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Full text of "Berlins antike bildwerke"

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i 


v'Jt' 


Berlins  antike  Bildwerke 


i. 


Die  Gypsabgüsse  im  Neuen  Museum 


in  historischer  Folge  erklärt 


Ton 


Br.  C.  Friedeiichs^ 

Professor  an  der  UnWersit&t  und  Directorial-Assistent  am  Mnsenm  in  Berlin. 


'-,      U-*  ■■••|    l'r" 


Düsseldorf. 

Yerlagshandlung  yon  Julius  Buddeus. 

1868. 


Bausteine 


zur 


Geschichte  der  griechisch-römischen  Plastik. 


Gesammelt 


von 


Dr.  C.  Friederichs^ 

Professor  an  der  Universität  and  Directorial-Assistent  am  MTiseiun  in  Berlin. 


Düsseldorf. 

Yerlagshandlung  von  Julius  Buddeus. 

1868. 

I.J2  ■      /•  .      7- 


Vorwort 


Der  Verfasser  des  vorliegenden  Werks  hat  sich  eine 
gleich  im  Titel  ausgesprochene  doppelte  Aufgahe  gestellt^ 
eine  engere  das  hiesige  Maseom  betreffende  und  eine  weitere 
von  Berlin  unabhängige. 

Die  engere  Aufgabe  ist  diese^  fOr  sämmtliche  Antiken 
des  hiesigen  Museums  eine  Keihe  wissenschaftlicher  Hand- 
bücher zu  liefern^  etwa  d^n  Anforderungen  entsprechend^  die 
man  an  einen  eingehenden  Commentar  zu  einem  alten  Schrift- 
steller macht  Es  handelt  sich  also  nicht  um  eine  äusserliche 
Beschreibung  oder  noch  weniger  um  einen  blossen  Index  der 
hiesigen  Antiken^  sondern  um  eine  genaue  und  allseitige  Er- 
klärung. Handbücher^  die  in  diesem  Sinn  geschrieben  wären^ 
sind  zu  keiner  Abtheilung  unserer  Antiken  vorhanden^  der 
Verfasser  ist  aber  überzeugt,  dass  nichts  so  sehr  geeignet  ist, 
das  Studium  der  alten  Kunst,  das  offenbar  am  besten  in  den 
Museen,  vor  den  Dingen  selbst  getrieben  wird,  zu  beleben 
und  fruchtbar  zu  machen,  als  eingehende  Commentare.  Er 
hat  versucht,  seinem  Buch  eine  Form  zu  geben,  durch  welche 
es  auch  für  den  gebildeten  Dilettanten  brauchbar  werden  kann. 

Der  vorliegende  erste  Band,  dem  die  übrigen,  für  welche 
seit  zehn  Jahren  vorgearbeitet  ist,  schnell  folgen  werden, 
umfasst  die  Gypsabgüsse  der  antiken  Bildwerke,  die  sich  im 
Neuen  Museum  befinden.  Eine  kleine  Anzahl  derselben,  näm- 
lich einige  Abgüsse  römischer  Geräthe  aus  Mainz  und  kleiner 
Broncen  aus  Arolsen  glaubte  der  Verfasser  ausschliessen  zu 
dürfen,  weil  sie  ihm  theils  zu  unbedeutend  schienen,  theils  in 
einer  anderen  Abtheilung  dieses  Werks,  in  der  Erklärung 
der  Broncen,  passender  und  eingehender  besprochen  werden 
können.  Als  Ersatz  dafür  hat  er  etwa  dreissig  bedeutendere 
nicht  im  Neuen  Museum  befindliche  Werke  aus  der  Samm- 
lung des  hiesigen  Gewerbeinstituts,  aus  der  Humboldt'schen 
Sammlung  in  Tegel  und  aus  dem  archaeologischen  Apparat  der 
hiesigen  Universität  aufgenommen  und  er  würde  sich  freuen, 
wenn  er  dadurch  diesen  oder  jenen  seiner  Leser  veranlassen 


VI  Vorwort. 

könnte,  die  schöne  und  nicht  kleine  Sammlung  des  Gewerbe- 
instituts, die  nach  der  Erfahrung  des  Verfassers,  der  sich 
fast  immer  allein  dort  befand,  in  grösseren  Kreisen  ganz  un- 
bekannt ist,  öfter  zu  besuchen.  Durch  diese  Werke  be- 
reichert, umfasst  das  Buch  die  bedeutendsten  Sculpturen  des 
Alterthüms  und  die  Absicht  des  Verfassers  ging  dahin,  aus 
der  reichen  Literatur,  die  durch  diese  Werke  hervorgerufen 
ist,  alle  ihm  richtig  oder  wenigstens  wichtig  scheinende  Be- 
merkungen anzuführen  und  mit  dem,  was  er  etwa  selber  vor- 
bringen zu  können  glaubt,  zu  vereinigen.  Die  Reihenfolge 
aber,  in  welcher  die  Abgüsse  des  Neuen  Museums  aufgestellt 
sind,  konnte  nicht  eingehalten  werden,  der  Verfasser  hat  viel- 
mehr versucht,  die  Abgüsse  nach  ihrer  historischen  Folge 
zu  ordnen,  so  dass  sie  ein  Bild  der  kunstgeschichtlichen  Ent- 
wicklung geben.  Es  braucht  kaupi  bemerkt  zu  werden,  dass 
dem  Besucher  des  Neuen  Museums  die  Auffindung  der  zu  den 
einzelnen  Werken  gehörigen  Erklärungen  durch  übersichtliche 
Tabellen  am  Schluss  des  Buchs  und  durch  Anweisungen  unter 
dem  Text  so  leicht  wie  möglich  gemacht  ist.  Auch  werden 
um  mit  dem  stets  wachsenden  Bestand  des  Museums  gleichen 
Schritt  zu  halten,  von  Zeit  zu  Zeit  je  nach  der  Anzahl  der 
neu  hinzukommenden  Werke  Nachträge  zu  diesem  Buch  er- 
scheinen. 

