung liegt bei den
römischen Gewichten um so näher, weil sie in ihren Formen
weit mannichfaltiger sind als die griechischen. -Man kann
dies nirgends besser beobachten als im neapolitanischen Mu-
seum unter den pompejanischen Alterthümem. Da giebt es
Gewichte in Form von Köpfen der verschiedensten Art, da-
runter auch von Götterköpfen, ferner in Form von Eicheln,
in Form von Thieren, von Ziegen oder Schweinen, in Form
«ines Astragais und eines grossen Käses. Man hört oft die
Meinung, dass diese Verschiedenheit der Form sich durch
das Metier der einstmaligen Besitzer dieser Gewichte er-
kläre, so dass also z. B. das Schwein einst einem Metzger-
laden angehört haben )Yürde, und es ist mir von anscheinend
*) OY ist in Ligatar geschrieben.
Die Gewichte. 207
competenter Seite versichert^ dass in den neapolitanischen
Kramladen sich noch einiges Aehnliche erhalten habe^ doch
würden damit immer nur einige Fälle erklärt werden können^
nnter denen auch wenigstens einer noch zweifelhaft ist. Denn
das für den Eäsehändler bestimmte Gewichtstück hat zwar
genau die Form eines grossen Eäses^ aber alle mir bekann-
ten Steingewichte haben eben dieselbe kreisrunde oben und
unten platte Form^ so dass die Uebereinstimmung unabsicht-
lich zu sein scheint und die Form des Gewichtes als eine
durch sich selbst verständliche betrachtet werden muss. Für
die grosse Menge der broncenen Gewichte — und das sind eben
im Gegensatz zu den steinernen und bleiernen diejenigen^
in denen alle die erwähnten Formen vorkommen, ist aber
die obige Erklärung nicht ausreichend. Was für einem
Handwerk sollten z. B. die Gewichte in Eichelform und in
Form von Köpfen zugeschrieben werden?
Wir glauben überhaupt nicht, dass materielle Gründe bei
der Gestaltung der Gewichte maassgebend gewesen sind, es
sind vielmehr, wenn auch für den einzelnen Fall symbolische
Beziehungen nicht zu leugnen sind, vorwiegend formelle,
künstlerische gewesen. Bei dem Gewicht in Eichelform ist
dies unmittelbar einleuchtend. Es ist ein Hängegewicht und
so wie man überhaupt in der Tektonik hängende oder
schwebende Körper oft als Früchte gestaltet, wie man z. B.
den Bommel des Ohrringes oder des Halsbandes oder auch
das Loth als Eichel bildet, so ist dieselbe Form bei einem
Hängegewicht natürlich. Bei den Gewichten in Kopfform
scheint es auch mehr darauf anzukommen, dass ein Kopf als
was für ein Kopf genommen wurde, denn man findet viele
ganz unbestimmbare, weil gar nicht charakterisirte Köpfe da-
runter, und so möchten wir glauben, dass die Sitte, Köpfe
als Hängeschmuck an Halsbändern zu tragen, von der auch
uns noch manches erhaltene Monument Zeugniss giebt, etwas
Aehnliches für die Hängegewichte — denn nur solche sind
in Kopfform gebildet — hervorgerufen habe. Es giebt übrigens
sogar lebensgrosse, künstlerisch ausgeführte Köpfe, die zu
Gewichten gedient haben. Von dieser Art ist ein schöner
Silenskopf im Museum zu Speyer. Einzeln kommen auch
ganze Figuren als Gewichte vor, das sicherste Erkennungs-
zeichen ist überall die Ausfüllung mit Blei.
Man hat sich gewundert, dass das Gewicht der Köpfe
in kein bestimmtes System zu bringen ist Aber es hat keins
208 ^**^ Hängegewl eilte.
existirt und brauchte nicht zu existiren, denn die Skala, an
welcher der Kopf hin- und hergeschoben wurde, enthielt die
genaue Bestimmung, während es bei dem Kopf nur auf
Schwere oder Leichtigkeit im Allgemeinen ankam. Daher
trägt auch kein Kopf, so viel ich weiss, ein Werthzeichen.
Die anderen Broncegewichte haben oft die Werthzeichen
in Silber eingelegt. Auf den Bleigewichten von Pompeji kehrt
oft als eine gemtithliche Zuthat die Inschrift eme, habebis
wieder, während die Inschriften der Steingewichte nur das
officiell Nothwendige, das Werthzeichen und eventuell den
Stempel des Präfekten enthalten.
Auch römische Gewichte findet man in Gräbern.
Gewichte in Gräbern bullet, d'inst. 1846, p. 32, wo p. 35 die
Meinung ausgesprochen ist, sie hätten dazu gedient, das Fleisch beim
Leichenniahl auszutheilen. Gewicht in Form eines hockenden Silens,
Rhein. Jahrb. I, p. 103.
a. Hängege^wichte.
a. In Form von Köpfen.
923. Häugegewicht in Form eines aus weiblichen
Köpfen zusammengesetzten Doppelkopfes. Die Köpfe sind
einander sehr ähnlich. Das Gewicht ist mit Blei ausgefüllt.
Die zum Aufhängen erforderliche Vorrichtung scheint un-
gewöhnlich complicirt gewesen zu sein, ist uns aber nach
den erhaltenen Spuren nicht deutlich. Sammlung von Koller..
H. 3V2".
923*- Desgl. (?), aus der Sammlung Bartholdy. C. 16.
Nach der schwärmerischen Bewegung scheint dieser Kopf ein
Venuskopf zu sein. Er ist mit einer Stirnkrone und einem
Halsband geschmückt. Oben vor dem Stimschmuck befindet
sich ein Loch, vermuthlich, um das Blei einzugiessen und zu-
gleich die Kette zu befestigen, an der er hing.
923**- Desgl. (?), in Form eines Doppelkopfes. Der eine
ist weiblich und mit Hals- und Stirnschmuck versehen, an
dessen Enden eine Art Kopfflügel hervorstehen, der andere
ist ein jugendlicher Satyr ohne Satyrohren, ebenfalls mit
einer Stirnbinde, von der lange Bänder herabhängen. Beide
Köpfe haben silberne Pupillen. 1845 von einem hiesigen
Kunsthändler angekauft. 2801.
Die Hängegewichte. 209
924. Desgl.; in Form eines mit anliegendem Helm be-
deckten jugendlichen männlichen Kopfes. Mit Blei ausgefüllt
und oben mit einem Ring versehen. Sammlung Bartholdy.
C. 80. H. 31/4"-
925. Desgl.; in Form einer Attisbüste. Diese Büste
ist von dem an römischen Grabmälem nicht seltenen Typus
genommen; in welchem Attis mit gekreuzten BeineU; sinnend
die Hand ans Einn gelegt; dargestellt ist Mit Blei aus-
gefüllt Sammlung Bartholdy. C. 44. H. 4".
926. Desgl.; in Form einer Krieger- oder vielleicht
Kaiserbüste. Der junge Krieger trägt einen Schuppenpanzer
und ist mit einem Oelkranz mit herabhängenden Bändern
geschmückt Mit Blei ausgefüllt. H. 3^4"-
927. Desgl.; in Form eines männlichen bartlosen Kopfes.
Mit Blei ausgefüllt Sammlung Koller. 576. H. 2V2".
928. DesglL; in Form eines Knabenkopfes. Der Boden
und die vorauszusetzende Bleifüllung fehlen. Von Prof. Ger-
hard 1841 in Italien gekauft. 2689. H. 2^IJ*.
928*- Gewicht in Form eines Negerkopfes. Die Blei-
füllung ist erhalten. Aus der Koller'schen Sammlung. 579.
ß. I|n anderer Form.
929. Hängegewi'cht in Form eines schön gearbeiteten
Widderkopfes. Von der Kette ist noch ein Stück erhalten.
Mit Blei ausgefüllt Aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844
erworben. 2746. H. l^j^".
930. Desgl.; in Form eines Wolfskopfes. Der Ring;
an welchem das Gewicht hing; befindet sich vom am Maul.
Der Kopf ist massiV; aber, wie es scheint; nicht mit Blei
ausgefüllt H. l»/^".
931. Desgl., in Form einer Eichel. Die Bleifüllung
ist nur zum Theil erhalten. Dies Gewicht ist 1822 in Pom-
peji in Gegenwart des Königs Friedrich Wilhelm HL aus-
gegraben; von welchem es dann dem Museum geschenkt ist.
A. 16. H. 4V4".
In Pompeji kommt diese Form öfter vor. Vgl. bnll. 186, 3, p. 93t
Friedericl^s, Berlin's Antike Bildwerke II. X4
210 Die Gewichte.
932. Desgl., von derselben Form, nur kleiner, mit
Blei ausgefüllt. H. 1%''.
a. Gewichte zum Hinstellen.
a. Yon Stein.
933. Gewicht von schwarzem Marmor, aus der Samm-
lung Bellori's. D. c. 1. H. 3'/8"- Dnrchm. 5^2"-
Dies Gewicht trägt wie so viele andere den Stempel des
Q. Jun. Rusticus, welcher Stadtpräfekt im Jahre 345 unserer
Zeitrechnung war und als solcher die Aufsicht über die Ge-
wichte hätte. Man liest: EX- AYGT-Q- IVNI- BVSTICI-
PRF- VR-
Das Gewicht hatte eine Handhabe, welche in das oben
bemerkbare Loch eingelassen war. Der Verlust derselben
lässt eine genaue Angabe des Gewichtswerthes nicht zu.
Doch sind es wahrscheinlich 10 römische Pfund. Es wiegt
59897 Par. Gran, während das Normalgewicht 61650 Gran
beträgt Die Differenz würde eben auf den Henkel gerech-
net werden müssen.
Vgl. ßöckh, Metrologische Untersuchungen, p. 172.
934. Desgl., aus der Sammlung Koller (Marmi n. 71),
mit der Aufschrift Q- IVN- RVST- PRAEF- VRE- Das Ge-
wicht wiegt 17267 Par. Gran und wird für ein Dreipfund-
stück angesehen, wobei das Pfund nur 5875 Gran betragen
würde.
Vgl. Böckh, a. a. 0., p. 172. *
935. Desgl., aus der Sammlung Koller. (Marmi 72).
Das Gewicht hat die Inschrift Q- FABll- VIBVL- PRAEF-
VRE* welche Eöckh mit sammt dem Gewicht selbst für un-
echt erklärt, weil Q. Fabius Vibulanus im Jahre der Stadt 298
Präfekt gewesen sei. So gewiss es freilich ist, dass jener
Präfekt nicht in der Inschrift gemeint sein kann, so zweifeln
wir doch wegen des ganz unverdächtigen Aussehens an der
Fälschung. Das Gewicht beträgt 9769 Gran.
Vgl. Böckh, p. 169.
936. Desgl., aus der Sammlung Bellori's. D. c. 2.
Dies Gewicht hat die Inschrift EX- AVCTOR und wiegt.
5863 Gran.
- Vgl. Böckli, p. 173.
Die Gewichte. 211
937. Desgl., ebendaher. D. c. 3.
Es scheint, dass dies Gewicht eine Inschrift hatte, die
/später ausgemeisselt wurde. Es wiegt 5343 Gran.
Vgl. Böckh, p. 175.
938. Desgl., aus Pompeji, 1869 von Prof. Zahn ge-
kauft. 3775.
Das Gewicht hat als Werthzeichen acht Punkte, welche
gewöhnlich die Unzen bezeichnen, hier aber nicht bezeichnen
können, weil das Gewicht viel zu schwer dazu ist, denn es
wiegt 1 Pfd. 9 Lth.
939. Desgl., mit der Inschrift EX- AV- Q- IVNI-
RVST* P* Y* Zwei Punkte bezeichnen den Werth als zwei
Unzen, womit das Gewicht 3 L. 5 Qu. ziemlich stimmt. Das
Normaigewicht würde 3^/3 L. betragen. Aus dem Röserschen
Nachlass 1844 erworben. 2778.
940. Desgl., mit einer Werthbezeichnung in Punkten,
welche, so weit bei der Zerstörung der Oberfläche zu er-
kennen, das Zeichen der halben Unze ist. Gewicht 9 Qu.,
während das Normaigewicht 8^3 Qu. betragen würde. Im
Jahre 1863 erworben. 3475.
941. Desgl., aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben.
219. Hier ist dasselbe Zeichen '. , nur deutlicher, ange-
bracht. Gewicht ebenfalls 9 Qu.
942. Desgl., aus weissem Marmor, aus der Sammlung
Koller (Marmi 69).
Ein Dreipfundstück mit der Note III, dessen Gewicht
18246 Par. Gran beträgt, also nahe ans Normaigewicht heran-
kommt
Vgl. ßöekh a. a. 0., p. 174.
943. Desgl., ebendaher. 70.
Zweipfundstück mit der Note II, dessen Gewicht 11970
Par. Gran beträgt. Der Stein hat übrigens an der einen
Seite stark gelitten.
Vgl. Böckh, p. 172.
944. Desgl., aus dem Nachlass des Generals von Ra-
dowitz 1856 erworben. Ohne Inschrift und Werthzeichen,
Gewicht 3 L. 6 Qu.
14*
212 ÖJe Gewichte.
ß. Von Bronce und Blei.
945. Gewicht aus Pompeji, 1859 von Professor
Zahn gekauft. 3769.
Das Gewicht hat elliptische Form und einen Henkel.
Es war mit Blei ausgefüllt und ist es zum Theil auch noch..
Der Boden hat sich losgelöst.
946. Desgl., aus demselben Fundort und von derselben
Quelle bezogen. 3774.
Dies Bleigewicht mit der Inschrift EME und anderer-
seits HABEB (is) kommt oft in Pompeji vor. Ein Loch, das
an dem einen Ende durchgebohrt ist, könnte vermuthen lassen^
dass es ein Hängegewicht gewesen sei, doch haben wir unter
den Hängegewichten nie eine so ungeschickte Form gefunden^
wesswegen wir dem Loch irgend einen anderen Zweck zu-
schreiben. Gewicht 26 L. 2 Qu.
947. Bleigewicht, aus dem Nachlass des Obristlieute-
nant Schmidt 1846 erworben. 2877.
Das Gewicht hat als Werthzeichen H, es ist also ein
Zweipfundstück, womit das Gewicht 1 Pfd. 8 L. 7 Qu, ziem-
lich stimmt. Die normale Schwere sollte l^/g Pfd. sein.
948. Desgl., ebendaher. 2878.
Dies Gewicht ist mit drei Punkten bezeichnet und wiegt
5 L. 1 Qu., was mit dem Normalgewicht von drei Unzen
(5 L.) ziemlich nahö übereinkommt.
949. Desgl., von Bronce. Von dem Dragoman Dr. Rosen
in Constantinopel 1848 angekauft. 2959.
Dies kleine Gewicht kann ein Werthzeichen gehabt
haben, ist aber jetzt zu sehr beschädigt, um es zu erkennen.
Gewicht 1 L. 8 Qu., es würde also dem Gewicht einer Unze
ziemlich entsprechen.
950—954. Fünf Gewichtstücke, in Form von Wür-
feln mit abgestumpften Ecken, in Somogy in Ungarn gefunden
und von dem Kunsthändler Egger in Wien 1860 gekauft.
3412.
Dass diese Broncestücke Gewichte sind, ist uns einmal
deshalb wahrscheinlich, weil auch heutiges Tages noch, wenn
wir nicht irren. Gewichte derselben Form vorkommen, dann
Die Gewichte. 213
^ber deswegen^ weil drei derselben offenbar in einem be-
stimmten Yerhältniss zu einander stehen. Das schwerste näm-
lich, n. 950, wiegt 1 Pfd. 4 L. 3 Qu., wog aber ursprüng-
lich gewiss mehr, da zwei unausgefüUte Löcher sich daran
befinden, in welche vielleicht ein Henkel eingriff. Das zweite,
n. 951, wiegt 18 L. 1 Qu., es war, wie wir glauben, die Hälfte
des ersteren, und das dritte n. 952, das 9 L. 3 Qu. wiegt,
scheint die Hälfte des zweiten gewesen zu sein. Das vierte,
n. 953, wiegt 7 L. und das letzte n. 954 1 L. 8 Qu.
Das letzte hat als Zeichen einen durch Funkte gebilde-
ten Kreis, das dritte, n. 952, hat fünf, durch kleine Strahlen
gebildete Kreise, das erste ist überall mit einem Zeichen be-
deckt, welches aus vier kleinen zu zwei und zwei übereinander
gestellten und durch einen Strich getrennten Halbkreisen
besteht.
Münzgewichte, exagia.
Es giebt eine Anzahl kleiner, meist viereckiger Bronce-
gewichte spätrömischer Zeit, die zur Gewichtsbestimmung der
Solidi, der Goldmünzen dieser späteren Zeit dienten. Wir
haben solche Gewichte, die sogenannten exagia, mit den In-
schriften und Portraiten des Kaiser Honorius. Gewöhnlich
aber sind nur die Gewichtsmarken darauf angegeben, wobei
sehr häufig eine Mischung griechischer und römischer Cha-
raktere vorkommt.
Vgl. Eckhel, Doctrina nummoram VIII, p. 510 und Fiorelli, Annali
•di Namismatica I, p. 200 ff.
955. Münzgewicht, aus Gerhard's Nachlass 1869 er-
worben. 57.
Dies Gewicht hat die Inschrift NS, d. h. 6 numi oder
solidi, es wiegt 22^2 Gramm und hat fast 5 Gramm am
Normalgewicht zu wenig, ist übrigens auch nicht zum besten
erhalten.
3) Maasse für Flüssigkeiten.
955*- Trichterförmiges Gefäss mit der Umschrift
IMP. CAES. P. HELVI. PERTINAGIS. AVG. P. IH. am
Rande, H. 8". Oberer Durchm. 4,". Aus der älteren Samm-
lung. B. 24.
214 Oie Glocken.
Wie die Umschrift ergiebt, war dies Gefäss ein officielt
beglaubigtes Messgeföss und die Form desselben lässt an-
nehmen ^ dass es in eine Umhüllung von Stein eingelassen
war^ so dass es dann ganz in derselben Weise benutzt wnrde^.
wie die in Pompeji und in Griechenland gefundenen officiellen
Maasse. Das Quantum^ welches der Trichter fasste^ ist wie
an dem bekannten Famesischen Congius in Pfunden angegeben^
wir vermögen aber die Angabe von drei Pfunden nicht mit
einer Unterabtheilung des Gongius zu identificiren und müssen
diese Frage den Metrologen von Fach überlassen. Der Trichter
fasst '/s Quart.
955*' Desgl., mit der Umschrift IMP. M. AVR AN-
TONINI PII FEL. AVG. CC. H. 31/2"- Oberer Durchm. 2 Va"-
Aus der älteren Sammlung. B. 25.
Dieser Trichter fasst nach der Inschrift zwei cyathi, was
mit seinem wirklichen Inhalt nicht zu stimmen scheint. Er
fasst nämlich ^/^ Quart.
955®- DesgL, ohne Umschrift, aber ganz von derselben
Form. H. 3%". Oberer Durchm. 3". Aus der älteren Samm-
lung. B. 26.
Der Trichter fasst ^/g Quart.
a. Glocken und Aehnliches.
Es wäre etwas sehr Ueberflüssiges, diejenigen Gebrauchs-
weisen der Glocke aufzuzählen, die den Alten und Neueren
gemeinsam sind, dagegen dürfen wir auf einen Gebrauch der
Glocke im Alterthum aufmerksam machen, der uns fremd ist
und doch eine wahre Unzahl von Glocken erforderte. Man
hatte im Alterthum den Aberglauben, dass der Ton der
Glocke gegen Verunreinigung aller Art und gegen Gespenster
schütze, und daher wurde sie in gewissen Gülten angewandt,
namentlich aber in der reichsten Weise an Amuleten an-
gebracht. In Herkulanum ist eine grosse Anzahl phallischer
Amulete (nach Art der unten unter dem betreffenden Ab-
schnitt erwähnten) gefunden, von denen kleine Glocken herab-
hängen, die nur den Zweck haben, die zauberabwehrende
Kraft des Phallus noch zu verstärken. Eins derselben hat
ihrer sogar sieben. Aus demselben Grunde wird auch, wie
wir glauben, Priap mit der Glocke in der Hand vorgestellt
Die Glocken. 215
^as die Aaf&ndnng der Glocken betrifft^ so kommen
auch sie zum grossen Theil aus Gräbern.
Vgl. Bronzl d'Ercolano II, tav. 96 ff., wo auch im Text viel ge-
lehrtes Material gesammelt ist. Ueber die Auffindung der Glocken in
Gräbern bullet. 1829, p. 204. 1830, p. 70. 1834, p. 88.
of. Viereckige, auf vier Punkten ruhende Glocken.
956 — 958. Drei Glocken, bei Cleve gefunden. Samm-
lung Minutoli. G. a. 2. 3. 4. H. 2^2 "; 2^*".
959. De;sgl., Sammlung Minutoli. H. 2^8"« Gl« *• &•
960—963. Vier desgL, Sammlung Koller. 626. H.
zwischen 2" und 3^/4".
964. DesgL, Sammlung Bartholdy. D. 33. H. 28/4".
965. DesgL, aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben.
47. H. l'/g".
966—970. Fünf desgL H. zwischen 2'' und 2»/8".
ß. Bunde.
971. Glocke, bei Gelduba gefunden. Sammlung Minu-
toU. H. 4%". G. b. 1. H. 48/4".
972 — 980. Neun desgL, kleiner, bei Cleve gefunden.
Sammlung Minutoli. G. b. 2. 3. 5 — 11. H. zwischen l^j^**
und 273".
•
981. 982. Zwei desgL Aeltere Sammlung. G. b. 4. 12.
H. 2" und IV2".
983 — 985. Drei desgL [Sammlung Minutoli G. K
13—15. H. 1V4" nnd 2V8"-
986. 987. Zwei kleine halbkugelförmige. Samm-
lung MinutolL G. b. 16. 17. '/s" ^ Durchmesser.
988. DesgL, aus PompejL Röserscher Nachlass 1844.
2795«-
988*- DesgL, 1846 am Rhein erworben, fragmentirt 2920.
216 I>ie Glocken.
989. Desgl., mit dem Klöppel vollständig erhalten.
Sammlung Koller. 626.
990. Desgl., von gewöhnlicher Form. Ebendaher. 626.
991. Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
226. Die Kugel des Klöppels ist alt. H. 4»/8".
992. Desgl., mit langem Handgriff, etwa wie die Glocken
der Ausrufer. Sammlung Koller. 625. H. 6^/4".
993. 994. Zwei desgl., von gewöhnlicher Form. Samm-
lung Bartholdy. D. 32. 34. H. 31/4" und IV2".
995. Desgl., aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben.
48. H. l^/g".
996 — 998. Drei desgl., darunter eine in Form einer
halben Kugel. H. zwischen '/s" und 172"«
999. liänglichrunde Gjlocke, aus Pompeji, durch
Herrn Ternite erworben. Diese Glocke hing nach Angabe
des alten Inventars an zehn runden, mit dem Eierstab ver-
zierten Ringen, so dass das Ganze 2' 4^2" lang war. Diese
Ringe sind jetzt nicht mehr aufzufinden oder zu identificiren.
G. b. 18. H. 2V8".
1000. Schelleninstrument, aus zwei aufeinander
passenden Becken bestehend, die am Rande siebenmal zur
Aufnahme von Ringen durchbohrt sind, an deren einem ein
vollständig erhaltenes Glöckchen hängt. Aus dem Besitz
Bellori's. G. c. 1.
Abg. bei Begier, thes. Brand. III, p. 401.^
1001. Zwei Becken, aufeinander passend, aber nur
in der Mitte durchbohrt. Sammlung Koller. 505. Durclun. l'/g".
1002. Klapperinstrument(?) aus Pompeji, durch Herrn
Ternite erworben. G. c. 2.
Auf einem Ring, der ganz ähnlich gestaltet ist, wie die
oben (n. 477 — 479) erwähnten pompejanischen, sind hier vier
aus je zwei aufeinander passenden schellenförmigen HMften
bestehende Körper aufgezogen, die von verschiedener Grösse
in absteigendem Yerhältniss sind.
.j
Die Glocken. 217
Dass dies Geräth und die folgenden musikalische In-
strumente waren, lässt sich vielleicht durch die Thatsache
stützen, dass die Neger in Sudan noch heutigen Tages sich
derselben Instrumente bedienen..
Vgl. R6vae arch^ol 1868, XVIII, p. 56.
1003—1006. Vier desgL, theils mit ähnlichen An-
hängseln wie bei n. 1002, theils mit einfachen Ringen ver-
sehen.
1007. Kleinerer Ring mit sechs kleinen eingehängten
Ringen. Aus Pompeji. Aus dem Nachlass von Prof. Rösel
1844 erworben. 2784.
1007*- Kleine Schelle, 1846 gekauft. 2921.
1007^- Zwei kleine Schellen mit dem Rest eines
Geräthes, an dem sie hingen. Aus der Sammlung Koller. 601.
IL Kriegsgerätk
A. Waffen.
1) Schutzwaffen*
a Der Schild.
Der griechische Schild hat eine doppelte Form. Er war
entweder kreisrund oder oval mit halbkreisförmigem Aus-
schnitt an jeder Langseite. Der erstere soll in Arges er-
fanden sein und wurde daher als argolischer Schild bezeichnet^
der letztere bildet das Emblem der böotischen Münzen und
heisst daher böotischer Schild. Der argolische Schild^ der
kleiner war und daher geringere Deckung gewährte ^ wurde
oft mit einem viereckigen dichten Zeuge versehen, das zum
Schutz der Beine diente.
An beiden Formen beginnt die Wölbung nicht gleich am
RandC; der sich vielmehr in der Breite von ein paar Zoll
von der Wölbung abtrennt. Der gewölbte Theil hat eine
ganz glatte Fläche ohne vorspringenden Buckel, und wenn
auch oft metallische Verzierungen in der Mitte angefttgt
wurden, so steht der griechische Schild doch immer in ent-
schiedenem Gegensatz zum barbarischen, dessen Charakte-
ristisches gerade der weit vorspringende, aus dem Zusanunen-
hang des Ganzen losgelöste Buckel ist.
Der Schild hatte zwei Handhaben, eine am Bande, in
welche die Hand fasst und eine zweite in der Mitte, in welcher
der Arm ruht. Ausserdem wurde der Schild an einem Trag-
band getragen, sodass der Krieger, wenn er ihn nicht ge-
J
Die Schilde. 219
brauchte^ ihn über den Bücken hängen konnte^ wie man es
oft abgebildet sieht ^).
Nur wenig griechische Schilde haben sich erhalten, es
giebt einen in Palermo and im Lonvre, doch könnte der letz-
tere auch etruscisch sein.
Der etruscische Schild hat auch eine doppelte Form,
aber beide sind kreisrund. Der Unterschied ist nur dieser,
dass die ältere Form flacher, scheibenförmiger ist und den
Rand des griechischen nicht hat, während die spätere ganz
dem griechischen Bundschild entspricht Yon den älteren, in
grosser Anzahl aus Caere und Tarquinii erhaltenen wird gleich
im Folgenden näher die Bede sein, Erzschilde, die ganz mit
den griechischen übereinstimmen, hat man in Orvieto und
Vulci gefunden. Doch sind auch Schilde von Holz mit Leder
oder Bronce, oder von Leder mit Bronce überzogen, sehr ge-
wöhnlich in den etruscischen Gräbern, man erfährt aber in
den Berichten selten etwas Genaueres über die Form.
Die Bömer hatten nach Diodor in ältester Zeit viereckige
Schilde, nahmen dann den etruscischen Bundschild an und
kehrten später zum viereckigen zurück. Auf den römischen
Monumenten sieht man wohl nur den oblongen, einem halben
Cylinder gleichen Schild.
Die ältesten etruscischen Schilde, zu denen der hier be-
flndliche gehört, sind in jeder Beziehung singulär. Wir be-
zeichnen diese Schilde als die ältesten etruscischen, weil sie
sich in einem nach Bauart und Inhalt hochalterthümlichen
Grabe gefunden, dem Begulini-Galassigrab in Caere, und in
ihrer Ornamentation ganz primitiv sind. Die ganze Fläche
des Schildes ist nämlich in concentrische und zwar sehr viele
und schmale Streifen zerlegt, die mit gepressten Ornamenten
ausgefüllt sind. Die Ornamente sind zum Theil Beihen von
kleinen Buckeln, die meist als Saum zwischen die einzelnen
Streifen gelegt sind und auf den Streifen selbst finden sich
entweder lineare Ornamente oder kleine Thierfiguren. Das
Ganze wird dann von einem Bandgeflecht umsäumt. Es ist
offenbar derselbe Stil, der in den ältesten Thonvasen herrscht,
wo auch die zu decorirende Fläche in lauter kleine Streifen
abgetheilt und mit puppenhaften Thieren verziert wird.
Diese Schilde sind in Gräbern gefunden, doch sind sie
1) Wie das Tragband befestigt war, sieht man sehr deutlich am Schild
des Mars Ludovisi (Bd. L n. 486), es hing in zwe) Ringen oder Schnallen,.
die an jeder Seite am Schildrande befestigt waren.
220 ^'^^ Schilde.
nicht als die dem Verstorbenen ins Grab mitgegebene Kriegs-
waffe aufzufassen. Sie sind nämlich so dünn^ dass sie za
keinem praktischen Gebrauch dienen konnten^ und können
Äuch nicht der Ueberzug eines früher vorhandenen Holz- oder
Lederschildes gewesen seiu; weil man dann Löcher für die
zur Befestigung nöthigen Nägel finden würde. Vielmehr
dienten sie nur zur Ausstattung des Grabes. Man findet
ihrer immer mehrere beisammen und in Tarquinii ist con-
statirt; dass sie an den Wänden des Grabes aufjgehängt wareiu
Dass man Schilde als Zierrat yerwerthetC; stammt gewiss von
der Sitte, erbeutete Schilde am Tempel oder auch am Privat-
hause aufzuhängen. In den etruscischen Gräbern findet man
vielfach nur gemalte oder ausgemeisselte Schilde^ bei denen
also der ornamentale Zweck unverkennbar ist.
Die Schilde aus dem Regulini-Galassigrab sind abgebildet im Mos.
Oregor. I, 18—20, über die ähnlichen aus Tarquinii vgl. ballet. 1837
p. 66 und Annali 1829 p. 87. Die Schilde aus Vulcl und Orvieto, die
mit den griechischen übereinstimmen, sind im Mus. Greg. I, tav. 21
und bei Conestabile Pitture murali tav. 12 zu finden. Ueber sonstige
Funde von Sclülden in Etrurien vgl. bullet. 1830 p. 238, 1869 p. 2^,
und über die Ausschmückung der Gräber mit Schilden Dennis, die
Städte und Begräbnissplätze Etruriens I, p. 169 Anm. 17 and II, p. 400.
1008. Etruscischer Schild^ aus Gorneto. Sammlung
Dorow 538.
Der Schild ist kreisrund, war ursprünglich vergoldet und
hat M'* im Durchmesser. Er gehört der ältesten^ noch nicht
nach griechischen Mustern gebildeten Classe etruscischer
Schilde an und besteht aus einer flachen Scheibe von dünnem
Bronceblech, in deren Mitte der Buckel sehr gelinde hervor-
ragt. An jeder Seite des letzteren treten drei Spitzen her-
vor, nämlich die Nägel, durch welche die inwendig über den
Buckel gespannte Handhabe befestigt ist. Die ganze Ober-
fläche ist mit Ornamenten, theils linearen, theils figürlichen,
bedeckt, die mit einander abwechseln. Man unterscheidet
Pferde und andere Thiere und menschliche Figuren, alle in
puppenhafter Kleinheit, dazwischen finden sich Reihen von
kleinen Buckeln, eine Nachahmung von Nagelköpfen, ferner
schräg gegeneinander gestellte Striche und am Rande sehr
passend als Saum ein geflochtenes Band. Der Rand ist um
einen eisernen Ring umgebogen, der zur Festigkeit des
Oanzen beiträgt.
Es wurde schön in der Einleitung bemerkt, dass diese
dünnen Schilde nicht zu praktischem Gebrauch, sondern nur
.1
Die Helme. 221
zur Verzierung des Grabes gedient hätten. An unserem
Exemplar beweist auch die aus schwachem Blech gebildete
Handhabe die Unmöglichkeit des Gebrauchs. Auch würde
man, wenn der Schild praktisch gebraucht wäre, im Buckel
einen Ring für den Arm und am Bande des Schildes die
Handhabe erwarten.
1008*" Fragment eines ganz^ähnlichen Schildes»
Nur das Mittelstück ist erhalten mit einem Theil der Hand-
habe, die durch die aussen vorstehenden Nägel befestigt ist,
1009. Fragment eines Schildes desselben Stils. Aus
Cometo. Samml. Dorow 539.
b. Der Helm.
Die ganze Rüstung der Griechen ist ein redendes Zeug-
niss für den künstlerischen Sinn der Nation. Die Formen
haben nichts Willkürliches und Barockes, sondern sind noth-
wendig, da jeder Theil der Rüstung dem zu schützenden
Gliede genau entspricht Denn der Helm ist nur ein Kopf,
der Panzer eine Brust und die Beinschiene ein Bein von
Metall, und die Gliederung der einzelnen Rüstungstheile ent-
spricht genau der Anatomie der betreffenden Körpertheile.
Beim Panzer lässt sich verfolgen, dass diese Bildung der
Rüstung erst allmählich bei den Griechen entstanden ist, es
war ein künstlerischer Grund, der sie hervorrief und nicht
wohl eher wirksam werden konnte, ehe nicht das Handwerk
ganz künstlerisch durchgebildet war. Bei den Römern ist
diese Bildung der Rüstung im Wesentlichen beibehalten.
Der Helm also ist ein Kopf von Metall, über welchem
sich dann der Busch wie das wallende Haupthaar erhob. Das
Organische der Bildung kann man am besten daraus erkennen,
dass der Helm nicht selten als wirklicher Kopf gestaltet ist,
wie z. B. auf Gemmen eine Minerva vorkommt, deren Helm
die Form des Sokrateskopfes hat Und wenn Homer dem
Helm das Epitheton „ehernwangig'' giebt, so spricht er damit
nur die einfache Anschauung aus.
Dieses Epitheton setzt eine Helmform voraus, deren
Backenschirme unbeweglich waren, und das scheint allerdings
die älteste Form des hellenischen Helms gewesen zu sein, so
dass der Kopf ganz und gar vom Helm umschlossen wurde.
222 ^*® Helme.
Später wurde der Backenschirm kleiner und beweglich, so
dass er auf- und niedergeklappt werden konnte, er schrumpfte
zu einem breiten Sturmbande zusammen. Auf den ältesten
Vasen ist jene Helmform, übrigens mit Variationen im Ein-
zelnen, die herrschende^), auf den rothfigurigen, wo übrigens
auch das künstlerische Bedürfniss sich geltend machte, das
Gesicht, das dort ganz verdeckt ist, zu zeigen, ist die spätere
Form gewöhnlich. Man ^pflegt heutigen Tags den alterthflm-
lichen, mit festen Backenschirmen versehenen Helm den korin-
thischen zu nennen, da er an den Pallasköpfen der korinthischen
Münzen gewöhnlich ist. Eine besondere Form des späteren
Helms, nämlich die mit aufrechtstehendem Stimschirm, be-
zeichnet man als attisch, da sie der Pallas attischer Monu-
mente eigen ist. Als dritte Form des hellenischen Helms,
die aber ebenfalls später ist, muss dann diejenige Helmform
bezeichnet werden, die im Uebrigen dem attischen Helm ent-
spricht, nur dass der Schirm nicht aufrecht steht, sondern
zum Schutz von Stirn und Augen sich vorstreckt.
Der etruscische Helm entspricht dem altgriechischen
vollständig. Doch finden sich daneben besondere Formen von
Sturmhauben, die aus Griechenland nicht bekannt sind. Aach
Unteritalien hat Helme eigenthümlicher Form geliefert, wovon
bei den einzelnen Exemplaren die Rede sein wird®).
Der römische Helm, wie wir ihn aus den Monumenten
der Kaiserzeit kennen, entspricht durchaus dem attischen Helm.
Griechische Helme sind besonders zahlreich in Olympia
gefunden, sie sind aber durchgehends so dünn, dass sie wohl
nicht in praktischem Gebrauch gewesen, sondern nur als
Weihgeschenke gegeben sind.
Auch die, welche man in den Gräbern findet — und
daher stammen die vielen etruscischen und unteritalischen
^) Am meisten charakteristisch für den ahen Stil ist der Helm mit
den festen Backenschirmen und der hoch emporstehenden, vom gekrümmten
Röhre, an welcher der Helmbusch befestigt ist. Diese Helmform mius
man im Sinne haben, um die ausdrucksvolle Schönheit der homerischen
Worte öeivbv 6h Xöcpog xaS-VTie^S-sv %vevs zu verstehen.
2) Einen unter italischen Helm mit Hörnern, dnr manchen im Norden
gefundenen Helmen entspricht, findet man in Gypsabgas9 im Neuen
Museum. Das Original ist im Artilleriemuseum in Paris und abgebildet
in Lindenschmit's Alterth. unserer heidn. Voi'zeit I, 3, 2. VgL auch
E. aus'm Weerth im Festprogramm zu Winckelmann's Geburtstag
1870 p. 18.
Die Helme. 223
Helme — sind oft nur Zierhelme gewesen , für den Zweck
der Bestattung gearbeitet, wie bei n. 1011 näher erörtert
wird. Doch finden sich andererseits auch wirklich gebrauchte
Helme, wie man am leichtesten an den Spuren von Schwert-
hieben oder Lanzenwürfen erkennen kann.
Ueber die in Olympia gefmidenen Helme vgl. Dodwell a classical
tour Ily p. 331* Ueber die Auffindung etruscischer und unteritalischer
Helme bullet, d'inst. 1835 p. 205. 1834 p. 37. 1836 p. 71.
1010. Griechischer Helm, auf Milo gefunden, zuerst
im Besitz des Admirals Haigan, dann in der Sammlung Four-
talös, aus der er 1865 für's hiesige Museum gekauft wurde.
3536.
Dieser Helm hat eine spätere, leichtere, übrigens schon
im fünften Jahrhundert übliche Form. Er stimmt nämlich
genau mit dem Helm überein, der einer Amazonenstatue aus
der Zeit des Phidias beigegeben ist. Unter die gewöhnliche
Nomenklatur der griechischen Helme ist er nicht einzureihen,
er bat einen einfachen Stirn- und Nackenschirm und einen
Kanmi von Bronce, unter welchem vom ein Minervenkopf an-
gebracht ist, während links und rechts, da wo die Backen-
klappen ansetzten, zierliche Medusenköpfe hervortreten. Die
einzelnen Theile des Helms sind zusammengenietet, der Helm
hat gewiss nur als Zierhelm gedient.
Vgl. den in den Antiquitös du Bosphore Cimmerien pl. 28 abge-
bildeten Helm, mit weichem der unsrige bis auf die fehlenden Backen-
klappen genau übereinstimmt.
1011. ünteritalischer Helm, 1841 von Prof. Gerhard
angekauft. 2691.
Dieser Helm ist zwar nicht ganz vollständig erhalten,
doch erkennt man leicht aus dem, was zurückgeblieben^ dass
er zu einer Classe von Helmen gehörte, die man nur in
Unteritalien, insbesondere in Ruvo findet. Die Form ist im
Allgemeinen die des altgriechischen und altetruscischen Helms
mit unbeweglichem Visir, oben darauf aber pflegt eine Gabel
{von deren Befestigung man hier die Spuren sieht) zu stehen,
die den Helmbusch aufnahm, und ausserdem an jeder Seite
der Gabel eine kleine Stange, die ebenfalls zur Befestigung
von Federn diente. Auf unteritalischen Vasen und Wand-
gemälden sieht man oft solche mit dreifachem Federschmuck
versehene Helme.
Auch der Nasenschutz ist abgebrochen, aber der Ansatz
224 I^'c Helme.
davon ist noch da. Uebrigens ist schon aus der viel zu
kleinen Oeffnung für Augen und Nase zu schliessen^ dass
dieser Helm nie im praktischem Gebrauch war. Dasselbe
beweist auch die grosse Dtinnheit des Metalls. Wie die grosse
Masse der bemalten Vasen nur für die Beisetzung gearbeitet
ist^ so sind auch unzählige Broncegeräthe nur für die Grabes*
ausstattung berechnet. Man machte dünnere^ weil billigere
Waare für das Grab. Dieser Helm, der sich auch durch
gleich näher zu besprechende eingravirte Zeichnungen aus-
zeichnet, diente gewiss als Paradehelm bei der Bestattung*
Man wird nach der noch jetzt in Griechenland bestehenden
Bestattungssitte voraussetzen dürfen, dass der Todte in offenem
Sarge und daher prächtig kostümirt hinausgetragen wurde,
die Alten unterschieden sich aber dadurch von ihren modernen
Nachkommen, dass sie dem Todten den Schmuck wie ein
Opfer mitgaben, während diese ihn vor der Einscharrung
wieder abnehmen.
Die eingravirten Figuren sind ein Centaur mit Herkules
und Jolaos im Kampf. Der erste schwingt einen Baumstamm
als Waffe und streckt den linken Arm gegen Jolaos aus, der
mit Schild und Schwert ihn bekämpft, übrigens sehr klein
geratheri ist, weil der Raum gerade unter der Nasenöffimng
es nicht anders zuliess. Hinter ihm steht Herkules, das
Löwenfell in der Linken wie einen Schild vorstreckend, in
der Rechten die Keule schwingend.
An den äusseren Winkeln der Augen bemerkt man ein-
gravirte Knospen, ein uns unverständliches Ornament, und an
mehreren Stellen sind Spuren volutenartiger Verzierungen.
Diese Helme sind nicht gerade selten, in Ruvo sind mehrere ge-
funden, die sich jetzt in Neapel und Carlsruhe (Sammlung des Majors
Maler) befinden. Vgl. bull. 1834 p. 36. 1836 p. 72. 164. 1842 p. 70.
Ein der letzteren Sammlung an gehöriger, bei Lindensclunit I, 3, 2, 7 ab-
gebildeter, ist vollständig erhalten und stimmt ganz mit dem unsrigen
überein.
1012. Unteritalisjcher Helm, Samml. Koller 540.
Wir nennen diesen Helm unteritalisch, weil ein überein-
stimmender in Wien befindlicher Helm aus Unteritalien
stammt^). Es ist im Wesentlichen die alterthümlichste Form
des griechischen Helms, aber mit einer sehr entstellenden
Abänderung. Der Nacken bildet nämlich mit dem Hinter-
Vgl. V. Sacken und Kenner, das Wiener Antikencabinet p. 293.
n. 1101. 2.
Die Helme. 225
köpf eine fast gerade Linie; so dass die schöne organische
Form zerstört wird.
Der Helm hatte, wie man namentlich im Innern sieht;
oben einen Bügel; an dem der Helmbusch befestigt war. Die
Löcher, die am ganzen Kande hemmlaufen; dienten wie man
an anderen Exemplaren deutlich sieht, dazu, eine Eandein-
fassung von anderem Metall, etwa Silber, zu befestigen.
1013. Desgl., ganz tibereinstimmend. Auch dieser Helm
hatte einen Busch.
1014. Unteritalische Sturmhaube, Samml. Koller 541.
Es ist dies die einfach konische Helmform, die man so
überaus häufig auf den unteritalischen Yasen sieht und ge-
wöhnlich aber irrthümlich für einen Filzhut erklärt Die
Nägel, die man an einer Seite bemerkt, dienten vermuthlich
zur Befestigung eines Emblems. Auf der gegenüberliegenden
Seite ist ein kleiner Buckel herausgetrieben, dessen Bedeutung
uns nicht klar ist.
1015. 1016, Zwei altetruscische Helme, ganz über-
einstimmend mit den ältesten griechischen. Die Helme ahmen
genau die Form des menschlichen Kopfes nach und sind
darauf berechnet, ganz über das Gesicht hinübergezogen zu
werden. Die kleinen Nägel am Bande dienten dazu, eine
Randverzierung von anderem Metall zu befestigen, man sieht
noch deutlich die Spur dieser Befestigung.
Der eine dieser Helme hat die deutlichsten Zeichen ehe-
maliger Benutzung. Ein Hieb ist über dem linken Auge
sichtbar und ausserdem ist unmittelbar über demselben
Auge ein kleiner Riss schon in alter Zeit ausgebessert worden.
1017. Feinverziertjer etruscischer Helm, Samml.
Bartholdy. D. 43.
Der Helm ist fragmentirt, scheint aber die Form einer
einfachen Sturmhaube wie n. 1018 gehabt zu haben. Der
Rand ist mit einem feinen Geflecht umgeben und an jeder
Seite ist in feiner Gravirung ein Silen angebracht. Die
Silene haben eine etruscisch übertriebene Physiognomie, am
ganzen Leibe Haare und liegen einander lauernd auf den
Knien gegenüber, gleich als wollten sie nach Art von Thieren
sich mit einander balgen.
Abg. Gerhard Ant. Bildw. 55, 2 und Müller Wieseler II, 520, wo
Gerhardts wunderliche Ideen mit Recht beanstandet werden.
Friederichd, Bcrlin's Antike Bildwerke II. 15
226 ^^® Helme.
1017*- Fragment eines etruscischen Helms. Es
ist nur eine Backenklappe erhalten, worauf in flachem Kelief
ein Hund dargestellt ist. Aus Gerhard's Nachlass 1869
erworben.
1018. Etruscische Sturmhaube, aus VulcL Samml.
Dorow 540.
Dass dies ein etruscischer Helm ist, wird theils durch
zahlreiche Funde in etruscischen Gräbern bewiesen, theils
durch den berühmten im britischen Museum befindlichen Helm,
den der König Hiero von Syrakus in Olympia als Beute der
besiegten Etrusker dedicirte. Jener Helm nämlich, den die
Inschrift als einen etruscischen Helm aus der Zeit Hiero's
charakterisirt, hat genau dieselbe Form wie der unserige.
Gleiche Helme z. B. in Carlsruhe bei Lindeuschmit I, 3, 2, 5 und
im Vatikan Mus. Gregor. I, 21.
1019. Desgl., nur dadurch verschieden, dass der Helm
von einem kleinen Kamm bekrönt ist, der mit theils einge-
grabenen, theils punktirten geflecht- oder gewindeartigen Ver-
zierungen bedeckt ist. Feiner sind die unteren, mit Stempeln
eingeschlagenen Verzierungen, Voluten mit Palmetten da-
zwischen und darunter eine Verzierung in Form einer X.
Diese umgeben den Helm unmittelbar unter dem Kamm, wäh-
rend der vorstehende Rand mit Spiralen verziert ist, die über
und unter sich die eben erwähnte, einer X ähnliche Verzierung
haben. Auch im innern Rand wiederholt sich die Verzierung
mit Spiralen. Die Sturmbänder sind an diesem, wie an dem
vorhergehenden nicht erhalten, aber man sieht, die Vorrich-
tung dazu. Der Helm ist 1842 von einem hiesigen Kunst-
händler gekauft. 2717.
1020. Italischer Helm späterer Form, Sammlung
Koller 542.
Diesen einer Jockeymütze nicht unähnlichen Helm wissen
wir nicht mit Bestimmtheit diesem oder jenem Volke zuzu-
theilen. Man hat solche Helme in Vulci gefunden, aber auch
anderswo und ein derartiges Exemplar, das sich in der Waffen-
sammlung des Kensingtonmuseums befindet, hat einen römi-
schen Stempel. Doch entsinne ich mich nicht, auf römischen
Denkmälern je solche Helme gesehen zu haben.
Man hat bei diesem Helm geschwankt, welches die
Die Helme. 227
Yorder- und welches die Hinterseite wäre. Aber ein in der
schönen Waffensammlung des Petersburger Museums befind-
liches Exemplar, welches über dem kleinen Schirm ieinen
Löwenkopf als Verzierung hat, zeigt, dass die Schirmseite die
vordere war.
An unserem Exemplar fehlen die Backenklappen, in der
Mitte des Schirms bemerkt man Reste eines Charniers, die
uns unverständlich sind.
Ein übereinstimmender Helm aus Vulci ist im Mus. Greg. I, 21, 1
rechts abgebildet. Die Notiz über den Petersburger Helm verdanke ich
<ier freundlichen Mittheilung des Herrn Treu.
1021. Aehnlich geformter Helm aus Eisen, stark
angegriffen, bei dem Schlosse Greifenstein in der Nähe von
Botzen zusammen mit anderen Gegenständen gefunden, 1858
erworben. 3258.
Einen gleich geformten Helm habe ich bisher nicht ge-
sehen, zusammen damit sind eiserne Schwerter gefunden, deren
eins entschieden barbarisch ist. Ausserdem befanden sich
die Fragmente eines oder mehrerer Broncegefässe dabei, die
ohne Löthung nur durch Nieten hergestellt, ausserdem mit
Verzierungen bedeckt sind, deren Ausführung ziemlich primitiv
ist. Vgl. 1154»-
1022. Römischer Helm mit Reliefs verziert, bei
Antinupolis in Aegypten gefunden, aus der ägyptischen Samm-
lung Minutoli, die zum Theil bei Helgoland verunglückte,
zum Theil im Jahre 1822 glücklich ankam. Vgl. Levezow,
Ueber die Kgl. Preuss. SammL d. Denkm. alter Kunst. Erster
Nachtrag. Leipzig 1824 p. 14 n. 171.
Der Helm entspricht nach seiner Form dem sogenannten
attischen oder römischen Helm. Nur fehlt der Stirnschirm,
der aber gewiss vorhanden war. Denn man bemerkt noch,
gerade in der Mitte des vorderen Randes, den Rest eities
Charniers, der zur Befestigung eines, wie es scheint, beweg-
lichen Schirms diente. Man sieht ferner die Spuren, wo die
Backenschirme und der Helmbusch angebracht waren. Zur
Befestigung des letzteren scheinen auch die beiden Löclier
in dem Nackenschirm gedient zu haben.
Der Helm stimmt fast genau überein mit* dem Helm des
borghesischen Mars (Bd. I, n. 720) und man darf daraus wohl
schliessen, dass die Verzierung eine öfter vorkommende, ge-
lb*
228 ^^iß Panzer.
wohnliche war. Das Feld des Helms wird durch ein in ge-
schwungener Linie gezogenes, in Voluten auslaufendes Band
in eine untere und obere Abtheilung zerlegt. Dies Band ist^
wie sich aus der Vergleichung älterer Helme ergiebt, nichts
Anderes, als eine Imitation der Linie der Augenbrauen, durch
welche an den ältesten, dem menschlichen Gesicht nachgebil-
deten Helmen Schädel und Gesicht getrennt wurden; unter
diesem Bande bemerkt man eine Palmette, welche links und
rechts Voluten aussendet, umgeben von Hunden oder Wölfen^
was wir nicht genauer zu entscheiden wagen. Darüber sind
zwei Greife angebracht, welche die ganze Fläche des Schädels
einnehmen. Vermuthlich haben diese Verzierungen keine
weitere Bedeutung, als dass sie allgeuiein kriegerische Sym-
bole sind.
Der Helm war vermuthlich der eines hohen Officiers.
c. Der Panzer.
Der älteste griechische Panzer unterschied sich von dem
späteren dadur>ch, dass er noch nicht völlig anschmiegend
gearbeitet war, der Körper hatte Spielraum darin. Derartige
Panzer sind zwar nicht erhalten, aber auf den ältesten Vasen
oft abgebildet. Auch Homer erwähnt sie^). Später arbeitete
man die Panzer nach dem Körper und zwar so, dass Brust
und Bücken aufs Genaueste in all ihrem anatomischen Detail
wiedergegeben wurden. Eine künstlerische Forderung zwang
dazu, dieselbe Forderung, welche die Bildhauer veranlasste,
das Gewand nur als das „Echo der Gestalt^^ zu behandelo.
Die modernen Panzer sind in ihrer nicht so anschmiegenden
Form viel praktischer, aber es ist dies nicht der erste Fall,
wo die Griechen das Praktische dem Schöneren opfern. Denn
schöner ist die griechische Weise gewiss, wie unglaublich
hässlich und formlos sieht in den Waffensammlungen ein
Ritter des sechszehnten Jahrhunderts einem griechischen Ritter
gegenüber aus^.
1) cf. II. 3, 348, wo es von Paris, in dem Moment als sein Panaer
von der Lanze des Menelaos durchbohrt wird, lieisst o ö^ixXlvB^rj xal
älsvaro xtjQa fiiXaivar,
2) Man vergleiche auch barbarische Panzer, wie den in Grenoble
gefundenen, dessen Abguss sich im Neuen Museum befindet. An diesen
ist von einer Wiedergabe der Anatomie des Körpers keine Rede. Ab-
gebildet ist derselbe bei Lindenschmit Alterlh. I, 11, 1. 6. 7.
Die Panzer. 229
Die beiden für Brust und Rücken bestimmten Metall-
stücke waren bald von gleicher bald von ungleicher Ausdeh-
nung, jenachdem das Vordersttick auch den Bauch bedeckte
oder nicht. Der römische Panzer reicht regelmässig auch
über den Bauch, bei den Griechen war dies die seltnere
Form, von welcher übrigens schon Beispiele aus dem fünften
Jahrhundert vorkommen. Gewöhnlicher ist bei letzteren das
gerade über dem Bauch abgeschnittene Vorderstück, wobei
denn der Bauch nur durch metallbeschlagene Lederstreifen
geschützt wurde.
Die Zusammenfügung der beiden Stücke geschieht zu-
nächst durch Riemen, welche durch die an den Rändern
beider Stücke befindlichen Ringe gezogen werden. Ausser-
dem liegen über den Schultern besondere Schutzbänder, die
vermittelst Riemen an Rmgen, welche auf dem Panzer selbst
sich befinden, befestigt wurden.
Die etruscischen Panzer stimmen mit den griechischen
überein, aber in Unteritalien begegnen wir einer ganz eigen-
thümlichen Form, nämlich einer aus drei kleinen Schilden
zusammengesetzten Brustplatte. Zwei dieser Schilde liegen
neben einander auf der Brust, während das dritte gerade
mitten unter den anderen sich anschliesst. Solche Panzer
sind, wenn auch nicht häufig, in unteritalischen Gräbern ge-
funden, häufiger aber auf den unteritalischen Vasen darge-
stellt, die in ihren Trachten so manche lokale Besonderheit
erkennen lassen.
Die römischen Panzer erscheinen auf den Monumenten
in grösster Mannigfaltigkeit. Ausser jenem, den Griechen
und Römern gemeinsamen Panzer, den wir schon erwähnten,
ist besonders häufig der Ketten- und Schuppenpanzer darge-
stellt. Ein seltenes interessantes Fragment unseres Museums
giebt von beiden eine deutliche Vorstellung, da es sowohl
Ketten- als Schuppenpanzer ist.
Von den Panzern humerischer Zeit giebt das aherthümliclie Vaseu-
i)ild mit dem Tode des Patroklus (Overbeck Gall. Taf. 23, 1) den besten
Begriff, anschmiegend gearbeitete Panzer sieht man bereits auf der dem
fünften Jahrhundert augehörenden Vase bei Fröhner, choix de vases
grecs pl. 3. Die eigenthümliclien unteritalischeu Panzer kann mau iu
Neapel sehen (Catalogo del museo nazionale dl NapoH, armi antiche
n. 18. 19, wo sie von FiorelH irrthümlich als d'(OQaS ^ÄrrixovQyijc
erklärt werden) und in Carlsruhe und in der Sammlung des Fürsten
Sayn-Wittgenstein. Vgl. die Abbildung des Exemplars in Carlsruhe
bei Lindenschmit Alterth. I, 31, 3. Von unteritalischen Vasen, wo sie
vorkommen, vgl. z. B. mus. borb. VI, 39.
230 öie Gürtel.
1023. Bruststück eines PanzerS; ans der Sammlong^
Bartholdy D. 44.
Der Panzer war mit 6 Ringen an dem correspondirenden
Rückenstück befestigt. Das anatomische Detail der Brust ist
vollkommen deutlich ausgedrückt. Die Form ist die des
älteren griechischen Panzers.
1024. Rückenstück eines Panzers, nicht besonders
erhalten. Aus der Samml. Bartholdy D. 45.
Es ist ebenfalls mit sechs Ringen versehen und von
griechischer Form.
1025. Fragment eines römischen Ketten- und
Schuppenpanzers von Eisen, fein gearbeitet Bei Rom
gefunden und von der Herzogin von Sermoneta im J. 1842^
zugleich mit der Mamorstatue des Meleager angekauft 2716*-
Die Grundlage für die Schuppen bildet ein äusserst
feines Geflecht von Eisendraht, das für sich allein einen
Kettenpanzer bilden würde. Auf demselben sind an jeder
Maschenreihe dicht neben einander die Schuppen befestigt,
die daher sich einander grösstentheils decken, so dass jede
Stelle durch die doppelte Stärke der Schuppe und ausserdem
durch den Kettenpanzer gedeckt ist.
Es giebt Fragmente von Schuppenpanzern sowohl von Bronce,
Smith Collect, ant. VI, p. 8. Antiquit^s du Bosph. Cim. pl. 27. Linden-
schmit I, 12, 4, 2, als von Knochen Mus. borb. V, 29, 5, als auch ans
Eisen, Lindenschmit ebendas. n. 4 und Dorow Denkm. german. u. röm.
Zeit in den Rhein- Westphäl. Provinzen Band 2, p. 82.
d. Der Gürtel.
Griechische Soldatengürtel sind unseres Wissens nicht
vorhanden, um so mehr aber sind aus unteritalischen Gräbern
hervorgezogen. Kuvo, Canosa und Pästum sind reiche Fund«
statten dafür. Die Gürtel bestehen in breiten Broncebändem,
die mit Leder ^) oder einem anderen ähnlichen Material ge-
füttert waren. Das Leder griff nach aussen über die Ränder
hinüber, wesswegen eben diese fast überall sich glatter er-
halten haben, und die Art der Befestigung ist noch an
mehreren Stücken ganz deutlich. In den kleinen Löchern
*) An einem Gürtel aus Ruvo war das Leder noch erhalten, ball.
1834 p. 39. cf. p. 52.
Die Gürtel. 231
nämlich; die in bald grösserem bald geringerem Abstand die
Ränder nmsänmen; haben sich mehrfach kleine Nieten oder
richtiger gespaltene Splinte erhalten, die aussen einen runden
Nagelkopf; innen aber nach links und rechts umgebogene
oder niedergedrückte Bänder zeigen, durch welche eben das
Leder gehalten wurde. Ausserordentlich reich) mannigfaltig
und sinnig sind die Haken verziert, mit denen der Gürtel
geschlossen wurde.
Ueber etruscische Soldatengürtel vermögen wir keine
nähere Auskunft zu geben, die römischen sind uns dagegen
durch zahlreiche Monumente, insbesondere durch die Grab-
steine römischer Krieger genau bekannt^). Und danach
konnten in einigen eigenthümlichen Gehängen gerade die am
meisten charakteristischen Stücke des römischen Soldaten-
gürtels, die lang herabhängenden, mit Bommeln besetzten
Kettenbündel erkannt werden.
1026—1028. Drei vollständig erhaltene Soldaten-
gürtel aus der Samml. Koller. 544. L. ohne Haken zwischen
3' IV2" l)is 3' 48/4".
Das Blatt des Hakens, an welchem er befestigt ist, hat
hier, wie gewöhnlich, eine palmettenähnliche eingravirte Ver-
zierung, der Haken selbst läuft an einem der Exemplare in
einen spitzen Thierkopf, etwa einen Rehkopf aus, aus dessen
Maul dann die gekrümmte Spitze herauskommt. An anderen
Exemplaren ist dies Motiv übrigens noch deutlicher sichtbar.
Aehnliche Uebergänge fanden wir schon oben an etruscischen
Geräthen.
Um den Gürtel enger und weiter machen zu können,
sind sechs Löcher für die Haken in drei Reihen hinter ein-
ander angebracht. An einem derselben (n. 1026) sind noch
ein paar kleine Nieten zur Befestigung des Futters erhalten.
1029. Desgl., aus der Samml. Dorow. L. 2' 3".
Die Haken laufen in Rehköpfe aus, welche die krumme
Spitze aus sich entlassen.
^) Erbalteu in natura ist, so viel ich weiss, nur ein römischer Sol-
datengürtel, der im amphitheatrum castrense gefundene und bei Caylus
Recueil V, pl. 96 abgebildete. Er ist etwas abweichend von denen,
die man auf den Grabsteinen sieht, aber der herabhängende Ketteu-
schmuck fehlte auch bei ihm nicht, den übrigens der Herausgeber,
dessen Zeichnung das Unterste zu oberst kehrt, verkannt hat.
232 Die Gürtel.
1030. Desgl., nicht ganz erhalten/ doch sind die Haken
noch vorhanden. L. 2' 6".
•
1031. De Sgl Fragment. Es ist das eine Ende des
GürtelS; in welchem sich die Löcher für die Haken befinden
und welches sich dadurch vor anderen unterscheidet^ dass
das Metall in der Nähe der Löcher doppelt liegt, eine Vor-
kehrung, die vermuthlich das Ausreissen der Löcher verhin-
dern sollte.
1032. Desgl. Fragment. Es ist die Seite des Gürtels,
auf welcher die Haken befestigt wurden und dadurch inter-
essant, dass sich eine ganze Anzahl kleiner Nieten zur Be-
festigung des Futters daran erhalten hat. L. 9".
1033. Desgl. Fragment, an dem sich auch einige Nieten
erhalten.
1033*- Desgl. Fragment, woran noch einer der Haken
erhalten. L. 8".
1034. Desgl. Fragment. Beide fein mit Palmetten ver-
zierte Haken sind erhalten. L. 3^/^".
1035. DesgL Fragment. Die Haken laufen in Rehköpfe
aus und ihre Attachen sind in Form von Löwen gestaltet,
die selber darauf eingravirt sind. L. 3^/3".
1036. DesgL Fragmente, an Zahl 40.
1037. 1038. Ein Paar Gürtelhaken, aus der Samml.
Koller 545.
Nach der Seite des Hakens hin ist dies Exemplar wie
n. 1026 gestaltet, nach der anderen Seite hin läuft jedes
Stück in die Figuren von Je zwei kleinen geharnischten
Männern aus, die griffmässig mit parallelen Armen und Beinen
dastehen und unter sich einen Rehkopf haben, um in die
nothwendige Spitze auslaufen zu können. Vgl. das über den
unter n. 587^ aufgeführten Pfannengriff Bemerkte. L. 4".
1039. 1040. Desgl., ganz übereinstimmend, nur ist das
eine Stück unten etwas verstümmelt. L. S'/s"»
1041. 1042. Desgl. sehr geistreich ersonnen. Die
Die Gürtel 235
Attache wird nämlich durch je zwei auf den Hinterbeinen
stehende Ziegenböcke gebildet, die mit den Köpfen gegen
einander stossen. Unter den Beinen jedes Ziegenbocks be-
findet sich, zu demselben Zweck wie bei den eben erwähnten
Exemplaren, je ein Widderkopf. Das eine Stück dieses Paares
hat seinen Haken verloren.
1043. 1044. De Sgl Die Haken werden durch je zwei
kleine nackte Männer gebildet, die vielleicht Herkules vor-
stellen sollen. Wenigstens könnte das Geräth in ihrer
Rechten eine Keule sein, während es uns ganz unklar ist,
was sie in der Linken halten. Die Figuren stehen auf Reh-
köpfen.
1045. Desgl., ein einzelner Haken, in welchem Herkules
durch Keule und Löwenfell deutlich charakterisirt ist L. 3".
1046. Desgl. durch eine ganz rohe nackte Figur ge-
bildet L. 38/4''.
1047. 1048. Desgl. ein Paar, ganz einfach gebildet.
L. 31/4".
1049. Desgl., ein Paar, noch mit einander verbunden,
mit fein gravirten Palmetten verziert.
1050. Desgl. aus der Sammlung Dorow. 19., etwas be-
schädigt.
1051. Desgl., die Haken laufen in Köpfe aus.
1052 — 1055. Vier einzelne Haken mit verschiedener
Verzierung, aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 13. 16.
17. 26.
.' 1055*- Desgl., 1852 von einem hiesigen Kunsthändler
gekauft 3052.
1055^- ^- ^' Drei desgl.
1056. Desgl., die Attache in Form eines Ochsenkopfs,
der hier wohl als ein Apotropaion angebracht ist
234 I^iß Gürtel.
1057 — 1076. Zwanzig desgL mit verschiedenen, zam
Theil feinen Verzierungen.
1077. Achtzehn Fragmente von Gtirtelhaken.
Römische Soldatengürtel.
1078. Kettenbündel von einem römischen Soldaten-
gürtel. Samml. Koller 602. L. 6".
An einem Stück Blech, das mit dem Ornament des
Würfelauges verziert ist und oben an drei vorragenden Spitzen
durchbohrt ist, hängen sechs, ursprünglich acht Ketten herab,
deren jede unten eine Bommel hatte oder hat Vergleicht
man die in Lindenschmit's Alterthümern unserer heidnischen
Vorzeit I, 10, 5 und 9, 4 abgebildeten Soldatengräber, wo
.die Verstorbenen in vollem militärischen Schmuck dargestellt
sind, so lässt sich die Uebereinstimmung dieser Bronce mit
den dort sichtlichen Gürtelanhängseln nicht verkennen. Auf
manchen Denkmälern, z. B. auf der Trajanssäule, hat der
Soldatengürtel sichtlich lederne Zipfel, allein die ebencitirten
Grabsteine und mehr noch der erhaltene oben erwähnte Sol-
datengürtel, an welchem noch einige Ringe hängen, beweisen,
dass auch metallene Anhängsel vorkamen. Uebrigens berührt
sich diese römische Tracht sehr nahe mit barbarischen Trachten.
(Vgl. Kruse Necrolivonica Taf. 10 und v. Sacken das Grab-
feld von Hallstadt p. 47).
1079. Desgl., doch fehlen unten die Bommeln. Die
Ketten, sechs an der Zahl, sind unten durch Ringe mit ein-
ander befestigt, so dass sie immer ein Bündel bilden mussten.
Wir lassen es bei diesem und den folgenden Stücken unbe-
stimmt, ob sie zur römischen Soldatentracht gehört haben
oder barbarisch sind. Doch sind es gewiss Gürtelanhängsel
L. 6".
1080. Desgl., dem vorigen Stück fast ganz entsprechend,
nur dass die Ketten an einem blossen Ring befestigt sind.
L. 6V2".
1081. Desgl., doch ist nur der Rest einer Kette erhal-
ten, die sich in zwei Kettchen theilt, an deren jedem Bommel
herabhängen. L. ^^IJ'.
Die Beinschienen. 235
1082. Desgl.; vollständig erhalten. An einem Ring hängen
drei Ketten mit fünf Bommeln daran, L. 3^2"«
1082*- Fragment eines Gürtelgehänges. Aus Gerhard'»
Nachlass 1869 erworben. 103.
e. Die Beinschienen.
Ausser dem Panzer waren die Beinschienen ein regel-
mässiges und nothwendiges Schutzmittel; da der Schild die
untersten Theile des Körpers nicht mehr zu schützen ver-
mochte. Es gab auch Schenkelschienen; wie wir aus antiken.
Schriftstellern und Monumenten erfahren; doch müssen sie
selten gewesen sein und waren auch nicht so nothwendig.
Auch Fuss- und Armschienen kannte maU; doch auch diese
nur in besonderen Fällen.
Die griechischen und etruscischen Beinschienen stimmen
ganz übereiU; sie unterscheiden sich von den römischen da*
durch; dass sie das Bein rundum bedecken; während jene nur
die vordere Hälfte schützen; wie schon der Ausdruck Ttqoyivrifügy
den Folybius von ihnen gebraucht; andeutet. Die letzteren
sind übrigens sehr selten dargestellt; denn es ist. begreiflich;
dass selbst auf den historischen DenJkmälern der Kömer ein^
vollkommen ausführliche Wiedergabe der Wirklichkeit nicht
vorkommt. Erhalten ist; so viel ich weiss ; keine einzige
römische Beinschiene.
Vgl. Blackie in den Annali 1831 p. 299.
1083. 1084. Ein Paar Beinschienen griechischer
Form. Aus der Samml. Koller 543.
Die am Rande umlaufenden Löcher enthielten kleine
Nieten zur Befestigung des Futters.
1085. Beinschienen derselben Form; nur dass der Knie-
schutz höher hinaufgeht; etwa wie bei einem Stulpstiefel.
Zwei Reihen von feinen LöcherU; in denen zum Theil
noch die Niete, die das Futter festhielten; erhalten sind; laufen
am Rand herum und zwischen ihnen eine Reihe grösserer
Nägel; die auf der Rückseite umgenietet sind und nur zum
Zierrat gedient haben. Feine etruscische Arbeit. Im Jahr
1855 von dem Antiquar Meyer gekauft. 3089.
1086. 1087. Zwei desgl.; derselben Herkunft. Nicht
besonders erhalten. 3090. 3091.
^36 ^^^ Lanzen.
1088. Desgl., aus der Samml. Bartholdy D. 49.
1089. Fragmente von Beinschienen. Ebendaher.
D. 50.
2) Trutzwaffen.
a. Lanzen.
Zwischen den griechischen und etruscischen Lanzenspitzen
scheint, nach der Vergleichung genau gezeichneter Denkmäler
von beiden Völkern, kein Unterschied gewesen zu sein. Beide
waren blattförmig. Nur finden sich einzeln bei den Etruskem
phantastisch geschweifte Lanzen, die ich auf griechischen
Denkmälern nie gesehen habe.
Die in den cisalpinischen Gräbern gefundenen Bronce-
lanzen stimmen mit den etruscischen überein. Auch bei den
Bömern gab es blattförmige Lanzenspitzen, aber vorwiegend
waren bei ihnen die kantigen, sei es, dass die Spitze, wie
beim pilum, vierkantig oder dreikantig gestaltet war.
Vgl. das von LIndenschmit an verschiedenen Stellen ;gegebene
Material und seine Bemerkungen zu I, 11, 4.
a. Blattförmige Lanzenspitzen.
1090. Lanzenspitze, eigenthümlich geformt, von Bronce,
etruscisch, aus Cometo. Samml. Dorow 541. L. 9%".
1091. Desgl., gewöhnlich blattförmig, aus Pompeji, durch
Herrn Temite acquirirt. V. f. b. 3. L. 4^/^".
1092. Desgl., am Rhein gefunden. 1846 angekauft.
L. 31/2". 2902.
1093. DesgL mit sehr schöner Patina und feinen ein-
gravirten Verzierungen, ähnlich denen bei Lindenschmit
Alterth. I, 5, 2, 1, 6 abgebildeten. Aus Italien, früher in
der Huth'schen Sammlung V. b. 1. L. 772"«
1094. Desgl., aus der Samml. Bellori's. V. b. 2. Die
Tülle ist geriefelt. L. 1%'',
Abg. Beger thes. Brandenb. IIl, p. 417.
Die Lanzen. 237
1095. Desgl.; aus der Sammlung Bartholdy. D. 51-
L. 111/2".
1096—1099. Vier desgL, ebendaher. D. 52. 54. 55. 56.
L. zwischen 9*/8'' ^^^ 5^8 "•
1100. Desgl.; in einem Torfmoor des Kreises Greven-
broich zugleich mit zwanzig Kaisermünzen, die bis zu Trajan
reichten, gefunden. 1839 erworben. L. 5^2 "•
1101. Desgl.; aus der Sammlung Koller. L. l^jj'.
1102. Desgl.; aus dem Nachlass des Obristlieutenant
Schmidt 1846 erworben. 2847. L. 4^/8".
1103. Desgl.; aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844
erworben. 2753, L. 7^4".
1104—1110. Sieben desgl. L. zwischen 38/4" und 5".
1111. Grosse eiserne Lanzenspitze; 1841 von Pro-
fessor Gerhard angekauft. 2705. L. IS^Ii'.
1111*- Broncene Lanzenspitze mit eigenthümlicher
Schweifung. Aus der Sammlung Bartholdy. D. 57.
ß. Kantige Lanzenspitzen.
1112. Römische dreikantige Lanzenspitze von
Eisen. Aeltere Sammlung. V. c. 1. L. 5".
Dieses Eisen entspricht nach Form und Länge dem von
Vegetius mit den Worten aliud minus (missile) ferro triangulo
unciarum quinque, quod tunc vericulum nunc verutum dicitur
beschriebenen Wurfspeer.
y. Lanzenschuhe.
1112*- Unterer Beschlag eines Speeres, 1841
durch Professor Gerhard in Italien angekauft. 2713.
1112^- Desgl.; aus der Sammlung Bartholdy. D. 26.
Diese beiden Stücke könnten übrigens auch an Stöcken
gesessen haben.
238 öie Pfeile.
b. Die Pfeile.
Das erhaltene Material reicht schwerlich aus, um hier
die Fragen, die man stellen könnte, zu beantworten. Am
sichersten zu bestimmen sind die dreikantigen, mit Wider-
haken versehenen eisernen römischen Pfeilspitzen, die in rö-
mischen Kuinen gefunden sind und in ihrer Bildung den rö-
mischen Lanzenspitzen entsprechen. Sie sind ohne Tülle,
aber mit einem Dom versehen, der in den Schaft hinein-
geschoben wurde. Aus Griechenland sind mir nur Pfeüspitzen
von Bronce bekannt, von verschiedener Form, theils blatt-
förmig, theils dreieckig und letztere theils mit, theils ohne
Widerhaken. Dass Homer schon die gefährlichen, mit Wider-
haken versehenen Pfeile kennt, geht aus der Erzählung von
der Verwundung des Menelaos durch Pandaros hervor.
Ueber die römischen Pfeilspitzen vgl. Lindenschmit, Alterth. I, 11,
Taf. 4.
1113. 1114. Zwei Pfeilspitzen, von Professor Ross
auf dem Schlachtfeld von Plataea gefunden. Aus dem Nach-
lass des Finders 1860 erworben. 3420. 3420*-
Die Spitzen haben Tüllen zum Einstecken des Schaftes
und sind blattförmig gestaltet. Ihre elegante Arbeit lässt in
Verbindung mit dem Fundort vermuthen, dass sie wirklich
von der Schlacht von Plataea herrühren.
1115. Desgl., von ähnlicher Form, doch mit kantig
erhobenem Rücken und mit Widerhaken. Auch hat sie einen
Dorn zum Aufstecken.
Diese Spitze ist mit der Inschrift ¥E versehen und soH
am Berge Ithome in Messenien gefunden sein, so dass die
Buchstaben wohl als Anfangsbuchstaben des Namens Messe-
nien gedeutet werden könnten. Denn wie in gewissen Staaten
— es wird von Sparta, Sicyon, Messene berichtet — die
Schilde der Krieger mit dem Anfangsbuchstaben ihres Heimath-
namens bezeichnet wurden, wie auch auf Schleuderkugeln der
Name des Staates, dem sie angehören, vorkommt, so mochte
dies auch bei den Pfeilspitzen der Fall sein.
1116. Fünf kleine Lanzenspitzen aus Attika, drei-
eckig, mit Widerhaken und Tüllen. Im Jahre 1869 angekauft.
3758.
Die Schleudergeschosse. 239
1117. Zwölf desgl., dreieckig aber abgerundet, ohne
Widerhaken und mit Tüllen. Von Prof. Petermann 1856 im
Orient gekauft. 3128—3139.
1118. Desgl., flach blattförmig. Ebendaher. 3140.
1119. DesgL, vierkantig und mit Widerhaken. Aus
der Sammlung Bartholdy. D. 65.
1120. Desgl., vierkantig ohne Widerhaken, mit langem
Dorn. Im Jahre 1853 gekauft. 3074.
1121. Desgl., dreikantig mit Widerhaken.
1122. Desgl., dreikantig ohne Widerhaken.
1123. 1124. Desgl., platt, blattförmig.
1125. Fünf .römische Pfeilspitzen von Eisen, von
der oben beschriebenen Form. Aeltere Sammlung V. f. c.
6— 10.
1126. 1127. Zwei desgl., von Eisen, flach, mit zwei
Widerhaken und mit Tüllen. Aeltere Sammlung. V. f. c. 4. 5.
c. Die Schleudergeschosse.
Bei Griechen wie bei Römern finden wir seit alter Zeit
Schleuderer in den Heeren. Zuerst scheint man nur mit
Steinen geworfen zu haben, die übrigens später, als die Blei-
kugeln eingeführt waren, auch noch nicht ganz abkamen.
Unter den Griechen galten die Akarnanen, die Völker am
malischen Meerbusen und die Rhodier als besonders geschickte
Schützen, bei den Römern waren es die Balearen, denen aber
doch die Schleuderer aus Achaja überlegen waren. Es ist
übrigens leicht begreiflich, dass diese Waffe nicht besonders
geachtet war.
Die Schleuderkugeln sind gewöhnlich von Blei, einzeln
von Terrakotta und noch seltener von Erz. Sie haben durch-
gängig eine olivenförmige Gestalt. Man findet sie, wie leicht
begreiflich, besonders an solchen Orten, die einmal belagert
waren, Enna in Sicilien und Askulum im Picenischen sind
Hauptfundstätten. Ihr Hauptinteresse besteht in den In-
schriften, die den Namen des cettimandirenden Generals
240 ^^® Schleudergeschosse.
oder der betreffenden Legion enthalten oder auch soldatische
Witze und Wünsche zum Theil derber Art, die man der
Kugel mitgab. Zwischen griechischen, römischen und etrus-
cischen Schleuderkugeln, von denen uns mit Inschriften be-
zeichnete Exemplare erhalten sind, scheint kein erheblicher
Unterschied der Form bestanden zu haben.
Vgl. Mommsen, Corp. inscr. Lat. I, p. 188 S, und Vischer, Antike
Schleudergeschosse, Programm zum Winkelmjinnsfest der Antiq. Ge-
sellschaft zu Basel v. J. 1865.
1128. Schleuderkugel aus Athen, 1869 angekauft»
6206.
Auf der einen Seite steht die Inschrift JES^Iy die
als ein humoristisches „Nimm's^^ aufzufassen, auf der anderen
ein Donnerkeil, umgeben von zwei Widderköpfen, wie es scheint
Der Sinn ist offenbar, dass ein Blitzstrahl und die Thätigkeit
der Belagerungsmaschinen über den belagerten Platz, in wel-
chen diese Kugel hineingeschossen ist, hereinbrechen möge.
Schleuderbleie mit dem Blitz und der erwähnten Inschrift
sind in Attika häufig.
Vgl. Vischer a. a. 0. n. 17. bullet. 1849, p. 148. 1851, p. 129.
1129. Desgl., von Ascoli mit der Inschrift FERI
POMP (ejum), die auch sonst schon von demselben Ort be-
kannt war. 1864 aus Rom erhalten. 3520.
Asculum wurde im Jahre 664 a. U. von Cn. Pompejus
Strabo belagert, auf dessen Heer dieses Geschoss von den
Belagerten abgeschickt wurde.
Vgl. Corp. I. lat. n. 650 und bullet. 1864, p. 82.
1130. Desgl., aus Perugia. Ebendaher erhalten. 3521*
Die an drei Seiten befindliche Inschrift ist für uns ganz
unleserlich.
1131. Desgl., mit der Inschrift FIR, 1845 angekauft.
2813.
Diese Kugel stammt wohl (von Firmum im Picenischen,
in welcher Stadt der zu 1129 erwähnte Cn. Pompejus Strabo
bei derselben Gelegenheit belagert wurde, als er Asculum
belagerte. Man ergänzt die Inschrift etwa als Finne missa»
Vgl. Corpw Inscr. Lat. n. 652.
Die Sclileuderg-eschosse. 241
1132. Desgl., von Dr. Friedländer 1847 in Italien er-
worben. 2939.
Diese Kugel trägt die Inschrift des Consuls L.'Piso L. F,
der 621 a. U. Consul war, und stammt wahrscheinlich von
Enna, das unter diesem Consul belagert wurde und daher
viele übereinstimmende Kugeln geliefert hat. Die Inschrift
ist aber mangelhaft erhalten, man erkennt noch ISO und L.
1132*- Desgl., aus Gerhard^s Nachlass 1869 erworben.
239.
Von der Inschrift sind nur ein paar Buchstaben erhalten,
mit denen wir nichts anfangen können.
1133. Desgl., ohne Inschrift, 1858 in Cöln auf einer
Auction angekauft. 3268.
1134. Desgl., aus Pompeji durch den Maler Ternite
besorgt. V. f. c. 11.
1135 — 1141. Sieben desgl., aus dem Nachlass des
Obristlieutenant Schmidt in Berlin 1846 erworben. 2879.
1142. Desgl., ebendaher, von runder Form. 2880.
Nur zweifelnd fügen wir diese runde Kugel hier an,
wir wissen ihr aber keinen anderen Zweck zuzuschreiben.
Schleudergeschoss gegen Cavallerie, sog. tribulus.
Das im Folgenden aufgeführte Geschoss, das aus einer
kleinen Kugel besteht, von welcher nach verschiedenen Rich-
tungen vier Stachel ausgehen, war gegen Cavallerie bestimmt.
Denn da es immer so niederfällt, dass eine seiner Spitzen
aufrecht steht, so war es für die Füsse der Pferde ausser-
ordentlich gefährlich.
Vgl. das bei Caylus, Recueil IV, pl. 98 3 abg. Exemplar und
Rhein. Jahrb. XXXVII, p. 249, besonders aber Mus. Chius. II, 149,
wo auf einer etruscischen Gemme dieses Geschoss unter einem spren-
genden Pferde liegt.
1142^ Tribulus, aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. 81.
1142^- Grosser, schwerer Bolzen, vielleicht ein
Schleudergeschoss. Er ist vorn spitz, hinten rund gestaltet.
Friederichs, Berlin's Antike Bildwer^ce II. 16
242 Die Schwerter.
d. Die Schwerter.
Livius bemerkt in der Unterscheidung des gallischen
und liispanischen Sollwertes (XXll^ 46); dass die Hispaner
mehr mit Sticlien als mit Hieben ihren Feind anzugreifen
pflegten^ und daher kurze^ spitze Scliwerter hätten, während
die Schwerter der Gallier, die mehr den Hieb liebten, lang
und ohne Spitze wären. Diese Bemerkung lässt sich wohl
dahin ausdehnen, dass tiberliaupt die südlichen Völker mehr
die Stichwaifen, die nördliclien die Hiebwaffen liebten. Freilich
haben hier die Zeiten viel geändert und es liegt mir fern,
einen scharfen Unterschied aufstellen zu wollen, allein es
liegen doch genug Thatsachen vor, um die obige Bemerkung
aufrecht zu lialten. Von den Galliern berichtet Livius, wie
wir sahen, auf der Trajanssänle , wo die Waffen gewöhnlich
nicht angegeben sind, sieht man doch an den Bewegungen
der Dacier, dass sie mit Hieben kämpfen, auf der Antonins-
säule liaben die Barbaren krumme Säbel und auf römischen
Grabsteinen, wo ein Römer als Sieger über einen Barbaren
dargestellt ist, hat letzterer öfters einen gekrümmten Säbel.
Auch die Existenz einschneidiger Schwerter, die man im
Norden vielfach, im Süden, so viel ich weiss, nie gefunden
hat, ist ein sprechender Beleg für unsere Behauptung. Auf
der anderen Seite stehen die Griechen mit ihrem zwar auch
zum Hieb, aber doch vorwiegend auf den Stich berechneten
Scliwert, das bei den Spartanern so kurz war, dass es ge-
wiss nur dolchartig gebraucht werden konnte, und die Römer,
welche seit dem zweiten punischen Kriege während der gan-
zen Zeit ihrer Machtliöhe sich des oben erwähnten hispani-
schen Schwertes bedienten. Es ist psychologisch begreiflich,
dass der nordische Barbar die gleichsam aufrichtigere und
gewiss derbere Form der Vernichtung durch den Hieb vor-
zieht, während die Weise des Südländers mehr Gewandtheit er-
fordert und einem etwas hinterlistigen Charakter mehr zusagt.
Das griechische Schwert ist uns mehr aus Abbildungen
als aus erhaltenen Exemplaren bekannt. Es war mit einer
Parirstange versehen und zweischneidig und spitz zulaufend,
in der Form eines Blattes, so dass der Schwerpunkt nach
der Spitze zu liegt, wodurch die Wuclit des Hiebes bedeu-
tend verstärkt wurde.
Mit dem griechisclien Schwert stimmt das etruscische
Schwert überein und mit diesem wieder in der Grundform
Die Schwerter. 243
das altdeutsclie Bronceschwert. Nur der Griif des altdeut-
scheu Schwertes ist in Form und Ornamentik abweichend.
Fast sämmtliche hier vorliandene Schwerter sind von der
letzteren Art, die überhaupt durch eine Unzahl von Beispielen
bekannt ist.
Das römische Schwert älterer Form, das mit dem galli-
schen tibereinstimmte, war selir lang und ohne Spitze, nur
zum Hieb eingericlitet. Es ist, so viel wir wissen, kein Bei-
spiel davon erhalten. Yon der liispanischen Klinge, ihrer
späteren Waffe, besitzen wir einige durch Inschriften ge-
sicherte Exemplare, an denen als das Charakteristische dieser
Waffe die starke, vierkantige Spitze hervortritt. Die Klinge
hat eine weniger schöne Form als die griechische, sie läuft
in gleichförmiger Breite fort.
Das griechische Schwert wurde an der linken, das rö-
mische, je nach dem Grade des Trägers, an der linken oder
an der rechten Seite getragen. Der gemeine Soldat hat es
an der rechten, der Officier an der linken Seite.
Römische Schwerter bei Lindenschmit, Aherth. I, 5, 2. 3. 4. 8, 6. 4.
1143. Schwert aus dem Nachlass des Hofrath Becker
in Hamburg 1837 angekauft. Soll bei Pella in Macedonien
gefunden sein. L. 21".
Griechiscli ist dies übrigens sehr schöne Schwert niclit,
weil die Parirstange fehlt. Es entspricht sowohl in der
Form der Klinge als des Griffes nordischen Schwertern. Die
fünf Haftnägel haben starke Buckel und der Griff ist mit
feinen gravirten Verzierungen bedeckt.
Vgl. das bei Koldiug in Jütland gefundene Schwert bei Linden-
scbniit, Altertli. II, 1. 3. 2.
1144. Desgl., ebendaher. Soll in Siebenbürgen ge-
funden sein. Ganz ähnlich dem vorigen, doch ohne die
Buckel, und die gravirten Verzierungen bestehen vorwiegend
in dem so häufigen Ornament der Wtirfelaugen. L. 23 ^^''^
Dieses Schwert stimmt fast ganz überein mit dem bei Lindcnsclmiit
I, 7, 2, 3 pnblicirten.
1145. Desgl., soll am Rhein gefunden sein, 1846 an-
gekauft. 2827. L. 22%''.
Ganz mit n. 1144 tibereinstimmend, nur weniger fein in
der Ornamentirung.
16*
244 ^^^ Schwerter.
1146. Desgl., ganz mit dem vorigen übereinstimmend,
nur dass die Spitze fehlt. 1868 gekauft 3580. L. 18".
1147. Desgl., ganz ähnlich, nur dass der den Griff
oben abschliessende Bügel volutenförmig nach oben gebogen
ist, ähnlich dem bei Lindenschmit I, 7, 2, 2 abgebildeten
Schwert. L. 23".
1148. Desgl., von anderer Form. Die Klinge läuft in
gleichförmiger Breite bis zur Spitze fort und der Griff ist
von einem jugendlichen Kopf bekrönt, dessen Styl freilich
ausserordentlich schwer zu bestimmen. Der Griff ist da, wo
er die Klinge umfasst, mit feinen Punkten umrändert, welche
den Schein erwecken, als sei hier die Klinge mit feinen
Nägeln befestigt. L. 20 V4".
1149. Desgl., von ähnlicher Form, nur ist der Griff
verschieden, indem er nämlich auf eine Bekleidung etwa von
Knochen berechnet ist. Diese Bekleidung, zu deren Befesti-
gung die vier Löcher dienten, ist sehr dünn gewesen, wie
man aus den umgebogenen Rändern des Griffes abnehmen
kann. L. 16^/4".
Vgl. die bei Lindenschmit I, 1, 2, 13 — 16 abgebildeten Schwerter,
iVio. in der Form der Klinge freilich abweichen.
1150. Desgl., ganz übereinstimmend, am Griff sind noch
die Nieten zur Befestigung der Bekleidung erhalten. Von
Prof. Gerhard 1841 gekauft. 2690. L- Ib^/J'.
Dies Schwert steckt noch in seiner alten Scheide, die
unten mit zwei Scheiben verziert ist, oben aber an der Mün-
dung einen Haken hat, um an einen Ring oder Riemen an-
gehängt zu werden.
1151. Schmale Schwertklinge mit abgebrochener
Spitze. Aus dem Nachlass des Obristlieutenant Schmidt 1846
erworben. 2844. L. 15V4".
1152. Desgl., auch [ohne Spitze, von Herrn Vollard
1852 angekauft. 3056. L. 17^/4".
1152*- Griff eines Schwertes, dessen Klinge von
Eisen und einschneidig war. Der Griff besteht aus drei durch
eine Querstange gekreuzten Broncestangen, über welchen sich
.J
Die Dolche. 245
als Knopf ein sechsspeichiges Rad erliebt. Aus Neapel 1841
durch Prof. Gerhard gekauft. 2704. L. ö'/g".
1153. Beschlag von der Spitze einer Schwert-
scheide, mit Würfelaugen verziert. Sammlung Koller. 560.
1154. Desgl., auf dem Rittergut Segenthin im Kreis
Schlawe 1869 in Pommern gefunden. 3766.
Dieser mit fein durchbrochener Arbeit verzierte Besclilag
ist nicht römisch, vielmehr deuten die phantastischen Linien-
verschlingungen des Ornaments auf die Frühzeit germanischer
Kunst.
Vgl. die bei Lindeiisclimit II, 11, 5, 2, 3 abgebildeten Schwert-
scheideübeschiäge.
1154*- Eisernes Schwert mit Scheide, zusammen mit
dem 1021 aufgeführten Helm in der Nälie von Botzen ge-
funden.
Dieses Schwert berührt sich sehr nahe mit dem ger-
manischen Scramasax, es ist nämlich einschneidig, auf den
Hieb berechnet, doch etwas mehr gebogen. 3259. Länge des
Schwertes 12^/4". Länge der Scheide 13''.
Vgl. Lindensclimit, Alterth. I, 2, 6, 9.
1154^- Desgl., mit einem kleinen Fragment der Scheide,
die Klinge läuft gerade und ist schmäler. Aus demselben
Fund. 3261. L. Ib^jJ'-
1154^- Desgl., mit Resten der Scheide und ziemlich
mit dem erstgenannten Schwert übereinstimmend. Aus dem-
selben Fund. 3260. L. 14^/4''.
1154*^- Desgl., ebendaher, ohne Reste der Scheide.
e. Die Dolche.
Ausser dem Schwert trugen die römischen Soldaten auch
noch einen Dolch, den man auf den Denkmälern, namentlich
auf den Grabsteinen römischer Soldaten, oft dargestellt sieht.
Er ist mehr länglich und schmal und unterscheidet sich da-
durch auf das Bestimmteste von dem breiten, kurzen Dolcli,
4er in barbarischen Gräbern so oft vorkommt und wohl in
jedem Museum anzutreffen ist. Dieser letztere ist zwar auch
246 ^ie Dolche.
in römischen Fundstätten vereinzelt vorgekommen, aber wir
möchten daraus noch nicht schliessen, dass er auch bei den
Römern in Gebrauch war. Auf römischen Monumenten habe
ich ihn nie dargestellt gesehen.
Vgl. Lindenschmit, Äherth. II, 11, 3.
1155. Eiserner, übrigens sehr zerstörter Dolch
von länglicher Form, zusammen mit der Broncebekleidung
seiner Scheide bei Cleve gefunden. Aus der Sammlung Mi-
nutoli. V. a. 3. Länge der Scheide lO^/o".
Die Scheide ist eine der wenigen erhaltenen Exemplare,
die mit Reliefs verziert sind. Die Anordnung derselben ist
ganz so, wie an dem im britischen Museum befindlichen
Schwert des Tiberius, nur dass ein Zusammenhang des Or-
namentes mit dem Zweck des Geräthes oder auch eine son-
stige Beziehung desselben durchaus nicht ersichtlich ist. Man
bemerkt oben ein Tempelchen, in welchem ein nicht mehr
erkennbares Götterbild aufgestellt ist, darunter, gerade in der
Mitte der Scheide, ein Medaillon, in welchem die Büste eines
jugendlichen Bacchus oder Satyrn angebracht ist. Die Figur
ist mit Epheu bekränzt, hat ein Fell um die Schulter und
hält eine Kanne und einen Stab, der ein Thyrsus oder auch
ein Hirtenstab, gewesen sein kann. Unter dem Medaillon be-
findet sich ein Tisch, aus dessen Mitte sich eine Ranke vo-
lutenförmig nach beiden Seiten hin erhebt, eine Vorstellung,
bei der wir uns gar nichts denken können. In der Spitze
der Scheide bemerkt man einer kleine, unkenntlichen Figur, die
mit dem Rücken an eine unverständliche Architektur lehnt
und über dieser eine zweite, ebenfalls unkenntliche Figur.
Die erstere ist durch eine, wie es scheint, schon im Alter-
thum ausgeführte Restauration zur Hälfte weggeschnitten.
Alle diese Verzierungen sind für sich gearbeitet und
dann aufgelöthet.
1156. Desgl., von derselben Form, besser erhalten,
aber ohne Scheide. Aus der Sammlung Bellori's. V. a. 2.
L. 12Vo".
Der Griff dieses römischen Dolches war ganz mit Bern-
stein bekleidet, welcher, um Halt zu haben, in zwei Schichten
durch das Eisen hindurchgelegt war.
Abg. Beger, Thes. Braiidenb. III, p. 419,
J
Die Streitkolben. 247
1157. Breiter unrömischer Dolch von Bronce mit
feinen, eingravirten Verzierungen an der Klinge, die durch
neun mit Buckel versehene Nägel mit dem Griff verbunden
ist. L. 11".
1158. Desgl., von derselben Form, aber die Klinge
besteht aus broncebekleidetem Eisen. L. S^j^^'.
Die Technik, Bronce mit Eisen zu füttern, ist schon in
der Einleitung als uralt erwähnt, sie geht aber durch die
ganze classische Zeit hindurch.
Vgl. die unten aufgeführte, in Cöln gefundene Maske und die in
Rotlietta gefundenen broncenen mit Eisen gefütterten ScliiUle, bull. 1830,
p. 181.
1159. Schmale und kleine Dolchklinge von Bronce,
aus Pompeji, durch Ternite besorgt. V. f. a, 4. L. 4^/2".
f. Die Streitkolben.
Die Keule als Kriegswaffe hat einen entschieden bar-
barischen Charakter, und so passend sie ist in der Hand
struppiger, halbnackter Germanen auf der Trajanssäule, eben-
sowenig passt sie zur Bewaffnung eines civilisirten Heeres.
Daher finden wir auch bei Griechen und Römern nur
schwache Spuren ihres Gebrauches. An den griechischen
Heroen, die noch jenseits der Civilisation stellen, verstehen
wir sie, ja wir finden sie schön und charakteristisch als
Symbol der unwiderstehlichen, niederschmetternden Kraft
ihrer Träger, später aber hört sie auf, eine ehrenvolle Waffe
zu sein, und wir hören nur nech von keulentragenden Sklaven
in Sicyon, die, hinter den Hopliten marschirend, den Auftrag
hatten, mit Keulen todtzuschlagen, was jene übrig gelassen ^).
Bei den Assyriern dagegen erwähnt Herodot die mit Eisen
beschlagene Keule als regelmässige Waffe.
Bei den Römern müssen, wie die Funde ergeben, Streit-
kolben einzeln in Anwendung gekommen sein. Doch waren
es wohl nur barbarische Auxiliartruppen, wie die Germanen
auf der Trajanssäule, die Keule oder Streitkolben fülirten.
1160. Streitkolben aus Pompeji, durch Herrn Ternite
erworben. V. f. d. b Durchm. 3^'J'.
I .
') Vgl. KöchW Uli Rü&tow, Gescliichte des griech. Kriegswesens,
p. 51. Die xoQivrnfOQOL des Pisistratus Herod. I, 59 sind natürlich
niclit als eine militärisehe Truppe aufzufassen.
"248 Militärische Ehrenzeichen.
Dieser Streitkolben entspricht seiner Form nach dem bei
Lindenschmit^ Alterth. I, 8, 2^ 5 abgebildeten und in Baiem
gefundenen.
1161. Desgl. Zwischen den Zacken befinden sich kleine
KnöpfC; die durch Streifen unter einander verbunden sind. Wir
verstehen den Zweck davon nicht. Durchm. 3".
Ob die im Folgenden aufgeführten ähnlichen Geräthe aUe
zu Streitkolben gehört haben, ist besonders im Hinblick auf
die ganz kleinen wohl sehr zu bezweifeln. Da wir aber für die
letzteren mit Sicherheit keinen Zweck anzugeben wissen , so
haben wir sie nicht von den anderen trennen mögen.
1162. Streitkolben (?), 1852 von einem hiesigen Kunst-
händler angekauft. 3050. Durchm. l'/g".
Die vorspringenden Theile dieses Stückes laufen nicht in
Spitzen aus, sondern sind abgerundet, was an der Bestimmung
zum Streitkolben zweifeln lässt.
1163. Desgl., mit spitzen Zacken, Sammlung Koller,
551. Durchm. 2V4".
1163»' Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. 206.
1164. Desgl., von einem hiesigen Antiquar 1852 an-
gekauft. Durchm. iVs"-
1165—1173. Neujn desgl. Durchm. von 1" bis 2".
1174 — 1179. Sechs desgl., von etwas anderer Form,
dem bei Lindenschmit, Alterth. I, 8, 2, 6 abgebildeten Exem-
plar entsprechend. Durchm. von 1" bis l'/s"» ^* 1174 ist aus
dem Nachlass des Prof. Rösel 1844 erworben und. soll aus
Pompeji stammen.
g. Militärische Ehrenzeichen.
Auf den Grabmälern römischer Soldaten sind nicht selten
die unseren Orden entsprechenden militärischen Ehrenzeichen
dargestellt. Der Verstorbene wurde eben in vollem militäri-
schen Ornat auf seinem Grabe abgebildet. Diese Ehrenzeichen
nun sind von dreierlei Art, es sind entweder Medaillons mit
Militärische Ehrenzeichen. 249
einer Verzierung in Relief oder Armringe oder endlich grössere
Ringe, die zusammen mit den Medaillons auf der Brust ge-
tragen wurden. Gewiss dürfen wir diese Ehrenzeichen mit den
in den Inschriften so oft genannten phalerae, armillae, torques
identificiren, denn auch jene grösseren Ringe kommen in der
That in der Form der torques, eines gewundenen oder ge-
drehten Bandes vor. Nur wurden sie, wie gesagt, auf der Brust
getragen, nicht als Halsbänder, wie es bei mehreren barbari-
schen Völkern üblich war. Neben der torques aber wurden
auch glatte Ringe gegeben, die auf den Denkmälern mit jener
wechseln. Es sind nicht ganz geschlossene Ringe, deren beide
Enden, wie es nach den Darstellungen scheint, in Knöpfe aus-
laufen. Was ihre Grösse betrifft, so sehen wir zwei derselben
die ganze Breite der Brust eines Kriegers ausfüllen.
Diese von den Denkmälern genommenen Kennzeichen fin-
den wir an den im Folgenden aufgeführten Ringen wieder, die
wir desswegen als militärische Ehrenzeichen betrachten. Hals-
ringe können es nicht wohl gewesen sein, da es uns unmöglich
scheint, sie, ohne dass sie zerbrechen, so weit auseinander-
zubiegen, als zu diesem Zweck erforderlich wäre.
Auf der tav. d'agg. E der Annali vom Jahre 1860 sind die hier-
her gehörigen Denkmäler zusammengestellt.
1180 — 1193. Vierzehn gleichartige Bronceringe,
nicht ganz geschlossen, nach den Enden hin dicker werdend
und dort mit eingegrabenen Verzierungen und knopfartigeu,
roth emaillirten Buckeln verziert. Der grösste Durchmesser
beträgt 5^g". Aeltere Sammlung. N. x. 2 — 14.
Feldzeichen.
1193*- Eine sehr schöne römische Trophäe, be-
stehend in römischen Halbschienen und einem römischen Panzer,
der mit feinen, in Silber eingelegten Verzierungen bedeckt ist.
Der bekrönende Helm fehlt. Dieses schöne Stück war, wie wir
nach der Analogie antiker Darstellung glauben, die Bekrönung
eines Feldzeichens.
Vgl. z. B. Caylus, Recueil III, pl. 66.
IIL Geräth für besondere Stände.
A. Handwerkergeräth.
1) Maurer-, Zimmermannsgeräthe und
Aehnliches.
a. Perpendikel.
Diese Geräthe, die sich sowohl in Bronce als in Blei er-
halten haben^ sind im Wesentlichen mit dem noch heutigen Tages
von Maurer und Zimmermann gebrauchten Loth übereinstimmend,
wesswegen wir an ihrer Bestimmung nicht zweifeln dürfen.
Auch lässt die dreifache Durchbohrung am Eopf nur an ein
Perpendikel denken, denn das eine oben befindliche für die
Sclinur des Perpendikels bestimmte Loch hätte bei einem Ge-
wi(;ht, woran man auch denken konnte und gedacht hat,
keinen Zweck.
Von einigen bei Caylus, Recueil III, pl. 79, 3, 4 abgebil-
deten ist als Fundort ein Grab bekannt, und das wird wohl
für die meisten gelten, ausser den pompejanischen. Es liesse
sich durch viele Beispiele aus Griechenland und Italien nach-
weisen, dass man den Handwerkern ihr Handwerksgeräth mit
ins Grab gab.
Pompejaiiische Exemplare sind abg. Mus. borb. VI, 15.
1194. Perpendikel aus der Sammlung Bartholdy, D, 28.
Es hat oben die punktirte Inschrift M. MVRGIVS. FELIX, die
sich am Bauch, wie es scheint, wiederholt. Sie bezeichnet wohl
eher den Besitzer als den Fabrikanten. Das Perpendikel ist sehr
hübsch mit umlaufenden Ornamentbändern verziert. H. 2^/V'e
. . mhjl
Die Perpendikel. 251
1195. Desgl., ebendaher. D. 29, mit einem Eing im
oberen Knopf, der vielleicht nicht ursprünglich zugehörig ist.
Wenigstens wäre sonst das Loch in der Spitze des Knopfes
ganz überflüssig. H. 1".
1196. 1197. Zwei desgl. H. l^/^" und iVs".
1198. Desgl. Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben.
69. H. 1V4".
1199. Desgl., von Blei, von längerer und spitzerer Form.
H. 2V4".
Die im Folgenden aufgeführten Geräthe haben vermuth-
lich denselben Zweck gehabt wie die Perpendikel, sind
aber verschieden in der Form, nämlich kugelförmig. Man
könnte bei einigen glauben, es seien Gewichte gewesen, oder
auch noch eine andere Bestimmung voraussetzen, was sich aber
nicht sicher beweisen lässt.
1200. Perpendikel in Form einer Eichel, in einem
pompojanischen Privathause gefunden und mit anderen Sachen
1869 von Prof. Zahn gekauft 3767. H. 2'^!^".
Der Ring, der an dem Geräth festgerostet ist, war un-
zweifelhaft an der nicht erhaltenen Schnur befestigt, an wel-
cher das Geräth hing. Es könnte übrigens auch ein Senkblei
gewesen sein.
1201. Desgl. (?), aber kugelförmig mit einer Stange da-
ran, deren Spitze zur Aufnahme der Kette durchbohrt ist. Die
Kugel ist hohl. Sammlung Koller. 570. H. 4V8"-
1201'** Desgl., die Kugel ist geborsten.
1202. Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworhcn.
211. H. 3»/8^
1202*- Desgl., von anderer Form, aber an den drei
Löchern kenntlich, ebendaher. 101.
1203. Desgl., mit einem Theil der Kette. Sammlurg
Koller. 571.
1204. Desgl., mit doppelt durchbohrter Stange, wovon
wir den Grund nicht einsehen.
252 Zirkel. — Aexte.
1205. Desgl., ohne Stange. Ein Theil der Kette ist er-
halten.
1206. Desgl., von der Kette ist nur ein Ring erhalten.
Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 197.
1207. Desgl., ebendaher. 89, mit zierlichen Ornamenten
bedeckt und mit Blei ausgefüllt. Unten läuft ein Kranz von
Löchern herum, dessen Zweck wir nicht verstehen.
1207*- Desgl., von Blei, den heutigen sehr ähnlich.
Aeltere Sammlung. P. 7.
b. Zirkel.
Es giebt antike Zirkel, die den unserigen vollkommen
entsprechen, aber auch andere, die am Kopf, an der Verbin-
dungsstelle der beiden Beine, abweichend gebildet sind. Die
Köpfe der Beine liegen nämlich einfach platt aufeinander
und werden nur durch eine Axe verbunden, die, um eine be-
quemere Handhabe zu gewähren, noch etwa einen Zoll lang
vorsteht. Damit nun der Zirkel eine abgemessene Distanz fest- *
hielt, wurde die Axe gleich hinter dem Zirkelkopf durchbohrt
und ein keilförmiger Stift in das Loch hineingetrieben, wodurch
eben eine Verrückung der gegebenen Distanz der beiden Beine
unmöglich wurde.
Von dieser Art sind die im Folgenden aufgeführten Zirkel.
1208. Zirkel, bis auf die eine Spitze vollständig erhal-
ten. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. L. 7".
1208*- Desgl., vollständig erhalten, mit einer Maske an
der Achse. L. ö'V'-
1208^- Hälfte eines Zirkels mit einem Kuhfuss als
Stütze. 1851 von einem hiesigen Kunsthändler gekauft. 2982.
L. 10 V2".
c. Aexte.
1208^- Axt aus der Sammlung Koller. 552. L. 7".
1208^- ^' Zwei desgl., aus der Sammlung Bartholdy.
D. 58. 59. L. c. 6%". d. Ö-V^",
Bleierner Dübel. — Angel. 253
1208«- Desgl. L. ß\".
1208^* Beil, dessen Klinge aus eisengefüttertem Bronce-
blech besteht, während das Uebrige von Bronce ist und reich
ornamentirt. Der Rücken der Klinge läuft in einen Panther-
kopf aus und die Oeffnung, durch welche der Stiel hindurch-
ging, ist an beiden Seiten wie eine Vase ornamentirt. Wir
zweifeln, ob dies Beil als Handwerksgeräth diente. Aus dem
Besitz Bellorfs. V. f. e. Breite 4''. Höhe 4".
d. Bleierner Dübel.
1208»- Bleierner Dübel in Form eines Schwalben-
schwanzes zur Verbindung von zwei Werkstücken. Durch
Prof. Gerhard 1841 gekauft. 2709. L. 6V4".
e. Eneipzange.
1208^- Kneipzange von Eisen, ganz wie unsere Schmiede
sie haben, fragmentirt.
f. Meissel.
1208^- Eiserner Meissel aus Pompeji, durch Ternite
erworben. V. f. e. 2.
1208'^- ^- Zwei desgl., von Bronce, aus der Sammlung
Koller. 582.
2) Fischergeräth.
a. Angeln.
1209. Angel mit Widerhaken. Aus dem Nachlass des
Obristlieutenant Schmidt 1846 erworben. 2870. L. 3V2".
1210. Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
L. 41/4".
1211. Desgl., ohne Widerhaken. L. 2V4".
1212. Desgl., complicirter, mit zwei grösseren und vier
kleineren Haken. L. 1^/4".
254 Netzaadeln. — Stempel.
b. Netznadeln.
1213 — 1216. Vier Nadeln zum Netzstricken, sämmtlich
bei Cleve gefunden. Aus der Sammlung Minutoli.- P. 1 — 4.
L. zwischen 5" und 7".
3) Geräth für Lederarbeiter.
Die im Folgenden aufgeiführten breiten, sichelförnugen
Messer sind für Rasirmesser erklärt, aber ohne tiberzeugenden
Grund oder vielmehr gegen alle Wahrscheinlichkeit^). Wir
lassen uns in der Bestimmung dieser Messer von dem Umstand
leiten, dass ganz dieselben Geräthe noch heutigen Tages von
Sattlern und anderen Lederarbeitern gebraucht werden. Auch
diese Geräthe findet man in Gräbern, übrigens auch im Norden.
Vgl. AnoaU 1856 zu tav. 13, Rhein. Jahrb. XXXVI, p. 146.
1217. Sichelförmiges Messer, von Gerhard 1841 in
Italien angekauft. 2708. L. 4".
1218. Desgl., von Hrn. v. Vollard 1852 angekauft. 3059.
L. 48/4".
1219—1221. Drei desgl. L. von 3V2" bis 41/4''. *
4) Geräth für Fabrikanten.
Stempel zum Eindrücken in weiche Massen.
Wir haben hier alle in unserem Museum befindlichen
Stempel aufgeführt, obgleich wir wohl wissen, dass nicht alle
den in der Ueberschrift vorausgesetzten Zweck gehabt haben.
Allein eine Trennung war unmöglich und so wussten wir nichts
Besseres als sie hier unterzubringen, wohin jedenfalls die
grössere Anzahl gehört.
1221*- Schöner Stempel mit der Inschrift P. Nonius
Primus. Der Griff des Stempels wird durch einen Siegelrmg
gebildet mit dem Emblem einer Leier. Aeltere Sammlung.
E. 1. L. 3''.
1) Von Gozzadioi, Di uu sepolcreto etrusco scoperto presso Bologna
1854, p. 25, tav. 6. Dass wenigstens die römischen Rasirmesser
anders aussahen, ist sicher, da man sich derselben auch zum Nägel-
schneiden bedienen konnte, was bei diesen Messern doch unmöglich an-
geht. Val. Max. 3, 2, 15.
Die Stempel. 255
1221^- Desgl. mit der Inschrift
LMARICRES
CFNTISIVN.
Ebendaher. E. 2. L. 2".
1221^- Desgl. mit der Inschrift T. RO. Oben auf der
Fläche des Ringes, der zum Anfassen diente, ist ein Zweig
oder eine Aehre eingegraben, so dass auch dieser Stempel zu-
gleich zum Siegeln gebraucht werden konnte. L. l^/o". Von
Hrn. V. Staff. E. 3.
1221^- Desgl., wie eine Mondsichel gestaltet, mit der
Inschrift VTE. Dieser Stempel ist am Finger als Ring ge-
tragen. L. 1". Ebendaher. E, 4.
1221®- Desgl., von gewöhnlicher Form mit der Inschrift
C. GASSI. Der Griff ist verloren gegangen. Aus dem Besitz
Bellori's. E. 5. L. 2^lJ\
1221^- Desgl. mit der Inschrift
LYDI-GLVC-
SECVNDI
Bei Cleve gefunden. Sammlung Minutoli. E. 6. L. 2*^/8".
12218^- Desgl., aus Pompeji durch Ternite erworben mit
der Inschrift
M- STRON
FAVORI
Der Griff fehlt. L. 2". E. 7.
1221**- Desgl., von abweichender Form, nämlich in der
Form eines Schienbeines mit sehr kleinem Fuss, aus der Samm-
lung Bartholdy. D. 69. Die Inschrift lautet
EVPREPES
FABI HEDISTI.
1221^- Desgl., von gewöhnlicher Form mit der Inschrift
PEGASIVC. Oben auf dem Ring ist ein weiblicher Kopf zum
Siegeln eingravirt. Sammlung Koller. 598. L. 2^/4".
1221^'- Desgl., aus der Sammlung Dorow, mit der In-
schrift
L-ATAFIDI
IVSTIfi.
256 öie Stempel.
Oben auf dem Ringe, der die Form eines Siegelringes hat, die
Buchstaben LAL
1221^- Desgl., aus dem Nachlass des Ministers Alten-
stein 1845 erworben. Die Inschrift lautet QIPIA. 2809.
1221™- Desgl. Geschenk von Dr. Kiessling, mit der In-
schrift
C • IVLII
VRBICI.
Erworben 1863. 3476. L. 1»//'.
1221"- Desgl., ebendaher, fragmentirt. 3477.
122P- Desgl., aus Messenien, 1869 angekauft. Die In-
schrift ist in der ersten Zeile mit Ligaturen geschrieben, sie
lautet ohne dieselben
M. L. PATYLAC
ATTICL
L. IV2". 3759.
1221P- Desgl., aus dem Uhden'schen Nachlass 1837 er-
worben, mit der Inschrift
AVGGGNNN
ACTLESBI.
L. 2%-.
1221^- Desgl., mit der Inschrift HISTONII. L. 2^/2 ".
Wir sind nicht ganz sicher, ob dieser Stempel acht ist.
1221^- Desgl. mit der Inschrift
C • AVLI
RESTITVTI
und am Siegelring die Inschrift BAR. L. 2".
1221^- Desgl. mit der Inschrift P • R • P • C und mit einer
Vin auf der Siegelseite des Ringes, wie wir schon oben rö-
mische Zahlen oft als Embleme von Ringen fanden. L. 2^'g"»
1221*- Desgl. mit der Inschrift
M • PETRO
NI • PAN.
Statt des Ringes ein blosser Knopf. L. 2^/g".
%
Medicinisches Geräth. ^ 257
122 P- Desgl. mit Ring und mit der Inschrift
D(?)EXSOI
VIORVM.
Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 208. L. 278".
1221^- Desgl. mit der Inschrift P-SA-LB. Ebendaher.
212. L. 2V8".
1221^-^- Ein aus blossen eckig gebrochenen Li-
nien bestehender Stempel, dessen Griff ein Pferd ist. Aus
Gerhardts Nachlass. 183.
Hieran schliesst sich unter
1221^- Ein griechischer Stempel, wie es scheint, ein
Unicum, das ebenso interessant als künstlerisch werthvoll ist. Es
ist ein Parallelepipedon von sehr schwerem weisslichen Me-
tall, in welchem man einzelne wie Bronce aussehende Stellen
bemerkt, bei welchen man nicht ins Reine kommt, ob sie Füll-
stücke beim Guss waren oder ob das Ganze etwa aus einem
nur legirten Broncekern besteht. Der Stempel besteht in einem
sehr tief geschnittenen, en face genommen behelmten Minerven-
kopf, dessen Styl auffallend an die Merkursköpfe auf den
Münzen von Alnus erinnert. Doch kann, wie mir auch die
"Beamten unseres Münzkabinets versicherten, der Stempel nicht
zur Münzprägung gedient haben, da die Form des Kopfes nicht
die der Münzen ist, vielleicht hat er daher zur Ausprägung
goldener Verzierungen oder zu ähnlichen Zwecken gedient. Aus
dem Nachlass von Ross 1860 erworben. 3428. H. l^s"?
B. V«'' und 8/4''.
B. Medicinisches Geräth,
1222.' Römisches Arzneikästchen, aus dem Nach-
lass des Obristlieutenant Schmidt, der das Kästchen nebst ver-
schiedenen im Folgenden aufgeführten Instrumenten am' Rhein
zwischen Neuss und Xanten von Arbeitern, die es dort beim
Bau einer Strasse gefunden, gekauft hatte. 2828. L. 4^0''.
Br. 2 1/2".
Der Inhalt des Kästchens besteht in drei kleineren und
einer grösseren Büchse und einigen Stücken Blei, die, nach
ihrer regelmässigen Form zu urtheilen, wahrscheinlich Gewichte
gewesen sind. Von den drei kleineren Büchsen ist nur die
Vorderseite alt, an welcher sich der Ring zum Herauszielien
Friederichs, Berlin's Antike Bildwerke. II. 17
258 Medicinisches Gerälh.
befindet. Sie sind nämlich ebenso wie die bis auf den Boden
erhaltene grössere Büchse wie Schubkästchen geformt, wir be-
greifen aber nicht, wie bei einem rings geschlossenen Kästchen
eine Einrichtung zum Herausziehen und nicht vielmehr zum
Herausheben angebracht werden konnte. Die Kästchen wer-
den ausser den Gewichten wohl auch noch Medicamente ent-
halten haben.
Der Deckel ist sehr reich verziert. Es ist ein Heiligthum
des Aesculap vorgestellt mit der Statue des Gottes darin. Eine
Treppe führt zu dem von korinthischen Säulen gestützten
Tempel empor, in welchem auf einer durch das zauberab-
wehrende Symbol des Stierkopfes geschützten Basis der Gott
steht. Der Habitus desselben ist ganz der gewöhnliche, er hat "
den Oberleib nackt, stützt die Rechte in die Hüfte und legt
die Linke auf den Schlangenstab. Neben ihm steht ein Geräth,
das wir eher für ein Weihrauchgefäss als für einen Candelaber
halten. Die Säulen sind korinthisch und am Schaft mit Wein-
laub umwunden. Zwischen den Kapitalen hängen Gewinde,
Blumenketten, von denen Schleifen herabhängen, ein schon aus
Pompeji bekanntes Verfahren, wodurch man die Säulenhallen zu "
beleben suchte. DerArchitrav ist mit Lorbeer verziert und da-
rüber erhebt sich sofort das Giebelfeld, das durch zwei einen
Schild haltende Amoren ausgefüllt ist Auch dies ist ein zu-
mal an römischen Sarkophagen sehr gewöhnliches Motiv, wo-
durch man in sehr passender Weise die Inschrift anbrachte,
die hier freilich durch eine gleichgültige Verzierung, einen
Stern, ersetzt ist. Die Akroterien endlich werden durch Adler
gebildet.
Was die Technik betrifft, so sind sämmtliche Verzierun-
gen mit einer schwarzen Masse, vermuthlich Niello, ausgefüllt
und darüber liegen die silbernen Theile, die in der Weise mit
dem Niello abwechseln, dass an der Figur des Gottes das
Nackte und an der Architektur alles Dekorative von Silber
eingelegt ist. An der Figur des Aeskulap ist übrigens der
rechte Unterarm und Fuss ergänzt.
Der Knopf am Rande des Deckels .scheint modern zu
sein, dicht daneben befindet sich ein Loch, das zum Verschluss
des Kästchens diente. Ein Haken, der durch einen auf der
A.ussenseite befindlichen Scliieber bewegt werden konnte, griff
in dies Loch ein. Höchst wahrscheinlich stammt dies Kästchen
mit den folgenden Instrumenten aus dem Grabe eines Arztes.
Abg. Rhein. Jahrb. 1849, Taf. 2 mit Text von ürlichs, p. 33.
Medicinisches Geräth. 259
Mit diesem Kästchen sind die unter 1223 — 1227 auf-
geführten Gegenstände zusammen gefunden.
1223. Einsatz des eben erwähnten Kästchens (?)
2829. Dies Geräth sieht wie ein zweites, dem obigen ganz
gleiches Kästchen aus, nur dass der Boden fehlt. "Wir be-
greifen nicht die Angabe, dass dieses Geräth im Innern von
n. 1222 gewesen sein soll.
1224. Reibplatte von grünem Basalt, wahrscheinlich
^um Reiben von Arzneien bestimmt. 2830. L. 5". Br. S^g"«
Solche Platten werden oft am Rliein in Särgen von Aerzten ge-
funden. Rhein. Jahrb. XXV, 108 Anm.
1225. Röhre von Bronce, wie ein Kinderpennal ge-
staltet, zur Aufbewahrung der Sonde bestimmt. Der Deckel ist
angerostet. L. e^/g". Durchm. 1/2"- 2831.
Abg. a. a. 0. Taf. 2, 4. Vgl. die ganz übereinstimmenden Geräthe
aus Pompeji in Mus. borb. 15, 23.
1226. Silberne Sonde, die in der eben erwähnten
Röhre sich befand. 2832.
Die in Pompeji und Herkulanum gefundenen Sonden und
Sondenhalter stimmen ganz mit Mus. borb. 15, 23.
Abg. a. a. 0. Taf. 2, 5.
1227. Plattirter Spiegel, aus dessen einer Fläche
zwei Griffansätze hervorstehen, die ihn von den sonstigen
Spiegeln unterscheiden. 2833.
Ein ähnlicher Fund von medicinischem Apparat ist in
Italien, in Lanciano, gemacht und durch Dr. Friedländer 1846
für das Museum angekauft, n. 1228 — 1235.
1228. Deckel eines Arzneikästchens, fast ganz mit
dem vorigen übereinstimmend, nur dass hier alle Ornamente
roher und bloss in graffito ausgeführt sind. Man sieht aber
aus der Uebereinstimmung, wie gewöhnlich solche Kästchen
waren, zumal da auch in Herkulanum noch ein dritter Deckel
gefunden ist, auf dem auch Aeskulap, freilich zusammen mit
Hygieia, dargestellt ist. 2889.
Abg. a. a. 0. Taf. 1, 1.
17*
260 Medicinisches Geräth.
1229. Die Vorderseite des Kästchens, mit dem
drehbaren Verschluss. L. 2'/8". Br. 1%". 2890.
1230. Drei Vorderseiten der kleineren inneren
Kästchen, in denen sich die Arzneien befanden. Zwei davon
haben noch ihre zierlichen Henkel bewahrt. 2891.
Abg. a. a. 0. Taf. 1, 3—5.
1231. Zange, mit gezahnten Enden, zu chirurgischem
Gebrauch, bei Ausführung von Suturen. Durch einen Schieber
kann die Zange geschlossen und geöffnet und beliebig gestellt
werden. 2892. L. T^/^".
Abg. a. a. 0. Taf. 1, 6. 7 (von zwei Seiten).
1232. 1233. Zwei Spatel, unter sich ganz gleich, zum
Pflasterstreichen. Der Griff, der von Eisen war und in die
Bronce eingelegt ist, fehlt. 2893. 2894.
1234. Sonde, ganz der oben erwähnten entsprechend»
2895.
1235. Instrument, auf der einen Seite in eine Spitze,
auf der anderen in eine kleine Schaufel auslaufend. 2896.
Dies scheint ein Schreibgriffel zu sein, dessen Vorkommen
unter medicinischen Instrumenten nichts Auffallendes hat.
Vgl. den Abschnitt Schreibgriffel.
1236. Spatel, ganz wie oben n. 1232. 1233. Der
eiserne Griff nicht erhalten. L. S^g"» ^^ c« 3.
1"237. Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
Auch hier fehlt die eiserne Handhabe, der Bronceschaft
aber, an welchem die Klinge sitzt, ist mit feinen, niellirten Or-
namenten verziert.
1238. Desgl. Bei Gleve gefunden. Sammlung Minutoli.
L. 7". N. b. 1.
1239. Desgl., am Rhein gefunden, 1846 in Cöln ge-
kauft. 2918.
1240. 1241. Zwei desgl. Bei Gleve gefunden. Samm-
lung Minutoli. L. 5^1 2". N. c. 1. 2.
1242. Desgl. Aeltere Sammlung. L. 6^8 "» ^' ^' 2.
i
Medicinisches Geräth. 261
1243. Desgl. L. 6V4". Aeltere Sammlung. K b. 3.
1244. Desgl. Fragment. Aus Pompeji. N. b. 4.
1245. •Desgl., von etwas verschiedener Form. Aus Me-
gara. 1869 angekauft.
1246—1249. Vier desgl.
1250. Sonde. In Cöln gefunden. Aus dem Nachlass des
Generals von Rauch angekauft 1841. 2655.
1251. Desgl., am Rhein gefunden, 1846 in Cöln gekauft.
2918^- Fragmentirt.
1252—1254. Drei desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben. 21 — 23.
1255—1265. Elf desgl., zum Theil fragmentirt.
1265*- Desgl., fragmentirt, 1852 hierselbst gekauft.
3053.
1265^* Desgl., eine heil und eine fragmentirt, 1846 am
Rhein gekauft 2918.
1265^- Zwei desgL Fragmentirt.
1266. Bronceröhre, fragmentirt, ganz wie die oben er-
wähnte und daher hier aufgeführt, wiewohl diese Röhre eben-
sowohl einen anderen Zweck gehabt haben kann. Zur Auf-
bewahrung der Schreibgriffel hatten die Kinder nämlich im
Alterthum, wie man im Museum von Neapel an pompejanischen
Funden beobachten kann, ganz dieselben Geräthe, unserem
Kinderpennal entsprechend. Aeltere Sammlung. K. 27.
1266*- ^- Zwei Deckel solcher Röhren, wie in 1266
beschrieben ist. Aus Pompeji, 1822 in Gegenwart des Königs
Friedrich Wilhelm III. ausgegraben und von diesem geschenkt.
T. 1. 2.
1267. Medicinisches Instrument, in zwei stark ge-
krümmte Haken auslaufend.
1268. Desgl., etwas beschädigt
262 I>ie Riehtertäfelchen.
1269. Medicinisches Instrument, wie eine Stimm-
gabel mit sehr langen Zinken gestaltet, die an den Spitzen ge-
zahnt sind; zum Zweck etwas zu fassen.
1270. 1271. Zwei Instrumente, die an der einen Seite
mit einem kleinen Messer versehen sind, an der anderen gabel-
förmig auslaufen.
1272. Instrument, auf der einen Seite meisselförmig,
auf der anderen gabelförmig auslaufend.
C. Abzeichen des Richterstandes,
Richtertäfelchen.
Die Mitglieder der attischen Geschwornengerichte, die
Heliasten, erhielten als Abzeichen ihres Amtes ein broncenes
Täf eichen, auf welchem ihr Name, Vatername und Demos,,
ausserdem die Nummer der Sektion, zu welcher sie gehörten,,
und endlich das attische Staatswappen als officieller Stempel
zu sehen war. Der Sektionen waren zehn, welche durch die
ersten zehn Buchstaben des Alphabetes bezeichnet wurden.
Der Stempel besteht in der von der Inschrift ^0JFf umgebenen
Eule, ganz wie auf attischen Münzen. Der Medusenkopf, der
sich an der anderen Seite zu befinden pflegt, soll wohl ein
Schutzmittel gegen den bösen Blick sein.
Diese Richtertäfelchen sind ein charakteristisches Stück
attischer Gräber. Gewöhnlich sind sie durchbohrt, vielleicht
weil sie an einem Bande getragen wurden.
Vgl. namentlich Dumont in der Revue archeol. 1868, XVII, p. 140.
1869, XIX, p. 225, der auch die andere zahlreiche Literatur erwähnt.
Die Erklärung des Medusenkopfes ist von Dodwell aufgestellt a classi-
cal tonr I, 437.
1272*' Attisches Richtertäfelchen, 1860 aus dem
Nachlass von Prof. Boss erworben. 3425.
Die Inschrift lautet: E: (womit die Nummer der Sektion
bezeichnet wird) ANTIKFATH:^: EYKT [aiov) AISÜ-
NEY2. Rechts ist das Gorgoneion, links die Eule eingedrückt,
bei welcher noch Spuren der Inschrift A&H bemerkbar sincL
Vgl. Ross, Demen von Attika, p. 57 n. 37.
Der Diskus. 263
D. Palästrische Geräthe.
1) Der Diskus.
In heroischer Zeit bedienten sich die Griechen zum Wurf-
wettkampf einfacher Steine, wie z. B. Odysseus bei den Phäaken,
später wurden Scheiben von Bronce oder Blei dazu benutzt,
die, wie es scheint, oft kunstreich und charakteristisch verziert
wurden. Wir besitzen zwar nur zwei derartige Disken, von
denen der eine im hiesigen Museum, der andere in London sich
befindet^), aber der Umstand, dass diese beiden Disken ganz
genau bis ins kleinste Detail übereinstimmen, lässt auf eine
grössere, fabrikmässige Production schliessen 2).
Man darf wohl annehmen, dass die meisten oder alle er-
haltenen Disken aus Gräbern herrühren; bei der griechischen
Sitte, den Todten das ins Grab zu legen, was ihnen im Leben
besonders lieb gewesen, lag es nahe, einem Athleten seinen
Diskus mitzugeben.
1273. Diskus von Bronce, in einem Grabe auf Aegina
gefunden, von dem Bildhauer Professor Wolff in Rom gekauft.
Die Zeichnungen dieses Diskus sind nicht allein für ath-
letische Wettkämpfe im Allgemeinen charakteristisch, sonderi
sie bezeichnen das Geräth als zu einer bestimmten Kampf
gattung gehörig, nämlich zum Fünfkampf, der Sprung, Lanzen-
wurf, Lauf, Diskuswurf und Ringkampf einschloss. Auf der
einen Seite ist ein Springer mit den Springgewichten, die un-
seren Hanteln vergleichbar sind, in der Hand, im Moment des
Anlaufes vorgestellt, auf der anderen Seite sehen wir einen
Jüngling mit dem im Fünfkampf üblichen langspitzigen Speer,
den er vermittelst einer Schleife fortzuschleudern im Begriff ist.
Der Styl der Zeichnung ist alterthümlich, die Figuren sind
mager und hart, der Diskus kann nicht wohl nach der Mitte
des fünften Jahrhunderts entstanden sein.
Abg. bei Finder, Ueber den Fünfkampf der Hellenen, Berlin 18G7.
Vgl. p. 38. 96. 113.
^) Der Diskus in London war früher in Corfu in der Sammlung
von Lord Woodhouse und soll in Sicilien gefunden sein. Die von
E. Braun, bull. 1851, p. 102 ff. aufgeführten figurirten Disci haben
schwerlich dem vorausgesetzten Zweck gedient.
^ Vischer, Arcbaeol. Epigraph. Peitr., p. 2, phantasirt über den
Diskus aus der Sammlung Woodhouse.
264 ^ic athletischen Ringe. — Die Sporen.
1274. Diskus von Blei.
2) Athletische Ringe.
1275. Athletischer Ring mit sechs Knoten, 1834 durch
Professor Gerhard in Italien gekauft.
Diese Knotenringe sind, wie es scheint, einer besonderen
Gegend eigen, nämlich dem alten Picenum. Dort sind sie so
gewölmlich, dass die jetzigen Bewohner sich ihrer als Thür-
klopfer bedienen. Man findet sie nur in einer besonderen
Classe von Gräbern, nämlich an schwer gerüsteten Leichen
und zwar entweder auf dem Kopf oder in der rechten Hand
der Leiche. Es sind viele verschiedene Meinungen darüber
geäussert, die wahrscheinlichste ist diese, dass sie zu einem
gymnastischen Spiel dienten, wobei es darauf ankam, dass
Einer dem Andern den Ring, den beide zuerst fassten, entriss.
Der Sieger konnte dann den Ring als Kranz benutzen, und in
der That findet man auch Statuetten mit einem derartigen.
Kranz auf dem Kopf. Daher ist es auch zu erklären, dass der
Ring in den Gräbern sich auf dem Kopf der Leiche befindet.
Die Zahl der Knoten variirt von vier bis acht, sie dienen
eben dazu, um den Ring besser festhalten zu können. Gewöhn-
lich sind nicht alle Zwischenräume gleich gross, sondern einige
sind eigens darauf berechnet, die Hand fest hineinlegen zu
können, während andere breiter sind.
Vgl. den eingehenden Aufsatz von De Paolis im bullet. 1842
p. 72 ff. Dieselbe Meinung ist übrigens schon von älteren Archäologen
geäussert worden. Vgl. Caylus Recueil III, p. 256.
E. Geräthe zum Reiten und Fahren,
1) Der Sporn.
Die gewöhnliche Meinung, dass das Rädchen am Sporn
dem Alterthum unbekannt gewesen sei, möchten wir im Hin-
blick auf n. 1279 bezweifeln. Der Regel nach scheint freilich
ein einfacher Stachel genügt zu haben.
Die Griechen trugen nur einen Sporn. Xenophon spricht
in seinen auf das Reitwesen bezüglichen Schriften vom Sporn,
wenn wir nicht irren, immer im Singular, was schwerlich zu-
fällig ist, und eine bekannte Amazonenstatue, trägt nur an
j
Die Wagen- und Pferdegerälhe. 265
«inem Fuss ein Spornband. Auf Cypern herrscht noch jetzt
diese Sitte, offenbar aus alter Ueberlieferung,
Römische Sporen sind zusammengestellt bei Lindenschmit Denkm.
uns. heidn. Vorzeit II, 1, 7.
1276. Sporn mit kurzem, vierkantigen Stachel ^us dem
Besitz Bellori's. W«- 1. Durchm. 2 Vi".
1277. Desgl. Aus der Samml. Koller 548.
1278. Desgl. fragmentirt, am Rhein gefunden. Aus dem
Nachlass des Obristlieut. Schmidt 1846 erworben. 2871.
1279. DesgL, mit dem Rädchen oder Stern statt des ein-
fachen Stachels. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 66.
Wir müssen, gestützt auf dies Exemplar, die Meinung,
wonach das Alterthum nur den einfachen Stachel am Sporn
gekannt habe, bezweifeln. Sie war übrigens auch aus unge-
nügender Empirie abstrahirt.
1279*- Desgl., der Stachel fehlt. Aus Gerhardts Nach-
lass 1869 erworben. 65.
1279^- Desgl., fragmentirt. Aus dem Nachlass des
Obristlieutenant Schmidt 1846 erworben. 2872.
F. Wagen- und Pferdegeräth.
Es ist eine für gewisse primitive Culturstufen, nämlich
' für die Zeit kriegerisch wilden Lebens, charakteristische Sitte,
dem Todten sein Schlachtross und seinen Streitwagen mit ins
Grab zu geben. Am Rhein und in der Schweiz sind an vielen
Orten Theile von Wagen- und Pferdegeschirr in Gräbern ge-
funden, die Galliern oder Germanen angehört haben werden.
Aber auch in altetruscischen Gräbern z. B. in Bomarzo, Tar-
quinii, Vulci, Perugia sind nicht selten Pferdeknochen und
Pferdegeschirr und Tlieile des Streitwagens zum Vorschein ge-
kommen. Was bei uns sich Derartiges befindet, stammt zum
grössten Theil aus cisalpinischen Funden, ist aber nicht ein- ,
heimisches, sondern offenbar etruscisches Fabrikat.
Vgl. für die italischen Funde z. B. bull. 30, 235. 35, 205. Annali
1829, p. 97. 95 und für die nordischen z. B. Rhein. Jahrb. XVIII,
p. 88.
266 ^^^ Wagen- und Pferd egeräthe.
n. 1280 — 1300. Wagen- und Pferdegeräth nebst
anderen Geräthen aus einem rheinischen Grabe.
In der Nähe von St. Goar, bei Dörth liegt ein Wald, ge-
nannt Gallscheid, der einen grossen, weit sichtbaren Grabhügel
umschliesst; welcher 1851 von den Bauern durchsucht wurde
und die* im Folgenden aufgeführten interessanten Alterthümer
enthielt. Die Finder verkauften ihren Fund durch gütige
Vermittlung des Oberst v. Cohausen an das hiesige Museum..
2988—2999.
1280 — 1281. Zwei vollständige Achsen- und Nabe-
beschläge.
1282 — 1285. Vier Ringe von etwa 6" Durchmesser,,
zwei fragmentirt, wahrscheinlich „dazu dienend, die Nabe vor
und hinter den Speichen zusammenzuhalten".
1286. Ein Kasten voll eiserner Fragmente, unter
denen die meisten Stücke Radreifen sind.
1287. Eine grosse Anzahl Fragmente von bron-
zenem Beschlag, zum Theil rund wie eineStrigel gestaltet,,
zum Theil eckig, das Holz noch vielfach darin erhalten. Ein
Theil derselben diente gewiss zur Einfassung des Wagenrandes.
1288. 1289. Zwei knopfförmige Beschlagstücke,-
in deren einem das Holz noch erhalten, vermuthlich auch zum
Wagen gehörig.
1290. 1291. Die beiden Seitenstücke einer Kan-.
dare, das eigentliche Gebiss war von Eisen und hat sich
nicht erhalten.
1292—1296. Fünf kleine Bronceringe, die auch ver-
muthlich zum Pferdegeschirr gehört haben.
1297. Mehrere ausgeschnittene Zierbeschläge,
die auf Leder aufgenietet waren, von dem sich mehre Stücke
erhalten haben.
Zugleich mit diesem Wagen- und Pferdegeräth wurden
einige andere Sachen gefunden, welche, da sie gerade uns Auf-
schluss geben werden über Zeit und Charakter des Fundes,
hier aufgeführt werden.
Die Wagen- und Pferdegeräthe. 267
1298. Schnabelförmiger Krug, von specifisch alt-
etruscischer Form, der Bauch fragmentirt.
1299. Rand eines grossen Gefässes, von dem das
Uebrige zerfressen ist.
1300. Viele Fragmente von Bronce, der alterthüm-
lieh geformte Hals eines Thonkruges und Reste eines Zahns.
Schliesslich sind noch einige Goldsachen mitgefunden, die
bei den übrigen Goldarbeiten aufbewahrt und daher hier nicht
genauer besprochen werden, übrigens auch zur Beurtheilung
des ganzen Fundes wichtig sind.
Der Berichterstatter über diesen Fund nämlich ist geneigt,^ «
wegen der Verzierungen auf einem der goldenen Stücke das
Grab sehr spät, nämlich schon in den Anfang der Franken-
herrschaft zu setzen. Allein dies ist so wenig begründet, dass
vielmehr das Grab mehr als tausend Jahre früher zu datiren
ist. Und zwar aus den sichersten Gründen, wegen des specifisch
etruscischen und zwar altetruscischen Charakters der Giess-
kanne und der Goldornamente. Gerade nur durch diesen alt-
etruscischen Ursprung erklärt sich auch, dass die Arbeit an
allen Stücken so ausgezeichnet ist.
Vgl. V. Cobausen in Rhein. Jahrb. XVIII, p. 59 ff. Die Kanne ist
von der oben n. 597 ff. erwähnten Form.
1301. 1302. Zwei vollständig mit den Bolzen er-
haltene Achsen- und Nabebeschläge nebst zugehörigem
Ring, iit Besseringen gefunden, mit der Böcking'schen Samm-
lung im Jahr 1858 angekauft. 696. 697. Durchm. b^lJ'.
Wir zweifeln keinen Augenblick, auch dieses Bronce-
geräth derselben Zeit und demselben Volk zuzuschreiben, wie
das oben erwähnte, mit dem es fast ganz tibereinstimmt.
1302*"'*'* Drei Achsenbeschläge mit viereckiger Nabe.
Aus Cometo. Sammlung Dorow 547 — 549. Durchm. a u. b
51/2" — c 5 V4".
1302^- Breites, massives sechsspeichiges Bronce-
rad, das schwerlich in praktischem Gebrauch gewesen ist.
Vermuthlich war es ein Weihgeschenk. Durchm. lO^/o".
Br. 3".
1302''^- Grosse, schwere Schnalle aus zwei in einander
268 I^ie Wagen- und Pferdegeräthe.
greifenden Stücken bestehend; vermuthlich vom "Wagengeräth.
Von den Nietnägeln^ mit denen die beiden Theile befestigt
waren, sind noch mehre erhalten. Etruscisch. Aus Corneto.
Samml. Dorow 555. Länge der beiden Stücke T^/g".
1302®- Desgl. nur die Hälfte erhalten. Aus der Samml.
Minutoli. K. 13.
1302^- fif- Zwei Beschlagstücke in Form eines breiten
arabischen Bogens, mit einer Oese an jedem Ende zum Durch-
ziehen eines Riemens. Sie können nach der Meinung Sach-
kundiger am Ortscheid gesessen haben. Aus Corneto. Samml.
Dorow. 545. 546. H. 3V2".
1303. Deichselkopf, in Form eines Pferdekopfs. Komi-
scher Stil. L. 7".
Vgl. Lindenschmit I, 2, 5, 4. bullet. 1868 p. 207.
1303*- Pferdegebiss, das ganz über den Kopf gezogen
wurde. Aus der Samml. Koller 546.
1304 — 1306. Drei Pferdegebisse, Trensen, ganz
tibereinstimmend, etruscisch, aus Corneto. Aus der Sammlung
Dorow. 551—553. L. 9'' bis 91/2"-
1307. Eine desgl. Aus der Samml. Koller 643. L. 9".
1307^- Kandare mit einem Ring jederseits. Sammlung
Koller 436. L. 6''.
1307^- Sichelförmiges Anhängsel, wie man es oft
auf Darstellungen antiker Pferde als Schmuck sieht. Aus dem
Nachlass des Prof. Rösel 1844 erworben. 2795^-
1307*^* ^' Zwei desgl., die indessen auch zu anderem
Zweck gedient haben können, weil man diesen sichelförmigen
Schmuck nicht bloss an Pferden 'findet.
1307«- ^- Zwei ähnliche Anhängsel.
1307»"^- Drei Geräthe in Form einer Leier, eins frag-
mentirt, zwei davon rings herum mit Buckeln besetzt. Nach
der Meinung Sachkundiger sind es Stücke vom Pferdegeschirr,
so dass die eine Oeffnung zur Befestigung und die andere
Die Grabgerälhe. 269
ringförmige zum Durchziehen der Riemen diente. Sammlung
Koller 633.
1307^* Sichelförmiges Anhängsel mit Silber tiber-
zogen und fein verziert. Aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. 230.
«
1307^- Desgl. von einfacher Bronce.
G. Grabgeräthe,
Die Grabgeräthe waren nur zum kleineren Theil praktisch
brauchbare Geräthe, die grosse Masse derselben sind nur
Scheingeräthe, für praktische Zwecke untauglich und nur für
die Ausstattung des Grabes fabricirt.
Zu den ersteren gehören namentlich die Aschenkrüge, die
im Alterthum aus den allerverschiedensten Stoffen verfertigt
wurden. Es giebt Aschenkrüge von Stein, von Bronce, Silber
und Blei, von Thon und Glas. Auch die Formen sind begreif-
licherweise sehr verschieden, doch ist unter denjenigen von
Bronce, die uns hier näher angehen, eine vorherrschende Form
nachweisbar, nämlich diejenige eines bauchigen, henkellosen
und fusslosen Gefässes. Man setzte nämlich diese Krüge nicht
unmittelbar in die Erde, sondern schloss sie in eine Umhüllung
von Stein oder Terrakotta ein, wie man an mehreren Orten,
z. B. in Attika, Corfu, Capua und sonst beobachtet hat. Die-
jenigen von Attika und Capua sind künstlerisch am inter-
essantesten und auch dadurch, dass sie uns einmal an einem
einzelnen Fall in schlagender Weise das Verhältniss der grie-
chischen und etruscischen Fabrikation, welcher letzteren die
capuanischen angehören, anschaulich machen. In dem Formen
nämlich stimmen sie vollkommen überein, so dass man deutlich
sieht, dass ein Zusammenhang existirte, in der Ornamentik
aber ist der grosse Unterschied, dass die Griechen sich mit
einem linearen Ornament, mit einer Umsäumung des Randes
begnügen, während die Etrusker wieder ihrer Liebe zu figür-
licher Verzierung nachgeben und den Rand und Deckel der
Vase mit Figuren überfüllen. Es braucht nicht bemerkt zu
werden, wie viel edler die griechische Weise gedacht ist, ein
Grabgeräth nur mit einfach linearem Schmuck auszustatten.
Die schönste attische Grabvase ist übrigens die im britischen
Museum befindliche, welche Schinkel in den Vorbildern für
270 ^ic Ascheukrüge.
r
Fabrikanten und Handwerker II, 7, 3 zugleich mit ihrer Mar-
morumhtiUung herausgegeben hat.
Von der zweiten Classe der Grabgeräthe, den Schein-
geräthen, ist schon im Vorhergehenden an einzelnen Stellen
die Rede gewesen, hier aber ist der Ort, über das Ganze einige
Bemerkungen zu machen.
Die Sitte verlangte, dass man dem Todten als ein Opfer
der Liebe oder als eine Ehre möglichst reiche Gaben ins Grab
legte. BeiProperz^) beklagt sich der Schatten eines Mädchens,
dass ihr Liebhaber ihr Grab nur mit einem zerbrochenen Krug
und mit armseligen Blumen ausgestattet habe. Besonders
deutlich ergiebt sich das Motiv der Grabesausstattung aus den-
jenigen bemalten Vasen, die man in Scherben und verbrannt
findet. Sie sind meistens sehr schön, so dass ich oft von
Vasenkundigen die Bemerkung gehört habe, man finde die
schönsten Vasen in Scherben. Sichtlich sind nun diese Vasen
mit Absicht von den Angehörigen des Todten in die Flamme
des Scheiterhaufens geworfen und man nahm dazu die schönsten,
um dem Todten ein möglichst kostbares Opfer zu bringen.
Es war natürlich, dass man oft Besseres opferte, als der
eigene Hausrath bot, es war aber ebenso natürlich, dass man
der hergebrachten Sitte durch billigere Waare, durch Schein-
geräthe, genügte. Daher finden wir unzählig viel zu praktischem
Gebrauch untaugliches Geräth in den Gräbern. In Bronce
erwähnen wir die dünnen Helme und die dünnen Vasen von
allerlei Form, die man mit dem Finger eindrücken kann.
Namentlich aber ist Blei das Material für die Scheingeräthe.
In Buvo, wo man die Bleigeräthe besonders häufig findet und
in der Sammlung Caputi betrachten kann, findet sich vom
Candelaber bis zum Küchengeräth alles Mögliche in Blei oder
Zinn, aber kein einziges Stück ist zu praktischem Gebrauch
tauglich.
Vergleiche Bull. 1848, 116. Annali 1851, 36 und über die Blei-
arbeiten von Ruvo bullet. 1836 p. 73. Vgl. bullet. 1829 p. 203.
a. Aschenkrüge.
1308. Aschenkrug von gewöhnlicher Form, aus einem
attischen Grabe, 1845 von den Kunsthändlern Schenk und
Gerstäcker angekauft, die ihn höchst wahrscheinlich von Prof.
Boss erworben hatten. H. 8^/4''. D. 13". 2819.
1) Properz V, 7, 33.
Die Wandverzierungen etruscischer Gräber. 271
1309. Desgl., grösser, von derselben Form. Durch-
messer 19V2"«
b. Wandverzierungen etruscischer Gräber.
Wir fanden schon oben Schilde von der Grösse der wirk-
lich gebrauchten als blosse Wandverzierung in etruscischen
Gräbern aufgehängt. Eine ähnliche Bestimmung hatten die
hier aufgeführten Gegenstände. Es sind nämlich nicht selten
in etruscischen Gräbern kleine gewölbte Rundschilde mit
Masken im Mittelpunkt gefunden. In einem tarquiniensischen
Grabe fand man einmal ihrer eilf von 4 1 Centim. Durchmesser.
Diese Schilde dienten unzweifelhaft als Zierrath, es geht aber
aus den Fundberichten nicht genau hervor, an welcher Stelle
sie angebracht waren. Sie schmückten entweder die Wände
oder die Felder der Decke. Die Masken, welche sich im
Mittelpunkt dieser Schilde befinden, sind gewöhnlich von wildem
Charakter, gleichsam als sollten sie zum Schutz des Grabes
dienen.
Vgl. Ball. 1829 p. 8. 150. Dennis, Städte und Begräbnissplätze
Etruriens p. 240 und 700
1310. Maske des Achelous, aus Corneto. Sammlung
Dorow 570. H. ß^j^".
Einige im Vatikan befindliche, übereinstimmende und an
demselben Ort gefundene Denkmäler lehren, dass diese Maske
nur das Centrum einer jener eben erwähnten schildförmigen
Verzierungen bildete, an welche sie mit Nägeln, welche noch
erhalten sind, angenietet war.
Die Augen sind von Email eingelegt, was dem Kopfe
ursprünglich ein höchst lebendiges Aussehen gegeben haben
muss.
Vgl. Museo Gregoriano tav. 38.
1311. Desgl., kleiner und weniger sorgfältig, ebendaher.
Samml. Dorow 571. H. 51/2''-
1312. Panthermaske, ebendaher. Samml. Dorow 550.
Durchm. 4c^lJ'.
Diese Maske hat auch emaillirte Augen und ist überhaupt
ganz so behandelt, wie die Achelousmaske. Der Ausdruck ist
möglichst wild. Sie stimmt ganz mit den anderen in Tarquinii
272 ^^^ Todteomasken. — Die Grabvasen.
gefundenen überein und hat offenbar zu demselben Zweck
gedient.
c. Todtenmaske.
1313. Maske in Lebensgrösse, von Bronce und Eisen
und zwar so, dass das Eisen mit Bronce plattirt ist, bei dem
Festungsbau in Cöln gefunden, 1841 aus dem Nachlass des^
Kriegsministers v. Rauch angekauft. 2640. Erheblich zerstört.
H. 7". Br. 51/4".
Vermuthlich ist diese Maske, an welcher man noch dies
erkennt, dass sie ein Porträt darstellt, in einem Grabe ge-
funden^ Denn es ist nicht ganz selten, Porträtmasken auf den
Köpfen der Skelette zu finden. Man hat sie von Wachs, von
Gold und von Bronce gefunden. Was die ersteren betrifft, sa
lässt sich bestimmt nachweisen, dass sie Leichen, deren Köpfe
fehlten oder entstellt waren, für die Ausstellungsfeierlichkeit
substituirt wurden, eine ähnliche Bewandtniss hat es vermuth-
lich auch mit den Masken von Gold und Bronce gehabt, deren
Anfertigung längere Zeit in Anspruch nahm. Man kann sich
denken, dass sie zu Ausstellungen, die längere Zeit nach dem
Tode stattfanden, benutzt wurden.
Vgl. Stephani in den Autiquites du Bosph. Cim. zu pl. 1 und über
die Wachsmasken aus Cumae den schönen Aufsatz von de Rossi im
bullet, d' inst. 1853 p. 6QS. Eine eiserne Maske wird in den Rhein.
Jahrb. VII, p. 68 erwähnt, aber über die Auffindung scheint nicht»
Näheres bekannt zu sein.
d. Grabvasen.
Die alterthtimlichen Gefässe, die wir im Folgenden auf-
führen, sind, wie schon in der Einleitung bemerkt, nie im
praktischen Gebrauch gewesen, sondern nur für den Zweck
der Grabesausstattung gearbeitet. Sie sind aber ihres hohen
Alters wegen sehr interessant, es sind die ältesten Broncevasen,.
die wir besitzen. Schon die Umstände unter denen sie ge-
funden werden, deuten das an. Etrurien ist ihr heimathlicher
Boden, es ist aber noch kein etruscisches Grab aufgedeckt
worden, in welchem Broncevasen dieser Art zusammen mit be-
malten Vasen gefunden wären. Sie gehen eben der Periode
der bemalten Vasen voran.
Denn auch in der Form, in der Art der Ornamentirung
und in der Technik sind sie hochalterthümlich. Die Entwick-
Die Grabvasen. 273
lung der Form ist an den Metallvasen begreiflicher Weise
ziemlich dieselbe wie an den Thonvasen, und so finden wir
denn hier wie dort in der ältesten Zeit nicht selten kugelähn-
liche Formen, die durch ringförmige Verzierung ein noch ge-
drückteres Aussehen erhalten,' während später das schlankere
Oval dominirt; allgemeiner aber und wichtiger ist der Unter-
schied, dass früher die einzelnen Glieder der Vasen schroff
und eckig zusammenstossen, während später das Bestreben ein-
tritt, alle Ecken abzurunden und den Contour des Gefässes in
eine weich geschwungene Linie aufzulösen.
Interessant ist auch die Verschiedenheit der Ornamentirung.
Am Bauch des Gefässes befinden sich später in der Regel
keine Ornamente, er sollte gewiss durch schöne Politur wirken,
in früherer Zeit ist dagegen die Fläche des Bauches mit Orna-
menten oft wie übersäet. Und zwar sind es gewöhnlich Knöpfe
oder kleine Buckel, die in Reihen den Bauch umzirkeln. Der
Ursprung dieses Ornaments ist offenbar ein rein technischer,
die Buckel imitiren die Köpfe der Nägel, die zum Zusammen-
heften verschiedener Stücke notliwendig waren. Denn die Niet-
arbeit ist die älteste, der Löthung vorangehende Technik, wie
wir an Homer sehen, der nur sie kennt. Bei demselben Dichter
werden auch schon die Nagelköpfe als Verzierung .von Ge-
räthen erwähnt, wofür wir nur an das mit goldenen Nägeln
beschlagene Scepter, das Achill zu Boden warf, zu erinnern
brauchen. Man disputirte im Alterthum darüber^), ob die
Nägel wirklich eingeschlagen oder nur Imitationen wirklicher
Nägel waren, was jedenfalls für den Effect des Ornaments eine
ziemlich gleichgültige Frage ist.
Was endlich die Technik dieser Vasen betrifft, so ist sehr
bemerkenswerth, dass kein Theil an ihnen durch Guss lierge-
stellt ist, auch der Henkel nicht, der später regelmässig ge-
gossen ist. In Verbindung mit den anderen Zeichen alter Zeit
lässt sich dieser Umstand wohl nur daraus erklären, dass diese
Vasen einer Zeit angehören, die den Erzguss noch nicht
kannte.
Auch das ist endlicli zu erwähnen, dass der Bauch der
Vase, der später fast immer aus einem Metallstück verfertigt
ist, liier gewöhnlich aus zwei zusammengenieteten Stücken
besteht.
1) Aihen. XI, e. 76.
Friederiche, Berlin's Antilre Bildwerke IT. lg
274 öic Grabvasen.
1314. Alterthümliche Amphora, etrascisch. H. 16".
Der Fuss dieses merkwürdigen Gefässes wird durch einen
hohen, abgestumpften Blechkegel gebildet, der mit dem Bauch
zusammengelöthet ist. Der Bauch ladet weit aus und biegt in
ziemlich scharfer Kante schnell'zum Hals um. Gerade auf der
Kante befinden sich die Nägel, wodurch Hals und Bauch zu-
sammengenietet sind. Von hier aus gehen auch die aus vier-
kantigem Draht bestehenden Henkel, die an besonderen
Blechstreifen durch dieselben Nietnägel gehalten werden. Das
Profil des Halses ist starr gradlinig, das später immer eine
concave Linie bildet. Ein breiter Rand umgiebt die Mündung.
Vgl. das ganz ähnliche Gefäss im Mus. Greg. 5, 5.
1315. Desgl., sehr ähnlich. Samml. Dorow 507. Aus
Corneto.
Fuss und Mündung fehlen. Bauch und Hals sind mit
einer Nagelköpfe imitirenden Verzierung bedeckt.
1316. Desgl., sehr zerstört. Aus Corneto. Sammlung
Dorow 506.
Charakteristisch für alte Zeit ist der lange, starre Hals
dieses Gefässes. Er ist an den vier Seiten mit Verzierungen
bedeckt, die wie eine auf den Kopf gestellte Haarnadel aus-
sehen, übrigens dazu dienen sollen, der Form Richtung und
Leben zu geben.
1317. Desgl., stark restaurirt H. 17%".,
Auch diese Amphora ruht auf einem hohen, kegelförmigen
Fuss und ist in der Mitte des Bauchs zusammengenietet. Die
Henkel sind von dünnem Blech und angenietet. Der Rand des
Gefässes passt nicht zum Uebrigen und gehört nicht dazu.
1318. Altetruscische Schale mit tiefer Cannelimng.
Aus Corneto. Samml. Dorow. 522. Ziemlich stark beschädigt.
Durchm. 10".
Diese Form ist bereits in den ältesten etruscischen Gräbern,
z. B. in dem Regulini-Galassigrab in Caere zum Vorschein
gekommen.
Vgl. Mus. Greg. I, 15, 2 a. 2 b.
Hieran schliessen wir zwei kleine Bleiplättchen, wie man
sie in Gräbern, zunächst eins mit dem Namen des Verstorbenen
Die GrabvaseD. 275 ^
bezeichnet, findet, sodann ein interessanteres mit einer Ver-
wünschung und endlich ein Fragment eines Bleisarges.
1318*- Bleiplättchen aus Euboea, 1870 erworben.
Von dem Namen ist die zweite Hälfte NIK02 deutlich, nicht
die erste. 6207.
1318**- Bleiplättchen, in Capua 1866 gekauft mit der
Inschrift Cn. Numidium Astragalum il(l)ius vita(m) valetudin(em)
quaistum ipsu(m) qulitabescat morbu(s) (hoc) C. Sextiu(s) Tabsi-
mado rogo.
Diese Inschrift gehört zu den in griechischen und römi-
schen Gräbern nicht selten vorkommenden Inschriften, vermit-
telst derer der an erster Stelle genannte Mann den unter-
irdischen Göttern zu völliger Vernichtung geweiht werden
sollte.
Die Inschrift ist von Henzeu im bullet. 1866 p. 252 publicirt, der
auch nähere Nachweisnng über die darin berührte Sitte giebt.
1318^- Fragment eines Bleisarges, der nach dem
Inhalt römischer Zeit angehört haben soll und im Moselthal
bei Valevig 1858 in Stücken gefunden ist. Das Blei ist ^/^
:Zoll dick. 3224.
W
lY. Geräthe für religiöse Zwecke.
A. Cultusgeräthe.
a. Opferschale.
Dass der Cultus seine besonderen Geräthe hat, die voit
denen des profanen Lebens verschieden sind, ist für den ernst
denkenden Menschen ebenso nothwendig, wie der Unterschied
zwischen Kirche und Privathaus. Auch im Alterthum empfand
man das, wie die freilich nur spärlichen Beispiele ergeben.
Am deutlichsten sieht man es an der Opferschale, die von der
Trinkschale des gewöhnlichen Lebens erheblich verschieden
ist. Jene ist sehr flach, da sie nicht viel Inhalt zu fassen
brauchte, ohne Fuss und Henkel, und ihre strenge Einfachheit
wird nur durch einen Buckel im Innern, dem eine Höhlung am
Aeusseren correspondirt, unterbrochen*). Die profane Schale
dagegen ist tiefer und hat einen Fuss und zwei Henkel.
Dass jene Schale in der That zu religiösem Gebrauch
diente, ist aus den Denkmälern deutlich ersichtlich. In Opfer-
handlungen sieht man nur sie, ebenso an den Altären, an denen
gewöhnlich die Altargeräthe in Eelief angebracht sind 2), und
auch die Götter, die so oft mit einer Schale in der Hand vor-
gestellt werden, haben stets diese von den Alten als Phiale
bezeichnete Schale. Auch wenn sie nach Homerischer Weise
zusammen beim Gelage sitzen, haben sie gewöhnlich Phialen,
^) Diese Verzierung" ist nicht ohne praktischen Zweck, der Finger
soll sich in den Buckel hineinlegen und so die Schale fester halten als
sonst möglich wäre.
2) An Altären späterer Zeit ist die patera manchmal mit einem
Henkel versehen, wie z. B. Smith Collect, ant. VI, pl. 7.
Die Opferkauaen. — Die Weihwasserkessel. 277
Während in den Grelagen der Mensclien die Phiale eben so
selten ist, als die Kylix — jene oben erwähnte zweihenklige
Schale — gewöhnlich. Der Gebrauch der Schriftsteller scheint
mit diesem Unterschied vollkommen übereinzustimmen.
Phialen von Terrakotta haben sich in ziemlicher Anzahl
erhalten, selten aber sind solche von Erz, wie die im Folgenden
aufgeführte.
1319. Opferschale aus Bomarzo. Aus Gerhardts Nach-
lass 1869 erworben 191. Durchm. ö^/g".
b. Opferkanne.
Die Weinkanne des Opfers unterscheidet sich von der
profanen Weinkanne dadurch, dass sie schlanker und weniger
bauchig ist. Für die Spende war ja ein geringes Quantum
Wein hinreichend. Ihre Form ist von unzäliligen Altären und
sonstigen Darstellungen bekannt.
1320. Opferkanne, aus der Sammlung Koller. 337.
H. 77,".
Nur die Mündung und der Henkel und vielleicht ein Stück
des Fusses sind antik, alles Uebrige ist modern. Der Henkel
läuft in eine Palmette aus.
1320*- Desgl. Ebendaher 336.
Nur Henkel und Hals sind antik.
c. Weihwasserkessel.
Auf den unter n. 142. 143 aufgeführten Spiegeln ist eine
Frau dargestellt, die, wie der Zusammenhang ergab, Weihwasser
für ein Heiligthum heranträgt. Das Gefäss nun, in dem sie
das Wasser trägt, entspricht aufs Genaueste gewissen erhal-
tenen Geräthen, die wir theils wegen dieser Uebereinstimmung,
theils weil die Eigenthümlichkeiten derselben gerade für den
vorausgesetzten Zweck völlig angemessen sind, für Weihwasser-
kessel erklären möchten. Alle diese Gefässe sind wie das auf
den Spiegeln abgebildete, nur klein, weil ja geringe Quantitäten
Wasser zur Besprengung genügten, sie sind ferner eimerförmig,
und haben einen in der Mitte durchbohrten Bügel, an welcliem
€ine längere oder kürzere Kette befestigt ist, die zu be-
quemem Anfassen oben in einen Eing ausläuft. Die Kette
278 Di^ Weih Wasserkessel.
diente dazu, das Gefass in den Brunnen hinabzutauchen, der
zu den nothwendigen Erfordernissen eines Tempels gehörte.
1321. Weihwasserkessel aus der -Samml. Koller. 359.
H. 68/«".
Dies Gefäss entspricht aufs Genaueste dem auf den Spiegeln
dargestellten; von welchem eben in der Einleitung die Rede
war. Es ist vollständig mit der Kette erhalten.
Ein übereinslimmencles Gefass ist abgebildet bei Gozzadini di
iilteriori scoperte nelP antica necropoli a Marzabotto Taf. 14, n. 6.
1322. Desgl., bei Vulci gefunden, 1841 durch Prof. Ger-
hard in Italien gekauft. 2671*- H. 6",
Wir glauben, dass auch dieses Gefass als Weihwasser-
kessel gedient hat, da es sich von dem vorigen nur in dem un-
wesentlichen Punkt unterscheidet, dass es nicht zum Hinstellen
eingerichtet ist, sondern nur um hängend getragen zu werden.
Diese Bestimmung zu hängen ist in der Form des Gefässes
aufs Glücklichste zum Ausdruck gebracht. Die Form ist näm-
lich von einem Bommel oder einer Frucht, jedenfalls von einem
hängenden Körper entlehnt.
Das Gefäss ist auf seiner ganzen Oberfläche sehr fein
oniamentirt, von unten mit aufstrebenden, von oben mit ab-
wärts gerichteten Ornamenten und zwar an beiden Stellen in
je zwei Absätzen, so dass je zweimal dasselbe oder wenigstens
dem Sinn nach gleiche Ornament sich wiederholt.» An der
Mündung läuft ein feines Riemengeflecht herum.
Dies etruscische Gefäss gehört zu den schönsten Stücken
der Sammlung.
1323. Ganz tibereinstimmendes Gefäss, nur ganz
ohne Ornamente. Ebendaher. 2714. H. 4^/4".
1323*- Ganz ähnliches Gefäss, nur dass es einen
kleinen Fuss hat. Der Henkel, der oben einen Ring zum An-
hängen der Kette hat, läuft in Attachen, welche die Form von
Satyrköpfen haben. Etruscisch. Aus der Samml. Dorow 639.
1324. Gefäss des ägyptischen Cults. AusderSammL
Koller. 310. H. b^jj'.
Dieses eigenthümlich gestaltete Gefäss wurde, wie man
aus Abbildungen entnehmen kann, im ägyptischen Cult ge-
braucht. Die Tülle der Kanne ist offenbar einem Thierschnabely
■A
Die Weihgeschenke. 279
etwa dem Schnabel des Pelikan, nachgeahmt Gewiss ist die
Form durch religiöse Motive veranlasst. Der Henkel fehlt.
Vgl. das interessante anf ägyptischen CuH bezügliche Gemälde im
Mus. borb. X, tav. 55.
B. Weihgeschenke.
1325. Hermesstab, oben in Schlangenköpfe auslaufend.
Der Stiel war bis auf das obere Stück mit einem feineren
Material, etwa Elfenbein bekleidet, auf dem oberen Stück Hest
man die punktirte Inschrift FNA&lNilN,
Der Stab ist unzweifelhaft ein Weihgeschenk der Ein-
wohner von Egnatia an einen Merkurstempel.
Gefunden in Fasano, erworben 1848 in Rom durch
Dr. Braun. 2969. L. 2' 4^2".
Eine Inschrift, in welcher dem Merkur ein caduceus dedicirt wird»
in Rhein. Jahrb. 1859 p. 68 Vgl. 1864 p. 163. Abg. bei Minervini
in den Monum. ined. possad. da Raf. Barone.
1326. Desgl., der Stiel war von Holz und ist nicht er-
halten. Der obere, broncene Theil desselben ist von einem
jonischen Capitale bekrönt, über dem sich die in Widderköpfe
ausgehenden Windungen erheben. Einer der Widderköpfe
fehlt Die Augen der Voluten sind durch silberne Nägel
markirt, auch der Schaft war mit einem silberigen J^agel be-
festigt. L. V\
1327. Kleine Leier, vermuthlich ein Weihgeschenk.
L. 2^/2''.
1327*- Kleine Keule, oben durchbohrt, um angehängt
zu werden. Die Durchbohrung veranlasst uns, das Geräth hier
aufzuführen, obgleich wir gestehen müssen, dass dieser Grund
nicht ausreicht.
1327^- Schönes Füllhorn in einen Hirschkopf aus-
laufend und über den herabhängenden Früchten von zwei
Vögeln, wie es scheint Tauben, bekrönt. Auch bei diesem
Stück sind wir nicht sicher, ob es in diese Kategorie gehört.
1328. Schiffsschnabel, sog. aplustre. Aus der Samml.
Bellori. 4" lang. K. 5. L. 9^2"-
280 ^^'6 Weihgescheake.
Die Form dieser Verzierung erklärt sich aus dem Um-
stände, dass die ältesten griechischen Schiffe, die wir auf den
Vasenbildern finden, sichtlich gewisse Fischformen imitiren.
Die Verzierung des Hintertheils gestaltete sich danach einem
Fischschwanz ähnlich.
Höchst wahrscheinlich ist dieses Stück ein Weihgescheuk
für eine glückliche bestandene Seereise.
1329. Vordertheil eines Schiffs, Sammlung Bellori.
K. 6. H. 48/4". L. 31/4".
Auch dies ist vermuthlich ein Weihgeschenk. Das Stück
hat als Schiffszeichen einen jugendlichen Kopf.
1330. Bleiköcher im Jahr 1842 von Fischern aus dem
Hafen von Delos hervorgezogen und von dem Grafen Brassier
de St. Simon, der ihn als Gesandter in Athen erworben hatte,
dem kgl. Museum geschenkt. L. 15".
Dass dieser Köcher nicht im Leben gebraucht war, geht
schon daraus hervor, dass er massiv ist. Es ist ein blosses
Weihgeschenk, und die Inschrift FE NIN F^ E^'Q^EN
TAYTA HMA^ — in welcher Tveviiv statt Tteivrv wohl
ein Schreibfehler ist — motivirt die Dedikation dieses Köchers,
die nicht erwähnt zu werden brauchte, weil der Ort, wo sich
das Denkmal befand, sie hinlänglich bezeugte. Das ralra,
das den Schreiber, wie sie sagen, vor'm Hunger geschützt habe,
bezieht sich auf die Waffen, die neben der Inschrift abgebildet
sind. Man bemerkt oben einen pfeilbelegten Bogen, sodann
einen Köcher von derselben Form, wie das Weihgeschenk
selbst, und endlich unter der Inschrift einen Wurfspeer nebst
Streitaxt. Die Beziehung dieser letzten Waffen ist uns nicht
klar. Sind es auch Waffen von Bogenschützen oder Waft'en
von anderen Soldaten, so dass wir annehmen müssten, es hätten
sich an diesem für Bogenschützen so charakteristischen Weih-
geschenk auch Soldaten anderer Gattung betheiligt ? Die
Streitaxt kommt wohl vor bei einem Bogenschützen, auch der
Wurfspeer, allein wir wissen nicht, ob wir vereinzelte Vorstel-
lungen älterer Vasen hier lieranziehen dürfen, ja es ist uns
überhaupt nicht ausgemacht, ob der Köcher von Soldaten und
nicht etwa von Jägern dedicirt ist.
Ueber die Entstehungszeit des Werks lässt sich nur be-
merken, dass die Schriftzüge den Charakter der Zeit von
Alexander abwärts tragen. Der Fundort lässt vermuthen, dass
es einst dem Apoll geweiht war.
Die Weihgescheiike. 281
Dies Weihgeschenk ist übrigens ein gutes Beispiel dafür,
dass nicht bloss die im Leben gebrauchten Dinge, sondern
auch blosse Abbilder derselben den Göttern geweiht wurden.
Das Loch, das man oben im Blei bemerkt, war verrautlilich
mit Pfeilen ausgefüllt.
Abg. Annan 1842 tav. K. Vgl. p. 88 ff.
1330*- Weihgeschenk in Form einer kleinen vier-
eckigen Platte, aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 61.
Auf der einen Seite steht die Inschrift RESPECTI, auf
der anderen V. L, das doch wohl Votum libens bezeichnen
soll und uns die Berechtigung giebt, das Plättchen als ein
Weihgeschenk zu bezeichnen. Was es aber ist, wissen wir
nicht mit Bestimmtheit zu sagen, vermuthlich ist es ein Münz- .
gewicht, mit dem es die grösste Aehnlichkeit hat. Vgl. oben
n. 955.
Die Buchstaben sind in der Bronce gravirt, und dann mit
Silber eingelegt, doch so, dass das Silber nicht ganz den ab-
geschiedenen Raum ausfüllt.
1330^- Desgl., ganz übereinstimmend, stammt aus Neapel
und befand sich früher im Münzkabinet.
Auf der einen Seite steht PYRPVRI, auf der anderen
V. L. Die Inschriften sind ganz auf dieselbe Weise hergestellt
1331. Ein Paar Augen, gewiss ein Weihgeschenk eines
Augenkranken. Es haben sich wenigstens in Marmor zahl-
reiche Platten mit zwei Augen und Weihinschriften darauf er-
halten, die uns berechtigen, für diese Bronce dasselbe voraus-
zusetzen. Der Zapfen diente zur Befestigung. Die Arbeit ist
spät und unbedeutend. 1851 aus dem Besitz des Prof. Ger-
hard augekauft. 3001.,
1332. Ein Fuss, mit der Sandale bekleidet und mit
einem Ring zum Aufhängen versehen. Dieser Fuss ist wohl
nicht das Dankgeschenk eines Fusskranken, sondern vielmehr
eines Reisenden nach glücklich überstandener Reise. Es ist
eine durch Inschriften bezeugte Sitte, dass Wallfahrer nach-
dem sie glücklicli am Ziel ilirer Wallfahrt angekommen, dem
Heiligthum einen Fuss von geringerem oder kostbarerem Mate-
rial schenkten.
Vgl. 0. Jahn, Ueber den Aberglauben des bösen Blicks in den
Ber. d. sächs. Gesellj-ch. d. W'iss. 1855 p. 103 Anm. 310.
282 ^^6 Weihgeschenke.
1332*- Eine Fussohle mit der Inschrift: Spes in Dea^
Dies offenbar christliche Weihgeschenk ist gewiss eben
so zu verstehen, wie das eben erwähnte heidnische. Die heid-
nische Sitte dauerte eben, wie so manche andere, im Christen-
thum fort.
Munter Sinnbilder und Kunstvorst. d. a. Chr. I, p. 54 giebt der
Fusssohle eine andere Bedeutung, die mir eben wegen des heidnischen
Gebrauchs nicht wahrscheinlich scheint.
1332^- Ein Kästchen mit kleinen Bleifiguren, ein
Mann mit Schild und Speer, eine Frau, und dazu Fragmente
von Ringen oder vielleicht Spiegeln. Aus Gerhardts Nachlass
1869 erworben.
Diese Bleifiguren sind zusammen mit anderen und mit
Thonfiguren an den Stufen des Menelaion in Sparta gefunden,,
als dasselbe im Winter 1833/34 ausgegraben wurde. Man
schliesst aus dem Fundort wohl mit Recht, dass alle diese
Figuren Weihgeschenke an Menelaos und Helena waren, die
dort verehrt wurden.
Vgl. Ross Archaeol. Aufs. II, p. 341 mit Abbildung.
1332*^- Apollo von Blei mit Köcher und Köcherband;
in seiner Linken scheint noch ein Stück des Bogens erhalten,,
die rechte Hand fehlt und die beiden Beine vom Knie abwärts.
Gefunden bei Smyrna an der Stelle des alten Aesculaptempels
und dieser Fundort macht auch hier die Annahme eines Weih-
geschenks wahrscheinlich. 1856 von Hrn. Consul Spiegelthal
in Smyrna eingesandt, der die Figur selbst gefunden. H. 1%"»
Votivhände.
Eine eigenthümliche Classe von Weihgeschenken sind die
Votivhände, deren nach einem kürzlich aufgestellten Verzeich-
niss mindestens dreissig erhalten sind. Es sind Hände, welche
nach den Inschriften, die auf einigen derselben vorkommen^
als Weihgeschenke in Folge von Gelübden gestiftet bezeichnet
werden müssen und eben desswegen auch den Gestus des Ge-
lobens machen, der mit dem heutigen Schwurgestus überein-
stimmt. Doch hat man wohl kein Recht, von einem besonderen
Gestus des Gelobens zu reden, wenigstens kommt derselbe
Gestus in der allgemeineren Bedeutung eine feierliche
Rede zu begleiten, schon auf altgriechischen Monumenten
Die Votivhände. 283
vor ^). Dass diese Hände immer rechte Hände sind, ist begreif-
lich, weil natürlich die Rechte das Gelöbniss ablegte. Der
Sinn dieses Gebrauches ist somit dieser, dass man der Gottheit
das Organ des Gelübdes in der Haltung desGelobens als sicht-
bares, gleichsam beglaubigendes Unterpfand des Geschehenen
darbrachte.
Wir bezweifeln, dass diese Sitte sehr alt sei. Alle erhal-
tenen Votivhände scheinen ziemlich späten Ursprungs zu sein
und die Sitte selbst will ilns nicht recht naiv und natürlich
vorkommen. Die Gottheiten, denen diese Hände geweiht wur-
den, sind auch, soweit wir aus ihnen selbst erkennen können^
die Gottheiten des späteren Alterthums, phrygische und ägyp-
tische Götter.
Das Bild des Gottes, dem die Hand geweiht wurde, ist
oft daran angebracht, ausserdem aber pflegen diese Hände mit
einer Fülle von Symbolen bedeckt zu sein, die alle den Zweck
haben, das Geräth gegen bösen Zauber zu schützen. Es sind
theils Thiere, denen man eine zauberabwehrende Kraft bei«
legte, theils Attribute von Göttern.
Vgl. 0. Jahn, Ueber den Aberglauben des bösen Blicks p. 101
und die reirliere Sammlung von J. Becker „Die Heddernheimer Votiv-
hand^^, Programm zur 208ten Philologen Versammlung mit dem Nachtrags
in den Rhein, Jahrb. XXXIl, p. 93. Uebrigens wird die Behauptung
Becker's, dass alle diese Hände Frauenhände seien, ebensowenig zuge-
geben werden können, wie seine Begründung dieser angeblichen That-
sache (p. 18). Gerade die Heddernheimer Hand ist, wenn irgend eine,
männlich und musste ja männlich sein, well sie von einem Manne ge-
stiftet ist. Es wäre doch mehr als wunderlich, wenn auch bei Dedika-
tiouen von Männern , jeuer dem Genius der Alten ureigene Sinn für
Schönheit sie die Frauenhaud «Is Votivform wählen Hess!'*
1333. Votivhand, aus dem Besitz Bellori's. H. 2''.
Diese Hand, welche bis auf die Spitzen der drei erhobenen
Finger vollständig erhalten ist, war dem Serapis dedicirt, dessen
Büste an den erwähnten Fingern angebracht ist. Die schützenden
Symbole, welche die äussere und innere Fläche der Hand be^
decken, sind theils sakrale Geräthe bestimmter Culte qder des
Cultus im Allgemeinen, theils Thiere. Zu jenen gehört die
Doppelflöte des phrygischen Cultus, eine gerade und eine ge-
krümmte, und der Trinkbecher des Dionysos, vielleicht auch
die Waage als ein Symbol der Justitia, wenn nicht der Fortuna.
Als allgemein sakrale Geräthe sind das Opfermesser zu be-
^) Vgl. meine Schrift über Praxiteles p. 129 Anm. 21.
284 Die Voüvtafeln.
trachten ^) und ähnlich auch der Nagel als Gegenmittel gegen
Zauberei.
Von Thieren sind Frosch, Eidechse, Schildkröte und
Schlange dargestellt, denen sämmtlich eine Zauber abwehrende
Kraft zugeschrieben wurde. Nicht zu erklären vermögen wir
ein kornähnliches, oben mit einem Auswuchs versehenes Symbol,
das auf mehreren dieser Hände vorkommt.
Unter dem Nagel bemerkt man, ausgeschieden von den
übrigen Darstellungen, eine liegende Frau mit einem Kind au
der Brust. Diese Gruppe wiederholt sich auf mehreren der
Hände und wird gewiss mit Recht so gedeutet, dass sie die
Veranlassung der Darbringung des Weihgeschenks, die glück-
liche Geburt eines Kindes, andeute. Der Vogel in dieser Gruppe
ist uns eine völlig unverständliche Zuthat.
Abg. bei Jahn a. a. 0. Taf, 4, 2a- ^•
1334. Votivarm, welcher einen Pinienzapfen darreicht,
1846 aus demNachlass des Obristlieutenant Schmidt erworben.
2841. L. 33/V'.
Wie man der Gottheit ganze Figuren mit Opfergaben als
Weihgeschenk darbrachte, so giebt es auch blosse Hände und
Arme mit Opfergaben, die gewissermaassen als abgekürzte
Figuren zu betrachten sind. So kommen Hände mit einer
Opferschale vor-), oder, wie unsere, mit einer Gabe. Man er-
kennt deutlicli einen Pinienzapfen und denkt daher zunächst
an ein Weihgeschenk für Cybele, wenngleich der Pinienzapfen
auch anderen Göttern heilig war.
Vgl. Rhein. Jahrb. XXV, p. 179 tf.
Votivtäfelchen.
Die Weihgeschenke, die man in die Tempel stiftete, wur-
den oft, wenn es ihre Beschaifenheit möglich machte, an den
Wänden aufgehängt. Um aber den Namen des Gebers der
Erinnerung aufzubewahren, fügte man ein kleines Broncetäfel-
chen eigener Form hinzu. Es besteht aus einer viereckigen,
^) Jahn spricht p. 105 von dem Messer als Symbol des phrygischeii
Cultns, allein es ist ein Opfermesser in der bekannten römlschea Form
dargestellt.
-) Wie bei Caylus Recueil V, pl. 90, 3. 4 der aber die sehr präcis
charakteriöirte Opferschale für einen Kuchen erklärt.
Die Amulele. 285
für die Inschrift bestimmten Tafel, an welche sich jederseits
eine Handhabe anschliesst; um das Täfelchen anfassen und be-
quemer lesen zu können. Unzählige Male ist. diese Form zur
Umrahmung von Inschriften benutzt, auch da wo die Hand-
liaben gar keinen praktischen Zweck mehr haben.
Die Täfelchen haben oben und unten eine Oese. In jenes
fasste die Kette, an welcher das Ganze aufgehängt wurde, in
dieses die Kette, an welcher der geweihte Gegenstand hing.
Vgl. Mus. borb. IV, tav. 29, wo ein solches Ganze erhalten ist.
1335. Votivtäf eichen von schöner Arbeit. Aelt. Samml.
X. 4. H. 21/V'. L. 31/4".
Die Inschrift ist mit Silber eingelegt und lautet: Maiti
et Fortunae C. Alfidius Secundus, Miles Coh. XVII. d. d.
Gewiss hingen Waffen an diesem Täfelchen, die von dem
genannten Soldaten dem Mars und der Fortuna geweiht wurden.
1336. Desgl. aus der Samml. Bartholdy. D.93. L.A^j^".
H. 2^k''.
Die Inschrift lautet Ebilia Cupido v(otum) lib(ans), und
wiederholt sich auf der anderen Seite mit dem Zusatz /F/V
den wir nicht verstehen.
1336*- Desgl. aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844
erworben. 2764. Die Inschrift lautet;
B. AED
IMMVl^IS
GARBO.
C. Amulete.
Die Furcht vor dämonischen Einflüssen, die Quelle alles«
Aberglaubens im Alterthum, rief das Bedtirfniss nach Talis-
manen und Schutzsymbolen hervor. Manche derselben bot die
Natur, namentlich die Steine, die man nach ihren zum Theil
wunderbaren Eigenschaften seit ältester Zeit mit magischen
Kräften ausstattete, andere sind edler gedacht, indem sie das^
ethische Gebiet berühren, wohin namentlich die kleinen Götter-
bilder gehören, die man als Unterpfänder göttlichen Schutzes
bei sich trug. Bekannt ist, dass Sulla ein goldenes Figürchen
des Apollo in allen Schlachten bei sich im Busen trug, (Phit.
Sulla c. 29) und viele kleine Götterbildchen haben sich er-
286 ^'® Amulele.
halten, deren Bestimmung als Amulet man aus ihrer Kleinheit
und aus dem Ring, mit dem sie an der Hinterseite zum Auf-
hängen eingerichtet sind, erkennt. Die grosse Menge der er-
haltenen Amulete aber ist widerwärtig, es sind die Schutzmittel
gegen den bösen Blick.
Es kam nämlich darauf an, den Blick des Neides und der
Missgunst, den Jeder zwar nicht als dämonisch wirksam, aber
doch wenigstens als eine unangenehme Empfindung fühlt, auf
alle Weise von den Sachen und Personen, die man schützen
wollte, abzuwehren. Und hier bediente man sich mit Vorliebe
eines Mittels, das statt eingebildeten Schaden abzuwehren,
grossen, wirklichen Schaden stiftete, man hing den schutzbe-
dürftigen Dingen, insbesondere auch den Kindern, die des
Schutzes besonders bedürftig schienen, derbe Obscönitäten zum
Theil aus den Sitten des Pöbels genommen, als Amulete um.
Wir dürfen freilich nicht vergessen, dass gerade in allen Be-
ziehungen des geschlechtlichen Lebens der schneidendste Gegen-
satz zwischen antiker und christlicher Anschauung besteht,
ein Gegensatz, den aucli die edelste griechische Poesie nicht
verleugnete, und den die antike Religion zum Theil sanctionirte,
indem sie obscöne Symbole in einigen Culten zuliess.
So werden wir uns nicht wundern dürfen, wenn wir als
beliebteste Amulete den Phallus und die Fica, eine noch jetzt
in Unteritalien übliche obscöne Geberde finden. Ausserdem
ist der Stierkopf nicht selten, entweder für sich allein oder in
Verbindung mit jenen. Er soll noch jetzt in gewissen Gegenden
als Vogelscheuche gebraucht werden, und wurde vermuthlich
wegen seiner schreckenerregenden Erscheinung, ähnlich wie
das Medusenhaupt, als Amulet gebrauclit.
Die gewöhnliche Form derjenigen Amulete, die von Per-
sonen getragen wurden, ist natürlich einem Halsschmuck nach-
gebildet, es ist nämlich eine der Mondsichel ähnliche Form,
an welcher sich unten und an den beiden Spitzen Ringe be-
finden, um etwas hineinzuhängen. Ein vollständig erhaltenes
Exemplar zeigt, dass diese Anhängsel nur Bommeln in Gestalt
grosser Perlen waren. Man kann daraus auch abnehmen, dass
diese Amulete nicht etwa versteckt, sondern ganz offen me
jeder andere Halsschmuck getragen wurden. Man trug ja auch
dieselben Obscönitäten als Ohrringe, wo sie nicht versteckt
werden konnten.