Durch  die  historische  Anordnung  hoflft  der  Verfasser 
auch  der  weiteren  Aufgabe  zu  dienen,  ein  vom  Berliner 
Museum  unabhängiges,  überall  benutzbares  Handbuch  zum 
Studium  der  antiken  Plastik  zu  liefern.  Das  Buch  kann  als 
eine  Bearbeitung  des  wesentlichsten  monumentalen  Materials 
der  alten  Plastik  angesehen  werden,  und  somit  als  Vorarbeit 
zu  einer  Geschichte  der  Plastik,  die  alle  irgendwie  be- 
deutenden Werke  in  eine  historische  Entwickelung  zu  ver- 
arbeiten sucht.  Denn  dies  scheint  mir  die  nächste  Aufgabe 
einer  Kunstgeschichte  zu  sein,  wenn  auch  weder  Winckel- 
mann  noch  irgend  einer  seiner  Nachfolger  sich  diese  Aufgabe 
gestellt  hat.  Der  Verfasser  hofft  daher,  dass  das  Buch  auch 
ausserhalb  Berlins,  sei  es  zum  Studium  kleinerer  Gypssamm- 
lungen,  deren  Inhalt  sich,  von  einzelnen  Ausnahmen  abgesehen^ 
ja  auch  im  Neuen  Museum  befindet,  oder  auch  ohne  Kück- 
sicht  auf  irgend  ein  Museum  zum  Studium  der  antiken  Plastik 
nützlich  befunden  werde. 

Berlin. 

C.  Friederichs. 


InhaitsverzeJchniss. 


I.   Die  Vorzeit  der  griechischen  Plastik     .    .  n.  i. 

U.   Die  altgriechische  Kunst n.  2—55. 

A.  Werke   des   siebenten  und   sechsten   Jahr- 

hunderts        n.  2 — 10. 

B.  Werke   aus   der  ersten  Hälfte   des   fünften 

Jahrhunderts n.  11 — 55, 

a)  Die  attische  Kunst n.  11 — 26. 

b)  Die  lycische  Kunst n.  27—31. 

c)  Die  äginetische  Kunst n.  32 — 49. 

d)  Werke  aus  anderen   griechischen  Kunst- 

schulen    n.  50 — 55. 

* 

m.   Die    archaisirende,    nur    scheinbar    alter- 

thtimliche  Kunst n.  56—79. 

IV.   Die  erste  Hälfte   der  griechischen  Kunst- 

blüthe n.  80—410. 

A.  Die  frei  statuarischen  Werke n.  80 — 105. 

B.  Die  Tempelsculpturen n.  106 — 356. 

C.  Die  Reliefs  von  Grabsteinen,  Weihgeschenken 

und  öffentlichen  Dekreten n.  357—410. 

a)  Grabreliefs n.  357—389. 

b)  Votivreliefs n.  390—406. 

c)  Reliefs  über  öft'entlichen  Dekreten     .     .  n.  407 — 410. 


YIII  Inhaltsverzeichniss. 

V.   Die  zweite  Hälfte  der  griechischen  Kunst- 

bltithe n.  411—570. 

a)  Mythologische  Darstellungen     .     .     .     .  n.  411 — 498. 

b)  Genre  und  historische  Darstellungen      .  n.  499 — 570. 

VI.   Die  Nachbltithe  der  griechischen  Kunst    .  n.  571—697. 

Vn.   Die  griechische  Kunst  unter  Barbaren  .     .  n.  698—714. 

Tni.   Die  griechisch-römische  Kunst n.  715 — 969. 

a)  Mythologische  Darstellungen     .     .     .     .  n.  715 — 794. 

b)  Genre  und  historische  Darstellungen      .  n.  795 — 841. 

c)  Pompejanische  und  herkulanische  Alter- 

thümer n.  842—920. 

d)  Thiere  und  Miscellaneen  ......  n.  921—969. 

IX.   Anhang.    Die  etruscische  Kunst    .    .    .    .  n.  970—987. 


Nachtrag 


zu 


Berlin's  antike  Bildwerke 


von 


Dr.  Carl  Friederichs. 


I«  Band. 