Die für Personen bestimmten Amulete sind ziemlich klein
und reliefartig gebildet, so dass sie auf der Rückseite platt
Die Thiere und menschlichen Figuren als Anmiete. 287
sind. Daneben giebt es auch grössere und ganz rund gearbeitete
Phalli, die an Sachen aufgehängt wurden. Sie sind zum Theil
phantastisch ausstaffirt, indem sie mit Flttgeln und Thierfüssen
versehen sind. Die Ringe, die sich an ihrem unteren Rande
befinden, enthielten in Ketten hängende Glocken nach dem
Volksglauben, dass Gespenster durch Glocken vertrieben
werden.
Vgl. 0. Jahn a. a. 0. Die Phalli sind übrigens in altischeii Gräbern
nicht seltener als anderswo. Vgl. bull. 1862 p. 147.
a. Thiere und menschliche Figuren als Amulete.
1337—1339. Drei Stierschädel, die vermuthlich alle
drei an irgend einem Geräth befestigt waren. Einer derselben
ist mit einer Binde behangen, nach Art eines heiligen Geräths.
Man findet übrigens Stierschädel und Stierköpfe gleichmässig
als Amulet gebraucht, doch ist ersteres gewiss das Ursprüng-
liche, weil Natürliche, n. 1338 ist aus der Sammlung Koller.
266. H. von l»/^" bis ö^/s"-
1339^^- Stierkopf mit einem Ring zum Anhängen. Aus
der Samml. Bartholdy C. 120.
1339*- Heuschrecke, in den Ruinen des Didymaeum
von Prof. Ross gefunden, aus dessen Nachlass sie 1860 er-
worben ist 3418. 'y* lang.
Die Heuschrecke galt als Amulet; selbst auf der Akro-
polis von Athen befand sich eine Heuschrecke in diesem Sinn,
die von Pisistratus gestiftet war. Der Grund ist wohl der, dass
man die Heuschrecke, die auch Prophetin hiess, zu Wahr-
sagungen benutzte, ihr mithin geheimnissvolle Kräfte beilegte.
Vgl. Ross, Archaeol. Aufs. I, 209 und Jahn, Ueber den Aberglauben
des bösen Blicks in den Ber. d. kön. sächs. Geselisch. der Wissensch.
V. J. 1855 p. 36. 37.
1339^- Zwei kleine Frösche je auf einem hohlen
Cylinder liegend, die wahrscheinlich als Glieder einer Kette an
einander gereiht waren, aus Argos. 1869 gekauft. 3600.
Die Frösche spielen noch jetzt eine Rolle im Volksaber-
i;lauben.
Vgl. Jahn a. a. 0. p. 99.
288 ^^^ obscönen Amiilete.
1339«- Kleine Schildkröte ausMegara, 1869 gekauft.
3599.
Die Schildkröten sollten nach Angabe des Plinius gegen
Gift helfen.
Vgl. Jahn a. a. 0. p. 99.
1339^- Ein kleines Figürchen mit jugendlichem Grc-
sieht, die Arme über der Brust kreuzend, wie in flehender
Geberde, unten in die obscöne Geberde der Fica auslaufend.
Hinten ein zerstörter Ring zum Anhängen. Aus Pompeji. Mit
dem RöseVschen Nachlass 1844 erworben. 2750. L.
Ich habe solch ein Figürchen sonst unter den Anmieten
noch nicht gesehen, vielleicht ist es ein um Schonung bittendes^
Kind.
1339^- Kleine Figur des Harpokrates, unten in die
Geberde der Fica auslaufend, hinten mit einem Ring versehen.
Ebendaher und aus derselben Sammlung. 2751. L.
Es wird unten bei den Statuetten des Harpokrates Aehn-
liehe s aufgeführt werden.
1339^- ^' Zwei kleine Knabenfiguren, hinten mit einem
Ring versehen, der bei dem einen nicht mehr ganz erhalten..
Diese Knaben bedecken mit der einen Hand den Mund, mit
der anderen die hintere Oeffnung des Körpers, damit el)en von
ihnen kein unzeitiger oder störender Laut ausgehe. Der Be-
trachtende wird dadurch seinerseits zu demselben Verhalten
aufgefordert und eben darin liegt die Wirkung des Amulets-
Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 110. 111.
Vgl. 0. Jahn a. a. 0. p. 49.
1339^- Nackte weibliche Figur, wie es scheint Brüste
und Scham mit den Händen bedeckend. Ganz barbarisch. Mit
einem Ring auf dem Kopfe. Aus der älteren Sammlung. B. c. a»
66. 22.
b. Obscöne Amulete.
1340. Einfacher Phallus mit Ring zum Aufhängen.
1340*- Desgl. Bei Cleve gefunden. Aus der Sammlung^
Minutoli. R. 14.
Die obscöneu Amulete. 289
1341. Desgl., oben durchbohrt Diese beiden Phalli
könnten auch Weihgeschenke von Leuten sein, die an den Ge-
schlechtstheilen litten.
1342—135»- Fünf desgl., ithyphallisch. Samml. Minu-
tolL R^- 18. Samml. Koller 679. Bartholdy C. 103. Aus dem
Nachlass des Obristlieut. Schmidt 1846 n. 2873*- Aus Ger-
hardts Nachlass 1869 erworben. 108.
1346. Desgl., von derselben Form.
1346*- Desgl., an einer kleinen Kette mit Ring hängend.
Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben. 105.
1347. Desgl., aus sichelförmigem Anhängsel sich erhebend.
Aus dem Nachlass des Obristlieutenant Schmidt 1846 er-
worben. 2873.
1348. 1349. Zwei desgl., ganz übereinstimmend. Aus
Herappel. SammL Böcking 637^-
1350. Einfacher Phallus, von einem sichelförmigen
Körper herabhängend, mit drei Bommeln verziert An diesem
Exemplar sieht man, dass die leeren Löcher, die sich an so
vielen Phallen befinden, ursprünglich mit Bommeln ausgefüllt
waren.
1351. Doppelphallus.
1352 — 1354. Ein mittlerer Phallus von je einem
ithyphallischen an den Seiten umgeben.
1355. Ring, an welchem drei Ketten hängen, von welchen
eine einen einfachen, die andere einen doppelten aber abge-
brochenen Phallus trägt. Die dritte Kette ist nicht ganz er-
halten. Aelt SammL R^- 7.
1356 — 1358. Ein mittlerer Phallus umgeben von
einem ithyphallischen einerseits und einer obscönen Geberde
(der sogenannten Fica) andererseits. Dies ist die gewöhnlichste
Form des Amulets. Aelt Samml. R. 9. 19. 20.
1359—1363. Fünf desgl., aus der SammL Koller. 667.
668. 670. 671. 673.
Friederichs, Berlin's Antike Bildwerke, n. Xg
290 ^iß obscönen Amulete.
1363*' Desgl., aus Gerhardts Nachlassl869erworben. 104.
1364 — 1373. Zehn desgl., zum grossen Theil aus der
alt. Sammlung.
1374. Desgl., mit einer Kette, um an Sachen, nicht au
Personen aufgehängt zu werden.
1375. 1376. 1376*- Drei desgl., verstümmelt, der letztere
aus Gerhardts Nachlass 106.
1377. Phallus und Fica, ohne den mittleren Phallus mit
einander verbunden. Aelt Samml. R. 13.
1378. Desgl., aus der Samml. Koller 672.
1378*- Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869erworben. 107.
1378^- Ein Bündel von sieben phallischen Amu-
leten, zwei aus der Sammlung Koller 665. 678, eins aus der
Sammlung Minutoli und bei Cöln gefunden.
1379. Stierkopf — von dem oben die Rede war, in Ver-
bindung mit Phallus und Fica. Samml. Koller 674.
1380. Stierkopf mit drei Phalli. Samml. Bartholdy
C. 12.
1381. Desgl., fragmentirt. Aelt. Samml. R. 8.
1382. Phallus, gleichsam personificirt, indem man ilmi
Beine angefügt hat und zur Bezeichnung seiner Begier Flügel.
Aus der alt. Samml.
1383. Desgl., ganz ähnlich, aus der Samml. Koller 680.
1384. Seltsame Verbindung mehrerer Phalli in der
Art, dass das Ganze die Gestalt eines Vogels hat 1851 bei
einem hiesigen Kunsthändler gekauft. 2981.
1385. Kleine Muschel, in der Spitze durchbohrt, um
angehängt zu werden.
Gewisse Muscheln wurden wegen ihrer Aehnlichkeit mit
der weiblichen Scham in demselben Sinn wie der Phallus als
Amulet gebraucht
Vgl. 0. Jahn, lieber den Aberglauben des bösen Blicks p. 80.
Die Zaubemäg^el. 291
1385^- ^- Zwei desgl., eine grössere und eine kleinere,
beide aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben. 213. 63.
1385°- Priapischer Kopf mit einem Phallus darunter
und einem Ring zum Aufhängen darüber. Aus der alt. Samml.
H. 2 Vi 2''.
1380^' Desgl., ganz ähnlich. Aus der Samml. Koller
682. H. l5/e".
1385®' Muschel in natura. Oben durchbohrt. Aus Ger-
hardts Nachlass erworben.
c. ZaubernägeL
Mit Nägeln ist im Alterthum vielfach Zauber getrieben,
der noch jetzt nicht ganz verschwunden ist. Einen Nagel ein-
schlagen, galt als wirksames Mittel in Noth und Krankheit,
Nägel wurden den Todten als schützendes Amulet in's Grab
gelegt*). Dazu genügte schon der einfache Nagel, oft aber
fügte man noch eine Zauberformel hinzu, um die Kraft des
Amulets noch wirksamer zu machen. Wir gestehen, dass wir
den psychologischen Grund für diesen mit dem Nagel getriebenen
Aberglauben nicht anzugeben vermögen.
In den Formeln, mit denen die Nägel bedeckt sind,
spielen namentlich der Gott der Basilidianer, Jao Sabaoth, und
auch König Salomo eine Rolle, welcher letztere als weiser
König für alle magischen Künste des Mittelalters von Bedeu-
tung war.
Vgl. Jahn a. a. 0. p. 107 ff. und Henzen im bull. 1849, p. 11.
1386. Zaubernagel, 4'/8" ^^^Sf ^-^s der Sammlung Bel-
lori. H. 2.
Die vier Seiten dieses Nagels sind mit folgenden In-
schriften bedeckt:
*) Gewöhnlich rühren die Nägel, die man in den Gräbern findet,
von dem zerfallenen Holzsarge her. Ein ganz sicheres Beispiel des
Gebrauchs als Amulet geben die von Bamonte, le antlchitä pestane p. 77
beobachteten pästanischen Gräber, wo sich in den gläsernen Todtenurneu
regelmässig ein Nagel findet.
19*
292 I^ic Zaubernägel.
1) 0PYGEYI QOiiCüA.
2) FfH8 ß88 iSHE B^ ITT von r. nach 1.
3) ANSlXBIBIQYIIEQSiN
CKEnriEiTiPH r
4) TOYGOuiSlMONE
Lesbar ist von diesen Formeln nichts, nur steckt vielleicht
in n. 4 der Name Salomo's, der anch auf zwei anderen der-
artigen Nägeln vorkommt and zu Beschwörungen benutzt wurde.
1387. Desgl.; 4^2" lang. Aus derselben SammL H. 3.
Auf den vier Seiten dieses Nagels sind römische Zahl-
zeichen eingegraben I, X und Y in bunter Zusammensetzung.
Vermuthlich ist dies nur eine bedeutungslose Verzierung, da
sie auch auf anderen Geräthen nicht selten vorkommt
Vgl. Gozzadini, di una aDtica necropoli a Marzabotto nel Bolognese
1865 p. 55.
. I
Y. Theile von Gerätlieii, Henkel, Griffe,
Beschlag und Aelinliclies,
1) Henkel von Gefässen.
In allen Museen befinden sich viele Henkel ohne die zu-
gehörigen Gefässe. Der Grund ist dieser, dass der dünn ge-
triebene Bauch der Gefässe der Zerstörung nicht so widerstand,
wie die dicken, gegossenen Henkel. Vom Hals der Vase hat
sich manchmal ein Stück am Henkel erhalten, weil der Hals
dicker zu sein pflegt, als der Bauch.
Hinsichtlich der tektonischen Principien, die bei der Bil-
dung des Henkels maassgebend waren, begnügen wir uns hier
mit wenigen Bemerkungen. Besonders beachtenswerth scheint
uns, dass die höchste Ausladung des Henkels der Regel nach
nicht über die höchste Ausladung des Bauches hinausgeht. Der
Henkel sitzt gewöhnlich so am Gefäss, dass seine Ausladung
in einer Einziehung des Gefösses beginnt, folglich in derselben
Orenze mit der Ausladung des Bauches bleibt. Und eben darin
liegt eine Hauptschönheit antiker Geräthe. Der Henkel steht
nicht ab vom Gefäss, er isolirt sich nicht, sondern bleibt in
dem Zusammenhang des Ganzen. Zu den schönsten antiken
Henkeln gehören die Henkel der Weinkannen, die auf der
Ausbauchung des Gefässes aufsetzen und dann schmal und
hoch, immer in der Grenze des Gefässprofils bleibend, in sanft
geschwungener Linie aufsteigen.
Dass die Form der Henkel nach dem Zweck der betreffenden
Gefässe variirt, ist ohne Weiteres klar. Man erkennt sofort
aus der Form der Henkel, ob es bei dem Gebrauch des Ge-
fässes wesentlich aufs Heben oder aufs Ausgiessen u. s. w. ab-
294 Die Henkel von Anophoreu.
gesehen war. Wir erwähnen nur ein Beispiel, nämlich die
Henkel einhenkliger Ausgussgefässe. Hier und nur hierher
gehören die Henkel, die auf der Höhe ihrer Krümmung eine
vortretende Verzierung haben, welche den praktischen Zweck
hat, dem Daumen als Stütze zu dienen und somit ein festeres
Halten des Gefässes beim Ausschenken zu ermöglichen.
Von der ornamentalen Behandlung des Henkels ist schon
in der allgemeinen Einleitung die Rede gewesen, hier fügen
wir noch hinzu, dass kein Volk in dieser Beziehung so weit
geht, wie die Etrusker. Henkel in Form von Figuren, kleine
Figuren am Henkelauslauf auf dem Gefässrande, überhaupt ein
Reichthum, manchmal eine UeberfüUung mit kleinem Schmuck
ist den Etruriern eigen, während die Griechen entschieden
einfacher und strenger verfahren. Als eine römische Eigen-
thümlichkeit verdienen, wenn wir nicht irren, die Reliefver-
zierungen auf der ganzen Fläche des Henkels hervorgehoben
zu werden.
A. Feste Henkel.
1) Henkel von Amphoren.
1388 u. 1388*- Ein Paar Amphorenhenkel, aufs Heben
berechnet, folglich an einem krukenartigen Gefäss angebracht
zu denken. Aus der Sammlung Koller 446. L. ß^/^"-
Der bügeiförmig gestaltete Henkel läuft an jeder Seite
in eine bärtige Maske aus, die nach Stierhörnern und Stier-
ohren für Achelous erklärt werden muss, dessen Maske öfter
als Amulet vorkommt, wie sie auch hier gedacht ist. Die
Masken, die in schönem griechischen Stil ausgeführt sind,
haben eine Fütterung von Blei, um etwaigen Beschädigungen
zu widerstehen.
1389. Henkel von einem ganz ähnlichen Gefäss. Aus
Corneto. D. 528. L. Ö^/^".
Am Henkelschluss sind Sileusköpfe in getriebener Arbeit
dargestellt. Etruscisch.
1390. Desgl., mit einer Palmette am Henkelschuss»
L. 4V.>".
1390** Desgl., ganz einfach, 1856 von HeiTn Consul
Spiegelthal in Smyrna eingesandt. 3098.
Die Heukel von Schalen. 295
1391 u. 1391*- Henkelpaar, bügelfönnig gestaltet und
jederseits in eine Hand auslaufend, die das Gefäss gleichsam
umfasst. Etruscisch. 1851 von einem hiesigen Kunsthändler
gekauft. 2983*- ^- L. 8".
1391^- Einzelner Henkel mit demselben Motiv. L. 3"
1392 u. 1392*- Reichverziertes volutenförmiges
Henkelpaar von einem grossen, wie ein Krater gestalteten
Gefäss. Aus der Samml. Koller 445. H. 5^1^".
Diese Henkel sind interessant wegen ihrer Uebereinstim-
mung mit den Henkeln der grossen unteritalischen Thonvasen
und zeigen eben, dass die letzteren nach Bronce copirt sind.
2) Henkel von Schalen.
1393 u. 1393** Henkelpaar von einer grossen Schale.
Der Henkelschluss sass unmittelbar am Rand des Gefässes,
nach welchem er sogar beschnitten ist, und hat eine palmetten-
ähnliche Verzierung. Aus der Samml. Koller 437. L. 7".
1394 u. 1394% 1395 u. 1395», 1396 u. 1396»- Drei
Henkelpaare, von grossen Becken herrührend, mit Rosetten
am Henkelschluss, die Henkelplatte getragen vom knospen-
förmig auslaufenden Henkel und verziert mit dem Eierstab.
Griechisch. Aus der Samml. Koller 439 — 441. Höhe von 2"
bis 2V2"
Ob die beiden grössten ein Paar gebildet haben, ist uns,
da sie im Maass nicht unerheblich differiren, zweifelhaft.
1397. Aehnliches Henkelpaar, nur ohne alle Ver-
zierung. Aus der Samml. Koller 442. H. 2^1 2*'*
1398 u. 1398"- Henkelpaar, das über den Rand des
Gefässes emporragte und in Löwenköpfe ausläuft. Etruscisch.
1841 durch Prof. Gerhard angekauft. 2676*- ^- H. 3.
1398^- Henkel einer grösseren Schale, woran ein Stück
des Gefässrandes erhalten. Samml. Koller 482.
1399. Henkel von einer Trinkschale, bereits etwas
manierirt geschweift. Aus der Samml. Koller 502. L. 2".
296 I^i® Henkel vou einhenkligen Ausgussgefasseo.
1400. Desgl.^ ganz übereinstimmencL Aus dem Nachlass
des Prof. Rösel 1844 erworben. 2795^- L. 2^1^".
1400*- Desgl.; fragmentirt.
1400^- Desgl., ähnlich.
3) Henkel von einhenkligen Ausgussgefässen.
1401. 1402. Zwei ganz übereinstimmende Henkel,
mit Palmette am Schluss, über welcher sich zwei Schlangen
erheben. 1843 gekauft. 2723»- H. 71/2".
Die Schlangen finden sich in der etruscischen Tektonik
sehr oft an dieser Stelle. Sie waren ein passendes Mittel, um
einen Schnörkel organisch auslaufen zu lassen. Uebrigens
könnten diese beiden Henkel auch wohl an einem und dem-
selben Gefäss gesessen haben.
1403. Desgl., ganz ähnlich, etruscisch. Aus Gerhardts
Samml. 1869 erworben. 201. H. 6^2 "•
1404. Desgl., mit demselben Schluss* Oben ein Lföwen-
kopf von zwei Affenköpfen umgeben. Etruscisch. Aus der
Samml. Koller 455. H. 5V2".
1405. Desgl., mit demselben Schluss. Oben ein Löwen-
kopf von zwei fast vollständig ausgeführten Löwen umgeben.
Etruscisch. Ebendaher 451. H. 4^/4".
1406. Desgl., oben ganz übereinstimmend, während unten
zu beiden Seiten der Palmette ein Widder herausspringt von
denen einer fragmentirt ist. Etruscisch. Aus Gerhardts Samml.
1869 erworben. 202. H. 31/3 "•
1407. Desgl., am Schluss mit Palmette und einer sichel-
förmigen Verzierung darüber. Etruscisch. H. 6".
1408. Desgl. am Schluss ein Kopf, von dem die Schlangen
allerdings ganz unorganisch ausgehen. Oben wieder ein mensch-
licher Kopf, umgeben, wie es scheint, von Affenköpfen. Alt-
etruscisch. 1841 durch Prof. Gerhard angekauft. 2681.
H. 5''.
1409. Desgl., 1851 von dem hiesigen Kunsthändler
Marguier angekauft. 2980. L. 9".
Die Henkel von einhenkligen Ausgussgefassen. 297
Am Henkelschluss eine Harpyie oder Sirene, nach orienta-
lischer Weise mit vier Flügeln, die von der Vorderseite des
Körpers ausgehen. Oben zwei schwer bestimmbare Thiere,
etwa Leoparden. Etruscisch.
1410. Desgl., als Schluss eine Thierklaue, oben ein Thier-,
etwa Tigerkopf, von zwei Delphinen mngebeii. Etruscisch.
1841 von Prof. Gerhard gekauft. 2682. H. öV^".
1411. Desgl., am Henkelschluss eine nackte geflügelte
Frau, mit Kreuzbändern über der Brust, einer auf spätetrus-
cischen Spiegeln häufig vorkommenden Göttin entsprechend.
L. 6V.".
1412. Desgl., mit künstlichem Henkelschluss. Die unterste
Spitze bildet eine Muschel, über welcher sich kreisförmig zwei
Delphine erheben, in deren Zwischenraum ein Wolf oder ein
Hund mit halbem Körper hineinspringt. Oben in der Mitte
springt ein Finger heraus als Stütze bei der Benutzung des
Gefässes. 1841 von Prof. Gerhard angekauft. 2683. Etrus-
cisch. L. 772"«
1413. Desgl., mit einer bekränzten und langlockigen
Maske am Schluss, die für Bacchus oder Melpomene gehalten
werden könnte. Aus der Samml. Koller 456. Römisch. L. 4^/4".
1414. Desgl., mit Voluten und Palmetten am Henkel-
schluss. Es ist dasselbe Ornament, das so oft zur Bekrönung
gebraucht wird, z. B. bei Grabstellen, hier aber durch einfache
Umkehrung ebenfalls seinem Zweck entspricht. Aus der Samml.
Koller 453. L. 58/4".
1415. Desgl., mit Medusenmaske am Schluss, oben in
Schwanenköpfe auslaufend. 1841 von Prof. Gerhard gekauft
2680. L. 6".
1416. Desgl., ähnlich, nur ist die Maske anders und so
phantastisch, dass sie schwer zu bestimmen ist. Ebendaher.
2679. L. 6V2".
1417. Desgl., sehr ähnlich, nur kleiner, mit einer Satyr-
maske am Schluss. Etruscisch. Aus Corneto. Samml. Dorow.
535. L. 3»/8''.
298 ^i^ Henkel vou einhenkligen Ausgussgefasseu.
1418. Desgl., ähnlich, am Henkelschluss eine tragische
Maske mit lang herabhängenden Locken. Aus der Sammlung^
Bartholdy. D. 23. Römisch. L. 3".
1419. Desgl., oben in Schwauenköpfe auslaufend, da-
zwischen mit einem vorspringenden Blatt verziert zum Hand-
auflegen, unten in ein einfaches Blatt auslaufend. Komisch.
Aus demNachlass des Obristlieutenant Schmidt 1846 erworben^
2843. L. 6V4".
1420. Desgl., am Schluss ein nach unten gekehrter sich
öffnender Blumenkelch. Aus der Samml. Bartholdy. D, 24^
L. 4%''.
1421. Desgl., aus zwei zusammengeknoteten Henkeln be-
stehend, deren jeder sich mit einem Weinblatt an's Gefäss an-
legt. Auf der Stelle des Knotens springt ein Finger hervor^
als Stütze der Hand. Römisch. L. 4^/2".
1422. Desgl., altetruscisch, mit phantastischem Henkel-
schluss, durch einen Kopf gebildet, der unten von einer Pal-
mette, seitwärts je von einer Schlange und oben von je einer
ausgestreckten Hand umgeben ist. Oben Thierköpfe. 1841
von Prof. Gerhard gekauft. 2678. L. 6".
1423. Desgl., altetruscisch, mit einem Rest des Gefäss-
halses. Am Henkelschluss gravirte Voluten nebst Palmette^
rechts und links in Relief eine Sphinx. Oben Thierköpfe.
L. 5^4".
1424. Desgl., sehr ähnlich. Nur das obere[Sttick ist er-
halten. Aus der Samml. Koller 486.
1425. Desgl., ganz erhalten, oben mit einem Finger zur
Stütze der Hand versehen und in Schwanenköpfe auslaufend.
Aus der Samml. Koller 454. L. 5".
1426. Desgl., in zierlichem römischen Stil, der ganze
Henkel wie eine Ranke charakterisirt. Am Schluss eine
komische Maske, deren Epheukrauz in Silber eingelegt ist.
Aus der Samml. Koller 448. L. 4^/4 ".
1427. Desgl., altetruscisch, oben mit Thierköpfen, unten
^
Die Henkel von ^einhenkligen Ausgussgefässen. 299
mit eingeritztem Voluten- und Palmettenornament verziert.
L. 4«/^^
1428. Desgl.; oben in unbestimmbare Thierköpfe aus-
laufend, übrigens nur zur Hälfte erhalten.
Bisher wurden nur solche Henkel aufgeführt, welche sich
oben in zwei Arme ausbreiten, die sich an den Rand des Ge-
fässes anlegen. Diese Henkel haben wohl fast alle an Kannen
mit kleeblattförmiger Mündung gesessen, denn gerade an solchen
Gefässen ist diese Form des Henkels gewöhnlich und gewiss
besonders anmuthig, weil man bei der breiten Ausladung der
Mündung eine Vermittlung zwischen Henkel und Mündung ver-
langt. Wo sich übrigens der Henkel hoch bogenförmig über
das Gefäss emporschwingt, da habe ich immer nur einfachen
Anschluss des Henkels ohne Ausläufer gefunden und zu diesen
einfacher gestalteten Henkeln einhenkliger Ausgussgefässe gehen
wir jetzt über.
1429. Henkel einer Ausgusskanne, mit einer Sirene, die
sich mit beiden Händen an die Brust schlägt und dadurch un-
zweifelhaft charakterisirt ist, am Schluss. Etruscisch. L. 4".
1430. Desgl., mit dem Voluten- und Palmettenornament
am Schluss. Etruscisch, aus Corneto. Sammlung Dorow 534.
L. 8''.
1431. Desgl., mit demselben Ornament am Schluss, das
aber eingravirt, nicht in Relief hergestellt ist. Samml. Koller
449. L. 4''.
1432. Desgl., mit demselben Ornament. L. 3^/«".
1432*- Desgl., ganz einfach, Samml. Koller 452.
1433. Desgl., mit einem Phallus am Schluss, der das Ge-
fäss vor bösem Zauber schützen soll. 1847 angekauft. 2942.
L. 6''.
1434. Desgl., mit einer Medusenmaske am Schluss. Oben
nicht ganz erhalten. Altetruscisch. 1841 von Prof. Gerhard
angekauft. 2677. L. 7".
1435. Desgl., am Schluss eine Sirene mit vier Flügeln.
Oben abgebrochen. Aus der Samml. Koller 4G0. L. 5'V4"-
300 Figürlich gestaltete Henkel.
1436. Desgl., nicht so hoch geschwungen wie die vor-
hergehenden Die Verzierung am Schluss ist nicht mehr genau
zu erkennen. Sammlung Koller. 450. L. 4^/4".
1437 — 1439. Drei Henkel, die zu einer specifisch
etruscischen Ausgusskanne gehörten, wie wir sie unter n. 603.
604 aufgeführt haben. Im Mus. Gregor. I, Taf. 6, 1 ist ein
derartiges Gefäss abgebildet und der Henkel desselben stimmt
genau mit den unserigen überein.
Alle drei Henkel laufen oben in einen Widderkopf aus,
unten in eine viereckige Platte, die den Etruskem willkommene
Gelegenheit zur Omamentirung bot. Auf n. 1437 ist ein Satyr
vorgestellt, der aus einem Löwenkopf Wasser in eine Amphora
fliessen lässt, auf n. 1438 wiederholt sich beinahe dieselbe
Scene, und auf n. 1439 ist, wie es scheint, eine auch auf
Gemmen vorkommende Scene, nämlich Skiron seine Schildkröte
fütternd, dargestellt, n. 1437 stammt aus Cometo und der
Sammlung Dorow 529, die beiden anderen sind aus Gerhardts
Nachlass 1869 erworben. 97. 13. L. von 7" bis 7^/4".
1439*- Die Attache eines solchen Henkels, der
Henkel selbst fehlt. Es ist dieselbe Scene, doch mit leisen
Veränderungen dargestellt, wie auf n. 1439. Aus Gerhard's
Nachlass 1869 erworben. 163.
1439^- Desgl., mit einer geflügelten und bekleideten
Frau verziert, die ein stabartiges Geräth in der Hand hält.
Stammt aus Bomarzo Aus Gerhard's Sammlung 1869 er-
worben. 164.
Figürlich gestaltete Henkel.
1440. Henkel einer Ausgusskanne mit kleeblatt-
förmiger Mündung, in Form einer nackten männlichen Figur,
welche in den Händen die Schwänze der auf den Armen des
Henkels sitzenden Löwen hält. Der Henkel ist altetruscisch
und mit strengster Symmetrie componirt. L. 672"«
1441. Desgl., von einem nicht näher bestimmbaren Ge-
fäss in Form einer nackten Frau, die in nicht ungraziöser
Position ihr Haupt mit dem linken Arm, dessen Ellenbogen
an den Rand des Gefässes lehnte, stützt, während die Rechte
an die Hüfte gelegt ist. Die Beine sind übereinander ge-
Figürlich gestaltete Henkel. 301
schlagen^ das Ganze macht den Eindruck einer anmnthig träu-
merischen Stellung. Die Palmette, mit welcher die Figur an
den Bauch des Gefässes sich anschloss, ist unter den Füssen
derselben erhalten.
Eine Bedeutung hat diese übrigens in einer für etrusci-
schen Geschmack charakteristischen Weise mit Stiefeln, Brust-
und Halsband ausstaffirte Figur natürlich ebenso wenig wie
die eben erwähnte, interessant aber ist zu vergleichen, wie in
diesem spätetruscischen Styl auch in tektonischem Zusammen-
hang die Strenge der Composition verschwunden ist Aus Ger-
hard's Nachlass 1869 erworben. 346. L. 5^4".
1442. Desgl., auch hier können wir das Gefäss, an dem
sich der Henkel befand, nicht näher bestimmen, ja nicht ein-
mal angeben, ob der Henkel horizontal als Griff eines Deckels
oder vertikal angebracht war. Doch glauben wir das Letztere,
weil dann die Omamentirung besser zur Geltung kommt.
Der Griff wird nämlich durch eine Gruppe gebildet, in
welcher ein Krieger sich mit einer schwer gerüsteten Freundes-
leiche, die er in knieender Stellung über seine Schulter ge-
worfen, sich nun eben vollends aufrichten will. An die Füsse
der beiden Figuren schliessen sich sehr lange Zapfen an, die
in der Spitze von Nieten durchbohrt sind, resp. waren, denn
nur einer ist erhalten.
Man hat diese Gruppe Ajax mit dem Leichnam des Achill
getauft, nach demPrincip, überall einen Namen zu geben, auch
wo keiner gegeben werden kann.* Dass der etruscische Fabri-
kant nur an die Angemessenheit der Gruppe für einen Henkel
gedacht hat, ist wohl an sich klar, ob aber ein etwa dieser
Gruppe zu Grunde liegendes Original die obige Bedeutung ge-
habt hat, ist eben etwas Unbeweisbares, worüber also gar
nicht geredet werden sollte. L. 4".
1442*- Griff eines kesseiförmigen Gefässes in Form
eines Greifenkopfes, der wild das Maul aufgerissen hat. Aelte-
ster etruscischer Styl. Aus Corneto. Sammlung Dorow. 565.
H. 5''.
Dieser Greif gehört zu einem Gefäss von der Art des im
Regulini-Galassigrab in Caere gefundenen, an welchem die
Griffe ebenfalls in Form von Thierhöpfen gebildet sind und in
derselben Weise vorspringen. Man hat dies altetruscische Ge-
fäss öfter und mit Recht mit dem von Herod. 4, 152 beschrie-
302 Henkel von eimerförmig^en Gerätheu.
nen samischen Kessel verglichen, der rings herum von yQV7Ciov
H€q)alal TTQoxQoaaai umgeben war. Denkt man sich ein Ge-
fäss wie jenes etruscische, mit Köpfen von der Art des unseren
verziert, so wircf die Aehnlichkeit mit dem samischen Gefäss
vollkommen^ und wir erhalten zugleich ein schätzbares Bei-
spiel der üebereinstimmung zwischen griechischer und etrus-
cischer Gefässefabrikation aus verhältnissmässig früher Zeit.
Uebrigens war unser Greif an seinem Gefässe nicht bedeutungs-
los angebracht, er schützt es mit aufgerissenem Maul. Der
Griff ist gegossen und fein und charakteristisch ausgeführt
1442*a- Aehnlicher Griff in Form einer aufgerichte-
ten ägyptischen üranusschlange, ein interessantes Stück für
den Einfluss der ägyptischen Kunst oder Industrie in alt-
etruscischer Zeit. An der Brust war das Thier zum Theil
emaillirt. Auch dieser Griff war natürlich ein Schutzsymbol
für das Geräth. AusCorneto. Sammlung Boro w. 567. H. 3 V4".
1442***- Griff in Form eines Greifenkopfes mit auf-
gerissenem Maul, ähnlich dem unten 1442* erwähnten, aber
viel roher. Aus der Sammlung Koller. 559.
1442^- Henkel eines Ausgussgefässes (?) in Form
eines Pan, welcher eine Syrinx am Munde hat Die Attache,
auf welcher die Figur steht hat die Form eines ausgebreiteten
Ziegenfelles. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 229.
L. 48/4''.
1442*^- Desgl., in Form eines eingehüllten Knaben, unter
dessen Mantel übrigens an falsclier Stelle sein aufgerichtetes
Geschlechtsglied zum Vorschein kommt. Man kommt daher
auf den Gedanken, dass es nicht sein Glied, sondern ein als
Schutzsymbol angebrachter Phallus sei. Aus der KoUer'scheu
Sammlung. 457. H. Q^jJ*.
B. Bewegliche Henkel.
1) Henkel von eimerförmigen Geräthen.
1443. Henkel eines Eimers, jederseits in einen
Schwanenkopf auslaufend, in der Mitte ein Ring zum Auf-
hängen. Aus Corneto. Sammlung Borow. 530. Burchm. 8".
..]
Henkel von grossen Schaalen und Aehullchem. 3Q3
1444. Desgl.; in Blumenknospen auslaufend, zusammen
mit den Attachen, in die er eingriff, erhalten. Ebendaher. Samm-
lung Dorow. 531. Durchm. 8 74''«
1444a. DesgL, ganz übereinstimmend, nur fehlen die
Attachen. Ebendaher. Sammlung Dorow. 533. Durchm. S^g"«
1445. Desgl., in einfache Kn{)pfe auslaufend, bei Gel-
duba gefunden. Durchm. 6". Sammlung Minutoli. I. 6. L. 6".
1446. Desgl., Doppelhenkel, einfach in Knöpfe aus-
laufend. Aus Corneto. Sammlung Dorow. 532. Durchm. 5".
1446*- Desgl., aus der Sammlung Koller. 464. D. 8V2".
1447. Eimer henkel aus Chiusi, in Schwanenköpfe aus-
laufend, an welchen sich noch die Attachen in Form von kleinen
Amoren befinden. Der Henkel ist in der Spitze durchbohrt,
hing also an einer Kette. Durch Prof. Gerhard 1841 gekauft.
2684. Durchm. 7V4".
1448. Theil eines Eimerhenkels. Dieses Stück
scheint die Hälfte eines in zwei Stücken gearbeiteten und ge-
rade in der Mitte zusammengeschweissten Eimerhenkels zu
sein. Es läuft oben in einen Zapfen aus, der mit einer Tülle
der anderen Hälfte correspondirt haben wird. Auf seiner gan-
zen Fläche ist es mit einem Rebzweig in Relief verziert und
läuft unten in einen Schwanenkopf aus, an welchem noch der
Ring nebst Maske hängt, wodurch die Verbindung mit dem
Gefäss hergestellt wurde. Die Maske ist eine Silensmaske.
Römische Arbeit. Von dem Kunsthändler Hoffmann 1868 ge-
kauft, der es seinerseits auf der Pulszky'schen Auction erwor-
ben hatte. 3586. L. 5".
1448** Zwei fragmentirte Eimerhenkel.
1448^* Drei werthlose derartige Henkel, gross und
klein.
2) Henkel von grossen Schaalen und
Aehnlichem.
1449 u. 1449*- Henkelpaar von einer grossen Schaalö
oder Becken nach Art von n. 590, wo ganz dieselben Henkel
304 Attachen.
vorkommen. Aus der Sammlung Koller. 443. Durchm. L. 4V2"-
Breit 2^1^".
1450. 1450*- Desgl., Stücke des Gefässes hängen noch
an den Attachen, die unten in eine Palmette auslaufen, an
ihren Bändern aber von Schlangen umsäumt werden. Durchm;
L. 3^8 ". B. 2^8".
1451. Henkel von einer grossen Schaale, ebenso ge-
staltet wie n. 1449. Aus der Sammlung Koller. 489. Durchm.
L. 3" B. 2V8".
1452 — 1456. Fünf ebenso gestaltete Henkel von
grösseren und kleineren Gefässen. L. von S^/i" bis 1%".
1457. Henkel zum Abheben eines Deckels, mit der
Attache erhalten. Aeltere Sammlung. J. 5. L. 279". H. VJ^",
1458. Desgl., fast ganz übereinstimmend. L. 2^/4".
H. I8/4".
1459. Desgl., ähnlich. Sammlung Koller. 473. L. 3".
1460. Desgl., die Attache nicht erhalten. Durchm. 178"-
1461. Henkel von einem eckigen Geräth. Der
Henkel ist sehr zierlich ornamentirt und läuft in Eichelköpfe
aus, von denen nur einer erhalten. L. 472"«
o) Attachen.
1462. 1463. Zwei Attachen von einem schwebenden
Geräth, etwa einer Lampe. Sie werden durch zwei Enten in
schwebender Stellung gebildet, unter deren Schnabel der Bing
eingreift, an dem das Geräth hing. Das Gefäss ruhte auf dem
Rücken der Thiere, deren Vorderseite ganz frei gesehen zu
werden bestimmt war. Sammlung Koller. 491.
1464. Ein Attachenpaar von einem Eimer mit Doppel-
henkel, mit dem Voluten- und Palmettenornament verziert
H. 2V8".
1465. DesgL, einzeln, von dem nämlichen Geräth, mit
einem Kopf verziert H. 2".
Attachen. 3Q5
1466. 1466*- Desgl., ein Attachenpaar von einer
grossen Schaale, ganz wie das bei 1450 erhaltene gestaltet.
Sammlung Koller. 471. H. 3".
1467. Attache einer grossen zweihenkeligen Schaale, in
der Mitte mit einem Kopf verziert. Sammlung Koller." 488. L. 5".
1468. Attache eines Deckelgriffes, ganz wie n. 1457 ff.
L. 28/^".
1469. Attache von einem Henkelgefäss, mit einem
Pantherkopf im Hautrelief verziert. Der- Ring, in welchen der
Henkel eingriff, ist nicht ganz erhalten. Etruscisch.
1470. Attache von einem Henkelgefäss, mit einer Me-
dnsenmaske in Relief. Sammlung Minutoli. B, a. XXIV. 2.
H. 2V2".
1471. Desgl., mit Wtirfelaugen verziert.
1472. Ein Attachenpaar von einem Eimer mit Doppel-
henkel, verziert mit weiblichen Köpfen in Basrelief. Sammlung
Koller. 182. H. 2V4".
1472*- Attache von einem eimerförmigen Geräth, ganz
einfach. Sammlung Koller. 467.
1472^- Desgl., in Form einer Schleife, in einem Grabe
bei Smyrna gefunden und von dem Consul Spiegelthal 1855
gesandt. 3099.
1472*^- Attache mit einem Theil des Henkels, verziert
mit dem Brustbild einer Frau, etwa einer Selene.
1472^- Desgl., mit einem Silenskopf verziert, oben ein
Ring für den Henkel. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erwor-
ben. 83.
1472®- Desgl., mit Kinderkopf verziert.
1472^- Desgl., mit bärtigem unkenntlichem Kopf ver-
ziert.
14728^- Desgl., mit einem unbestimmbaren Kopf verziert.
Oben ein Zapfen mit Loch für den Henkel. Von dem Herrn
Friederichs, Berlin^s Antike Bildwerke. II. 20
306 Attacheu.
Brassier de Saint-Simon, Gesandten am griechischen Hofe 1845
eingeliefert. 2823.
1472^- Desgl., mit einem Kopf verziert, der Kopfflügel
nnd lange, spitze Ohren hat. Es ist nicht zu sagen, ob er
weiblich oder männlich ist. Aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. 84.
1472^- Desgl., in Form eines Bockskopfes. Ebendaher. 85.
1472^- ^' Bandverzierungen (?) eines Geräthes mit
Bocksköpfen in der Mitte. 1852 hierselbst gekauft. 3048»- ^•
1472™- Attache mit einer Büste des Jupiter verziert.
Aus der Sammlung Bartholdy. (C. ä.). H. i^l^*»
1472°- Desgl., mit einer Pansmaske. Aus der Sammlung
Bartholdy. C. 29. H. 2V4".
1472°- Desgleichen, mit einer Silensmaske, sehr leben-
dig und gut gearbeitet. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 28.
H. 13/,-.
1472P- Desgleichen, mit einer epheubekränzten Silens-
büste, aus einem Blattkelch hervorkommend. B. a. XV. ß. 21.
Aus der Sammlung Minutoli. Gefunden bei Cöln. H. iVa"«
1472^' Desgleichen, mit derselben Verzierung. Aus
der älteren königl. Sammlung. B. a. XV. ß. 9. H. 3^/4".
1472'- Desgleichen. B. a. XV. ß. 8. Aus der Samm-
lung Minutoli. H. l^j^",
1472^- Desgl., mit der Maske eines spitzbärtigen Silens.
H. iVe".
1472*- Desgl., der Ansatz des Henkels ist noch er-
halten. H. iVö".
1472"- DesgL H. iVe^
1772^- DesgL, mit einer Medusenmaske mit Schlangen
im Haar und abstehenden Flügeln. Oben daran ein Ring. Aus
der Sammlung Minutoli. B. a. XXIV. 2. H. 2V2".
Attachen. 3Q7
1472^- Weibliche Gesichtsmaske, in Haar und
Schnitt des Gesichts, besonders auch in den Augen den alter-
thtimlichen Styl nachahmend. Am Kopf befindet sich ein Oehr-
chen, in dessen Loch noch Metall sitzt und ein zweites ist
vorn am Halse, dessen Zweck nicht deutlich. Aus der Samm-
lung Bartholdy. C. 18. H. iVa".
1472^- Jugendliche Maske, ein volles, fröhliches Ge-
sicht. Oben auf dem Kopf etwas beschädigt, auch ein Oehrchen
daran. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 34. H. 1".
1472^- Beliefkopf mit langen Flügeln zu beiden Seiten.
Oben ein Ring. Aus der Sammlung Koller. 2390. H. l^/^".
1472y- Maske mit kreisförmig alterthümlicher Frisur und
mit einem Flügel jederseits. Oben ein kleiner Bing. Aus der
Sammlung Bartholdy. C. 86. H. l^/g".
1472*' Langgezogener Kopf, auf welchem wie ein
Hut eine Ente oder dergleichen sitzt, ihren Schnabel auf seine
Stirn legend. Unter dem Hals des Thieres ein Loch, vermuth-
lich um einen Henkel oder dergleichen aufzunehmen. Aus der
Sammlung Minutoli. B. c. ß. 15. H. iVe''«
1472*- '• Frauenkopf mit einem Ring oben. Der Kopf
ist an einer Seite abgeplattet und inwendig hohl. Aus der
Sammlung Bartholdy. C. 61. H. l^/ig".
1472** 2- Unbärtiger Kopf eines Jünglings, hohl. Oben
auf dem Kopf der Rest eines Ringes oder dergleichen. Aus
der älteren Sammlung. B, c. ß, 9. H. 1^/g".
1472^3. Weibliche Büste, in einen Fischleib oder wohl
richtiger einen Vogelleib auslaufend. Oben auf dem Kopf ein
Oehrchen. Aus der Sammlung Koller. 2383. H. 3^/4".
1472*- *• Kleine, spitzbärtige Figur, zusammen-
gekrümmt mit hinaufgezogenen Beinen sitzend, mit lang auf
den Rücken herabhängenden Haaren. Zu vergleichen sind die
Silensfiguren von der oben aufgeführten etruscischen Vase aus
Birkenfeld. Diese Figur hatte denselben Zweck, nämlich als
Abschluss eines Henkels an einem Gefässe angebracht zu wer-
den, daher auch die symmetrische Haltung der ganzen Figur.
Aus der Sammlung Koller. Bronzi 683. H. iVe"«
20*
308 Griffe von Schaalen, Pfannen und anderen G^räthen.
1472«^ 5. Unkenntliche Maske, man sieht noch den
Ansatz des Henkels.
1472*- ^- Desgleichen. Aus der älteren Sammlung.
K. 24.
1472*"' Desgleichen. Aus der KoUer'schen Sammlung.
1472*- ^- Attache, mit einer unkenntlichen Vorstellung
verziert. Man erkennt eine Halbfigur, deren Kopf fehlt
Etruscisch. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 165.
1472*- ^- Stück einer Palmette. Aus dem Rösel'schen
Nachlass erworben. 2795^-
1472*- ^^' Büste aus Blumen hervorgehend. Hinten ein
Zapfen.
1472^- 1- Löwenkopf. Aus der älteren Sammlung. B. d.
BB. 4.
1472^- ^- Desgleichen. Ebendaher. B. d. BB. 6.
1472^- 3. Greifenkopf. Ebendaher. B. d. BB. 28.
1472^- 4. Ein Widderkopf in hohem Relief.
1472^- ^- Katzenartiger Kopf auf einer runden Platte,
B. Griffe.
1) Griffe von Schaalen, Pfannen und anderen
Geräthen.
1473. Griff von einem Sieb oder einer Pfanne. Mit
einer Palmette am Schluss und in einen Schwanenkopf aus-
laufend. Bei Gelduba gefunden. Aus der Sammlung Minutoli
B. 35. L. 7%".
1474. Desgl., ganz einfach, oben in einen Ring aus-
gehend. L. 5".
1474*- Desgl., wie durcheinander geflochtene Gerten
gestaltet. Bei Cleve gefunden. Sammlung Minutoli. K. 19.
Figürlich gestaltete Griffe. 309
1475. Desgl., kannellirt und in einen Widderkopf aus-
laufend. Gefunden bei Potsdam, Aus der Sammlung Minutoli.
B. 34. L. 5I/V'.
1476. Desgl., ganz übereinstimmend, nur nicht wie jener
mit Blei ausgefüllt, sondern hohl. Sammlung Bartholdy. D. 4.
L. 57.,".
1476*^- Griff, etwa von einem Gewicht, wie ein überein-
stimmendes Exemplar in der Wiener Sammlung an einem als
Gewicht dienenden Schwein verwandt ist. Der Griff besteht
aus zwei mit den hinteren Enden aneinandergesetzten und
durch einen Ring in ihrer Commissur verdeckten Fingern oder
richtiger Fingertheilen. Schon in der Einleitung war die Rede
von der Verwendung des Fingers als Griff. Die Ättachen
haben die Form eines zierlich ausgezackten Blattes. Aeltere
Sammlung. K. 29. L. 3".
1476^- Griff eines unbestimmbaren Geräthes aus zwei
zusammengebundenen Metallstreifen bestehend. Der Schluss
der Attache war frei und ist mit Ketten behangen. L. 8".
Figürlich gestaltete Griffe.
1477. Griff einer Pfanne in Form eines Löwen, der
durch eine Palmette an den Bauch der Pfanne angeschlossen
war und ebenfalls eine Palmette unter den Füssen hat, damit
der Griff in eine Spitze auslaufe. Aus der Sammlung Bartholdy.
B. 55. L. 71/4".
1477*- Bügeiförmiger Griff in Form eines gekrümm-
ten Delphins, etwa von einem Gewicht oder Deckel eines Ge-
fässes. Augen und Flossen sind versilbert. L. 472"»
1478. Pfannengriff in Form eines nackten Jünglings,
der das Gerätli nach Art eines Atlanten, doch leicht und ohne
Anstrengung stützt. Die Verbindung zwischen Stütze und dem
Rund des Geräthes ist sehr hübsch, ähnlich wie bei dem
Spiegel n. 6 bewerkstelligt. Auf dem Kopfe des Jünglings er-
hebt sich das altjonische Kapitell, die Voluten mit der Palmette
dazwischen, und daran schliesst sich links und rechts, um aus
dem schmalen sich zu dem breiten Rund der Pfanne zu er-
weitern, eine halbe Palmette an. Die Attache ist auch sehr
310 Griffe von Messern und ähnlichen Geräihen.
sinnig gedacht, es ist ein vorspringender Löwe, der mit seinen
Krallen das Gefäss anpackt. Die Figur steht auf einer Palmette^
wovon eben die Rede war.
Leider müssen wir gestehen, dass die Patina dieses Griffes
verdächtig aussieht. Doch ist kein Zweifel, dass die Erfindung
antik ist, da, wenn ich nicht irre, ganz übereinstimmende und
sicher echte Griffe in anderen Sammlungen vorkommen.
Der Griff ist 1857 von einem hiesigen Kunsthändler ge-
kauft. 3219. L. 8V4".
1479. Griff einer Schaale oder Pfanne in Form eines
nackten Jünglings, der sie nach Art eines Atlanten stützt.
Seine Füsse ruhen auf dem Ringe, an dem die Schaale auf-
gehängt wurde. Etruscisch, 1868 von dem Kunsthändler Hoff-
mann angekauft, der es seinerseits aus der Pulszky'schen
Auction erworben. 3585. L. mit Ring 6^/4".
2) Griffe von Messern oder ähnlichen
Geräthen.
1480. Grosser Griff von Bronce. Die Klinge war von
Eisen. Ganz einfach. L. 5''.
1481. Desgl., mit einem Knopf am Ende. Auch hier
war die Klinge von Eisen. L. 4".
1482. Desgl., in einen Widderkopf auslaufend. Aus
Pompeji. Mit dem Nachlass des Professor Rösel 1844 er-
worben. 2768. L. 3".
1482*- Desgl., in einen Hundekopf auslaufend, von wel-
chem eine Klaue ausgeht, welche der Hand eine feste Lage
bereiten soll. Von der eisernen Klinge ist ein Stück erhalten.
L. 3".
Figürlich gestaltete Griffe.
1483. Messergriff in Form eines liegenden, lang aus-
gestreckten Hundes, 1836 in der Nähe von Xanten gefunden.
1837 im Oct. angekauft. L. 4''.
Von der Klinge ist noch ein Stück erhalten, sie war von
Eisen. Unter dem Maul des Hundes befindet sich ein Ring
zum Anhängen des Messers.
Figürlieb gestaltete Griffe. 311
1484. Desgl.^ bei Mainz gefunden^ aus der Sammlung
>Iinutoli. B. 36. L. ÖVa"
Der Griff besteht in einer auf einem Blattkelch auf-
gebauten Gruppe des mit dem Löwen ringenden Herkules.
Der letztere ist wohl in Folge der späten Zeit etwas ungewöhn-
lich charakterisirt, insofern er einen kurzen Rock trägt und
an Waffen nur den Köcher, doch ist an der Identität nicht zu
zweifeln. Auch hier ist ein Stück der eisernen Klinge noch
erhalten.
1485. 1486. Zwei desgl., unter sich übereinstimmend,
von dem Kunsthändler Benucci aus München 1845 angekauft.
2811. 2812. L. 2%".
Die Henkel sind mit einer aus einem Blattkelch auf-
steigenden Büste verziert, die grosse Aehnlichkeit mit einem
unten aufzuführenden Priapuskopf hat.
1487. Griff eines Dolches, wenn nicht einer Schaale,
mit einem aus Blättern herauswachsenden Doppelkopf, der
einerseits durch einen unbestimmbaren weiblichen, anderer-
seits durch einen bärtigen Panskopf gebildet wird. Ueber
beiden erhebt sich, damit der Henkel in eine Spitze auslaufe,
ein Eberkopf, dessen Fangzähne zugleich von den gekrümmten
Hörnern des Pan gebildet werden. Im Maul des Ebers ein
Loch für den Ring, an dem das Geräth hing. Aeltere Samm-
lung. B. 29. L. 3".
1488. DesgL, von einem ähnlichen Geräth, in einen
möglichst lang gestreckten Eselskopf auslaufend, der sich
wieder aus einem Blattkelch entwickelt. Die Kopfhaare des
Esels sind zu einer wunderlichen Flechte zusammengebunden.
Im Maul des Pferdes noch ein Rest des Ringes, an dem das
Geräth hing. Sammlung Minutoli. L. 372"- B« 30.
1488*- Desgl., von einem unbestimmbaren Geräth, in
einen Eselskopf auslaufend. Aus der Sammlung Minutoli..
B. 30. L. 372"-
1488^- Desgl., mit dem aus einem Blumenkelch vor-
springenden Vordertheil eines Hundes verziert. Bei Cleve ge-
funden. Aus der Sammlung Minntoli. B. 33. L. 2".
1489. Desgl., fast ganz übereinstimmend mit n. 1488^
Bei Cöln gefunden. Sammlung Minutoli. B. 32. L. S^/g".
312 Deckel von Gerätlien.
1490. Desgl., in einen Löwenkopf auslaufend, der aus
einem Blattkelch hervorgeht. Am Maul ein Loch für den
ßing zum Aufhängen. Aus dem Nachlass des Obristlieutenant
Schmidt 1846 erworben. 2858. L. 21/2''.
a. Deckel von Oeräthen.
1490*- Einwärts gebogener Deckel mit einer Oese
zum Anfassen. Aeltere Sammlung. B. 1. Durchm. 6^/2'-.
1490^- De Sgl,, von derselben Form. Aeltere Sammlung.
B. 2. Durchm. 6 1/2".
1490^* Desgl., von derselben Form. Aeltere Sammlung.
B. 3. Durchm. 41/0"-
1490** Desgl., ähnlich, doch mit eingeschlagenen Ver-
zierungen, einem Stern (einer sehr passenden Deckelverzierung)
zwischen Kreisen, die durch Punkte hergestellt sind. Aus
Pompeji, durch Herrn Ternite erworben. B. 3*- Etwas be-
schädigt. Durchm. 4".
1490^^- Kleiner Stöpsel.
1490®- Nach aussen gewölbter Deckel mit Knopf
zum Anfassen. Durchm. 6".
1490^- Desgl., mit breitem Rand ohne Knopf. D. S^^^"»
1490*^* Kleiner Deckel, dessen Knopf sinnig die Form
eines gekrümmten, zum Einhaken einladenden Fingers hat.
Durchm. 272"-
1490^- Desgl., grösser und oben offen; an der inneru
Seite sind drei Buchstaben schwer bestimmbarer Art einge-
kratzt. Durchm. 478''
1490*^- Desgl., von der Form wie 1490*- ff.
Griffe und Henkel, deren Zugehöriges nicht näher
zu bestimmen.
149Qhii. Schöner Henkel in Form einer Schlange, die
sich in der Mitte zu einem Knoten zusammengeschlungen hat.
Aus der Sammlung Koller 474, in deren Katalog Gargiulo die
Bronce für ein Werk des Cinquecento erklärt, was ich nach
Styl und Patina entschieden bestreiten muss.
Deckel von (jerätheu. 313
1490*- Etruscischer Henkel mit eüier Katze oben dar-
auf. Aus Gerhard's Nachlass 18G9 erworben. 14. L 4".
1490^- Henkel in Form einer Bänke. H. 4%''.
1490^* Griff, durch zwei Panther gebildet, die sich
gegenüber lagern und zwischen sich ein Pferd oder einen Esel
haben, den sie zerfleischen. An beiden Seiten fragmentirt
Dieser Griff bildete nach seiner Charakteristik die Mitte eines
Geräthes, wo zwei Enden zusammenlaufen. Aus der Sammlung
Minutoli.
1490™- Etruscischer Griff, durch eine Figur gebildet,
deren Geschlecht nicht mit voller Sicherheit zu bestimmen ist.
Die Arme sind abgebrochen. Sie steht auf einem Stier. H. 4".
1490™"- Halbfigur eines jugendlichen geharnischten
Kriegers, der beide Hände symmetrisch an den Helm legt, wie
um ihn fest zu drücken. Die Figur läuft in einen durchbohrten
Zapfen aus, sie war als ein zum Aufheben bestimmter Griff —
daher die Bewegung der Arme — irgendwo eingesetzt. Wir
haben oben einen etruscischen Candelaber aufgeführt, auf dem
ganz dieselbe Figur, nur in ganzer Gestalt als Griff angebracht
war. Etruscisch. Aus der Sammlung Minutoli. B. c. a. 66.
21. H. 1%".
1490°- Hülse von Bronce, die einen hölzernen Schwert-
oder Dolchgriff bekleidet haben mag. L. 2^2''-
1490*^- Obertheil einer Tritonin, das mit ausgebreite-
ten Armen von einer runden Scheibe losspringt. Etruscisch.
Kann als Handhabe gedient haben. Aus Gerhard's Nachlass
1869 erworben. 227.
I49Q0. 1. Gefässhenkel (?) etruscisch, von Prof. Ger-
hard 1841 angekauft. 2696.
Die Form und dann die Spuren von Löthung am unteren
Ende lassen vermuthen, dass diesGeräth ein Henkel war. Der
Henkel läuft in drei Pferdeköpfe aus und auch unter diesen
si)ringt ein Thierkopf als Griff heraus.
Vgl. deu Henkel bei Liiidenschmit, Alterth. I, 3, 5, 1.
1490^-- Nackter Jüngling, auf dem linken Bein ba-
lancirend. Die gerade nacli oben ausgestreckte Rechte hält,
314 Füsse von Geräthen.
wie es scheint, ein Trinkhom, die herabhängende Linke ein
kleines Stück Gewand. Unter der runden Platte, auf welcher
die Figur steht, befindet sich ein hohler Stiel, der unten durch-
bohrt ist. Wir wissen nicht, ob die Figur als Griff diente
oder eine Bekrönung anderer Art war. Aber das Ausgereckte
und in die Länge Gezogene, worin das Charakteristische der
Figur liegt, würde die erstere Annahme empfehlen. Etruscisch.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 32. H. des Ganzen ß^/eV
der Figur 4 **/«".
149Q0.3. Männliche Figur mit kleinen Kopf flügeln und
angeschlossenen Armen und Beinen, an ihrem Untertheil von
einer Umkleidung umgeben, aus welcher nur die Füsse heraus-
treten. Vorn auf dieser Umkleidung, die hinten noch höher
hinaufgeht, unter der Scham befindet sich eine MondsicheL
Die Bedeutung dieser Figur ist unklar, ihr Habitus aber er-
klärt sich durch ihre tektonische Verwendung als Griff. H. 5 V«"«
Verzierungen von den Bändern an Geräthen.
Es ist eine specifisch etruscische Sitte, oben auf den Rän-
dern der Krüge "kleine Zierfiguren anzubringen. Zu dieser
Classe von Figuren gehören die folgenden.
1490P-^- Zwei liegende Silene mit dem Hom in der
Hand, fast ganz übereinstimmend, ein passender Schmuck für
einen Weinkrug. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.-
139. 140.
b. Füsse von Geräthen.
1491. Fuss eines Candelabers, bis zum Ansatz des
Schaftes erhalten. H. 5^/^".
1492. Desgl., kleiner, aus Pompeji, aus dem Nachlass
des Prof. Rösel 1844 erworben. 2770. H. 2".
1493. Fuss eines etruscischen Dreifusses aus der Samm-
lung Koller. 498.
Es wurde oben bemerkt, dass die tragenden Stäbe der
Dreifüsse ganz unvermittelt aus dem krallenförmig gestalteten
Fuss herauskommen, hier ist zwar die Verbindung auch keine
andere, aber es ist doch den Stäben ein lang sich erhebendes
Füsse von Geräthen. 3.X5
Blatt vorgelegt, das die Cbmmissur verdeckt und den Gedanken
aufkommen lässt, als wüchsen die Stäbe aus einem Blattkelch
heraus. Etwas Aehnliches, aber künstlerischer ausgeführt, be-
merkt man an dem Dreifuss im Mus. Gregor. I, 56, wo der
Fuss durch ein schön stylisirtes Ornament bekrönt ist, das sich
vom zu einer hohen Palmette erhebt. Von den fünf Stäben
sind nur zwei erhalten, einer der dickeren nach oben laufenden
und einer der dünneren, die horizontal liefen und den Spann-
ring festhielten.
1494. Fuss eines etruscischen, auf Rädern laufenden
Kohlenbeckens. Durch Prof. Gerhard 1841 gekauft. 2701. L.
In altetruscischen Gräbern, z. B. in dem Regulini- Galassi
und Polledraragrab, sind nicht selten Kohlenbecken auf Rädern
ruhend gefunden, die, wie man sich denken kann, sehr praktisch
im Gebrauch gewesen sind. Auch diesseits der Alpen sind
solche etruscische Geräthe gefunden, worüber denn begreiflicher-
weise starke Phantasien aufgestellt wurden. In Homerischer
Zeit gab es aucli solche Geräthe, wie das auf Rädern laufende
Arbeitskörbchen der Helena beweist, und allerdings, glaube ich,
sind diese Geräthe nach den Funden der älteren Zeit eigen.
Uebrigens giebt es solche Geräthe mit beweglichen und festen
Rädern. Die letzteren, zu denen unser Stück gehört, waren
eben mehr Scheingeräthe, wovon wir bereits so viele andere
Fälle gehabt haben.
1495 Fuss eines Stuhles oder ähnlichen Möbels, das in
einem etruscischen Grabe gefunden sein soll. 1852 von Hm.
Vollard gekauft. 3060.
Das Bein ist den pompejanischen ähnlich', zwei kelch-
förmige Schaftglieder steigen übereinander empor, das zweite
länger als das erste, sodann kommt ein schellenförmiges Glied,
das wir nicht verstehen und endlich der Schlusstheil des
Schaftes. Das Bein besteht aus broncebekleidetem Holz und
war am Sitzbrett mit einem eisernen Zapfen befestigt.
1496. Aehnliches Stück, ganz einfach kegelförmig ge-
staltet. Ebenfalls aus broncebekleidetem Eisen. Gefunden
1838 in Torre deir Annunziata durch Prof. Zahn, von dem es
1864 gekauft ist. 3515. L. 8Va".
1497. Ein Paar halber Rollen, wie man sie als Füsse
an grossen, beckenförmigen Gefässen findet. Sammlung Koller,
462. L. 1 •/./'.
316 Füsse von nicht näher bestimmbaren Geräthen.
Ftisse von nicht näher bestimmbaren Geräthen.
1498. Fuss eines Geräthes in Form eines Pferdehufes.
Sammlung Koller. 492. H. 4".
1498*- Desgl., mit einem Silenskopf in flachem Relief
verziert. Etwas fragmentirt, und es scheint noch ein Stück
daran gesessen zu haben. H. 4^/2''.
1499. Desgl., hufförmig ohne nähere Charakteristik.
1500. Desgl., krallentormig. Sammlung Koller. 493.
H. 2^U'\
1501. Desgl.; aus dem Nachlass des Obristlieutenant
Schmidt 1846 erworben. 2848. H. 2V2".
1502. Desgl., aus Pompeji, durch Ternite erworben.
K. 38. H. 2".
Aus der Kralle entwickelt sich zum Anschluss an's Geräth
gewissermaassen das Kapitell des Fusses, das wie gewöhnlich
jonisirend gehalten ist. Eine dopi)elte Volute entwickelt sich
rechts und links, mit Palmetten in den Zwischenräumen aus-
gefüllt.
1503. Desgl., Eckfuss eines Geräthes. Das Kapitell des
Fusses ist ganz ähnlich. H. '^j^",
1504. Desgl., oben durch ein breites, mit gravirten Or-
namenten verziertes Band gesclilossen. H. 3^/4''.
1505. Fuss eines runden Geräthes, in eine Kralle aus-
laufend. Die Attache wird durch eine doppelleibige aber ein-
köpfige Sphinx gebildet, da sie eben bei runden Geräthen eine
Entwickelung nach beiden Seiten liin haben muss. Aeltere
Sammlung. B. d. A. A. 7. H. b^U'\
1506. 1507. Zwei desgl., dem eben erwähnten Stück
ähnlich und unter sich so übereinstimmend, dass sie vielleicht
zu einem und demselben Geräth gehört haben. Aus der Samm-
lung Minutoli. B. d. A. A. 8. 9. H. 3^V'-
1508. Desgl., einfacher, in Form eines oben weiblichen,
unten in eine Kralle auslaufenden Wesens mit zwei Flügeln,
Fi'isse von nicht aaher bestimmbaren Gerätlien. 317
die sich nach beiden Seiten zum Anschluss an's Geräth aus-
breiten. H. 272".
1Ö09. Desgl.^ aus einer in einen Kelch auslaufenden
Kralle erhebt sich der Körper eines geflügelten Kindes, welches
einen Vogel an sich drückt. Aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben. 96. H. 2^U'\
1Ö09*- Desgl., über der Kralle eine verschleierte Frauen-
büste mit nackter Brust. Aeltere Sammlung. B. d. A. A. 11.
1510. Desgl., in Form einer Kralle, aus der sich, wie
es scheint, eine Eule entwickelt. Aus der Sammlung Minutoli.
B. d. B. B. 41. H. 18/4".
1510. DesgL Aus Cypern. Mit dem Nachlass von Prof.
Boss 1860 erworben. 3421. H. 2".
Der Fuss ist exceptionell, insofern die Attache über der
Kralle in einem nach oben gerichteten Löwenfell besteht. Doch
sollte man sich den Löwen vielleicht lebendig und in das Ge-
fäss sich hineinkrallend denken. Das Gefäss oder ein Zapfen des-
selben griff in die wie ein Spalt gebildete Attache hinein. H. 2",
1512. Desgl., über der Kralle befinden sich liegende
Spirallinien, über deren Mitte sich eine Palmette erhebt. Hin-
ten springt ein Zapfen vor, auf dem dasGefäss ruhte. H. 272"-
1513. Desgl., aus der Kralle entwickeln sich Flügel und
zwischen diesen steigt eine lange Spitze auf. Hinten ein Zapfen.
Aus der Sammlung Minutoli. K. 14. H. 3V2"*
1514. Desgl., aus der Kralle entwickelt sich ein Kelch,
der eine weibliche geflügelte Büste aus sich entlässt H. 2^/4".
1515. Desgl., die Kralle geht in eine an Kinn und Stirn
verhüllte Frauenbüste über. Sammlung Koller. 180. H.2V4".
1516. Desgl., in Form einer Meduse mit ausgebreiteten
Armen und Locken, die hennenförmig und in eine Kralle aus-
läuft Altetruscisch. Die Nägel zur Befestigung des Geräthes
gehen mitten durch die Stirn und die beiden Arme. H. 7^V-
1517. Schöner Geräthfuss aus dem Besitz Bellori's.
B. a. XV. a. 5. H. 6V2".
318 Füsse von nicht näher bestimmbaren Geräthen.
Dieser Fuss entspricht in seiner Bildung ganz den so
häufig erhaltenen marmornen Tischfüssen. Aus der Kralle ent-
wickelt sich ein Kelch und aus diesem die Halbfigur eines
Satyrn, der in der Linken den Hirtenstab hat, auf seiner rech-
ten Schulter aber eine halbnackte Bacchantin schwingt. Letztere
hat einen Becher in der Linken.
1517*- Atlas, bärtig, mit einem Schurz um die Lenden,
ganz tibereinstimmend mit den Atlanten in den Bädern von
Pompeji. Er trug auf der Schulter etwas, zu dessen Befesti-
gung noch vier Löcher sichtbar sind. Der rechte Fuss ist
restaurirt. H. 2^/4".
1517^* Nackte weibliche Figur — nur zwischen
den Beinen hängt ein Stück Gewand herab — die Rechte auf
einen Pfeiler, die Linke in die Hüfte stützend. Am Rücken
ein Paar ausgebreitete Flügel befestigt. Man sieht namentlich
am Nacken, dass die Figur ein Geräth stützte. Es ist schwer-
lich richtig, diese Figur Victoria zu nennen, von der sie nur
die Flügel hat, die ihr aber ähnlich wie bei dem Bd. L er-
wähnten Hermaphroditen nur zum Anschluss an das Geräth
gegeben zu sein scheinen. H. 5".
1517*^- Hirten- oder Satyrknäbchen, nackt, mit einem
Fruchtschurz im linken Arme, einem Pedum im rechten. Die
Figur, die nur bis zur Hüfte vorhanden, kam ans einem
Blumenkelch hervor, wovon man noch den Ansatz sieht. Man
sieht häufig in grossen und kleinen Figuren ganz ähnliche Mo-
tive an Tischfüssen. Aus der Sammlung Koller. 2332. H. 1^/4".
1518. Ausgeschweifter Fuss nach Art der Füsse von
pompejanischen Dreifüssen, wie es denn auch wahrscheinlich
ist, dass dieses Stück ebenfalls einen kleinen Dreifuss stützte.
1868 von dem Kunsthändler Hoffmann aus Paris gekauft, der
es seinerseits in der Auction der Sammlung Pulszky gekauft
hatte. H. l^j^".
Unten hat der Fuss die Form eines Thier-, etwa Löwen-
beines, dessen Kralle jedoch fehlt. lieber dem Bein beginnt
die Ausschweifung und da setzt sich, durch Blätter vermittelt,
ein Vogelkörper mit Menschenkopf an. Diesen Kopf vermögen
wir nicht zu bestimmen, er sieht wie ein Achelouskopf aus,
stellt aber gewiss was Anderes vor. Denn er trägt die ägyp-
tische Calantika, eine Art Federkrone, darüber die ägyptische
Fusse von nicht näher bestimmbaren Geräthen. 3 19
Königskrone und darüber die Uranusschlange, auf welcher das
Becken des Dreifusses auflag.
Ich meine, dass ähnliche Füsse sich unter den pompe-
janischen Alterthümern befinden, auch unter den Hildesheimer
Silbersachen ist einer in Silber. Möglich, aber nicht noth-
wendig, dass solche Füsse auch zu einem Geräth des Isiscults
gehörten, wie bei dem im Isistempel gefundenen pompejani-
schen Dreifuss, dessen Füsse mit Sphinxen und Ammons-
masken verziert sind^).
1518*- Desgl., von einem grösseren Dreifuss. Nur das
obere Stück des Fusses ist vorhanden. Unten mit einer Maske,
oben mit einem Pantherkopf verziert.
1519. Fussin Gestalt eines Kuhfusses. H. ^IJ\
1520. Desgl., in Form von zwei dicht nebeneinander
stehenden menschlichen Füssen. Die Verdoppelung giebt dem
Fuss mehr Fläche, wodurch sein Stand sicherer und auch sein
Aussehen angemessener wird. H. 2".
1521. Desgl., in Form eines einfachen, sandalenbekleide-
ten Fusses. Aus der Sammlung Bellori. K. 11. H. 2^.
Man könnte diesen Fuss für einen Votivfuss halten, wenn
nicht zwei Nägel oben daran erhalten wären, die nur zur Be-
festigung an einem Geräth dienen konnten.
1522. Geräthfuss (?) in Form einer Vogelklaue, die
eine kleine Kugel umspannt. Oben ist eine sattelförmige Ein-
biegung, unter welcher sich ein kleiner Ring befindet. Aeltere
Sammlung. K. 25. H. 1 V^''.
1523. Geräthfuss in Form einer kleinen Rolle, über
welcher sich zum Anschluss an's Geräth ein kleines Voluten-
omament erhebt.
Vgl. Aehnliches im Mus. borb. IV, 12. H. l^/g".
1523*- Geräthfuss in Form eines Amazonenschildes,
von welcher Form mehrere beim Hildesheimer Silberfund vor-
kommen. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 194.
1) Vgl. Bd. I, n. 874.
320 Basen für Gefässe.
1524. Desgl., in Form von zwei Krallen mit einem-
weiblichen Kopf dazwischen. Aus der KoUer'schen Samm-
lung. 496.
1524*- Desgl., in Form einer menschlichen Figur, die
unten in einen Thierfuss endet. Fragmentirt. Aus der Samm-
lung Koller. 501.
1524^- Desgl., ein Kopf mit einer Kralle daran.
Basen für Gefässe.
Wir glauben, dass die im Folgenden aufgeführten Metall-
ringe alle wirklich Gefässen als fest angefügter Fuss gedient
haben. Man könnte nämlich, da es wegen starker Oxydirung
oft schwer zu sagen ist, ob Spuren einer Verbindung mit etwas
Anderem vorhanden sind oder nicht, auch an Untersätze zu
fusslosen Vasen denken, die genau ebenso gestaltet waren wie
diese Basen, und in welche die spitz oval zulaufenden Geräthe
eingriffen. Indess sind doch alle unsere Exemplare zu diesem
Zweck, wie es scheint, zu niedrig.
1524. Basis für ein Gefäss, mit einem nach unten ge-
richteten, zur Charakterisirung des Ablaufes dienenden Blatt-
ornament. H. iVs"- Durchm. ß^g".
1525. Desgl., mit Eierstab verziert. Hier sind die
Nieten zur Befestigung des Geräthes noch vorhanden. Aus
der Sammlung Koller. 423. H. 1". Durchm. öVs".
1526. 1527. Zwei desgl., ähnlich verziert. Ebendaher.
420. 424. H. '/g^ Durchm. 478", ^^Is"
1528. Desgl., kleiner, ähnlich verziert. H. ^/g''. D. 2"-
1529 — 1531. Drei desgl., ohne Verzierungen. H. '/g";
11/2", 1". Durchm. 7V4", Q%"y 4%".
1532. Desgl., so gebildet, dass das Gefäss wie in eine
Rille hineingesetzt wurde. Durch Prof. Gerhard 1841 in Italien
gekauft. 2671^- H. ^jj'. Durchm. 3".
1533. Desgl., ebenso gebildet. H. 1". Durchm. 3%".
Hals eines Geräthes. 321
1533*- Basis von eigenthümlicher Form, leicht gekrümmt,
so dass man sieht, sie stützte ein rundes Geräth und zwar mit
zwei anderen entsprechenden. Die Form ist am ersten einem
Stück der attischen Säulenbasis zu vergleichen, insofern oben
und unten vorspringende Omamentbänder angebracht sind,
während in der Mitte ein breites, glattes Feld bleibt, das jeder-
seits durch einen Amazonenschild begränzt und in der Mitte
mit einem Knabenkopf in Relief verziert ist. Hinten sieht man
noch Spuren ehemaliger Befestigung. Aus dem Besitz Bellori's.
K. 37. Oben und unten 4^2" breit. H. 2''!^*'.
Abg« bei Beger III, p. 378. Aehnliche Basen befinden sich in
Louvre. Vgl. Longperier, Nolice n. 404. 405.
1533^- Desgl., von derselben Form, doch auf dem mitt-
leren Bande anders verziert, nämlich mit einem Dreizack zwischen
zwei Delphinen. Dies Stück ist mit Blei ausgegossen, was bei
dem vorhergehenden und nachfolgenden vermuthlich auch der
Fall war. B. 5". H. 2»/g". Aus dem Besitz Bellori's. K. 36.
1533^- Desgl., oben und unten mit Blattornamenten ver-
ziert, das mittlere Band wird durch Delphine abgeschlossen
und hat als Verzierung der Mitte einen etwas breit gequetsch-
ten weiblichen Kopf. Aus der Sammlung Bartholdy. D. 6.
H. 3V4". Br. öS/s".
Iö33^<^- Kleine hohlkehlenartig gestaltete Basis
aus der Sammlung Bartholdy. C. 135.
1533CCC. Viereckige Basis, vielleicht für eine Statuette,
1533^^°^* Eine reichgegliederte, einerseits ge-
schlossene, andererseits offene Basis. Aus der KoUer*-
schen Sammlung. 416.
Hals eines Geräthes (?).
1533^- Hals eines Geräthes, in der Richtung nach unten
korbförmig gestaltet und hübsch verziert, mit einem beweg-
lichen Stöpsel versehen. Das Geräth hängt an zwei Ketten,
die sich zu einem Griff vereinigen. Der seitwärts hängende
Ring ist unverständlich. Aus Bomarzo. Mit Gerhard's Nach-
lass 1869 erworben. 71.
FrieaerichB, Berlin*s Antike Bildwerke. II. 21
322 Haken zum Anhäagen oder Herausziehen. — Schraube.
Haken zum Anhängen oder Herausziehen.
1533®- Haken in Form eines gekrümmten Fingers mit
einem eisernen Zapfen zum Einschlagen. Der Zweck solcher
Haken war verschieden, sie dienten entweder dazu, um eine
Wandtafel festzuhalten oder zum Herausziehen von Schubladen
oder zu anderen Dingen. Von der sinnigen Form war schon
in der Einleitung die Rede. Aeltere Sammlung. L 1. H»2*/8".
Vgl. Caylus, Recueil VII, pl. 33, 3. 4 und VI, p. 307.
1533^- Desgl., aber nur aus zwei Gliedern bestehend
und von bronceüberzogenem Eisen. Aus der Sammhing Mi-
nutoli. I. 2. H. IV4".
15338^- Desgl., in Form einer Ranke, die aus einem
Löwenkopf hervorgeht.
1533^* Desgl., in Form einer vorspringenden Schlange
oder richtiger, wegen des Bartes, eines Drachen. Von Herrn
V. Staff erworben. I. 3. L. 4^4''.
1533^^- Desgl., ganz einfach.
Schraube.
Dass die Schraube dem Alterthum unbekannt war, ist
zawr mehrfach angenommen, allein mit Unrecht. Im Wiener
Antikenkabinet befindet sich z. B. eine Fibel mit einer Schraube,
auf welche mich Dr. Kenner aufmerksam machte. Und so
würden sich, wenn die Aufmerksamkeit darauf gerichtet würde,
gewiss noch andere Beispiele finden.
1533*- Schön gearbeitete Schraube, die an einem
Stiel befindlich war, von welchem nur Unkenntliches übrig ge-
blieben.
C. Beschlag.
1) Ausguss von Brunnen, Fontainen und
Geräthen.
. 1534. 1535. Zwei grosse Tigerköpfe von Brunnen,
mit einem Ausgussrohr im Munde. Aus der Sammlang Koller.
261. H. 4«/4".
Vgl. A.ehaliches aus Pompeji, Mus. borb. I, 51.
Ausguss von Brunnen, Fontaiiien und Geräihen. 323
1536. Mündung einer Fontaine, aus Pompeji, v(m
Prof Zahn 1869 angekauft. 3772. H. b^j^".
Dies Stück ist sinnig componirt. Es besteht in einem
oben fein durchbohrten Kegel, aus dessen unterer Hälfte links
und rechts je ein Schiffsvordertheil herausspringt, etwa in der
Weise, wie die Columna rostrata verziert war. Denkt man
sich nun das Stück an seine richtige Stelle gesetzt, nämlich in
die Mitte eines Bassins und an seinem unteren Theil von
Wasser umgeben, so verliert die Verzierung ihr Seltsames, die
Schiffe kommen auf ihr Element und scheinen zu schwimmen.
1537. Ausguss eines zweihenkeligen eimerförmigen Ge-
räthes. Der Ausguss wird durch eine Silensmaske oder durch
eine komische Maske gebildet, darunter ein zweiter Kopf.
H. 2 1/4".
1538. Desgl., von einem unbestimmbaren Geräth, in
Form eines Löwenkopfes. Aus der Sammlung Koller. H. 1%".
1538*- Desgl., mit einem Haken am unteren Ende,
dessen Zweck uns unbekannt ist.
1538^- Desgl., ein Stück der Röhre ist daran erhalten.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 113.
1538^- Desgl., in Form eines Widderkopfes, aus dessen
Maul eine kleeblattförmige Tülle herauskommt. Aus der Samm-
lung Minutoli. A. 25.
1538^- Desgl., in Form eines menschlichen Kopfes, was
selten ist, ausser bei Satyrn. Mit einem Ring für den Henkel.
1539. Desgl., ebenso gestaltet. Sammlung Minutoli.
B. d. B. B. 5. a 1".
1 540. Desgl., in Form eines weit vorspringenden Panther-
kopfes, der eine Röhre im Maule hat. Aus der Sammlung
Koller. 503. L. S^/«".
1540*- Ein Ventil, Geschenk der Frau Mertens-Schaaf-
hausen 1846. L. 9''. 2897.
1540^- ?• Stück einer Röhrenleitung (?) aus Pompeji.
1822 in Gegenwart des Königs Friedrich Wilhelm HL aus-
21*
324 Thürbeschlag.
gegraben und von diesem dem Museum geschenkt In zwei
Stücke gebrochen.
2) Thürbeschlag.
1541 — ^1543. Drei vollsändig erhaltene Charnier-
bänder, aus Pompeji. Geschenk des Königs Friedrich Wil-
helm EL L. 13" bis 138/4".
1544. 1544*- 1544**- Drei desgl., von denen nur da»
erste ganz erhalten. L. 10^/4".
1544^- Desgl., kleiner. Aus der Sammlung Koller. 563.
1545. Desgl., ein kleines Fragment Sammlung Koller,
1546. Beschlag des hölzernen Zapfens, der sich
in der Pfanne drehte. Es ist ein breiter Ring mit einem in-
wendig vorspringenden Zapfen und entspricht ganz den in
Pompeji gefundenen Exemplaren. H. 2^1^'^ Durchm. 2^2"«
Vgl. Annali 1859, lav. d'Agg. E. n. B. und die daselbst p. 104
gegebenen Erläuterungen.
1547 u. 1547*- Pfanne und Angelbeschlag, sich in
einander drehend, letzterer mit n. 1546 ganz tibereinstimmend,
nur mit dem Unterschied, dass er unten geschlossen und mit
einem Falz zum Eingreifen in die Pfanne versehen ist. Von
einer grossen Thür. 1848 in Italien erworben. 2961. H. 28/g".
Durchm, 5".
1548. Desgl., Angelbeschlag, ebenso gestaltet wie der
eben erwähnte. H. l»/^". Durchm. 2V4".
1549. 1550. Zwei ganz übereinstimmende Thür-
griffe, aus Pompeji, 1869 von Prof. Zahn angekauft. 3770*- ^•
L. 12*^/8".
Die Griffe sind zusammen mit dem Beschlagband der
Thür, in welches sie mit Zapfen eingreifen, erhalten und man
bemerkt, dass sie verschiebbar und ganz herausnehmbar ein-
gerichtet sind, was unter Umständen von Nutzen sein konnte.
Sie selbst bestehen aus einem halbkreisförmigen, vertikal
stehenden Ring, der oben und unten in anmuthige Verzierun-
gen ausläuft.
Beschlag und Verzierungen. 325
1551. Thürgriff, links und rechts in Palmetten aus-
laufend, auch die eine Attache, — denn die zweite ist ab-
gebrochen, — ist zierlich gebildet. Aus der Sammlung Koller.
444. L. 6V4". H. 3''.
1552. Beschlag eines Thürklopfers in Form eines
Xöwenkopfes, der, wie man sieht, den Ring zum Klopfen im
Maule hatte. Wir sind über den antiken Ursprung dieses
Löwenkopfes nicht völlig sicher, doch gab es so gestaltete
Thürklopfer im Alterthum. H. 3". ß. 2^1^".
Beschlag und Verzierungen von verschiedenen, zum
Theil unbestimmbaren Dingen.
1552*- Verzierung eines Candelaberfusses, es ist
nämlich der freilich fragmentirte Palmettenkranz, der die
Lücken zwischen den Füssen ausfüllte und den Ablauf mar-
kirte. Von den drei grossen und drei kleinen Palmetten fehlt
je eine.
1552^- Beschlag einer Sandale, aus Cometo. Samm-
lung Dorow. 601. Der Beschlag umzog den ganzen Rand der
Sandale, der Träger der letzteren berührte aber den Boden
nicht mit dem Beschlag, sondern nur mit den dick vorstehen-
den Nägeln, die an mehreren Stellen erhalten sind. L. 9".
1552®* Desgl., nicht so vollständig erhalten.
1552^- Beschlag einer Kindersandale und zwar nicht
l)loss der Sohlenbeschlag, worin die vorigen bestanden und der
hier mit denselben dick vorstehenden Nägeln befestigt ist, die
wir an jenen bemerkten, sondern auch der Seitenbeschlag, der
hinten am Haken hoch hinaufgeht. 1841 von Prof. Gerhard
gekauft. 2703. L. 4V2".
1552®* Ein Paar buckeiförmige Geräthe, an ihrem
unteren Theile mit vier Löchern versehen, vielleicht zum Durch-
ziehen von Riemen am Pferdegeschirr. Aus dem Nachlass des
Obristlieutenant Schmidt 1846 erworben. 2856.
1552^- Zwei desgl., kleiner.
1552*^- ^- Zwei Anhängsel in Form eines mit einer
326 Beschlag and Verzierungen.
Oes€ versehenen Blattes. Aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. 51. 52. L.
1552^- Desgl.; aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844
erworben. 2763.
1052^* Desgl., von ähnlicher Form, die Oese läuft in
einen Thierkopf aus. Mit der Münzsammlung Peytrignet im
Jahre 1868 zugleich gekauft. 3591.
1552^- Grosses Weinblatt, sehr fein gravirt, vornehm-
lich mit bärtigen und unbärtigen Satyrmasken. Auch dies
Blatt war zum Anhängen bestimmt. Aus Gerhardts Nachlass
1869 erworben. 188.
1552™- Desgl., der Stempel ist abgebrochen und man
weiss nicht, ob es zum Anhängen war. Aus dem Nachlass des-
Prof. Rösel 1844 erworben. 2762.
1552°- Desgl.
1552^- Ein Epheublatt.
155 2P- Runde Scheibe mit einem Olivenblatt daran
und Oesen zum Anhängen. Vielleicht zum Verhängen eines
Thürschlosses. Das Blatt dient wohl nur zum Anfassen. An-
gekauft 1864 von Prof. Zahn hierselbst, in Pompeji gefunden»
3516.
1552^- Zwei desgl., von verschiedener Form.
1552'* Sieben knopfförmige Verzierungen.
1552^- Anhängsel in Form eines Doppelhakens, der an
einem Ring hängt, welcher wieder mit Anderen zusammenhing.
Aus dem Nachlass des Obristlieutenant Schmidt in Berlin 1846
erworben. 2857.
1552** Hängeverzierung, aus dem Nachlass des Mi-
nisters von Rauch 1841 erworben. 5653.
1552^- Zwei kleine stangenförmige Geräthe, die
jederseits knopfartig auslaufen. L. 2^1^" u. 2^/^ '.
1552^- Ornament einer Spitze in Form eines zu-
Beschlag und Verzierungen. 327
sammengeklappten Eegenschirmes. Aus der Sammlung Bar-
tholdy. D. 66.
1552^- Eine Anzahl kleiner Geräthe, die n. 1552^-
ähnlich sind, nur sftid die Stangen kürzer und die Köpfe runder.
1552^- Zwei ringförmige Körper, oben gebuckelt.
Von Waagen 1844 in Italien gekauft. Bei Volterra gefunden.
2733.
1552y- Ein ähnliches Geräth.
1502^- Medaillonähnliches Geräth, jederseits in
Fächer getheilt, wie zur Aufnahme von Glas oder Email. Aus
Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 218.
1552*- ^- Scheibe mit zwei Oesen und einem Haken
hinten. Aus der älteren Sammlung. Durchm. 1^1^*'-
1552*- ^' Verzierung derselben Art, doch anders ge-
staltet. Bei Cleve gefunden. K. 20. L. 3V2"-
1552*-^ Achteckige Scheibe, hinten mit einem Ring
zur Befestigung. Auf der Scheibe ist eine kleine nackte Figur
dargestellt mit unkenntlichen Ger§,then in der Hand. H. 1^/g".
1552*- '^^ Verzierung, bestehend aus einer runden
Scheibe, an welche sich oben und unten Amazonenschilde an-
schliessen, während links und rechts Oesen zur Befestigung
angebracht sind. Auf dem Schild ist in gutem Styl ein nackter
Jüngling mit einem Hut auf dem Kopf vorgestellt, der sich
mit einem schlauchartigen Geräth zu thun macht, ohne dass
wir den Sinn seiner Handlung errathen könnten. Im Felde
neben ihm je eine Muschel, wie es scheint. H. 2^2"-
1552a. 5. Runde Scheibe mit einem dreieckigen Ansatz
zur Befestigung. 1846 gekauft. 2906.
1552*- ^- Vier Verzierungen, von denen zwei wie
Amazonenschilde gestaltet sind, deren eins, das grössere, 1820
auf dem Tielberg bei Luxemburg, das andere 1838 bei Bitt-
burg im Regierungsbezirk Trier gefunden ist. Vom Obrist-
lieutenant Senckler 1863 erworben. 3488.
328 Beschlag und Verzieraagen.
1552*- '^' Anhängsel, ringförmig, fragmentirt. 1858 in
Köln gekauft. 3270.
1552a. a Scheibe von Blei, in der Mitte durchbohrt,
einerseits mit einem Stern, andererseits mif einem Epheukranz
verziert. In Attika gefunden. 1869 erworben. 3760.
1552*- ®- Verzierung in Form einer Blume mitStem-
pel. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 82.
1552*- ^®- Desgl., knopfförmig mit Nägeln daran. Eben-
daher. 90.
1552^*^- Desgl., buckeiförmig mit Zapfen. Aeltere
Sammlung. K. 15. Durchm. iVa"-
1552^* 2- Kleiner durchlöcherter Stift mit vier-
seitigem geriefeltem Kopf. Aeltere Sammlung. K. 28.
1552**- ^- Etruscische Verzierung, vermuthlich von
einem Geräthfuss, bestehend in einer schräg vortretenden Pal-
mette, die vielleicht den Ablauf charakterisirt und darüber eine
alterthüinliche Meduse mit vier Flügeln in typischer Stellung.
Aus Bomarzo. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 94.
1552^- "*• Desgl., ebenso gebildet, statt der Meduse ein
Silen. Ebendaher. 95.
1552b. 5. Desgl., ähnlich gebildet, oben eine Blume,
unten ein Medusenkopf.
1552^- ^- Randverzierung (?) eines Geräthes, von zwei
vorspringenden Schlangenköpfen flankirt, über denen Affen
sitzen. Etruscisch. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 178.
1552^' ''• Vordertheil einer Figur, die in den aus-
gestreckten Händen ein unbestimmbares Geräth hält, hinten
ein durchbohrter Zapfen. Ebendaher. 177.
1552^- ®- Ein Lamm auf einer Platte liegend, die
unten einen Ring, hinten einen Zapfen hat. Aus Bomarzo.
Ebendaher.
1552^- ^- Ein von einer in Löwenköpfe auslaufen«
Beschlag und Verzierimgen. 329
den Sichel gekreuzter viereckiger Stab mit deretrus-
oischen Inschrift Selen. Ebendaher. 176.
1552^- ^^' Knopfartige Verzierung, mit vier ganz
rohen Köpfen bedeckt. Ebendaher. 160.
1552®- ^' Jugendlicher Kopf mit Zapfen, um als Ver-
zierung irgendwo aufgesteckt zu werden. Ebendaher.
1552^* ^•^•*- Drei desgl., ziemlich unkenntlich, eben-
daher. 167. 169. 170.
]^552c. 5. Desgl., noch roher. Ebendaher.
1552^* ®- Beschlag einer Geräthspitze in Form eines
Löwenkopfes. Sammlung Koller. 262.
1552®- '• Löwenkopf mit einem Zapfen hinten. 1846
gekauft. 2907.
1552^- ®- Verzierung in Form eines Amazonen-
schildes mit einem Kinderköpfchen in der Mitte. Aus der
Sanmilung Koller. 484.
1552^* ®- Zwei Köpfe wie die unter 1552^- '^ ^- erwähnten.
1552*^' ^^- Verzierung einer Geräthspitze in Form
eines durchlöcherten und mit Knöpfen versehenen Bades Viel-
leicht von einem Feldzeichen. Aus dem Besitz Bellori's. K. 4
Dur ehm. S^j^'*.
1552^- ^' Kleines Plättchen, mit Blumenranken ver-
ziert, hinten ein Zapfen.
1552^- ^- *•. Zwei Delphine, ein grösserer und ein klei-
nerer, die an Geräthen befestigt waren.
1552*- *• Verzierung, mit einem unkenntlichen Ding
in der Mitte, umgeben von zwei Delphinen, von denen einer
fast ganz fehlt. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 93.
155 2'*-^- Plättchen mit Zapfen und einer kleinen Figur
in Hautrelief. Ebendaher. 100.
1552'^- ^- Mandelförmige aber etwas gekrümmte
Verzierung.^ Ebendaher. 60.
330 Beschlag und Verzierungen.
1552^'* Kleines Anhängsel mit Ring, von Prof. Peter-
mann 1852 im Orient gekauft. 3124.
1652^- ^- Bekrönung eines Stabes, in Form einer
Spitze mit drei Flügeln, vielleicht von einem Feldzeichen. Ans^
der Sammlung Böcking 1858 erworben. ß&.
1552^ ®- Anhängsel in Form einer Eichel, mit einem
Loch oben darin.
1552^- ^^- Anhängsel von dreieckiger Form, 1846
gekauft. 2924.
1552®- ^- Ring mit einem eisernen Zapfen daran, vom
Obristlieutenant Senckler 186:^ gekauft. 3486.
1552®- ^- Fragment mit einem Schlangenkopf ver-
ziert, am anderen Ende ein viereckiges Loch. 1846 aus dem
Nachlass des Obristlieutenant Schmidt angekauft. 2849.
1552®- ^- Verzierung, in Form eines leeren Vierecks
mit Zapfen daran. Aus der Sammlung Koller. 648.
1552®- *' Ein Kasten mit vielen, theils werthlosen, theils
unbestimmbaren Verzierungen, resp. Beschlagstücken.
1552®- ^- Ein Draht, der jederseits sich spiralförmig zu-
sammenwindet und an dem vier hohle, kegelförmige Körper
hängen.
25526.6. Kleine dreieckige Platte, auf welcher in
Relief die Figur einer Scylla, in Schlangenleiber ausgehend,,
den rechten Arm erhoben haltend.
1552®- "• Runde Platte mit vortretendem Rande, worauf
in Relief drei anscheinend weibliche Figuren neben einander
stehen. Es lässt sich nichts mehr von ihnen erkennen. Ge-
funden bei Köln im Jahre 1816. Aus der Sammlung Minutoli.
B.*c. ß. 26. H. l7g''.
1552®- ®- Widder köpf, als Verzierung einer Spitze. Aus
der KoUer'schen Sammlung. 265.
1552®-^- Desgl. Aus dem Nachlass des Ministers von
Altenstein 1845 erworben. 2807.
i
Beschlag und Verzierungen. 331
1552®- ^^- Tigerkopf, der zu demselben ^Zweck diente.
1552^- ^' Fragment eines Thieres. Aus der Samm-
lung Bartholdy. C. 130.
1552*'- 2. Ein Rehkopf.
1552*^" ^* Ein Hundekopf mit einem Zapfen. Aus der
Sammlung Minutoli. Bei Cleve gefunden. K. 23.
1552^- *• Hundeartiger Kopf mit dem Rest eines
Ringes. Aus der Sammlung Dorow. 599.
1552^- ^' Rest eines Greifenkopfes mit aufgesperrtem
Maule.
1552^- ^' Köpfchen mit Zapfen und ein Knopf. Aus dem
Besitz des Obristlieutenant Senkler 1863 angekauft. 3489.
1562^- '^- Drei kleine Verzierungen, von Prof. Peter-
mann 1856 aus dem Orient mitgebracht. 3125.
1552^- ^' Neun Stück Broncen, zum Theil Verzierun-
gen, Fibeln oder Schnallen. Aus dem Nachlass des Herrn
von Radowitz.
1552^' ^' Verzierungen mit durchbrochener Arbeit.
Vielleicht von einem Gürtelschloss. Aus der Koller'schen Samm-
lung. 637.
1552^- ^^- Stierkopf mit einem Zapfen daran. Vielleicht
Bekrönung einer Stütze.
1552fif ^' Bronceplatte, worauf ein unkenntlicher Vogel
roh eingegraben ist.
1552«^- ^- Schwan mit einer viereckigen, durchlöcherten
Röhre hinter sich.
15528^- ^* Eine kleine, stempelartige Verzierung
mit undeutlichem Vogel darauf. Aus Gerhardts Nachlass. 171.
ibb2^' '*• Geräthverzierung eigenthümlicher Art. Sie
besteht aus einer Achse mit zwei Rädern, an welche sich
ein Halbkreis anschliesst. Die Radscheiben sind verziert mit
332 Beschlag and Verzierungen.
nackten Männern^ von denen einer als Sieger charakterisirt ist, da
er sich den Kranz aufsetzt und einen Palmenzweig trägt, wäh-
rend der andere, wie es scheint, den Besiegten darstellt, da er
hetrübt die Kechte an die Backe legt. Die Seiten des Halb-
kreises sind mit einem ähnlichen Gegenstand in runden Fi-
guren verziert. Jederseits ist nämlich eine Ringergruppe in
ziemlich symmetrischer Weise angebracht.
Der Graf Caylus, Recueil VII zu pl. 63 hat ähnliche Ver-
zierungen einfach als Geräthgriffe publicirt, wir verstehen aber
nicht, wie sie am Geräth angebracht waren.
15528^- ^- Desgl., nur zerbrochen. An jeder Seite ein
Panther in runder Figur, der seinen Fuss auf das Rad legt,
an welchem ebenfalls ein Panther in Relief angebracht ist.
Aus dem Nachlass des Obristlieutenant Schmidt 1846 erwor-
ben. 2840»-
1552«- ®- Desgl., Fragment einer solchen Verzierung.
Uebrig geblieben ist ein Panther, der seine Klauen auf das
mit einer gehörnten Satyrmaske verzierte Rad legt.
15528^- "• Desgl., Fragment. Erhalten ist der Panther,
seine Klaue auf das Rad legend, auf welchem eine Ziege in
Relief vorgestellt ist.
15528^- ^' Aehnliche Verzierung. Ein Panther, seine
Tatzen auf ein mit Medusenhaupt verziertes Schild legend.
Aus der KoUer'schen Sammlung. 235.
15528f-^- Desgl. Aber die Maske ist unkenntlich.
1552^- ^^- Fragment einer ähnlichen Verzierung,
ein Löwe legt seine Tatzen auf ein mit unkenntlicher Maske
verziertes Schildcheu.
1552*^- ^- 1552^- ^- Zwei kraterförmige Gefässe, mas-
siv aber in Relief, jedes bekrönt von einem Panther. An dem
Bauch des Kraters ein Ring, unter der Basis desselben ein
Zapfen. Die beiden Nummern stimmen ganz überein.
Es ist nicht unmöglich, dass in diesem und in den vor-
hergehenden Fällen der Panther als Wächter von Weinkrügen
aufgefasst ist. Aus dem Besitz Bellori's. B. d, BB. 8. 0.
H. 51/2".
Abg. b. Beger 111, pg. 403.
Beschlag nnd Verzierungen. 335
1552^- ^- Behelmte Büste, nach unten gabelförmig aus-
einandergehend. Diente vermuthlich als Bekrönung.
1552^- *• Bronceplatte, worauf eine phantastische
sphinxartige Figur eingegraben ist. Aus Gerhardts Nachlass.
1552^- ^' Ein kleiner Knopf mit Keliefverzierungen.
1553. Eigenthümlicher, schwer zu erklärender
Beschlag, bestehend in drei, an der einen Seite geschlossenen
und knopfförmig auslaufenden, an der anderen zackenförmig
ausgeschnittenen Cy lindern, die durch kleine Querleisten mit
einander verbunden sind. Nägel oder Nägellöcher lassen dar-
auf schliessen, dass in den Cylindem ein hölzerner Stab
steckte. Unzweifelhaft haben diese Bohren zur Bekrönung
spitzer Stäbe gedient, aber Näheres vermögen wir nicht an-
zugeben. Aus Corneto. Sammlung Dorow^ 544. H. 7".
1554. Desgl., ganz übereinstimmend, nur dass die drei
Cylinder durch je zwei Leisten über einander verbunden sind.
Ebendaher. Dorow. 543. H. 972"-
1555. Desgl., fragmentirt, nur zwei Bohren sind erhal-
ten. Ebendaher. Dorow. 544.
1556. Desgl., Fragment!, 1852 von Herrn Vollard an-
gekauft 3061.
1557. Spitz zulaufende Bronceröhre, die als Be»
schlag einen eisernen Kern deckt. L. 6^/2".
1557*- Krönende Verzierung eines ^Stabes oder der-
gleichen, in Form eines Pinienzapfens. Aus der Sammlung
Koller. 650. H. 2V2"-
1557^- Die Spitze eines Geräthes in Form einer Blume.
Aus Pompeji, Geschenk des Königs Friedrich Wilhelm III., in
dessen Gegenwart es ausgegraben. H. 5^4".
1557^» Desgl., in Form einer aufbrechenden Blume^
H. IV2".
1557^ Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
86. H. 10/4''.
334 Besclilagp und Verzierungeil,
1557«- Desgl., einfacher. H. 2V2''.
1557^- Ein schön gearbeitetes korinthisches
Säulencapitell.
1558. Etruscischer Beschlag, bestehend in einem an
beiden Enden gekrümmten Bronceband, an dessen innerer
Seite zwei kleine viereckige Kasten ohne Boden vorspringen.
In den Zwischenräumen bemerkt man noch die Nägel. Aus
Corneto. Sammlung Dorow. 554. L. 8".
1558*- Beschlag von der Ecke eines Geräthes mit
einer schwalbenschwanzförmigen Einkerbung an einer Seite.
Aus der Sammlung Koller. 500.
1 558**- Eine dünne gestanzte Platte mit Verzierungen,
die zur Bekleidung eines Geräthes diente. Fragmentirt.
j^55gaaa. Fragmente von schmalen Streifen Bronceblech
mit gepressten Verzierungen. Aus Platäa. Mit dem Nachlass
des Prof. Boss 1860 erworben. 3423.
1558****- Beschlag in Form eines Dreiecks, mit ein-
gravirten Figuren verziert.
Oben auf der breiten Seite des Dreiecks ist der siegreiche
Lenker eines Viergespanns vorgestellt mit Peitsche und Palra-
zweig in den Händen, auch seine Pferde sind auf den Köpfen
mit hohen Zweigen geschmückt. Rechts im Felde ein Kranz
und ein Helm von der Form, wie die Lenker der Quadrigen
ihn tragen. Links ein Gefäss mit Palmzweigen.
Unter dieser Figur befindet sich ein Reiter, der ebenfalls
Peitsche und Palmzweig in den Händen hält, vermuthlich
einer jener Reiter, die beim Wettrennen den Wagenlenkem zu
eventueller Unterstützung beigegeben wurden. Unter dieser
Figur, in der Spitze des Dreiecks, bemerkt man eine Figur zu
Fuss mit Peitsche und einem Gefäss in der Hand. Auch diese
Figur gehört zu den beim Wettrennen betheiligten Leuten,
denn das Gefäss in ihrer Hand hat ganz die Form jener ge-
flochtenen Gefässe, die man so oft auf Circusdarstellungen
sieht und die den Pferden der Gegenpartei als Hindßmiss unter
die Füsse geworfen wurden.
Wozu dieser Beschlag gedient habe, wissen wir leider nicht
anzugeben.
Vgl. Visconti. Pio — Clem. V, tav. 43.
Masken und Köpfe als Verzierung von Geräthen, 335
Masken und Köpfe als Verzierung von Geräthen. .
Die schöneren Masken werden bei den Figuren aufgeführt,
die anderen, die eben nur einen tektonischen Werth haben,
folgen hier.
1558^- Kopf der Meduse inmitten eines runden Reliefs,
von dessen Rand in gleichem Abstände acht kleine Köpfe
herausragen. Die Meduse ist eigentlich nur an den Schlangen
kenntlich. Aus der Sammlung Koller. H. 3'^
1558^- Desgl., aus derselben Form. Aus der Sammlung
Koller. H. 3".
1558^- Medusenkopf mit Schlangen im Haar. Darum
ein Rand, vielfach durchbohrt, zur Befestigung. Auch durch
das Kinn läuft eine Schraube hindurch. Und ebenfalls oben
ist eine Vorrichtung zur Befestigung. Aus der Sammlung
KoUer. H. 28/4''.
1558®- Medusen köpf, von Schlangen umgeben, darum
ein Rand, so dass das Ganze wie eine Rosette aussieht. Am
Rande, der mehrfach beschädigt, sind Silensköpfe an den vor-
stehenden Punkten angebracht. Links und rechts vom Kopf
je ein Loch zur Befestigung. Mit Spuren von Vergoldung.
Hoch 2", breit 28/4".
1558^- Medusen köpf, von einem Rand umgeben, mit
Flügeln und gesträubtem Haar^ aber ohne Schlangen, H. 2^/;^".
15588^- Medusenkopf mit Schlangen, gesträubtem Haar
und wildem Blick. Hinten sind zwei durchlöcherte Zapfen. Aus
der Sammlung Koller. H. iVe"»
1558^- Stumpfe Maske. H. 1''.
15Ö8»- Unbärtige Maske mit vollen Backen. H. 1".
1528^- Fast ganz unkenntliche Maske. H. 1^/3".
1558^- Desgl., mit lang herabhängenden Haaren. Hinten
eia Zapfen. Aus der Sammlung Koller. 185. H. l^i"«
336 Masken und Köpfe als Verzierung von Gerathen.
1558"- Maske mit phrygischer Mütze und herab-
hängenden Haaren. H. 1^/e".
IbbS^ Kinderkopf auf einer kreisrunden Scheibe*
H. 1V2".
1558^- Weibliche Maske mit Stimschmuck und herab-
hängenden Haaren. H. iVs"-
1558P- Unbärtige jugendliche Maske. H. '/g"-
1508^- Weibliche Maske mit hohemHaaraufsatz. H. 1".
1558'* Eohe Mädch.enmaske mit herabhängenden
Flechten. H. 8/^''.
1558®- Weibliche Maske von der Breite des Gesichtes^
wie man sie an Köpfen der Meduse findet Aus der älteren
Sammlung. B. a. XV. ß. 17. H. 2V2".
1558*- Weibliche Maske mit einer demKrobylos ähn-
lichen Haarordnung. Aus der Sammlung Bartholdy. 0. 39.
H. IV/'.
1558^- Jugendliche Maske mit einem hreiten Bande
über der Stirn. H. 1'^
1508^- Weibliche Maske mit gesträubtem Haar und
einer Binde über der Stirn. H. lVi2"«
1558^- Weibliche Maske, sehr medusenähnlich, und
eine Meduse ist auch wohl gemeint. Gefunden bei Cleve. Aus
der Sammlung Minutoli. B. a. XV. ß, 19. H. 1".
1558*- Bärtige Maske, die Haare über'^der Stirn und
an den Seiten sind steif symmetrisch geordnet H. l^/g". ^
1058^- Jugendliche Maske, an deren pB[inn sich eine
umgekehrte Palmette anschliesst H. 1^2"»
15Ö8'- Jugendliche Maske mit etwas schmerzlichem
Ausdruck und symmetrisch herabhängenden Locken. Aus dem
Nachlass des ?rof. Rösel 1844 angekauft n. 2747. H. 1^/«".
Masken und Köpfe als Verzierung «1er Geräthe. 337
1508*- ^- Maske eines Stieres mit Menschengesicht,
Achelous. H. -/g".
1558*- ^- Jugendliche, sinnlich fröhliche Maske,
bekränzt, vielleicht mit Ephen. H. 1%".
1558*-^ Maske eines Negers. H. 1^4"«
1558*- *• Weibliche Maske mit gewelltem und sym-
metrisch herabhängendem Haar. H. 1^/2''-
1558*- ^' Weibliche Maske mit dem Hals daran.
H. iVs".
1558*- ^- Maske mit symmetrisch herabhängendem
Haar, von einer kranzartigen Verzierung umschlossen. Aus
dem Besitz Bellori's. Aeltere Sammlung. B. a. XV. ß. 16.
H. 28/8 ".
1558*- '• Bacchusmaske, mit einem aufwärts stehenden
Weinblattkranz geschmückt, die Binde umgiebt die Stirn und
fällt links und rechts symmetrisch herab. Die Augen sind aus-
gehöhlt. AKS. (B. a. XIV. ß. 3). Aus der Sammlung Minutoli.
H. IV4".
1558*- ^* Maske der Ariadne (?), mit Epheulaub und
Epheutrauben bekränzt. Aus der Sammlung Bartholdy. Iß, 36).
H. 1''.
15Ö8*-® Maske des bärtigen Bacchus, mit Epheu
bekränzt. Aus der Sammlung Bartholdy. (C. 26). H. 1".
»
1558*- ^^- Silensmaske, kahlköpfig. Aus der Samm-
lung Bartholdy. (C. 30). H. l^,/'.
1558^- ^- Silensmaske, mit einem Epheublatt über jedem
Ohr und oben auf der Stirn. H. 2^4".*
1558^- ^- Maske eines jugendlichen Satyrs. H. 1".
1558^- ^' Silensmaske, der kahle Kd|)f mit Epheu be-
kränzt. H. 1".
1058^- *• Desgl., H. 1 V-
Kriederichfl, B«riin'g Antike BUd werkt II. 22
338 Masken und Köpfe als Veraierangp der Greräthe.
1558^- ^- Tragische Maske, die Haare in einen Wulst
zusammengewickelt. H. 1%".
1558^- ^' Desgl., mit dem Onkos und einem Diadem.
Aus der Sammlung Koller. H. 2^IJ*.
1558^- '• Desgl., mit dem Onkos. B. a. XV. ß. 14, aus
dem Besitz Bellori's. H. 2%''.
1558^- ^- Desgl., mit einer hohen Frisur kurzer krauser
Locken. Aus der älteren Sammlung. H. iVa"-
1558^* ^- Desgl., in den steif herabhängenden Locken
und oben im Kopf durchbohrt zur Befestigung. Aus der Samm-
lung Koller. H. Vj^".
1558^- ^^' Desgl., mit herabhängenden gedrehten Locken.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 87. H. iVs"«
1558®- ^- Desgl., nicht eine Maske, sondern ein ganzer
Kopf. Verzierung. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 90.
"• /l2 •
1558^- ^- Ein ganz übereinstimmender, nur etwas
kleinerer Kopf. - Verzierung. H. ^IJ\
1558^- ^' Komische Maske, an ein vierfach durch-
bohrtes Weinblatt angesetzt, zum Anschluss an das Geräth,
welches es verzierte. H. 4".
1558^- *• Duplicat der vorigen Nummer. H. 4".
IbbS^'^- Desgl. H. IV/.
1558*'- *• Desgl. Aus der älteren Sammlung. B. a. XV.
ß. 10. H. 8/4".
1558®- ^* Relief, zu einer Dekoration bestimmt, mit zwei
bacchischen Masken darauf in Relief, einer männlichen, bärti-
gen und einer weiblichen. H. 2", lang 8^/4".
1558<^- ^' Maske des Jupiter. Aus der Sammlung
Bartholdy. C. 3. H. iV«".
Masken und Köpfe als Verzierung der Geräthe. 339
lö58°- ^- Maske des Jupiter Ammon mit thierischen
Ohren. B. a. ß, 3. Aus dem Besitz Bellori's. H. 2".
1558*^- ^®- Büste des Jupiter, auf der linken Schulter
ist ein Stück Gewand sichtbar. B. a. l. ß, 1. Aus der Samm-
lung Minutoli. H. 2".
1558^- ^' Büste der Juno mit Stirnkrone, Schleier und
herabhängenden Locken. Angekauft 1846 aus dem Nachlass
des Oberstlieutenant Schmidt in Berlin. H. 3".
1558^- 2- Büste der Minerva. Unter der Büste be-
findet sich ein Stück eines Ringes, wie es scheint. Die Figur
hat weiter keine Abzeichen als den Helm. Aus der Sammlung
Bartholdy. C. 8. H. 3^/4''.
1558^- ^* Büste der Minerva mit seitwärts gewandtem
Kopf. Das Gorgoneion ist mitten auf der Brust. H. 2^/2".
1558^- *• Desgl., kleiner. Aus der älteren Sammlung.
B. a. IV. ß. 3. H. l^/s''.
1558*- ^* Desgl. Der Helm ist ohne Helmbusch. Eben-
daher. B. a. IV. ß. 6. H. 1".
1558^- ^' Büste des Mars. Aus der älteren Sammlung.
B. a. IV. ß. 3. H. 11/2".
1558^- ^- Desgl., die Brust vom Schwertriemen durch-
schnitten. B. c. ß. 8. Aus der Sammlung Minutoli. H. 1^/4".
1558^- ®* Desgl., die linke Schulter ist abgebrochen.
Der Schwertriemen ist ausgedrückt. B.c. ß, 6. Aus der Samm-
lung Minutoli. H. Vj^",
1558^- ®- Desgl., der Schwertriemen kommt auf der
linken Schulter zum Vorschein. B. c. ß. 7. Aus der Samm-
lung Minutoli. H. l^fj'.
1558^- ^^- Desgl., wenn es nicht Minerva sein soll, denn
die Einschnitte auf der Brust sehen fast so aus, als sollten
sie Gewandfalten andeuten. Aus der älteren Sammlung. B. a.
IN. ß. 5. H. 1V2".-
22*
340 Masken und Köpfe als Verzierung der Geräthe.
1558°- ^- Desgl., die Büste geht aus einem Blumenkelch
hervor. B. a. IV. ß. 8. Aus der Sammlung Minutoli. Ge-
funden bei Cleve. H. 1^2"*
1558®- ^ Desgl., ganz barbarisch. Auch aus einem
Blumenkelch hervorgehend. Aus der Böcking'schen Sammlung.
H. 2V2".
1558®- ^- Desgl., die linke Schulter ist abgebrochen.
Aus der Böcking'schen Sammlung. H. 2".
1558®- *• Desgl., bärtig, aus einem Blattkelch hervor-
kommend. Aus der älteren Sammlung. B. c. ß, 5. H. 1^/12"-
1558®- ^- Büste eines Amor, die Haaranordnung ist we-
nigstens ganz so, wie sie an Amor sich findet. Aus der Samm-
lung Bartholdy. C. 66. H. 2".
1558®-^- Büste des jugendlichen Bacchus mit Binde
und Weinbekränzung. Die Nebris durchschneidet quer die
Brust. Aus der älteren Sammlung. B. a. XIV. ß. 2. H. 1^2"«
1558®- ''• Bacchische Büste, nach der Brust, die nur
zur Hälfte von der Nebris bedeckt wird, männlich, doch ist
das ganze Aussehen eher weiblich. Die Augen sind von Silber
eingesetzt. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 35. H. lV2"'
1558®- ^- Büste eines Silens, d. h. eines langbärtigen^
kahlköpfigen, mit Epheu bekränzten Alten. Aus der älteren
Sammlung. B. c. ß. 10. H. iV^".
1558®- ^- Büste eines jugendlichen, lachenden Sa-
tyrn. Die Nebris läuft von der rechten Schulter, wo sie ge-
knüpft ist, quer über die Bnist. B. a. XV. ß, 13. Aus dem
Besitz Bellori's. H. 272''-
1558®- ^^- Büste einer Bacchantin, die nackte Brust
von der Nebris durchschnitten, mit Trauben und Weinblättem
bekränzt. Nicht ohne Verdacht, zumal da zwei ganz ähnliche
Exemplare vorkommen. B. a. XV. ß. 6. Aus dem Besitz
Bellori's. H. 3".
1558^- ^- Ganz übereinstimmende Büste, nur etwas
kleiher. Aus der älteren Sammlung. B. a. XV. ß. 4. H. 2^/4"-
Masken und Köpfe ab Verzierung der Geräthe. 341
1508^- - Ganz übereinstimmende Büste, nur ist der
Kopf nach der anderen (rechten) Seite gedreht. Merkwürdig
ist auch an diesen drei Büsten, dass sie alle drei an den
Brüsten abgeplattet sind. Aus der älteren Sammlung. B. a. XV.
ß. 5. H. 3".
1558^- ^ Büste einer Isis, wenigstens ist der Gewand-
knoten angedeutet, und wie es scheint, sind auch Aehren an
der Stirnkrone. Aus der Sammlung Bartholdy. A. 74. H. 2".
1058^- *• Büste des bärtigen Herkules. Er trägt,
wie öfter, die gewundene Kopfbedeckung; das Löwenfell durch-
schneidet diagonal die Brust. H. 1^2"-
1508*^^- Verschleierte Büste einer Frau. Aus der
Sammlung Bartholdy. C. 83. H. 1^/3".
1558'- ^- Büste eines nackten Mädchens, auf einem
Blumenkelch aufgesetzt. Die Brust ist beschädigt. Ver-
dächtig. Aus der älteren Sammlung. B. c. fi. 29. H. 2^/0".
1558*^- "• Ganz ähnliches Werk und in ähnlichem Zu-
stand der Erhaltung. Ebendaher. B. c. ß, 2^. H. 2^1^",
1558*'- ^- Büste eines mit der Chlamys bekleide-
ten Jünglings. Der Kopf ist seitwärts gedreht. Die Augen
sind von Silber. H. 2^2''-
1558^- ^- Männliche Büste mit Knebelbart und Schnurr-
bart, mit einem Helm auf dem Kopf, worüber eine runde
Scheibe aufrechtstehend angebracht ist. Auf der linken Schulter
ein Stück des Gewandes. H. 3^0 "•
1558^- ^^- Unbärtige männliche Portraitbüste mit
kurzem krausen Haar. Am linken Arm sieht man den Ansatz
<les Panzers. Darüber ein Mantel. Hat etwas Aehnlichkeit
mit Caracalla, ein römischer Imperator scheint gemeint.
H. VI,".
1558^- ^' Männliche jugendliche Büste, mit einer
Blume und Traube am Kopf geschmückt. Soll vielleicht
Bacchus sein. Hinten ein Zapfen zur Befestigung. B. a. XV.
ß. 2. Aus der Sammlung Minutoli. H. 2^4^'.
342 Masken und Köpfe als Verzierung der Gerathe.
1558^- 2- Büste eines jungen Mädchens, im einfachen
Chiton, der mit Spangen auf den Schultern befestigt ist. Oben
auf dem Kopf befand sich ein Ansatz. H. 2^1^".
155.^^- ^- Büste eines Kindes, mit einem Stück Ge-
wand. Aus der Sammlung Koller. H. 2^/4".
1558^- *• Büste eines Knaben, mit einem Gewand be-
deckt. H. 2V2''.
1558^- ^- Büste des Achelous. Die Arme sind aus-
gebreitet und über ihnen befindet sich je ein Flügel, der
wohl durch den tektonischen Zweck des Werkes veranlasst
ist. Unter dem Kopf Voluten und Palmetten. H. l^s"«
1558^- ^- Bärtige bekränzte Satyrmaske mit Blei
gefüttert, sehr zerfressen. Aus Gerhardts Nachlass 1869 er-
worben. H. li'c". 162.
1558^- ''• Kopf eines Silens, als freischwebende Ver-
zierung benutzt. Gefunden bei Cleve. Aus der älteren Samm-
lung. B. a. XV. ß, 20. H. iVe".
1558^- ^' Desgl., oben auf dem Kopf ist noch ein An-
satz erhalten von dem Gegenstand, an welchem der Kopf hing.
Aus der älteren Sammlung. B. a. XV. ß, 25. H. 1^/2".
1558^- ^- Desgl., der Bart ungemein lang und spitz.
Aus der älteren Sammlung. B. a. XV. ß, 22. H. 2".
IbbS«' ^^- Maske mit steif an den Seiten herabhängen-
den Haarlocken. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 37. H. 2".
1558^- ^' Jugendlicher Kopf, Hautrelief auf einer
runden Platte. In Pompeji gefunden. Aus dem Nachlass des
Prof. Kösel 1844 erworben. H. 1". 2749.
1558^- 2- Jugendliche behelmte Büste des Mars,
hinten ein Zapfen. H. 1^2''-
1558^- ^- Jugendliche männliche Maske, an der
linken Seite etwas beschädigt. In Cöln gefunden. Aus dem
]^achlass des Generals V. Rauch 1841 angekauft. 2641. H. 2'/8"-
Masken und Köpfe als Verzierung der Gerälhe. 343
1558^- *• Jugendliche Maske auf einer schildförmigen
Platte. Aeltere Sammlung. B. c. ß, 30. H. 1^2"-
1558^- ^- Knabenbüste mit lächelndem Ausdruck. Aus
der Sammlung Koller. H. 2^/^".
1558^^- Jugendliche Büste, nach der Haartracht
weiblich. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 84. H. l^/g".
1558^ '• Kopf mit symmetrisch geflochtenen
Zöpfen, wie an tragischen Masken. An einer pompejanischen
Lanpe kommen solche Köpfe, genau übereinstimmend, vor.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 92. H. ^j^",
1558^- ®- Desgl., ganz übereinstimmend. Aus der Samm-
lung Bartholdy. C. 90. H. 11/12"-
1558^- ®- Desgl., nur etwas kleiner. H. ^/^^
1558^- ^^' Büste der Luna, an dem Halbmond kennt-
lich. Aus der Sammlung Minutoli. B. a. VIII. ß, 1. H. l^/^".
1508^- ^' Schildförmige Büste der Artemis mit dem
Halbmond, der hier in der Mitte ein Loch hat. Quer über
die Brust geht das Köcherband. Aus der Sammlung Bartholdy.
C. 11. H. 3".
1558^- ^- Kleine jugendliche Maske, mit einer phry-
gischen Mütze bedeckt. H. 1".
1558^- ^' Weiblicher Kopf in bewegter Haltung, mit
zwei links und rechts auf seltsame Weise vom Kopf ab-
stehenden Lockenbündeln. H. 1".
1558^- *• Doppelkopf, wie es scheint, von weiblichen
Köpfen. Bekrönungsornament. Aus der Sammlung Minutoli.
B. c. ß, 25. H. 78''.
1558^^- Büste eines bekleideten Jünglings, mit
langen Locken und phrygischer Mütze, aus einem Blumen-
kelch auftauchend. Vielleicht ist Attis oder Paris gemeint
Bekrönung eines Stabes, etwa eines Dreifussbeines, wo Aehn-
liches sich erhalten hat. Aus der älteren Sammlung. B. a. XX.
ß, \, H. 1«/^".
VI. Geräthe, deren Zweck nur ver-
muthungsweise oder gar nicht angegeben
werden kann.
Instrumente zum Haarscheiteln (?) (discemiculum).
Da man eigene Instrumente zum Haarscheiteln hatte, so
wäre es nicht unmöglich, dass die im Folgenden aufgeführten
Geräthe zu diesem Zweck gedient hätten, wozu sie wenigstens
sehr tauglich sind. Doch bedarf es allerdings anderer Beweise,
um die Sache gewiss zu machen.
1559. 1560. Nadeln zum Haarscheiteln. Aelterc
Samml. L. G'/g". 0. 1. 2.
Diese zwei ganz gleichen Geräthe sind platt, oben durch-
bohrt, etwa zum Aufhängen oder um an einem Ringe getragen
zu werden, und unten ziemlich stumpf, um der Haut nicht
wehe zu thuu. Man hat sie für Packnadeln erklärt, allein
dazu sind sie ganz unpraktisch.
1561. Desgl. Samml. Minutoli L. 5".
1561*- Schnalle, deren Ring nicht geschlossen ist, son-
dern in aufgerollte Enden ausläuft, die einen kleinen Zwischen-
raum zwischen sich lassen. Aus dem Nachlass des Obrist-
lieutenant Schmidt 1846 erworben. 2855.
1561^- ^- Zwei desgl., die eine ist mit Buckeln ver-
sehen, die, wie es scheint, emaillirt waren.
1561^- Desgl.
Die Vasen iu Form vou Köpfen. 345
Vasen in Form von Köpfen.
1562. Etruscische Vase in Form eines weiblichen
Kopfes, der eine Stirnkroue trägt und ein Halsband, an wel-
chem eine Bulla von gewöhnlicher Form hängt. Die Pupillen
der Augen sind ganz ungewöhnlicher Weise von Gold ein-
gesetzt.
Die Vase hat einen Deckel, der festgerostet ist, und hing
an einem Henkel oder auch an zwei Ketten, was unentscheid-
bar ist, da nur der Rest einer ringförmigen Attache erhalten
ist. 1862 gekauft. 3464. H. 4Vo^
Die an Ketten hängenden Vasen in Kopfform werden von
mehren Seiten^) für Weihrauchgefässe erklärt, leider aber
fehlt jeder Beweis und ist auch nicht aus der Sache selbst
zu entnehmen.
1562*- Desgl., in Form eines Venuskopfes, was durch
das Täubclieu festgestellt wird, das sich links und rechts am
Kopf befindet. Die Augen, von denen eines sich erhalten hat,
waren aus einer weissen Masse eingesetzt. Die Haare sind
steif gelockt und gehen hinten in einzelnen Streifen an die
Oeffnung hinan, um die Form des Gefässes besser zu mar-
kiren. Etrusciscli. In Italien durch Prof. Gerhard angekauft
und 1841 eingeschickt.
1563. Desgl., von griecliischem Stil. Der Kopf ist zier-
lich geschmückt mit Halsband, Ohrringen und einem Stirn-
band, dessen Mitte durch eine Verzierung markirt ist, welche
eine Gemme andeuten soll und an dessen Seiten, gerade über
den Ohren, zwei wie Kopffltigel des Merkur aussehende Dinge
hervorragen, über welche wir keine nähere Auskunft geben
können. Der Kopf hängt an Ketten und ist oben und unten
offen. Unten bemerkt man nicht die geringste Spur, dass er
geschlossen war, was auch schon bei anderen Exemplaren
bemerkt ist, auch oben an der Oeffnung ist nicht zu ent-
scheiden, ob sie durch einen Deckel geschlossen war oder
nicht. Natürlich können broncene Vasen ohne Boden eben-
sowolil bestanden haben, als solche in Terrakotta, die gar
niclit selten sind und eben nur für's Grab bestimmt waren.
') Z. B. von Vaux Handbook to tlic aiiiiq. of ihe bril. mus. p. 414;
und von Brann bullet, d'inst. 1858 p. 159.
346 I^ie Vaseu, die vermuthlich als Maasse gedient haben.
Unter dem Halsband liest man die unverständliche In-
schrift nOAYJJJM — iT(?) ANTinnOM. H. 3V2".
1564. Desgl., in Form eines mohrenartigen Knabenkopfes.
Das Haar besteht in lauter kleinen, schlaff herabhängenden
Locken. Am Halse trägt er ein gewundenes Halsband. Das
Gefäss ist unten geschlossen, hat oben eine nur kleine Mttn-
dung und hängt an einem Henkel. Aus dem Besitz Bellori's.
H. ohne Henkel 4". A. 12.
1565. Desgl., fast ganz übereinstimmend, nur dass noch
eine Büste daran ist. Auch hatte die Oeffnüng oben einen
Klappdeckel, von dessen Befestigung die Spuren zurück-
geblieben. Das Gefäss ist unten offen und man sieht keine
Spur eines Bodens. Es hing an einem Henkel oder an Kingen.
Aus der Samml. Koller 160. H. 41/4".
1566. Ausgussgefäss, in Form eines weiblichen Kopfes,
mit Henkel und kleeblattförmigem Ausguss. Der Boden fehlt,
war aber vorhanden. Aus der Samml. Bartholdy. D. 13-
H. V\
Vasen, die vermuthlich als Maasse gedient haben.
1567 — 1569. Drei etruscische, sämmtlich aus Cor-
neto stammende Gefässe, von einer und derselben Form
und in einem bestimmten Verhältniss zu einander stehend,
das bei den beiden ersten noch als 1:2 zu controliren ist
Sie sind daher vermuthlich Maasse, wozu auch die Form und
der hochragende Henkel (der an der letzten fehlt) geeignet
sind. Aus der Samml. Dorow 515 — 517. H. von 3" bis 574".
1570. Vase ähnlicher Form, die vielleicht auch zu
demselben Zweck gedient hat. Am Henkelschluss eine Satyr-
maske. Aus der Samml. Koller 357. H. 3''.
1571. Desgl., von ähnlicher Form, doch ist der Henkel
nicht erhalten» An der Mündung und am Bauch lineare Ver-
zierungen. Aus der Samml. Koller 358. H. 2^/4".
1572. Etruscisches Gefäss ähnlicher Form, aus
Corneto. Samml. Dorow. 512. H. 674"-
Dies Gefäss könnte ein Becher, aber auch wohl einMaass
gewesen sein.
.Die eimerförmigen Geräthe. , 347
Eimerförmige Geräthe.
1573. Kleiner Eimer aus Cometo. Sammlung Dorow.
510. Durchm. b^jj*. H. 3%".
Henkel und Bauch des Gefässes sind in schrägen Win-
dungen cannellirt. Der Henkel läuft in Schwanenköpfe aus.
1574. Desgl., schwer gegossen, mit doppeltem Henkel.
Am Bauch die Marke V. Aelt. Samml. B. 5. H. 2^1^".
Durchm. 4^/4".
1575. Desgl., grösser, in Pompeji 1822 in Gegenwart
des Königs Friedrich Wilhelm HL ausgegraben und von diesem
dem Museum geschenkt. A. 19. H. 10". Ob. Durchm. SVs"«
Das Gefäss ist von Bronce, der Henkel von Eisen, und
zur Befestigung desselben ist der Hals von einem eisernen
Reif umgürtet, aus dem sich die Ringe für den Henkel ent-
wickeln.
1575** Kesseiförmiges Gefäss, das seinen Henkel ver-
loren hat, vielfach geflickt. H. 8%".
1575^- Grosses eimerförmiges Gefäss, das indess
auf drei mit Kopf und Flügeln versehenen Löwentatzen ruht.
Der Henkel läuft in Schwanenköpfe aus, die Attache wird
durch einen weiblichen Kopf gebildet, von welchem Wolfs-
oder Hundeköpfe ausgehen. H. 12^1 2"- Durchm. Q^s"-
1575^ Kleines cylinderförmiges Gefäss, welches
nach Ausweis eines früheren Inventars (von Levezow 1825)
einen Henkel hatte, dessen Ansatzstelle man wohl bemerkt.
Aelt. Samml. K. 34. H. 28/8". Durchm. l»/^".
1575^- Kleines kesseiförmiges Gefäss, mit beweg-
lichem Henkel und Deckel, auf dem Bauch in Hautrelief ein
Kampf zwischen zwei Centauren und einem Löwenpaar. Wei-
tester Durchm. 3". H. 2^12"» Bei Cleve gefunden, aus der
Samml. Minutoli. A. 11*-
Becken- und schalenförmige Gefässe.
1576. Grosses Becken mit zwei Henkeln. Nach der
Patina stammt dieses Gefäss aus Pompeji. Durchm. 13 Vi".
H. 51/2".
348 . ^^^ becken- und schalenförmig'en Gefasse.
1576*- Desgl., wahrscheinlich ebendaher, da es das Siegel
der neapolitanischen Commission der Alterthümer trägt. Durchm.
178/4". Höhe incl. Fuss 8V2''.
1577. Desgl., aus Pompeji, ohne Henkel. 1822 in Gegen-
wart des Königs Friedrich Wilhelm III. ausgegraben und von
diesem dem Museum geschenkt. B. 7. H. 4". Durchm. l^^j^",
1578. Desgl., nur zur Hälfte erhalten.
1579. Länglich runde Wanne mit umgebogenem Rand,
sehr passend zu einem Waschbecken, dergleichen wir genau
von derselben Form besitzen. Aus Pompeji, in Gegenwart des
Königs Friedrich Wilhelm III. ausgegraben und von diesem
dem Museum geschenkt. A. 22. H. 5". L. 16^/^".
1580. Desgl., kleiner. H. 6^^''. L. 14".
1581. Desgl., kleiner und ohne Rand, von derselben Her-
kunft wie 1579. A. 23. L. 7". Br. dVs"- H. 2iV'.
1582. Runde Schale mit zwei Henkeln, auf einer kreis-
förmigen Basis mit durchbrochener Arbeit stehend. H. 3V4".
Durchm. 10".
1583. Desgl. mit Fuss, aber ohne Henkel. H. 3V4".
Durchm. 9V4''.
1584. 1585. Zwei tiefe henkellose Schalen. Samml.
Koller 365. 367.
1586. 1587. Zwei desgl., kleiner und geriefelt. Die
Form ist nicht ganz dieselbe. Sammlung Koller 371. 372.
Durchm. 51/2". H. 2V8".
1588. Flache henkellose Schale ausCorneto. Samml.
Dorow. 521. Durchm. 1172"- H. 2^/3".
1589—1592. Vier desgl. Samml. Koller 319. 321. 322.
366. H. V. l'^/jj"— 2". Durchm. v. T»/^"— 10".
1593—1595. Drei desgl. H. v. 1%"— 2". Durchm. v.
83/^"— IOV4".
1595*- Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
190. Durchm. 7^/3^
Die becken- und schalenförmigen Gefässe. 34^
1596. Desgl., die Form ist etwas abgerundet SammL
Koller 316. H. 2V8". Durchm. TVg''.
1597. Desgl. im Jahr 1865 aus der Samml. Pourtalös
acquirirt. 3543. H. 2^8". Durchm. TVa"-
An dieser Schale bemerkt man aussen im flachen Belief
ein Blatt, das wie eine Attache aussieht. Auch scheint noch
etwas daran gesessen zu haben, doch ist uns jede nähere Be-
stimmung unmöglich.
1598. Desgl., mit einem kleinen runden Fuss. H. 2^/4".
Durchm. S^/g".
1598»- Desgl.
1598^- Desgl., erheblich zerstört.
1599. Kleiner schwergegossener flacherNapf, mit
einem Blattornament auswendig verziert. Aelt. Samml. B. 12.
Durchm. Vjs*'- H. iV»". *
1600. Desgl., mit der Dedicationsinschrift: A. SEPTV-
NOLENA. PETE. AMISI. 0. DONO. Aelt. Samml. Durchm.
5". H. 18/3".
1600*"^- Drei kleine Näpfe, vermuthlich Kinderspiel-
zeug. Samml. Koller. 376—378. Durchm. von 1^/4 "—2^4".
1601. Kleine Schale mit geriefeltem Bauch. An der
einen Seite ein Henkel in Form einer Schlange, die zum Hin-
einfassen des Fingers einen grossen Ring bildet. Bei Cleve
gefunden. Samml. Minutoli. Durchm. 3^4". H. 1".
1^01*- ^- Zwei graziöse Schalen auf hohen Füssen^
etwa wie die antiken Marmorbecken gestaltet. Aus Gerhardts
Nachlass 1869 erworben. H. 2*^/8". Durchm. 3''.
1601 <^- Tiefere Schale, welcher der Fuss fehlt, hübsch
verziert. Durchm. 3''. Aelt. Samml. B. 6.
Abg. bei Beger III, p. 385.
1601^- Desgl., noch tiefer, becherartig. Aus der SammL
Minutoli A. 24.
1601«' Kleiner Napf, 1846 gekauft. 2926.
350 ^^^ lellerförmigen Gefässe.
1601^- Desgl., aus Gerhards Nachlass 1869 erworben. 209.
1601«- Desgl., aus der Samml. Koller 379.
1601^ Kleine Schale in Form einer Muschel, mit beiden
Händen von einer kleinen nackten Figur, die den Griff bildet,
gehalten und gleichsam präsentirt. Sehr graziöses etruscisches
Geräth. L. i^jj'.
Tellerförmige Gefässe.
1602. 1603. Zwei Teller mit kleinem, etwas erhöhtem
Fuss, an dem sie sehr gut zu tragen sind. Vielleicht waren es
Präsentirteller. Durchm. 8". H. 1". Der erste stammt aus der
Samml. Koller 313.
1604. Grösserer, etwas vertiefter Teller, inwendig
verzinnt oder versilbert, aussen innerhalb des Fusses und da-
neben eingekratzte Charaktere, die, wie es scheint, etruscisch
und gewiss Marken der Fabrik sind. Aelt. Kgl. Samml. B. 9.
Durchm. 10V2"- H. 1V2".
1605. Kleinerer, aber etwas tieferer Teller, sehr ge-
eignet zum Suppenteller, inwendig verzinnt oder versilbert,
aussen unter dem Fuss mit Charakteren derselben Art wie 1604
versehen. Aelt. Kgl. Samml. B. 8. Durchm. 8V2". H. l^/g".
1606. Desgl., inwendig verzinnt oder versilbert. Bei
Gelduba gefunden,^ aus der Samml. Minutoli. B. 9*- Durchm.
1^4". H. iVs".
1607. Ganz flacher Teller mit etwas erhöhtem Rande.
Durchm. 9". Aelt. Samml. B. 10.
1608. Flacher Teller mit feinverziertem Rand. Durch-
messer 7". Aelt. Samml. B. 13.
1609. Desgl., ganz ähnlich, die innere Rundung war von
einer rund vorstehenden Schnur umgeben, von welcher man
auch bei n. 1605 noch schwache Spuren bemerkt. Aelt. Samml.
B. 14. Durchm. 68/4".
1610 — 1613. Vier kleinere, mit feinen Ornamenten,
Palmetten und Lotosblumen verziert. Durchm. 4^2"« Aeltere
Samml. B. 15—18.
. i
Die urDeuförmigea Grefässe. — Die henkelloseu Töpfe. 351
1613** Kleiner Teller oder Scheibe ohne Rand mit
einem grösseren Loch in der Mitte und je zwei kleineren an
zwei gegenüberliegenden Seiten. Man denkt zunächst an Waag-
schalen, wobei aber das Loch in der Mitte stört. Auch würde
die Schale an zwei Punkten nur schwankend hängen. Aussen ^
um das Loch der Mitte sind zierende Würfelaugen eingegraben.
1843 gekauft. 2719. Durchm. g'/g".
1613^- Zwei desgl., die, wie es scheint, ein Paar bilden.
Aussen eingekratzte Verzierungen. Durchm. SVa"-
IGIS®-®- Drei desgl., zwei davon mit je vier Löchern
an den Seiten. Durchm. S^/^". d. u. e. 2^/2".
1613^- ^- Zwei desgl., mit einem Buckel in der Mitte.
Die erste aus der Samml. Koller 506. Durchm. 2^1^",
1613^- Kleiner wenig vertiefter Teller, wenn es
nicht die Basis eines Geräthes gewesen ist.
, Urnenförmige Gefässe.
1614. Grosses urnenförmiges Gefäss, das wohl zum
Aschenkrug gedient haben könnte, aus mehreren Stücken zu-
sammengenietet, doch jedenfalls aus späterer Zeit. Durchm,
141/2". H. IOV2''.
1615. Desgl., aus Pompeji, wo es 1822 in Gegenwart des
Königs Friedrich Wilhelm III. ausgegraben ist. Geschenk des
Königs. A. 20. H. 6". Br. 9^2".
•
1616. Desgl., kleiner, ebendaher. H. 5^2". Br. 7^2 "•
A. 21.
1616*- Desgl., von ähnlicher Form. Sammlung Koller.
H. 5V2". Durchm. 6".
Henkellose Töpfe.
a. Mit enger Mündung, flaschenförmig.
1617. Flaschenförmiges Gefäss, 1841 von Prof.
Gerhard in Italien angekauft. 2674. H.6V2". Durchm. 4^2''-
Die Form ist specifisch etruscisch, wenigstens nur aus
etruscischen Fundorten, soviel wir wissen, bekannt. Die Ver-
352 I^i® henkellosen Töpfe. — Die einhenkeUgen Krüge.
zienmgen sind ziemlich rohe Blattkränze. Das Grefäss ist
übrigens von so dünnem Metall, dass es wohl nur fttr die
Leichehbestattung gearbeitet ist. Der Deckel ist daran fest-^
gerostet.
Vgl. die gleichgestalteten Gefässe im Mus. Gregor. I, 9, 3.
1618. Desgl., aus der Sammlung Koller 346. H. b"'
Durchm. 3".
1619. Kleines henkelloses Gefäss mit enger Mün-
dung aber breitem gewölbtem Rand, vermuthlich ein Oel-
kännchen, wenigstens sieht man gerade an den Oelkännchen
von Bronce und Thon die enge Mündung und den breiten
Rand, die beim Einschenken des Oels jedes Ueberlaufen un-
möglich machten. Aus der Sammlung Koller. 348. H. 3"^
Durchm. 2V4".
1620. Desgl., von ähnlicher Form. H. 4V2"- Durch-
messer 2^/4".
, 1621. Desgl., ähnlich, der Rand fehlt. H.3". Durchm.2V8^
b. Mit weher Mündung.
1622. Henkelloser Krug mit weiter Mündung. Aus
der Samml. Koller 409. H. Ö^/g".
1623. Desgl. H. 6". Durchm. 51/2''.
1624. 1625. Zwei kleine desgl., bauchig. Sammlung
Koller 355. 356. H. 28/8". Durchm. 3".
1626. 1627. Zwei desgl. weniger bauchig. Aus der
Samml. Bartholdy. D. 17. 18. H. 2V2''. Durchm. 28/8".
Einhenkelige Krüge.
1628. Krug mit Musenreliefs. Aus dem Besitz Bel-
lori's. A. 13. H. 8V2".
Am Bauch dieses schweren, gegossenen Kruges sind unter
korinthischen Arkaden sechs Musen angebracht. Das Motiv
ist aus dem Leben genommen, da es ja sehr üblich war, zwischen
die Säulen oder in die Nischen von Gebäuden Statuen zu stellen;
es findet sich sehr häufig auf den Sarkophagen späterer Zeit^
j
Die eiDhenkeligen Krüge. 353
besonders auch bei Musendarstellungen. Die Musen sind sämmt-
lieh kenntlich, es sind Kalliope mit den aufgeklappten Täfelchen,
Thalia mit der komischen Maske, Erato mit Leier und Piektrum,
vielleicht aber auch Terpsichore, die auf späteren Denkmälern
nicht von jener geschieden werden kann, dann Klio mit der
Rolle, wenigstens wissen wir sonst nichts aus dem Gegenstand
zu machen, den die Figur in der Hand trägt, darauf eine
attributlose Muse, die wir indess ihrer angelehnten Stellung
wegen Polyhymnia nennen können, för welche dies charak-
teristisch ist, und endlich Melpomene mit der tragischen Maske.
Hinter dieser Muse ist eine unausgeftiUte Nische, in welche
unzweifelhaft der jetzt fehlende Henkel hineingriff.
Am Hals des Krugs sind drei Kinderfiguren mit Laub-
gewinden in den Händen dargestellt, ein an römischen Friesen
und Sarkophagen beliebtes Motiv.
Das Gefäss ist seinem Stil nacli zu urtheilen, nicht vor
dem dritten Jahrhundert entstanden.
Abg. Beger thes. Brand. III, 395.
1629. Desgl., mit einer nicht mehr im Einzelnen kennt-
lichen Amorfigur am Henkelschluss. An diesem Gefäss befindet
sich das Siegel der neapolitanischen Commission der Alter-
thümer. H. 9V4". Durchm. 6".
1630. Desgl., mit demselben Siegel. Eine Palmette am
Henkelschluss. H. 8". Durchm. 6".
1631. Desgl., am Henkelschluss eine aus einem Kelch
hervorwachsende weibliche Büste, oben läuft der Henkel beider-
seits in unbestimmbare Thierköpfe aus, in der Mitte eine Stütze
für die Hand. H. 8V4". Durchm. 5".
1 631 *• De Sgl., mit einer Maske am Henkelschluss. Samml.
Koller 303. H. d^jj', Durchm. 6^U".
1631^- Desgl. bauchiger. Samml. Koller 308. H. 7^^".
Durchm. 7",
1632. Desgl., auf drei kleinen Füssen stehend. H. 8^/2".
Durchm. 4^/g".
1633. Desgl., mit einer Medusenmaske am Henkel. Be-
deutend zerstört. Aus Corneto. Samml. Dorow 511. H. 8".
Friedericlis, Berlin*8 Antilte Bildwerke II. 23
354 I^iß einhenkeligen Krüge.
1634. Desgl., von eigenthtimlich eckiger Form. H. 7^/2".
1635. 1636. Zwei desgl., von ähnlicher Form, aus der
Samml. Koller 338. 339. H. 71/4".
1637. Desgl., von ähnlicher Form. Der Henkel ist ver-
loren gegangen. Aelt. Samml. A. 14. H. 3^/2".
1638. Desgl., wahrscheinlich ein Oelkännchen. Das Ge-
fäss ist bauchig, hat eine enge Mündung und sehr breiten ge-
wölbten Rand, ebenso wie 1619. Es ist am Bauch zierlich mit
gravirten Ornamenten geschmückt. H. 2^/4". Durchm. 2^4"-
1639. Desgl., ähnlich, gewiss auch ein Oelkännchen. Der
Henkel fehlt. Aus Pompeji, wo es 1822 in Gegenwart Fried-
rich Wilhelms IIL ausgegraben ist. Geschenk des Königs.
H. 31/2". A. 15.
1640. Desgl., ähnlich, nur ist die Mündung weiter. Der
Bauch ist geriefelt. H. 3 Vi".
1641. Desgl., ganz übereinstimmend, nur nicht geriefelt.
Samml. Koller 345. H. 31/2".
1642. 1643. Zwei einhenkelige geriefelte Gefässe
mit weiter Mündung. Sammlung Koller 350. 351. H. 3^/8".
Durchm. 38//'.
1644. Desgl., mit feinen Streifen als Verzierung. Der
Henkel ist höher geschwungen. Samml. Koller 353. H. 4^/4".
Durchm. S^/^".
1645. Desgl., der Henkel ist abgebrochen. Sammlung
Koller 354. H. 2^2". Durchm. 2'/8".
1646. Desgl., von ähnlicher Form. Samml. Koller 352.
H. 43/8". Durchm. 31/2".
1647. Kleines tassenförmigesGefäss, dessen Henkel
in einer oben verhüllten, unten aber in einer ithyphalliscbe
Herme, wie es scheint, auslaufenden Figur besteht. 1846 ge-
kauft. 2826. H. 2V2". Durchm. l'/g".
1648. Einhenkeliger Krug, am Hals und am Schluss
i
Die zweihenkeligen Krüge, 355
und auf der Fläche des Henkels mit zwei Köpfen und einem
Korb dazwischen verziert. Samml. Bartholdy D. 14. H. 5^4''»
Durchm. 3^/2''.
1649. Becherförmiges Geräth in Form eines Cylin-
ders, für einen Deckel, wie es scheint, eingerichtet. Der Henkel
wird durch eine gekrümmte, langgezogene nackte Frau gebildet,
ganz der Liebhaberei der Etrusker, denen dies Gefäss angehört,
entsprechend. Von den drei Füssen ist nur einer erhalten. Im
August 1834 gekauft. H. 3^j^". Durchm. 3".
Zweihenkelige Krüge.
1650. Langgezogene Amphora, mit unkenntlichen
Masken am Henkelschluss. H. S'/g"« Durchm. ö^o".
1651. Desgl., von derselben Form. Aus Pompeji, wo es
in Gegenwart Friedrich Wilhelms HL 1822 ausgegraben ist.
Geschenk des Königs. A. 3. H. 7^/4". Durchm. 4^2"-
1652. Desgl., von derselben Form. Samml. Koller 305.
H. TVs''. Durchm. 4V2".
1653. Desgl., von derselben Form, am Bauch geflickt.
H. 121/2"- Durchm. 8«/V'.
1654. Schöne etruscische Amphora von der Form
des Kraters. Die Henkel sind gegossen und laufen zu beiden
Seiten in Tritonen aus, eine gerade an dieser Stelle sehr
passende Bildung. Hals und Fuss sind reich verziert. Diese
Vase trägt das Siegel der neapolitanischen Commission der
Alterthümer, und wird daher aus Neapel stammen. H. 16^/4".
Durchm. lO«^''.
1654*- DesgL, krukenförmig, mit Henkeln, die zum Heben
eingerichtet sind. Stark restaurirt. H. 1272"- Durchm. 11",
1655. Becher (?) von graziöser Form. Samml. Bartholdy.
D. 11. H. 6V4". Durchm. 3V4".
Das Gefäss ist eiförmig, hat einen schlanken Fuss und
awei Henkel, die ganz den Schalenhenkeln des unteritalischen
Vasenstils entsprechen.
1656. Becher mit zwei Doppelhenkeln, die in Epheu-
23*
356 I^Jc dreihenkeligen Krüge. — Die sogenannten BogenspaoDer.
blätter auslaufen. Das Gefäss hat auch einen Deckel, desseir
Griff durch einen kleinen Löwen gebildet wird. H. mit Deckel
öVs"- Durchm. SVa"-
Dreihenkelige Krüge.
1657, Grosse dreihenkelige Hydria, von Consul
Spiegelthal 1855 eingesandt, nach dessen Angabe in einem
Grabe in der Nähe von Smyrna gefunden. 3095 — 97. H. l?*/^".
Durchm. 11 V2"-
Im Allgemeinen entspricht diese Hydria den so zahlreich
vorhandenen griechischen Thonhydrien schönen Stils, nur dass
sie keinen besonderen Fuss hat, wie jene. Der dritte grössere
Henkel ist durch ein grosses Weinblatt angefügt. Das Gefäss
hat einen Deckel, ist übrigens nicht besonders erhalten.
Geräthe in Form von Büchsen.
1658. Kleine cylinderförmige Büchse mit einem
durch Charnier beweglichen Deckel, dessen Knopf durch eine
Glaspaste gebildet wird. Das Gefäss ruht auf drei Füsschen
in Form von Amazonenschildchen, die genau mit den beim
Hildesheimer Fund erhaltenen übereinstimmen. Samml. Koller
411. H. 2V8"- Durchm. 4''.
Sogenannte Bogenspanner.
Als Begründung der gewöhnlichen Annahme, dass die im
Folgenden aufgeführten Geräthe zum Spannen des Bogens ge-
dient hätten, habe ich nur eine Bemerkung des auf dem Gebiet
der nordischen Alterthumskunde verdienten Gelehrten Thomsen
auffinden können, nach welcher dieselben oft zusanoonen mit
Bogen in den Höhlen der nördlichen Völker vorkämen ^). Man
sieht indess, dass dieser Umstand nicht hinreicht, um den vor-
ausgesetzten Zweck zu bestätigen, und das um so weniger, als
absolut nicht einzusehen, wie denn dies Geräth soll benutzt
sein. Zumal diejenigen, an denen sich fünf Zacken befinden —
denn es kommen solche mit drei, vier und fünf Zacken vor —
sind unter diesem Gesichtspunkt ganz unerklärlich. In Neapel
sind die Geräthe unter den zum Pferdegeschirr gehörigen
^) Vgl. Gozzadini di un antica necropoli a Marzabotto nel Bolog-
uese 1865 p. 62
Die sogenannten Bogenspanner. 357
'Gegenständen ausgestellt, ich kann aber nicht angeben, wo und
wie sie angebracht gewesen sein sollten. Auch für Schleuder-
geschosse gegen Kavallerie hat man sie erklärt, wozu aber die
Spitzen theils zu breit, theils zu dick und kurz sind. Endlich
will ich auch noch die Meinung eines Technikers anführen,
der sie für eine Art Schraubenzieher erklärt.
Uebrigens sind diese Geräthe sowohl classischen als bar-
.barischen Ursprungs.
1659. Bogenspanner aus Corneto. Samml. Dorowö42.
Die Länge dieser Geräthe ist 2^lg" — 3", differirt also sowenig,
dass wir uns mit dieser Angabe begnügen.
1660. Desgl., aus der Samml. Bartholdy. D. 64.
1661. Desgl., von Hrn. v. Staff. Aelt. Samml. F. 21.
1662. Desgl., aus Pompeji, aus dem Nachlass^des Prof.
Rösel 1844 erworben. 2765.
1663. Desgl., aus der Samml. Koller 550.
1664. Desgl., mit drei Phalli verziert, die das Geräth
gegen bösen Zauber schützen sollten.
1664*- Desgl., zu demselben Zweck mit einem von zwei
Phalli umgebenen Stierkopf verziert, eine Verbindung, die wir
schon bei den Lampen fanden. Aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben. 215.
1664^- Desgl., ganz einfach, ebendaher 214.
1665—1671. Sieben desgl.
1672 — 1674. Drei desgl., fragmentirt.
1675. 1676. Zweji desgl., mit je vier Zacken, während
die bisher aufgeführten nur drei hatten. Einer der beiden ist
etwas beschädigt.
1677. Desgl., mit fünf Zacken.
Fleischhaken (?).
Diese eigenthümlich geformten Geräthe haben manche
2um Theil abenteuerliche Erklärungen hervorgerufen, man hat
358 Die Fleischhaken.
sie für "Waffen oder für Opfergeräthe, ja sogar für Marter-
instrumente gehalten.
A. Castellani fand, nach mündlicher Mittheilung, bei den
neapolitanischen Fischern noch jetzt ein ganz ähnliches Geräth
in Uebung, das zu nächtlichem Fischfang benutzt wird. Die
Haken und der Ring, der an manchen Exemplaren vorhanden
ist, umschliessen ein Bündel Werg, das angezündet wird und
als Leuchte dient. Bei dieser Erklärung ist die Construetion
des Geräthes sehr einfach und einleuchtend und man hat sich
nur noch, um das Ganze complet zu haben, einen langen Holz-
stiel hinzuzudenken.
Indessen hat doch auch diese Erklärung ihre Bedenken..
Denn die Gegenstände, mit denen es zusammen gefunden wird,
führen doch in eine ganz andere Lebenssphäre. Man findet
es nämlich nur mit Dingen des häuslichen Lebens, insbesondere
mit Küchengeschirr zusammen. Der in etrurischen Alter-
thümern erfahrene Dennis hat es deswegen für einen Fleisch-
haken erklärt, wobei nur der Ring nicht motivirt wird, den
einige haben. So viel ich weiss, kommen diese Geräthe nur in
Etrurien vor, was auch der Hypothese Castellani's nicht
günstig ist.
Vgl. Dennis, Städte nnd Begräbnissplätze Etruriens p. 293. Anm. 3.
bull. 1869, p. 172.
1678. Fleischhaken (?) 1841 durch Prof. Gerhard an*
gekauft. 2695. L. 12".
Dies Exemplar ist bestimmt etruscisch. Man bemerkt
daran ein tektonisches Motiv, das specifisch etruscisch ist,
nämlich den Schlangenkopf, aus dem der gewundene Stiel
hervorgeht. In den etruscischen Geräthen ist dies Motiv sehr
gewöhnlich, um denUebergang von einem Theile eines Geräthes
zum andern zu vermitteln.
1679. Desgl., 1851 aus Prof. Gerhardts Besitz angekauft.
3002. Etwas beschädigt. L. 13''.
1680. Desgl., aus der Samml. Pourtal^s 1865 erworben.
3547. Mit einem Ring daran. L. llVi"-
1681. Desgl., etruscisch, mit dem Motiv des Schlangen-
kopfes wie oben. Etwas beschädigt. L. 14".
Die Kelte. 359
Kelte.
Es würde uns auf ein fremdes Gebiet führen, wenn wir
uns auf die Fragen, welche die Kelte betreffen, einlassen wollten.
Wir begnügen uns, die wenigen hier vorhandenen Kelte auf-
zuzählen und folgen in ihrer Classificirung dem Aufsatz in der
Eevue arch^ologique N. S. XIII, p. 59 ff.
1682. Kelt mit aufrechtstehenden und einwärts gebogenen
Randen. L. SVs"-
1683. Desgl., die Schneide ist durch einen Rand vom
Schaft getrennt, letzterer hat aufrechtstehende Ränder. Aus
dem Nachlass des Obristlieutenant Schmidt in Berlin 1846
angekauft. 2845. L. 6^2"-
1684. Desgl., ganz ähnlich. Aus der Huth'schen SammL
V. d. 2. L. 5V2".
1685. Desgl., ganz ähnlich, aber nicht vollständig erhalten.
1868 von einem Händler gekauft. 3581.
1686. Desgl., ähnlich. Aus der Samml. Bartholdy D.60.
L. 3 Vi''.
1687. Desgl., ohne Trennung zwischen Schaft und Schneide,
mit aufrechtstehenden Rändern. Aus dem Nachlass des Obrist-
lieutenant Schmidt in Berlin 1846 erworben. 2846. L. 3V2"*
1688. Desgl., mit dem Siegel der neapolitanischen Com-
mission der Alterthümer. L. 7^/4".
1689. Desgl. L. 4^8".
1690. 1691. Zwei desgl., einander fast gleich. h.2^ls".
bis 3V4".
1692. Desgl., mit einer Tülle versehen, die aber nicht
Löcher zur Befestigung des Schaftes hat, welcher Zweck viel-
mehr durch zwei Haken am Ansatz der Schneide erfüllt wurde.
Tülle und Schneide sind mit Streifen verziert. Aus dem Besitz
Bellori's. V. d. 5. L. 6V2''-
1693. Desgl., mit Löchern an der Tülle. Aus der Samml.
Bartholdy D. 61. L. 4V8"-
360 ^^6 Ringe. — Die Ringe mit drei Knoten.
1694. 1695. Zwei desgl. L. 4^8^' l)is 5".
1696. Desgl., statt der Tülle aufrechtstehende und ein-
wärts gebogene Ränder, das Uebrige wie an den eben auf-
geführten Exemplaren. Aus dem Besitz Bellori's. L. T^/^".
V. d. 4.
1697. Desgl.; ganz ähnlich, nur noch feiner verziert.
Soll in Athen gefunden sein. Aus der Sammlung Minutoli.
L. 91/2''- V. d. 3.
Ringe.
lieber die im Folgenden aufgeführten schweren, massiven
Ringe sind zwar Vermuthungen aufgestellt, z. B. dass sie als
Hanteln gedient hätten, wozu manche von ihnen viel zu leicht
sind, aber etwas Ueberzeugendes fehlt. Die Ringe haben stets
tibergreifende Enden, sind inwendig glatt und sehr verschieden
an Durchmesser und Dicke. Die grosse Mehrzahl der unsrigen
scheint etruscisch, von einigen istCorneto als Fundort bekannt.
1698. Schwerer massiver Ring aus Corneto. Samml.
Dorow. 556. Durchm. 4V4". Dicke 3/^".
Die beiden Enden sind mit Streifen und mit Würfelaugen
verziert, einem auf etruscischen Werken sehr gewöhnlichen
Ornament.
1699. Desgl., in dem Ornament der Enden etwas ab-
weichend, sonst fast ganz gleich. Aus der Samml. Koller 549.
Durchm. 4^8''- I>icke ^Z^".
1700. Desgl., aus Corneto. Samml. Dorow 557. Durch-
messer 3^4". Dicke 1/2"-
1701 — 1705. Fünf desgl., sämmtlich an den Enden Ver-
ziert. Durchm. von 23/^" bis 3^/4". Dicke von %'' bis ^s"-
Ringe mit drei Knoten.
1706 — 1708. Drei massive Ringe mit je drei Knoten
versehen. Aus der Sammlung Koller 469. Durchm. 8^/4".
Dicke \''.
Ungeschlossene Hohlriuge. — Riuge anderer Art. 3g 1
Ungeschlossene Hohlringe.
1709 — 1712. Vier ungeschlossene Hohlringe von
der Art, wie man sie nur diesseits der Alpen, wenn ich nicht
irre, findet. Ueber ihren Zweck ist man noch nicht im Klaren.
Unsere Exemplare sind am Rhein gefunden und 1846 erworben.
L. von 31/4 bis B'/g".
Vgl. die bei Lindenschmil Alterth. I, H. 6. Taf. 4 abgebildeten,
ganz übereinstimmenden Exemplare mit dem Text desselben.
Ringe anderer Art.
1713. Massiver Ring von eigenthümlicher Form, mit
einer Einwärtsbiegung, so dass er einem w ähnlich wird, doch
stossen die Enden dicht zusammen. L. 3". Im Jahr 1843
erworben.
1714 — 1717. Vier platte, runde Scheiben oder viel-
leicht richtiger breite Ringe zu nennen, denn es sind Scheiben
mit einer grossen runden Oeffnung in der Mitte. Die beiden
vollständigsten sind mit fünf concentrischen Kreisen verziert
und mit je einer Oese oben und unten. Vielleicht dienten
diese Ringe zum Pferdeschmuck. Am Rhein gefunden, 1846
angekauft. Durchm. 3^/3". 2905*- ^•<^-
1718. Breiter platter Ring mit Würfelaugen verziert»
Dur ehm. 4%".
1719. Desgl., ganz übereinstimmend, nur dass einerseits
drei, andererseits zwei Löcher eingebohrt sind. Durchm. 4^/^''.
1720 — 1722. Drei desgL, mit demselben Ornament,
aber ohne eingebohrte Löcher. Durchm. von 2*^/8" bis 3^/jj".
1723. Ring, mit Buckeln verziert. Kann ein Armring
gewesen sein, aber auch zu anderen Zwecken gedient haben.
Durchm. 2^8"- Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 225.
1724 — 1727. Vier desgl., fast ganz übereinstimmend.
Durchm. von 2" bis 2^4".
1727*- ^- Zwei desgl. Durchm. a: 2^2"— 1> • •^"•
j[727c. Fragment eines solchen; Zu Castel bei Saar-
362 Ringe anderer Art.
bürg gefunden. Vom Obristlieutenant Senckler 1863 er-^
worben. 3491. .
1728. Desgl., eben so verziert, aber kleiner, von der
Grösse eines grossen Fingerringes. Solche Kinge sieht man
z. B. als verzierende Mittelglieder an Candelaberschaften.
Durchm. l^jj*. 1843 angekauft. 2722.
1729. 1730. Zwei desgl., aus der Sammlung Minutoli.
N. 34. 35. Durchm. iVg"— iV*"-
1731. 1732. Zwei desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben. 54*- 55*- Durchm. 1^4" und 1".
1733—1738. Sechs desgl. Durchm. v. '/g'' bis IV4"-
1739. 1740. Zwei dicke massive Kinge, ebenfalls
gebuckelt oder sternförmig gestaltet. Aus der Samml. Koller
644. Durchm. S«/^".
1740*- Ring mit Buckeln verziert und mit einem Ring
zum Aufhängen. Durchm. 2".
1740^- Desgl., doch ohne Ring zum Anhängen. Bei
Cleve gefunden. K. 22. Aus der Samml. Minutoli. Durchm. 1",
1741. Ring von der Grösse eines Fingerringes, mit
Streifen auswendig. Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben
1742. 1743. Zwei glatte, aus der Aelt. Sammlung
N. 26. 28.
1744. 1745. Zwei desgl., aus Gerhard's Nachlass 53*-^
1746. Ein Bündel von zehn platten Ringen ver*
schiedener Grösse.
1746^ Desgl., mit neun Ringen verschiedener Grösse*
1746^- Desgl., mit sechs Ringen, darunter einer von Blei.
1747. Drei verschiedene Ringe, glatt und geriefelt
Aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844 erworben. 2785.
1748. Vier Stüc^ ringförmig zusammengewickelten
Ringe anderer Art. 3ß5
Broncedrahts, aus dem Nachlass von Professor Koss 1860
erworben. 3427.
1749. Zwei desgl.
1749*- Desgl., aus dem Nachlass des Prof. Gerhard
1869 erworben. 224.
1750. Bing, scheinbar aus Draht zusammengewickelt»
Aus dem Nachlass des Generals Kadowitz 1856 erworben.
3209.
1751. Geriefelter King, der an einer Schublade be-
findlich gewesen zu sein scheint, er wird wenigstens nach den
Enden zu schmäler und läuft in Haken aus.
1752. Bing, in schnabelförmige Enden auslaufend. Nach
allem Anschein barbarisch. Bei Cleve gefunden. Aus der
SammL Minutoli. N. 15.
1753. Ein Paar kleiner, nicht ganz geschlossener
Binge mit eigenthtimlicher, wie es scheint barbarischer
Ornamentik.
1754. Grosser Bing, an einem Zapfen hängend, der
irgendwo befestigt war.
1754*- Bing, mitten durch einen Stab halbirt. Samml.
Koller 635.
1754^- Hohler Bing, aus gewölbten Hälften zusammen-
gesetzt.
1754^- Die Hälfte eines solchen Binges. Aus der
KoUer'schen Sammlung. 434.
1754^- Massiver Bing von derselben Form.
1754®- Kleiner Bing, in Trier gefunden.
1754^- Kleines Binggewinde, jederseits in Köpfe^
etwa Schlangenköpfe auslaufend.
Ketten, Schnallen und Aehnliches.
1755. Eine Kette, aus neun gebuckelten Bingen ge-
364 Ketten, Schuallen udcL Aehnliches.
bildet, von der Art wie die 1723 ff. erwähnten. Diente
vermuthlich als Pferdeschmuck. Durchmesser des einzelnen
Ringes 3".
1756. Desgl., aus drei Ringen bestehend. Durchm. des
einzelnen Ringes 2^/2".
1757. Desgl., aus sechs glatten Ringen mit verzierten
Enden bestehend. Durchm. des einzelnen Ringes 2% "bis 3^2"-
1758. Eine lange, aus 46 meist glatten Ringen
gebildete Kette. Die Ringe sind wie ein oj gestaltet. Von
einem hiesigen Antiquar 1855 erworben. 3092.
1759. 1760. Zwei Ketten, durch je 6 und, 5 gebuckelte
Ringe gebildet, die unter sich durch je 7 (wo sie vollständig
erhalten sind) Drahtstricke zusammengehalten werden. Aus
der Samml. Koller 641. L. 1759: 141/2". 1760:128/4".
Schon Graf Caylus hat im Recueil VII, pl. 63 solche
Ketten abgebildet und sich vergeblich an ihrer Bestimmung
gemüht.
1761. Lange viereckige, aus je zweimal vier
Drähten geflochtene Kette, in Ringe auslaufend, die
•durch Haken mit einander verbunden sind. L. 4' 3".
1762. Desgl., ebenso geflochten, in Ringe auslaufend.
L. 15V2".
1763. Desgl., aus Gliedern gebildet, die einer 8 gleichen.
Bei Cöln gefunden. Samml. Minutoli. S<^- 1. L. 141/2".
1763** Desgl., aus lauter kleinen Schalen gebildet, die
an der concaven Seite an einer^Oese aufgereiht sind. L. 24'^
•
1764. Desgl., aus abwechselnd kleineren beweglichen
Drahtgliedern und steifen, spiralförmig mit Draht umwundenen
Gliedern bestehend und mit zwei Haken an den beiden Enden
versehen. Bei Cöln gefunden. Aus der Sammlung Minutoli.
L. 8".
1764*- Fragment einer Kette von 5 Ringen, aus
Pompeji, aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844 erworben.
2786.
Die Nadeln und Nägel. 565
1764^- Desgl., aus dem Nachlass des Obristlieutenant
Schmidt in Berlin 1846 gekauft. 2887.
1764^ Ein Bündel von elf grösseren und klei-
neren Fragmenten von Ketten.
1764^* Fragment von zwei längeren, an einem Kinge
befestigten Ketten. Aus der Samml. Koller 642.
1764®' Desgl. Aus Gerhardts Nachlass erworben. 198*
1764^' Ein Kästchen mit Fragmenten von Ketten
und einer Menge kleiner Nagelköpfe mit Oesen im Innern^
Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben.
Nadeln und Nägel.
1765. Ein Bündel mit sechs Nadeln, deren grösste
aus der Samml. Minutoli stammt. W. m. ß. 1 — 9.
1765** Nadel, verrostet und fragmentirt Bei Cleve
gefunden. Aus der Samml. Minutoli. S. 4. L. Ö^/g".
1765^- Verzierte Nadel, bei Xanten gefunden, von
Prof. aus'm Weerth 1854 gekauft. 3085.
1765^- Zierliche Nadel, aus dem Nachlass des Obrist-
lieutenant Schmidt 1846 erworben. 2865.i
1765^- Desgl., fragmentirt, oben meisselförmig zulaufend.
Ebendaher 2863.
1765®- VierFragmente vonBroncestäbchen. Eben-
daher. 2864.
1765^- Nadel mit einer fragmentirten Hand oben darauf.
Bei Cöln gefunden. Aus der Samml. Minutoli. S. 5.
1765«- Unverständliches nadelartiges Geräth,
einerseits mit einem Delphin, andererseits mit einem Knopf
verziert Aelt. Samml. S. 3.
1765^- Fragment einer Nadel, vermuthlich einer
Haarnadel, mit einem Frauenkopf verziert. 1846 gekauft.
2915.
366 I>ie Nadeln und Nägel.
1765^ Sieben nadel- oder auch nagelartige Ge-
rät he, zum Theil fragmentirt.
1765^- Bündel eiserner Nägel, aus Pompeji.
1765^- Eiserner Nagel, angeblich aus dem Vesuv aus-
geworfen,
1765°^- Desgl., im Innern der unten aufgeführten, in
Xanten gefundenen' Broncestatue ♦gefunden. 3411.
1765^^- Nadel mit Knopf. Aus dem Nachlass des Obrist-
lieutenant Schmidt 1846 angekauft. 2869.
1765®- Fragmentirte Nadel, die mit einem Geräth
verbunden war. Ebendaher. 2860.
1765P- Nagel vom Pantheon, aus dem Besitz Bellori's,
der diese Herkunft bezeugt. Der Nagel ist 20" lang und
2^/2" dick. Vor dem Kopf liegt ein breiter, scharfkantiger
Bing.
Vgl. Beger thes. III, p 417.
1765^- Eine Nadel, mit einer Hand bekrönt, die eine
Blume hält. Von Prof. Gerhard 1850 angekauft. 3005.
1766. Kleine Nadel oder Nagel mit rundem Kopf.
Aelt. Samml. H. 4.
1767. Desgl., mit zehnseitigem Kopf, aus Pompeji, durch
Ternite erworben. H. 6.
1768. Desgl., aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844
erworben. 2793.
1769. Ein Bündel von zehn desgl.
1770. Desgl., mit einem kleinen Ring am Kopf.
1771. 1772. Zwei Nägel mit dickem bleiausgegossenem
Kopf. L. 6V2" u. 6 1/4".
1772*- Nagel, ganz von Bronce, aus Gerhardts Nachlass
1869 erworben. 72. L. 3^lJ'.
1
Miscellaueen. 3ß7
a. Miscellaneen.
1773. Kleiner Wagen mit zwei Rädern, von der Form
der Streitwagen. Vielleicht hat dieser Wagen als Kinder-
spielzeug gedient, aber man scheint derartige kleine Wagen
auch als Weihgeschenke gegeben zu haben. In Neapel be-
findet sich wenigstens ein ähnliches Exemplar, an dem Ketten
erhalten sind, und eben diese Ketten führen wohl am wahr-
scheinlichsten auf die Annahme eines Weihgeschenks. Aus
der Samml. Koller 687.
Vgl. Mus. borb. zu tav. XV, 49.
1774. Kleiner Brunnen, der vielleicht als Kinderspiel-
zeug diente, aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 2.
Der Brunnen, oder richtiger die Pumpe, ist den heutigen
ziemlich ähnlich, es ist ein achtkantiger sich etwas ver-
jüngender Cylinder auf einer runden Basis mit spitzem Deckel
darauf. Hinten ist ein horizontal stehender Schwengel, von
dem man nicht sieht, wie er wirkte. Vorn kommt ein bogen-
förmiger Draht heraus, der offenbar den Wasserstrahl dar-
stellen soll, da er in ein Geräth mündet, das nur einen
Schlauch vorstellen kann. Auf diesem Schlauch reitet eine
komische Figur, an welcher wenigstens die komische Maske
erkennbar ist.
1775. Kleine sechseckige Kapsel, die als Schloss an
einem aus fünf beweglichen Gliedern bestehenden Ring an-
gebracht ist. Der Umfang des letzteren würde kaum für
einen Kinderarm ausreichen. Die Kapsel, deren Deckel mit
einem ganz barbarischen Kopf verziert ist, hatte im Innern
einen sehr complicirten Mechanismus, dessen Verständniss
uns aber wegen mangelhafter Erhaltung nicht gelungen ist.
Man bemerkt* im Innern eine broncene Feder hinter einem
eisernen Barren (vgl. n. 1776. 1777), an der Seite einen
kleinen Schieber nebst einem Stift, auf welchem der Deckel
anschloss, der ausserdem an seiner inneren Fläche einen
Haken zu nochmaligem Anschluss hat. Vielleicht sind alles
nur Vorrichtungen zu festem Verschluss. Aber der Zweck
des Ganzen ist uns vollständig räthselhaft.
1776. Desgl., nur die Kapsel ist erhalten, nicht der
Ring. Der Deckel ist mit einem langbärtigen, barbarischen
Kopf verziert. Aus der Sammlung MinutolL R** 11. L. l^jo".
368 Miscellaneen.
1777. Desgl., der Deckel ist mit einem unbärtigen^
ebenfalls barbarischen Kopfe verziert. Aus Gerhard's Nach-
lass 1869 erworben. 87.
1778. Visirstab eines Augurn (?) 1851 von Prof.
Gerhard an's Museum verkauft 3003. L. ll^/g".
Dieses höchst eigenthümliche Geräth besteht aus einem
oben etwas gekrümmten Stabe, worauf ein viereckiges Plätt-
chen mit Stiel befestigt ist. Die Art der Befestigung ist
höchst eigenthümlich, es sieht nämlich aus, als ob der Stiel
des Plättchens mit einem Bande angebunden wäre, es ist
also eine ganz primitive Befestigungsweise in Erz imitirt.
Man hat dies Instrument für ein Visirinstrument erklärt,
wozu eben das Plättchen gedient habe, der Augur habe mit
demselben seine sich kreuzenden Linien abvisirt. Wir müssen
diese Meinung bezweifeln, weil der gekrümmte Theil des
Stabes, der unversehrt ist, sich lange nicht so weit hemm-
biegt, als es beim Augurstab der Fall war.
Vgl. Abekeu, Mittelitalien p. 207. Das Geräth, von dem Abeken
spricht, befand sich zwar damals (1843) noch nicht in unserem Anti-
quarinm, ist aber unzweifelhaft dasselbe. Es war nach Abekeo früher
in der Sammlung Spinelll in Neapel.
1779. Kleine Broncetafel, an einem Ringe aufhängbar^
auf der einen Seite von vertikalen Linien in kleinen Distanzen
durchzogen. Vielleicht ist diese Tafel ein Notiztäfelchen.
Aus dem Nachlass von Gerhard 1869 erworben. 68. L. 3".
Br. 2V4".
1779*' Messer zu unbekanntem Gebrauch, aber
sehr fein an Griff und Klinge, mit eingravirten Spiralen ver-
ziert. Die Form des Messers ist ausgeschweift. Bei Ruvo
gefunden, durch Prof. Gerhard 1841 gekauft. 2693. L. 12«/V'.
1779^- Desgl., leicht gebogen, am Stiel ein Ring zum
Anhängen. Aus der Samml. Bartholdy D. 67. L. 7^2"«
1779*^- Desgl., von ähnlicher Form. Der Griff war mit
anderem Stoff belegt. Aus der Samml. Koller 557. L. 8".
1779^- Desgl., ebendaher 558. Nur die Klinge ist er-^
halten. L. 6^4".
1779^' Desgl. L. 2'^!^",
Miscellaneen. 369
1779'- Desgl., stärker gekrümmt, so dass es wohl eine
Sichel hat sein können. L. 4^/4".
1779 8^- Massive Wallnuss. Sammlung Bartholdy
C. 134.
1779^- Muschel, auch massiv. Aus Gerhardts Nach-
lass 1869 erworben. 88,
1779*- Würfel, ganz wie die unserigen, 1844 aus dem
Köserschen Nachlass erworben. 2788.
1779*- Kleine Zange mit eigenthümlichem Griff und
einem Schieber in Gestalt eines kleinen Hammers. Aus
Pompeji. Ebendaher. 2775.
1779^- Kleines Bronceplättchen, darauf ein mit
Ruderern besetztes Schiff und darüber die Buchstaben VPM.
Stammt aus Neapel und wurde früher in unserem Münz-
kabinet aufbewahrt.
1779"'- Geräth von Eisen, dessen Form zwei mit den
Basen gegen einander gestellten Pyramiden entspricht. Es
scheint auf drei Seiten einen Stempel zu haben.
1779"- Kleiner durchbrochener, nur mit Stäben ge-
schlossener Cylinder, in welchen links und rechts krumme
Handhaben eingreifen, deren eine fast ganz fehlt. In Cöln
gefunden. 1855 von Prof. aus'm Weerth gekauft. 3084.
1779®- Unförmliche Thiergestalt auf einem langen
Stift. 1852 hieselbst gekauft. 305l.
1779^- Broncestange, von einem Diskus in der Mitte
und zweien am Ende umgeben. Alle drei Disken sind an
ihrer ganzen Rundung durchbohrt, um Ketten aufzunehmen,
von denen noch Reste erhalten. Samml. Koller 599.
1779^* Stabartiges Anhängsel mit Knöpfen verziert
und unten in eine kleine Krone auslaufend. Aus Pompeji,
durch Ternite erworben. K. 39.
1779'- Kleine Herme mit vorgebeugtem bärtigem
Kopf. Gehörte zu einem Geräth.
Friederich«, Berlin's Antike BUdwerke. n. 24
370 Miscellaneen.
1779^- Anhängsel, eine unten in einen Knopf aus-
laufende Stange^ die an Ketten hängt, an welchen sich zwei
Haken hefinden.
1779*- Geräth, wie ein Petschaft ohne Siegel gestaltet
Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben. 216.
1779^- Kleiner Löffel, dessen Stiel zugespitzt ist,
dessen Schale aber einen eigenthümlichen, in der Mitte durch-
bohrten Ansatz hat.
1779^- Eine Hacke von Eisen. Aus Pompeji. Aus
der älteren Sammlung. V. f. e. 3.
1779^- Unbestimmbares Geräth von Bronce, be-
stehend in einer dreieckigen Spitze mit einem King daran.
Yon Herrn Vollard 1852 angekauft. 3058.
1779*- Desgl., in Form einer Lanzenspitze, an welche
sich unten ein halbkreisförmiger Ring schliesst Aus der
älteren Sammlung V. d. 1.
1779 y- Desgl., bestehend in einer Stange, die an einem
Ende durch eine Sichel abgeschlossen wird und am anderen
Ende zwei Arme mit einer Spitze zwischen beiden aussendet.
Aus der älteren Sammlung. K. 7.
1779*- Geräth aus zwei mit einander verbundenen Ringen
bestehend, wie wenn zwei Finger hineinfassen sollten. Aus
dem Rösel'schen Nachlass 1844 erworben. 2795*-
■TS
1779** ^- Messerartiges Geräth. Aus der KoU er'schen
Sammlung 588.
1779*- ^- Zwei Bronce-Streife, an beiden Seiten durch-
bohrt und an einer Seite zusammengenietet. Ebendaher. 581.
1779*-^ Eine gewölbte Scheibe, woran ein Ring
hängt. Vermuthlich von einem Kasten zum Herausziehen.
Ebendaher. 485.
1779** *• Beschlag eines Deckels einer Schachtel Aus
der Sammlung Koller. 622.
Kinderspielzeug von Blei. 371
1779*- ^- Zwei Klöppel von verschiedener Grössie. Aus
dem Köserschen Nachlass 1844 erworben. 2790.
1779*- ®- Ein kleines Bündel mit Nägeln und anderen
Geräthen. An der via latina gefunden. 1859 geschenkt.
5271—3273.
1780. 1781. Zwei räthselhafte Geräthe, oben stift-
artig und nach Art von Nähnadeln durchbohrt, nach unteu
in zwei Arme auseinandergehend, die nach ihrer Wiederverr
einigung eine herzförmige Oeffnuug zwischen sich lassen und
endlich in dreieckiger Form mit der kammartig gezahnten
Basis nach unten abschliessen. L. 3%".
1781** Nadel mit einer rautenförmigen, etwas gebogenen
Platte auf der Spitze. Vielleicht diente die Platte nur als Griff.
Kinderspielzeug (?) von Blei.
Wir führen im Folgenden unter dieser Rubrik eine An-
zahl von Gegenständen an, die möglichenfalls einem anderen
Abschnitt angehören. Es wäre möglich, dass diese kleinen
Bleisachen nur zur Ausstattung von Kindergräbern gedient
hätten und gar nicht im wirklichem Gebrauch gewesen wären,
es wäre auch möglich, dass manche, ähnlich wie wir^s an den
Weihgeschenken aus dem Menelaion sahen, Weihgeschenke
waren, doch bleibt daneben gestützt auf n. 1792 und auf die
Analogie unseres eigenen Lebens, auch die zuerst geäusserte
Annahme in ihrem Kecht.
1782 — 1791. Kleine Bleivasen, und zwar 1782 eine
kleine, massive Amphora aus der Sammlung Bartholdy p. 62
n. 10, 1783 desgl. ebendaher n. 11 mit einem gebrochenen
Henkel, 1784 desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben
n. 70, welche ein nicht verständliches Loch oben über der Mün-
dung hat, 1785 eine platte, runde Flasche aus der Samml.
Bartholdy n. 9, 1786 ein zierliches kleines Ausgussgefäss,
hohl und ganz zum wirklichen Gebrauch für Kinder geeignet,
ebendaher n. 8, 1787 ebenfalls ein Ausgussgefäss, doch von
anderer, gewöhnlicherer Form, ebendaher n. 7, 1788 eine
kleine Amphora, an deren Hals man M. T liest, 1847 von
Dr. Friedländer in Italien gekauft n. 2939, 1789 ein kleiner
24*
372 Kinderspielzeug von Blei.
Napf aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben 241, 1790 ein
fragmentirtes Geräth ebendaher 242, 1791 ein Napf.
1792. Ein länglich viereckiges Bleikästchen mit
folgendem Inhalt, ebenfalls von Blei: Ein kleiner Hirsch
(1792*), eine kleine, zierliche Schale in Form einer Muschel
(1792^), ein kleines, räthselhaftes Geräth, für das wir gar
keinen Anhalt zur Bestimmung haben (1792*^-) und endlicli
eine kleine, an den Armen zwar verstümmelte Figur, in welcher
man indess an der Tracht und Geberde leicht einen Wagen-
lenker des römischen Circus erkennt (1792^). Der Deckel
des Kastens ist fragmentirt, die Fragmente sind unter 1792*-
verzeichnet.
Dieser Kasten stammt gewiss aus einem Kindergrabe
und enthielt das Spielzeug des verstorbenen Kindes. 1841
in Italien durch Prof. Gerhard gekauft. 2711. L. 5".
1793. Astragal, genauer nur die Hälfte eines Astragais,
der also nicht praktisch zu gebrauchen war und wohl nur
einem Kinde in's Grab mitgegeben ist.
1794. Ein kleiner' Schlüssel, fragmentirt.
1795. Kleiner Helm, den Gladiatorenhelmen ähnlich,
mit geschlossenem Visir. Aus der Sammlung Bartholdy
p. 62 n. 5.
1796. Kleine Minerva, auf die Lanze gestützt, in zwei
Hälffeen hohl gegossen. Aus der Sammlung Bartholdy p. 62
n. 2. H. 3".
1797. Kleine Venus, oben nackt, unten mitflattemdem
Gewand bedeckt. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
236. H. 2V2".
1798. Victoria, ebenso ge wandet wie- die eben be-
sprochene Venus, unten verbogen. Aus der Samml. Bartholdy
p. 62 n. 4. H. 2 Vi".
1799. Desgl., ganz bekleidet, mit einem Palmzweig im
Arm. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 437. H. Vl^".
IHOO. Kleine halbbekleidete Frau mit undeutlicher
Geberde der Hände, die zudem etwas unkenntliches halten.
Anderes von Blei. 373
Aus dem Nachlass des Prof. Kösel 1844 erworben. 2796.
H. IV4".
1801. Kleiner Knabe mit einer Striegel in der Hand,
ganz rund gegossen und massiv. Aus Gerhardts, Nachlass
1869 erworben. 233. H. 2V2"-
1802. Desgl., auch mit einer Striegel. Doch sind an der
linken Hand Reste einer Kette und hinten ein Loch zur Be-
festigung, die auf eine andere Verwendung der Figur deuten.
Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben. 234. H. 2»/8"-
1803. Bärtiger Kopf mit sehr langem, etwas fragmen-
tirtem Hals, dessen Bestimmung uns vollkommen unklar ist.
Er ist in zwei Hälften hohl gegossen. Aus Gerhard's Nach-
lass 1869 erworben. 235. H. 2".
1803*" Kleiner Spiegel ohne Einsatz, aus Gerhard's
Nachlass 1869 erworben. 238. Vielleicht auch ein Weih-
geschenk.
1803^- Kleiner Schöpflöffel von Bronce, mit einem
Kopf am Stiel verziert Er sieht ganz wie ein Puppenlöffel aus.
1803^- Eine nackte Figur, auf einem unbestimmbaren
Thier sitzend, vermuthlich Kinderspielzeug.
1803^- Ein desgl. Nur zur Hälfte erhalten. Aus der
älteren Sammlung B. d. BB. 17.
Anderes von Blei.
1804. Weibliche Büste in flachem Relief, gewiss eine
Verzierung. Aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844 er-
worben. 2797. H. 1".
1804*- Männlicher Kopf, wie es scheint eine Karikatur,
in zwei Hälften gegossen. Aus der älteren Sammlung
B. c. ß. 14.
1805. Bleiplatte, die wie eine Gtirtelverzierung aus-
sieht und mit einem undeutlichen, froschartigen Gebilde ver-
ziert ist. L. 18/4". Br. IV^".
374 1^16 Bleimarken.
1806. Zwei runde Bleistäbe, 27^" und l'/g" lang^,
mit vortretenden Ansätzen, die vielleicht nur vom Guss her-
rühren. 1846 am Khein gekauft. 2925.
1807. Bleiplättchen von länglicher Form. Auf der
einen Seite stehen die Buchstaben M. P. M. auf der anderen
L. F. S.; aus dem Nachlass des Obristlieutenant Schmidt 1846
erworben. 2882.
Das Stück Ist eine Marke irgend einer Art gewesen.
1808. Rundes, ziemlich dickes Plättchen mit einem
unkenntlichen Stempel. Ebendaher. 2881. Durchm. '/s"-
1809. Massiver Bleicylinder, auf einer Seite ab-
geplattet und geriefelt, war mit dünner Bronce überzogen^
von der sich ein Stück erhalten. L. 2^/g".
Bleimarken.
Ficoroni, der im vorigen Jahrhundert eine grosse Menge
von Bleimarken gesammelt und publicirt hat, unterschied vier
Classen derselben. Zunächst diejenigen, die man an Archi-
tekturstücken, namentlich unten an Säulen Schäften eingelassen
findet und die schon durch ihren Fundort ihren Zweck ver-
rathen. Es ist eine Art von Denkmünzen, die das Andenken
des Bauherrn am Gebäude selbst verewigen sollen und dem
entsprachen auch die Typen, die den römischen Kaisermünzen
sehr nahe stehen. Eine zweite zahlreichere Classe sind die
Siegel von Diplomen, die ebenfalls officielle Typen zeigen.
Daneben kommen auch Siegel von mehr privater Natur vor^
von welchen schon oben die Rede war. Die dritte zahl-
reichste Classe bilden die kleinen Marken, die mit ganz ver-
schiedenen, sichtlich aber nicht officiellen Tj-pen, versehen
sind. Ficoroni hält sie für Einlassmarken zu allerhand
Schauspielen, und seine Meinung wird allerdings durch die
grosse Menge der auf Sieg und Kampfspiel bezüglichen Dar-
stellungen oder Symbole sehr wahrscheinlich. Viertens hat
er auch ein Amulet publicirt, das sich durch die Darstellung
in Verbindung mit dem Umstände, dass oben ein Haken an-
gebracht ist, als solches ausweist. Unbekannt war ihm eine
fünfte Classe von Bleimarken, nämlich die kaufmännischen,
die an Gewebe angehängt wurden. Sie sind sehr leicht kennt-
Die Fragmente. 375
lieh an dem langen Haken, der durch den Stoff hindurch-
gebohrt und dann wieder zur Marke zurückgebogen wurde.
Diese letzten hat man bis jetzt nur in Sicilien gefunden.
Die im Folgenden aufgeführten Marken gehören sämmt-
lich zur dritten Classe.
Vgl. Ficoroni, piombi antichi und Salinas in den Annali öeW inst.
1864 p. 343 ff. und 1866 p. 18. Smith Collect. 111, 32. VI, 16.
1809** Ein Kästchen mit 22 Bleimarken, deren Typen
noch einigermaassen kenntlich sind. Es würde zu nichts
führen sie detaillirt zu beschreiben, wir begnügen uns mit
der Bemerkung, dass der grösste Theil derselben sich auf
Glück, Keichthum und Sieg bezieht, was der oben erwähnten
Annahme Ficoroni's nur günstig ist. Es sind nämlich die
Figuren oder Embleme von Merkur, Fortuna, Victoria, die
sich öfter wiederholen; auch ein Sieger, wie es scheint, ein
Wagenlenker mit Kranz und Palmzweig kommt vor, dann ein
Wagenlenker in voller Action und ein Kämpfer, vermuthlich
ein Gladiator. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.'^
1809^* Desgl. mit 31 Bleimarken, von deren Typen
wenig oder nichts mehr zu erkennen ist. Ebendaher.
b. Fragmente.
1810. Ein Kasten mit Gefässfragmenten, Nägeln,
Fibula etc., die 1858 bei dem Schlosse Greifenstein in der
Nähe von Botzen zusammen mit dem unter n. 1021 auf-
geführten eisernen Helm und den unter n, 1154* ff. auf-
geführten eisernen Schwertern gefunden sind. Diese Fragmente
rühren namentlich von einem grösseren Gefäss her, das wie
einige altetruscische ganz ohne Löthung hergestellt ist. Auch
die Henkel sind angenietet. Die Verzierungen, namentlich
Palmettenreihen, sind etwas roh und mit wenig Verständniss
ausgeführt. Einen rein etruscischen Eindruck machen die
Stücke nicht. Besonders bemerkenswerth ist noch der Rand
eines Gefässes mit einer umlaufenden etruscischen Inschrift.
3262. 3263. 3264. 3265. 3450. 3266.
1811. Ein Kasten voll Fragmenten von Gefässen,
darunter ein grösseres Fragment eines runden Gefässes, aus
der Samml. Koller 415.
376 I^»® Fragmente.
1812. Kasten mit 7 Stück Eisengeräth, darunter
ein Bing und zwei Schnallen ziemlich erhalten. Zwischen
Mühlhofen und Engers bei Ooblenz gefanden und von dem
Bauführer Hm. Dulk dem Museum 1857 geschenkt. 3222.
1813. Kasten mit eisernen Fragmenten, Rad-
beschlägen etc.
1814. Desgl.
1815. Kästchen mit Broncefragmenten, 1869 mit anderen
Sachen gekauft. 3763.
1816. Desgl., mit anderen Sachen 1869 gekauft. 3590.
1817. Kästchen mit Broncedraht und Knochenresten
darin.
1818. Fragment mit dem Rest einer Inschrift DAC.
Aus der Samml. Bartholdy D. 70.
1819. Kästchen mit sieben Fragmenten von Geräthen.
1820. Best eines Geräthes mit einem Phallus darauf.
Aus der Samml. Bartholdy C. 101.
1821. Fragment eines Gefässes, bei Andernach ge-
funden, Geschenk des Hrn. Koch in Neuwied. 3274.
1821*- Zwei Fragmente vonGeräthen. AusderSammL
Koller 567. 636.
1821^- Geräthfragment, meisselförmig an einer Seite
gestaltet. Bei Cöln gefunden. Aus der Samml. Minutoli. R. 6.
1821°- Zwei Gerät]hfragm^ente.
1821^ Vier Fragmente eines Bleigefässes aus Pompe jL
1821® Fragment eines Geräthes, in welchem noch
das Holz erhalten ist.
■
1821'- Desgl., mit dem Rest einer Inschrift. Scheint
ein Stück einer Basis zu sein. Aus dem Nachlass des Obrist-
lieutenant Schmidt 1846 erworben. 2876.
Die grossen Broncen. 377
A. Die grossen Broncen').
Der betende Knabe, in oder an der Tiber, nach
einer weniger beglaubigten Notiz in Herculanum gefunden
und zuerst im Besitz von Papst Clemens XI, dann beim Mar-
schall Belleisle, von welchem Prinz Eugen von Savoyen ihn
für 18,000 Frcs. kaufte. Nach Eugen's Tode kaufte ein ve-
netianischer Antiquar die Statue, überliess sie aber bald dem
Fürsten Liechtenstein, und von diesem, der sie in England
in einer Lotterie wollte ausspielen lassen, kaufte Friedrich
der Grosse sie für 5000 Thlr. (5833 Vs Thlr. nach jetzigem
Werth). Sie stand zuerst im Garten von Sanssouci, dann im
kgl. Schloss zu Berlin, von wo sie in der napoleonischen
Zeit nach Paris entführt wurde.
Restaurirt ist der rechte Arm, wie der Mangel aller
Patina und die Verschiedenheit der Arbeit beweist, ausser-
dem sind am linken Fuss zwei, am rechten ein Zeh re-
staurirt, die dem grossen Zeh nächsten und der darauf folgende.
Der linke Arm war gebrochen. Man bemerkt ausserdem
einige moderne und antike Ausbesserungen. Die Statue ist
übrigens so dünn gegossen, dass sie von einem Mann ge-
tragen werden kann, während die ihr gegenüberstehende
Statue aus Xanten, die ihr in der Grösse entspricht, von vier
Männern transportirt werden musste.
Der rechte Arm ist unzweifelhaft richtig restaurirt.
Man sieht aus den Brustmuskeln, dass er dieselbe Erhebung
hatte wie der andere, und bei der Haltung des Kopfes und
des erhaltenen Armes lässt sich nicht wohl an etwas Anderes
denken, als an einen Flehenden. Denn beide Arme mit ge-
öffneten Händen, als wolle man die Gabe, um die man bittet,
in Empfang nehmen, auszustrecken, ist der natürliche und
zugleich officielle Gestus des bittenden Gebetes im Alterthum.
Aber einen betenden Knaben in abstracto darzustellen,
war schwerlich die Absicht des Künstlers. Man würde nicht
motiviren können, warum er gerade einen nackten und so
geformten Knaben gewählt habe. Der Figur fehlt alles Genre-
hafte, Allgemeine, sie weist uns durch ihre Nacktheit, durch
^) Sie siad jetzt uoch im Üubergang vom Altea zum Neuea Mu-
seum aufgestellt, sollen aber künftig im Al'.en Museum unterg^ebracht
werden. Eine Nummer konnten wir ihnen nicht geben, da sie einer
andern Abtheilung des Museums angehören.
378 ^i® grossen Broncen.
ihre edel ausgebildeten Formen, durch die kurz geschnittenen
Haare in ein bestimmtes Gebiet, es ist ein jugendlicher Athlet^
nicht ein Knabe im Allgemeinen, der hier betet, das Gebet
muss also auch ein specifisches Athletengebet, muss ein Ge-
bet um Sieg im Wettkampf sein.
Eine solche Statue setzt eine bestimmte Veranlassung
im Leben voraus und so hören wir denn auch, dass unter
den Siegerstatuen Olympia's sich mehre in betender Stellung
befanden. Zu dieser Gattung von Statuen gehört auch, wie
wir glauben, die unserige, und dass der Knabe betend dar-
gestellt ist, soll seine Frömmigkeit, dass er von der Gott-
heit, nicht von sich den Sieg hoffte, charakterisiren.
Diese Annahme wird auch durch das Bild einer im
hiesigen Antiquarium befindlichen Vase unterstützt, welche»
eine Erzgiesserei vorstellt. Die Arbeiter sind mit zwei Fi-
guren beschäftigt, einem im Ausfall stehenden Krieger und
einer nackten Jtinglingsfigur von derselben Stellung, wie die
unserige, man darf annehmen, dass beides häufiger vorkom-
mende Stellungen und Aufgaben waren; singulare Stellungen
würde man schwerlich für eine solche Darstellung gewählt
haben.
Das Vasenbild, das noch dem fünften Jahrhundert an-
gehört, ist jedenfalls älter als die Statue, die nicht über die
Zeit Alexanders hinaufgerückt werden kann. Der kleine Kopf
und die schlanken Proportionen wurden erst durch Lysippus,
den Zeitgenossen Alexanders, eingeführt, und die Behandlung
des Haares erinnert in überraschender Weise an den Apo-
xyomenos dieses Künstlers. Hier wie dort das zufällig Durch-
einandergeworfene der einzelnen Streifen und zugleich das
Vollere und Ueppigere, während früher das Haar flacher an-
liegend gebildet wurde.
Ein im vollen Sinne originales Werk ist die Statue, wie
jenes Vasenbild zeigt, nicht, aber damit soll nicht gesagt
sein, dass sie nicht mit der ganzen Liebe und Freiheit eines
Originalwerkes gearbeitet sei. Das Motiv ist überkommen,
ohne dass darum die Statue Copie wäre. Ja sie mag leicht
unter allen Figuren desselben Motives die vorzüglichste ge-
wesen sein, wie es ja aus der alten und neueren Kunst-
geschichte genugsam bekannt ist, dass begabtere Nachfolger
die Motive ihrer Vorgänger beibehielten und erst zur vollen
Schönheit entwickelten. Diese Statue ist an Reinheit und
Adel der Form ausgezeichnet, sie ist aber nicht bloss formell,
Die grossen BronceD. 379
sondern auch ethisch ebenso anziehend durch die Anspruchs-
losigkeit der ganzen Erscheinung und durch die Unschuld,
die in dem Kopf wirklich ergreifend ausgeprägt ist.
Abg. Levezow, De juvenis adorantis signo, Berolini 1808. Visconti,
Op, var. IV. zu tav. 22. Die weitere Literatur bei Friederichs in dem
Erlanger Programm zur Eröffnung des dortigen archäolog. Museums 1857.
Vgl. Benndorf im Katalog der Gypsabgüsse von Schulpforte 1864, p. 12
und Valentinelli in den atti dell' institnto veneto di scienze, lettere ed
arli XIII, scr. 3, p. 2, der mit der Venetianischen Replik, die er mit
Recht als eine antike Replik in Anspruch nimmt, auch die hiesige Sta-
tue bespricht. Die Notizen über die verschiedenen Besitzer der Statue
bei J. Friedländer, Archaeol. Anz, 1865, p. 121 ff.
Der Knabe von Xanten, am 16. Februar 1858 im
Bett des Kheins in der Nähe von Xanten gefunden. Fischer
zogen die Statue hervor, als sie die ihren Netzen hinderlichen
Steine wegräumen wollten. Am Rücken, der im Sande lag,
hat sich Patina angesetzt, alles Uebrige ist ganz glatt ge-
blieben. Die Augen waren von Silber oder Edelstein.
Die Bedeutung der Figur ist ganz unsicher, doch ist die
Stellung derselben vermuthlich die eines Wagenlenkers, der
mit der Linken die Zügel hielt. Man könnte an einen Trip-
tolemus denken, der in ähnlicher Stellung auf römischen
Münzen vorkommt, mit der Rechten den Samen über die
Erde streuend. Doch ist dies nur eine unsichere Vermuthung.
Der Kranz, der aus Blumen und Früchten von Feld und
Wald besteht, deutet wohl auf einen Gott oder Dämon des
Naturlebens.
Die Figur ist unzweifelhaft römischen Ursprunges, schon
der Fundort macht dies wahrscheinlich, wenn auch die Mög-
lichkeit nicht in Abrede zu stellen ist, dass in den römischen
Colonien am Rhein auch griechische Werke vorhanden waren.
Aber die Arbeit der Haare verräth noch deutlicher die spä-
tere Zeit. Es fehlt nämlich die detaillirte Ausführung, die
griechischen Broncen — man vergleiche nur den betenden
Knaben — sowohl den grossen wie den kleinen eigen ist.
Abg. Archae(»l. Ztg. 1860, Taf. 133. 134. vgl. p. 1 ff., wo auch
die frühere Literatur angegeben ist. Die Erklärung Wiesder s ebendas.
1861, p. 137 fusst auf der in dem obigen Aufsatz gegebenen Deutung
des Motivs, die ich jr-tzt fiir falsch halte.
Victoria, vergoldete Broncestatue, die im Februar 1836
an der Grenze der Districte von Cremona und Mantaa ge-
funden ist. Ergänzt sind die Flügel, die aber ursprünglich
vorhanden gewesen zu sein scheinen, der linke Arm mit dem
380 ^i^ kleinen Broncefigoren.
Palmzweig und das linke Bein mit Ausnahme des grossen
Zehs, der auf der Kugel zurückgeblieben war. In die rechte
Hand denke man sich einen Kranz hinein.
Die Figur repräsentirt den in der Kaiserzeit ausser-
ordentlich häufigen Typus der Victoria, die vom Sitz der
Götter auf die Erdkugel herabschwebt, um einem siegreichen
Sterblichen die Zeichen des Sieges, Kranz und Palme — denn
der linke Arm ist gewiss richtig restaurirt — zu bringen. Das
griechische Original, welches, zwar erheblich verändert, dieser
Figur zu Grunde liegt, wird unten näher besprochen werden.
Nach der Inschrift ist die Statue ein Weihgeschenk
eines gewissen M. Satrius Major, dessen Familienname in
den Inschriften des Fundortes sich öfter wiederholt. Der
Sieg, durch den sie veranlasst ist, wird wahrscheinlich der
über die Parther im Jahre 916 d. St. von Antoninus und
Varus errungene sein.
Das Löwenfell, mit dem die Figur umgürtet ist, ist an
Victorien ungewöhnlich. Vielleicht ist es als ein charakte-
ristisches Beutestück aus dem Kampf mit den wilden Bar-
baren, deren Bezwingung sie verkündet, aufzufassen. Auf-
fallend ist auch die übermässige Kürze des Oberkörpers, wo-
durch die Schlankheit der Figur gesteigert werden sollte.
Im Uebrigen ist sie immer noch für ihre Entstehungszeit ein
respektables Werk.
Vgl. bull. 1837, p. 24. 41. 137. Annali 1839, p. 73 ff., tav. B.
Die Abbildung ist übrigens ganz nn brauchbar und in Folge davon leidet
auch die Erklärung an wesenllicben Irrlhümern.
Minervenkopf, 1843 von Waagen gekauft. Der Kopf
ist vergoldet und die hohlen Pupillen waren gewiss durch
Stein oder Glas ausgefüllt. Am Helm, der im Wesentlichen
dem attischen entspricht, bemerkt man die Vorbereitung zur
Ausbesserung eines Schadens, er hat ein Loch, um welches
zum Einsetzen eines Flickens ein Quadrat bis zur halben
Dicke der Bronce ausgeschnitten ist.
Wir gestehen, dass wir dem Kopf kein besonderes In-
teresse abgewinnen können. Wir können auch keinen der
sonst bekannten Minerventypen darin wiederfinden.
Vgl. Archaeol. Ztg. 1843, p. 30.
B. Die kleinen Bronceflguren.
Diesem Abschnitt gehen als Einleitung einige Bemerkun-
gen voran, theils über den Zweck dieser kleinen Broncen,
Die kleinen Broncefiguren. 381
theils über die Principien, nach denen wir dieselben auf--
gestellt haben.
Eine Anzahl derselben war ursprünglich mit Geräthen in
Znsammenhang, was, wenn nicht ans bestimmten zurück-
gebliebenen Resten, doch an dem Motiv der Figur meistens
leicht zu erkennen ist. Wir haben zwar diejenigen, deren
tektonische Funktion einigermaassen sicher zu bestimmen
war, unter den Geräthen aufgeführt, da sie ja Geräththeile
sind und nur als solche verstanden werden können, allein es
bleiben doch manche zurück, die wir dort nicht unterzubringen
wussten und deswegen hier nachfolgen lassen. Namentlich
gilt dies von« einigen schöneren Stücken, die ausser ihrer
tektonischen Bedeutung auch noch einen selbständigen künst-
lerischen Werth haben.
Die kleinen Broncen, die frei für sich bestanden, hatten
einen vierfachen Zweck, sie waren entweder Cultbilder oder
Weihgeschenke oder Amulete oder endlich blosse Zierfiguren.
Die Cultbilder waren natürlich nicht für den öffentlichen^
sondern nur für den privaten Cult, für den Hausgottesdienst
bestimmt. Im Pompeji sind oft in den Capellen oder in den
Bildschreinen, d. h. in den Wandnischen der Privathäuser
solche kleine Idole von Bronce gefunden, unter denen die
Laren besonders häufig waren.
Ebenso gewöhnlich war der Gebrauch, kleine Broncen
als Weihgeschenke zu stiften. Wir besitzen sowohl Thiere
als menschliche Figuren, die sich durch Inschriften als solche
ausweisen. Solche Broncen werden an alten Cultstätten oft
zu vielen Hunderten beisammen gefunden, wie dies z. B. mit
einem oben auf der Falterona gemachten Funde der Fall
war^), der reicher war als irgend ein ähnlicher Fund.
Die kleinen Broncen dienten ferner als Amulete und
wurden als solche theils am Halse getragen, theils den
Todten in's Grab mitgegeben. Die ersteren sind natürlich
nur klein und kenntlich an einem kleinen Ringe, den sie
hinten zum Anhängen haben. Was die letzteren betrifft, so
ist die Sitte, den Todten Götterbilder mit in's Grab zu geben,
sehr allgemein, aber gewöhnlich sind sie doch aus anderem
Stoff, besonders aus Terrakotta fabricirt, und ein Götterbild
aus Bronce ist in anderen als etrurischen Gräbern — denn
*) Vgl. bullet, d'inst. 1838, p. 66. 1845, p. 96. Auf dem Vor-
gebirge Täiiarum wurden einmal 70 Figuren von Stieren und Pferden
gefunden, Weihgeschenke an Poseidon, bullet. 1857, p. 155.
382 ^^^ kleinen ßroncefiguren.
in diesen fehlen sie allerdings nicht ^) — etwas verhältniss-
mässig Seltenes.
Sehr zahlreich ist die Classe der Zierfiguren, unter
denen wir eine doppelte Art unterscheiden können, nämlich
diejenigen, welche mit irgend einer bestimmten Lokalität in
Verbindung standen und auf sie berechnet waren oder solche,
die nach Art unserer Nippfiguren bloss als Augenweide auf-
gestellt wurden. In Pompeji hat man auf^ Anschaulichste
verfolgen können, wieviel kleine Broncefiguren oder auch
Marmorstatuen mit bestimmten Lokalitäten des Privathauses,
namentlich mit dem Brunnen oder Bassin in Verbindung
standen, unzweifelhaft haben auch manche Statuetten in unseren
Museen ursprünglich ähnliche Beziehungen gehabt und es gilt
jetzt, diese Beziehungen wieder aufzufinden.
Hinsichtlich der anderen Art der Zierfiguren ist die
Liebhaberei der Römer für Bronceu, besonders korinthische
Broncen, bekannt^) und das berühmte herkulanische Haus, in
welchem die Papyrusrollen gefunden wurden, hat recht an-
schaulich gezeigt, dass die Zimmer der Alten wohl in der-
selben Art mit Figürchen ausgestattet waren, wie die unse-
rigen. In den verschiedenen Zimmern dieses Hauses ist eine
grosse Anzahl kleiner Broncebüsten gefunden, unter Anderem
in einem derselben die vier kleinen Büsten von Demosthenes,
Zeno, Hermarchus, Epicur^). Wir dürfen annehmen, dass be-
sonders die vielen Copien berühmter Kunstwerke, die sich
unter den kleinen Broncen finden, einst in den Zimmern ge-
bildeter Römer als Schmuck aufgestellt waren.
Das gewöhnliche Verfahren, die Antiken nach den Gegen-
ständen, die sie darstellen, zu ordnen und zu katalogisiren,
haben wir hier nicht befolgen können. Denn es ist ein rein
äusserliches und oberflächliches Princip, und der Grund, wa-
rum es fast überall adoptirt ist, offenbar auch nur dieser,
dass es sehr leicht und bequem zu realisiren ist. Etwas
Belehrendes kommt selten dabei heraus, das würde nur dann
in grösserem Maasse der Fall sein, wenn die Antiken uns so
vollständig erhalten wären, dass wir von jedem Gegenstand
vielfache Exemplare aus den verschiedensten Zeiten hätten,
und auf diese Weise überall historische Ent Wickelungen ver-
*) Vgl. Gozzadini in der zweiten Abhandlung über das sepolcreto
von Marzabotto, p. 41.
2) Vgl. z. ß. Plin. epist. III, 6. Plin. hi»t. nät. 34, 38.
^) Vgl. Antichitä, di Ercolano, bronzi I, p. 51.
Die altgriechischen Broncen. 383
folgen könnten. So aber steht es mit unsern Antiken nicht;
Alles ist lückenhaft auf uns gekommen^ und selbst da^ wo
wir eine zusammenhängende Reihe zu erblicken glauben, ist
es in vielen Fällen nur die Theorie, die in Zusammenhang
setzt, was gar nichts mit einander zu thun hat. Wenn eine
neue Juno gefunden wird, gleich wird ihr mit mathematischer
Genauigkeit ihre Stelle in der Entwickelung des Ideals an-
gewiesen, als ob das Leben sich so bewegte, dass alles
Einzelne Stufe einer Entwickelung wäre. Je mehr das Ver-
einzelte und Zufällige in der Erhaltung der alten Denkmäler
anerkannt wird, um so mehr wird die Erkenntniss des wirk-
lichen Sachverhalts wachsen.
Nach der Beschaffenheit des erhaltenen Materials wird
es, wie gesagt, nur selten möglich sein, auf solche Weise
belehrende Entwickelungen zusammenzustellen und die Fälle,
in denen es möglich ist, lassen sich auch bei anderer Auf-
stellung verwerthen, da es ja nicht die Absicht sein k^tun,
ein Princip ganz streng und rein, oder mit anderen Worten
das Princip um des Principes willen durchzuführen. Wir
suchen die Figuren im Allgemeinen historisch zu gruppiren,
wohl wissend, wie schwer das ist und wie oft man genöthigt
ist, sein Nichtwissen zu bekennen. Eben darum ist es aber
auch anregend und zum Nachdenken reizend.
Um indessen nicht subjectiven Meinungen Spielraum
zu lassen, haben wir die Perioden möglichst gross ge-
macht. Zunächst sind die Figuren nach den Völkern in
griechische, römische und etruscische geschieden und die
erste und dritte dieser Abtheilungen zerfallen nur in zwei
Perioden, während die zweite ganz ungetheilt bleibt. Wo es
freilich sicher geschehen konnte, haben wir auch auf eine .
Scheidung innerhalb der Periode hingedeutet. Auf diese
Weise treten zunächst die nationalen Unterschiede sowohl in
der Form als in der Gedankenwelt hervor und sodann wenig-
stens im Allgemeinen die historische Entwickelung. Durch
die Aufstellung ist dafür gesorgt, dass das Auge sich in der
Unterscheidung der Style, z. B. des altetruscischen und alt-
griechischen, die nicht immer leicht zu unterscheiden sind,
üben und bilden kann.
a. Die altgriechischen Broncen.
Wir beginnen die Aufzählung der Broncefiguren mit dem
alterthümlichsten Stück der ganzen Sammlung, nämlich mit
/
384 ^'^^ altgriechischen Broncen.
1822. Stier von getriebener Arbeit, ans dem Be-
sitz des Hofraths Becker in Offenbach 1837 erworben. H. S^U",
Dieser Stier, der bis auf den Schwanz und einige kleine
Beschädigungen an den Hufen vollständig erhalten ist, be-
steht aus einem Stück Blech, dessen beide Hälften sich an
verborgener Stelle, nämlich unter dem Bauch treffen und hier
vermittelst eines zwischen sie gelegten Streifens verbunden
sind. Auch die Beine gehören zu demselben Stück und sind
daher platt, blechartig, nur nach imten zu etwas dicker und
völliger. Die Homer sind natürlich besonders eingesetzt.
Die Augen waren, wie man noch zum Theil erkennt, durch
einen Kreis von Punkten mit einem grösseren Punkt in der
Mitte angedeutet Die Figur ist höchst alterthümlich und
doch durchaus nicht ohne Geschick und Verständniss der
Formen gemacht.
Eben wegen der hohen Alterthtimlichkeit des Styls ist
anzunehmen, dass die Figur einer Zeit angehört, in welcher
die Technik, mit der gewöhnlich solche Werke hergestellt
wurden, nämlich der Erzguss, noch nicht bekannt war. Es
sind uns nur wenig Werke aus dieser Zeit erhalten.
Im bullet, vom Jahre 1860, p. 9 werden ein Hahn von getriebener
Arbeit und die im britischen Musenm befindliche Büste aus dem Polle-
draregrab als die einzigen Werke dieser Technik bezeichnet, ich will
nur, um ein Missverständniss zu vermeiden, bemerken, dass diese Tech-
nik mit der Erfindung des Erzgusses natürlich nicht abstarb, sondern
neben ihm fortbestand und dass es daher aus späterer Zeit auch durch-
aus nicht an Beispielen derselben fehlt. Noch an einer Figur aus dem
Silberfund von ßernay finden wir sie. Die blosse Technik also ent-
scheidet über das Alter nicht.
1822*- Kleine Maske von Blei, die sich als Ver-
zierung an einem Geräth befand. Der Kopf ist höchst alter-
thümlich und entspricht den Pallasköpfen auf den ältesten
Tetradrachmen von Athen. Aus Athen. 1840 angekauft.
6205. H. 1".
1823. Apollo mit dem Lamm, aus der Koller'schen
Sammlung. H. 6V2"-
Man hat die Figur als Hermes erklären wollen, der uns
allerdings als Heerdengott vertrauter ist, indessen ist es nach
unserm Denkmälervorrath unzulässig, in der ältesten Kunst
einen jugendlichen, bartlosen Hermes vorauszusetzen. Bei
Homer erscheint zwar dieser Gott schon als Jüngling, allein
der Einfluss Homerischer Götteranschauungen auf die älteste
Die kleinen Broncefiguren. 385
Kunst ist ausserordentlich gering. Wir möchten auch die
Darstellung ApoUo's, der seit ältester Zeit bartlos dargestellt
wird, nicht aus dem Homer erklären, sondern vielmehr aus
der durch den Eindruck des in Apollo repräsentirten Natur-
elements bedingten Cultidee, die sich im ältesten Schnitzbild
gewiss nur in reiner bartloser Gestalt aussprechen konnte.
Denn denkt man sich die Sonne als persönliches Wesen, so
wird man sie nur, wie auch die üebereinstimmung verschie-
dener Völker in diesem Punkt zeigt, in jugendlicher Gestalt
denken können.
Apollo ist in dieser Bronce als Schützer der Heerden
dargestellt, und es ist dies eine jener traulichen, gemüth-
lichen Gruppen, wie nur die alte, man möchte sagen patriar-
chalische Zeit, sie erfinden konnte. Dass ein Gott das Thier,
das er schützt und hegt, traulich auf die Schultern legt, ganz
wie im Leben der Hirt mit seinen Schäfchen verfährt, ist in
der That ein dem alten Styl specifisch eigenthümliches Motiv,
während später das Verhältniss des Gottes zu seinem Thier
kälter wird.
Die Bronce ist von sehr alterthümlichem Styl, wie na-
mentlich die im Verhältniss zu den Hüften sehr breiten
Schultern andeuten. Denn nur die ältesten Statuen, die noch
unter dem Einfluss ägyptischer Tradition stehen, haben die
übermässig breiten Schultern. Auch die etwa» schiefe Stel-
lung der Augen ist ein sehr alterthümlicher Zug. Die sonsti-
gen Eigenschaften, die hohe Brust und das hohle Kreuz sind
allen alterthümlichen Figuren gemein.
Die Ausführung ist nicht übermässig sorgföltig.
Abg. im Berliner "Winkelmannsprogramm vom Jahre 1861.
1823*- Desgl., sehr lang und mager mit zusammen-
geschlossenen Beinen, von denen das linke etwas vorsteht.
Die beiden Arme, deren Hände verloren gegangen sind, stehen
rechtwinkelig und parallel vom Körper ab und hielten Attri-
bute, etwa wie die bekannte Statuette im britischen Museum.
H. 2%".
1824. Silen, in die Ferne schauend, aus Cypern,
von dem Finder, Prof. Schoenbom, 1852 eingesandt. 3071.
H. 3".
Schon in dieser höchst alterthümlichen Bronce ist die
Satyrnatur charakteristisch behandelt. Der Satyr ist in aller
Hast in's Knie gestürzt und sieht nun komisch verdutzt, fast
Friederichs, Berlin's Antike Bildwerke II. 25
386 Die kleinen Broncefiguren.
wie zurückgeschreckt — denn der Oberkörper ist zurück-
geworfen — nach seinem Ziel aus.
Der mit n. 701 bezeichnete Candelaber ist von einer
Silensgestalt bekrönt, die augenscheinlich mit der hier auf-
geführten auf ein Original zurückgeht. Um so interessanter
sind die Verschiedenheiten zwischen jener etruscischen und
dieser zwar in der Kindheit der griechischen Kunst, doch
aber mit lebendigem und sicherem Gefühl ausgeführten Figur.
Der etruscische Künstler hat das Motiv des Hinausschauens
ganz missverstanden und in der Bewegung und in den Formen
übertrieben und carrikirt, wie es so oft in der etruscischen
Kunst der Fall ist.
Die Figur könnte übrigens auch, wie jene etruscische,
einen Candelaber bekrönt haben, wenn es den etruscischen
entsprechende griechische Candelaber gab. Der linke Arm
fehlt.
1825. Knieender Knabe, griechischer Herkunft, 1869
gekauft. 3754. H. l^/g".
Dies Figürchen ist durchaus eigenthümlich. Die Stellung
ist die eines Knieenden, und dass die Figur nur knieend ge-
sehen und aufgestellt werden sollte, geht aufs Deutlichst«
aus dem Umstand hervor, dass die beiden Füsse vorn glatt
abgeschnitten sind. Denn eben nur durch das Wegschneiden
der Zehen wurde es möglich, dass die knieende Figur in ihrer
Position fest stand. Man denke übrigens nicht, dass die Zehen
etwa durch eine spätere Verletzung abhanden gekommen, denn
die Schnittfläche ist vollkommen regelmässig und zeigt ausser-
dem ganz dieselbe Patina wie das Uebrige.
Was die Bestimmung der Figur betrifft, so denkt man
zunächst wegen der strengen Symmetrie in der Anordnung des
Ganzen — denn wie die Beine, so bilden auch die Arme, die
am Leibe herabhängen, parallele Linien — , dass die Figur zu
einem Geräth gehört habe, allein dies kann nicht gewesen sein,
weil man nirgends die Spur eines Zusammenhanges mit etwas
Anderem bemerkt. Die Figur hat für sich gestanden, und wir
können zu ihrer Erklärung nur die Vermuthung aufstellen,
dass, wie man opfernde und betende Figuren den Göttern als
Weihgeschenke brachte, so auch knieende gestiftet wurden imd
dass diese Figur eben ein solches Weihgeschenk sei. Denn das
Knieen vor den Göttern war im Alterthum üblich.
Die Figur hat lange im Bücken und über die Schultern
Die kleinen Broncefigiiren. 337
herabfallende Locken, die mit einer reifartig vorstehenden
dicken Schnur umwunden sind. Die Ausführung ist nicht
schlecht.
Dass das Knieen vor den Göttern eine im Allerthum bekannte Ce-
remuuie war, beweist allein das bekannte Relief bei Müller-Wieseler,
Denkmäler d. A. K. II, n. 794, wo Hermes einen Supplikanten zu As-
klepios und den Grazien führt.
1826. Jüngling, sich im Speerwurf übend, aus
<ier Bartholdy 'sehen Sammlung. 10. H. SY^".
Wenn wir die etwas schüchterne und zurückhaltende Be-
wegung des Jünglings als beabsichtigt und nicht etwa durch
die Kunststufe, der ein leidenschaftlicherer Ausdruck noch
nicht gelingen wollte, veranlasst betrachten dürfen, so ist
nicht ein kriegerischer Moment, sondern eine Situation der
Palästra dargestellt. Der Jüngling übt sich im Speerwurf
und hat gerade den Speer zum Zielen erhoben. Auch der
Mangel aller sonstigen Waffen empfiehlt diese Auffassung.
Vom Speer ist übrigens nur wenig erhalten.
Die Figur ist nicht mehr so alterthümlich, wie der Apollo
mit dem Lamm, doch ist an ihr eine Eigenschaft des alten
Styls ganz besonders sichtbar, nämlich die platten, kantig
abgeschnittenen Seitenflächen. Betrachtet man die Ober-
schenkel und Hinterbacken, so sind sie völlig gerade, wie mit
dem Messer abgeschnitten, in ähnlicher Weise, wie man es
am Apoll von Thera (Bd. I, n. 2) beobachten kann. Man
bemerkt an alterthümlichen Figuren zwar auch an anderen
Theilen einen kantigen Schnitt, aber hier an den Seiten ist
es doch ganz besonders auffallend. Worin das seinen Grund
habe, ist uns noch nicht klar. Die Ausführung ist nicht sehr
sorgfältig.
Brann im Katalog der Glyptothek, p. 51 scheint die scharfkantig-e
Behandlung der alterthümlichen Statuen aus dem Einfluss der dem
Marmorstyl vorangehenden Holzskulptur zu erklären, aber ich bezweifele,
ob das zur Erklärung der erwähnten Thatsache ausreicht.
1827. Kopf (Stück von einer Statuette), wie es scheint,
männlich, mit allen Anzeichen echt alterthümlichen Styls:
schräge Linie des Profils, vorspringende Augen, schmale,
scharfkantig geschnittene Backen, lächelnder Mund, steife
Perrückenfrisur. Das Haar ist mit einem Band umwunden.
Aus der Sammlung Koller. H. 1%''.
25*
388 ^^® kleinen Broucefignren.
1828. Büste einer Frau, wie es scheint, Portrait^
ein seltenes und interessantes Stück. Die feingekrümmten
Haare sind über der Stirn in einen kleinen Knauf zusammen-
gebunden und fallen hinten breit und lang über den Rücken,
während je zwei einzelne Streifen über die Schultern auf die
Brust reichen. Die Augen sind von Silber eingesetzt. Der
Hals ist ganz und gar mit einem besonderen Gewandstück
verhüllt, in der Art, wie ich es nur noch an der bekannten
Büste des britischen Museums, die man gewöhnlich auf Attis
erklärt, gesehen zu haben mich erinnere. Nähere Auskunft
weiss ich über diese Tracht nicht zu geben. Das Gewand
ist doppelt und nach einem beliebten Motiv der alten Kunst
so arrangirt, dass sowohl Ober- als Untergewand in der
Verschiedenheit ihres Stoffes oder ihrer Falten zur Wirkung
kommen, die eine Schulter ist nämlich nur vom Untergewand
bedeckt, während von der anderen das faltenreiche Ober-
gewand ausgeht und quer die Brust durchschneidet. Das
erstere ist ähnlich, wie an so vielen Marmorstatuen, aus
feiner Wolle bestehend angenommen und am Saum mit einem
Mäander, an den Nähten der Aermel aber mit einem Streifen
von Rosetten verziert. Und hier dürfen wir wohl einmal
auf diese schöne griechische Weise 'der Gewandverzierung,
die uns Vorbild sein sollte, aufmerksam machen, nicht bloss
den Saum, sondern auch die Naht durch farbige Ornamente
— denn dass diese Ornamente farbig waren, versteht sich
von selbst und Hesse sich auch leicht durch andere Denk-
mäler beweisen — hervorzuheben. Das Obergewand ist nicht
ein einfacher Mantel, sondern ein anschliessender Ueberwurf
mit geschlitztem und wieder zusammengenesteltem Aermel,
unter welchem die Nahtverzierung des Untergewandes zum
Vorschein kommt.
Der Kopf ist besonders gegossen und dann angelöthet
An der ursprünglichen Zusammengehörigkeit beider ist nicht
der geringste Zweifel möglich, schon die Patina beweist sie.
Auch die Basis ist alt. H. 15 72"«
Eine bis auf die Verhüllung des Halses yollkommen übereinstim-
mend drapirte nnd auch im Siyl entsprechende Figur giebt Buonarotti^
Medaglioni antichi, p. 93.
1828*- Weibliche Figur mit zusammengeschlossenen
Füssen in einem nach alterthümlicher Weise angeordneten
Gewände. Die beiden Vorderarme fehlen, sie waren Ursprung-
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 339
lieh eingesetzt, man sieht noch die zu ihrer Aufnahme be-
stimmten OefFnungen. Da die Figur oben auf dem Kopfe ab-
gefeilt ist, so hat sie wahrscheinlich den Griff eines Geräthes
gebildet, worauf auch das ganze Arrangement derselben hin-
weist. Ein echt alterthümliches Werk ist übrigens die Figur
nicht. Aus der älteren kgl. Sammlung. B. c. a. aa. 1. H. 574"-
b. Die griechischen Broncen entwickelten Styls.
Es bedarf einer Vorbemerkung, nach welchen Grund-
sätzen wir die Broncen dieser Abtheilung zusammengestellt
haben. Nicht das ist unsere Meinung, dass sie in griechi-
scher Zeit verfertigt seien, sondern dass sie theils bekannte
griechische Kunstwerke wiedergeben, theils einen unverkenn-
baren und specifisch griechischen Charakter tragen. Sie
mögen erst in römischer Zeit verfertigt sein — darüber würde
nur eine in grossem Maasstabe ausgeführte chemische Unter-
suchung Auföchluss geben können — sie bleiben darum aber
ihrem ganzen Charakter nach griechisch. _^
1829. Apollo bekränzt, mit übergeschlagenen Beinen
dastehend, die Linke in die Hüfte stemmend, die Rechte auf
eine jugendliche bekleidete Herme stützend. In der rechten
Hand hat er wahrscheinlich ein Attribut, etwa den Bogen,
gehalten. Der Gott ist nackt, die zusammengerollte Chlamys
hängt vom linken Arm und der andere Zipfel von der Herme
herunter. Ein dem ApoUino verwandter Typus. Aus der
älteren Sammlung. B. a. VH. a. 1. H. 2^/4".
1830. Ganz ähnliche Figur, nur ist der Körper
nach der entgegengesetzten Seite ausgebogen. Auch fehlt die
Herme, indess ist jedenfalls der linke Arm aufgestützt zu
denken. Auch die Chlamys fehlt. Aus der älteren Samm-
lung. B. a. Vn. a. 2. H. 3".
1831. Apollo (?) wenigstens ist Gesicht und Haar das
des Apollo, während die Formen des Körpers zu robust zu
sein scheinen, was aber auch gewissen Apollotypen eigen ist.
Der ausgestreckte rechte Arm muss sich irgendwo aufgestützt
haben, dann hat er etwas in der Hand gehalten, etwa ein
Piektrum, sodass es ein vom Saitenspiel ausruhender Apollo
wäre. Der linke Arm ist verloren, ebenso die Beine vom
390 ^^^ griechischen Bronccn entwickehen Styls.
Knie abwärts. Sehr schön, nur sind die Ohren nicht aus-
geführt. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 9. H. d^jj'.
1832. Kopf der Minerva in Relief, von einem Ge-
räthe, sehr schön, so dass er griechisch sein kann. Nur sind
die Backenklappen des Helmes sehr klein ausgefallen. Aus
der Sammlung Koller. H. 2^/2".
1832* Medus^nkopf etwas seitwärts gewandt, mit
Flügeln und Schlangen. Dieser Kopf hat ganz griechischen
Charakter und ist in der That den Medusenköpfen an dem
oben aufgeführten Helm von Milo sehr ähnlich. Er könnte
auch als Helmverzierung gedient haben. H. l^ji^'»
1833. Merkur, ganz nackt, auf einem Felsen sitzend
in ähnlicher Stellung wie die berühmte Herculanische Bronce,
nur dass der Oberkörper mehr zurückgelehnt ist Die linke
Hand stützt sich auf den Felsen, in der Rechten, die auf
dem Knie ruht, hält er den Beutel. Der linke Fuss ist aus-
gestreckt, der rechte zurückgezogen, beide haben Flägelsohlen»
B. a. IX. a. 1. Aus dem Besitz Bellori's. H. 4^/2".
Abg. Beger 111, p. 236.
1833*- Schöne Büste des Merkur, der Petasus war
beflügelt, aber der eine Flügel ist aus- der andere fast ganz
abgebrochen. Oben aus dem Petasus springt ein Schwanen-
kopf hervor, der sich so anbiegt, dass ein Oehr entsteht
Die Brust wird begränzt durch zwei Akanthusranken, aus
denen rechts und links an jeder Schulter ein Füllhorn heraus-
tritt, ein Motiv, das in Broncen und namentlich in Gemmen
nicht selten ist und oft nur formelle Bedeutung hat, hier
aber doch auch materiell an seinem Platze ist, da das Füll-
horn zu den zwar, selteneren aber doch selbstverständlichen.
Attributen des Merkur gehört Hinten bemerkt man je zwei
Oesen, mit welchen die Büste an einem Geräth befestigt war.
In die durch den Schwanenkopf gebildete Oeffnung kann ein
Henkel eingegriffen haben. Aus dem Besitz Bellori's. B. a^
IK. ß, 1. H. 7V2".
Abg. bei Beger 3, p. 234.
1834. Maske des Dionysos von sehr edlem Ausdrucke
Die Augen sind von Silber eingesetzt und die Augensterne aus-
gehöhlt. Er ist mit Weinlaub bekränzt und symmetrisch hängen
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 391
links und rechts zwei Trauben gleich Ohrgeschmeiden an den
Ohren herab. Diente als Verzierung eines Geräthes. Aus der
älteren Sammlung. H. 2".
1835. Ausschauender Satyr, 1837 aus dem Nachlass
des Hofrath Beker in Offenbach gekauft H. 6".
Schon im ersten Bande unter n. 658 ist der Typus näher
besprochen, den wir in dieser Bronce vor uns haben. Unsere
Statuette repräsentirt ihn aber besser, als die dort beschrie-
bene Statue, denn hier sehen wir nicht eine jener weichen, dem
Dionysos ähnlichen Satyrgestalten vor uns, sondern einen
straffen und strammen Körper, wie er den schnellen und be-
henden Satyrn eigen ist. Dass aber gerade für einen solchen
Satyr die gewählte Situation — das neugierige und lüsterne
Hinausspähen — doppelt charakteristisch ist, bedarf keiner
weiteren Bemerkung.
Die Figur ist vortrefflich ausgeführt und wie es scheint die
beste Copie eines berühmten Originals, das nach den im ersten
Bande gegebenen Erörterungen der alexandrinischen Periode
zuzuweisen sein wird.
An der linken Hand, die er über die Augen hält, fehlt
der kleine Finger, in der gesenkten rechten hält er eine Syrinx.
1836. Schöner Silenskopf mit Hörnern, in Hautrelief,
mit Weinlaub bekränzt. Der Kopf gehörte zu einer grösseren
Composition, die dekorativ irgendwo angebracht war. Der
obere Rand des Fragmentes wird durch eine vorspringende
Büste gebildet, unter welcher ein Perlenstab hinläuft, was auf
eine Friesverzierung oder Aehnliches schliessen lässt. Aus
dem Nachlass des Prof. Rösel. 1844. 2738. H. 4".
1837. Satyr mit der Traube, aus der Sammlung Bar-
tholdy. C. 31. H. IV4".
Ein Satyrknabe hält' jubelnd eine grosse Traube in die
Höhe, um sie allen Leuten zu zeigen. Sehr hübsches und
naives Figürchen. Die Füsse fehlen. In der Linken hält er den
Hirtenstab.
1838. Lachende Maske eines jugendlichen, mit Epheu
bekränzten Satyrs von grosser Lebendigkeit und Schönheit.
Geräth Verzierung. H. IW'«
1839. Schöne bacchische Maske, in der Art tra-
gischer Masken gehalten, mit einem reichen Kranz von Epheu-
392 J^ie griechischen Broncea entwickelten Styls.
blättern und Epheublüthen geschmückt. Geräthverzierung.
H. 3''.
1840. Sehr schöne, aber schwer zu erklärende
Maske eines bärtigen, mit einer runden Mütze bedeckten
Kopfes. Der feingekämmte Bart ist so geschnitten, dass die
Form des Kinnes deutlich hervortritt und von den Ohren
nach der Nase sind, wie es scheint, Tücher ausgespannt, die
aber eben so fein gestreift sind, wie der Bart den sie be-
decken. Da man nun auch die Befestigung dieser Tücher
nicht begreift, so kommt man auf den Gedanken, dass die
Tücher nur Theile des Bartes seien, der an diesen Stellen
höher stehen gelassen und dass die Pointe des Ganzen eben
in diesem künstlich symmetrischen Bartschnitt liege. Wir
müssen die Sache unentschieden lassen. H. 2",
»
1841. Venus, sich die Sandale lösend. H. 3^4 ".
Schon im ersten Bande n. 598 — 600 ist der Typus
dieser Venus näher erörtert. Wir fügen noch hinzu, dass
das schönst^ Exemplar desselben sich seit Kurzem im briti-
schen Museum befindet. Das britische Exemplar ist eine
Statuette von etwa anderthalb Fuss Höhe und von durchaus
griechischem Charakter.
Vom rechten Arm, der an der Sandale beschäftigt war,
ist nur wenig erhalten.
1842. Venus, ihr Haar trocknend. H. 5^/4".
Der Typus, den diese Venus wiedergiebt, ist in Gemmen
und Broncen nicht selten. Es ist die dem Meer entstiegene
Göttin, die mit beiden Händen ihr Haar fasst, um die Tropfen
herauszudrücken. So hatte Apelles seine berühmte Venus
Anadyomene gemalt und sehr wahrscheinlich ist das Motiv
derselben in dieser Bronce erhalten. Die Formen der Figur
sind übrigens nicht sehr schön. Der rechte Fuss ist un-
förmlich ergänzt
1842*- Venus mit dem Apfel, aus der Sammlung
Koller. H. 68/4".
Die Göttin, mit Stirnkrone, Krobylos und lang auf die
Schultern fallenden Locken geschmückt, hält in der vor-
gestreckten Linken den Apfel, während sie mit der Rechten
wahrscheinlich die Scham bedeckte. Darauf lässt wenigstens
die Haltung des halb erhaltenen rechten Armes schliessen.
Die griechischen Broncen eDtwickeiten Styls. 395
Offenbar ist Venus in dieser Bronce vor Paris stehend zu
denken, wie sie eben den Apfel erhalten hat. Die Figur
macht durchaus den Eindruck griechischen Ursprunges.
1842**- Venus mit bittender Geberde, aus der
Sammlung Bartholdy. C. 14. H. 68/4".
Die Göttin bedeckt mit der Linken den Schooss, wäh-
rend sie die Rechte mit bittender, um Schonung bittender
Geberde ausstreckt. Schönes Motiv, wenn auch die Ausr
führung zu wünschen übrig lässt. An der rechten Hand sind
einige Finger verstümmelt.
1842*^- Derselbe Typus, aber in bedeutend schönerer
Ausführung. Der rechte Arm fehlt. Auf dem Verkauf der
Sammlung Pourtales 1865 angekauft. H. 7".
1843. Venus mit der Sandale, aus der älteren Samm-
lung. B. a V. a. 2. H. 51/4".
Es sind mehrere kleine Broncefiguren griechischer Her-
kunft erhalten, welche eine nackte Venus mit drohend er-
hobener Sandale in der Rechten darstellen. Denn so ist in
der That das Motiv der Figur aufzufassen, die Art, wie sie
die Sandale hält, lässt zusammen mit dem seitwärts gerichte-
ten Blick keine andere Erklärung zu. Wir glauben, dass
Scenen wie Lucian sie schildert, wo Venus ihrem bösen
Böhnchen Amor die derben mit der Sandale ertheilten Lec-
tionen in's Gedächtniss ruft, unsere Figur vollkommen er-
klären. Die Sandale hatte im Alterthum eine ganz ähnliche
Bedeutung, wie bei uns der Pantoffel.
Es bedarf keiner weiteren Bemerkung, dass das Origi-
nal dieser Figuren einer Zeit angehört, als man bereits mit
den Göttergestalten spielte und tändelte. Gewiss ist es nur
in kleinen Dimensionen ancipirt, ja vielleicht haben eben
diese Broncen die Originalgrösse bewahrt. Es kommt übri-
gens ein ganz übereinstimmender Typus auch aus griechischen
Fundorten vor, wo Venus statt der Sandale einen zusammen-
gelegten Strick oder etwas dem Aehnliches in der Hand hält.
Wir bezweifeln übrigens wegen der Patina die Echtheit
dieses Exemplares.
Mehrere dieser Figuren sind abgebildet, eine aus Cypern in Stackel-
berg's Gräbern der Hell. Taf. 71, eine andere aus Damaskus ist von
Merklin in dem Aphrodite -Nemesis betitelten Dorpater Programm
vom Jahre 1851 besonders herausgegeben und höchst unglßcklich er-
394 I^i® griechischen Broncen entwickelten Styls.
klärt. Die Sandale soll den Fnss als Maass bedeuten und dies Maas»
wird dann ethisch genommen, so dass hier Aphrodite als Wächterin
des Maasshaltens dargestellt sei. Die einfache Erwägung, dass ein so-
ernster Gedanke auch in ernsteren Formen dargestellt sein würde,
machte Merklin nicht, für den überhaupt die Sprache der Kunst un-
verständlich war.
1844. Amor mit Doppelflöte, aus der Sammlung^
Bellori's. B. a. XIX. a. 1. H. 10".
Schwerlich wird diese schöne Bronce anders restaurirt
werden können, als so wie es die Ueberschrift angiebt. Auf
Flötenspiel deutet die Haltung der Hände, die mit Ausnahme
einiger Finger unversehrt sind, und die Haltung des rechten
Beins beweist deutlich, dass Amor zu seinem Spiel auch
tanzt. Aehnliche Motive finden sich auf Gemmen.
Diese Bronce gehört zu den schönsten Stücken der
Sammlung^ die Kinderformen sind mit grösster Wahrheit
wiedergegeben.
Ergänzt ist fast der ganze linke Flügel.
Abg. aber falsch bei Beger III, 273.
1845. Selene, aus Bellori's Sammlung, B. a. VIIL a.4-
H. 4".
Die Göttin schwebt, getragen von ihrem Mantel, leise
mit gesenkten Fackeln zu Endymion herab. Dies ist das
Motiv der Figur, das sich in der Stellung des rechten Fusses,
der eben den Boden berührt, in dem geblähten Mantel mit
den aufwärts gerichteten Zipfeln und in den Falten desUeber-
schlages am Untergewand deutlich ausspricht. In dem leise
gesenkten Kopf glauben wir den Ausdruck der Schüchtern-
heit zu erkennen, mit dem Selene ihrem Geliebten naht. Auch
in der Art, wie sie den Fuss ausstreckt, um leise aufzutreteo,,
erkennt man die Absicht des Künstlers, die Göttin als schüchtern
herantretend zu schildern.
Dieser Typus ist in Marmorstatuen verschiedener Grösse,
unter denen die kolossale Figur im Capitol, vielleicht die am
vollständigsten erhaltene sein dürfte, sodann auch auf Sarko-
phagen mit der Darstellung des Endymion mehr oder weniger
frei copirt. Wir glauben aber, dass der Charakter des
Originals am reinsten und schönsten aus dieser kleinen Bronce
zu erkennen sei, und legen die Differenzen, die sich an ein-
zelnen Marmorstatuen finden, den Copisten zur Last. Offenbar
gehört dahin die mit dem Gewände vorgenommene Aenderung,
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 395
das in einigen Fällen anf der Schulter der Göttin aufliegt,
wodurch der ganze Keiz der von ihrem Gewände leicht ge-
tragenen Göttin verschwindet. Dahin gehört auch die Ab-
änderung, dass sie nur eine Fackel hat, während sie mit
der anderen Hand den ausgespannten Mantel hält. Durch
die beiden symmetrisch gesenkten Fackeln erscheint die ganze
Figur weit einfacher und der Ausdruck des Schüchternen und
Leisen wird eindringlicher und dominirender. Denn eben
darum senkt sie doch die Fackeln, damit ihr Glanz den ge-
liebten Schläfer nicht störe.
Wir dürfen nach unserer geringen Kenntniss der grie-
chischen Kunstgeschichte uns nicht anmaassen, die Zeit des
Originals genau bestimmen zu wollen, nur das wird wohl mit
Sicherheit behauptet werden können, dass es nicht über das
vierte Jahrhundert hinausgeht. Und ebenso dies, dass das
Original von Bronce war.
Der Mantel der Figur ist mit silbernen Sternen Über-
säet, eine bei Selene leicht verständliche Verzierung. Die
Fackeln sind bis auf den Griff verloren gegangen. Ausserdem
fehlt der rechte Fuss.
Diese Figur muss als die Perle der Sammlung bezeichnet
werden, die Ausführung ist von der höchsten Feinheit und
Präcision.
Abg. Beger III, 228.
1846. Aesculap, aus dem Besitz Bellori's. B. a. XVIL
a. 1. H. 5".
Aesculap ist in dieser Bronce zwar in der gewöhnlichen
Tracht vorgestellt, aber doch mit einem Ausdruck, der in
den Darstellungen dieses Gottes selten ist und unserer Figur
einen ganz besonderen Werth giebt. Gewöhnlich nämlich
steht der Gott da, ruhig in's Weite schauend, hier aber ist
sein Haupt gesenkt und man hat den Eindruck, als ob er
theilnehmend und voll Mitleid zu denen herabschaue, die sich
ihm nahen. Wir zweifeln nicht, dass diese für den Gott der
Heilkunde so treffende Auffassung älter ist, als die gewöhn-
liche, die ihr gegenüber etwas Kaltes und Oberflächliches
hat. Auch in der grossen Sculptur giebt es eine Statue
älterer Zeit, in welcher dieselbe Auffassung durchgeführt ist,
es ist das die schöne Statue in Florenz, die jedenfalls einen
Typus der besten Zeit noch aus dem Ende des fünften Jahr-
hunderts repräsentirt.
396 ^^^ griechischen Broncen entwickeUen Styls.
Abg. bei Beger III, 277 und in Müller -Wieseler's Denkmälern
ir, 772.
1846*- Desgl., fast ganz übereinstimmend, nur dass
Basis und Schlan^enstab fehlen. Dagegen hat die Figur einen
Modius auf dem Kopf, den wir bei Aesculap nicht verstehen.
Ob die Figur acht ist? Aus dem Besitz Bellori's. B. a.XVII.
a. 2. H. 38/4".
1846^- Aesculap in der gewöhnlichen Tracht mit ent-
blösstem Oberkörper, sitzend, neben ihm der von der Schlange
umwickelte Baumstamm, auf den er vielleicht die linke Hand
legte, die vorn etwas verstümmelt ist. In der rechten Hand,
welche fehlt, hielt er wahrscheinlich eine Schale ausgestreckt.
Er hat die Beine auf eine Fussbank gestellt. Sein Kranz
scheint ein Fichtenkranz zu sein. Die Figur diente, wie aus
Betrachtung der Rückseite hervorgeht, zu einer Verzierung,
hat übrigens griechischen Charakter und in der That einige
Aehnlichkeit mit der berühmten Statue von Epidauros, die
uns in einem Münztypus erhalten ist. Aus der Sammlung
Koller. H. 3".
1847. Narzissus, zuerst in der Sammlung des Römers
Fulvio Orsini, dann in der des Gherardo di Rossi. Durch
Bartholdy 1823 für das Museum angekauft. H. 15".
Es ist unmöglich, in diesem zarten langlockigen Jüng-
ling, der schwärmerisch wie mit ganzer Seele versunken
niederblickt, den Narziss zu verkennen, der sein eigenes Bild
in der Quelle betrachtet. Es ist nach unserer Ansicht die
schönste Darstellung des Narzissus, und die hohe Grazie der
Composition lässt auf ein Original von erheblichem Kunst-
werth schliessen. Eine genau — auch in der Grösse, wie
es scheint — übereinstimmende Bronce befindet sich in
Florenz.
Der Kranz, den der Jüngling trägt, ist wahrscheinlich
ein Narzissenkranz. Wir schliessen dies allerdings nur dar-
aus, dass er in mehreren ganz verschiedenartigen und von
einander unabhängigen Denkmälern eben denselben Kranz trägt
Die Beziehung auf Narzissus wird noch treffender, wenn
wir ihm nach Analogie so vieler Pompejanischer Figuren seine
ursprüngliche Stelle am Bassin eines Hauses anweisen dürfen,
so dass er sich im Wasser betrachtet.
Die griechischen BroDcen entwickelten Styls. 397
Die Beine waren über dem Knie gebrochen und scheinen
bei der Ausbesserung etwas zu lang gerathen zu sein.
Die richtige Erklärung dieser Figur hat Wieseler in seiner Abhand-
lung über Naizissus p. 2fS ff. gegeben, wo auch zugleich die der unserigen
völlig entsprechende florentinische Statuette abgebildet ist. Dass freilich
die Statue im Louvre, die man gewöhnlich als Todesgenius bezeichnet,
mit dieser Statuette zusammengestellt wird, scheint mir durchaus irrige
denn das für Narziss wesentliche und nothwendige Niederblicken fehlt
ihr ja, ich kann aber bei einem sichtlich mit Sorgfalt und voller Ueber-
It'gnng ausgeführten "Werk über einen so bedeutenden Umstand nicht
so leicht hinweggehen, wie Wieseler p. 32.
1848. Bä.rtiger Herkules, stehend, von seinen Mühen
ausruhend mit gesenktem Kopf. Der rechte Arm ist in die
Seite gestemmt, in der Linken hält er die Keule, deren oberes^
Stück abgebrochen ist. Das Löwenfell, welches linke Schulter
und Arm bedeckt, ist an den Spitzen nicht ganz vollständig
erhalten. Sehr schön. Aus dem Besitz Bellori's. B. a. XVL
a. 3. H. 4''.
Abg. Beger III, p. 278.
1848*- üebereinstimmende Figur. Die Löwenhaut
ist etwas verstümmelt. Aus der Sammlung Koller. H. 4V8"*
1848^- Copie des farnesischen Herkules, die in
Taormina gefunden sein soll. 1869 angekauft. H. IIV2"'
3592.
1849. Herkules mit der Schlange, aus dem Besitz-
Bellori's. B. a. XVL a. 1. H. 41/2".
Wir können diesen Knaben nicht anders als Herkules
benennen, obgleich er es nur mit einer Schlange zu thun
hat. Aber die Art, wie er mit der Schlange umgeht — die
Rechte verhindert, dass das Thier ihn umringelt, während
die Linke den Hals desselben gerade unter dem Kopfe zu-
sammendrückt — und die Naivität und Furchtlosigkeit, mit
welcher er das ohnmächtige Züngeln der Bestie beobachtet,
endlich die kräftigen ja derben Formen des Knaben lassen
wohl keine andere Erklärung zu. Sehr naiv ist die An-
strengung in den Beinen dargestellt. Wir wissen übrigens
keinen Grund dafür anzugeben, warum eine Schlange fehlt.
Die Basis der Figur ist vollständig erhalten und er-^
innert an so manche Pompejanischen Basen. Es ist die
398 I^ic griechisclieu Brouceu entwickelten Styls.
attische Form, deren oberer und unterer Wulst als Blatt-
kränze charakterisirt sind.
Die Figur war vergoldet.
Abg. bei Beger III, 283.
1850. Heros, unbärtig, ganz nackt, mit einem Kranz,
dessen Bänder auf die Schultern herabhängen. Er schreitet
stark aus und hat das rechte Bein hoch erhoben, so dass er,
womit auch der nach oben gerichtete Blick stimmt, wie auf
eine Anhöhe hinaufsteigend gedacht ist. Der Oberkörper
ist vorgeneigt, der rechte Arm fehlt vom Ellenbogen an, der
linke, dessen Ellenbogen scharf zurückgebogen, ist ohne
Hand. Das Gesicht hat etwas Aehnlichkeit mit der Herkules-
physiognomie. Man hat an Kapaneus, Thebens Mauer er-
stürmend, gedacht, was sehr wahrscheinlich ist. In der rechten
Hand muss er, wie man sieht, das Schwert, in der linken
den Schild gehalten haben. Angekauft 1837 vom Hofrath
Becker in Homburg. H. 2'/8".
1851. Büste eines jugendlichen Heros. Er hat
einen Helm auf dem Kopf, und ein Schwertriemen durch-
schneidet quer die Brust. Das Gesicht hat einen wehmüthigen
Zug und die leichte Wendung des Kopfes verstärkt noch
diesen Eindruck. Man denkt an Mars oder Achill, sieht man
sich aber nach Analogien unter den erhaltenen Denkmälern
um, so stehen entschieden die idealisirten Alexanderköpfe am
nächsten, die in der Wendung und im wehmüthigen Ausdruck
des Kopfes vollkommen tibereinstimmen. Der Helmbusch ist
abgebrochen. Reiche Spuren von Vergoldung. H. 4:^1 g*'.
1851*- Nackter Jüngling, die Brust vom Schwert-
riemen durchschnitten, mit einem Helm auf dem Kopf. Die
beiden Arme fehlen vom Ellenbogen an. Der Jüngling
schreitet mit starkem Schritt davon, während sein Kopf sich
stolz umdreht. Beide Füsse restaurirt. Es ist gewiss etwas
Heroisches. Das Motiv ist sehr schön und der ganze Charakter
der Figur griechisch. Aus der Sammlung Bartholdy. G. 53.
H. 6V2''.
1852. Athletischer Jüngling, sich salbend (?). An-
gekauft 1846 aus dem Nachlass des Obristlieutenant Schmidt.
2834. H. 5''.
Die griechischen Broucen entwickelten Styls. 399
An dieser schönen Bronce sind Hände und Füsse un-
glücklicherweise nicht erhalten, sodass über das Motiv der
Figur einige Unsicherheit zurückbleibt. Doch! nähern sich
die Arme unleugbar zu einer gemeinsamen Action gegen ein-
ander, sodass der Kreis der Möglichkeiten nicht sehr weit
ist. Man könnte an einen einschenkenden Jüngling denken,
wenn nicht die Formen vielmehr auf ein Motiv der Palästra
führten. Wir haben daher angenommen, dass die Figur in
der Rechten ein Oelkännchen hielt und damit in die Linke
goss, ein Motiv, das sich auch an Statuen findet.
Die Formen sind sehr kräftig und von der Art, wie
man sie an den gewöhnlich als polykletisch bezeichneten
Figuren findet. Nur ist der Kopf kleiner und weniger alter-
thümlich als an den letzteren. Jedenfalls macht die Figur
sowohl nach ihren Formen als nach dem Motiv einen durch-
aus griechischen Eindruck.
Jupiter.
Unter den Jupiterstatuetten ist in allen Museen, wenn
wir nicht irren, am häufigsten der Typus des Jupiter Conser-
vator vertreten. Wir kennen diesen Typus aus römischen
Kaisermünzen, besonders aus denen des Doraitian, der dem
Jupiter Conservator ein Heiligthum gestiftet hatte. Jupiter
führt diesen Beinamen als Bewahrer und Schützer in öffent-
lichen und privaten Angelegenheiten^) und es ist begreiflich,
dass wir gerade diesen Typus so oft unter den kleinen Broncen
finden, deren viele gewiss für den häuslichen Cult gedient
haben.
Zu bemerken ist übrigens, dass die Münztypen nicht
ganz genau übereinstimmen. Auf den Münzen Domitians ist
die Chlamys um die Hüfte der Figur gelegt, während sie auf
der Münze bei Buonarotti medagl. tav. 25 vom linken Arm
herabhängt ohne den Körper zu berühren. Der letzteren
Weise entsprechen meist die kleinen Broncen. Im Uebrigen
aber bleibt der Typus derselbe, die Linke hält hoch auf-
gestützt das Scepter, die Rechte etwas erhoben den Donner-
keil und die Stellung- des Körpers ist etwas ausgebogen.
1853. Jupiter, stehend, in der Rechten die Schale, in
der Linken ein Vogelscepter haltend. Die Attribute und zum
*) Vgl. PreUer Rom. xMytliol. p. 185.
400 I^Jc griechischen BroDcen entwickelten Styls.
Theil die Arme sind restaurirt, aber wohl richtig. Am Kopf
ist auch restaurirt, ja vielleicht ist der ganze Kopf neu.
Gargiulo zweifelte an der Aechtheit der Figur, doch hat sie
mehrere Stellen mit ächtester Patina. Aus der Sammlung
Koller. H. 11".
1854. Aehnliche Figur. Ergänzt sind beide Beine
von den Knien abwärts und die linke Hand mit dem Scepter.
'AKS. B. a. I, 1. H. IOV2".
Ih55. Aehnliche Figur, nur hält sie in der Rechten
statt der Schale den (fragmentirten) Donnerkeil und die Linke,
durch welche das nicht mehr erhaltene Scepter lief, ist nicht
gehoben, sondern gesenkt. Der Kopf, der nach unten geneigt
ist, trägt einen Lorbeerkranz mit einer Blüthe gerade über
der Stirn. Haar und Bart ist etwas streng angeordnet. Das
linke Bein vom Knie abwärts ist restaurirt und unter dem
linken Arm ist ein Stück eingesetzt. Gefunden in Xanten,
1830 erworben. H. 11".
1856. Aehnliche Figur, nur dass der Kopf nicht ge-
senkt ist. Der Donnerkeil in der Rechten ist nur zur Hälfte
erhalten, auch der linke Unterarm, der das Scepter hielt,-
fehlt. Yom linken Arm hängt die Chlamys herab. Die Füsse
fehlen. Der Kopf ist bekränzt. Gefunden zu Stadtlohn im
Kreis Ahaus in Westphalen. Angekauft 1861. H. b^j^'*.
1857. Derselbe Typus, nur liegt die Chlamys am
Körper an. Die Hälfte des Donnerkeils ist abgebrochen und
das Scepter in der linken Hand fehlt. Aus der Sammlung
Koller. H. S'/g".
1858. Ganz übereinstimmende Figur, nur von
besserem Styl. Das Scepter fehlt und die vordere Hälfte des
Donnerkeils. Auch hat die Figur Sandalen. Aus der Samm-
lung Koller. H. 41/8".
1859. Ganz übereinstimmende Figur, nur dass die
Chlamys frei hängt. Das Scepter fehlt. Aus der Sammlung
Bartholdy B. 1. H. ^Vs".
1860. Aehnliche Figur, aber die Stellung ist bewegter,
der rechte Arm mit dem Donnerkeil mehr ausgestreckt, der
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 401
linke Ann höher gehoben. Die linke Hand fehlt. Aus der
alt. Samml. B. a. I, 2. H. S^g".
1861. DesgL, ganz übereinstimmend. Die linke^ voll-
ständig erhaltene Hand kann nicht das Scepter gehalten
haben, aber in dem dieser rohen Nachliildung zu Grunde
liegenden Original war die Hand so gedacht. Aus der alt.
Samml. B. a. I, 3. H. 3".
1862. Ganz übereinstimmende Figur, aus derselben
Form ausgegossen. Aus der Sammlung Koller. H. 3".
1863. Desgl., nur verstümmelt Die beiden Unterarme
fehlen und das rechte Bein vom Knie abwärts nebst dem
linken Fuss sind ergänzt. Die Chlamys ist auch nicht ganz
erhalten. Aus der Sammlung Koller. H. 3".
1864. Völlig nackter Jupiter, ruhig stehend, in der
herabgesenkten Rechten den Donnerkeil, in der Linken das
Scepter haltend. Vielleicht befand sich auf dem Scepter
ursprünglich ein Adler. Gefunden in Coblenz in einem Stein-
sarge, 12 Fuss unter der Erde. 1855 in Coblenz angekauft.
H. 31/2".
1865. Jupiter, ganz nackt, die herabhängende Linke
zusammengeballt, in der hocherhobenen Rechten den Donner-
keil schwingend, etwa als Gigantentödter gedacht. Levezow
hielt diese Bronce für falsch, der Typus ist aber jedenfalls
acht, da sich im britischen Museum und sonst ganz über-
einstimmende Figuren befinden. Aus der alt. Samml. B. a.
I, 4. H. 4V4".
1865*- Nackter, bärtiger Jupiter, helmbedeckt. In
der erhobenen Linken hält er einen Blitzstrahl, in der etwas
vorgestreckten Rechten scheint er auch etwas gehalten zu
haben. Aus der Sammlung Koller. 2324. H. 3^6"-
1866. Kleine Jupiterstatuette in Hautrelief, auf
einer Platte von Chalcedon befestigt. Die Figur ist unter-
wärts bekleidet, und der eine Gewandzipfel kommt auf der
linken Schulter zum Vorschein, der andere fällt über den
Arm. Auf der linken Hand hält er den Adler, die Rechte,
welche das Scepter hielt, ist abgebrochen. Auch beide Füsse
Friederich«, Berlin'» Antike Bildwerke II. 26
402 T)ie fi^ricclilsdtea Broncon entwickelten Styls,
fehlen. Von Bunsen atls Rom 1830 an Rauch übersandt und
durch letzteren dem Museum übergeben. H. '/s"«
1866*- Nackter Jupiter, in Xanten am Rhein gefunden,
1860 angekauft 3405. H. 71/2"-
In der gesenkten Linken hat er den Donnerkeil, wäh-
rend die Rechte das nicht mehr vorhandene Scepter hielt.
Das Gesicht hat etwas Portraitartiges, worauf aber in diesem
Styl wohl kein Gewiclit zu legen. Er steht auf antiker Basis.
Diese Bronce ist für den Styl des Verfalls ausserordent-
lich charakteristisch. Der grosse Kopf, besonders aber die
Starrheit der Glieder, als wären sie zu keiner Bewegung
mehr fähig, sind die Hauptkennzeichen dieser Periode.
Jupiter Ammon.
1867. Kopf des Jupiter Ammon, schön ausgeführt
Aus der SammL Minutoli. B. a. ß. 2. H. 2V2"-
Der Kopf ist hohl gegossen und scheint der besonders
gegossene Kopf einer ganzen Figur zu sein. Der Ausdruck
ist finster, wovon wir gern den Grund wüssten.
Jupiter Serapis.
1868. Jupiter Serapis mit demModius, ganz bekleidet
mit Chiton und Himation, die Rechte liegt am Körper an,
die Linke ist erhoben und als ein Scepter haltend gedacht,
wenn auch wegen der Rohheit und Flüchtigkeit der Arbeit
nicht ausgeführt. Er steht auf einer Kugel und soll damit
wohl als Herrscher über den Erdball charakterisirt werden.
Vielleicht diente die Figur als Griff eines Geräthes. Aus der
Sammlung Koller. H. 2^1^*'.
1869. Ganz übereinstimmende Figur, aus derselben
Form, nur ist die Kugel unter den Füssen nicht mehr er-
halten. Aus der alt Samml. B. a. I, 5. H. 2V2"
1870. Ganymed mit phrygischer Mütze, die linke Hand
auf die Schulter des Adlers legend, der auf einem Stamm
sitzt, auf dessen Spitze, wie es scheint, der Donnerkeil des
Zeus quer über liegt. Ganymed hält dem Adler ein Trink-
hom hin, um ihn daraus zu tränken. Der rechte Ellenbogen
ist durch eine Stütze am Körper befestigt. Am Rücken des
Die griechischeu Broucca eulwickeKuu Slyls. 4ü3
Ganymed ist ein Stück eingesetzt, auch im Rücken des
Adlers ist ein Loch. Sehr plump, doch Nachahmung eines
öfter vorkommenden Typus. 1839 von dem königl. preuss.
Consul Herrn Wodekind zu Palermo geschenkt. H. ö^/g".
1870*- Raub des Ganymed, au einem Geräthfuss be-
findlich. Der Knabe (denn Ganymed ist hier ganz knabenhaft
dargestellt) fasst mit der rechten Hand das entgleitende Ge-
wand, während er mit der Linken den Hals des Adlers
umfasst, der ihn mit seinen Klauen an der nackten Hüfte
ergriffen hat. Der Adler ist hier der verwandelte Gott Die
Gruppe geht nicht auf das berühmte Werk des Leochare»,
sondern auf eine spätere sinnlichere Darstellung zurück. Von
dem Kunsthändler Marguier in Berlin 1845 angekauft
H. 31/2".
1871. Juno in einfachem Chiton mit Stirnkrone, in der
Rechten die Schale haltend, die Linke ist erhoben, als hätte
sie ein Scepter gehalten, und so ist die Figur auch gedacht,
wenn auch nicht ausgeführt Levezow meinte nach der Patina^
die Figur sei modern, was wir für wahrscheinlich halten.
Aus der alt Samml. B. a. H. er. 1. H. 8^/4".
1872. Neptun, Wiederholung eines sehr gewöhnlichen
Typus, wie ihn z. B. die Statue im Lateran repräsentirt.
Das rechte Bein, dessen Fuss ergänzt, war aufgestützt und
auf dem rechten Knie liegt die rechte Hand, welche einen
Delphin hält Die Linke, die vom Ellenbogen an fehlt, hielt
den Dreizack. Gefunden 1846 in Xanten. H. 38/4".
1873. Ceres, mit verhülltem Hinterkopf, wie man es
auch an iliren Statuen findet, mit einem liohen Kopfaufsatz,
vermuthlich dem Modius, über dem sich aber ein eigenthüm-
licher sichelförmiger Gegenstand befindet, in der linken Hand
drei Aehren mit einem Mohnkopf haltend, in der Rechten
eine grosse FackeV aufstützend. Aus dem Nachlass des Prof.
Ross in Halle 1800 erworben. Gefunden auf der Insel
Cypern. H. 32/3".
1874. Vulkan mit der halbeiförmigen Mütze auf dem
Kopfe, mit dem Handwerkerchiton bekleidet, der den rechten
Arm und Scliulter freilässt. In der Linken hält er die Zange,
in die Rechte, die vom Ellenbogen abwärts restaurirt ist, ist
26*
404 ^i^ griechischen Broncen entwickelten Styls,
ihm der Hammer gegeben^ gewiss mit Recht^ wie eine besser
erhaltene Wiederholung beweist An beiden Beinen unten
ergänzt. Im britischen Museum und in Wien sind ganz über-
einstimmende Figuren. Aus dem Besitz Bellori's. B. a. YI.
a. 1. H. 41/4".
Abg. bei Beger III, p. 276.
1875. Minerva mit Helm und in einfachem Chiton^ eine
noble Figur, wenn auch die Gewandung im Stil späterer Zeit
gehalten. Der Kopf ist gesenkt, die Arme sind beide fast
gluiE verloren, so dass das Motiv dunkel bleibt. Mit antiker
Sfisis. Aus Cäsarea in Gappadocien. Angekauft 1865 von
dem Dragoman der preussischen Gesandtschaft in Constantinopel
Dr. Busch. H. 10". Höhe der Basis 2". 3529.
1876. Minerva, in einfachem Chiton und Aegis, die
linke ist speerhaltend gedacht, auf der ausgestreckten Rechten
sitzt die Eule. Aus der Sammlung Minutoli. B. a. III. a. 4.
?. 38/4".
1877. DesgL, ähnlich, nur dass sie noch das Himation
hat Die linke Hand ist verstümmelt, und in der Bechten
hält sie eine Bjiospe, auf welcher die Eule sitzt. Die Figur
steht auf einer, wie es scheint, antiken glockenförmigen Basis,
die aber wohl ursprünglich nicht zur Figur gehört hat. Aus
der Sammlung Bartholdy C. 6. H. 3" ohne die Basis.
1878. Desgl., in einfachem Chiton mit Aegis und Helm,
in der Rechten die Schale, in der Linken hielt sie den Speer.
Die Figur war hinten befestigt. Aus der alt. Samml. B. a.
nj. a. 2. H. 4".
Abg. bei Beger III, p. 223.
1879. Desgl., in ganz gleicher Stellung, doch ohne
Aegis und unter der Brust gegürtet. Beide Hände und mit
ihnen die Attribute fehlen. Sie steht auf einer viereckigen
Platte. Aus der Samml. Minutoli. B. a. IH. a. b. H. 2V9'*-
1880. Desgl., mit Aegis und Himation, die Schale in
der Rechten, die erhobene Linke hielt den Speer. Aus der
Sammlung Minutoli. B. a. III. a. 3. H. 2V8"-
1881. Desgl., nur dass sie den Speer in der Rechten
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 405
hielt. Beide Hände verstümmelt. Aus der Samml. Minutoli.
B. a. IIL a. 3. H. 2^U".
1882. Desgl.; in der erhobenen Linken scheint sie den
Speer, in der Rechten, welche nicht erhalten ist, die Schale
gehalten zu haben. Gefunden in Herappel bei Trier. Mit
der Sammlung des Oberbergraths Böcking in Saarbrücken im
Jahre 1858 angekauft. 124. H. SVa".
1883. Desgl., aber der Chiton ganz verschieden an-
geordnet, und am Kücken hängt ein Himation herab, das auf
beiden Schultern aufliegt. In der erhobenen Rechten hielt
sie ursprünglich einen Speer, die Linke ist so ausgestreckt
und zusammengeballt, als sei sie einen Schild haltend zu
denken. Die Patina der Figur erregt Verdacht, auch das
Gesicht ist eigenthümlich und die Gewandung ungewöhnlich.
Aus der Sammlung Bartholdy C. 7. H. 47»".
1884. Minerva, sehr schmalhüftig, mit Chiton und
Himation, in der erhobenen Rechten hielt sie den Speer, mit
der herabhängenden Linken scheint sie einen Schild gefasst
zu haben. Sie entspricht so ziemlich dem statuarischen
Typus der Minerva Tritonia. Aus dem Kachlass des königL
Obristlieutenant Schmidt in Berlin angekauft im Jahr 1846^.
H. 38/4".
1885. Minerva, ganz ähnlich drapirt, in der Rechten
eine Schale haltend; was sie in der Linken gehalten, ist nicht
deutlich. Der Kopf ist etwas geneigt. Hinten ist der Rest
eines Zapfens sichtbar. Aus dem Besitz Bellori's. B. a. HI.
a. 1. H. 5V4".
Abg. bei Beger III, 223.
1886. Minerva ohne Kopf und Füsse, am linken Arm
den mit einem unkenntlichen Relief verzierten Schild haltend,
in der Rechten scheint sie den Speer gehalten zu haben.
Gefunden auf der Insel Cypem. Angekauft 1860 aus dem
Nachlass des Prof. Ross in Halle. H. 2".
1887. Bewegt vorschreitende Minerva, mitflattem-
dem Gewände. Beide Hände sind nicht mehr erhalten. Am
linken Arm hielt sie den Schild, in der Rechten scheint sie
W
40G r)ie griechischen Broncen entwickelten Styls.
den Speer gehalten zu haben. Aus der alt. Samml. B. a.
IIL a. 7. H. 2Va"
1888. Ganz ähnlicher Typus. In die Kechte ist der
Speer hineinzudenken. Der am linken Arm befindliche Schild
ist moderne Restauration. Die Füsse scheinen gar nicht vor-
handen gewesen zu sein. Gefunden zu Neunkirchen am Rhein.
Aus der Böcking'schen Sammlung. H. 3^4"-
1889. Kopf der Minerva, Stück einer Statue, mit
sehr hohem Helmbusch. Der Helm ist als ein menschliches
Gesicht gebildet. Gefunden am Rhein. Angekauft 1846 von
dem königl. Reg.-Baumeister a. D. H. Schauss. H. 2'/4"
Diana.
1890. Diana als Jagdgöttin^ aus der alt. Samml. B. a.
VIIL ce. 1. H. 7".
Der Typus dieser Diana, die in heftiger Bewegung be-
griffen ist und gerade einen Pfeil aus dem Köcher nimmt,
als gälte es jetzt eben, ein plötzlich sichtbar gewordenes
Wild zu erlegen, ist zwar im Allgemeinen bekannt und ge-
wöhnlich genug, doch wüssten wir unter den vielen ähn-
lichen Statuen und Statuetten eine ganz genau überein-
stimmende nicht anzuführen. Es kann diese Statuette daher
nur als eine ungefähre Copie eines schon in griechische Zeit
hinaufreichenden Originals angesehen werden.
In der gesenkten Linken hielt die Figur natürlich den
Bogen. Das rechte Bein vom Knie abwärts ist ergänzt
Abg. bei Beger III, p. 230.
1891. Desgl., ruhig stehend, mit einem Diadem auf dem
Kopfe. Sie hält den Bogen in der »Rechten. Der Köcher ist
auch auf dem Rücken angedeutet. Aus der älteren Sammlung
B. a. VIIL a, 2. H. 6".
Abg. bei Beger III, p. 230.
1892. Desgl., mit dem Bogen in der Linken; was sie
in der ausgestreckten Rechten gehalten, ist aber nicht deut-
lich. Der Köcher wird durch ein Kreuzband gehalten, und
wo die beiden Bänder sich auf der Brust durchschneiden, da
ist ein Medaillon angebracht. Das linke Bein vom Knie ab-
Die griecliischeii Broncea eutwic)Lelteii Styls. 407
wärts ist neu. Aus der Sammluug Minutoli. B. a. VIII.
a. 3. H. 3".
1893. Desgl.^ ruhig stehend mit entblösster linker Brust
In der herabhängenden Linken hält sie den halberhobenen
Bogen, mit der Rechten nimmt sie einen Pfeil aus dem Köcher.
H. 4V2".
1893*- Diana, kurz bekleidet, mit dem Köcher auf der
Schulter. Die Geberde der erhobenen Linken ist nicht klar,
die Rechte verstümmelt. H. 2V2".
1894. Büste der Diana auf einer schildförmigen Platte,
die zu einer Verzierung diente. Das Haar ist über der Stirn
in einen Krobylos gewunden. Sie hat den Köcher, und auch
der Bogen ist neben ihr angebracht. Aus dem Besitz Bel-
lori's. B. a. VIU. ß. 2. H. 4:%".
Abg. bei Beger III, 231.
1895. Desgl., nur ist der Kopf seitwärts geneigt. Das
Gewand fällt von der linken Schulter etwas herab. Sie hat
einen Köcher, dessen Band die Brust durchschneidet. H. 372"«
Merkur.
In jedem Museum ist die Zahl der Merkurfiguren unter
den kleinen Broncen sehr bedeutend, nur Fortuna und Harpo-
krates halten ihnen die Waage. Von diesen Merkurdarstel-
lungen aber sind gewiss unter zehn neun, die den Gott in
seiner Beziehung zu Handel und Erwerb darstellen. Es ist
culturhistorisch interessant, einmal die Menge der Darstel-
lungen des Handelsgottes, sowie des verwandten Begriffes der
Fortuna, die uns aus römischer Zeit und gerade aus den
Kreisen des Privatlebens erhalten sind, zu verfolgen, sodann
die ganze Entwicklung dieses Götterbegriffs von altgriechischer
Zeit an zu vergleichen. Denkt man an all die edlen Dinge,
die man in altgriechisclior Zeit im Hermes anschaute und
darstellte, an seine Beredsamkeit und palästrische Tüchtigkeit,
an seine Schnelligkeit und Gewandtheit als Göttferbote, so
erscheint die in den Broncen vorwiegende Auffassung gemein
und niedrig und man fühlt sich aus idealen Richtungen in
eine Zeit des Eigennutzes versetzt.
Die Vorstellung des Hermes mit dem Beutel in der
408 ^ic griechischen Broncen entwickelten StyU.
Hand^ wodurch er eben als Gott des Gewinns charakterkirt
wird, ist eine griechische Erfindung, wenn auch aus späterer
Zeit. Dies wird schon dadurch deutlich, dass auf den Yasen-
bildem erst ein einziges Mal und zwar auf einer Vase
späteren Styls ein Hermes mit dem Beutel zum Vorschein
gekommen ist^).
Vermuthlich ist von Lysippus oder seiner Schule der
Gedanke des beuteltragenden Hermes ausgegangen und ein
Marktplatz, für welchen ja Hermesfiguren vielfach begehrt
wurden, konnte leicht Veranlassung zu solcher Darstellung
geben. Was mich zu dieser Annahme veranlasst, ist eine
Hermesstatue im Theseum in Athen, die unzweifelhaft nach
der Haltung der fast ganz unversehrten Hand einen Beutel
trug% übrigens aber im Kopf und auch in Haltung und
Formen des Körpers so sehr an den bekannten Apoxyomenos
des Lysippus erinnert, dass sie demselben Meister oder seiner
Schule zugeschrieben werden muss.
1896. Merkur, stehend, mit Flügeln am Hut und an
den Füssen. Die Chlamys bedeckt ihn hinten und vorn. In
der Rechten hat er den Beutel, in der Linken hielt er, wie
man sieht, den Caduceus. Ein Theil der Füsse ist neu, auch
die broncene Basis. Aus dem Besitz Bellori's. B. a. IX.
a. 4. H. 4".
Abg. bei Beger III, 232.
1897. Desgl., ganz ähnlich, nur ist die Chlamys etwas
kürzer und an den Füssen, die auf einer kleinen Basis stehen,
hat er keine Flügel. Auch hier fehlt in der Linken der
Caduceus. Aus der alt. Samml. B. a. IX. a. 5. H. 374".
Abg. bei Beger III, 232.
1898. Desgl., nur fehlt die rechte Hand mit dem Beutel,
auch die Flügel des Hutes. Dagegen ist in der Linken der
geflügelte Caduceus erhalten. Aus der Sammlung Koller.
H. 2V2''.
1899. Desgl., aber die Chlamys geht von der rechten
Schulter, auf welcher sie befestigt ist, nach dem linken Arm,
1) Vgl. Brunn im bull. 1859, 103.
2) Nicht den caduceus, wie Kekule, Biidw. im Theseion p. 119
schreibt, was ich bestimmt in Abrede stellen muss.
Die ^eohischen Bronoen entwickelten Styls. 409
ohue deu vorderen Theil des Körpers zn bedecken. Er hat
in der Rechten den Beutel^ in der Linken den geflügelten
Caduceus. Der rechte Fuss ist ergänzt. Aus der alt. Samml.
B. a. IX. a. 11. H. S»/»".
1900. Desgl., aber die beiden Füsse, die rechte Hand
mit dem Beutel und ein Theil des Caduceus fehlen. Vom
linken Arm geht ein Stab zur Erde, dessen Sinn nicht deut-
lich ist. Aus der Sammlung Koller. H. 2^/4".
1901. Desgl., ganz vollständig erhalten, mit dem Beutel
in der rechten, dem geflügelten Caduceus in der linken Hand.
H. 2V4".
1902. Desgl., aber der Beutel ist verstümmelt und das
linke Bein fehlt fast ganz, das rechte vom Knie abwärts.
Aus der Sammlung Minutoli. B. a. IX. a. 7. H. 2".
1903. Desgl., ganz roh, völlig erhalten. Wie die Chlamys
gedacht ist, sieht man nur noch am Rücken. Er steht auf
einer platten Basis. Aus der alt. Samml. B. a. IX. a. 12.
n. 3".
1904. Desgl., auf einer Basis mit Hohlkehle stehend.
Der Caduceus, den er in der Linken gehalten zu haben
scheint, ist nicht mehr vorhanden. Der rechte Arm mit dem
Beutel ist restaurirt. Aus der Sammlung Bartholdy C. 22.
H. 3V2".
1905. Desgl., nur fehlt auch hier der Caduceus und
der halbe rechte Arm, der den Beutel hielt. Von weit besserem
Styl. Es scheint wegen der Löcher auf dem Kopf, dass der
Hut besonders gearbeitet und aufgeheftet war. Aus der alt.
Samml. B. a. IX. a. 10. H. 3V8".
1906. Desgl., ungefähr in der Stellung des sogenannten
Antinous vom Belvedere. Der rechte Arm und die beiden
Vorderfüsse fehlen. Er ist ohne Kappe und die nur theil-
weise erhaltenen Flügel scheinen an einem um den Kopf ge-
wundenen Bande befestigt. Angekauft aus dem Nachlass des
Obristlieutenants Schmidt in Berlin 1846. H. 3".
1907. Merkur mit Flügelhut, die Chlamys über dem
linken Arm hängend. Er hält in der Rechten den Beutel, in
410 ^ic griechischen Broncen entwickelten Styls.
der Linken scheint er den Caduceus gehalten zu haben. Beide
Füsse fehlen. Aus der alt Samml. B. a. IX. a, 6. H. 3".
1908. Desgl., nur fehlen der linke Fuss, das rechte
Bein vom Knie und der rechte Arm vom Ellenbogen abwärts.
Aus dem Nachlass des Prof. Rösel angekauft 1844. H. 2^/4".
1909. DesgL, nur hat er auch den Fitigelhut In der
Bechten hält er den Beutel, die Linke scheint den Caduceus
gehalten zu haben. Das linke Bein vom Knie abwärts fehlt
Aus der Böcking'schen Sammlung. Gefunden in Asbacher-
Hütte nahe bei Bonn. H. 31/2".
1910. Desgl., nur bedeckt die Chlamys nicht völlig den
linken Arm, sondern ein Stück des Oberarmes kommt daraus
zum Vorschein. Ganz erhalten, bis auf den Caduceus in der
Linken. Aus der Sammlung Koller. H. 3^/4".
1911. Desgl., die Chlamys bedeckt den ganzen linken
Arm. In der linken Hand hat er den Beutel, die rechte ist
mit dem Caduceus, den sie trägt, ergänzt, ebenso beide Füsse.
Aus der Sammlung Koller, H. S*^"-
1912. Merkur mit Flügeln am Kopf und einfachen
Sandalen unter den Füssen. In der Rechten hat er den
Beutel, in der Linken, an welcher etwas zu fehlen oder ab-
gefeilt zu sein scheint, hat er einen Gegenstand, der wie ein
Apfel aussieht. Die Chlamys ist auf der rechten Schulter
befestigt und fällt über die linke Schulter und Arm herab.
Die Figur ist sehr verdächtig nach Styl und Darstellung, und
die Patina ist schwerlich alt. Aus der Sammlung Koller.
H. 71/2".
1913. Merkur, mit der Chlamys, welche die ganze
Hinterseite bedeckt Er hat den Flügelhut, den Beutel in der
Linken und streckt die Reclite in rednerischer Bewegung
aus. Aus der Sammlung Koller. H. Vlo".
1914. Desgl., in vorschreitender Bewegung. Er hält
den Beutel in der Rechten und hatte in der Unken den
Caduceus. H. b%'\
1915. Merkur, ganz nackt, mit Flügeln am Kopf, deren
einer verstümmelt Auf der rechten Hand wie darreichend
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 4ll
streckt er den Beutel aus, in der Linken hat er auch ein
Attribut gehalten, wahrscheinlich den Caduceus. Aus der alt.
Samml. B. a. IX. a. 8. H. 2V2".
1916. Desgl., von den Attributen sind aber nur die
Kopfflügel vorhanden. Der rechte Arm fehlt fast bis zuÄ
Ellenbogen. Der linke Fuss, und zum Theil auch der rechte,
ist restaurirt Aus der alt Samml. B. a. IX. a, 9. H. 272"«
1917. Desgl., ganz nackt, in der herabhängenden
Rechten den Beutel haltend, in der Linken hielt er den Cadu-
ceus. Die Flügel am Hut und der linke Fuss sind beschädigt.
R a. IX. or. 15. Aus der Sammlung Minutoli.' Bei Cleve
gefunden. H. 2^8 "•
1918. Desgl., ganz nackt, in der Rechten den Beutel
haltend, in der Linken befand sich wahrscheinlich der Cadu-
ceus. Aus dem Nachlass des Obristliöutenant Schmidt in
Berlin 1846 angekauft. H. 4V2".
1919. Desgl., ganz ucfckt, mit dem Flügelhut, dessen
Flügel beschädigt sind. In der Linken scheint er den Cadu-
ceus gehalten zu haben, die Rechte, welche fehlt, hielt wahr-
scheinlich den Beutel. Auch der rechte Fuss fehlt. Aus der
Böcking'schen Sammlung. Gefunden in Tolly am Rhein.
H. 7V4".
1919*- Desgl., aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben.
Der linke Fuss fehlt.
1920. Desgl., ganz nackt, nur kenntlich an den Flügeln
am Kopf. Denn beide Unterarme mit den Attributen fehlen.
Aus der Böcking'schon Sammlung. Gefunden in Herappel
bei Trier. H. 5".
1921. Desgl., sitzend, mit Flügelhut, die Chlamys fällt
hinten den Rücken lünab. Die erhobene Rechte hielt ein
Attribut, ebenso die auf dem Felsen ruhende Linke, denn
beide sind durchbohrt. Die Figur hat auch eine Basis. Aus
der alt. Samml. B. a. IX. «. 2. H. 2V2".
1922. Desgl., nur fehlt der Fels, auf dem er sitzend zu
denken. In der Rechten hält er den Beutel, die Linke hielt
ursprünglich den Caduceus. Die Flügel am Hut sind ver-
412 ^^ griechischen Bronoen entwickelten Styls.
istümmelt. B. a. IX. a. 3. Aus der Sammlung Minntoli
H. 2V3".
1923. DesgL, auf einem Felsen sitzend, in der Linken
den Beutel haltend, die Rechte auf den Felsen stützend. Am
Flflgelhut sind die Flügel etwas beschädigt Die Chlamys,
die auf der rechten Schulter befestigt ist, bedeckt fast die
ganze Brust. Die Figur war irgendwo angesetzt, es ist hinten
noch ein Zapfen erhalten. Aus der Sammlung Koller. H. 2^2".
1923^' Büste des Merkur, auf einer schildförmigen
Platte, die zu einer Verzierung diente. Der eine Flügel des
Hutes ist abgebrochen. Die Chlamys ist auf der rechten
Schulter befestigt und geht über die linke Schulter nach hint^
hin. Aus der alt königl. Samml. B. a. IX. ß. 2. H. 8^2".
Abg. bei Beger III, 238.
1923^- Geflügelter Caduceus, ganz erhalten. Ob er
von einer- Statue herrührt und nicht vielmehr für sich, etwa
als Weihgeschenk, fabricirt wurde, ist nicht zu entscheiden.
Aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844. H. 3".
1923*'- Geflügelter Merkurshut, in der Mitte durch-
bohrt. Ebendaher. H. ^Z^".
Mars.
1924. Mars, bärtig, mit Helm, römischem Panzer und
Beinschienen, in der Linken die Lanze aufstützend, in der
ausgestreckten Rechten das Schwert haltend. Die Chlamys
hängt ihm vom linken Arm herab. Es ist derselbe Typus,
wie in römischen Marmorstatuen, z. B. in der capitolinischen.
Aus der Sammlung Koller. H. 3^/^".
1925. Mars, unbärtig, nackt, mit dem Helm. Die Füsse
fehlen. Von dem rechten erhobenen Arm fehlt der Vorder-
arm, die linke Hand scheint etwas gehalten zu haben, was
ein Schwert gewesen sein kann. Der rechte Arm stützte
wohl die Lanze auf. Gefunden zu Toley am Rhein. Aus der
Böcking'schen Sammlung. H. 5''.
1925»- Desgl., derselbe Typus. Der linke Arm fehlt
Von dem Oberstlieutenant Tenkler 1863 angekauft 3481.
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 413
1926. Desgl., derselbe Typus. Beide Beine und beide
Arme zur Hälfte verstümmelt Gefunden zu Saarburg in der
Nähe von Trier, Aus der Böcking'schen Sanmilung. H. 1^/4".
1927. Desgl., derselbe Typus. Beide Arme halb ver-
stümmelt, auch das linke Bein, während das rechte bis zur
Wade erhalten ist Gefunden bei Cleve. B. a. IV. a. 3. Aus
der Sammlung Minutoli. H. 2".
1927*' Mars, genau übereinstimmend mit dem auf
römischen Münzen, z. B. denen des Vespasian, vorkommenden,
ein Siegeszeichen tragenden Mars. Er hat Helm und Bein-
schienen, und der verstümmelte Gegenstand in seiner Linken
ist eben das Tropäum, während für die Rechte die Lanze
vorauszusetzen. Er geht tänzelnd auf den Fussspitzen, auch
die um den Leib gewickelte Chlamys mit zurückflattemden
Zipfeln ist den Tänzern eigenthümlich, so dass es scheint,
als solle die Freude über den errungenen Sieg in seiner
Stellung ausgeprägt werden. H. 3^/4".
1927^* Kleine Herme des Mars mit dekorirtem Schaft
Geräthverzierung. Aus der älteren Sammlung. B. a. IV. ß. 2.
H. 2".
1927^- Kleine Reliefplatte, worauf, wie es scheint,
Mars in seinem Tempel dargestellt ist. Er thront halbnackt
mit Lanze und Schwert in den Händen und mit einem Helm
auf dem Kopf. Panzer und Schild lehnen an seinem Sitz.
Vor ihm steht ein Palmbaum und der Tempelbrunnen, an
welchem ein undeutlicher Vogel sich befindet. Am Fuss des
Tempels sind Eroten dargestellt
Venus.
1928. Venus, sich im Spiegel betrachtend, aus der
Barthold/schen Sammlung. H. 5^4"-
Venus hält sich einen Klappspiegel vor das Gesicht,
dessen Deckel bis auf das Chamier nicht erhalten ist Si^
ist nackt, trotzdem aber reich geschmückt mit silbernen Arm-
und Fussringen und mit einem in Silber eingelegten Hals-
band. Besonders merkwürdig, aber ist der in einem Ohr»
erhaltene Ohrring, bestehend in einer mit Golddraht be-
festigten Perle.
41 4 I^i® griechischen Broncen entwickelten Styls.
Die ithyphallische Herme, worauf sie sich stützt, be-
zeichnet den Charakter dieser Venus, die schwerlich auf einen
älteren griechischen Typus zurückzuführen ist. Es kommen
mehrere Venustypen vor, in denen die Göttin einen Spiegel
hält, immer aber ist es dann zum Zweck der Haaranordnung,
während es hier nur der Ausdruck reiner Selbstgefälligkeit
ist. Dieser Action entspricht auch der reiche Schmuck.
Abg. bei Gerliard. Uebcr Agathodämoii und Bona Dea, Taf. 4, 2.
In Neapel ist nuter n. 1661 ein iilinlieh»?b Figiiivlicii, dessen Spiegel
ganz erhalten ist.
1929. Venus, halb bekleidet, das Gewand ist um den
unteren Theil des Körpers zusammengeschlagen. Sie hat eine
Stirnkrone und fasst mit beiden Händen ihr Haar, das sie
ordnet. Aus der älteren Sammlung. B. a. V. d. 7. H. 2^2"-
1930. Kleine nackte Venus, die als Amulet diente,
man sieht nämlich ein Loch, an dem sie aufgehängt war.
Aus der älteren k. Sammlung. H. 1'^
•
1931. Desgl., auch als Amulet gebraucht, da sich hinten
am Bücken ein Oehrchen befindet. H. * g".
1932. Ganz übereinstimmend, auch mit einem Oehr-
chen hinten am Kücken. H. ^/g".
1932*- Eine halb bekleidete Venus, die mit der
Kechten den Zipfel des Gewandes über die Schulter vom
Rücken aus zu ziehen sucht. Sie hält im linken Arm eine kleine
Figur, die nach der Form des Beins ein Pan zu sein scheint
Das Figürchen diente als Amulet, am Halse sieht man ein
Loch durcligebohrt zum Aufhängen. H. l^o''-
1933. Venus, ganz nackt, mit einer Stirnkrone. Auf
der ausgestreckten Linken sitzt eine Taube.' Aus der älteren
Sammlung. B. a. V. a. 1^- H. 6V4".
1934. Desgl., die Hand vor die Scham haltend. Locken
hängen ihr auf die Schultern herab. An der Figur ist viel
restaurirt, namentlich der linke Arm und das linke Bein, und
die Restauration ist sehr schlecht ausgefallen. B. a. V. er. 3.
Aus dem Besitz Bellori's. H. 5%''.
Abg. bei ßeger III, 268.
Die grlechisihen ßronceii entwickelten Slyls. 41 5
1935. Desgl., in der Rechten eine Muschel (?) haltend,
die Linke ist erhoben und hat etwas gehalten, was ein Scepter
gewesen ist oder ein Ding mit einem Stiel, vielleicht ein
Spiegel. Der linke Fusß fehlt. Aus der alt. königl. Samml.
B. a. V. a. 4. H. SVa".
1936. Desgl., in scheusslichem Styl. Beide Arme sind
abgebrochen. Die Figur trägt ein hohes ausgezacktes Diadem.
B. a. V. a. 6. Aus der Sammlung Minutoli. H. 3^/4''.
1937. Venus (?) eine mit einfachem Chiton bekleidete,
sehr mädchenhafte Figur, den linken Arm in die Seite stem-
mend, auf der ausgestreckten Rechten einen Apfel haltend.
Die Figur ist uns ein wenig verdächtig. Aus der älteren
Sammlung. B. c. a. aa. 2. H. 4^/4".
1938. Venus, ihr Haar ordnend oder austrocknend,
sehr roh. H. 3".
1939. Venus, ganz nackt^ in der Stellung der medi-
ceischen Venus, nur der Kopf ist gerade aus gerichtet.
H. 1V2".
1939*- Venus (?) in abscheulichem Styl, ganz nackt^ mit
einem Halsband und Löchern für Ohrringe, auch Armbändern,
gerade stehend, die Füsse neben einander. Die rechte etwas
beschädigte Hand ist erhoben, die linke fehlt vom Armband
an. Beide Beine von der Wade an sind ergänzt. H. 6".
1939^- Büste der Venus mit Diadem, aus einem
Blumenkelch hervorgehend. Die linke Brust ist entblösst
Vermuthlich Geräthverzierung. Aus der älteren königl. Samm-
lung. H. 18/4".
1940. Amor, in eiliger Bewegung, den linken fast bis
an den Ellenbogen abgebrochenen Arm erhebend, während
der rechte, der etwas gehalten zu haben scheint, gesenkt ist.
B. a. XIX. «. 2. Aus der Sammlung Minutoli. H. 4^3''.
1941. Amor, in der herabhängenden Linken eine Traube
haltend, auch die erhobene Rechte hielt etwas, da sie durch-
bohrt ist. Aus der älteren königl. Sammlung. B. a. XIX.
a. 3. H. 3".
Abg. bei Beger 111, 274.
416 ^^^ griechisebe« ßroncea entwiekeitea Styl^
1942. Amor, aus einem Salbfläschchen, das er in der
Rechten hält^ in ein mnschelförmiges Gefäss eingiessend.
B. a. XIX. a. 4. Aus der Sammlung MinutolL H. 2".
1943. Amor^ einen Krug auf der Schulter tragend.
War irgendwo ajs Verzierung angesetzt. Der linke Fuss
fehlt. B. a. XIX. a. 5. Aus der Samml. Minutoli. H. 1%".
1944. Ganz ähnliche Darstellung, nur trägt er den
Krug auf der linken Schulter. Der linke Flügel ist fast ganz
verloren. Aus der älteren königl. Sammlung. B. a. XIX
a. 10. Gefunden bei Cleve. H. 2^U".
1944*- Amor, in der Linken ein geflochtenes Körbchen
mit Früchten tragend, in der Rechten einen verstümmelten
undeutlichen Gegenstand. Beide Flügel sind abgebrochen.
1846 angekauft. Gefunden am Rhein. H. SVs"*
1945. Amor, sitzend, in beiden Händen eine Syrinx
haltend, die er an den Mund setzen will. Aus der älteren
königL Sammlung. B. a. XIX. a. 6. H. 2V2".
Abg. bei Beger III, 275.
1946. Amor, sitzend zu denken, mit einer merkwürdigen,
schwer verständlichen Geberde. Es ist fast als ob er einen
Nagel einschlagen wollte. Die Bronce ist ganz erhalten, aber
die Geräthe, die er in den Händen haltend zu denken ist,
sind nicht ausgedrückt. B. a. XIX. a, 7. Aus der Sammlung
MinutolL H. 2".
1947. Amor, auf einer Basis ausgestreckt liegend, beide
Hände auf je eine Traube legend, die er eifersüchtig bewacht
Die Flügel sind abgebrochen. Aus der älteren königl. Samm-
lung. B. a. XIX. a. 9. H. 1»/«".
Abg. bei Beger III, 274.
1948. Amor, sitzend, in der Rechten eine Schale hal-
tend, die Linke, die wohl ein Trinkhom oder dergl. hielt^
fehlt Aus der älteren königl. Sammlung. H. l*^".
1949. Amor, stehend, den rechten Arm, dessen Hand
fehlt, erhoben, von der gesenkten Linken ist nur die Hälfte
da. Aus der Sammlung Bartholdy G. 19, H. 3",
Die griechisohen Broncen entwickelten Styls. 417
1950. Amor, stehend, beide Arme gesenkt und beide nur
zur Hälfte erhalten. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 20.
H. 2V,''.
1951. Amor, sitzend, mit einer grossen Kithar im
linken Arm. Ein Gewand geht ihm über die OberschenkeL
Er hat Ringe an den Füssen und Händen. Aus der Samm-
lung Koller. H. 2^/2''.
1952. Amor mit erhobener Rechten, in weleher er
etwas hält, was nicht mehr deutlich ist, in der gesenkten
Linken scheint er einen Apfel oder dergleichen, zu halten
Aus der Sammlung Koller. H. 2^/4".
1953. Amor, laufend mit geöffneten Händen, die Rechte
hoch erhebend. H. 1*^^".
1954. Amor, sitzend, in der Rechten eine Schaale
haltend, in der Linken vielleicht ein Trinkhorn. War irgend-
wo als Ornament angebracht. H. 2^2"«
1955. Amor in eilig jubelnder Bewegung mit erhobe-
ner Rechten, auch die Linke ist ausgestreckt, die irgendwo
aufgeruht zu haben scheint Die Fingerspitzen der rechten
Hand sind etwas verstümmelt. Aus der Sammlung Bartholdy.
G. 21. H. 2V4".
1956. Amor auf einem Seestier, dessen Kopf er mit
der Linken fasst, während er in der Rechten die Peitsche
geschwungen zu haben scheint. Das Ganze ist Hautrelief und
war bestinunt, irgendwo an einem Geräth aufgesetzt zu wer-
den. Aus dem Besitz Bellori's. H. 1^/4".
1957. Amor in der erhobenen Rechten einen undeut-
lichen Gegenstand emporhaltend, während er mit der Linken
etwas an den Mund hält. Die Figur steht auf einem Stiel,
sie diente wahrscheinlich als Griff. Aus der Sammlung Koller.
H. 23/j''.
1957** Niedliche Amormaske, Verzierung eines Ge-
räthes. Der lächelnde Ausdruck und die Andeutung der
Flügel am Kopf (nach Analogie der Medusenköpfe) empfehlen
diese Benennung. H. 1".
Friedorichs, üerlia'^ Antiko Bildwerk» II. 27
418 ^i^ griechisclien Bronceu entwickelten Styls.
Bacchus.
1958. Brustbild des Bacchus^ aas einem Schilde
hervorragend, diente als Verzierung. Er hat die Kopfbinde
und einen Weinlaubkranz. Die Locken fallen auf beide
Schultern herab; die auf der linken Schulter geknüpfte Ne-
bris durchschneidet diagonal die Brust. Unter dem Stumpf
des rechten Armes befindet sich eine Schaale^ am linken
Arm ein mit einem Band umwickelter Stab, der oben und
unten öine eiförmige Spitze hat, aber doch wohl nichts an-
deres sein soll, als ein Thyrsusstab. Aus der älteren Eönigl
Sammlung. B. a. XIV. ß. 5. H. 4".
Abg. Beger 3, 242.
1959. Hermenbtiste des Bacchus, an der Stimbinde
kenntlich und den auf die Schultern herabhängenden Haaren.
Die Herme ist bekleidet, um dem einförmigen Pfahl mehr
Leben zu geben. Die unförmliche Ausladung des Kopfes ist
durch die Form des Ganzen veranlasst. Aus der Sammlung
Koller. H. 1%".
1960. Büste des Bacchus mit der Nebris quer über
der Brust. lieber der Stirn eine Blüthe, an den Ohren
herabhängende Trauben, Die Büste kommt aus einem Blatt-
kelch heraus, darunter noch der Ansatz zu einem Geräth.
Auch am Rücken ist ein Ansatz. Aus der Sammlung Koller.
H, 3V4".
1961. Bacchuskind, mit Nebris über der Brust und
Epheukranz, auf einem Felsen sitzend. In der Rechten hält
es den Kantharus und zwar so, dass er ausfliessen muss, die
Linke liegt auf dem Schenkel. Die Figur befindet sich
auf einer trichterförmigen, ausgezackten und am Rand durch-
löcherten Basis, die irgendwo als Verzierung aufgesetzt war.
H. 3V4".
1961*- Bacchuskind, wenn nicht ein Satyrkind, mit
dem Fell bekleidet. Das Kind sitzt und streckt den rechten
Arm nach Hülfe aus, weil es gern aufstehen möchte. H. 1".
1962. Liber und Libera, hermenförmig. verbunden,
ersterer ganze und runde Figur, letztere Büste. Das Ganze
diente nämlich, wie auch aus den Zapfen an den Füssen des
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 41 1^
Liber hervorgeht, zur Verzierung eines Gefässes, so dass es
etwa einen Henkel bildete. Die Büste der Libera, die mit
einem Kranz von Trauben geschmückt ist, worunter links
und rechts je eine versilberte — auch die Augen sind von
Silber eingesetzt — sendet links und rechts einen Schwanen-
kopf aus, zum Anschluss an das Gefäss. Bacchus, an dessen
Traubenkranz auch eine versilberte Traube zu bemerken, ist
mit der Nebris und den hochgehenden Sandalen bekleidet
In der erhobenen Rechten hielt er etwa ein Trinkhorn und
in der Linken den Kantharus. Aus der Böcking'schen Samm-
lung. H. 68/4".
1962^ Bacchus mit dem Hirtenstab in der Linken an
einen Pfeiler gelehnt, in weicher, schwärmerischer Position.
Relief von Blei.
1963. Silen mit dickem behaartem Bauch, den rechten
Arm ausruhend auf den Kopf legend. Die Hälfte des linken
Armes und die Beine von der Wade abwärts fehlen. Die
Figur war irgendwo angesetzt, wie man am Rücken sieht.
Auch oben ist ein Ansatz. Vielleicht Träger eines Geräthes,
wie die Silene auch sonst vorkommen. Aus der Sammlung
Koller. H. 2^2".
1964. Bärtiger Silen, nach Ohren und Physiognomie
unverkennbar, ganz eingehüllt in einen Rock, der in sym-
metrischen Falten bis an die Waden herabreicht. Auf dem
kahlen Kopf hat er eine abnehmbare, d. h. als Deckel die-
nende Kapuze, die hmten an einem Charnier befestigt ist
Die Figur ist hohl und oben auf dem Kopf durchbrochen.
Hinten ist ein Ring, um die Figur irgendwo einzuhaken.
Aus der Sammlung Bartholdy. B. 1. H. 272".
19G5. Satyrkind, mit beiden Händen einen auf der
linken Schulter befindlichen Korb mit Früchten fassend. Die
Figur scheint an einem Griff oder desgleichen befindlich ge-
wesen zu sein, 'wovon noch ein Ansatz zurückgeblieben. H. 1%".
1965*- Satyrknabe, wenigstens sind die Ohren deut-
lich satyrhaft, mit einer kurzen Exomis bekleidet. In der
Linken hält er eine tragische Maske, in der Rechten einen
oben verstümmelten Stab, der nicht ein Pedum gewesen ist
Die Figur steht an einem viereckigen, hohlen, etwas ver-
stümmelten Pfeiler. H. ii".
27*
420 ^^^ griechischen Broncen entwickelten Styls.
1966. Silen, Halbfigur, mit vorgestrecktem Bauch und
eingestemmten Armen, als ob er sich gegen eine Last stemmte,
womit auch der eingezogene Kopf stimmt. Das Ganze ist
nämlich der Fuss eines Geräthes, die Halbfigur des Silens
entspringt aus einem Blätterkelch, der sich über dem als
Thierklaue geformten Fuss befindet. Der dickbäuchige Silen
trägt das Geräth, begreiflicherweise ausserordentlich mtthsam.
Sehr geistreich. Aus der älteren Königl. Sammlung. B. c.
ß. 20. H. IV4".
1967. Bärtiger Pan mit grossen Hörnern, eine grosse
Amphora auf der linken Schulter tragend, die rechte Hand
ausstreckend. Der rechte Fuss fehlt. In der rechten Hand
hatte er vielleicht einen Becher. Aus der Sammlung Bar-
tholdy. C. 27. H. 2^3".
1968. Jugendlicher Pan, ein Böcklein auf der Schulter
tragend. Die Figur diente zu einer Verzierung aa einem
Geräth.. lieber den Armen hängt symmetrisch das Zi^en-
fell herab, auch beide Arme sind ganz symmetrisch angeord-
net, lieber dem Kopf des Pan ragt eine Art Korb hervor,
inwendig ausgehöhlt. Schön. Aus dem Besitz Bellori's.
H. SVs".
1969. Sehr schlanke Bacchantin auf einer antiken
Basis, nackt bis auf das Pantherfell, das vorn quer über die
Brust geht, hinten den Rücken und einen Theil des Ober-
schenkel bedeckt. Sie hat Schuhe an den Füssen, Binge an
den Knöcheln der Arme und Beine und um den Hals ein
Halsband von Silber. In der Linken hat sie eine Kanne, in
der erhobenen Rechten, die durchbohrt ist, trug sie wohl
nicht den Thyrsus, sondern eher ein Trinkhorn. Man könnte,
wenn das Fell nicht da wäre, zweifeln, ob es eine Bacchan-
tin sei. H. 8V3".
1969*' Epheubekränzte Bacchantin, in lebhafter
Bewegung mit flatternden Gewändern, Das linke Bein tritt
nackt aus dem Gewand hervor. In der erhobenen Linken
hält sie ein Gewandstück, der rechte Arm und rechte Fuss
fehlen. Der Kopf war gebrochen und ist mit Blei eingesetzt.
Mit Basis 8V2" hoch. Aus Cäsarea in Cappadocien, zusam-
men mit der unter n. 1875 aufgeführten Minerva von dem
Dragoman der preussischen Gesandtschaft in Gonstantinopel
Dr. Busch gekauft. 3530.
Die griecliisohen Broncen entwickelten Styls. 421
Priapus.
Priap; der Dämon üppiger Fruchtbarkeit wird entweder
hermenförmig mit aufgerichtetem Geschlechtsglied oder in
langer weichlicher Tracht, die aber das Geschlechtsglied,
dessen Hervortreten eben das Charakteristische in der Er-
scheinung des Dämons bildet und bilden muss, nicht oder
nur unvollkommen verbirgt. Die erste Darstellung ist die
für Priap als Wächter der Gärten gewöhnliclie, und es be-
greift sich, dass für diesen Zweck die möglichst einfache und
auf das Nothwendigste beschränkte Darstellung gewählt wurde.
Wo er aber in Yerkehr mit anderen Figuren tritt oder wo
die Darstellung höhere Ansprüche macht, da tritt die andere
Tracht ein, die aus seiner asiatischen Herkunft zu motivireu
ist. Als eine dritte offenbar frei aus der Phantasie erfun-
dene Bildung bezeichnen wir die, wo Priap am Kopf hahnen-
artig charakterisirt ist; und viertens wird Priap' auch pan-
theistisch vorgestellt, umgeben von den Attributen anderer
Götter. Dies ist ein neuer Beleg dafür, dass in diesen signa
Panthea eher die Frivolität als irgend eine tiefere religiöse
Idee ihren Ausdruck fand.
Ueber die gewöhnlichen Darstellangen vgl. 0. Jahn, Der. d. sächs.
Geselisch. d. Wiss. vom Jahre 1855, p. 235 ff. £in pantheistischer
Priap aus Stein in natürlicher Grösse ist in Klausenburg gefunden, der
ausser den ihm als solchem zukommenden Attributen noch den Adler
des Zeus neben sich hat, ausserdem die Keule des Herkules, darüber
den Blitz und auf dem Kopf den Modius« Vgl. bullet, d. inst. 1848,
p. 181. Ueber hahuartige Priapköpfe bull. 1845, p. 26.
1970. Priap, aus der Sammlung Minutoli. B. a. XXL
a. 1. H. 2»//'.
Der Gott trägt zierliche Schuhe und ein langes Aermel-
gewand, das vorn zu einem Schooss aufgenommen ist, in
welchem sich Aehren und allerlei Früchte befinden. Durch
diesen Gestus wird der grosse Phallus zum Theil sichtbar.
Den Kopf umgiebt ein Kranz von Blumen und Weinlaub,
zusammengehalten durch Bänder mit lang herabhängenden
Enden. Die Figur ist fein ausgeführt, auch der Kopf hat
einen charakteristischen, sinnlich trunkenen Ausdruck.
1971. Desgl., H. 2V2".
Diese Figur, an welcher übrigens die Füsse fehlen, ent-
spricht im Wesentlichen der vorhergehenden, nur dass sie
den Modius trägt, wie jene in der Note der Einleitung er-
422 I^iß griechischen Broncen entwickelte« Styls.
wähnte pautheistische. Nicht unmöglich wäre, dass diese
unten nicht vollständige Figur von anderen Attributen um-
geben und daher auch pantheistisch gewesen wäre, doch Hesse
sich der Modius auch aus der. eigensten Natur des Priapus
erklären. Er würde ihn mit demselben Hechte tragen wie
Ceres und Serapis. Die Figur ist übrigens sehr symmetrisch
componirt, die Beine sind dicht geschlossen und die Haltung
der Arme ist vollkommen dieselbe. Wahrscheinlich hat sie
mit einem Geräth in Verbindung gestanden.
1971*- Priap, hermenförmig, mit vorgestrecktem Phallus,
die Linke in die Seite gestützt, in der Rechten eine Glocke
haltend, wovon schon oben bei den Amuleten die Bede war.
Die Herme läuft in eine Thierklaue aus, vermuthlich diente
das Ganze als Geräthfuss. Aus der älteren Königl. Samm-
lung. B. a. XXI. a. 3. H. 3^2"-
1972. Kopf einer Priapstatuette, H. 2^6 "•
Dieser Kopf hat den Kamm und die Kinnlappen und die
dicken Auswüchse hinter den Ohren vom Hahn; Priap sollte
dadurch als ein besonders geiler Dämon charakterisirt werden.
Der Habitus der ganzen Figur entsprach dem völlig, denn
der Kopf gehörte gewiss zu einer Figur, wie die folgende.
1972^- Priap, mit hahnartigem Kopf und sehr grossem
Phallus, in der Rechten einen Beutel haltend. Zu Beger^s
Zeit, unter dem die Figur angekauft ist, hing noch eine
Glocke an der Linken und an dem grossen Phallus, der
unten ein Oehr hat, hingen kleine Phallen und eben solche
unten vom Beutel herab. Den Beutel trägt Priap vermuth-
lich in ähnlichem Sinn wie Merkur, afs Spender des Reich-
thums.
Wir können über die Echtheit oder Unechtheit dieser
Figur nicht ins Reine kommen. An manchen Stellen ist die
Patina ganz schlecht, an anderen sieht sie wieder ganz antik
aus. Wenn die Figur modern ist, so ist sie jedenfalls nach
einer antiken copirt, da sie vollkommen antik gedacht -ist
Abg. Beger III, 266.
Aesculap.
1973. Aesculap, in der gewöhnlichen Erscheinung, in
der Rechten den Schlangenstab haltend, die Linke liegt am
Die griechisclieu Broncen entwickelten Styls. 423
Körper an. Aus der älteren EönigL Sammlung. B. a. XYÜL
a. 3. H. 1%".
Abg. Beger III, 277.
Fortuna.
In der Darstellung der Fortuna sind drei Typen zu
unterscheiden. Zunächst die gewöhnliche Darstellung, in
welcher Fortuna durch das Füllhorn als Spenderin von Glück
und Segen und durch das Ruder als Lenkerin der mensch-
lichen Dinge bezeichnet wird. Hierzu kommen noch öfter das
Scheflfelmaass auf dem Kopf, das sie mit den Gottheiten, die
der Erde Fülle und Reichthum spenden, mit Ceres, Serapis,
Priapus theilt, und das Rad, das ihre Unbeständigkeit, den
beständigen Umschwung von oben nach unten charakterisiren
solL Sodann die Darstellung der Fortuna-Isis, oder richtiger
Isis-Fortuna, denn Isis, die Tausendnamige, führt auch den
Beinamen der Fortuna, sie ist der Hauptbegriff; und der Sinn
der Figur ist der, dass von Isis alles Heil und Segen stammt
Endlich die pantheistische Auffassung. Auf Fortuna werden
die Attribute möglichst vieler Götter gehäuft, offenbar in dem
Sinne, sie als Inbegriff alles Göttlichen darzustellen. Es giebt
keine Götter ausser dem Glück, ausser dem Zufall, ist der
frivole Gedanke dieser Darstellungen, die für den religiösen
Bankerott des Heidenthums bezeichnend sind.
Gewöhnliche Darstellung der Fortuna.
1974. Fortuna mit Stimkrone, Modius und Füllhorn;
das Ruder, das sie in der Hand trug, ist nicht erhalten. Aus
der älteren Sammlung. B. a. XXHI. a. 3. H. 4".
1975. DesgL, von ganz rohem Styl. Auch hier fehlt
das Ruder. Gefunden bei Kula in der Nähe von Smyrna.
Vom Generalkonsul Spiegelthal in Smyrna 1856 eingesandt.
3100. H. 47»".
1976. Desgl., vom Ruder nur ein klein Stück erhalten.
Aus dem Nachlass des Directors Levezow 1840 erworben.
2630. H. 273".
1977. Desgl., aus der Sammlung Böcking. 913. H.2%".
Vom Ruder und Füllhorn sind nur schwache Reste er-
halten.
424 ^*^ griechischen BFoucen entwickeiten Styls.
. . 1978. DesgL, gut erhalten und niedlich. Unter dem
Ruder befindet sich das Rad. H. 2^1 2".
Isis-Fortuna.
1979. Isis-Fortuna, hübsche und unversehrt erhaltene
Statuette. Sie hat Füllhorn und Ruder in den Händen und
trägt auf dem Haupt den Kopfschmuck der Isis, den von
Hörnern und Federn und Aehren umgebenen Diskus. Das
Öbergewand bedeckt schleierartig den Hinterkopf, die Falten
sind mit Gesclimack gelegt. Aus dem Besitz Bellori's* B. a.
XXm. a. 1. H. 5V2".
Abg. bei Beger III, 295.
1980. Desgl., mit denselben Attributen, nur dass zum
Kopfschmuck noch die (der Isis entlehnte) Mondsichel und
der Modius, das Scheffelmaass hinzugefügt ist. Die linke
Brust ist entblösst. Vom Füllhorn ist nur das untere Stück
erhalten. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 56. H. 3\V'.
1981. Desgl., aus der älteren Sammlung. B. a. XXHL
a. 6. H. 3 Vi".
Die Attribute sind ganz dieselben, doch die Figur ist
fast ganz nackt, indem nur ein kurzer Mäntel einen Theil
des Unterkörpers bedeckt. Das Füllhorn theilt sich in
zwei Aeste.
1982. Desgl., aus der älteren Sammlung. B. a. XXIII.
a. 7. H. 3V4".
Die Figur stimmt mit der vorhergehenden vollständig
überein, sie scheint mit ihr aus derselben Form zu stammen.
1983. Desgl., sehr ähnlich. Die Hände mit den Attri-
buten sind verloren gegangen. H. 3".
1984. 1985. Zwei desgl., bekleidet, fast gsuiz überein-
stimmend, n. 1984 aus der älteren Sammlung. B. a. XXIII.
er. 4, n. 1985 aus der Sammlung Koller. An letzterer ist
eigenthümlicher Weise eine Stütze unter dem Arm befindlich.
Ruder und Füllhorn nur theilweise erhalten. H. 2^/4" und
1986. Desgl., ähnlich. Aus der Sammlung Minutoli.
B. a. XXIII. a. 5. H. 22/3''.
Die griechischen Broncen entwiokdten StyU. 426
1987. DesgL Das verstümmelte Attribut der Beckten
vermögen wir nicht zu ergänzen, aber ein Ruder war es
nicht. Aus der Sammlung Koller. K. 3'^
Pantheistische Fortunen.
1988. Pantheistische Fortuna, aus dem Besitz
Bellori's. B. a. XXIII. a. 2. H. 6".
Zu den gewöhnlichen Attributen der Fortuna treten hier
liinzu Flügel und Köcher, Rehfell, Schlange und Schaale.
Letztere scheint übrigens, da sie nicht von der Hand der
Fortuna berührt wird, in anderem Sinn als sonst an Götter-
statuen angebracht zu sein. Vermuthlich ist sie nebst der
Schlange, die daraus trinken zu wollen scheint, von der
Hygieia entlehnt.
Ausserdem ist das Füllhorn von zwei Büsten, einer
männlichen bärtigen und einer weiblichen, überragt, die un-
zweifelhaft Götter vorstellen und eben auch nur die Summe
der in dieser Figur vereinigten Gottheiten vermehren sollen.
Eine im britischen Museum befindliche, überhaupt sehr ähn-
liche Statuette berechtigt uns zu dieser Auffassung. Dieselbe
zeigt nämlich über dem Füllhorn sieben zum Theil durch
die Attribute deutlich charakterisirte Götter, während wir in
unserem Fall wohl behaupten dürfen, dass Götter, nicht aber
welche Götter dargestellt seien.
Der Unterarm der Figur fehlte und ist daher die Hand
mit dem Füllhorn unmittelbar an den Ellenbogen angesetzt.
Die Ausführung der Figur ist nicht ohne Sorgfalt.
Abg. bei Reger III, 295.
1989. Pantheistische Fortuna, aus der Bartholdy'-
schen Sammlung. C, 57. H. 372"-
Zu den Attributen des Füllhorns, des Ruders (von dem
nur das unterste Stück erhalten) und des ägyptischen Kopf-
schmuckes treten hier hinzu die Aegis, die Flügel und ein
oben über dem Kopfschmuck sitzender Vogel, dessen Be-
stimmung schwierig ist, weil er den Kopf verloren hat.
Luna.
1990. Luna, den Kopf mit dem Himation verschleiert,
die Mondscheibe über der Stirn. In beiden Händen hielt sie
426 I^ic griechischen Broncen entwickelten Styls.
Fackeln und zwar aufwärts gerichtete Fackeln, von denen
aber nur wenig erhalten. Sie steht mit den Fussspitzen auf
einer Kugel und ist auf den Erdball zu Endymion nieder-
steigend gedacht. Aus dem Besitz Bellori's. H. 3".
Abg. bei Beger III, p. 228.
Helios.
1990*- Helios, in Relief, kenntlich an der Strahlen-
kröne. Die Chlamys bedeckt die link;e Schulter und Arm.
In der Rechten hält er sein gewöhnliches Attribut, die
Peitsche. Die kleine Platte, auf der sich das Relief befindet,
ist fragmentirt. Sic ist auf einem Achat befestigt H. */j".
Viktoria.
Unter den kleinen Broncebildern der Viktoria kommt
besonders häufig ein Typus vor, der, wie es scheint, einem
im Alterthum hochberühmten Kunstwerk entspricht, nämlich
der von Augustus aus Tarent nach Rom in die Curia Julia
versetzten Viktoria. Es wird zum Verständniss der im Fol-
genden aufgeführten Figuren wichtig sein, eine Reconstruction
jener Statue zu versuchen, um so mehr, als die Frage eine
kunsthistorische Wichtigkeit hat und ausserdem die richtige
Erklärung einer der schönsten Marmorstatuen des hiesigen
J^useuras dadurch gewonnen wird.
Auf den Münzen des Augustus kommt häufig eine Vik-
toria vor, die den unten folgenden Statuetten durchaus gleicht
Man sieht sie bald en face, bald im Profil, in letzterem Fall
offenbar am treuesten, da in der anderen Darstellungsweise
vorspringende Glieder etwas verändert werden mussten.
Danach schwebt nun Viktoria mit eng zusammengeschlossenen
Füssen auf eine Kugel herab, die sie eben mit den Fuss-
spitzen berührt und hält in der Linken einen über der
Schulter liegenden Palmzweig, während die ausgestreckte
Rechte einen Kranz hinreicht. Es ist Viktoria, die vom
Himmel auf die Erdkugel herabgekommen ist, um einen
Sieger zu kränzen und die ganze Stellung, die eng zusammen-
geschlossenen Beine sind eben dadurch zu motiviren, dass sie
sich auf eine (verhältnissmässig kleine) Kugel, die ja nur eine
Andeutung für die Phantasie ist, herabgelassen hat. Natür-
lich kann dabei der Faltenwurf nicht ruhig sein, sondern das
Gewand flattert heftig nach hinten.
Die griechischen Bronccn entwickelten Styls. 427
Diese Figur ist nun in kleinen Broncen ausserordentlich
häufig^ sie kommt aber auch in grossen Marmorstatuen vor^
von denen zwei durch die Restauration freilich unverständ-
lich gewordene, in der Rotunde des hiesigen Museums auf-
gestellt sind. Die eine derselben ist ein ausgezeichnetes,
man möchte sagen, griechisches Werk, die andere genau
übereinstimmende dagegen ganz schlecht und nachlässig ge-
arbeitet. Die Extremitäten sind an beiden neu, man erkennt
aber auch aus dem, was übrig bleibt, die volle üeberein-
stimmung mit den Broncen. Wunderlich ist die Restauration
verfahren. Die Füsse waren bei beiden verloren gegangen,
man hat sie einfach angesetzt, aber ohne die Kugel, die, wie
wir sahen, die ganze Stellung erst motivirt. Ja man hat
ihnen überhaupt keinen Grund gegeben, wiewohl man doch
von den Vögeln hätte lernen können, dass geflügelte Wesen
gerade dann die Beine dicht zusammenschliessen, wenn sie
sich auf den Boden niederlassen. Nun starren die Füsse in's
Leere hinaus, denn der Block, der an der Hinterseite der
Figur stehen geblieben, reichte nicht unter die Füsse hinunter,
diente überhaupt nur als Stütze, wir müssten uns daher eine
im Herabschweben, selbst mitten in ihrer Bahn fixirte Figur
denken, was denn doch gegenüber der durch Hinzufügung der
Kugel so natürlich motivirten Situation höchst wunderlich wäre.
Die linke Hand der Statue, die mit sammt dem Arm
neu ist, ist richtig ergänzt, sie soll einen Palmzweig über der
Schulter haltend gedacht werden. Die ebenfalls ergänzte
Rechte hält zwar einen Kranz, aber die Art, wie sie ihn
hält, ist höchst wunderlich und durchaus unantik. Wie
anders kann eine Viktoria, die vom Himmel herabschwebt,
einen Sieger zu krönen, den Kranz halten, als indem sie ihn
mit einer gewissen Lebendigkeit ausstreckt, hinreicht? Diese
Statue ist gewiss das schönste Exemplar, das uns von diesem
Typus erhalten, die Gewandung ist von höchster Lebendig-
keit, mit tief geschnittenen kühnen Falten, die sich scharf-
kantig brechen, wie es der Natur des Leinenstoffes entspricht.
Nur in griechischen Werken wüssten wir Analogien dazu^).
^) ßei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, da derjenige Band dieses
Werkes, in welchem die Sculpturen erklärt werden, noch nicht sobald er-
scheinen wird, eine Bemerkung über die Restaurationen in unserer
Sculpturcngallerie. Ich gestehe', dass ich keine Sammlung kenne, die
im Allgemeinen und insbesondere auch in den Restaurationen, so ver-
walirlost wäre, wie die unsere. Ea wäre Pflicht der Wissenschaft ge-
428 ^i® griechischen Broncen entwidkelten Styls.
Trotzdem ist diese Figur kein Originalwerk. Betrachten
wir die Münzdarstellang^ die Stellung der Figur auf einer
kleinen Kugel; so giebt sie uns offenbar einen nur in Bronce
wesen, wenigstens in den Catalogen auf die falschen Restaurationen
anfmerksam zu machen und das Richtige an die Stelle zu. setzen, aber
von dem Catalog der Sammlung mag ich gar nicht redeo, da er zn
leichtfertig geschrieben ist, als dass er irgend einen Werth hätte. Ich
will eine Anzahl von Beispielen nach der Folge der Nummern des Ca-
taloges anfuhren.
Unter N. 8 ist eine Gruppe von Venus und Amor aufgeführt^ in
welcher der letztere auf einem Seethier stehend eine Fackel vor das
Gesicht der Venus zu halten sich bemüht. So die Restauration, die,
wie ich gestehe, mir vollkommen unverständlich ist. Was Amor in der
Hand gehalten, ist eigentlich von selbst zu errathen und wird durch ein
genau übereinstimmendes Gemmenbild, das sich im Besitz der Frau Ge-
neralin von Gansauge hierselbst befindet, angegeben. Er hielt nämlieh
der neuerstandenen (jöttin einen Spiegel vor, um darin ihre Schönheit
zu bewundem.
N. 112 ist die früher zur Familie des Lycomedes gehörige und
später zum Apollo ergänzte Figur. Es ist nicht zn verstehen, wie man
in der Zeit von Rauch — Tieck einen so leidenschaftlich bewegten mn-
sicirenden Apoll annehmen konnte, da ja gerade diese leidenschaftliche
Haltung dem Wesen des Apoll durchaus widerspricht. Eine in Rom
befindliche genau übereinstimmende Figur, die ihren alten Kopf hat,
zeigt, dass Dionysos dargestellt ist. Uebrigens ist diese falsch ergänzte
Figur auch auf dem Giebel des Opernhauses wiederholt.
N. 122. Einem Torso, der dem in Band I, n. 673 erwähnten ge-
wöhnlich auf Narcissus gedeuteten Typus genau entspricht, ist ein
Apollokopf aufgesetzt, wodurch denn die Statue unverständlich wird.
N, 127. Ein Torso, welcher einem bekannten Typus des Oanymed
entspricht, ist hier zu einem Hermes, der seinen Beutel in ganz unver-
ständlicher Weise in die Höhe hält, ergänzt. Dass die Formen viel zu
reich für Hermes sind, muss auf den ersten Blick einleuchten.
N. 173. Torso, dem ohne allen Grund ein Bacchuskopf aufgesetzt
ist Diese Ergänzung stammt noch aus der französischen Zeit.
N. 214 Dieser Ganymed entspricht einem bekannten Typus des
Ganymed, in welchem er den Adler des Zeus auf einem Pfeiler neben
sich sitzen hat.
N. 236. Dieser Antinous ist eine Wiederholung des im Capitol
und anderswo repräsentirten Typus und hätte danach ergänzt werden
sollen.
N. 402* Diese Figur ist ein Product möglichst manierirten fran-
zösischen Styls, figurirt indess noch immer trotz wiederholter Erinnerung
als Antike.
N. 579. An diesem Sarkophag ist eine Muse, in deren Hand sich
der Schreibgriffel erhalten, zur Urania restaurirt, wiewohl letztere nicht
den Griffel, sondern den Radius fuhrt, es ist Klio.
N. 758. Ein zu einer Amazone ergänzter Torso. Schon die ein-
fache Thatsache, dass die Figur den Köcher auf dem Rücken trägt,
zeigt die Unrichtigkeit der Ergänzung, denn die Amazonen tragen den
J)ie griechischen Bronceu entwickelteu Styis. 429
ZU realisirenden Typus wieder und diese Ueberzeugung wird
verstärkt; sobald wir die Marmorstatue ansehen, welcher ein
dicker, übrigens geschickt versteckter Block zur Stütze an-
gefügt ist Das Original war offenbar von Bronce und die
im Folgenden an erster Stelle aufgeführte Figur giebt uns
von dem ganzen Arrangement desselben eine durchaus treue
Vorstellung.
Wir haben also einen bedeutenden statuarischen Typus
griechischen Styls in üebereinstimmung mit einer Münze des
Augustus gefunden, und eben dieser Umstand wird uns be-
rechtigen, die bisher ganz vage unbewiesene Behauptung,
dass jene Münzdarstellung die berühmte aus Tarent ent-
führte und in Rom in der Curia Julia aufgestellte Viktoria
darstelle, mit Bestimmtheit zu wiederholen. Wir wissen von
jener Statue freilich nichts Näheres, nur dürfen wir annehmen,
dass sie, weil aus Tarent stammend, ein griechisches Werk
war und ferner, dass sie, weil beim Leichenbegängniss des
August vorangetragen, von Bronce und nicht allzu colossal
war. Aber es wäre eigenthümlich, wenn Augustus für seine
Münzen einen anderen Typus genommen hätte, als diesen zu-
gleich so berühmten und für ihn bedeutungsvollen.
Man könnte mir einwenden, dass auf den Münzen des
August noch eine andere Viktoria vorkomme, die ebensowohl
darauf Ansprüche machen könne, jene tarentinische zu sein,
nämlich diejenige, welche sich auf ein Schiffsstück nieder-
gelassen hat. Sie scheint sogar noch das vor der anderen
vorauszuhaben, dass ihre Beziehung auf den Sieger Augustus
noch viel treffender ist, indem sie offenbar direkt auf seinen
Sieg bei Actiums anspielt Allein es ist einmal nicht gewiss,
ob diese beiden Typen wirklich von zwei verschiedenen
Werken herrühren oder ob sie nicht vielmehr nur ein Typus
Köcher au der linken Hüfte. Zudem ist der Körperbau viel zu schlank
und zart im Vergleich mit dem Amazonentypus, es ist Artemis.
N. 801. Nach der Ergänzung ein junger Athlet, in Wahrheit aber
ein Antinous, der so deutlich wie möglich, sowohl im Kopf als im
Körperbau charakterisirt ist.
Diese Beispiele werden genügen, um einen Begriff davon zu geben,
mit welcher Sorglosigkeit nicht etwa bloss in älterer Zeit, sondern auch
in der Periode, als Rauch und Tieck am Museum thätig waren, die Re-
staurationen ausgeführt wurden. Denn es leuchtet ja ein^ dass alle
diebc Fehler, die jetzt störend oder irre führend wirken, durch einfache
Zuziehung eines detailkundigen Archaeologen hätten vermieden werden
können.
430 I^ie griechischen Broncen entwickelten Styls.
sind, der in dem letzteren Fall ein wenig modificirt ist
Denn die Attribute und die Haltung der Arme ist genau die-
selbe, während allerdings in der Anordnung der Beine ge-
ändert ist. Ausserdem aber müssen wir uns darauf berufen,
dass jene auf der Kugel stehende Viktoria, wie gezeigt wor-
den ist, einen berühmten statuarischen Typus vertritt, wäh-
rend die andere ganz isolirt steht.
1991. Viktoria, die Weltkugel, auf welche sie sich
niedergelassen, mit den-Fussspitzen berührend, in der Linken
den Palmzweig, in der ausgestreckten Bechten den Eranz
haltend. Sie trägt eine Stirnkrone. Aus dem Besitz Bellori's.
B. a. XXV. a. 1. H. 5".
1992. Desgl., mit einiger Verschiedenheit in der Hal-
tung der Arme. Aeltere Sammlung. B. a. XXV. a. 2. H. 3".
1993. Desgl., mehr der erstgenannten entsprechend.
Palmzweig, Flügel und der rechte Arm, der den Eranz hielt,
sind nur theilweise erhalten. Aus der Sammlung Koller. H. 1 ^/g".
1994. Büste der Viktoria in Schildform, die als
Verzierung diente. Sie hat Palmzweig und Eranz in de«
Händen, die durch Stützen mit dem Grunde des Reliefs ver-
bunden sind. Sammlung Bartholdy. C. 55. H. 274".
1995. Kleines Figürchen der Viktoria, das wahr-
scheinlich als Ohrring diente. Auf dem Eopf befindet sich
nämlich ein Bing zum Anhängen und in Gold sind sehr viele
als Viktorien gestaltete Ohrringe von derselben Grösse er-
halten. Man liebte es, wie schon in der Einleitung bemerkt
wurde, schwebende Figuren als Ohrringe zu tragen.
Das Figürchen hält seine Arme so, als wäre es an den
Haaren beschäftigt. Die Füsse fehlen. Aus der Sammlung
Bartholdy. C. 54. H. 1%''.
Musen.
1996. Drei Musen in Hochrelief, Ornament. Die
mittlere ist sicher Melpomene, weil neben ihr grösstentheils
erhalten eine Eeule sich befindet. Das obere Stück derselben
fehlt, nebst beiden Händen der Muse. Die Figur zur Linken
der Melpomene ist wahrscheinlich Thalia. Der Eopf fehlt,
Die grieclüsclien ßroncen entwickelten Styls. 431
aber in der Linken ist ein Stück eines Stabes zurückgeblieben,
der nach der Haltung des linken Armes auf der Schulter ge-
legen haben muss, wie die Thalia den Hirtenstab trägt. Die
Muse an der anderen Seite hat eine Schildkrötenleier, also
Erato oder Terpsichore. Aus der älteren königl. Sammlung.
B. a. XXIL a. 1. H. 2'', breit iVa".
Harpokrates.
Es ist bekannt, dass Harpokrates ein aus Aegypten ent-
lehnter Gott ist, der nach seinem Namen dem kleinen Horus,
dem Kinde des Osiris und der Isis entspricht, dass aber die
Römer die ägyptischen Bilder dieses Gottes, welche ihn den
Finger an den Mund legend darstellen, um durch diesen
Eindergestus seine Jugend zu bezeichnen, so missverstanden,
als solle dieser Gestus Schweigen andeuten und ihn dess-
wegen als Genius des Schweigens betrachtet haben.
Weniger bekannt ist das Verhältniss der römischen
Darstellungsform zur ägyptischen. Die Aegypter stellen den
kleinen Horus dar als nacktes Kind mit dem erwähnten
Gestus, mit der Königskrone auf dem Kopf und endlich
kahlköpfig bis auf die lange Flechte, die am rechten Ohr
herabhängt. Diese Flechte ist nichts den Horus ausschliess-
lich Charakterisirendes, sondern allgemein eine Kindertracht,
die ich unter Anderem im Museum von Kairo an vielen
Kindern in Grabgruppeu des alten Reiches und auch noch
im jetzigen Leben auf den Strassen von Kairo bemerkt habe.
Diese, wenn ich so sagen darf, national- ägyptische Darstellung
ist selten in römischer Kunst, gewöhnlich erscheint Harpo-
krates wie in den Formen, so auch in der Haartracht ent-
nationalisirt, es wird ihm überhaupt das Unlebendige, Schema-
tische des ägyptisclien Typus genommen und er fängt an,
sich frei und natürlicli wie ein wirkliches Kind zu benehmen.
Sein gewöhnliches Attribut ist das Füllhorn und dies ist
eine rein römische Zuthat, die schwerlich auf tiefere Gründe
zurückzuführen ist, sondern wohl nur allgemein einen Segen
bringenden Genius nach Art der Laren oder des Agatho-
dämon charakterisirt.
Daneben erscheint Harpokrates sehr häufig in pantheisti-
sclier Auffassung und zwar schon früh, da die unter n. 2003
aufgeführte Bronce noch sehr guter Zeit angehört.
432 ^*ö griechischen Broncen entwickelten Styls.
1997. Harpokrates in gewöhnlicher Auffassung. Aus
der Sammlung Minutoli. B. a. XXVI. a. 2. H. 3".
Die gewöhnliche Charakteristik des Harpokrates in rö-
mischen Broncen besteht zunächst in dem bekannten Grestus,
von dem eben die Rede war. Sodann hat er an Attributen
den sogenannten Pschent, die ägyptische Königskrone von
Ober- und Unterägypten, auf dem Kopf und ein Füllhorn
im Arm.
Diese sehr niedliche Figur wurde als Amulet getragen,
wie man aus dem durch eine Locke gebildeten Ring am
rechten Ohr sieht. Auch an der linken Hand ist ein Haken,
der, wie es scheint, wiederum ein Anhängsel trug.
Die Füsse fehlen und das Füllhorn sowie das vom lin-
ken Arm herabhängende Gewand sind etwas beschädigt.
1998. Desgl., aus der Sammlung Bartholdy. A. 76.,
ganz mit der vorigen Nummer übereinstimmend, nur besser
erhalten. H. 2V2".
1999. Desgl., ganz übereinstimmend bis auf die un-
wesentliche Verschiedenheit, dass Harpokrates hier den linken
Arm auf einen Baumstamm stützt. H. l*^/s".
2000. Desgl., H. h^j^*, ganz übereinstimmend. Aus
dem Nachlass des Prof. Rösel 1844 gekauft. 2739.
2001. Desgl., ganz ähnlich und mit Sicherheit so zu
benennen, wenn auch die Attribute fehlen und zwar auch der
Kopfschmuck. Aber aus der Biegung des bis an die Hand-
wurzel erhaltenen Armes lässt sich der für Harpokrates
charakteristische Gestus erkennen. Auch die vom linken
Arm und Schulter herabhängende Chlamys kommt öfter so
bei Harpokrates vor. Vom linken Arm, der auf einen Stamm
sich stützend zu denken ist, fehlt etwas mehr als die Hand.
H. 41/2".
2002. Harpokrates mit der Flechte, kleines nacktes
Figürchen, das, wie man aus dem hinten angebrachten Ring
sieht, als Amulet gedient hat. Die Rechte macht den be-
kannten Gestus, die Linke liegt am Leibe an. H. 1".
2002*- Harpokrates, nackt auf der Erde sitzend, die
linke Hand aufstützend. Er ist zu erkennen an dem Gestus
der Rechten und an der Locke an der rechten Seite des
Kopfes. H. 2".
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 435
2003. Harpokrates iu panthcistischer Auffassung.
H. 28/4".
Zu den im Vorhergehenden erwähnten gewöhnlichen Ab-
zeichen des Harpokrates kommt hier zunächst die Bulla hin-
zu, die als Tracht römischer Kinder bekannt und als solche
auch dem Harpokrates umgehängt ist. Ausserdem aber sind
dem Knaben Flügel, ein Rehfell und eine Schlange (die sich
am FtÜlhorn befindet) beigegeben, die niclit wohl anders als
Entlehnungen von anderen Göttern, nämlich von Amor,
Bacchus und Aesculap zu betrachten sind.
Die Bronce ist von ganz besonderer Schönheit, obwohl
sie, wie die Bulla bestimmt andeutet, römischen Ursprungs
ist Die Stellung, die das auf der Erde sitzende Kind an-
genommen, ist sehr kindlich, und wahrhaft wundervoll sind
die weichen und doch prallen Kinderformen. Im Kopf ist
sogar neben dem Charakter des Kindlichen in Formen und
Ausdruck auch der ägyptische Typus sehr treffend ausgedrückt
2004. Desgl., aus der Sammlung Koller. H. 2^/V.
Harpokrates hat hier Flügel und ein nicht näher be-
stimmbares Fell,
2005. Desgl., aus der Sammlung Minutoli. B. a. XXVI
ö. 1. H. iVa".
Zu den gewöhnlichen Kennzeichen des Harpokrates treten
hier die Flügel, eine Entlehnung von Amor, hinzu, sodann der
Köcher, der von demselben Gott oder von Apoll herüber-
genommen ist, femer das Rehfell des Bacchus, das Sistrum
der Isis, die Schlange des Aesculap, die um einen Stamm
gerollt ist, der Pfau (?) der Juno und endlich ein Hund, der
vielleicht von Diana entlehnt ist. Die Bestimmung der beiden
letzten Thiere ist weder in dieser noch, wie es scheint, in
anderen ähnlichen kleinen Broncen mit Sicherheit zu machen.
Eine ähnliche Figur ist n. 520 im Louvre, die nach
Longp6rier Hund und Pfau und einen Frosch neben sich hat.
Aehnlich ist auch die durch Cuper's und Jac. GronoVs wider-
wärtige Streitschriften bekannte Figur, deren Abbildungen
aber zu schlecht sind, um genau darüber urtheilen zu können,
Isis.
2005^- Isis, kenntlich an dem Gewandknoten zwischen
den Brüsten, mit einer zum Theil zerstörten Stirnkrone. Die
Pri«4«rich8, Bttrlin's Antike Bildwerke Tl. o^
i
434 ^^6 griechischen ßroncen entwiclselten Siyls.
linke Hand und der rechte Unterarm fehlen. Aus der Samm-
lung Minutoli. H. 4^4".
2005»»- Der Apis mit Diskus und Uräus und dem
Dreieck über der Stirn. Römischer Styl.
2005"*- Desgl., weit roher.
Cybele und Attis.
2005^- Cybele, Attis und Hermes, auf einer ver-
goldeten Bronceplatte, die 1852 nebst zwei zugehörigen Frag-
menten vom Grafen Ingenheim an's Museum verkauft ist.
3067. 3068. H. 4V2", Br. 31/2".
Die Platte sieht wie ein Theil eines Polygons aus, sie
ist durch zwei Falze in drei Flächen zerlegt, von denen die
beiden an den Flügeln hinter der mittleren etwas zurück-
treten. An der rechten Seite bemerkt man deutlich die
Spuren eines Charniers. lieber dem Ganzen erhebt sich ein
Giebeldreieck.
Wir glauben, dass diese Platte die Thür zu einem po-
lygonal gestalteten Kästchen gebildet hat, das zu irgend einem
sacralen Zweck im Cult der Cybele diente. Genau überein-
stimmende Kästchen können wir freilich nicht anführen, auch
nicht die Verwendung der beiden zugehörigen Fragmente be-
stimmen.
Die drei Figuren des Reliefs, die übrigens getrieben
sind, befinden sich innerhalb eines Tempels, dessen Giebel
durch cannelirte korinthische Säulen getragen wird. Der mit
seinem Viergespann strahlenbekränzt aufsteigende Helios ist
der Schmuck des Giebelfeldes.
Gerade unter ihm sitzt Cybele auf einem reich verzier-
ten Thronsessel. Die Mauerkrone und die Löwen, deren zwei
wie Wächter ihren Sessel umgeben, während ein dritter jun-
ger auf ihrem Schooss liegt und von ihr geliebkost wird,
sind ihre gewöhnlichen Attribute, seltener dagegen ist der
Mohnkopf in ihrer Rechten, der indessen als Entlehnung von
der Ceres gerade hier, wo Cybele, wie sich zeigen vnrd, als
Mutter Erde fungirt, besonders passend ist. Die Lehne des
Thronsessels ist oben an den beiden Ecken mit Figuren ver-
ziert, wie schon in altgriechischer Zeit so oft an feierlichen
Thronen der Götter erwähnt wird. Man erkennt zwei kurz-
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 435
bekleidete P'igureii, die über der Göttin einen Kränz empor-
halten. Auf eine Benennung derselben müssen wir verzichten.
Rechts neben Cybele steht Attis, auf den Hirtenstab ge-
stützt und in seiner Rechten das ungewöhnliche Attribut der
Blume haltend. Doch ist dies Attribut bei der Bedeutung
des Attis als Alles schaffenden Sonnengottes itnd Herrn der
Jahreszeiten leicht verständlich. Ihm gegenüber^ auf der an-
deren Seite der Cybele, steht Merkur in bekanntem Typus
mit Caduceus und Beutel.
Im Felde über Attis bemerkt man eine phrygische
Doppelflöte und eine Cymbel, der eine andere neben Hermes
correspondirt. Es sind die Instrumente; die im Gybelecult
gewöhnlich waren.
Die Verbindung dieser drei Gottheiten ist uns auch
durch Inschriften bezeugt. Hermes neben der Cybele als
Erde und Attis als Sonne wird wohl mit Recht als Gott des
Planeten erklärt, „der als der nächste Begleiter der Sonne
den Thierkreis und Jahresumlauf am geeignetsten vertritt.^
Abg. ia den Jahrbüchern des Rhein. Altenhumsvereins XXIII,
Taf. 3. Vgl. p. 62 ff.
Attis.
2006. Attis, aus dem Besitz Bellori's. B. a. XX. a. 1.
H. 2«V'.
Syrinx und Hirtenstab sind die gewöhnlichen Abzeichen
des Attis, der als Hirt von der Sage bezeichnet wird, und
die phrygische Mütze deutet seine Herkunft an. Sie ist aber
liier, was selten vorkommt, mit Sternen verziert, wie es auch
ausdrücklich heisst, dass Cybele ihrem Liebling den stemen-
geschmückten Hut aufgesetzt habe, den wir als ein Symbol
orientalischer Eönigswürde auffassen müssen^). Eigenthümlich
ist auch die Gewandung und sichtlich für ihn hergerichtet,
indem das phrygische Kleid aufgeschlitzt ist und zwar so,
dass der Bauch ganz nackt hervortritt, während das Gewand
an den Beinen an bestimmten Stellen wieder zusammen-
genestelt ist, so dass nun Theile des Nackten sichtbar sind.
Es sollen die weichen, üppigen Formen des Eunuchen — denn
^) Anch unter den Hildesheimer Silberrachen ist die für Lnnns er-
klärte Figur eben wegen der Sterne am Hut ein Attis, worauf wir im
nächsten Bande des Näheren zumckkommeu.
28*
436 I^i® griechisohen Broncen entwickelten Styls.
Attis hatte sich nach der Sage selbst eutmaunt — zur An-
schauung kommen. Mit diesem Charakter der Körperformen
steht auch das Gesicht vollständig im Einklang.
Im Allgemeinen haben die Attisdarstellungen wenig
künstlerischen Werth, am meisten noch diejenigen, in denen
Attis in sanftdr Melancholie dargestellt ist, eine Auffassung,
die nach seiner Geschichte sehr nahe lag. Es muss freilich
von all den fremden Gülten, die in der letzten Zeit des
Heidenthums Rom überschwemmten, bemerkt werden, dass sie
für künstlerische Gestaltung ausserordentlich wenig Ausbeute
gegeben haben. Es waren eben nicht hellenische, zu ethischen
und darum künstlerischen Charakteren ausgeprägte Gestalten,
sondern Gottheiten von symbolischem und ceremoniellem Wesen.
, Die Ausführung unserer Figur ist ziemlich sauber.
2007. DesgL, in derselben Tracht, die Rechte an die
Mütze legend, in der Linken den Rest eines Hirtenstabes
haltend. Der untere Theil des linken Beines fehlt. Die
Figur steht an einem viereckigen, SVg" hohen, inwendig
hohlen Pfeiler, der irgendwo befestigt war. Durch diesen
Pfeiler erklärt sich auch die Stellung der Figur. Aus der
älteren königl. Sammlung. B. a, XX. a. 2. H. 2V2"-
Abg. bei Beger III, 292.
2007*- Attis, mit phrygischer Mütze, Chiton und Chla-
mys bekleidet, sitzt auf einem Stein. Er hat das rechte
Bein heraufgezogen und den rechten Ellenbogen darauf ge-
stützt und seinen Kopf trauernd auf die Hand gelegt. Man
könnte auch den trauernden Barbarenknaben auf dem grossen
Pariser Cameo vergleichen. Aus der Sammlung Bartholdj.
C. 43. H. 2".
2008. Desgl. H. 13/^''.
Dies kleine, rohe Figürchen, das mit einem üeräth in
Verbindung^ stand, ohne dass wir sagen könnten wie, re-
präsentirt genau denselben Typus des Attis, der auf spät-
römischen Grabsteinen nicht ganz selten vorkommt. In wel-
chem Sinne man diese trauernde Gestalt auf die Grabsteine
setzte, ist nicht ganz leicht zu sagen, vermuthlich in dem-
selben Sinn wie die Mythen auf den Sarkophagen, nämlich
als ideales Vorbild, dessen trauriges Loos dem des Verstor-
benen analog betrachtet wird.
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 437
Vgl. Urlichs, Rhein. Jahrb. XXIII. XXIV, p: 49 und in derselben
Zeitschrift XIX, p. 160 nebst Hurzen in Annali 1856, p. 110 ff.
Der Gott Bes.
2008*- Monströse Figur, der Gott Bes, der unter
den ägyptischen Alterthümern oft vorkommt, übrigens als
asiatische Importation betrachtet wird. Die Figur steht auf-
recht, aber die Kniee sind ein wenig eingeknickt, als habe
sie eine Last zu tragen. Dazu stimmt auch die Haltung der
Hände, die sich auf die Hüften stützen, so dass die Schultern
tragfähiger werden. Offenbar hat die Figur als Stütze ge-
dient, vermuthlich von einem Spiegel, wie sie auch unter den
ägyptischen Alterthümern öfter vorkommt. H. 5".
Vgl. Mariette, Notice des monuments principaux du musee d'anti-
quites egyptiennes a Boulag n. 188.
2008**- Barbarisches Idol mit einem Januskopf, mit
Kränzen am Oberkörper umwunden. In der einen Hand einen
Zweig, in der anderen, wie es scheint, eine Muschel haltend.
Phrygischer Sonnengott (?).
2008^- Erzrelief, wahrscheinlich ein ex voto, oben
und unten ein viereckiges Loch zur Befestigung. Die Mitte
des Ganzen nimmt ein bärtiger, kurz bekleideter Mann mit
phrygischer Mütze ein, auf einem sprengenden Pferd sitzend,
in der Rechten eine Axt haltend, wie zum Schlage bereit.
Die Vorder- und Hinterfüsse des Pferdes und das rechte
Bein des Reiters treten auf einen der Länge nach unter dem
Pferde ausgestreckten, kurzbekleideten Jüngling. Vor dem
Pferde steht eine verschleierte Frau, deren Geberde etwa
als bittend zu deuten sein möchte. Hinter ihr steht ein eben-
falls kurz bekleideter Manu, der auch eine phrygische Mütze
zu tragen scheint, welcher in der Rechten ein Trinkhorn er-
hebt, wie man es an den Laren ganz ähnlich findet. Ueber
der Frau befindet sich das vielgedeutete, leiterähnliche Ge-
räth, das auf unteritalischen Vasen so häufig ist. Hinter dem
Reiter steht ein kurz bekleideter, bärtiger Mann mit phry-
gisclier Mütze, in der Linken einen Schädel oder eine Maske
haltend, in der Rechten, die erhoben ist, einen Stab, der
nicht ganz sichtbar ist. Ueber ihm ein Widderkopf. In der
unteren Darstellungsreihe sieht man zuerst einen Widder
438 Pi^ griechischen Broncen entwickelten StyU.
und über ihm eine Schaale oder wohl eher eine Lampe;
dann einen Stier^ dann auf einem Dreifuss einen Fisch, end-
lich einen Vogel mit langem Schnabel und über ihm einen
Krater. Die Darstellung wird an jeder Seite begränzt durch
eine Palme, aus welcher sich je eine Schlange entwickelt, die
sich über der Mittelgruppe mit den Köpfen zusammenbiegen,
doch so, dass sie noch durch eine Löwenmaske getrennt sind,
üeber diesen Schlangen befindet sich links oben in der Ecke
die strahlenbekränzte Büste des Helios mit Hörnern an deu
Schultern, neben ihm ein Stern, ihm correspondirend an der
anderen Ecke ebenfalls eine Büste mit Hörnern an der Schul-
ter, aber ohne Strählen am Kopf, gewiss Luna, und vor ihr
auch ein Stern. Die im unteren Räume befindlichen Thiere
sind offenbar Opferthiere, wofür auch der Krug passt. Eine
sichere Erklärung dieses Reliefs ist noch nicht gefunden.
Hoch 41/2", breit 48/4".
Abg. Monum. d. inst. IV, 88, 1. Vgl. Arch. Ztg. 1849, p. 64.
Anm. 64. Rhein. Jahrb. XXII, 41.
Bonus Eventus.
2009. Bonus Eventus, ein Jüngling mit reichgelock-
tem und fichtenbekränztem Haar, mit demHimation bekleidet,
das den unteren Theil des Körpers und den linken Arm be-
deckt. In der linken Hand hält er den von seinem Füll-
horn übrig gebliebenen Griff, in der Rechten eine Schaale,
worauf Früchte liegen. Hier also ist die Schaale nicht ge-
dacht als zum Empfang der^ Spende bestimmt, sondern zum
Austheilen der Gaben. Der rechte Fuss fehlt. Aus dem
Besitz Bellori's. H. 5V2".
Abg. Beger UI, 289.
2010. Derselbe Typus, nur etwas kleiner. Das
Füllhorn ist abgebrochen, aber erhalten, auch die rechte
Hand, die eine Schaale hielt, ist verstümmelt und dann fehlen
beide Füsse. Gefunden am unteren Rhein bei Niederbiber.
Durch Director Rein in Crefeld 1859 besorgt H. 5 72"«
Die Laren.
Es ist eine doppelte Classe von Laren zu unterscheideD,
die zunächst in den Attributen unterschieden sind, insofern
Die griechiscfaea ßroncen entwickelten Style. 439
die E^en Füllhorn und Schaale oder statt letzterer Aehren
halten, während die Anderen aus einem Hörn in eine Schaale
oder in einen Krug einschenken. Sie sind sich in der Tracht
vollkommen gleich^ höchstens dass letztere manchmal im
blossen Chiton erscheinen, während erstere wohl immer mit
Chiton und Mäntelchen bekleidet sind. Auch im übrigen
Habitus ist keine Verschiedenheit da, bis auf die Stellung,
indem diese ruhig stehen, während jene oft einen tänzelnden
Schritt haben.
Indessen sind doch beide Classen bestimmt zu trennen,
weil die mit dem Füllhorn versehenen Laren eine offenbar
selbständigere Bedeutung haben als jene anderen. Diese
Laren sind für sich selbst vollkommen verständlich, es sind
freundliche Genien der Flur, deren Gaben sie bieten. Wir
dürfen sie gewiss als Lares rurales bezeichnen.
Sehr schwierig sind dagegen die anderen zu erklären,
Sie treten paarweise auf und sind so oft mit einem Genius
als Hauptfigur verbunden, dass sie in der That nur unselbst-
ständige, untergeordnete Wesen zu sein scheinen. Auch ist
ihre Action, das Einschenken von Wein nicht etwas in sich
Beschlossenes, sondern auf einen Anderen Bezügliches. .
Wir gehen daher in ihrer Erklärung von den so häufigen
Darstellungen aus, auf welchen der Genius mit dem Füllhorn
als Hauptperson in der Mitte steht und umgeben ist von
diesem Larenpaar. Der Genius, in der Tracht und Haltung
des Opfernden, kann wohl nicht anders verstanden werden,
als dass er opfert für die von ihm repräsentirte Familie und
die Laren, die ihn umgeben, bringen den Wein zu diesem
Opfer, sie werden daher treffend und mit Recht als Opfer-
diener bezeichnet.
Den tänzelnden Schritt, den einige der beim Opfer
assistirenden Laren haben, möchten wir nicht als eine An-
deutung wirklichen Tanzes fassen, was mit der Opferhand-
lung und mit der eigenen Action der Laren nicht recht ver-
einbar scheint, vielmehr ist es wohl ähnlich zu beurtheilen,
wenn Nike mit eiligem Schritt und zierlich auf den Fuss-
spitzen wandelnd herankommt, um dem Apoll einzuschenken.
Es ist der Ausdruck einer sorglichen, eilfertigen Geschäftigkeit.
Wir halten es nicht für unmöglich, dass diesen Laren-
figuren ein altgriechischer Typus zu Grunde liegt. Das zier-
liche, tänzelnde Schreiten auf den Fussspitzen, auch die regel-
mässige Zickzackfältelung der Obergewänder erinnern lebhaft
440 ^'^ griechischen Broncen entwickesHen Styls.
an Figuren des alten Styls. Etwas Näheres lässt sich in-
dessen nicht angeben.
Ueber die Lareu ist neuerdings Manches geschrieben, doch sind
überzeugende Resultate dabei nicht gewonnen. Gegen die Ansichten
Jordan^s in dem Aufsatz de larum imaginibus atque cuitu in Annali
1862 p. 300 ff. und im Berliner Winkeimannsprogramm von 1867 vcr-
liält sich der Text zweifelnd, während ich mir aus Relfferscheid's Ab-
handlung de larum picturis Pompejanis iu Annali 1863 p. 130 die Auf-
fassung der Gruppe des Genius mit den Laren angeeignet habe, üebri-
gens ist hier nicht einmal der Anfang zu einer Sichtung des Materials
gemacht. Jordan zählt von der einen Gattung der Laren sehr viele
Fälle auf, aber ich glaube es wäre besser gewesen, statt dessen die
verschiedeneu Gattungen der Laren, wenn auch nur in einzelnen
Beispielen, zu erwähnen. Eine sehr interessante Bronce befindet sich
im Louvre n. 464 in der notice des bronces antiques du Louvre von
Longperier, der sie auch genauer beschreibt. £s ist ein Lar mit Rhytoo
und Schale, mit einem Hundsfell bekleidet und in einer Stellung, die
man eher als die eines Tanzenden auffassen könnte, als die der
anderen Laren.
2011. Lar, mit einem Chiton, der wie vom Winde
zurückgeweht erscheint, bekleidet Darüber trägt er die
Chlamys sehr hübsch angeordnet, so dass die Zipfel vom bis
über die Knie herabhängen, symmetrisch gefältelt. Auf dem
Kopf hat er einen Fichtenkranz mit herabhängenden Bändern,
an den Füssen Sandalen. In der linken Hand trägt er ein
Füllhorn, in der rechten eine Schale. Aus der Sammlung
Koller. JI. 38/4".
2012. Derselbe Typus. Das Füllhorn in der Linken
ist erhalten, die Schale in der Rechten fehlt mit dem Vorder-
arm und rechten Fuss. 1840 aus dem Nachlass des Director
Levezow erworben. H. 2^/2".
2013. Derselbe Typus, die Attribute sind nicht er-
halten, aber man sieht noch, dass und wie er sie hielt. Aus
der Sammlung Koller. H. 472".
2014. Derselbe Typus, nur dass die Figur in der
Rechten statt einer Schale Aehren trägt. Sie steht auf
antiker Basis. R 4^8".
2015. DesgL, mit einem Kranz auf dem Kopfe, von
welchem Bänder herabhängen. In der Linken, von welcher
etwas mehr als die Hand weggebrochen, hielt er die Schale,
in der erhobenen Rechten^ an welcher die Finger verstümmelt
D!e griechischen Broncen entwickelten Styls. ' 441
sind; ist ein Trinkhorn vorauszusetzen. Die Beine sind weg-
gebrochen, auch eine Partie des Gewandes an der linken
Seite fehlt. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 49. H. 4^/4".
2016. Desgl., vollständig erhalten, in tänzelnder Be-
wegung. Er hält in der Linken die Schale, in der Rechten,
deren Hand fehlt, ist das Khyton vorauszusetzen. B. a. XXXI.
a. 2. Aus dem Besitz Bellori's. H. 2%".
2017. Aehnliche Figur, nur ist der linke Arm er-
hoben und der rechte vorgestreckt. Beide Hände mit den
Attributen fehlen. Aus der Sammlung Bartholdy, C. 48.
H, 3".
2018. Derselbe Typus, die Hände haben die Attribute
verloren und sind selbst etwas beschädigt. Auch der linke
vortretende Fuss ist abgebrochen und an dem anderen ist
die Spitze restaurirt Aus der Sammlung Koller. H. 5^/4".
2019. Desgl., im Ganzen mit den anderen Darstellungen
übereinstimmend, aber ruhig stehend. In der Linken erhebt
er eine Schale, in der gesenkten Rechten, welche abgebrochen
war, hält er den Rest eines Trinkhorns. Aus der älteren
königl. Sammlung. B. a. XXXL «i 6. H. 3^/4".
2020. Ganz übereinstimmende Figur, aus derselben
Form. Sie ist ganz ohne Beschädigung erhalten. H. 8^/4".
Man könnte bei diesen beiden Figuren einige Bedenken
hinsichtlich ihrer Aechtheit haben.
Genius.
Vom Genius war schon eben bei den Laren die Rede.
Er wird dargestellt opfernd für das Wohl der Familie, mit
halb verhülltem Haupt und der Opferschale in der Rechten.
In der Linken trägt, er das Füllhorn, das Symbol des segens-
reichen Dämons.
2021. Römischer Genius mit der Toga, die den
Hinterkopf verhüllt, in der Linken ein Füllhorn, in der
Rechten die Schale haltend. Am Gewand läuft von der
Schulter vertikal ein eingelegter Silberstreif, wie man ihn
ähnlich an Camillen-Tänzern und ähnlichen Figuren si^ht.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 59. H. 5".
442 ^^^ griechiecben Broocen entwickeUen Styls.
2082. Derselbe Typas, an welchem nur der linke
Vorderfaßs fehlt. Die Figur steht auf einer kleinen^ vier-
eckigen antiken Basis. Aus der Sammlung Bartholdy. Q.60.
H. 4V6" mit Basis.
2023. Derselbe Typus, t?ie sich wohl mit Sicherheit
sägen lässt, wenn auch beide Häude mit den Attributen ver-
loren gegangen sind. Aus .der älteren königl. Sammlung.
B. a. XXX. a. 4. H. 4".
2023*- Derselbe Typus, beide Hände fehlen, im linken
Ellenbogen ist aber das Füllhorn erhalten. H. 2^2^' mit Basis.
Flussgott.
2023^- Schöne Büste eines jagendlichen Fluss-
gottes^ kenntlich an der Schilfbekränzung und an dem pathe-
tischen Ausdruck, der den Dämonen des Meers eigen ist.
Der Kopf ist seitwärts gewandt und über den Augen bemerkt
man einen schmerzlichen Zug. Aus der SammL Bartholdy.
C. 75. H. 3".
Herkules.
Der Typus des Herkules, der in lebendiger Angriffs-
stellung mit geschwungener Keule in der Rechten und den
Bogen in der ausgestreckten Linken haltend dargestellt ist^
ist wohl in allen Museen der gewöhnlichste. Er kommt in
allen Stylen vor, etruscisch, griechisch, römisch, und sowohl
in völliger Rohheit als in feiner Ausführung.
Verfolgt man diesen Typus nach rückwärts, so stösst
man, als auf das relativ älteste Exemplar, auf eine kleine,
altgriechische Bronce, die sich in der Privatsammlung des
Herrn Oppermann zu Paris befindet und durch die Liebens-
würdigkeit des Besitzers, der mit grösster Freigebigkeit die
Photographien derselben vertheilt^), vielleicht schon in wei-
teren Kreisen bekannt ist. Diese Bronce ist zugleich trotz
ihres specifisch alterthümlichen Charakters die schönste von
allen. Herkules ist ganz Leben und Aktion, er hat jene
^) Keknie, der diese Figar im bullet, p. 65 nach Gebühr würdigt,
bemerkt, dass sie schon von F. Leaormani publiciri sei. Ich bedanre,
dass mir diese Pnblication nicht zu Gesicht gekommen ist.
Die griechischeD Broncen entwickelten Styl«. 443
hastig gewaltsame Schrittstellang^ die der alteu Kunst eigen
ist und ist überhaupt für das Ringen des alten Styls^nach
Leben und Ausdruck ein höchst charakteristisches • Werk.
Den (nur halb erhaltenen) Bogen hält er in der ausgestreckten
Linken, die Keule in der Rechten ist roUständig erhalten.
Das Motiv, den Bogen mit der Linken auszustrecken, ist
eigentlich nicht recht verständlich und könnte auch nur im
alten Styl vorkommen. Denn man begreift nicht, wozu ihm
der Bogen in dieser abnormen Haltung nützen soll und warum
er es sich nicht bequemer mit ihm macht. Aber es scheint
dem alten Styl, der überhaupt seinen Figuren lieber zu viel
als zu wenig Attribute giebt, zu entsprechen, dass Herkules
auch hier Bogen und Keule in den Händen hat
Es liegt bei dieser künstlerisch durchgeführten Figur
die Yermuthung nahe, dass sie uns das Werk eines Künstlers
alter Zeit aufbewahrt habe und in der That wird uns von
einer. Statue des Onatas, des berühmtesten Künstlers der
äginetischen Schule berichtet, die in den Attributen eine auf-
fallende Uebereinstimmung mit dieser Bronce verräth. Onatas
machte nämlich für die Thasier einen zehn Ellen hohen
Herkules, der in der Rechten die Keule, in der Linken den
Bogen trug.
Indessen würde doch die blosse Uebereinstimmung der
Attribute die Ideutificirung der Statue des Onatas mit unserer
Bronce nicht rechtfertigen^), denn vielleicht waren sie anders
gehalten in dieser als in jener, es sind aber auch noch andere
Gründe vorhanden, und eben der Schriftsteller, dem wir die
Notiz über den Herkules des Onatas verdanken, Paus^as,
führt durch seine Bemerkung, dass die Thasier ursprünglich
Phönicier aus Tyrus seien und mit den Tyriern denselben
Herkules verehrten, auf den richtigen Weg der Untersuchung.
Auf den Münzen von Tyrus nämlich und noch auf anderen
phönicischen Münzen finden wir genau denselben Herkules,
in derselben Haltung und Stellung und mit denselben Attri-
buten wie die Broucen ihn zeigen^). Dies ist also offenbar
der tyrische Herkules, der in Tyrus sogut wie in Thasos ver-
^) E. Braun hat in den Annali 1836 p. 67 eben wegen der üeber-
einstimmuDg der Attribute die Yermuthung ausgesprochen, dass dieser
Typus auf Ooatas zurückgehe.
*) Vgl. den essai sur la numismatique des satrapies et de la
Ph^nicie sons les rois Achaemeuidcs par H. de Luynes pl. 13 ff.
444 ^i^ griechischen Broncen entwickelten Styls.
ehrt und unzweifelhaft von Onatas in jener Statue vorgestellt
wurde. Das Datum jener Münzen ist zwar nicht mit voller
Sicherheit zu bestimmen^ allein selbst wenn sie jünger sein
sollten als Onatas, dem sie ihres Styls wegen jedenfalls nicht
fem stehen, so ist wohl nicht zu bezweifeln, dass der Typus,
den sie geben, ein national und alt phönicischer ist, und dass
nicht die Tyrier den Onatas, sondern umgekehrt, der für die
phönicischen Thasier arbeitende Onatas die Tyrier imitirte.
Wir sehen in diesem Herkulestypus die Abhängigkeit
der griechischen Kunst vom Orient einmal mit einer Deutlich-
keit, wie wir sie sonst nur selten finden. Ein ursprünglich
phönicischer Typus wird von einem berühmten griechischen
Künstler imitirt, treu imitirt trotz der schon oben erwähnten
Sonderbarkeit des Bogens, die eben, weil nicht aus natür-
lichen oder künstlerischen Grründen zu motiviren, beweist, dass
der Künstler von einem bestimmt gegebenen Typus nicht ab-
weichen durfte. Was er von seinem Eigenen hinzu that ist
eben das, was die griechische Kunst auch in ihren früheren
Perioden specifisch von der orientalischen und äg}'ptischen
unterscheidet, die Lebendigkeit der Bewegung, die selbst der
ägyptischen Kunst, welche in den Gesichtszügen doch das
sprechendste Leben zu erreichen wusste, nur ganz ausnahms-
weise und in bedingtem Maasse gelang. Bei eingehenderem
Studium der orientalischen Kunst werden sich noch mehre
ähnliche Fälle herausstellen; die letztere ist für die grie-
chische Kunst das gewesen, was die byzantinische für die
moderne, sie hat Typen gegeben, die von den Griechen ebenso
imitirt wurden, wie in der modernen Kunst byzantinische
Typen bis in raphaelische Zeit festgehalten worden sind. Die
Bronce der Sammlung Oppermann ist ein Höchstes an Lebendig-
keit und übertrifft in dieser Beziehung weit die angreifenden
Krieger in den Giebelfeldern des äginetischen Tempels. Man
sieht, dass auch in Aegina Werke entstanden, die den alt-
attischen hinsichtlich der Lebendigkeit nicht nachstanden, und
es wird uns dadurch immer schwieriger gemacht, den Unter-
schied zwischen äginetischen und altattischen Werken an-
zugeben.
Der Umstand, dass dieser Herkulestypus sich als ursprüng-
lich phönicisch herausgestellt hat, erklärt wohl am besten
die weite Verbreitung desselben, er tritt wie die phönicische
Bevölkerung überall auf. Leise Verschiedenheiten kommen
vor, an dem einen Exemplar fehlt die Löwenhaut — unter
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 445
andern auch an der Oppermann'schen Bronce — , an dem
andern ist sie da; das eine Mal ist Herkules bärtig — und
dies scheint die ursprüngliche Darstellung^ die sowohl auf
den phönicischen Münzen als in der eben erwähnten Bronce
sich findet — das andere Mal ist er ganz jugendlich, immer
aber bleibt das Grundmotiv nebst den Attributen.
Die im Folgenden aufgeführten Exemplare dieses Typus
sind mit einer Ausnahme künstlerisch völlig werthlos. Zum
grössten Theil gehören sie dem Verfallstyl der alten Kunst
an. Solche Exemplare werden besonders häufig in den
römischen Fundstätten des Rheins — vgl. z. B. Dorow
Denkm. german. u. röm. Zt. iu den rhein. - westphäl. Pro-
vinzen Taf. 9, 1 — gefunden, und ebendaher stammen auch
mehrere der unserigen.
Herkules mit Keule und Bogen.
2024. Jugendlicher Herkules, mit dem Löwenfell,
das über den Kopf gezogen ist und vom linken Arm herab-
hängt. In der erhobenen Rechten hielt er die Keule, in der
Linken den Bogen. Aus der Sammlung Koller. H. 6Vi"-
Etruscisch.
2025. Desgl., mit dem Löwenfell, das gerade so an-
geordnet ist. Er hält die Keule geschwungen in der Rechten;
für die Linke ist der Bogen vorauszusetzen, von welchem in
der Hand ein Rest zurückgeblieben scheint. Die Füsse mit
Basis sind neu, und an den Waden ist mit Wachs restaurirt.
Aus der Sammlung Koller. H. 6^/0". Etruscisch.
2026. Desgl., das Löwenfell ebenso angeordnet Die
Keule in der erhobenen Rechten ist abgebrochen und der
linke Arm bis zum Ellenbogen fehlt. Aus der älteren königl.
Sammlung. B. a. XVI. a. 4. H. S'/s"- Etruscisch.
2027. Desgl., das Löwenfell hängt vom linken Arm
herab. Die Linke ist den Bogen haltend zu denken, die
Rechte die Keule, die abgebrochen ist. Die Figur steht auf
einer antiken, viereckigen Basis von Bronce. Aus der Samm-
lung Koller. H. 5" mit Basis.
2028. Desgl., die Löwenhaut hängt vom linken Arm
herab. Für die durchbohrte Linke ist der Bogen voraus-
446 ^i® griechischen Broncen entwickelten Styls.
stttsetzen^ in der erhobenen Rechten ist noch der Griff der
Keule erhalten. Die Figur steht auf zwei zor Befestigimg
dienenden Zapfen. Angekauft mit der Böcking'schen Samm-
lung 1859. 960. H. 31/2"-
2029. Desgl.^ der linke Arm fehlt fast ganz und die
Hälfte des rechten Beines. Von der Keule in der erhobenen
Bechten nur der Griff erhalten. Aus der Böcking'schen
Sammlung. 684. Gefunden zu Saarburg. H. S^',
2030. DesgL Die Figur ist freilich bekleidet mit einem
kurzen Leibrock^ aber in der Bechten erhebt sie die Keule
und die Linke macht den zum Halten des Bogens erforder-
lichen Gestus. Vom linken Arm hängt etwas herab, was ein
Löwenfell vorstellen kann. Aus der Böcking'schen Sammlung.
915. H. 3V2".
2031. Derselbe Typus^ nur ist Herakles ganz nackt.
Der linke Vorderarm fehlt und die Keule in der Rechten.
Die Figur hat eine kleine Basis. Aus der Sammlung Koller.
H. 4^8".
2032. Desgl., die Löwenhaut, von welcher nur ein
kleines Stück erhalten, hängt vom linken Arm herab, in der
fehlenden rechten Hand schwang er die Keule. Aus dem
Nachlass des Prof. Rösel 1844 erworben. 2742. H. 2^2"-
2033. Derselbe Typus, nur noch roher. Ganzerhalten.
Ebendaher. 2741. H. 2V2".
2034. Desgl., die linke Hand fehlt. Aus der Sammlung
Kdler. H. S'/g"-
2035. Desgl., der linke Fuss etwas verstümmelt. Aus
der Sanmilung Koller. H. 3%".
2036. Desgl., die Keule ist etwas verletzt Aus der
Sammlung Koller. H. 2V2".
2037. Desgl., die Keule ist fragmentirt, die Beine fehlen
vom Knie abwärts. Aus der Sammlung Koller. H. 2^/0".
2038. Desgl., die Löwenhaut verstümmelt. Aus der
Sammlung Koller. H. 4".
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 447
2039. DesgL; auch hier scheint die Löwenhaut nicht
ganz erhalten. Aus der Sammlung Koller. H. 3'-.
2040. Desgl.; mit dem Löwenfell auf dem Kopf; so dass
es am Halse geknüpft ist und von dem linken Arm herab-
hängt. Die durchbohrte Rechte* hielt die Keule. Beide Füsse
sind verletzt. Aus der Sammlung Koller. H. 378"«
2041. Desgl.; die Keule erhoben in der Rechten^ das
Löwenfell am linken Arm, die linke Hand fehlt. Aus der
Sammlung Koller. H. 3V4".
2042. Derselbe Typus, ganz erhalten. Aus der Samm-
lung Minutoli. B. c. a. bb. 11, H. 3^/4 ". •
2043. Desgl.; nur fehlt ein Stück der Keule. Aus der
Sammlung Minutoli. B. c. a. bb. 13. H. 273"«
2044. Desgl.; die Keule fehlt; wenn sie überhaupt
ursprünglich vorhanden war. Aus der Sammlung Minutoli.
B. c a. bb. 12. H. S«/*".
2045. Desgl.; die Löwenhaut ist über den Kopf ge-
zogen und hängt am linken Arm herab, ist aber nicht ganz
erhalten; die Rechte schwang die (nicht erhaltene) Eeule; die
Linke hielt den BogeU; von dem noch Reste vorhanden.
H. 4Ve".
2046. Ganz ähnliche Figur; aber die Bewegung iÄt
etwas lebendiger. Der Griff der Keule ist erhalten. H. 372"«
2047. Desgl.; die Keule fehlt. H. 3V2".
2048. Desgl.; die Keule ist erhalten; aber der linke
Arm fehlt. H. 4V2".
2049. Derselbe Typus, beide Füsse und beide Hände
fehlen. Die unten verstümmelte Löwenhaut sieht eher wie
ein Gewand auS; es ist aber doch ein Herkules gemeint.
H. SVs"-
2050. Desgl.; die Keule ist verstümmelt und die Spitze
des linken Fusses fehlt. H. 38/4".
2051. Desgl.; die rechte Hand fehlt. H. 4''.
448 ^'^ griechischen Broncen entwickelten Style.
2052. Desgl., die Keule fehlt H. 3^/e".
2053. Desgl., unversehrt. H. 5".
2054. Desgl., auf einer Basis. Die Keule in der
Eechten ist nicht mehr vorhanden, in der Linken befindet
sich der Rest des Bogens. H. S^s"»
2055. Desgl., die Keule fehlt, die Löwenhaut unten
verstümmelt Der rechte Fuss ist in Waclis restaurirt. Aus
der Sammlung Koller. H. ö*/^".
2056. Desgl. Beide Arme und der Hnke Unterschenkel
fehlen, aber die Figur ist doch mit Sicherheit zu beneönen.
Der rechte Fuss ist in Wachs restaurirt. H. 372"«
2057. DesgL, der linke Arm fehlt, von der Keule ist
nur der Griff in der Rechten zurückgeblieben. H. 3^/4".
2058. Desgl., die Keule ist abgebrochen, die linke
Hand fehlt, und beide Füsse sind in Wachs restaurirt Das
Löwenfell ist über den Kopf gezogen, der Zipfel desselben
ist abgebrochen. H. 5%".
2059. Derselbe Typus, nur weit schöner und be-
wegter. Die Rechte ist mitsammt der Keule, welche sie
schwang, verloren gegangen, die Linke hält das Löwenfell
wie einen Schild vorgestreckt. Diese Figur hat noch guten
Styl. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 52. H. 474"*
2060. Desgl., ganz roh. Der rechte Arm fehlt H.2V8"-
Herkules mit den Aepfeln der Hesperiden.
Die folgenden drei Broncen entsprechen genau dem eben
erwähnten Typus, nur dass Herkules statt des Bogens die
Aepfel in der Hand hat
2061. Herkules, mit dem Löwenfell am linken Arm
und den Aepfeln in der linken Hand. In der Rechten schwingt
er die Keule. Eigenthümlich ist das Kopfband, wegen der
Spitze über der Stirn, die oft vorkommt, aber für uns nicht
recht verständlich ist Der linke Fuss ist etwas verstümmelt.
Etruscisch. Aus der Sammlung Koller, H, 6",
Die gpriechischen Broncen entwickelten Styls. 449
2062. Desgl., mit der Löwenhaut über dem Kopfe, in
der erhobenen Rechten ist noch der Griff der Keule erhalten,
in der Linken hat er einen Apfel. Der rechte Fuss fehlt.
Etruscisch. 1843 erworben. H. 4^8 "•
2063. Desgl., mit dem Löwenfell über dem Kopf, das
am linken Arm herabhängt. In der Rechten . hielt er die
Keule, die jetzt verloren; die linke Hand, die fehlt, hielt
wahrscheinlich die Aepfel, auch der linke Fuss fehlt. Etrus-
cisch. H. 31/4".
2064. Aehnlicher Typus, nur dass Herkules die Keule
nicht geschwungen, sondern auf den Boden gesetzt hat. Er
ist ganz nackt. In der Linken hält er wahrscheinlich einen
Apfel. Unter den Füssen befinden sich Leisten zum Ein-
setzen in ein Geräth oder dergleichen. Gefunden zu Pompeji.
Aus der älteren königl. Sammlung. B. a. XVL a. 6*- Von
Herrn Temite gekauft. H. 4^2"«
2065. Desgl., mit der Löwenhaut über dem Kopf, in
der ausgestreckten Linken hält er die Aepfel, mit der Rechten
stützt er sich auf die Keule, die ungewöhnlich geformt ist.
Aus der Sammlung Minutoli. H. 2^/2".
2066. Desgl., das Löwenfell, dessen Zipfel verstümmelt,
hängt von der linken Schulter herab. In der Linken hält
er die Aepfel. Die Rechte hielt er auf die nicht mehr vor-
handene Keule gestützt. Beide Füsse fehlen. Am Hinterkopf
ist eine Oese, um die Figur irgendwo aufzuhängen oder zu
befestigen. Etruscisch. Aus der Sammlung Koller. H. 5%".
2067. Bärtiger Herkules, mit dem Löwenfell am
linken Arm. In der Linken hält er die Aepfel der Hes-
periden, die rechte Hand und der rechte Fuss fehlen. H. 3V2"•
2067*• Desgl. Von der Keule in der Rechten ist nur
der Griff übrig, in der Linken hält die Figur einen Apfel. Das
Löwenfell fehlt ganz. Etruscisch. Aus der Dorow'schen
Sammlung. H. 38/4".
Andere Herkulesdarstellungen.
2068. Bärtiger Herkules, auf einer Basis. Er ist
mit Fichtenlaub bekränzt. Das Löwenfell hängt vom linken
Friedericlis, Berlin's Antike Bildwerke II. 29
450 ^^ griechischen Broncea entwickelten Styls.
Arm heraby die Keule liegt auf der linken Schulter auf. Die
rechte Hand/ welche wahrscheinlich den Becher hielt^ fehlt
Aus der Sammlung Koller. H. 5".
2069. Bärtiger Herkules, mit dem Löwenfell am
linken Arm, in der Linken die Keule haltend. In der aus-
gestreckten Rechten hielt er wohl den Becher. Aus der alt
königl. Sammlung. B. a. XYL a. 5. H. 2''.
2070. Bärtiger Herkules, bekränzt, mit dem Löwen-
fell am linken Arm, während die Keule auf der linken
Schulter ruht. Die ausgestreckte Rechte, welche abgebrochen
ist, hielt wahrscheinlich den Becher. Es fehlen der rechte
Fuss und das linke Bein vom Knie abwärts. Aus dem Nach-
lass des Director Levezow 1840 erworben. H. 2^/«''.
2070^' Bärtiger Herkules, ruhig stehend, mit dem
Löwenfell am linken Arm, in der Linken seinen Becher hal-
tend. In der Rechten hielt er, wie aus der Durchbohrung
der Hand zu schliessen, die Keule. An den Kranzbändem,
die links und rechts auf die Schulter fallen, ist eine Kette
befestigt. Die Figur war irgendwo aufgehängt. Aus der
älteren Sammlung. B. a. XVI. a. 8. H. 2^/2".
2070^- Bärtiger Herkules, mit dem Löwenfell am
linken Arm, den Becher in der Linken haltend. Die rechte
Hand, in welcher er wohl die Keule hielt, und der rechte
Fuss fehlen. H. 2^1^".
2071. Jugendlicher Herkules, nackt, mit der Keule
in der Linken, dem Becher in der Rechten. Entartet etrus-
cischer StyL Aus der Sammlung Bartholdy. B. 13. H. 6".
2071*- Jugendlicher Herkules, ein Gewand mit ver-
zierten Säumen um die Hüften geschlagen, in der Rechten
die Keule, in der Linken *das fragraentirte Trinkhorn haltend.
Beide Füsse fehlen. Guter etruscischer noch etwas alterthüm-
licher Styl. Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben. 135.
H. 3".
2072. Jugendlicher Herkules, nackt, ruhig stehend,
mit der Keule in der Linken, das Löwenfell hängt vom linken
Arm, die Rechte ist in die Hüfte gestemmt Aus der Samm-
lung Koller. H. SVc".
Die griechischea Broncen entwickelten Style. 451
2073. Jugendlicher Herkules, ganz nackt, mit der
Keule in der Rechten, während die Linke eine rednerische
Bewegung macht. Er trägt den, vorn mit einer Spitze ver-
sehenen Kopfschmuck. Die Figur steht auf einer Basis. H. 6".
2074. Jugendlicher Herkules, die Rechte in die
Hüfte stützend, während die Linke die Keule oder ein Füll-
horn im Arm hielt. Der rechte Fuss fehlt. Auf dem Rücken
zwei tiefe Löcher. Etruscisch. Aus der Samml. Koller. H. 6^2"
2075. Derselbe Typus. Die linke Hand fehlt, und die
beiden Füsse sind restaurirt. Etruscisch. Aus der Sammlung
Bartholdy. C. 50. H. 7^1^".
2076. Schildförmige Büste eines jugendlichen
Herkules, mit dem Löwenfell über dem Kopf, das unter
dem Hals zusammengeknüpft ist. Der Kopf ist auf die Seite
geneigt, um ihm etwas mehr Ausdruck zu geben. Oben ist
ein Loch, die Büste war irgendwo als Yerzierung angebracht.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 51. H. S*/^".
2076*- Büste des jugendlichen Herkules. An der
rechten Schulter ein Ring, der auch wohl an disr linken sich
befand, an welcher etwas restaurirt ist. Ornament. Aus der
älteren Sammlung. B. a. XVI. ß, 1. H. 2".
2077. Das Herkuleskind, mit dem Herkulcsbecher in
der Linken, während es die Keule auf das rechte Knie stützt.
Das linke Bein fehlt vom Knie abwärts. Die Figur ist sehr
von Rost zerfressen. Aus der älteren königl. ' Sanmilung.
B. a. XVL a. 10. H. l»/^".
Abg. bei Beger III, 280.
2078. Linker Arm eines Herkules, die Hand hält
den Beclier ohne Henkel, der Arm ist ganz umhüllt von der
Löwenliaut. Scliön. B. a. XVL a. 9. Aus dem Besitz Bel-
lori's. II. 38/4".
Abg. bei Beger III, 282. '
2078"" Fragment eines keulenschwingenden
Herkules, Kopf, Brust und linker Arm sind erhalten, Relief-
vcrzierung. Aus Gerhards Nachlass 144.
2078''- Kculo, die vormuthlich sich in der Hand eines
Herkules befand. Aus (lerhard's >Jachlass 75.
29*
452' ^^ griechischen Broncen entwickelten Styls.
Dioskuren.
2079. Dioskur, mit Schiffermütze. Die lange^ auf der
rechten Schulter befestigte Chlamys, fällt über die linke
Schulter und dient der Figur zum Hintergrund. Der linke
Arm, dessen Finger verstümmelt, ist ausgestreckt, etwa als
hätte er sein Pferd gehalten. Vom rechten Arm, der ruhig
herabhängt, fehlt etwas mehr als die Hand, sie kann die
Lanze gehalten haben. Das linke Bein von der Wade ab-
wärts ist in Wachs restaurirt. Aus der Sammlung Bartholdv.
C. 45. H. 4".
2080. Dioskur, kenntlich an dem Stern über dem Kopf,
Er ist nackt bis auf die kleine Chlamys, welche den oberen
Theil der Brust deckt und stützt den rechten Arm in die
Seite, die erhobene Linke hielt ohne Zweifel den Speer, der
abgebrochen ist. Aus der Samml. Bartholdy. C. 46. H. 4 V4"-
2081. Nackter Jüngling, der wegen der halbeiförmigen
Mütze wohl für einen Dioskuren zu halten ist Die rechte
Hand ist in die Hüfte gestützt, der linke Unterarm, der
etwas erhoben war, fehlt, sowie der linke Fuss und das
rechte Bein vom Knie abwärts. H. S-^/^".
Orpheus.
2082. Orpheus, mit phrygischer Mütze, nackt bis auf
die über den Schooss fallende schmale Chlamys, sitzt auf
einem Felsen und greift mit der Linken in die Saiten eines
auf seinem Schenkel ruhenden Instruments, während er in
der Rechten das Plectrum hält. Der Kopf ist schwärmerisch
nach oben geworfen, er ist singend zu denken. Er lehnt an
eine aufgerichtete, oben gekrümmte Schlange, die den Griff
bildete, an dem Orpheus decorativ angebracht ist. Denn ilass
das Ganze ursprünglicli ein Griff war, sieht man noch deutlich,
üeber dem Kopf des Orpheus, oben am Griff, sitzt an Bocks-
beinen und Scliwanz kenntlich Pan, in der einen Hand die
Syrinx haltend, die andere auf die Mütze des Orpheus legend.
Er ist wohl als Zuhörer zu denken, der die eigene Musik
darum unterbricht. An den Füssen des Orpheus befinden
sich einerseits Eule und Hirsch, andererseits ein Eber und
Adler, der auf einer Schlange steht, die sich gegen ihn er-
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 453
hebt. Dicht am linken Fass liegt ein Hund^ der aufmerksam
zuhörend den Kopf zu Orpheus emporhebt. Angekauft 1827
aus der Sammlung von Schellersheim. B. a. XXI*- a. 1.
H. 31/2".
Opfernde und Betende.
Es giebt in allen grösseren Museen eine grosse Anzahl
von Statuetten, sowohl von Bronce als Terrakotta, sowohl
von griechischem als römischem, als auch etruscischem Styl,
die Opfernde und Betende darstellen. Der Zweck derselben
und oft auch, zumal bei den etruscischen, die Darstellung
selbst sind in gröbster Weise verkannt. Offenbar haben
diese Statuetten, da sie in grösster Fülle vorkommen, einen
praktischen Zweck erfüllt, zu dem das antike Leben häufig
Gelegenheit gab, es waren sicherlich Weihgeschenke. Denn
es war alte Sitte, als Dank gegen die Gottheit anbetende
oder opfernde Figuren in Erz zu weihen ^). Es ist der plastisch
verkörperte Dank, den man der Gottheit darbringt.
^) Vgl. Paus. V, 25, 5 die Erzstatuen der anbetenden agrigenti-
nischen Knaben von Kaiamis, die als Dank für die Besiegung eines
barbarischen Volks geschickt waren und Paus. X, 18, 5 das Weih-
geschenk der Sicyonier, eine d-vola und nofjLnrj in Erz. Bei dieser
Gelegenheit möchte ich versuchen, zwei berühmte iebensgrosse Bronce-
statuen zu richtigem Verständniss zu bringen, nämlich die vielbesprochene
Statue des Louvre, die der Athene als Zehnten geweiht war und den
Idolino in Florenz. Ueber die erste ist nur darum so viel disputirt,
weil man, wie das so gewöhnlich ist in der Arcbaeolegie, nicht genau
beobachtete. Hätte man genau die Haltung der Finger untersucht, so
konnte nie von einem Apoll, zu dem die Statue ohneliin viel zu jung
ist, die Rede sein. Und am allerwenigsten hätte man diesem „Apoll*'
ein Thier in die Rechte und einen Bogen in die Linke geben sollen,
was ja schon ein Blick auf die bekannte Statuette des britischen Museums
als falsch erweist. Die rechte Hand der Figur hielt nämlich, wie
übrigens auch R. Rochetti Annali 1833 p. 207 bemerkt hat, eine Schale
und nur eine Schale, zu deren Halt der Daumen einwärts gebogen ist.
An der linken Hand, deren Finger zusammengekrümmt sind, Jst wichtig
zu bemerken, dass die Finger nicht alle parallel über einander liegen,
sondern dass der Zeigefinger vorgeschoben ist, genau wie bei einer
Hand, die den Henkel einer Kanne hält. Und das eben war das Attribut
der linken Hand, und mit diesen Attributen muss ja jeder Gedanke an
Apoll sofort aufgegeben werden. Durch diese Attribute wird die Statue
nun auch erst, wie mir scheint, zu einer logisch gedachten. Denn einen
Apoll der Minerva als Zehnten zu schicken, ist für uns wenigstens nicht
zu motiviren, aber ihr einen Knaben, einen Opferdiener, einen Camillus
zu schicken, der ihr ein Dankopfer bringt, das hat Sinn und Verstand.
454 I^'c griechischen Broncen entwickelten Styls.
Doch entstehen Zweifel, sobald man sich die Sitte etwas
detaillirter vergegenwärtigt. War es Sitte, solche Statuetten
bei jeder Gelegenheit zu weihen, oder sind es vielleicht vor-
wiegend bestimmte Personen und bestimmte Veranlassungen
gewesen, die zur Weihung führten? Wir glauben es fand
beides statt, und beides wird durch alte Zeugnisse bestätigt.
Denn auch die Annahme, dass viele dieser Statuetten Weih-
geschenke bestimmter Leute, nämlich von Priestern und
Priesterinnen waren, ist durch manche Beispiele aus dem
Alterthum zu stützen. Vor dem Heraeum bei Argos standen
die Statuen der Priesterinnen, gewiss doch als Stiftungen
eben dieser Priesterinnen nach beendigtem Priesterthum und
in vielen Inschriften ist die Rede von Statuen von Priestern
oder Priestergehülfen, die nach abgelaufenem Amt der Gott-
heit dedicirt wurden. In dem Tempel der Demeter in Cnidos
fand Newton eine grosse Anzahl von Terrakottafiguren, dar-
unter besonders viele Mädchen mit Krügen auf dem Kopf,
die auch in den Museen oft vorkommen, gewiss waren es
W^ihgeschenke von Mädchen, die beim Tempel Dienst ver-
richtet hatten. Noch deutlicher ist dies bei einem Heilig-
thum in Idalion auf Cypern zu beobachten, dessen Trümmer
in buchstäblichem Sinn von Statuen und Statuetten von
Priestern und Priesterinnen angefüllt waren, alle kenntlich an
bestimmten unzweideutigen Attributen.
Die betreffenden Figuren sind männlich und weiblich,
erstere wohl immer ganz jugendlich. Die gewöhnlichsten
Attribute sind Schale und Weihrauchbüchse.
Ebenso wie diese Figur im Louvre, ist auch die berülimte Bronce
ans Pesaro zu erklären, die sogar von 0. Mfiller für einen Atlileten ge-
lialten werden konnte. Die ausgestreckte Rechte liielt wieder unzweifel-
haft eine Schale, und die Kanne passt vortrtfflich in die Linke. Auch
sie ist daher so ein specifisch griechisclie Sitte veranscliauIicheDdes
Weiligeschenk, und zugleich ein schönes Beispiel für den strengen
Ernst des hohen Styls, während die erste die anmuthige Naivetät des
alten Styls, die, so unmöglich sie auch zu verkennen ist, doch verkannt
ist, repräsentirt. Die Zeit der Florentiner Statue ist übrigens schon
richtig von Mayer zu Winckelmann Gesch. d. K. III, 2, § 10 bestimmt.
Ausser diesen Figuren erwähne ich noch n. 214 im Louvre, eine
kleine aber schöne Bronce von ernstem griechischen Styl, die dem
Idolino in Stellung und Styl entspricht und für welche ich daher die-
selben Attribute voraussetze. Longp^rier erklärt sie ohne allen Grand
für Merkur,
Gewiss aber giebt es noch mehre übereinstimmende Statuetten, die
ich übersehen habe oder nicht kenne.
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 455
Wir haben auch hier wie bei den Herkulesstatuetten
die etruscischen Figuren zusammen mit den griechischen und
römischen aufgeführt, weil sie zum grossen Theil mit den
letzteren vollkommen übereinstimmen. Es ist nämlich ein
Irrthum, den wir hier berichtigen wollen, die glatten rohen
Broncen, die gerade in dieser Klasse von Figuren sehr häufig
vorkommen, etruscisch zu nennen. Man thut das, weil man
sie nur von etruscischen Fundorten her kennt, allein ganz
dieselben Figuren, die in Etrurien gefunden werden, findet
man in römischen Fundstätten am Rhein, wie man z. B. bei
Dorow Denkm. german. und röm. Zeit in den Rhein.- Westph|ll.
Provinzen 1823 Taf. 8, 3 beobachten kann. Diese Broncen
stammen aus einer Zeit, als die etruscische Individualität in
der Kunst längst erloschen war, als überhaupt statt des
Lebens, das sich immer individuell darstellt, die schematische
einförmige Weise eintrat, die wir als Verfall bezeichnen und
die im ganzen römischen Reich dieselbe war.
2083. Opfernder, nach griechischem Brauch: Ein Jüng-
ling mit dem Mantel bekleidet, der die Brust und den rechten
Arm frei lässt, hält in der Linken eine kleine Weihrai^ch-
kapsel, in der Rechten, wie um auszugiessen, eine Schale.
Unter dem linken Fuss ein Zapfen zum Einsetzen der Figur.
Aus Athen 1854 eingesandt. H. 3^/^".
2084. Opfernder, nach römischem Brauch, in der Toga,
welche wie gewöhnlich den Hinterkopf bedeckt. In der
Rechten hält er die Schale, in der Linken eine besonders
geformte Acerra, wie man sie aber öfter in Opferdarstellungen
sieht. Unter der Basis steht die Notiz: Aus dem Witten-
berger Univ. Archiv. H. 2^/3".
2085. Desgl., die Vorderarme mit den Opfergeräthen
sind nicht mehr vorhanden; es wäre nicht unmöglich, dass
die Figur mit der vorangehenden aus einer Form stammte.
H. 2%".
2086. Opfernder, in der Chlamys, die sein Hinterhaupt
verhüllt und um die Hüften herumgelegt ist, so dass die Brust
frei bleibt. In der Rechten hält er die Schale, in der Linken
einen Granatapfel. Die Basis sclieint alt. Aus der älteren
königl. Sammlung. B. a. XXIX. a. 2. Höhe 4^2", mit
Basis 7".
456 ' ^^^ g^riechischen Broucen entwickelten Styls.
2087. Opfernder, in demselben Habitus wie in n. 2083.
Der Jüngling hält in der Linken die Weihrauchkapsel, der
rechte Arm ist kaum bis zum Ellenbogen erhalten, die rechte
Hand hielt aber, wie mit Sicherheit zu sagen ist, eine Schale,
Die Füsse der Figur stehen auf Zapfen, die zur Befestigung
dienten. Das Gewand des Jünglings hat einen Saum. Aus
der Böcking'schen Sammlung. Gefunden in der Umgegend
von Trier. H. 5^/4".
2088. Ganz ähnliche Figur eines opfernden Jüng-
lings, nur trägt sie einen strahlenförmig das Haupt umgebenden
Blätterkranz. Die Weihrauchkapsel ist besonders gross. In
der etwas verstümmelten Rechten ist die Schale voraus-
zusetzen. Die Figur ist in eine moderne Basis eingelassen.
Aus der Sammlung Bartholdy. B. 6. H. 6^4" nüt Basis ^).
2089. Derselbe Typus, aber weit roher. Der rechte
Arm fehlt fast ganz. Die Füsse sind durch eine kleine Quer-
leiste verbunden. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 7. H. 4".
2090. Derselbe Typus, die Füsse fehlen, der rechte
Unterarm und die linke Hand. Aus der älteren königl. Samm-
lung, A. 4. H. 211/12"-
2091. Desgl., ganz vollständig mit den Attributen er-
halten, nur der linke Fuss ist etwas angefressen. Aus der
älteren königl. Sammlung. A. 3. H. 2^8".
2092. Desgl., der rechte Unterarm fehlt Unter den
Füssen befinden sich Zapfen. Aus der älteren königl. Sanmi-
lung. A. 5. H. 21/2".
1) Hier erwähne ich eiumal der Guriositat wegen die Erklärung
Gerhard's, der mit gewohnter Leichtfertigkeit die mäBnlichen Figuren
dieser Art für „Helios", die weiblichen für „Juno Regina" erklärt
(Gottheiten der £trusker zu Taf. 2, 5 und 3, 3). Auffallender ibt, dass
auch Longperier (Notice des bronces etc. n. 32 ff.) die weiblichen
Figuren dieser Art für Juno uud die männlichen n. 452 ff. für einen
„italischen Gott^' erklärt. Und doch hatte sowohl der deutsche als der
französische Gelehrte seinen Vorgänger, der die l^guren bereits richtig
erklärt hatte, jener an Dorow Deukm. german. und röm. Zeit in den
Rhein.- Westphäl. Provinzen I, p, 25, dieser an Caylus Recueil III, zu
pl. 43, 3. 50, 3. 54, 1.
k
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 457
2093. Desgl.; ganz erhalten mit der Schale und Acerra.
Unter den Füssen sind Zapfen. H. Z^jJ*.
2094. Desgl.; ganz erhalten mit Schale und Acerra.
Am Rande des Gewandes ist eine Verzierung. Aus der älteren
königL Sammlung. A. 1. H. 6^/4".
2095. Desgl., in der Linken die Weihrauchkapsel, die
rechte Hand fehlt, sowie beide Füsse. Sehr zerfressen.
H. 38/4".
2096. Desgl., der aufrechtstehende Blätterkranz ist er-
halten, es fehlen aber beide Füsse und beide Vorderarme
mit den Attributen. Aus dem Nachlass des Direktors Levezow
1840 erworben. 2633. H. 3".
2097. Derselbe Typus, die Füsse fehlen, die Attribute,
Schale und Weihrauchbüchse sind erhalten. Ebendaher.
2634. H. 2".
2098. Desgl., ganz erhalten. Hier kann die Patina
Bedenken erregen. Auch ist eigen, dass er die Schale in
der Linken trägt und in der zusammengeballten Kechten
nichts. Ebendaher. 2637. H. 31/2"-
2099. Derselbe Typus, vollständig erhalten. Unter
den Füssen eine Basis, wielche zeigt, dass die Figur irgendwo
angesetzt gewesen. Aus dem Nachlass des Prof. Rösel 1844
erworben. 2743. H, 473".
2100. Priesterin, ganz erhalten, mit unbedecktem Kopf,
in der Rechten eine Schale ausgiessend, in der Linken eine
Weihrauchsbüchse haltend. Sie ist mit einem gewundenen
Halsband geschmückt. Massige römische Arbeit. Aus der
älteren königL Sammlung. B. a. XXIX. a. 1. H. 9^«".
2101. Priesterin, mit Schale und WeihrauchkapseL
Ganz erhalten, mit einem Diadem auf dem Kopfe. Aus der
älteren königl. Sammlung. A. 9. H. l»/^".
2102. Desgl., der rechte Arm fehlt zur Hälfte. Steht
auf einer Art Säulenkapitell, wodurch sie mit einem Geräth
in Verbindung trat. Aus der Sammlung Koller. H. 3^/4".
458 ^^^ griechischen Broncen entwickelten Styls.
2103. Desgl., mit derselben Beschädigung, Aus der
Sammlung Koller. H. 4".
2104. Desgl., ganz erhalten. H. 3".
2105. Desgl., der linke Arm liegt unter dem Gewände.
Aus der Sammlung Nagler. H. 2",
2106. Desgl., der rechte Arm nur zur Hälfte erhalten.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 5. H. 4".
2107. Desgl., der rechte Unterarm fehlt Aus der
Sammlung Bartholdy. B. 36. H. 3".
2108. Derselbe Typus, vollständig erhalten. Unter
den Füssen ein Knopf, dessen Zweck nicht deutlich ist. Aus
dem Nachlass des Direktors Levezow 1840 erworben. 2635.
H. 2".
2109. Desgl., ganz roh, aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben. 158. H. ^^IJ'.
2110. Desgl., etwas besser, mit Schale und Blume.
Ebendaher. H. 3".
2111. Aehnliche Figur, vermuthlich auch eine
Priesterin vorstellend. Der linke Arm fasst das Gewand, die
ausgestreckte Hand, welche eine Schale hielt, ist abgebrochen.
Aus der Sammlung Bartholdy. B. 18. H. iVs"-
2112. Derselbe Typus, auch hier fehlt die rechte
Hand. Es könnte übrigens auch eine Göttin, etwa Juno bei
dieser und der vorhergehenden gedacht werden. Aus der
Sammlung Bartholdy. B. 19. H. 473".
2113. Bekränzte Frau, welche in der Linken eine
kleine Kanne, in der Rechten die Schale hält. Die Figur
gehört wohl eher zum Opferdienst als zum profanen Leben.
Aus der älteren königl. Sammlung. H. 4^4".
Betende.
2114. Adorant, mit dem Gestus der Anbetung, wie ihn
die Pietas macht, ein jugendlicher Mann mit dem Himation
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 459
am unteren Theil des Körpers bekleidet. Aus der Sammlung
Minutoli. B. a. XXX. a. 1. H. 278"-
2115. Desgl., nur hat dieser Jüngling unter dem Hima-
tion einen Chiton, und ersteres ist anders angelegt. H. 27e".
2116. Betende Frau, mit Unter- und Oberkleid und
Diadem, die rechte Hand bittend ausgestreckt und so war
auch gewiss die linke Hand gehalten, die abgebrochen ist.
Sie trägt die etruscischen Schnabelschuhe. Die Figur war
irgendwo angebracht, nicht frei. Etruscisch. Aus der Samm-
lung Bartholdy. B. 17. H. 41/8".
2117. Ganz dieselbe Vorstellung, die zur Erklärung
der vorhergellenden Figur dienen kann, da hier beide Hände
erhalten sind. Etruscisch. Gefunden zwischen Perugia und
Chiusi. Dorow. 596. H. SVs".
2118. Aehnliche Vorstellung, nur die Hände etwas
anders gehalten, nach Art der römischen Pietas, das Ober-
gcwand ist über den Hinterkopf gezogen. Etruscisch, ganz
barbarisch. Ebendaselbst gefunden. Dorow. 590. H. 3".
2119. Betender Mann im Himation, das den Ober-
körper und den rechten Arm frei lässt, mit einem Kranz auf
dem Kopfe. Die Linke macht den Gestus des Adoration,
die abgebrochene Rechte machte gewiss einen entsprechenden
Gestus. Mit Basis. Etruscisch. Aus der Sammlung Koller.
H. SVe" mit Basis.
2119*- Etruscischer Jüngling, mit der Chlamys über
der linken Scliulter, beide H^nde in bittender Geberdc sym-
metrisch ausgestreckt. Von Prof. Gerhard 1841 in Italien
erworben. 2712. H. 31/2"-
2119^- Desgl., mit ähnlicher Armbewegung, ganz roh.
H. 4^4".
Tänzer.
2120. Tänzer, mit Castagnetten, aus der alt. Samml.
B. a. XV. er. 2. H. h^U^'.
Ein nackter mit Weinlaub bekränzter jugendlicher Tänzer
in möglichst anmuthiger Position. Der Körper schwebt auf
460 ^^6 griechischen Broncen entwickelten Styls.
einem Bein^ die linke Hüfte ist leicht aasgebogen und nach
der entgegengesetzten Seite biegt sich der Kopf zurück,
während die Arme leicht gebogen nahe am Körper bleiben.
Es ist eine ruhige, aber in vollstem Genuss des Vergnügens
ausgeführte Tanzbewegung. In 'der That scheint der Tänzer
ganz hingegeben an seine Action und eben die durch diese
Hingabe bedingten sympathischen Bewegungen und Biegungen
des Körpers und insbesondere des Kopfes bringen die un-
beschreibliche Grazie der Figur hervor.
Eigenthümlich ist das Gewand angeordnet. Es erscheint
wie ein schmaler Streifen, der von der linken Schulter quer
über Brust und Rücken läuft und dann um die Hüften ge-
gürtet ist. Eine ähnliche Gewandanordnung bemerkt man
gerade an Tänzern nicht selten, es scheint ein aus dem Leben
genommenes Motiv.
Das linke Bein, auf welchem die Figur ruht, ist von
der Wade an ergänzt.
Abg. bei Beger III, 251. Für die Tracht der Tänzer vgl. z. B.
bronzi di Ercol. II, Vign, zu p. 190. Caylus Rec, VII. pl. 80, 4.
2121. Tänzer, in sehr bewegter auf den Spitzen der
Füsse schwebender Stellung. Der Kopf ist bedeckt mit zier-
lich herabhängenden Locken, der rechte Arm sehr bewegt
erhoben, der Chiton von der Bewegung stark gebläht. Letz-
terer ist mit Silberstreifen verziert, wie öfters gerade bei
solchen Personen vorkommt, doch sind dieselben nicht überall
mehr erhalten. Ausserdem trägt die Figur ein Mäntelchen,
das quer den Rücken durchschneidet und vom mit den
Zipfeln befestigt ist Dies bläht sich nach hinten zurück
und verstärkt so den Eindruck der lebendigen Bewegung.
Die Füsse sind ungemein graziös gestellt, sie sind mit zier-
lichen hoch hinaufgehenden Sandalen bekleidet. Der linke
Arm und das unter ihm befindliche Stück des Gewandes
fehlen gänzlich und zwar scheint es nicht, als seien sie aus-
gerissen, sondern sie waren gewiss ursprünglich als ein
besonderes Stück eingesetzt (wie das auch bei dem rechten
Arm der Fall ist). An der Hinterseite bemerkt man einen
unseren Tänzer umfassenden, wie es scheint, männlichen Arm,
wonach an der Seite des Bruchs ursprünglich noch eine
zweite Figur vorhanden war, deren Verlust eben auch den
Bruch mit sich geführt zu haben scheint. Daraus geht auch
hervor, dass das Postament, auf dem nur eine Figur Platz
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 4g 1
hat^ erst neuerdings hinzagefttgt ist Ans dem Besitz Bel-
lori's. H. 9".
Abg. bei Beger III, 265.
Mundschenken.
2122. Mundschenk^ mit zierlich gelocktem Haar, in
kurzem einfachen Gewände, das er mit seinem Mäntelchen
gegürtet hat, auf der Rechten eine Schale präsentirend, wäh-
rend er in der herabhängenden Linken die Kanne gehabt zu
haben scheint Aus der älteren Samml. B. a. XXXL er. 5.
H. 4Vc".
Abgebildet bei Beger III, 367.
2123. Mundschenk, im Chiton, ein zusammengedrehtes
Mäntelchen dient als Gurt. Er hat auch die zierliche Frisur
und an den Füssen Stiefel. In der Linken hält er die Schale,
in welche er mit der erhobenen Rechten (die abgebrochen
ist) einschenkte. Der rechte Fuss fehlt. Aus der älteren
königl. Sammlung. B. a. XXXL a. 3. H. 3%".
2124. Desgl., im einfachen Chiton, die Arme ganz so
angeordnet, wie bei dem vorigen, aber beide Hände sind ver-
loren und auch die Füsse sind vorn etwas beschädigt. Das
Gewand war ursprünglich mit Silberstreifen versehen. Aus
der Sammlung Minutoli. B. a. XXXL a, 4. H. 372"«
Faustkämpfer.
2125. Nackte bärtige Figur eines Faustkämpfers,
mit kurzgeschnittenen Haaren. Beide Füsse fehlen. An beiden
Händen hat er den Caestus. In der Linken scheint er einen
Schwamm zu halten, mit dem er wohl die auf der Brust
sichtbaren Blutstropfen abwischen will. Erworben 1843. H.4".
Komische Figuren.
2126. Komischer Schauspieler, mit einem knapp-
anliegenden kurzen Wamms bekleidet. Die Maske ist über
den Kopf gezogen. Der Bauch ist, wie es scheint, ausgestopft
zu denken. Die Arme sind über der Brust gekreuzt und mit
der rechten Hand stützt er den Kopf, er ist gerade beschäf-
tigt, etwas zu deklamiren. H. 4^/0".
462 ^^^ grieckischen Broncen entwickelten Styls.
2127. Komische Figur, in kui^zem Chiton und Spitz-
mütze. Die Stellung ist die eines leise vorsichtig Heran-
schreitenden, die rechte Hand hebt er warnend empor, etwa
als wolle er Stille gebieten. Die linke Hand liegt an der
Brust an. H. SVs"-
Fischer.
2128. Fischer, mit einem Thierfell um die Hüften,
einer Handwerkermütze auf dem Kopf, das linke Bein auf-
gestützt. Die rechte Hand ist ausgestreckt und hielt ohne
Zweifel die Angel. Der Blick ist nach unten gerichtet, als
sähe er unverwandt in's Wasser. Die Figur war gewiss an
einem Bassin aufgestellt, ähnlich wie die Statuette aus Her-
culanum Bd. I, n. 848. Aus der Sammlung Bartholdy. (0. 68).
H. 13".
Liktoren.
2128*- Zwei voreinander herschreitende Lik-
toren, in jungen Jahren, in den linken Händen auf der
Schulter die ßuthenbündel haltend, die rechten Arme wie in
der Geberde des Redens erhoben. Sie sind bekleidet mit der
Tunika uud dem Sagum, der Tracht, welche die Liktoren
ausserhalb der Stadt trugen, während sie innerhalb derselben
die Toga anlegten. Der Mantel ist mit Franzen besetzt.
Die Figuren sind hinten nicht ausgearbeitet und an dem-
jenigen der beiden, der am meisten zurücksteht, befindet
sich hinten ein Zapfen, woraus hervorgeht, dass das Werk
irgendwo als Ornament angebracht war. B. a. XXXII. er. 1.
Aus dem Besitz Bellori's. H. 4Y4".
Abg. ßeger III, 302.
Krieger.
2129. Römischer Krieger, mit Helm und Panzer
gerüstet. Die Waffen, die er in den Händen hatte, sind ver-
loren gegangen, doch ist leicht zu sehen, dass er in der
Linken den Schild, in der Rechten die Lanze hielt. An der
recliten Hüfte liängt ein breites Messer, das niclit wie der
gewöhnliche römisclie Dolch, sondern genau wie ein römisches
Die griechischen Broncen entwickelten Styls. 4^)3
Opfermesser aussieht und wohl auch zum Schlachten gedient
haben wird, ©er Helm ist mit einem Federbusch versehen,
welcher das Abzeichen des Officiers zu sein scheint^). Die
Stimplatte und die Backenklappen sind, ähnlich wie man es
an Marmorwerken sieht, mit kleinen Löchern verziert, wo-
mit wohl eingeschlagene Knöpfe oder etwas Aehnliches an-
gedeutet werden soll.
Die Figur ist im Rücken hohl und in der Höhlung
steht noch der Best eines Zapfens, woraus hervorgeht, dass
sie mit einem Geräth in Zusammenhang stand. H. 4^/2^'.
2129** Römischer Imperator, im Jahre 1826 bei
dem Dorf Lichtenberg,- ^4 Meile von Berlin unter Urnen-
scherben eines germanischen oder slavischen Grabes gefunden
und von dem Geh. Rath Paris geschenkt. H. ö^/g".
Die Figur ist zunächst technisch interessant Der Panzer
nämlich ist in seiner die Brust bedeckenden Hauptmasse mit
einer dünnen Eupferplatte belegt, ans welcher die jetzt leeren
Ornamente ursprünglich etwa mit Silber ausgefüllt oder auf
andere Weise hervortraten. An den Schulterstücken aber
und an dem Bauchschutz sind deutliche Spuren vorhanden, dass
sie ganz mit Silber belegt waren.
Die Tracht der Figur ist genau die eines römischen
Imperators. Man vergleiche z. B. die schöne Augustusstatue
der hiesigen Sammlung, die in allen Stücken übereinstimmt.
Die Attribute fehlen zwar, sind ^ber doch mit liöchster Wahr-
scheiuliclikeit zu bestimmen. Die Reclite hielt, wie der
Gestus anzeigt, das Schwert, und die Linke ist so geöffnet,
wie es zum Halten der Scheide, die man ohnehin erwartet,
erforderlicli ist. Der gewählte Moment aber ist nicht ein
ruhiges Dastehen, sondern die Haltung des rechten Armes
zeigt, dass das Schwert wie zu irgend einer bevorstehenden
Actiön gezogen ist.
Das Gesicht sclieint nicht Portrait zu sein, sondern hat
einen allgemeinen Charakter. Was die Bestimmung der Fi-
gur betrifft, so ist ansprechend vermuthet worden, dass sie
ein Feldzeiclien gekrönt habe.
Abg. bei Levezow, Jupiter Imperator , Berlin 1826^ der übrigens
arg phantasirt, indem er in dem Kopf der Statuette eine ,,sel)r genaue
Ucbereiu8timmung" mit den Jupiterköpfen findet, welche dann die Basis
^) Deuu die Ceuturioueu, die an dem Rock kenntlich sind, haben ihn.
464 I^ie griechischen BroUcen entwickelten Styls.
für seine Hypothesen abgiebt. Ich glaube nicht nÖthig zn haben, das
im Einzelnen zu widerlegen, es ist eben Haar, Bart und die ganze Form
des Gesichts grundverschieden von den Jupiterköpfen. Dagegen bin icli
in der Annahme über die ^einstmalige Bestinunuag der Figur Levezow
gefolgt.
Vermischtes.
2130. Jüngling, in schreitender Stellung^ ganz in sein
Himation gehüllt, worunter er den Chiton trägt. Die Füsse
fehlen. Aus der Sammlung Koller. H. 2%".
2131. Bömische Dame, ganz in ihr Gewand gehüllt,
das auch über den Hinterkopf gezogen ist, vorwärts schreitend,
etwas stolz sich umblickend, auf antiker Basis. H. 4^/2".
2132. Bekleidete Frau, liegend, eine Schlange mit
der Bechten fassend, und ihr mit der Linken die Schaale
zum Trinken reichend. Ist das Bild einer heroisirten Todten.
Aus der Sammlung Bartholdy. C. 57. H. iVe"-
2133. Liegende, hinten verschleierte Figur, in
der Bechten eine Schaale, in der Linken einen verstümmel-
ten, unbestimmbaren Gegenstand haltend. Die Figur erinnert
sehr an die Bilder der Verstorbenen, wie man sie auf römi-
schen und etruscischen Sarkophagdeckeln trifft. Aus der
älteren Sammlung. A. 10. H. iVs".
Kinde rdarst eilungen.
2134. Nackter Knabe, schlafend zusammengekauert
Das rechte Bein ist untergeschlagen, über dem aufgestemm-
ten linken Knie sind beide Hände zusammengelegt und da-
rauf liegt müde der Kopf. Fast ganz übereinstimmend mit
d^m statuarischen Typus des schlafenden Fischerknaben im
Vatikan. Sehr hübsch. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 63.
H. 1".
2135. Nackter Knabe, an Schultern und Armen mit
der Chlamys bedeckt, in beiden Händen eine komische Maske
haltend. Der Kopf ist oben ganz platt, wie abgesägt" Der
Knabe sitzt auf einer wie eine Hohlkehle gestalteten Basis
und diese befindet sich auf einer viereckigen Platte, die offen-
Die griechischen Broncen entwickehen Styls. 465
bar zu einem Geräth gehört hat. Aus der Sammlung Koller.
H. 31/2".
2136. Nacktes Enäbchen^ sitzend, die linke Hand
auf die Erde stützend, den rechten Arm, dessen Hand ver-
loren ist, ausstreckend. Es scheint ein ähnliches Motiv, wie
bei dem so oft vorkommenden Knaben mit der Ente. Das
Kind will sich erheben und streckt sein Händchen nach
Hülfe aus. H. 1''.
2137. Knäbchen in ähnlicher Position, nur die
linke Hand ist etwas anders gehalten und die Hälfte des
rechten Armes fehlt. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 64.
H. l*/e".
2138. Nacktes Knäbchen, sitzend, in einer Stellung,
als wiche es vor etwas zurück. Der linke Arm ist erhoben*
Die kleine Figur scheint mit einer im Vatikan (galL d. candel.)
zweimal vorkommenden Gruppe zu stimmen, wo ein Knabe
von einem Hunde erschreckt wird. Das Motiv ist niedlich.
Aus der älteren Sammlung. B. a. XIX. a. 8. H. iVs"-
2139. Knäbchen mit der Querflöte, 1846 aus dem
Nachlass des Obristlieutenant Schmidt in Berlin erworben.
2838. H. 2V2".
Ein Knäbchen mit der sogenannten Exomis — einem
die rechte Schulter freilassenden Hemde — bekleidet, spielt
die Querflöte und tanzt dazu, indem er lustig sein Bein nacli
hinten wirft. Die Flöte ist nicht erhalten. Niedliches Fi-
gürchen.
21 40. Nacktes Knäbchen auf einer Schildkröte sitzend,
vielleicht von einem Geräth. Aus Gerhardts Nachlass 1869
erworben. H. l^j^'* 141.
2140*- Nackte Knaben figur, auf einem Stein sitzend,
an seine Knie springt ein Hund hinan. Seine Geberde ist
undeutlich. Auf einer inwendig hohlen, nach hinten geöffne-
ten Basis. Gefunden zu Bonn. Aus der Böcking'schen Samm-
lung. '810. H. 2«/4^
Frlo^enchs, Berlii)'« Aitike Bildwerke II, qq
466 I^ic griechischen Bronoen entwickelten Styls.
Zwerge und Krüppel.
Die Liebhaberei an Zwergen und Krüppeln ist einer der
widerwärtigsten Züge iii dem Bilde römischer Sittenverderb-
niss. Man hielt sie als Diener und Possemreisser^ liess sie
mit einander kämpfen und hatte auf alle Weise seinen Spass
mit ihnen. Gerade in den kleinen Broncefiguren kann man
anschaulicher und reichhaltiger als in ii^end einer anderen
Gattung verfolgen, wie sie aussahen und in welcher Weise
sie zur Belustigung der Leute dienten.
Vgl. 0. Jahn, Archäol. Beitr., p. 430 ff.
2141. Zwei Zwerge oder Pygmäen, mit Helm,
Schild und (jetzt fehlenden) Schwertern bewaflEhet und in An-
griffsstellung gegen einander tretend. Auf ihren Schilden
steht komischer Weise S. P. Q. R., so dass sie wie officielle
Kämpfer dastehen. Diese Scene erinnert an die Zwergkämpfe,
die Domitian öffentlich veranstaltet haben soll, und ist viel-
leicht ein künstlerischer llachklang davon.
Die kleinen Figuren stehen auf einem ovalen Fussgestell,
das aber nicht bloss die Bestimmung hatte, ihnen als Basis
zu dienen. Wahrscheinlich war es ein Deckel, und die Gruppe
diente als Griff. Aus der älteren Sammlung. B. a. XXXIIL
a. 1. H. Vis" mit Basis.
£in ganz übereiDStimmendes Stück ist von Caylus, Recueil Vi,
pl. 93 publicirt, wird aber von ihm f&r modern erklärt.
214P' Pygmäe mit einem Ring zum Aufhängen auf
dem Eopf. War gewiss ein Amulet. Vom rechten Arm und
linken Fuss fehlt ein Stück. Auf der Insel Cypern gefunden
und mit dem Nachlass des Prof. Boss 1860 erworben. 3416.
H. 2V2".
2142. Krüppel, gefunden 1823 beim Festungsbau vor
dem Hahnenthor in Cöln, angekauft 1841 aus dem Nachlass
des Kriegsministers von Rauch. H. 3^/4".
2142*^- Krüppel. Die Figur ist sehr geistreich com-
ponirt und mit grosser Naturwahrheit ausgeführt. Es fehlen
zwar die Füsse und die linke Hand mit ihrem Attribut;
allein das Motiv ist trotzdem vollkommen klar. Der Krüppel
hielt in der Linken die Leier, über welche er so eben mit
dem in seiner Recliten befindlichen Piektrum hinweggestrichen,
Die griechischen Broucen entwickelten Styls. 467
sein Maud ist zum Singen geöffnet und die magern Beine
setzen sich zu schwächlichem Tanz in Bewegung. Man darf
nicht zweifeln ; dass diese hässliche und unanständige Figur
genau so wie sie hier in Bronce vor uns steht^ als lebendi-
ges Wesen in römischen Gesellschaftscirkeln erschien. Auch
wohlgestaltete Tänzer treten oft nackt auf, wie viel mehr
diese armen Geschöpfe, denen eine Verhüllung gerade den
pikanten Reiz genommen hätte, den man an ihnen suchte.
Uebrigens passt die Beschreibung auf ihn, die Martial VI,
39, 15 von einem solchen Geschöpf giebt, acuto capite et
auribus longis quae sie moventur ut solent asellorum.
2143. DesgL, fast ganz übereinstimmend. Doch fehlen
beide Arme und so lässt sich das Motiv nicht mehr bestim-
men. H. 4".
2144. Büste eines buckeligen Zwerges, den eben
genannten Figuren fast ganz entsprechend, nur dass am
Hinterkopf ein Büschel Haare steht. Vorn über dem Scheitel
befindet sich auch etwas, was man auch für Haar halten
muss, wenngleich es ganz wie ein Phallus aussieht. £s scheint
absichtlich zu komischem Effect so gestaltet zu sein. Vorn
entwickelt sich die Büste aus einer Blattverzierung. Gute
Arbeit. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 96. H. 3".
2145. Bärtiger Zwerg, nackt, in Kinderformen, mit
grossem Phallus, den Kopf gesenkt, den linken Arm über die
Augen gelegt, den rechten verwundert erhoben. Er betrach-
tet nämlich staunend sein eigenes grosses Glied. H. 3".
2146. Nackte buckelige Figur, äusserst schwäch-
lich, mit grossem Geschlechtsglied, in der Rechten zwei
Enten (?), in der Linken einen Krug tragend. Wir ver-
stehen die Bedeutung dieser Figur nicht. Mit antiker Basis.
3641.
Barbarendarstellungen.
2147.' Kopf eines Barbaren mit Backenbart, einem
Schopf oben auf dem Kopf und einem Kranz von Haaren,
wenn nicht einer Binde, um den Kopf herum. Hohl, oben
beschädigt. Aus der älteren Sammlung. B.c. /?. 12. H. 2^/«"
2148. Aehnlicher Kopf, kahl bis auf einen Schopf
in der Mitte, eine grosse Warze über dem linken Ohr. An
30*
458 ^^ altetniscische Styl.
mehreren Stellen beschädigt, aber die zwei Löcher auf dem
Vorderkopf sind ursprünglich und dienten zur Befestigung.
Der Kopf hat etwas Japanesisches. Aus der älteren Samm-
lung. B. c. ß. 13. H. l'/s".
Portrait
2149. Reliefbildnlss eines Knaben, auf eine Platte
von Porphyr aufgesetzt. Die Gesichtszüge erinnern etwas an
Tiberius. Jedenfalls ist es ein Portrait. Schön. Aus dem
Besitz Bellori's. B. c. ß. 21. H. 4V2".
2150. Büste eines unbärtigen, kahlköpfigen
Römers. Charaktervoll und gut gearbeitet. In Bingen ge-
funden und 1845 erworben. 3534. H. 2".
2151. Unbärtige Portraitbüste, mit markirten Zügen.
Mit einem Stift zum Einlassen versehen. Aus der Sammlung
Minutoli. B. c. ß. 24. H. '/g".
2152. Bartloses Portrait auf einem broncegefütterten
Medaillon von Silber, mit Lorbeerkranz, vielleicht das eines
römischen Kaisers. War irgendwo als Verzierung angeheftet
Aus der Sammlung Minutoli. B. c. ß, 22. Gefunden bei
Cleve. H. 2^/2".
b. Der altetruscische StyL
Es konnte nicht unsere Absicht sein, hier eine ein-
gehende Untersuchung über die Anfänge der etruscischen
Kunst anzustellen, die nur, wenn sie in grossem Maassstabe,
mit Heranziehung der gesammten orientalischen und ägypti-
schen Kunst unternommen wird, fruchtbare Resultate liefern
kann. Doch war es andererseits nothwendig, eben weil dies
Gebiet noch im Dunkeln liegt, gewisse Punkte zur Orientirung
aufzustellen, wobei wir freilich uns die. ausführlichere Moti-
virung unserer Meinung für eine andere Gelegenheit vor-
behalten müssen.
In den Anfängen der etruscischen Kunst erkennt man
auf das Deutlichste Einflüsse von Aeg3rpten, mit welchem
Lande, wie wir jetzt wissen, die Etrusker schon im vierzehn-
ten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in Berührung
kamen, und vom Orient Phönizisqhe Kunstvorstellungen
Der altctruscischc Styl. 469
waren z. B. in Etrurien weit verbreitet. Daneben aber giebt
es eigenthtimlich etruscische Werke, die zwar in Nebensachen
die Abhängigkeit vom Auslände deutlich wahrnehmen lassen,
in der Hauptsache aber eine sehr, anziehende primitive Naive-
tät zeigen. Freilich kennen wir nnr zwei solche Werke ^).
Dann kam der griechische Einfluss und mit ihm verging die
frtdiere Naivetät und trat jenes eckige, harte und so oft über-
triebene Wesen ein, zu dem die Etrusker in Folge ihrer na-
tionalen Anlage die Strenge der altgriecJiischen Originale um-
bildeten. Auch die Ideenwelt der etruscischen Kunst wurde
bald mehr und mehr griechisch. Doch hatte der griechische
Einfluss andererseits aucli gute Folgen. Die Etrusker such-
ten mit ihren Meistern zu rivalisiren, und wie gut ihnen das
oft gelang, haben wir schon oben an manchen Spiegeln ge-
sehen, die durchaus nicht von griechisclien Werken zu unter-
scheiden sind.
Wie auch scJion bei den Spiegeln bemerkt wurde, war
bei dem lebhaften Verkehr zwischen Griechenland und Etrurien,
den wir aus den in Etrurien gefundenen Vasen schliessen
mtlssen, der Verlauf der griechischen und etruscischen Kunst
sehr analog, der alterthümliche Styl wird daher in Etrurien
nicht länger gedauert haben als in Griechenland. Man hat
dies allerdings behauptet und zwar mit Hülfe eines Arguments,
das auf den ersten Anblick sehr plausibel scheint. Ver-
schiedene Schriftsteller nämlich berichten, dass erst um*s
Jahr 300 v. Chr. die ersten Barbiere nach Italien gekommen
seien und eben hieraus folgert man, dass alle bartlosen Fi-
guren der Etrusker, und darunter auch eine Menge von alter-
thümlichstem Styl, erst nach 300 entstanden seien, so dass
dann der Styl der letzteren nicht mehr ein echt alterthümlicher
sein würde. Aber es existirt glücklicherweise ein Gegen-
zeugniss aus der Zeit vor 300, wonacli es bei den Etruskern
sowohl wie bei anderen Barbaren längst Sitte war, sich die
Haare am ganzen Körper sowohl durch Scheeren als vermittelst
aufgelegten Pechs entfernen zu lassen. Dies Zeugniss erklärt
auch zugleich die Vorliebe der Etrusker für bartlose Gesichter.
Der Grund liegt nämlich nur in der Weichlichkeit der Nation.
^) Die sich in dem für etruscische Kunst so höchst bedeutenden
museo Casuccini in Paleroao befinden, übrigens bei dem geringen In-
teresse für etruscische Kunst, so viel ich weiss, weder abgebildet noch
irgendwo erwähnt sind. Ich hoffe sie bei anderer Gelegenheit zu Ehreji
zu bringen.
470 ^^^ altetruscischc Ötyl.
Das Arp^ument von der Bartlosigkeit ist zaietzt von Brunn, Annali
1860, p. 488 vorgrebracht, der, wie es scheint, »icht wusste, dass es
schon öfter angeführt und auch widerlegt ist, insbesondere von Rocchi
in einer Beilage zu Gozzadini^s Schrift di un sepolcreto etrusco sco-
perto presso Bologna 1854, p. 41 — 51. Hier ist auch schon die Stelle
des Athen. XI F, cap. 14 angeführt, auf welche der Text eingeht.
Uebrigens ges'ehe ich offen, dass es mir etwas vollkommen unbegreif-
liches ist, wie man z. B. die alterthümlichen etruscischen Skarabäen,
etwa solche, wie die fünf Helden von Theben oder den Kampf zwischen
Herkules und Kyknos, die ja an der Bartlosigkeit participiren, für etwas
nicht Ursprüngliches halten kann.
2153. Geflügelte Figur, aus Perugia. Sammlung
Dorow. H. b^l,", /
Diese Figur gehört zu dßn im Jahre 1812 bei Perugia
gefundenen Broncen, die alle oder grösstentheils zur Ver-
zierung eines Wagens dienten. Es waren theils Platten mit
flachen Reliefs, theils einzelne freie oder hautreliefartige
Figuren, von denen erstere die Wände des Wagens beklei-
deten, während letztere vermutblich an einzelnen hervor-
ragenden Stellen befestigt waren. An mehreren dieser Fi-
guren sieht man noch die Spuren ihrer Befestigung. Dies
ist auch bei der unserigen der Fall, die wie ein Hautrelief
ausgeführt ist und mit vier Nägeln am Grunde befestigt war.
Die Figur ist stylistisch sehr interessant, insofern sie
eine Anschauung des ältesten, noch in orientalischer Tradition
befangenen etruscischen Styls giebt. Das Gesicht ist noch
rein orientalisch; die von der Brust ausgehenden Flügel, die
man auch an uralten Denkmälern des griechischen Bodens
findet, sind ebenfalls eine Nachahmung orientalischer Vorbilder
und das völlig faltenlose Gewand, das auch an anderen alt-
etruscischen Figuren vorkommt, ist auch den assyrischen
Statuen eigen. Doch fehlt es nicht an Zierrat, ein eingravirter
Maeander läuft in der von alten Minervenstatuen bekannten
Weise das Gewand hinab.
Es sollen drei ganz übereinstimmende Exemplare dieser
Statuette gefunden sein und man ist kühn genug gewesen,
diese vielleicht nur zufällige Zahl zum Ausgangspunkt einer
Namengebung zu machen, indem man nämlich die Hören
dargestellt glaubt. Wie haltlos diese Annahme ist, bedarf
keiner Bemerkung, ja es ist überhaupt fraglich, ob eine my-
thologische Figur dargestellt ist.
A.bg. bei Dorow, Notizie in(orno alcnni vasi etruschi Pesaro 1828,
pl. IX, flg. 1. Vgl. dess. Verf. Voyage archeologique dans l'fetmrie,
p. 10 und Connestabile im bullet. 1862, p. 80. Die im Text abgewiesene
Der altetruscische Styl. 471
Vermuthnng ist von Vermiglioli ausf^esprochen im saggio di bronzi
etnischi trovati nell' agro Perugino, p. 13 zu tav. I, 4.
2154. Weiblicher Kopf von einer Statue, sehr ähn-
lich der eben erwähnten Figur. Aus der Sammlung Bar-
tholdy. C. 73. H. l»/^".
2155. Venus, im Jahre 1750 in Perugia gefitoden,
zuerst in der Sammlung Oddi in Perugia, dann in der Samm-
lung Bartholdy B. 20, aus welcher sie in's kgl. Museum ge-
kommen ist. H. 6".
Der Typus dieser P^igur ist der der orientalischen Venus,
sie fasst mit der Linken ihr Gewand und hielt in der Bech-
ten, wie die etwas verstümmelten Finger noch erkennen
lassen, eine Blume. Die Gewänder, die etruscische Mütze
und die spitzen Schuhe sind aufs Sorgfältigste verziert, über-
haupt war die feinste Detailausführung beabsichtigt, selbst
die Härchen an den Augenwimpern sind angegeben. Damit
contrastirt aber schneidend die künstlerische Kohheit; die
Vorderseite der Figur z. B. ist ganz glatt und nicht einmal
ein Knie angegeben.
Diese Figur erinnert an manche tarquiniensische Wand-
gemälde und an Spiegelzeichnungen von der Art, wie wir sie
unter n. 17 haben kennen lernen. Sie gehört in die zweite
Periode der etruscischen Kunst, als bereits der griechische
Einfluss begonnen hatte. Aus diesem Einfluss erklärt sich
die Hagerkeit der Gestalt, die wir auch an dieser Venus be-
merken und die dem ältesten etruscischen Styl fremd ist.
Auf dem Rücken der Figur befindet sich die Inschrift
Phlexru, die natürlich allerlei Gelehrten, welche lieber phan-
tasiren als ihr Nichtwissen bekennen, viel Gelegenheit zur
Schriftstellerei gegeben hat.
2156. Nackte männliche Figur, ganz in der Stellung
der alterthümlichen griechischen Apollostatuen. Die Schädel-
form ist noch fast ganz ägyptisch. Aus der Sammlung Bar-
tholdy. B. 2. H. 5Va".
2157. Ganz übereinstimmende Figur, nur viel
roher. Aus der Sammlung Pourtalös 1865 erworben. 3540.
H. VU".
2158. Nackter Jüngling in ähnlicher Stellung,
nur dass die Arme vom Leibe gelöst sind. Der linke Fnss
fehlt. 1869 angekauft. 3621. H 3V4".
472 ^^'^* alietruscische Styl.
2159. IS'ackte männliche jugendlixjhe Figur in
selir altem Styl. Beide Hände sind parallel in bittender Ge-
berde, wie es scheint, ausgestreckt. Hinten am Rücken ist
ein viereckiges Loch, das wohl zur Befestigung der Figur
diente. Ist vielleicht ein Weihgeschenk von der Art, wie
sie in der Einleitung zu den Opfernden und Betenden erwähnt
wurden. Aus Chiusi kenne ich Figuren von ähnlichem Styl.
Aus der Sammlung Bartholdy. B. 5. H. 15".
2160. Weibliche Figur mit Tutulus, vollkommen in
ägyptischer Weise dargestellt. Der linke Fuss steht etwas
vor, beide Arme liegen eng am Leibe und das Gewand liegt
ganz knapp an. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 22. H. 3^/4".
2161. Desgl., nur dass der rechte Arm etwas vom
Leibe gelöst ist. Aus der Sammlung Minutoli. A. 7*- R^Ve"-
2161**- Etruscische Göttin (?), am Hinterkopf ver-
schleiert, mit einem shawlartig über dem Untergewand be-
findlichen Obergewand bekleidet, eine Art Thurmkrone auf
dem Kopf. Die Stellung ganz alterthümlich, beide Arme
rechtwinkelig abstehend, die Hände sind aber verloren. Die
Figur ist hinten platt, um sie irgendwo anzuheften, worauf
auch 2 Löcher im Rücken deuten; die Basis hat auch an
ihren Ecken Löcher zur Befestigung. H. b%'* mit Basis.
2162. Herkules mit dem Löwen, bei Chiusi gefun-
den, 1841 von Prof. Gerhard angekauft. 2687. H. 4^0''.
Der Typus des Herkules, der in lebhafter Angriffs-
stellung dasteht und in der Rechten die Keule schwingt,
während er «in der ausgestreckten Linken den Löwen, das
Object seines Schlages, leicht und spielend am Schwänze
emporhebt, ist in etruscischer Kunst nicht ganz selten, er ist
aber nicht ursprünglich etruscisch. Auf einer phönicischen
Münze kommt er vor^) und bei den Ausgrabungen in Idalion
auf Cypern sind mehrere derartige Figuren gefunden. Un-
zweifelhaft ist es ein phönicischer Typus, um so mehr, da er
fast ganz mit dem oben erwähnten Typus des tyrischen Her-
kules übereinstimmt. Denn nur in dem Attribut der linken
Hand unterscheiden sich die beiden, in welcher der letztere
^) Vgl. duc de Luynes essai siir la numismatique des satrapies et
de la Ph^nieie, pl. 5.
Der altetruscisohe Styl. 473
nicht den Löwen^ sondern den Bogen trägt; in allem Uebri-
gen sind sie vollkommen gleich. Es ist recht wieder ein
Beweis dafür^ wie sparsam man gleiclisam in alter Zeit mit
den Eunstmitteln ist; indem man einen und denselben Typus
für zwei verschiedene Figuren und Situationen verwendet.
2163. Zierliches Herkulesfigürchen mit Chiton
und Löwenfell, gleichsam in Paradestellung. Die Linke hängt
am Leibe herab ^ die Bechte hat die Keule geschultert. Die
Stellung erklärt sich nur aus tektonischer Verwendung der
Figur, sie krönte vielleicht einen Candelaber. Aus der Samm-
lung Pourtal^s 1865 erworben. 3539. H. 8^4".
2164. Schwergerüsteter Krieger in Angriffsstellung,
von Prof. Gerhard 1834 angekauft H. 42/3".
Die Figur hielt in der Bechten den gezückten Speer,
in der Linken den Schild. Besonders interessant ist die
Büstung. Zwar Beinschienen und Panzer sind gewöhnlich,
doch verdient schon beim Helm bemerkt zu werden, dass er
dem ältesten griechischen, mit aufrecht stehendem Bügel ent-
spricht und dass dieser Bügel hier seiner Form entsprechend
in einen Schwanehkopf ausläuft und zur Aufnahme des Busches
einen Spalt hat; was aber ganz besonders wichtig ist, ist die
Büstung des rechten, nicht durch den Schild geschützten
Armes. Sie besteht aus zwei Theilen. Den Oberarm schützt
ein einfacher breiter Bing, den Unterarm aber bedeckt eine
förmliche Schiene, die sich dem Arm ebenso anschmiegt, wie
die Beinschiene dem Bein.
In der Gladiatorentracht sieht man die Armrüstung nicht
selten, auch sind Armschienen von Gladiatoren erhalten, an
der Kriegertraeht habe ich sie ausser diesem Beispiel nie
bemerkt. Auch war die Armschiene keineswegs ein regel-
mässiges und allgemeines Stück der Bewaffnung. Homer, der
Büstungsscenen so detaillirt ausführt, würde sie erwähnen,
wenn er sie gekannt hätte, die Beiterei zu Xenophon's Zeit
dagegen trug sie (Xen de re eq. 12). Wir wissen eben nicht
das Nähere über ihre Anwendung, am allerwenigsten bei den
Etruskern, denen diese Figur angehört.
An dieser Figur liegt das etruscisch Unerfreuliche vor-
nehmlich in der Stellung. Ohne irgend einen Ausdruck der
Leidenschaft steht der speerschleudernde Krieger da mit
steifen Geberden und wie festgewurzelt, ohne Leichtigkeit und
Grazie. Die Ausführung des Details ist dagegen wieder sehr
474 ^^r altetruscische Styl.
sorgfältig, wie wir schon so oft die Verbindung sauberer, ja
vollendeter Technick mit künstlerischem Ungeschick an etrus-
cischen Werken beobachtet haben.
2165. Nackter Jüngling, die linke Hand nach unten
gestreckt, die Bechte, die etwas erhoben war^ fehlt. Auch der
linke Fuss. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 42. H. 4^6 "•
2166*. Desgl., in ruhiger Stellung. Der linke Arm fehlt
ganZ; vom rechten die untere Hälfte. Vielleicht hat er als
Stütze eines Candelabers oder dergleichen gedient, es ist
wenigstens auf dem Kopf oben etwas platt gefeilt, als sei
hier ein Rest übrig geblieben. Hübsche Figur. H. 472"
2167. Nackter Jüngling mit langen Haaren, in der
Linken den Diskus haltend und die beiden ersten Finger der
I^echten ausstreckend, etwa als wollte er sich selbst für den
bevorstehenden Wurf zur Aufmerksamkeit und Sorgfalt er-
mahnen. H. 5".
2168. Weibliche bekleidete Figur mit Tutulus,
roh. Wahrscheinlich ist der oben erwähnte Venustypus mit
der Blume gemeint, dem sie ziemlich entspricht. Aus der
Sammlung Bartholdy. B. 21. H. S'/*".
2169. Desgl., wahrscheinlich derselbe Typus. Die
rechte Hand fehlt. Aus der älteren Sammlung. A. 7. H. 4^3".
2170. Bärtiger Mann mit Chiton, worüber das Hi-
mation, welches die rechte Schulter frei lässt. Die Linke
steht rechtwinkelig vom Leibe ab und hielt etwas^ was ein
Bogen gewesen sein könnte. In der erhobenen Rechten hat
er wahrscheinlich die Keule gehalten. Aus der Sammlung
Bartholdy. B. 4. H. SVe"-
2171. Nackte männnliche geflügelte Figur, be-
wegt forteilend mit erhobenen Händen, ganz wie die Medusen-
schwestern auf alterthümlichen Vasen, die Beine in's Profil
gestellt, das Uebrige en face. Die rechte Hand fehlt. Es
ist eine Relieffigur, die irgendwo als Ornament aufgesetzt
war. H. 273".
2172. Ganz übereinstimmende Figur^ nur dass sie
an den Füssen geflügelt ist und an den Schaltern nach orien-
Der alietruscische Styl. 476
talischer Weise noch vier Flügel hat. Auch hängen lange
Flechten a^f die Schultern herab. Auch eine BelieffigoT;
die als Geräthstütze diente und zur Aufnahme des Geräthes
in sich ein Voluten- und Palmettenornament hat. Aus der
Sammlung Pourtal^s 1865 angekauft. 3538. H. 572"
Abg. b. Panofka, Cab. Pourtal^s, pl. 40.
2172*- Phantastische weibliche Figur mit vier
Plügeln. Relief. Die oberen Flügel gehen nach ältester
Weise von der Brust aus. Parallel mit ihnen sind die Arme
ausgebreitet Darunter ein zweites Paar Flügel. Die Fasse
mit den Krallen liegen angezogen am Leibe, üeber ihnen
ein Loch, in dem noch ein Nagel steckt; mit dem das Ganze
auf einem Grunde als Ornament befestigt war. Aus der Do-
rpw'schen Sammlung. 568. H. 2^/3".
2173. Chimäre, altetruscisches gepresstes Relief. Aus
der Sammlung Bartholdy. D. 48.
Das Relief ist etwas beschädigt und daher fehlt von den
drei Leibern der Chimäre die Schlange. Es ist von einem
feinen Bandgeflecht umgeben.
Dies Relief zeigt deutlicher als irgend ein anderes den
Einfluss der assyrischen Kunst auf die etruscische. Denn der
Löwe stimmt noch genau mit den assyrischen übereiu; es sind
dieselben stark hervortretenden Muskeln und dasselbe wild auf-
gerissene Maul. Auch der Gegenstand ist gewiss ausländisch,
gerade in den ältesten Monumenten der Griechen undEtrus-
ker ist die Chimäre ein Lieblingsgegenstand, eben in der Zeit,
als diese Völker noch vom Orient abhängig waren. Die Chi-
märe ist auch keine organische, keine griechische Schöpfung,
die Verbindung des Ziegenleibes mit dem Löwen ist durchaus
unharmonisch, willkürlich.
Wo das Relief befestigt war — vielleicht an einer Gürtel-
schnalle — vermögen wir nicht mit Sicherheit zu entscheiden.
2174. 2175. Thiergruppen, zwei gepresste altetrus-
cische Reliefs aus derselben Form, die irgendwo als Ver-
zierung aufgenietet waren. Aus der Sammlung Bartholdy.
D. 46. 47.
Ein Löwe ujid Panther zerfleischen einen Hirsch, wobei
alle drei Thiere aufrecht auf den Hinterfüssen stehen. Ver-
mnthlich ist diese der Natur wenig entsprechende Anordnung
476 Späterer etmscischer Styl.
dttretb die Raum Verhältnisse veranlasst, die auch das eigen-
thümlich lange und nur an einer Seite mit Zacken versehene
Hkschgeweih erklären. Die Charaktere der Thiere sind be-
reits mit einem gewissen Greftthl dargestellt^ man sieht deu
Panther gierig schlürfen, den I.öwen wild einbeissen und den
Hirsch mit ausgestreckter Zunge schreien.
Abg. Gerhard, Ant. Bildw., Taf. 80, 1. Möller- Wieseler, Deukm. I,
15, 58.
c. Späterer etrusoischer Styl.
Götter.
2176. Etruscische Minerva; in sehr hagerer Gestalt^
mit Helm, dessen Busch nicht mehr vorhanden. Die schlangen-
verzierte Aegis mit dem Gt)rgoneion liegt knapp an, die er-
hobene Rechte stützte sich auf den Speer, in der Linken
hielt sie den Schild, dessen Handhabe sie noch in der Hand
hat. Zwischen den Füssen eine Spitze zur Befestigung. H. 9".
Abg. Gerhard, Etrusc. Gotlh., Taf. 4, 2.
2177. Etruscische Minerva, ganz platt, mit Helm,
die Aegis auf Brust und Rücken, vorn das Gorgoneion. In
der erhobenen Rechten ist der geschwungene Speer voraus-
zusetzen, in der Linken der Schild. Unter jedem Fuss eine
Spitze, um sie irgendwo einzusetzen. Aus der Sammlung
Bartholdy. B. 15. H. 5^4".
2178. Desgl., der erhobene rechte Arm, an dem oben
ein Stück fehlt, ist die Lanze führend zu denken, der linke
den Schild, der aber nicht angegeben ist. Gefunden zwischen
Perugia und Chiusi. Aus der Dorow'schen Sammlung. 595.
H. 51/4".
2179. Desgl., sehr roh, aber kenntlich an dem Gor-
goneion auf der Brust Die Rechte ist erhoben und hielt
etwas. Das fragmentirte Geräth in der Linken ist vermuth-
lich die Spitze der Lanze, die sie auf den Boden stützte.
Der Kopf ist glatt abgeschnitten und hat in der Mitte ein
Loch, Die Beine vom Knie abwärts fehlen. Gefunden eben-
daselbst. Aus der Dorow'schen Sammlung. 594. H. 2^/2".
2180. Etruscische Göttin, auf einer Basis, mit einer
Stimkrone, in der Rechten, wie es scheint, eine Knospe, die
Figuren des Lebens. 477
m
Linke in die Hüfte gestützt Dann hat sie an Brost and
Bücken einen lederartigen Ueberwurf; der wie eine Aegis
aussieht. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 16. Früher beim
Senator Martini in Florenz. H. 4^/4".
Abg. bei Gerhard, Etriisc. Golth., Tafel 4, 3.
\
2181. Weibliche bekleidete Figur, in der Linken
eine Schlange oder einen Bogen (wegen der regelmässigen
Krümmung vielleicht wahrscheinlicher) haltend, in der Kech-
ten einen kugelförmigen Gegenstand. Aus der Sammlung
Minutoli. B. a. XVffl. a. 1. H. 2".
2182. Weibliche Figur mit Tutulus, wahrscheinlich
der oben erwähnte Venustypus mit der Blüthe, ganz rohe,
platte P'orm. Der rechte Arm fehlt zur Hälfte. H. 2^6"-
2183. Desgl., der rechte Arm, der vollständig ist, ist
viel zu kurz. Das Gewand ist mit Keihen von Ringen über-
einander verziert. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 23.
H. 2V3".
2184. Desgl., noch roher, der linke Arm fehlt. Aus
der Sammlung Bartholdy. B. 24. H. 2 Vi 2".
2185. Desgl., beide Arme fehlen. Aus der Sammlung
Bartholdy. B. 25. H. 111/12"-
2185"* Venus mit Tutulus auf dem Kopf und einer
Knospe in der Hand. Die andere Hand liegt am Gewände.
Die Figur hat Armringe. Platte rohe Bronce. Aus Ger-
hard'» Nachlass 1869 erworben. 147.
Figuren des Lebens.
Faustkämpfer und Aehnliches.
2186. Etruscischer Faustkämpfer, Arme und
Hände mit dem Castus umwickelt. Merkwürdig ist die ganze
Stellung. Der Kopf, dessen linke Seite wie geschwollen aus-
sieht, ist seitwärts nach oben gerichtet und die linke Schulter
ist schmerzlich in die Höhe gezogen. Offenbar hat er einen
tüchtigen Schlag auf die Backe gekriegt. In der Linken hält
(T einen Schwamm, wie der oben erwähnte römische Fausj;-'
478 Figuren des Lebens.
k&mpfer. Die Rechte hängt ruhig herab. Von Prof. Ger-
hard in Italien angekauft im Jahre 1834. H. öVs''*
2187. Nackter Jüngling^ wie ein im Ausfall liegen-
der Faustkämpfer aussehend. Beide Arme sind erhoben,
beide Hände fehlen. Nach einem unter dem linken Fuss be-
findlichen , Fragment scheint die Figur irgendwo angesetzt
gewesen zu sein. Aus der Sammlung Koller. 2337. H. G'/g".
2188. Nackter Jüngling, um dessen linke Hand em
kleines Gewandstück gewickelt ist^ wenn es nicht die Kiemen
der Faustkämpfer sein sollen, während die Rechte, die etwas
vom Leibe absteht, einen dünnen, schaftartigen Gegenstand in
der Hand hielt. Aus der Sammlung Koller. H. 6^/2''.
2189. Nackter Jüngling, in der Rechten die Striegel
haltend, die Linke in die Hüfte gestützt, H. SV*"»
2190. Nackter Jüngling, ganz roh, ruhig stehend,
mit einem Geräth in der Rechten^ das eine barbarische Striegel
zu sein scheint. H. 3%".
2191. Nackter Jüngling, mit kurz geschnittenem Haar,
in der Rechten den Diskus haltend. H. 5%".
2192. Nackter Jüngling, mit einem Halsband in
etruscischem Geschmack. Die Arme sind ausgebreitet nach
hinten und vom, die Beine stark ausschreitend, so dass ein
Wettrenner dargestellt zu sein scheint, so wie man sie auf
alterthümlichen Vasen sieht Ganz roh. H. 2^1^",
2193. Ganz tibereinstimmende Figur, nur ist von
einem Halsband nichts zu bemerken. Aus der Sammlung
Bartholdy. B. 41. H. 2^6"-
2194. Desgl., der linke Fuss fehlt. Aus der Sammlung
Bartholdy. B. 39. H. 3^/g".
2195. Desgl., der rechte Arm fehlt zur Hälfte. Aus
der Sammlung Bartholdy. B. 40. H. 3^V'.
Krieger.
2196. Jugendlicher Krieger im Harnisch und mit
Helm, dessen Backenklappen in die äöhe geschlagen sind,
Figuren des Lebens. 479
dessen Spitze aber abgebrochen ist Mitten auf der Brust
ist ein Loch^ das zur Aufnahme einer Panzerverzierung be-
stimmt gewesen zu sein scheint (?). Die Haltung ist streng
militärisch, der Kopf ist ganz gerade aus gerichtet. Der er-
hobene rechte Arm stützte ohne Zweifel die Lanze auf, die
herabhängende Linke hielt den Schild. Kopf und Arme sind
besonders gegossen und dann angelöthet H. 18".
2197. Jugendlicher Krieger mit Helm, dessen
Backenklappen heruntergeschlagen, Harnisch und Beinschienen.
Er stützt mit der Rechten den Speer auf, die herabhängende
Linke berührte den Rand des ursprünglich neben ihm befind-
lichen Schildes. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 12. H.liVs"-
2198. Jugendlicher Krieger, ruhig stehend, mit
einem Helm, dessen Backenklappen aufgeschlagen. In der
Rechten stützte er ohne Zweifel die Lanze, die Linke ist
etwas über der Handwurzel abgebrochen. H. 14^/2".
2199. Jugendlicher Krieger mit Helm und Harnisch,
die Lanze in der erhobenen Rechten schwingend, die Linke
ausgestreckt, als hielte sie einen Schild. H. 5".
2200. Derselbe Typus, doch hat dieser auch Bein-
schienen und ist etwas sorgßlltiger gearbeitet. H. ö^/g".
2201. Krieger in Panzer und Helm. Die erhobene
Rechte schwang die nicht mehr erhaltene Lanze. Am linken
Arm ist eine Andeutung eines Schildbandes. Angekauft von
Prof. Gerhard 1851. 3000. H. S^l^[',
2202. Desgl., auch hier fehlen die Waffen. Aus Ger-
hardts Nachlass 1869 erworben. 203. H. 5^2"-
2202*- Desgl., bis auf die Waffen vollständig erhalten.
Ebendaher. 133.
2203. Krieger mit Helm, der rechte Arm ist wie speer-
werfend erhoben. Beide Hände fehlen, der rechte Fuss und
das linke Unterbein sind in Wachs ergänzt. Aus der älteren
Sammlung. B. c. a. bb. 1. H. 7^4".
2204. Schema einer Kriegerfigur mit grossem Helm,
Die obere Hälfte erhalten. H. 2^1^",
4S0 Obftcöne DaratelhiDgen.
2205. Desgl., aas der SammluDg Bartholdy. B. 11.
H. P/4^
2205*- Krieger mit Helm, die Linke wie speerwerfend
erhoben, während er in der Rechten ein Ding hat, das wie
eine Schaale oder ein Diskus aussieht. Aus Gerhard's Nach-
1869 erworben. 247.
2206. Jugendlicher Krieger mit Helm, Panzer, Bein-
schienen, die Linke an den neben ihm stehenden Schild legend,
während er in der ausgestreckten Rechten wahrscheinlich den
Speer gehalten hat Nicht ganz unverdächtig. Aus der älteren
königl. Sammlung. B. a. lY. a. 1. H. 4^4 ''•
2207. Ganz dieselbe Figur, aus derselben Form. Nur
fehlt hier der Schild. Aus der älteren königl. Sammlung.
B. a. rV. a. 2. H. 41/4".
Obscöne Darstellungen, theils römisch, theils
etrasGisoh.
'2208. Kleine priapeische Figur, auf einer Kugel
sitzend, mit kurzem Chiton bekleidet, die Hände hinten auf
dem Rücken, wie es scheint, zusanmiengebunden. Sie zieht das
linke Bein an dem ungeheueren aufgerichteten Phallus herauf,
als wüsste sie sich vor priapeischer Lust nicht zu fassen. Vom
Generalconsul Bartholdy aus Rom an Hm. von Altenstein über-
sandt, von dem sie 1845 angekauft 2806. H. 1^/«". Rö-
mischer Styl.
2209. Nackte, spindeldürre Figur, die Arme in die
Hüften gestützt, die Beine unten zusammenlaufend. Die Stellung
des Bauches ist die eines Priapus. Scheint wohl ein Griff oder
dergleichen gewesen zu sein. Am Kopfe etwas Hörnerartiges,
vergL die folgende Nummer. Aus der Sammlung Bartholdy.
B. 33. H. 3^2".
2210. Ganz übereinstimmende kleine Figur, nur
sind die Beine unten getrennt Hier sind am Kopf deutliche
Widderhörner. Aus der Sammlung Koller. H. 2%'\
2211. Kleines Figürchen mit grossem Phallus, den
Bauch vorgestreckt, die Hände auf den Rücken gelegt Aus
Gerhard's Nachlass 1869 erworben. 156, H. iV*»''»
Unbestimmbare Figaren. 4g 2
2212. Zwei kleinere nackte Figuren von Mann und
Frau, äusserst roh. Der Mann greift nach der Frau Brust
und die Frau nach des Mannes Glied. Komisch ist das Ver-
sehen, dass der Mann auch Brüste hat. Ebendaher. 137.
H. 2V4".
Unbestimmbare Figuren.
a. Römischen Styls.
2213. Nackte Frau, auf einer Kugel stehend, das zu-
sammengerollte Gewand bogenförmig mit beiden Händen über
dem Kopf haltend. Gefunden zu Bonn. Aus der Böcking'schen
Sammlung. H. 2'/./'.
2214. Eine von der Hüfte abwärts bekleidete
Frau, deren Gewand von einem über die linke Schulter
gehenden Bande gehalten wird. Sie hat die Beine übereinander-
geschlagen und die Arme wie ausruhend über dem Kopf zu-
sammengeschlagen. Gefunden am Rhein. Aus der Böcking'-
schen Sammlung. H. 2^/4".
2215. Mädchen in einfach strengem Faltenwurf,
ähnlich wie an der Vesta Giustiniani. Die Füsse stehen dicht
neben einander auf einer kleinen runden Basis, sind übrigens
mit sammt der Basis neu und waren vielleicht gar nicht vor-
handen. Der rechte Arm hängt am Körper herab und hielt
etwas, da die Hand durchbohrt ist, ebenso die linke Hand, die
etwas vorgestreckt ist. Vielleicht hat die Figur zu irgend
einem tektonischen Zusammenhang gehört. H. 278"«
2216. Ein mit der Toga bekleideter Mann, dessen
rechter Fuss fehlt. In der Linken hält er etwas Verstümmeltes,
was nicht recht deutlich ist, den Griff eines Schwertes oder
dergleichen. In der ausgestreckten Rechten scheint er aucli
etwas gehalten zu liaben. Nach der Rückseite scheint die Figur
irgendwo als Relief aufgesetzt gewesen zu sein. H. 3%".
2217. Nackter Knabe, nur hat er einen zusammen-
gerollten Ueberwurf von der linken Schulter nach der rechten
Hüfte. Die erhobene Rechte hielt etwas, man sollte vermutheu
eine gezückte Lanze. In der linken Hand befindet sich der
Rest eines Geräthes, ein anschwellender Schaft, wie er etwa
Friederichs, Bcrlia's Antike üildwcrko H, 3]^
482 Unbesiimmbarie Figuren.
einem Füllhorn zukommt. Der Blick ist nach unten gerichtet.
Die Füsse fehlen. Aus der Sammlung Koller. H. l^e"*
2218. Ganz dieselbe Figur, vielleicht aus derselben
Form. Das Geräth in der Linken fehlt ganz, dagegen sind
die Füsse nebst einer kleinen Basis erhalten. Aus dem Nach-
lass des Prof. Rösel 1844 erworben. H. 2".
2218*- Nackte Knabenfigur, vielleicht ein fellumhan-
gener Bacchusknabe, der in. der erhobenen Linken den Thjr-
susstab gehalten haben kann. Gefunden in Bingen. 1860 an-
gekauft. 3534.
2219. Eine mit einer Art Blätterkrone (oder
Aehren?), die nach der Mitte zu anschwillt, ge-
schmückte Frau von matronalen Formen, mit Locken, die
auf die Schulter herabhängen, und einem Aermelchiton, der
nach einem graziösen Motiv von der Schulter herabgesunken
ist. Darüber hat sie etwas nachlässig angelegt ein Obergewand,
das vor dem Leib einen Schurz bildet, in dem sich, wie es
scheint, Früchte od^r dergleichen befinden. Der Chiton ist an
der Vorderseite punktirt, um ihn dadurch vom Obergewand
abzuheben. In der erhobenen Linken hielt sie irgend einen
Gegenstand (Scepter?) und ebenso hielt sie etwas in der herab-
hängenden Rechten lose gefasst. Am linken Ober- und Unter-
schenkel je ein Loch, dessen Zweck nicht deutlich. Wegen
der Früchte denkt man zunächst an Flora oder Pomona, aber
die Figur ist zu matronal. Aus dem Nachlass des Prof. Rösel
1844 angekauft. Die Figur steht auf einer Marmorbasis,
welche die Unterschrift hat: Pausilippe,d.XIV.Nov. 1817.LG.
H. 47^''.
2220. Kleinere ganz ähnliche Figur, in der Stellung
der Füsse und Haltung des linken Armes allerdings etwas ver-
schieden. Sie ist hinten ganz platt und hat ein Loch in der
Mitte, so dass sie irgendwo angeheftet gewesen zu sein scheint
Aus der älteren Sammlung. B. c. a. aa. 4. H. 2^5".
2221. Nackte Frau, auf ihrem Gewände sitzend. Die
Arme sind gleich hinter der Schulter gebrochen und die Beine
fehlen vom Knie abwärts. Der Kopf ist seitwärts gewandt,
man könnte daran denken, es sei Leda gemeint, im Begriffe,
Unbestimmbare Figmrea. 483
den verfolgten Schwan bei sich aufzunehmen. Aus der Samm-
lung Koller. H. 3V«".
2222. Nackte. Knabenfigur, den linken Arm auf die
Hüfte stützend und mit vollen Backen in ein Rohr blasend.
Er steht auf einer durchbohrten Kugel, die irgendwo befestigt
gewesen zu sein scheint. Gefunden zu Bonn. Aus der Böcking'-
schen Sammlung. H. 2'\
2223 Männliche nackte Figur (nach allem Anschein),
den rechten Arm ausstreckend, der linke fehlt von der Schul-
ter an. Die Figur steht auf einer runden Basis, ist aber so
zerfressen, dass nichts Genaueres zu erkennen. II. 2^/4".
2224. Nackte bärtige Figur, die einige Aehnlichkeit
mit Lucius Verus hat. Die beiden Hände sind an einem ver-
stümmelten (?) Stabe beschäftigt und ihre Geberde ist die des
Drehens. Das Motiv ist nicht deutlich. Die Figur steht auf
einer Basis, die wie ein Gesimse geformt ist. H. 4".
2225. Männliche Figur und zwar die Eckfigur an
einem viereckigen Geräth. Denn daraus erklärt sich die selt-
same Bildung, die Figur ist nämlich darauf berechnet, sowohl
von der Seite als von vorn gesehen zu werden. Die inwendige
Höhlung, welche auch diese Bestimmung beweist, ist ausgefüllt.
Die Figur ist ganz bekleidet mit einem lang herabhängenden
Chiton und einem Ueberwurf, und danach könnte man die Fi-
gur für weiblich halten, aber alle Andeutung der Brust fehlt.
An der Vorderseite in der Hölie der Hüfte ist ein Ansatz. In
der Linken trägt die Figur ein hammerähnliches Instrument
mit langem Stiel, an dem sicli aber oben noch etwas ansetzte.
Aus der Sammlung Bartholdy. II. SYa"-
2226. Nackte jugendliche Figur, bekränzt, mit der
Chlamys um die Schultern, in der Linken einen Apfel oder
eine Kugel haltend, in der Rechten den Rest eines Stabes.
Aus der älteren Sammlung. B. a. IX. a. 13. H. 3^/4".
2227. Knabe mit plirygischer Mütze, bekleidet mit Chiton
und Schuhen, laufend dargestellt, den linken zur Hälfte fehlen-
den Arm vorstreckend. In der herabhängenden Rechten,
zwischen deren Fingern eine kleine Stütze bemerklich, hielt er
etwas. H. 4'^;V'.
31 ♦
484 Unbestimmbare Figuren.
2228. Nackter Jüngling mit herabhängender Linken,
während der rechte Arm erhoben und arg verdreht ist. Ans
der älteren Sammlung. B. C. a. bb. 6. H. S^«''*
2229. Nackter Jüngling, stehend. Der linke Arm
fehlt und die Hand des gegen das Gesicht hin gekrümmten
rechten. Der untere Theil des rechten Fusses ist in Wachs
ergänzt. Aus der Sammlung Koller. 2279. H. 2^/4".
2230. Kriegerfigur mit Harnisch und hohem Helm,
aus welchem sich eine fragmentirte Röhre entwickelt, deren
Bedeutung nicht klar ist. In eilender Bewegung. Arme und
Beine verstümmelt. H. 2%".
2231. Weibliche Figur, das Hinterhaupt vom Schleier
bedeckt und mit Kopfschmuck. In der Linken scheint sie etwas
zu halten, das nicht mehr kenntlich ist, die Bechte hängt am
Gewand herab. Es scheint eine Göttin gemeint. H. lV2"'
2232. Weibliche Figur, in Chiton und Himation, mit
einem Diadem oder Kranz. In der ausgestreckten, etwas be-
schädigten Rechten hielt sie etwas, was verloren ist, auch im
linken Arm, dessen Hand fehlt, war etwas vorhanden. Es scheint
eine Göttin zu sein oder Priesterin. Aus der älteren Sammlung
B. c. er. aa. 3. H. 378".
2233. Nackte Jünglingsfigur, ander die Arme fehlen
und die Beine vom Knie abwärts. Um den Kopf ein Band, von
dessen vorderem Theil über der Stirn zwei verstümmelte Spitzen
hervorragen. H. eVe"«
2234. Desgl., in der ausgestreckten Rechten eine Lanze
aufstützend, in der ebenfalls ausgestreckten Linken, von welcher
eine Chlamys herabhängt, einen ballartigen Gegenstand haltend.
Vielleicht ist ein Kaiser mit der Weltkugel gemeint? Aus der
Sammlung Bartholdy. B. 37. H. 2V4".
2235. Jugendlich nackte Figur, stehend, die Chla-
mys vom linken Arm herabhängend. In der ausgestreckten
Rechten die Schaale, in der erhobenen Linken stützte sie
Scepter oder Lanze auf. Es ist die Stellung, die Zeus zu haben
pflegt und vielleicht ist er trotz des Kopfes auch gemeint
H. 37,".
Unbestimmbare Figuren. 485
2236. Bärtiger Alter, der den Stamm einer Rebe in
zwei Stücke gebrochen hat, die er mit den Händen hält. Vor
seinen Füssen sieht man auch das zurückgebliebene Stück des
Stammes. Der mit einem Cliiton bekleidete Mann, der doch
nur für einen Landmann gehalten werden kann, steht auf einem
cylinderförmigen Untersatz, der an einer Seite einen Ring hat
und ursprünglich wohl einen zweiten an der entgegengesetzten
Seite hatte. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 42. H. 5''.
2237. Bis auf den Kopf verhüllte Figur mit Stirn-
krone, wie es scheint, weiblich. Hinten ganz platt. Aus der
älteren Sammlung. B. c. a. aa. 5. H. 1%".
2238. Männliche unbärtige Herme. Auf dem Kopf
ein Aufsatz und darin eine Vertiefung. Diente etwa als Stütze.
Von Prof. Gerhard 1848 erworben. 2963. H. 32/3''.
2239. Schöner jugendlicher Kopf mit doppelter
symmetrischer Lockenreihe. Der Kopf ist einer Art Sonne
aufgesetzt, einem Strahlenkranz, der ursprünglich, wie es scheint,
blank geschliffen war. Diese runde Scheibe ist Jjeweglich, sie
hat 12 Erhebungen und 12 Senkungen. Vermuthlich eine Ver-
zierung. H. 2^/2".
. 2240. Jugendliche männliche Herme mit fröhlich
sinnlichem Gesichtsausdruck. Inwendig hohl, denn das Werk
diente dazu, auf einem Pfeiler als Abschluss aufgesetzt zu
werden, hinten aber ohne Wand. Der Kopf hat silberne Augen,
die Haare sind sehr symmetrisch in Locken gelegt, wie es der
Hermenform so wohl entspricht, üeber der Stirn ein Haar-
knoten und die quer über den Kopf laufende Flechte, die ge-
rade an jugendlichen Figuren so gewöhnlich ist. ^Ein Band
hängt links und rechts vom Hals herab, ohne dass ein Kranz
da wäre, dessen Schein aber beabsichtigt ist. Ein silbern ein-
gelegtes Halsband trennte Hals und Brust. Die Fläclie unter
der Brust ist durch eingravirte Blumen und Ornamente belebt.
Links ist der Zapfen an der Schulter erhalten, rechts nicht.
Die Herme ist nicht vollständig erhalten. Das Ganze übrigens
sehr schön. Aus der älteren Sammlung. B. c. ß, 2. H. 6^/3".
2241. Schöne Doppelherme von zwei jugendlichen
männlichen Köpfen. Der eine trägt einen Helm, der andere
einen Kranz von nicht bestimmbarem Laub. Am ersten möchten
48 r> Etruscische Figuren.
es Oliven sein. Diente zur Bekrönung eines Pfeilers. Aus dem
Besitz Bellori's. B. c. ß. 1. H. 48/4".
2242. Büste eines reicbgelockten Jünglings, die
als Verzierung an einem Geräth diente. H. 4^2''.
2243. Jugendlich feistes Gesicht mit reichem Haar,
eine Büste von grosser Rohheit. Ein dicker Kranz mit einigen
Weinblättern belegt, im Uebrigen aber nur durch Punktirung
belebt, umgiebt den Hals. Darunter befindet sich ein drei-
eckiges vortretendes, mit Ornamenten verziertes Feld, von dem
man nicht weiss, was man daraus machen soll. Aeltere Samm-
lung. H. eVa"-
Abg. bei Beger III, p. S29.
2243*- Jugendliche Figur, auf einem in seinen drei
Theilen beweglichen und mit Vögeln verzierten Dreifuss stehend.
An den Ohren befinden sich Ringe. Das Ganze ist äusserst
roh. In Attika gefunden. 1869 angekauft. 3755.
Etruscische Figuren.
2244. Ruhig stehender nackter Jüngling, die Chla-
mys hängt von der in die Hüfte gestützten Linken herab, in
der herabhängenden Rechten muss er etwas gehalten haben.
H. 37s".
2245. Nackter Jüngling, stehend, das linke Bein fehlt
vom Knie abwärts, dann fehlt die linke Hand und der rechte
Unterarm, der erhoben war. H. 4V2"«
2246. Desgl., die Linke in die Hüfte gestemmt, während
die Rechte einen Stab oder dergleichen über der Schulter
hielt. Kann ein Herkules mit Keule gewesen sein. H. 4%''.
2247. Desgl., beide Arme, an welchen die Hände fehlen,
etwas vom Leibe entfernt. Aus der Dorow'schen Sammlung.
Gefunden zu Perugia. H. 3^/3".
2248. Desgl., mit einem Schurz. Er steht ruhig, ..die
verstümmelten Arme rechtwinkelig vom Leibe, die Fasse fehlen
und das rechte Unterbein ist in Wachs ergänzt. Aus der
EtruscSsche Figaren. 487
Dorow'schen Sammlung. 596. Gefunden zwischen Perugia und
Ohiusi. H. 31/4".
2249. Jüngling mit Chlamys, die eine Schultßr frei
"lässt. Der rechte Arm, dessen Hand fehlt, ist wie darreichend
ausgestreckt. Auch beide Füsse fehlen. Aus der Sammlung
Minutoli. B. c. a. bb. 5. H. 2^j^*'.
2250. Nackter Jüngling, auf einer Basis, ruhig stehend,
die Linke hängt herab, von dem rechten Arm ist nur das
oberste Stück erhalten. H. 3^/4" mit Basis.
2251. Jüngling nut einem Schurz, den linken Arm in
die Hüfte gestemmt, den rechten, der etwas hielt, vorgestreckt,
die Beine ruhig nel3en einander stehend. Die Figur war mit
ihrer Basis auf einem Geräth befestigt, etwa auf einem Can-
delaber, sie diente wenigstens nach der Haltung der Arme als
Griff. H. SVs".
2252. Nackte männliche Figur, der rechte Arm aus-
gestreckt, der etwas gehalten hat, etwa einen Speer. Die
herabgelassene Linke fehlt fast ganz. Die Figur steht auf zwei
aus einem Punkt hervorgehenden Streben, sie war mit einem
Geräth in Verbindung. H. ö^/g".
2253. Nackte jugendliche Figur, mit einem undeut-
lichen Geräth in der Linken, der rechte Arm und die Füsse
fehlen. Gefunden zu Heerappel bei Trier. Aus der Böcking'-
sehen Sammlung. H. 27e"'
2253** Nackte bärtige Figur, mit einer shawlaitig
umgeworfenen Chlamys bekleidet. In beiden Händen kleine
Gewandstücke, wenn nicht etwa die Kiemen zum Faustkampf
haltend. Die Füsse fehlen. Aus Gerhardts Nachlass. 136.
2254. DesgL, mit ausgestreckten Armen, deren linker
etwas hält. Ganz erhalten. H. 2^/3".
2255. Nackte männliche Figur, deren Arme mehr
wie Pfoten aussehen, von grosser Rohheit. Das Glied ist
geradeaus gerichtet. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 31.
H. 4V.»".
488 fetniscische Fi^ren. ^
2255** Nackter Jüngling, in der Linken ein verstüm-
meltes und unkenntliches Geräth erhebend. Die Rechte zum
Munde führend. Mit Basis.
2255^- Bekleideter Jüngling, die Rechte wie speep-
schleudernd, die Linke wie schildhaltend erhoben.
2256. Nackter Jüngling, die Linke in die Seite ge-
stemmt, die Rechte, von welcher die Hand fehlt, vorgestreckt.
Barbarisch. Oben auf dem Kopf eine eigene Bedeckung. Aus
der Sammlung Koller. 2321. H. 6".
2257. Desgl., sitzend, die Arme vorgestreckt. Aus der
Sammlung Koller. H. 2^2''-
2258. Mann, lang ausgezogen, mit dem Himation be-
kleidet, der rechte Arm fehlt, die linke Hand, deren Arm nicht
angegeben ist, sieht aus dem Gewände hervor, die Beine dicht
zusammenstehend. Hinten ganz platt. Es war gewiss der
Griff eines Geräthes, wozu diese platten Broncen wohl öfter
gedient haben mögen. Aus der Sammlung Bartholdv. B. 35.
H. 3V
4 •
2258*^ Jüngling mit Ober- und Untergewand be-
kleidet, die Rechte in die Hüfte gestützt, die Linke wie
bittend (?) ausgestreckt. Aus Gerhardts Nachlass. 157.
2259. Nackte Figur, Füsse zusammengeschlossen und
die Arme dicht am Leibe anliegend, das Ganze ziemlich platt.
Diente gewiss als Griff eines Geräthes. H. 272".
2259*- Figur in Panzer und Helm, in der Rechten
eine Schaale ausstreckend, während die erhobene Linke ver-
muthlich einen Speer aufstützte. Aus der älteren Sammlung.
B. c. a. bb. 8.
• 2259^- Hundsköpfige bekleidete Figur mit Palm-
zweig in der Linken und einem verstümmelten Geräth in der
Rechten. Wir sind niclit ganz sicher über das Alterthum dieser
Figur.
m
2259^' Nackte Frau in rohem barbarischen Styl, mit
unverständlichen Geräththeilen oben und unten. Aus der Koller'-
schen Sammlung.
Etruscische Figuren. 4^9
2260. Hermenförmig gebildete männliche Figur.
Diente wohl als Handgriff. Aus der Sammlung Koller. H. 3".
2261. Zwei nackte ganz rohe männliche Figuren^
an deren grösserer der linke Unterarm und Fuss fehlt Aus
demNachlass von Dir.Levezew 1840 erworben. 2636. H. 2YJ"
und 2".
2262. Vier desgl., zum Theil verstümmelt, aus Ger-
hardts Nachlass 1869 erworben. 138. 183. 153. 159.
2262*- Desgl. Ebendaher. 172.
2262^' ^- Zwei ganz rohe und verstümmelte Fi-
guren. Die eine mit Thierkopf.
2263. Weibliche Figur, wenigstens ist die Gewandung
weiblich. Sie hat beide Arme parallel ausgebreitet. Könnte
wohl ein Griff oder dergleichen gewesen sein. Aus der Samm-
lung Koller. H. 2V3".
•
2264. Frau mit kurzem Chiton, Diadem und Ringen
über den Knöcheln, die Arme ausgebreitet, die wohl beide et-
was hielten. Aus der Sammlung Koller. H. 5".
2265. Weibliche Figur mit einem bis auf die Knie
reichenden Gewand. Die Beine zusammengeschlossen, die Arme
anliegend. In den Füssen ein Loch zur Befestigung. Scheint
nach ihrer Stellung ein Griff oder Derartiges gewesen zu sein,
n. 3''.
2266. Weibliche Figur, ganz in ihr Gewand gehüllt,
auch der Hinterkopf bedeckt. Der rechte Fuss fehlt, unter
dem linken ein Ansatz, so dass man sieht, dass die Figur
irgendwo aufgesetzt gewesen. Aus dem Nachlass des Prof.
Rösel 1844 erworben. 2744. H. 2**/^''.
2266"- Frau mit eng anschliessendem Gewände,
nach äg}'ptischer Manier, mit Armringen und Tutulus, die Arme
symmetrisch ausbreitend. Mit Zapfen unter den Füssen. Aus
Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 204.
. 2266^- Eine Frau mit Tutulus, die linke Hand an's
Gewand legend, die rechte fehlt. Ebendaher. 159.
490 Fragpmente von Statuen.
2266*^- Aehnliche Figur. Ganz erhalten. Ebendaher.
2266^- Desgl., nur noch roher. Ebendaher. 152.
2266®- Eine Figur mit langem Zopf, nach ägyptischer
Manier. Das Geschlecht ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen,
doch soll sie wahrscheinlich weiblich sein. Die Rechte liegt
am Gewände, die Linke auf der Brust. Die Figur ist in äer
Mitte durchbohrt. Ebendaher.
«
2266^- Schreitende weibliche Figur mit einem, wie
es scheint, aus Federn bestehenden Kopfschmuck. Arme und
Füsse fehlen. Ebendaher. 148.
2266^- Weibliche Figur mit zusammengeschlossenen
Gliedern. Diente vermuthlich als Griff.
2266*^- Weibliche Figur in reliefartiger Stellung.
Der Unterkörper steht im Profil, der Oberkörper en face. Die
Arme sind ausgebreitet. Die Figur hat hinten einen Zapfen
zur Befestigung an einem Geräth.
Fragmente von Statuen.
2267. Kopf eines Kriegers. Die Backenklappen sind
in die Höhe geschlagen. Der Helm läuft vorn mit dem Kopf
in eine Fläche zusammen. Etruscisch. 1852 angekauft. 3046.
H. 1%".
2268. Kinderkopf, mit einer Binde um den Kopf. H. '/g".
2269. Unbärtiger männlicher Kopf, und zwar ein
römischer, mit kurzem, regelmässig gekämmtem Haar. Hohl,
sehr zerfressen. Aus der Sammlung Koller. 2371. H. 3".
2270. Kopf eines Jünglings mit kurzem Haar, der
einer Statuette angehört zu haben scheint. H. l^/g".
2271. Kinderkopf mit zierlich aufgebundenem Haar
vorn über der Stirn. 1852 angekauft 3047; H. P/e".
2272. Weiblicher, gewandbehangener Arm von
schönem Styl. Das Gewand ist punktirt, um es von anderen
Stoffen abzuheben. Besonders gegossen, wie überhaupt auch
Fragmente von Statuen. 491
"an kleineren Statuetten die abstehenden Theile oft besonders
gearbeitet wurden. Aus der Böcking'schen Sammlung. 64.
L. 41/2".
2273. Schöne weibliche Hand/ der vierte Finger
ergänzt. L. 4".
2274. Arm mit einer Taube in der Hand. Etrus-
. cisch. Aus der Sammlung Dorow. 569. L. 3^/4".
2275. Männlicher Arm, der mit Silber überzogen war,
wovon Reste erhalten. Aus der Böcking'schen Sammlung.
703^- L. 6".
I
2276. Hand mit einem Diskus. Aus Gerhardts Nach-
lass 1869 erworben. 174. L. P/*"-
2277. Hand mit einem Trinkhorn, in Form eines
Ziegenbocks. Ebendaher. 182. L. l'/g"-
2278. Hand mit dem Rest einer Schlange. H. ^IJ\
2279. Hand mit Gewandrest. Aus dem Nachlass des
Obristlieutenant Schmidt 1846 erworben. 2874. L. l^/^".
2280. Vier Finger. Aus der KoUer'schen Sammlung.
207. L. 2—31/4".
2281. Ein Fuss. H. l^/g".
2282. Stück eines mit einem Schuh bekleideten
Fuss es, von natürlicher Grösse. Der Schuh ist von der-
selben Art, wie ihn die römischen Portraitstatuen tragen.
L. 58/4''.
2283. Ein männliches Geschlechtsglied.
2283*- Desgl.
2284. Aegyptischer Kinnbart, vorne gekrümmt, wie
namentlich Osiris, aber auch andere Götter ihn tragen.
• L. 2V8".
2285. Helmbusch. L. 28/4".
2285*- Eine Hand, die an einem Schild liegt.
492 Sirenen, Sphinxe, Ceiitauren, Greife und Cerbero».
2285^ Eine Hand^ die einen Krug hält. Aus Gei^
hard's Nachlass. 66.
2285^- Ruder, von einem Delphin umwunden. Vermuth-
lich Attribut einer Venus. Aus Gerhardts Nachlass.
2286. Ein Pferdehuf in natürlicher Grösse. H.4V4".
Sirenen, Sphinxe, Centaur^n, Greife und Cerberus,
2287. Sirene, in feinem etruscischen Styl. Von Prot
Gerhard 1848 in Itaüen gekauft. 175. H. 3V2".
Abg. Monum. dell' instit. II, 29.
2288. Desgl., die Füsse fehlen. Aus der älteren Samm-
lung. B. d. AA. 10. H. 2*'.
2289. Sphinx. Aus der EoUer'sclien Sammlung. 230.
H. 21/4''.
2290. Desgl., die Flügel beschädigt. Hinten platt. Eben-
daher. 228. H. 3V4".
2291. Desgl., sehr niedlich, ganz rund. H. 1'^
2292. Desgl. Aus der Sammlung Minutoli. Der eine
Flügel ist beschädigt. B. d. AA. 6. H. 1".
2293. Desgl. Geräthverzierung. Aus der Samml. Bar-
tholdy. C. 105. H. 11/2".
2294. Eine halbe Sphinx, die an einem Geräth an-
gebracht war. Aus der Samml. Bartholdy. B. 53. H. 2^/4".
2295. Desgl., noch roher. Ebendaher. B. 50. H.2V4".
2296. Centaur, vorn ganz menschlich. Der Bücken ist
durchbohrt und auch die Basis. Etruscisch. H. 3*/g".
2297. Desgl., nur kleiner. Aus der Sammlung Koller.
H. 27s".
2298. 2299. Zwei schöne Greife, als Seitenstücke zu
einander gearbeitet. Doch wissen wir die Verwendung dieser
Figuren nicht mit Bestinuntheit anzugeben. Beide werden
Die Thiere. 493
von einer Uranusschlange angegriffen, die an dem einen ver-
stümmelt ist Aus der Sammlung Bellori, H. 4^/0".
Abg. bei Beger III, 368.
2300. Greif, in vollem Lauf, der Schwanz ist ab-
gebrochen. Aus (ier Samml. Minutoli. B. d. AA. 3. H. 1%''.
2301. Sitzender Greif, mit abgebrochenem Schwanz.
Ebendaher. B. d. AA. 4. H. l^/g".
2302. Vordertheil eines Pegasus. Geräthverzierung.
Aus der Sammlung Koller. H. 1%".
2303. Cerberus, mit einem Hauptkopf und zwei Neben-
köpfen. Der Unke Vorderfuss fehlt H. S^g"-
2304. Desgl., von zwei zusammengeringelten Schlangen
umwunden. Aus der älteren Samml. B. d. AA. 5. H. 172"«
Thiere.
a. Vögel.
2305. Adler, auf einem Widderkopf sitzend, ein schönes
Symbol siegreicher Ueberwindung. Wäre diese Bronce grösser,
so würden wir sie für ein Feldzeichen erklären. Vermuthlich
Bekrönung eines Stabes. Aus dem Besitz Bellori's. B. d.
BB. 37. H. 21/2".
Abgeb. bei Beger III, 221.
2306. Adler köpf, mit Kranz im Munde, ein ähnliches
Symbol. Bekrönung eines Geräths. H. l'/s"«
2307. Adler mit ausgebreiteten Flügeln, ebenfalls
Bekrönung eines Geräthes. Aus der Sammlung Bartholdy.
C. 128. H. 2^8".
2308. Desgl., Füsse und Flügel verstümmelt H. 2".
2309. Adler, auf einer halbkugelförmigen Erhöhung
sitzend. Aus der älteren Sanmilung. B. d. BB. 38. H. 2*/g".
2309** Kleiner Adler, aus Pompeji. Aus dem Rösel-
schen Nachlass erworben. 2761.
494 I>ie Thiere.
2310. Geyer. Die Ftisse fehlen. L. ^^W*.
2310*- Ein Rabe. Aus der älteren Sammlung. B. d.
BB. 39.
2311. Sitzender Flamingo. H. l^/g".
2312. Eule; sitzend. Die Füsse fehlen. Aus der älteren
Sammlung. B. a. BB. 40. H. l^/g''.
Abg. bei Beger UI, 374.
2313. Kleine Eule, auf einem abgebrochenen Zweig
sitzend. Aus der Sammlung Minutoli. B. d. BB. 41*- H. ^IJ'.
2313*- Desgl., auf einem Thier, wie es scheint einer
Schildkröte, stehendL Greräthverzierung.
2314. Huhn, dessen Füsse fehlen. Aus der Sammlung
Minutoli. B. d. BB. 44.
2315. Ein Hahn in Kampfstellung, vielleicht Theil
einer Gruppe. Von der Herzogin von Sermoneta 1848 ge-
kauft. 2716. H. 2^/8".
2316. Desgl., die Füsse fehlen. Aus der älteren Samm-
lung. B. d. BB. 42. H. iVa".
Abg. bei Beger III, .374.
2316*- Ein Huhn."
2316 '^^ Ein Perlhuhnartiges Thier. Aus der älteren
Sammlung. B. d. BB. 43.
, 2317. Gans, die etwas im Schnabel hält. Geräthverzierung.
H. iVs''.
2317*- Eine Ente.
2317^- GebogenerSchwanenhals, Hautrelief. Geräth-
verzierung. Aus Pompeji. VonProf. Jahn 1869 gekauft. 3771.
2318. Taube. Aus der KoUer'schen Sammlung. 274.
Geräthverzierung. L. 2^IJ',
2319. Desgl., wahrscheinlich Griff eines Deckels. Von
Die Thierc. 495
(lein küuigl. Gesandten in Athen, Brassier de St. Simon, 1845
erworben. 2822. H. l^/g''.
2320. Desgl. Aus der KoUer'schen Sammlung. Ver-
zierung eines Geräthes. L. 1^1 2"»
2320*- Eine Taube. Aus der älteren Sammlung. B. d.
BB. 46.
2321. Ein Hahn, mit Greifenkopf, Aus der Sanmilung
Koller. 270. H. 48/4".
2322. Ein kleiner Hahn. Geräthverzierung. H. '/g".
2322*- Unbestimmbarer Vogel. Aus der älteren
Sammlung. B. d. BB. 45.
2322^- Kopf eines Vogels. Fragment. Unbestimmbar.
b. Vierfüssige Thiere.
2323. Affe. Etruscisch. Wahrscheinlich Griff eines
Deckels. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 181. H. li/g",
2324. Desgl., in wunderlich verdrehter Stellung. Eben-
daher. H. 18/3".
2325. Kleiner Bär, sitzend. KoUer'sche Sammlung.
212. H. iVs''.
2326. Schöner Eber, auf den Hinterbeinen sitzend.
H. 5 Vi''.
2327. Desgl., stehend. H. 2",
2327*- Desgl. Aus der Sanmilung Bartholdy. C. 110.
H. 2%".
2328. Vordertheil eines Ebers. Geräthverzierung.
Von dem Gesandten Brassier de St. Simon 1845 angekauft.
2821. H. 2".
2329. Ein Tiger, die Vordertatze auf einen Amazonen-
schild legend. Basis und Thier durchbohrt. Vermuthlich
496 ^^^ Thiere.
Geräthverzierung. In Cöln gefunden. 1856 gekauft. 3103.
H. 2 Vi''.
2329*- Ein Greif, seine Tatze auf einen Schild legend.
Geräthverzierung.
2330. Ein Tiger, kleiner als n. 2329. Er legt seine
Tatze auf eine Amphora, man könnte glauben, diese Verzierung
stammte von dem Deckel eines Weingeräthes. Aus der älteren
Sammlung. B. d. BB. 9*- H. l^''.
2331. Ein Panther, dessen Flecken durch rothes und
blaues Email wiedergegeben sind, auch die Augen sind roth
emaillirt. Gewiss der Henkel einer Vase, wie man in Pompeji
Aehnliches gefunden hat. Aus der Sammlung Koller. H. 3".
2332. Desgl., in höchst lebendiger Stellung, als wollte
er sich gleichsam in das Gefäss hineinbeissen. Die Flecken
des Felles sind durch eingelegtes Silber markirt. H. l^/g''.
2333. Desgl., roh. Geräthverzierung. H. l'*/^".
2334. Löwe. Etruscisch. Geräthverzierung. Aus der
Bartholdy'schen Sammlung. C. 110. H. i^j^".
2335. Desgl. Etruscisch. Aus der Sammlung Koller.
217. H. Vj^".
2336. Desgl., ebendaher. 248. H. 1%",
2337. Desgl., springend, ebendaher. H. iVs''-
2338. Desgl. Aus der älteren Sammlung. B. d. BB. i.
H. 2»/,".
2339. 2340. Zwei desgl. Etruscisch. Ganz überein-
stimmend. Aus Gerhard's Nachlass 1869 erworben. 179. 180.
H. iVs".
2341. Desgl. Geräthverzierung. H. iV*"-
2342. Desgl. Etruscisch. H. iV^".
■
2343. Desgl. H. «^/g".
Die Thiere. 497
2344. Schakalähnliches Thier. Aus der Sammlung
Koller. H. ^j^*'.
2345.2346. Zwei hübsche, auf der Wache liegende
Hunde, welche eine pompejanische Fontaine bewachten. 1869
gekauft. 3588. 3589. L. 4V2".
2347. Sitzender Hund. Aus der älteren Sammlung.
B. d. BB. 30. H. 3".
2347a. b. Zwei laufende Hunde. Aus der KoUer'schen
Sammlung. Geräthverzierung.
2348. Desgl., stehend. Ebendaher. B.d.BB;33.H. l^j^"
2349. Desgl. Ebendaher. B. d. BB. 34. H. l^/g".
2350. Desgl. Ebendaher. B. d. BB. 32. H. l^^".
2351. Desgl., sitzend. Ebendaher. B. d. BB. 29. H. 2".
2352. Desgl. Geräthverzierung. Aus der Sammlung
Koller. H. l^/g".
2353. Desgl. Ebendaher. 244. H. l^^".
2354. Desgl. Ebendaher. H. iVs".
2355. Desgl. Ebendaher. 242. H. 1''.
2356. Desgl. Ebendaher. 257. H. 1".
2357. Desgl. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 115.
H. lV2"r
2358. Desgl. Aus der Dorow'schen Sammlung. Nied-
lich. H. Vj^",
2459. Desgl. Ein Hund, ausgestreckt liegend und einen
Knochen benagend. Sehr gut charakterisirt. Gewiss der Griff
eines Geräthes. L. 2^/4".
2360. Stier, ruhig stehend. Aus der Sammlung Bar-
tholdy. B. 57. H. 28/8 ".
2361. Desgl., sehr roh. Aus der Böcking'schen Samm-
lung. 963.. H. 11/4^
Friedorichs, Berlin'a Antike Bildwerke. II. 32
498 ^ic Tlnere.
2362. Desgl., schreitend. Aus der älteren Sammlung.
B. d. BB. 19. H. 3".
2363. 2364. 2365. Drei desgl. Ebendaher. B. d. BB.
20. 21. 22. H. IV4" bis 2''.
2366. 2367. 2368. Drei desgl. Aus- der Koller'schen
Sammlung. 213. 218. 239. L. 2V8" bis 38/4".
2369. Desgl. Auf Cypern gefunden, und aus dem Nach-
lass des Prof. Boss 1860 erworben. Ganz roh. 3422. L. 2".
2370—2377. Acht desgl. H. 1'' bis 2^/8^
2377*- Zebustier, Relief. Wahrscheinlich Geräthver-
zierung. Von Prof. Petermann aus dem Orient 1856 mit-
gebracht. 3194. H. 1^1^".
2378. Schafbock, 1863 erworben.. 3484. L. 2^^".
2379. Ein wie zum Stoss vorwärts laufender
Widder, sehr lebendig. Im Peloponnes gefunden. Von hie-
sigen Kunsthändlern 1845 gekauft. 2815. L. S^jJ',
2380. Desgl., ruhig stehend. Mit einem Joch um den
Hals. Die Basis in regelmässiger Weise durchbrochen. H. 4^/g".
2381. Desgl., mit zwei Schläuchen beladen. H. '/g".
2382. Desgl., ganz einfach. H. ^jj'.
2383. Kopf eines Widders. Fragment. H. s/g".
*
2384. Pferd, ruhig stehend. Aus der Koller'schen Samm-
lung. 215. H. 2%".
2385. 2386. Zwei desgl., beide sprengend. Aus der
Koller'schen Sammlung. 222. 224. H. 2^/4" und 2V4".
2387. Desgl. Ebendaher. 259. H. II/4",
2388. Desgl., ruhig stehend. Aus der älteren Samm-
lung. B. d. BB'. 14. H. 272"-
2388*-^ ß Drei unbestimmbare Thiere. Ganz platt
Die Thiere. 499
und roh. Aus Gerhardts Nachlass 1869 erworben. 185. 186.
871. L. 11/4'' bis 2".
2388^- «• Zwei desgl. H. ^IJ' und Va"-
2389. Vordertheil eines sprengenden Pferdes. Aus
der älteren Sammlung. B. d. BB. 15. Geräthverzierung. H. 1 ^jj'.
2390. Desgl., 1863 angekauft. 3482. H. 1".
2390^- Ein langgezogenes dünnes Pferd in vollem
Lauf. Vermuthlich eine Geräthverzierung.
2391. Ein Seepferd, dessen Fischschwanz hoch in die
Höhe gebogen ist, so dass eine Oese entsteht. Wahrschein-
lich Griff eines Geräthes. H. 3".
2392. Eine dicke Sau, ruhig liegend. L. S^a"»
2393. Hübsche Ziege. Aus der älteren Sammlung.
B. d. BB. 25. H. 2V2".
2394. 2395. Zwei desgl., die zweite mit Schläuchen
beladen. Aus der älteren Sammlung. B. d. BB. 26. 27.
H. 1%" und 17.2".
2396. Ziege, auf einer Basis stehend, an welcher sich
unten eine Spitze anschliesst, die in einen Schaft von anderem
Material eingesetzt wurde. Oben an der Spitze springt ein
Haken heraus. Aus der Sammlung Bartholdy. B. 58. H. 5".
2397. Kaninchen. Aus der Sammlung Bartholdy.
C. 124. H. 31/4".
2398. Hase. Ebendaher. C. 125. H. 3".
2398*- Ein laufender Hase. Geräthverzierung.
2399. Maus. Aus der KoUer'schen Samml. L. l^a"-
2400. NagendeMaus. Aus der Sammlung Bartholdy.
C. 126. L. Vl^",
2401. Desgl. 1863 gekauft. 3483. L. l^j^".
2402. 2403. Zwei desgl. H. l^jj' und 1%".
32*
500 Die Thiere.
2403*- Vordertheil eines unbestimmbaren Thieres.
Aus der KoUer'schen Sammlung. Geräthverzierung.
2403 **• Phantastisches Thier, mit einem kleineren
Thier derselben Art auf seinem Rücken. Aus Corneto. Mit
Gerhardts Nachlass erworben. Wahrscheinlich Geräthver-
zierung. 102.
Amphibien und Fische.
2404. Ein Froschweibchen, das sein Junges auf dem
Rücken trägt. L. IV4".
2405. Schildkröte. Oben durchbohrt Als Geräthsttitze
dienend, so wie wir sie schon oben bei den Candelabem
fanden. Aus der Sammlung Bartholdy. C. 127. L. 3*/V.
2406. Eidechse. Aus der älteren Sammlung. B, d.
BB. 47. L. 2''.
2407. Schlange. Aus dem Nachlass des Kriegsministers
von Rauch 1841 gekauft. 2646. L. 2".
2408. Schön gearbeiteter Schlangenkopf. Frag-
ment. Aus der Koller'schen Sammlung. 267. H. 1^2"-
2409. Delphin, von Blei, das mit einer für uns nicht
bestimmbaren Masse ausgefällt ist. Yon Prof. Gerhard 1841
angekauft. 2710. L. 98/4".
2410. Desgl., von Bronce. Aus Gerhard's Nachlass 1869
erworben. 184. L. 2^1^",
2411. 2412. Zwei desgl. L. I8/4" und 2V4".
2413. Otterähnliches Thier. L. iV^".
2413*- Eine froschartige Figur, mit Silber verziert
Von Prof. Petermann aus dem Orient mitgebracht. 3198.
Moderne Broncen, theils Abgüsse, theils
Fälschungen.
Die modernen Broncen sind für das Studium der alten
nicht ohne Bedeutung, zunächst schon deswegen, um das
Die modernen Broncen. 501
Auge für den Unterschied ächter und nachgemachter Patina
empfänglich zu machen. Aber das Interesse wächst bei
solchen, die nicht blosse Abgüsse, sondern Nachahmungen
oder geradezu Fälschungen sind. Hier handelt es sich auch
um Verschiedenheit des Styls und der ganzen Auffassung.
Es schien uns übrigens mit der ganzen Anordnung des
Buches nicht vereinbar, in ausführliche Erörterungen über
eine Sammlung moderner Broncen einzugehen, die ein buntes,
ganz zufällig entstandenes Durcheinander darstellt. Zumal
die Abgüsse, die meist aus der KoUer'schen Sammlung her-
rühren, haben wir mit einer Ausnahme, die eine ganz un-
bekannte und doch interessante Statuette betrifft, sehr kurz
behandelt, um so mehr, als ein nicht kleiner Theil von ihnen
auch in Gyps im Neuen Museum vorhanden ist und daher
schon im ersten Bande dieses Werkes seine Besprechung
gefunden hat.
Moderne Broncen.
a. Geräthe.
2414. Verkleinerte Copie der mediceischen Mar-
morvase. H. IS^IJ'.
2415. Abguss eines grossen pompejanischen
Beckens mit Schlangenhenkeln. Durchm. 13^ I2"'
2416. Einhenkelige Kanne in etruscischer Manier.
Abguss. H. 14".
2417. Abguss des kleinen pompejanischen Drei-
fusses, der von ithyphallischen Satyrn gestützt wird. H. 11"
2418. 2419. Zwei Amphoren. Aus der Koller'schen
Sammlung. H. 8 und 9".
2420. Abguss einer Ciste, deren Original verschollen
ist. Aus der Koller'schen Sammlung. H. 10". Durchm. 8".
Abg. bei Gerhard. Etruscische Spiegel I. Taf. 17. 18.
2421—2425. Fünf Trinkhörner, in Form von Hirsch-,
Eber-, Pferd-, Reh- und Hundekopf. Abgüsse von pompe-
janischen Alterthümern. Aus der Koller'schen Sammlung.
H. von 7 bis 7Vi".
502 I^^ö modernen Broncen.
2426. 2427. Zwei einhenkelige Krüge, mit reich-
verzierten Henkeln. H. 6?/^" und 88/4".
2428 — 2430. Drei zweihenkelige Krüge von ver-^
schiedener Grösse. H. 2^2 l>is 5^/4".
2431. Zweihenkelige Schale. D. 5V2''.
2432. Reichverzierte Hängelampe. Aus der Koller'-
schen Sammlung. H. 6^/4".
2433. 2434. Zwei henkellose Töpfe. Ebendaher.
H. 3 und 4".
2435. Zwei Stücke eines Gefässes. Mit einer In-
schrift. D. 5".
2436. Kohlenbecken, in Form einer Festung. Abguss
eines in Neapel befindlichen Geräthes. a 2', H. 12".
2436*- Ein viereckiges Kästchen, mit Centauren
verziert. Abguss. H. 3V2". L. ^^U"
2437. Abguss des berühmten von Sphinxen ge-
stützten pompejanischen Dreifusses. H. 3' 172"«
2438. Candelaber, in Form eines knotigen Stamms.
Oben eine Schale mit Dorn. Ganz dem pompejanischen ent-
sprechend. H. 3' 6V2''-
2439. Desgl., nur kleiner. Mit einem Teller zum Auf-
setzen der Lampe. Aus der Koller*schen Samml. H. 11^4"«
2440. Desgl., mit glattem Stamm. Das obere Stück
fehlt. H. V 3^/4''.
2440*- ^- Zwei Lampenuntersätze. Abgüsse.
2441. Thymiaterion, ganz nach Art der etruscischen.
Die Schale oben von Vögeln umgeben. Aus der KoUer'schen
Sammlung. H. 1' 53/4''.
2442. Einhenkelige Kanne, der Henkel fehlt. H. 8V./'^
2443. Ein grosses Pfundstück. H. 9V-
Die modernen Broncen. 5Q3
2444. Hängelampe; in Form eines Pferdes. L. 8^2"«
2445. Lampe mit daran hängendem Putzer, in Form
eines Kruges. Die Tülle wird durch eine Satyrmaske gebildet.
H. 4Vs".
2446. Desgl.; genau tibereinstimmend. H. A^j^'-
2447. Lampe, mit zwei Flammen, mit einem Adler ver-
ziert. L. 6".
2448. 2449. Zwei Hängelampen, zu zwei Flammen.
Ganz übereinstimmend. L. 5".
2450. Lampe mit einer Flamme, mit einem Löwen am
Henkel verziert. L. 4^/8^.
2451. Desgl., auf ihrer Fläche ein Amor mit einem
Delphin. L. d^l^".
2451*- Desgl., ganz übereinstimmend. L. S^i"»
2452. Hängelampe mit zwei Flammen. L. 472".
2453. Lampe mit einer Flamme. Auf der Fläche ein
Adler mit Blitz. Auf den Seiten Medusenköpfe. L. 4''.
2453*' ^- Zwei Lampen, aus dem Nachlass des Prof.
Rösel. 2735. 2737. Abgüsse von pompejanischen Lampen.
2453^* Desgl. Aus der KoUer'schen* Sammlung.
2454. Hängelampe mit zwei Flammen und tulpen-
förmigem Griff. L. S^U".
2455. Desgl., mit einem Kranz verziert. L. 2^/4".
2456. Lampe ohne Deckel. Auf drei Füssen stehend.
L. 3-Vs".
2457. Abguss einer Thonlampe, worauf ein Herkules
mit der Syrinx. L. 4%".
2458. Desgl., ganz einfach. L. 4''.
2459. Lampe^ durch einen kleinen Mann mit phrygischer
504 ^^^ modemea Broncen.
Mütze gebildet, der auf einem Pferdekopf sitzt. Die Tülle
kommt aus dem Maul des Pferdes. Abguss. L. 5^/4".
2460. Gefäss, in Form eines priapeischen Kopfes,
dessen Nase noch in einen Phallus ausläuft. H. 5^/4".
2461. Ein Kasten mit Kinderspielzeug.
2462. Zwei Amulette, in Form von Phallen.
2463. Zwei Gabeln, die eine verstümmelt. L. 3 und 5".
2464. Spiegel, mit der Gruppe von Amor und Psyche
in Relief. L. 1' 3".
2465. Desgl., türkischer Spiegel mit Silber eingelegt.
L. IIV2".
2466. Ein kleines Altärchen von Bronce. H. 2^U".
2466*- Zwei moderne Bleimarken.
2466^- Kopfstück einer Pferderüstung, die Form
des Pferdes genau imitirend. Oben als Verzierung ein Löwen-
kopf, der mit geflügelten Donnerkeilen umkränzt ist. Viel-
leicht ein Abguss nach einer Antike.
2466*^- Unbestimmbares Rüstungsstück, unten frag-
mentirt. Mit Scharnieren an jeder Seite. Verziert mit einem
Medusenkopf und darunter mit zwei Widderköpfen. Vermuth-
lich Abguss einer Antike.
2466'*- Unbestimmbares Geräthstück.
b. Figuren,
2467. Abguss der schönen Victoria in Cassel.
H. 2' 71/2".
2468. Verkleinerte Copie des borghesischen
Hermaphroditen. L. 1' 3^2" Br. 8V4".
2468** Ephesische Diana, verkleinerter Abguss.
2469. Neptun, ganz übereinstimmend mit n. 1872, nur
Die modernen Broncen. 505
von besserem Styl. Abguss einer antiken Figur, die sich im
Besitz des Herrn Geh.-R. v. Beuth befand. Die an derselben
fehlenden Theile sind an unserem Abguss ergänzt, nämlich
der halbe linke Arm mit dem Dreizack und der rechte Fuss
mit dem Schiffshintertheil, auf welches er tritt. Geschenk
des Herrn Geh.-R. v. Beuth. H. S^j^".
2470. Junges Mädchen, mit doppeltem Gewände, den
rechten Arm in die Seite stützend, in der Linken einen
Apfel haltend. Die Figur ist nach Styl und Patina ent-
schieden falsch. 1849 angekauft. Gefunden angeblich bei
Nordendorf in Franken. H. 3''.
2471. Büste einer Minerva, eine schreiende Fälschung,
sowohl hinsichtlich der Patina, die nur in den Tiefen sitzt,
als hinsichtlich des Styls. Der Kopf ist nämlich der eines
eleganten Püppchens mit zierlichen Locken. 1856 durch
E. Braun in Rom angekauft. 3214. H. 2^1^".
Wahrhaft komisch ist das hochtrabende Gerede Brauns über diese
Figur im ballet. 1856 p. 65. Man möchte wirklich zweifeln, ob es
ernst gemeint sei.
2472. Büste des bärtigen Bacchus, in alterthüm-
lichem (d. h. nachgeahmt alterthümlichem) Styl, wie er so gut
für Hermen sich schickt. Die Locken fallen links und rechts
symmetrisch auf die Schultern, eine Binde umgiebt das Haar.
Vermuthlich ein Abguss. Aus der Sammlung Minutoli. B. a.
XIV. ß. 1. H. 53//'.
2473. Jugendlicher Satyr, mit der Mundbinde, in
bewegter Stellung, die Doppelflöte blasend zu denken, wie
aus der Bewegung der Arme hervorgeht. Eine ganz genau
übereinstimmende Figur kommt unter den herculanischen
Broncen vor, von welcher diese Figur ein Abguss ist. Sie
ist gar nicht ciselirt. Aus der älteren königl. Sammlung.
B. a. XV. a. 1. H. 12".
2474. Silen, ein Gefäss bildend. Er sitzt zusammen-
gekauert, legt die Rechte an's rechte Knie, während die Linke
ein Gefäss fasst. Auf seinem Kopf befindet sich eine klee-
blattförmige Tülle, das Gefäss ist aber ohne Boden. Ver-
muthlich ein Abguss. Aus der Sammlung Koller. H. A^jJ'.
2475. Silen, nackt, zusammengekauert auf der Erde
50p Die modernen Broncen.
#
sitzend; die Hände auf die Knie stützend. Aus der Samm-
lung Koller. H. 2".
2476. Bärtiger Pan, auf der Erde sitzend und das
rechte Bein an sich ziehend, das ihn vielleicht schmerzt. Der
linke Arm stützte sich wahrscheinlich auf den Grund, es ist
nur wenig von ihm erhalten. Curios ist, dass er nur ein
Hörn hat. Aber die Bronce scheint auch nach der Patina
entschieden modern. Aus der Sammlung Koller. H. 2^/2".
2477. Priapus, mit einem turbanähnlichen, asiatischen
Kopfputz, den er öfter hat, das Gewand von dem grossen,
aufgerichteten Phallus aufhebend. Unten wird er ganz pfeiler-
artig, indem nur noch die beiden Füsse heraussehen. Die
Figur macht die Geberde der Xoodcoaig. Aus der Sammlung
Koller. H. 6V4''.
2478. Nackter Knabe, die linke Hand auf die Brust
legend, die rechte fasst ein blumen- und fruchtgeftiUtes Füll-
horn, das neben seinem rechten Bein steht An dieser Figur
deutet Alles, Styl, Darstellung, Patina auf modernen Ursprung.
H. 4".
2478*- Sitzende Knabenfigur, mit einem geschlitzten,'
langen Chiton bekleidet, pie Rechte erhoben. Aus der
Böcking'schen Sammlung. 683.
2479. Tragische Maske, moderner Abguss. H. 2^/4".
2480. Bärtiger Herkules, mit einem Kranz von
Epheu, dessen Bänder auf die Schultern herabfallen. Der
Kopf ist gesenkt, der Ausdruck des Gesichtes ganz weinselig,
er ist betrunken zu denken. Die lange Keule ist unter die
Achsel gestemmt, die Rechte liegt hinten auf dem Rücken
und hält die Hesperidenäpfel. Ungefähre Copie des farne-
sischen Herkules. Aus der älteren königl. Sammlung. B. a.
XVI. a. 2. H. 7%".
2481. Desgl. Abguss des oben n. 1848 erwähnten
Typus. H. 41/4".
2482. Jugendlich männliche Maske, der Kopf blickt
seitwärts und nach oben mit etwas schmerzlichem Ausdruck.
Wie es scheint von einem Geräth. H. 3 j^**.
Die modernen Broncen. 507
2483. 2484. Schöne Masken in Relief. Abgüsse
nach antiken Marmorwerken. H. 5 bis 5^2"«
2484*- ^- Zwei desgl. Ebenfalls Abgüsse von antiken
Marmorwerken.
2484°- Büste des Hadrian. Aus der älteren Samm-
lung. B. c. /^. 11.
2485. Kleine Bronceplatte, worauf ein bacchischer
Zug. Br. 2'/«".
c. Thiere.
2486. Ein grosses Schwein, das als Gewicht diente,
Abguss eines in Neapel befindlichen Geräthes. L. lO^j^**
2487. Ein Panther, Abguss. L. 1' SVa".
2488. Eber, verkleinerte Copie der florentinischen
Marmorstatue. H. 7".
2488»- Ein Elephant
2489. Ein Seepanther, mit Flügeln.
2490. Ein Frosch. L. 4".
2491. 2492. Vordertheile von zwei Pferden, das
eine geflügelt. H. 2^U ^is 3V2".
2493. Cerberus. H. 2^U".
2494. Eine Maus. L. 38/4".
2495. Eine Schildkröte. L. 1"..
2495^ Ein Stier.
2495^- Ein schön gearbeiteter Hahn.
2495^- Vordertheil eines Geyers. Aus der Koller'-
schen Sammlung.
508 D^6 modernea Broncen.
d. Fragmente von Figuren.
2496 — 2499. Vier Abgüsse von schönen weib-
lichen Füssen. L. S»/^ bis 4V4".
2500. Broncirter Gypsabguss einer im Jahr 1811
in Wopemow bei Schiefelbein gefundenen Statuette von Bronce
die sich gegenwärtig im Besitz des Geh. Regierungsrathes
V. Minutoli in Liegnitz befindet. H. 9".
Der Vater des gegenwärtigen Besitzers hat diese Figur
in einer eigenen Schrift^), erläutert; deren Inhalt wir hier
mittheilen. Er vermuthet, dass.die Figur auf der Spitze eines
Feldzeichens angebracht war, wo sie denn, in ihrer lebhaft
vorwärts stürmenden Haltung und zumal wenn man für die
Hände, die etwas gehalten haben, Waffen oder Feldzeichen
voraussetzt, sehr zum Kampf ermunternd gewirkt haben würde.
Dargestellt aber sei ein kaiserlicher Knabe, dem man dadurch
eine Ehre habe erweisen wollen, vermuthlich Nero.
Die letzte Vermuthung lassen wir auf sich beruhen, aber
die Annahme, dass die Figur ein Feldzeichen gekrönt habe,
scheint uns sehr glücklich, weil sie den ganzen Habitus der
Figur erklärt. Nur über die Art, wie die Figur befestigt
war, irrt der Verfasser, indem er glaubt, dass ein zwischen
den Beinen befindliches Loch, das zum Herausziehen des
Kerns gedient hat, später auch zur Befestigung benutzt sei.
Aber wir fürchten, es hätte etwas komisch ausgesehen, wenn
die Beine frei in der Luft schwebten. Nur unter dem linken
Fuss konnte die Statuette befestigt sein, wenn sie ihren vollen
Effect ausüben sollte und dass es in der That so war, lässt
sich durch eine noch etwas besser erhaltene, genau überein-
stimmende Replik beweisen, die sich früher im Museo
Carpegna befand und von Buonarotti Medaglioni p. 234
publicirt ist. Diese Figur steht mit dem linken Fuss auf
einer kleinen Kugel, an welche sich unten eine kleine Hohl-
kehle anschliesst. Vermuthlich ist dies das Bekrönüngs-
ornament einer Stange oder dergl. An der Minutoli'schen
Bronce ist auf der Sohle des linken Fusses ein „frischer
wohl erst beim Herausgraben der Figur entstandener Bruch"
bemerkt, welcher vollends dieselbe Art der Befestigung für
sie voraussetzen lässt.
^) Notiz über eine im Jahr 1811 zu Wopemow bei Schiefelbeia
aufgefundene kleine Erzbildsäule von Heinrich C. von Minutoli 1835.
Die Inschriften. 5Q9
Die Inschriften.
Inschriften, welche nicht mit Gegenständen der Kunst
oder Industrie im Zusammenhang stehen, gehören eigentlich
nicht in's Museum, sondern in die Bibliothek. Schon aus
diesem Grunde müssen wir auf eine Publication oder gar
nähere Erörterung derselben verzichten, es wäre das aber
auch nicht unseres Amtes. Die folgende Aufzählung be-
ansprucht daher nur den Werth eines Inventars, wir wollen
übrigens dabei bemerken, dass die Inschriften vor nicht langer
Zeit von einem Sachkundigen von Neuem abgeschrieben sind
und daher den Fachleuten besser als wir es vermöchten zu-
gänglich gemacht werden, oder schon gemacht sind.
2501. Eherne Tafel mit Giebelfeld, deren Inschrift
sich auf ein Btinduiss zwischen Familien Astruriens bezieht.
H. 12". Br. TVs''- Aus dem Besitz Bellori's. X. 1.
Abg. bei Beger Thes. III, 411.
2502. Tessera paganica, von einer weiblichen ver-
schleierten Büste bekrönt, die wohl eine Juno vorstellen soll.
H. 58/«'^ Br. 5". Ebendaher. X. 2.
Abg. bei ßeger III, 412.
2503. Bruchstück einer grösseren Tafel, nur mit
den Anfangsbuchstaben beschrieben. H. ll^j^'. Aus der
Samml. Minutoli. X. 3.
2504. Runde Platte, mit einem Stift an der hinteren
Seite zum Einschlagen. Der Anfang der Inschrift ist Claudi
Optati etc. Aus der alt. Samml. X. 6. Durchm. 272"-
2505. Fragment einer Inschrift, die sich auf Feier-
lichkeiten im Circus bezieht. 10 Zeilen. H. 6%". Obere
Breite ß^lJ',
2r)06. Fragmentirter Broncestreifen, mit drei Zeilen
einer Inschrift in altlateinischen Charakteren. Von Dr. Fried-
länder 1846 in Rom angekauft. L. 3". Br. 11/2''. 2883.
2507. Ein Stück Silberblech, mit einer Inschrift von
fünf Zeilen, fragmentirt. Aus der Böcking'schen Sammlung.
703. Breite 3»//'.
510 I^ic Inschriften.
2508. Kleines Fragment einer griechischen In-
schrift von fünf Zeilen, in deren einer das Wort APFYPIO
lesbar ist. Aus dem Nachlass des Prof. Ross 1860 erworben.
3424. H. 1^1 J'.
2509. Gnostische Inschrift auf schwarzem Stein,
mit vier Reihen Buchstaben und zwei Reihen Zeichen oder
Figuren. H. 2^U". Br, 28/4".
2510. Broncestreifen mit zwei Reihen Inschrift, die
als etruscisch bezeichnet wird, zur Seite ist ein Kopf ein-
gravirt. In Constantinopel 1858 erworben. 3227. L. b^l^'-
Br. iVs^
Vgl. Otto Frick im Archacol. Anz. 1857. p. 104.
2511. Viereckige Platte mit einer marsischen
Inschrift, mit einem Henkel zum Anhängen. In der Nähe
von Rapino gefunden und durch Dr. Friedländer 1846 ge-
kauft. H. 58/4''. Br. 53/4". 2888.
Vgl. Mommsen in Annali 1846 zu Tav. B, C.
■k
Alphabetisches Register.
Die Zahlen bezeichnen nicht die Seiten, sondern die Nummern
des Buches.
Achelous, Büste 1558 k- 5.
Achelous, etruscische Maske 1310.
1311.
Achelous, etruscischer Spiegel 132.
Achelous (?), Geräthfuss 1518.
Achelous , Geräthhenkel 1388.
1388 a-
Achelous, Stiermaske 1558 »• i-
Achill und Penthesilea, etruscischer
Spiegel 30.
Adler 2305— 2309 »•
Adler, Griff einer Lampe 733.
Adler, Verzierung einer Lampe
2447. 2453.
Adonis und Venus, etruscischer
Spiegel 52. 53.
Adoranten , griechische Broncen
2114—2119.
Adoranten, etruscische Broncen
2119a- 2119^.
Aesculap, Broncefigur 1846. 1846 *•
1846^. 1973.
Aesculap, römisches Arzneikäst-
chen 1222.
Affe, auf einem Thymiaterion 689.
Affe, etruscisch 2323.
Affenköpfe, Henkel von Gefässen
1404. 1408.
Ajax mit der Leiche des Achill,
etruscischer Henkel 1442.
Amazonenschild, Geräthfuss 1523 a-
1658.
Amazonenschild, Verzierung 1552c8.
Amor , ballspielend, etruscischer
Spiegel 54. *
Amor, Broncefigur 1940 — 1957 a.
Amor, Büste 1558 e. 5.
Amor, Henkel eines Kruges 1629.
Amor, Candelaber 715 d«
Amor mit Bacchus, griechischer
Spiegel 3.
Amor mit Doppelflöte, Broncefigur
1844.
Amor mit Flügelfigur, etruscischer
Spiegel 57.
Amor mit Flügelross, etruscischer
Spiegel 55.
Amor mit Psyche, Spiegel 2464.
Amor mit Schwan, Spiegelgriff IIa.
Amor mit Seepferd, etruscischer
Spiegel 56.
Amor mit Venus, auf einem Bronce-
medaillon 476 d.
Amor, Ring 454.
Amor, Verzierung einer Lampe
2451. 2451a.
Amykos und Pollux, auf einer
Cista 541.
Anker, auf einem Ring 450.
Antaeus und Herkules, etruscischer
Spiegel 29.
Apollo, bekränzt. Broncefigur 1829.
1830.
Apollo, Bleifigur 1332 c.
512
Alphabetisches Register.
i
Apollo, Broncefigur 1823 »•
Apollo (?) Broncefigur 1831.
Apollo mit Artemis, etruscischer
Spiegel 22.
Apollo mit einem Lamm, Bronce-
figur 1823,
Ariadne, Maske (?) 1558 »• 8.
Ariadne mit Bacchus, etruscischer
Spiegel 23.
Arm, eine Taube haltend 2274.
Arm, männlicher 2275.
Arm, weiblicher 2272.
Artemis, Büste 1558i- 1-
Artemis mit Apollo, etruscischer
Spiegel 22.
Astarte mit dem Stern, etruscischer
Spiegel 33.
Atalante, auf einer Cista 542.
Athletische Darstellungen , auf
einem Diskus 1273.
Atlas, Geräthfuss 1517».
Atropos, etruscischer Spiegel 146.
Atiis, Broncefigur 2005 »>— 2008.
Attis, Büste (?) 1558i. 5.
Attis, Büste, auf einem römischen
Gewicht 925.
Augen, Weihgeschenk 1331.
Bacchantin , Broncefigur 1969.
1969».
Bacchantin, Büste 1558e.i0— i558f.2.
Bacchantin, etruscischer Spiegel 61.
Bacchantin mit Fan, griechischer
Spiegel 2.
Bacchantin mit Schlange, etrus-
cischer Spiegel 24.
Bacchantin mit Silenen, etrus-
cischer Spiegel 25. 63.
Bacchantinnen, etruscischer Spiegel
62. 64. 65.
Bacchantinnen, griechische Spie-
gel 4.
Bacchantinnen mit Satyr, etrus-
cischer Spiegel 60. 67. 68.
Bacchischer Zug , Bronceplatte
2485.
Bacchische Maske 1558 c- 7.
Bacchische Scene , etruscischer
Spiegel 21.
Bacchus, Broncefigur 1958—1962»-
Bacchus, Büste 1558 e. 6. 7.
Bacchus, Büste von modemer Nach-
ahmung 2472.
Bacchus (?), Henkel 1413.
BacchuskopL etrusdsch. Spiegel 58.
Bacchusköpfe, Lampe 716.
Bacchusmasken 1558»- "- ®-
Bacchusmasken von Bronce 1834.
1839.
Bacchusmaske, Weinkrug 679.
Bacchus mit Amor, griechischer
Spiegel 3.
Bacchus mit Ariadne, etruscischer
Spiegel 23.
Badende Frau, etruscisches Spie-
gelrelief 12.
Bär 2325.
Barbarischer Kopf, Broncefigur
2147. 2148.
Barbarischer Kopf, Deckel einer
Kapsel 1775—1777.
Barbarisches Idol mit ^anuskopf
2008»»-
Baumstamm, Candelaber 712.
Bes, ägyptischer Gott 2008»-
Blume, Geräthspitze 1557^- c.
Blumenkelch, Henkel 1420.
Blumenknospen, Henkel 1444.
Bockskopf, Attache 1472 >• ^' i-
Bonus Eventus, Broncefigur 2009.
2010.
Büste, behelmte 1552^ 3.
Capitell einer korinthischen Säule
1557 f-
Centaur 2296. 2297.
Centaur, mit Jolaos und Herkules.
Auf einem Helm 1011.
Centauren mit Löwen kämpfend
1575d.
Cerberus 2303. 2304. 2493.
Ceres, Broncefigur 1873.
Chimäre, etruscisches Relief 2173.
Christliche Symbole, auf Lampen
753—758»-
Christliche Symbole, auf Ringen
450. 476c.
Circusdarstellungen, auf einem Be-
schlag 1558»»»»-
Cnltussymbole , auf einer Votiv-
hand 1333.
Cybele mit Attis 2005 1-
Alphabetisches Register.
515
Dame, römische. Broncefigur 2131.
Delphin 1552^- 2. 3. 2409—2412.
Delphin, Deckel einer Cista 543.
Delphin, Gefässbasis 1533 1- c
Delphin, G-riff einer Pfanne 1477 »•
Delphin, Nadel 17658-
Diana, Broncefigur 1890—1895.
Diana, moderner Abguss 2468 &•
Dioskuren , etruscischer Spiegel
86-104. 107—120.
Dioskuren (?), etruscischer Spiegel
150.
Dioskuren , griechische Bronce-
figuren 2079—2081.
Doppelkopf, auf römischem Ge-
wicht 923^-
Doppelkopf, weiblicher, auf römi-
schem Gewicht 923.
Dreigespann, auf einer Cista 542.
Dreizack, Gefässbasis 1533^-
Eber 2326—2328. 2488.
Eberkopf, Dolchgriff 1487.
Eberkopf, Trinkhom 2422.
Eichel, römisches Gewicht 931.
Eichelkopf, Henkel 1461.
Eidechse 2406.
Elektra mit Orest, etruscischer
Spiegel 149.
Elephant 2488 »•
Elephantenrüssel, Lampe 750.
Embleme von (Jöttem, auf Blei-
niarken 1809»-
Ente 2317 a-
Eutc, Jjampe 752.
Ente, Weinkanne 671.
Enten. Verzierung einer Fibel 259.
Enteuköpfe, Weinkanne 672.
Eos mit Kephalos, etruscischer
Spiegel 15. 27. 71.
Eos mit Mcmnon, etruscischer
Spiegel 28.
Eos mit Tithonos, etruscischer
Spiegel 70.
Eselskopf, Dolchgriff 1488—1489.
Eule, auf einem attischen Richter-
täfelchen 1272».
Eule, Geräthfuss 1510.
Eule, sitzend 2312—2313»-
Faustkärapfer, etruscische Bronce-
figur 2186.
Faustkämpfer, griechische Bronce-
figur 2125.
Festung, Kohlenbecken 2436.
Figur, nackte, etruscische Bronce
2259.
Figur mit Panzer und Helm, etru8>
cische Bronce 2259»-
Figuren, verstümmelte, etruscische
Bronce 2262^- c-
Finger, vier 2280.
Fingerglieder, Griff 1476 *•
Fisch, auf einem Halsschmuck
394.
Fische und Pflanzen, etruscischer
Spiegel 163.
Fischer, griechische Bronce 2128,
Flamingo 2311.
Flötenspieler, etruscischer Spiegel
19.
Flügelfigur, etruscische Bronce
2153.
Flügelfigur, etruscischer Spiegel 14.
Flussgott, Broncebüste 2023 >>•
Fortuna, Bronce 1974—1978.
Fortuna als Isis-Fortuna 1979—
1987.
Fortuna, pantheistisch 1988—1989.
Frau, beifl-äuzte, griechische Bronce
2113.
Frau,bekleidete,griechische Bronce
2132.
Frau, geflügelte, Geräthfuss 1508.
Frau, geflügelte, Henkel 1439 »>•
Frau mit drei Jünglingen, etrus-
cischer Spiegel 153.
Frau, nackte, Amulet 1339^-
Frau, nackte, Bleifigur 1800.
Frau, nackte, Henkel 1411. 1441.
1649.
Frau, nackte, Candelaber 7151-
Frau, verhüllte, etruscischer Spie-
gel 157.
Frauenbüste, Bleifigur 1804.
Frauenbüste, Bronce 1828.
Frauenbüste, Geräthfuss 1509 ^•
1514. 1515. 1558 f 5.
Frauenbüste, Henkel 1631.
Frauenfigur, etruscische Bronce
2160. 2161. 2168. 2169. 2172*-
2181—2185.22596. 2263-22661^.
Frauenfigur, griechische Bronce
1828».
Friedericlis, Berlin^s Antike Bildwerke. II.
33
614
Alphabeiisches Register.'
FraueDfigur, röini8cheBronce221E.
2214. 2219—2221. 223J- 2232.
2237.
Franenfigur, Haarnadel 249»-
Frauenfigur mit Fischjchwänzen,
etmaciacher Candelaber 715»-
Franenfigur, Thymiaterion 693^"
Fraoenltopf 1562. 1563. 156a
Frauenkopf, etrueciache Bronce-
sUtue 2154.
Frauenkopf, Haarnadel 1766''-
Franenscene, etrusciBcher Spiegel
156.
Frosch 2404. 2413»- 2490.
Frosch, auf einem Ringe 444.
Frösche, Amulel 1339^.
FuBB 2281. 2282. 2496-2499.
FasB, Weihgeschenk 1332.
GftnB 2317.
Ganymed,Broncefigurl870. 1870»-
GeniuB, BroDcefigur 2021—2023'' ,
Oenre, auf etruEcischea Spiegeln'
32. 34.
Oeschlechtsglied, männliches 2!
I Hand mit Gewand 2279.
Hand mit Kruß 3286'^
Hand mit Schild 2S85>-
I Hand mit Schlange 2276.
Hand mit Trinkhorn 2277.
Hand, weibliche 2273.
Harpokratee, Ämnlet 1339"-
Harpokrates, Broncefigur 1997 —
2005.
Harpjie, Henkel 1409.
Hase 2398. 2398"-
Helena, auf einer Cista 642.
Helena, geschmUckt, etnisdecher
Spiegel 121.
Helena mit den Dioskuren, etrns-
ciBcher Spiegel 117—120.
Helios, Broncefigur 1990*-
Helmbnsch 2285.
Gnostische Embleme, auf einen
Siegel 579 !>■
Gorgoneion, auf einem athenischen
Ricktertäfelchen 1272»-
Göttini?), etruscischeBronce 2161 ^
2180.
Göttin , geflügelte , etrusciscber
Sinegel 72-85.
Göttinnen, etruscischer Spiegel
155.
Grazien, auf einem Broncemedail- 1
Ion 476 'ä-
Greif, Lampe 719. '
Greife 2298—2301. 2329»- 2330. i
Greife, auf einem Helm 1022.
Greifenkopf, Attache 1472t>. a I
Greifenkopf, etruacischer Henkel i
1442". »1. I
Greifenkopf, Verzierung I5B2'- ^ I
Hadrian, Büste 2484°-
Hahn 2315. 2316. 2321. 2322. '
2496 1"-
Hand mit Diskus 2276. I
„ I 133.
Herkules , bärtiger, Broncefigur
1848. 1848»- 2068—2070^ 2480.
.Herkules, Büste 1658*'- *■
j Herkules (?) Cistenfuss 547bi'.
I Herkules , farnesiacher (Copie).
Bronce 1848 b-
I Herkulesägurchen , etruadache
' Brcnce 2163.
: Herkulesfragmeute , griechiache
Bronce 2076. 2078*'
Herkules, Gewichtstempel 914.
Herkules, Gürtel 1043—1045.
Herkules, jugendlich, griechische
Bronce 2071—2076»-
Herkules, Kind, griechische Bronce
Herkuleskeule 2078 <>■
Herkules mit andern Figuren, etr.
Spiegel 139-132.
Herlmles mit Antaeua, etruaüacher
Hesperiden 2061-2067»-
Herkules mit Jolaos, auf einer
Cista 546. 547.
Herkules mit Jolaos. auf einem
Helm 1011.
Herkules mit Keule und Bogen
687. 2024—2060.
Alphabetisches Register.
515
Herkules mit dem Löwen, etrus-
cische Bronce 2162.
Herkules mit dem Löwen, Messer-
griff 1484.
Herkules mit Minerva, etruscischer
Spiegel 136-138.
Herkules mit der Sclilange, Bronce
1849.
Herkules mit der Syrinx, Lampe
2457.
Herkules mit Victoria, etruscischer
Spiegel 139.
Herkules, trunken, etruscischer
Spiegel 128 a.
Hermaphrodit, Copie 2468.
Herme als Anhängsel 403 1^-
Herme, ithyphallisclie, Gefässlien-
kel 164?;
Herme, männliche 2238.
Herme mit Jilnglingskopf 224:0.
2241.
Hermes mit Cybele und Attis
2005 fe.
Hermes mit Paris, etruscischer
Spiegel 122.
Heros, Broncefigur 1850. 1851.
Heuschrecke, Amulet 1339 *•
Hippokamp, etruscischer Spiegel
166.
Hirsch, Bleikästchen 1792 *•
Hirsch, Ring 452.
Hirsch, Trinkliorn 2421.
Ilirschkopf, Füllhorn 1327 1>-
Hirtenknabe, Geräthfuss 151 7 <^-
Huhn 2314. 2316»-
Hund 1017 a. 1483. 2845—2359.
Huiidekopf, (triff 1482 »• 1488 1»-
llundekopf, Trinkhorn 2425.
Hundekopf, Verzierung 1552^-3. *•
Hundsköpfige Figur, etruscische
Bronce 2259 1»-
Jason (V), auf einer Cista 541.
Imperator, römische Bronce 2129 a.
Jolaos und Herkules (?), auf einer
Cista 546. 547.
Jolaos und Herkules, auf einem
Helm 1011.
Iphigenie, mit Orest und Pylades,
etruscischer Spiegel 147.
Isis, Bronce 2(X)5a-aaa.
Isis, Bilste 1558^- »•
Isis-Fortuna, Bronce 1979—1987.
Jüngling, auf einem Dreifuss
stehend 2243 a.
Jüngling, bekleidet, etruscische
Bronce 2249. 2255 1- 2258 a.
Jüngling mit Himation bekleidet,
griechische Bronce 2130.
Jüngling mit Himation bekleidet,
Candelaber 715 k.
Jüngling mit Mäntelchen beklei-
det, etruscischer Candelaber 698.
Jüngling mit Schurz bekleidet,
etruscische Bronce 2251.
Jüngling mit Stab und Apfel.
Schöpflöffel 634.
Jüngling, nackter, Cista 5i5.
Jüngling, nackter, etruscischer
Candelaber 703—704. 715 f- ^'
Jüngling, nackter, etruscische
Bronce2158. 2165—2167.2187—
2195. 2244—2248. 2250. 2253.
2255 a. 2256. 2257.
Jüngling, nackter, römische Bronce
2228. 2229. 2233-2235.
Jüngling, nackter. Griff einer
Pfanne 1478. 1479. 1490o. a.
Jüngling, nackter, Henkel 602. 638.
Jüngling, nackter mit Hut, Schei-
benverzierung 1552 a. 4.
Jünglingsbüste 1558 f- 8. 2239.
2242.
Jünglingsgesicht, Bronce 2243.
Jünglingskopf, Bronce 2240.
Jüngling, sich im Speerwurf übond,
Bronce 1826.
Jüngling, sich salbend (?), Bronce
1852.
Jünglinge, ringend, Cista 544.
Jupiter als Liebhaber, etruscischer
Spiegel 37.
Jupiter Ammon, Broncefigur 1867.
Jupiter Ammon, Maske 1558 c- '^
Jupiter, Attache 1472 »«•
Jupiter, Bronce 1853— 1866 a-
Jupiter, Büste 1558 c- lO-
Jupitermaske 1558 «• 8.
Jupiter Serapis, Broncefigur 1863—
1869.
Kabiren, etruscischer Spiegel 105.
106.
Kaiser (?), Portrait 2152.
33*
516
Alphabetisches Register.
KalydonischeEberjagd,etrasciscber
Spiegel 145.
Kaninchen 2397.
Kapanens (?), Bronce 1850.
Karyatide, auf einem Thymiaterion
686.
Katze, etmscischer Henkel 1490 »•
Katzenkopf, Attache 1472 »>• 5-
Kephalos und Eos, etruscischer
Spiegel 15. 27. 71.
Kindnrbüste 1558 g- 3.
Kinderfigur, geflügelt mit Vogel,
Geräthfuss 1509.
Kinderkopf, auf einer kreisrunden
Scheibe 1558n.
Kinderkopf, Lampe 747.
Kindermaske, Henkel einer Wein-
kanne 670.
Kinnbartj ägyptischer 2284.
Kitharspielerin, etruscischer Spie-
gel 20.
Klytämnestra und Orest, etrus-
cischer Spiegel 31. 148.
Knabe, auf einem Delphin reitend,
Lampe 740.
Knabe, auf einer Maske stehend,
Lampe 738.
Knabe, kniender, Bronce 1825.
Knabe mit Hund, etruscischer
Spiegel 158.
Knabe mit Querflöte 2139.
Knabe mit phrygischer Mütze 2227.
Knabe mit Strigel, Bleifigur 1801.
1802.
Knabe, nackt, Bronce2217— 2218»-
2134—2138. 2140— 2140a- 2222.
2226.
Knabe, nackt und geflügelt. Cisten-
fuss 547»-
Knabenbüste 1558?. 4. 1558 h. 5. 6.
Knabenfigur mit Phallus, Henkel
1442 c.
Knabenfiguren, Amulet 1339 f- s-
Knabenkopf 1558 1»- i-
Knabenkopf in Relief, Gefässbasis
1533».
Knabenkopf, mohrenartig 1564.
1565.
Knabenkopf , römisches Gewicht
928.
Knabenmaske 1558^- 4.
Komische Figuren 2126—2127.
Kopf, Ausguss 1538^-
Kopf, bärtiger 1803.
Kopf einer Frau 161. 1221 i- 1472»-i-
Kopf eines Jünglings 1472»- 2.
2270.
Kopf eines Kindes 2268. 2271.
Kopf eines Kriegers 2267.
Kopf, jugendlicher 1552 c. 1-4.
Kopf, männlicher 160. 1804»- 2269.
Kopf mit Ente darauf sitzend,
Attache 1472«-
Kopf mit Kopfflügeln, Attache
14721»-
Kopf mit phrygischer Mütze, etrus-
cischer Spiegel 162.
Kopf, von Schlangen umringelt,
Henkel 597.
Krieger, Deckel eines Gerathes
1490 mm.
Krieger, etruscischer Candelaber
699.
Krieger, etruscische Bronce 2196—
! 2207.
I Krieger, römische Bronce 2129.
! 2230.
' Krieger, gehamischt, etruscischer
i Spiegel 167.
Krieger mit dem Oelkranz. Auf
i einem römischen Gewicht 926.
I Krieger, nackt, Fuss einer Cista
I 547 t^b-
Krieger, schwer gerüstet, etrus-
cische Bronce 2164.
; Krüppel, Broncefigur 2142—2143.
■ Kuhfuss, Geräthfuss 1519.
; Kuhfuss, Zirkel 1208 b.
Laren, Bronce 2011—2020.
Leier, Griff eines Stempels 1221 «-
Liber und Libera, Bronce 1962.
Lictoren, römische Bronce 2128 ••
Liebesscene, etruscischer Candela-
ber 697.
Liebesscene, etruscischer Spiegel
162. 152 a. 159.
Liebesscene zwischen Göttern, etr.
Spiegel 151.
Liegende Figur (Bronce) 2133.
Lotosblumen, Verzierung von Tel-
lern 1610—1613.
Löwe 2334—2343.
Löwe, Dreifuss 767.
AlphBbeliBches Rrglsier,
Uwe, Griff 1656.
LBwe, PfannR bW-
Löwe, Ring 453.
Löwe, Verzierung 1552 1 'O-
Löwe,VerzierungeinerLampe2450.
Löwenkopt Attache 1472''- i-
Löwenkopt AuaguM 1538.
Löwenkop^ Besäüag 1552=- *■ ''■
Läwenkopn Dolchgriff 1490.
Löwenkop^ Henkel 1393. 139a*-
1404. 1406.
IiOwenkopf, Kanne 600.
Löwenkopf, Pfannengriff 1477.
Löwenkopf, Siegel 579='>
Löwenkopf, Weinkanne 665—667.
Löwenkopf von Widdertöpfen um-
geben, etrueciEche Eanne 601.
Luna, BroaceSgur 1990.
Luna, BOste 15581'- lo.
Lustigmacher, etntBcischer Can-
delaber 715'>-
Müiichen, BOste 1568'-<>-^- 15Ö8«-2.
Mä<lrbeu, gefälschte Fignr 2470.
Mädchen, römische Bronce 2215.
Mann, auf einem Pferdekopf sitzend,
Lampe 2459.
Mann, mit Toga bekleidet, römische
Bconce 2S16.
Männliche Büste 1 558'- »' i*)- 1 558E. I .
.MäiinlicheFigur,etruBciEchePfanue
584 ä.
Männliche Figur, etruscische
Bronce 2156. 2157. 2159. 2170.
2252. 2253»— 2255. 2258. 2260—
2262*-
Männliche Figur, römische Bronce
2223—2225.
Männliche Fignr, Griff 1440. 1490i>-S-
Männliche Figur, geflügelt, etruB-
Cische BrOBce 2171. 2172.
Männliche Herme, römischer Styl
2238.
Männlicher Kopf, römisches Qe-
wicht 927.
Mare, Bronce 1924— 1927«-
-Mars, Büste iSöB''-«-»-*- lööet.a-
Mars nnd Venus, etruscischer Can-
(lelaber 696.
3>IarGyas und Minerva, etruscischer
Spiegel 46.
Maeke, Attache 14T2t.w. 7.
Maske, bacchiscb 1558°- '.
Maske, Blei 1822 ■-
Maske, jugendlich 1472'- 1558?'
n. y. 1. .. 2.
Maske, komisch 727. 748. 1436.
1558"- 3-=- •■
Maske, männlich 15Ö8i. 2462—
2484 !>■
Maske mit phiygischer Mütze
U-Ö8».
Maske eines Negers 1558*- 3.
Maske, tragisch 1418. I558'i-5-i!-*-
2479.
Maske > nngewiaser Bedentong
155811-1- 1840.
Maske, weiblich 1472'- 1558»-
Maske auf einem Zirkel 1208^
Maas 2399—2403. 2494.
Meduse, Dreifuss 767.
Meduse, Gerätbluss 151S.
Meduse, Verzierung 1553''- »'i"- 5.
Meduse, Weinsieb 651.
Medusenkopf, Bronce 1832^
' Medusenkopf , moderne Bronce
I 2466 •■
I Medusenköpfe, Helm lOlO.
Medusenköpfe, Lampe 2453.
Medusemnaske 1415, 1434, 1470.
1558i>-K. 1633. 1772"-
' Meleager, auf einer Cista 540.
Meleager und Oeaeus, etruscischer
Spiegel 144.
Melpomene (?), Henkel 1413.
Memnon und Eos, etruscischer
Spiegel 38.
MenelaoB (?) mit Helena und den
Dioskoreo, etruscischer Spiegel
118.
Merkur, Broncefigur 1833. J833«-
1896-1923 "■
Merkur, Kai^el 670.
Merkur mit Flügelhut, etruEciecher
Candelaber 706.
Merkur mit Ferseus, etruscischer
Spiegel 141.
Minerva, auf die Lanze geatQtzt
1790.
Minerva, Bronce 1876—1889.
Minerva, et ruscische Bronce 2176—
2179.
Minerva, Büste 1558^' 2-s.
518
Alphabetisches Register.
Minerva, Büste (gefälschte) 2471.
Minerva (?), geflügelt mit Speer,
etruscisdier Spiegel 50.
Minerva. Kampfgöttin, etruscischer
Spiegel 39—45.
Minerva, Kindespflegerin, etrus-
cischer Spiegel 47.
Minerva mit andern Figuren, etr.
Spiegel 48-49.
Miner\'a mit Herkules, etruscischer
Spiegel 136—138.
Minerva mit Marsyas, etruscischer
Spiegel 46.
Minerva mit Perseus, etruscischer
Spiegel 75.
Minerva mit Venus und den Dios-
kuren , etruscischer Spiegel
107—113.
Minerva's Geburt , etruscischer
Spiegel 38.
Minervenkopf, Broncerclief 1823.
Minerveukopf, griechischer Stem-
pel 1221 w.
Mohrenkopf, Lampe 749.
Mondsichel, Gewichtstj-pus 912.
Mondsichel, Lampe 726. 735.
Mondsichel, Stempel 1221 d.
Mundschenk, griech. Bronce 2122 —
2124.
Muscheln, phallische Amulete 1385.
1385» ^- e.
Musen, Hautrelief 1996.
Musen, Relief auf einem Krug 1628.
Narzissus, Bronce 1847.
Negerkopf, römisches Gewicht 928»-
Neptun, Bronce 2469.
Nero (?), Feldzeichen 2500.
Ochsenkopf, auf einem Gürtel 1056.
Odysseus im Palladienraub, griech.
Spiegel 5.
Oeneus und Meleager, etr. Spiegel
144.
Opfernde, griechische Bronce 2083
—2099.
Orcst mit Elektra, etruscischer Spie-
gel 149.
Orest mit Iphieenic und Pylades
etruscischer Spiegel 147.
Orest mit Klytämnestra, etrus-
cischer Spiegel 31. 148.
Orpheus, griechische Bronce 2882.
Otter 2413.
Pan, Bronce 1967—1968.
Pan, modern 2476.
Pan mit Bacchantin, griechischer
Stempel 2.
Pan mit Syrinx, Henkel 1442 *>'
Panskopf, Dolchgriff 1487.
Pansms^e, Attache 1472 «i-
Panther 2331—2333. 2487.
Panther, Griff 14901-
Panther, Verzierung 1552 ? ^-^■
hl-2.
Pantherkopf, Ausguss 1540.
Pantherkopf; Beil 1208^-
! Pantherkopf, Geräthfuss 1518 »•
Pantherkopf, Henkel 1469.
PanthermasKC, etruscische Grab-
rerzierung 1312.
Paris mit Hermes, etruscischer
Spiegel 122.
Parisbüste (?) 155Si5-
Parisurtheil, Cista 542.
Parisurtheil, etruscischer Spiegel
123-128.
Pegasus, Verzierung 2302.
Pelikan Schnabel (?) ägyptischer
Weihwasserkessel 1324.
Penthesilea und Achill, etruscischer
Spiegel 30.
Perlhuhn 2316i>.
Perseus mit Merkur, Dreifuss 767.
Perseus^ mit Merkur, etruscischer
Spiegel 141.
Perseus mit Minerva, etruscischer
Spiegel 140.
Pferd 2384-2388. 2389-2390»-
2466 !>• 2491. 2492.
Pferd, geflügeltes, etruscischer
Spiegel 164.
Pferd, grasendes, Fibel 360. 368.
368 a.
Pferd, Stempelgriff 1221 vr.
Pferdehuf 2286.
Pferdehuf, Geräthfuss 1498.
Pferdekopf, Lampe 723.
Pferdekopf, Trinkhorn 2423.
Pflanzen und Fische, etruscischer
Spiegel 163.
Phallus, Amulet 1340 -1384. 1664.
1664».
Alphabetisches Register.
519
Phallus, Henkel 1433.
Phrygischer Sonnengott (?), Erz-
relief 2008^.
Pinienzapfen, bei einem Votivarm
1334.
Pinienzapfen, Verzierung 1557 »•
Pollux und Amykos, auf einer Cista
541.
Portraits, römische 2149—2152.
Priapische Figuren 2208—2212.
Priapischer Kopf, Amulet 1385 c-
Priapischer Kopf, Gefäss 2460.
Priapischer Kopf, Henkel 1485.
1486.
Priapus, Broncefigur 1970—1972^-
Priapus mit hohem Kopfputz 2477.
Priesterin, griechische Bronce 2100
2112.
Prometheus mit Herkules, etrus-
cischer Spiegel 134.
Pygmäen, Bronce 2141. 2141 »•
Pylades mit Orest und Iphigenie,
etruscischer Spiegel 147.
Rabe 2310»-
Rchkopf, Gürtel 1026—1029. 1035.
1037. 1038.
Rehkopf, Henkel eines Weinsiebes
661.
Relikopf, Verzierung 1552^2.
Rehkopf, Trinkhorn 2424.
Reiter, Fibel 363. 364.
Reliefverzierungen auf einem
Dolche 1155.
Ringkampf, etruscischer Spiegel
150.
Ringkampf, Verzierung 1552? 4-
Rossebändiger, etruscischer Can-
delaber 705.
Ruder mit Delphin 2285 c-
Satyr, Bronce 1834. 1965— 1965 »•
Satyr, etruscischer Candelaber 701.
Satyr, etruscischer Spiegel 59.
Satyr, Henkel 1437. 1438.
Satyr mit Bacchantinnen, etrus-
cischer Spiegel 66—68.
Satyr mit Doppelflöte 2473.
Satyr mit einer Traube 1837.
Satyrbüstc 1558« »•
Satyrbüste, Geräthfuss 1517.
Satyrmaske 1417. 15521- 1558^2. g6
1838. 2445.
Satyrscenen, Amphora 674»-
Sau 2392.
Schafbock 2378.
Schakal 2344.
Schauspieler, komischer, grie-
chische Broncefigur 2126.
Schienbein, Stempel 12211»-
Schildkröte 910. 911. 1339°. 2405—
2495.
Schlange l490Wi- 1601. 2407.
Schlange und Storch, etruscischer
Spiegel 163»-
Schlangen, Henkel 598. 1401. 1402.
Schlangen, Ringe 445. ^46.
Schlangenkopf 2408.
Schlangenkopf,etruscischerFleisch-
haken 1678. 1681.
Schlangenkopf, Fragment 1552« 2.
Schlangenkopf, Ringgewinde 1754^-
Schwalbenschwanz, bleierner Dübel
1208 g-
Schwan, Verzierung 1552? 2.
Schwanenhals, Verzierung 2317i>-
Schwanenköpie, Griif 1473.
Schwanenköpfe, Henkel 1443. 1447.
1448.
Schwanenköpfe, Schöpflöffel 636.
637. 639—642. 644-647. 648<5-
Schwanenköpfe, Weinsieb 651 —
654. 657—659.
Schwein, Gewicht 2486.
Scylla, Relief 1552^6.
Seecentauren und Tritone, Wein-
krug 677»-
Seepanther 2489.
Seepferd 2391.
Seepferd, Ring 455.
Selene, Broncefigur 1845.
Selene (?), Henkel 1472«-
Semelespiegel, etruscisch 36.
Serapis, Ring 458. •
Sieger mit Palmzweig, Verzierung
1552 g 4.
Silen am Brunnen, etruscischer
Spiegel 69.
Silen, Broncefigur 1963. 1964. 1966.
Silen ein Gefäss bildend 2474.
Silen, etruscischer Candelaber715ö-
Silen, in die Feme schauend,
Bronce 1824.
520
Alphabetisches Register.
Silen mit Bacchantin, etruscischer
Spiegel 63.
Silen mit Pferdehufen, etruscischer
Candelaber 715^-
Silen, nackt 2475.
Silen, Verzierung 1552^- *•
Silensbüste 1558«- ».
Silensbüste, Attache 1472p«.
Silenskopf 1558 g. 7-9.
Siienskopf, Geräthfuss 1498 »•
1490P- «.
Silenskopf, Hautrelief 1836.
Silenskopf, Henkel 1472 d.
Silensköpfe, Henkel 1389.
Silensköpfe, Weinkrug 674 1-
Silensmaske 1558»- lO- ^- 13-
Silensmaske, Attache 1472 <>• ß-
Silensmaske, Eimerhenkel 1448.
Silensmaske, etruscische Spiegel 26.
Silensmaske, Grefässausguss 1537.
Silensmaske, Weinkrug 678
Silene, etruscischer Helm 1017.
Silene, etruscischer Spiegel 60.
Silene, Thymiaterion 688.
Silene, liegende, Randverzierung
1490 P- 9.
Sirene 2287. 2288.
Sirene, doppelleibige , Fuss einer
Cista 547b.
Sirene, etruscischer Spiegel 16.'
Sirene, Henkel 663. 668. 1409.
1429. 1435.
Skiron mit der Schildkröte, Henkel
1439. 1439».
Sphinx 2289—2295.
Sphinxe, Attache 1505.
Sphinxe, einen Dreifuss stützend
2437.
Sphinxe, Gewichtstypus 913.
Sphinxe, Relief auf einem Henkel
1423.
Sphinxe, Schöpflöffel 634. 635.
Sphiuxartige Figur, Bronceplatte
1552 h. *•
Stamm, Kandelaber 2438—2440.
Stern, Bleischeibe 1552 »• 8-
Stier 23Ö0— 2377. 2495 »•
Stier, Broncefigur 1822.
Stierkopfy Bogenspanner 1664»-
Stierkopf, Lampe 732».
Stierkopf, Verzierung 1552^- lO.
Stiermaske 1558a.i-
Stiersch&del, Amulet 1337—1339.
Storch und Schlange, etruscischer
Spiegel 163».
Tänzer, griechische Bronce 2120—
2121.
Tänzer mit Castagnetten , Schöpf
löffel 635.
Tänzer^ Thymiaterion 693. 694.
Tänzermnen, etruscischer Spiegel
17—19.
Tänzerinnen, Thymiaterion 692.
693»*
Taube 2318—2320»-
Tauben, Fibeln 366—367.
Tauben, Thymiaterion 691.
Telephus, etruscischer Spiegel 35.
Thiere, unbestimmbare 2^8»-«-
2403»- b.
Thierfigur auf einem langen Stift
17790.
Thierfiguren, vom Deckel einer
Cista 547 c
Thiergruppen, etruscische Reliefs
2174—2175.
Tiberius (?), Portrait 2149.
Tiger 2329.
Tigerkopf; Henkel 1410.
Tigerköpfe, Brunnenausguss 1534.
Tigerköpfe, Verzierung 1552 e- lo.
Tithonos und Eos, etruscischer
Spiegel 70.
Tritönen und Seecentauren, Wein-
krug 677 a.
Tritonin 1490o-
Tyro und ihre Söhne, etruscischer
Spiegel 142-143.
Uranusschlange, einen Greifen an-
greifend 2298. 2299.
üranusschlange, etruscischer Ge-
fässgriff 1442»».
Venus, Bleifigur 1797.
Venus, etruscischer Candelaber 707.
Venus, etruscische Bronce 2155.
Venus, griechische Bronce 1928.
Venus, ihr Haar trocknend, Bronce
1842.
Venus mit Amor, Broncemedaillon
476 d.
Alphabetisches Register.
621
Yenus mit Adonis, etruscischer
Spiegel 52. 63.
Venus mit bittender Geberde,
Bronce 1842^- c.
Venus mitdem Apfel, Bronce 1842 »•
Venus mit derSandale, Broncel843.
Venus (?) mit Helena und den
Dioskuren, etruscischer Spiegel
117.
Venus^ mit Mars, etruscischer Can-
delaber 696.
Venus, sich die Sandale lösend,
Bronce 1841.
Venus (?), Spiegelstütze, etruscisch
13.
Venus, Spiegelstütze, griechisch
9—11.^
Venuskopf 1562 a.
Venuskopf, griechischer Spiegel 1.
Venuskopf (?), römisches Gewicht
923»-
Victoria, Abguss 2467.
Victoria, Bleifigur 1798—1799.
Victoria, Broncefigur 1991—1995.
Victoria (?), Gerathfuss 1517^-
Victoria, Kapsel 569.
Victoria mit Herkules, etruscischer
Spiegel 139.
Victoria mit Tigergespann, Wein-
krug 677.
Vogel 2322 Ä- ^•
Vogel auf einem Ring 451.
Vogel, dreiköpfiger, auf einem Ring
463 a-
Vogel, Verzierung 1552 ?• 8.
Vogelklaue, Gerathfuss 1522.
Vulkan, Broncefigur 1874.
Waffen, auf eiijem Köcher 1330.
Wagenlenker, Bleimarke 1809 »•
Wagenlenker, Ring 464 »•
Wagenlenker, römischer 1792 d.
Widder 2379—2383.
Widder, Henkel 1406.
Widderkopf, Attache 1472 1- -*•
Widderkopf, Ausguss 1538 c.
Widderkopf, Gewicht 929.
Widderkopf, Griff 1475. 1482.
Widderkopf, Gürtel 1041. 1042.
Widderkopf, Verzierung 1552 «• 8. 9,
Wolfskopf, römisches Gewicht 930.
Zebustier 2377 »•
Ziege 2393—2396.
Ziegenböcke, auf Gürteln 1041.
1042.
Zweig, Stempelring 1221c.
Zwerg 2141, 2144—2146.
Knabe*), betender, pag. 377.
Knabe von Xanten, pag. 379.
Minervenkopf, Broncefigur, pag.
380.
Victoria, vergoldete Broncefigur,
pag. 379.
*) Die folgenden Figuren konnten, da sie einer andern Abtheilnng des Mosenms
angehören, nicht nnmerirt werden; sie sind nach der Seitenzahl angeführt.
Drack von Bär & Uormann in Leipzig
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