Durch  die  im  königlichen  Museum  zu  Berlin  vor- 
genommene Umstellung  der  Gypsahgüsse  war  der  Gehrauch 
von  Friederichs  Bausteinen  wesentlich  erschwert  worden.  Dem 
soll  durch  nachfolgende  Register  abgeholfen  werden.  Das  erste 
zeigt  an  wo  die  einzelnen  Nummern  des  Friederichs'schen  Buches 
jetzt  im  Museum  zu  suchen  sind  (die  lateinischen  Zahlen  be- 
zeichnen die  Säle,  I  =  früher  Ljcischer  Hof,  11  =  Treppen- 
haus, III  =  Griechischer  Saal,  IV  =  Cabinet  des  Laokoon, 
V  =  Saal  des  Farnesischen  Stieres,  VI  =  Kuppelsaal,  VII  = 
Niobidensaal,  VIII  =  Saal  der  Thiere  und  Bronzen,  IX  = 
Römischer  Saal,  X  =  Römischer  Kuppelsaal),  während  No.  II, 
nach  den  laufenden  Nummern  des  Museums  angeordnet,  das 
Auffinden  in  den  Bausteinen  erbleichtem  soll.  Einzelnes  nacli 
1867  hinzugekommene  findet  sich  bei  Friederichs  nicht.  Daher 
die  mancherlei  Lücken  im  2.  Register.  Dass  auch  im  I.  sich 
welche  finden,  kommt  einestheils  daher,  dass  Friederichs 
Monumente  in  den  Kreis  seiner  Betrachtungen  liineingezogen 
hatte,  die  in  Gypsabgüssen  im  Museum  damals  nicht  vertreten 
waren  und  auch  heute  noch  fehlen,  anderntheils,  dass  eine 
Anzahl  von  Monumenten  bei  der  auf  Prof.  Böttichers  Veran- 
lassung vorgenommenen  Umstellung  aus  dem  Museum  gänzlich 
entfernt  worden  sind,  theils  um  Raum  zu  gewinnen  (so  die 
Abgüsse,  deren  Originale  in  Berlin  sind),  theils  weil  ihre  Echt- 
heit bezweifelt  worden  (so  namentlich  Friederichs  No.  731  und 
839),  theils  aus  anderen  Gründen. 


I.  Register. 


1  -=  I  70. 

2  =  1  92. 

3  =  V  534. 

4  u.  5  =  I  93—94  A. 
6—9  =  1  6G— G9. 

10  =-  I  75. 

11  =  VI  077. 

12  =  V  613. 

13  --  VIII  809. 
14-1  79. 

15—17  ---  I  89—91. 

18  =  I  78. 

19  -=  I  77. 

20  =--  I  7G. 

21  ==  I  84. 

22  =  I  81. 

23  =  VI  68G. 
24—25  =  VII  71G. 
2G  =  VII  729. 
27-30  -=  I  55—58. 
31  -^  I  83. 

32—48  =  111497—513. 

49  =  VIII  1031. 

50  -=  VIII  897. 
51u.52=I54u.54A. 

53  =  V  531. 

54  =  VII  792. 

55  =  VII  767. 

56  =  V  553. 

57  -=  VI  662. 

58  ^-=  Gewerbeinst. 


59  =  IX  1102. 

60  =  VII  773. 

61  =  V  554. 

62  =  IX  IUI. 

63  =  X  1278. 

64  =  I  80. 

65  =  Gewerbeinst. 
66—67  =  X  1285  A. 

68  =  X  1275. 

69  =  X  1284. 

70  =  V  549. 

71  =  V  548. 
72-- V  546  A. 

73  =  V  562. 

74  =  V  547. 

75  =  X  1276. 

76  =  IX  1150. 

77  =  IX  1149. 

78  =  V  551. 

79  ==  I  82. 

SO  =  VII  728. 

81  =  VI  G68. 

82  =  VI  664. 

83— 85= VI  665— 667. 

86  =  VI  674. 
i  87  =  VI  672. 

83  =  VI  671. 
89  =  VII  695. 

,  90  =  V  537. 
;  91  =  VII  727. 
;  92  =  VII  713. 


93  =  V  528. 

94  =  V  533. 

95  =  V  529. 

96  =  VII  719. 

97  =  VII  720. 

98  =--  VI  658. 

99  =  VII  705. 

100  =  IX  1089. 

101  =  Gewerbeinst. 

102  -=  VII  790. 

103  -=  VII  7G3. 
10411.105=11  1349  u. 

1350. 
106^109=1152—156 
110-129  =  1  182  und 

183u.  V  624 
130— 297  =  111  361  bis 

494. 

298  =  1  125. 

299  =  1  95. 

300  =  111  350. 
301-323=1194— 21() 

324—334  --  III 495  — 
496  u.  III  352-360. 

335—355=1184—187 
u.  III  340—347. 

356  —  III  338. 
357=11  217. 
358  =  111  351. 
359=11  218. 
360=111  234. 


VI 


861=111  254. 

362=111  256  u.  257. 
363  =  11  219. 
364=m  223. 
365=111  231  A. 

366  =  II  221. 

367  =  II  222. 

368  =  III  225. 

369  =  III  259 

370  =  III  258. 
871  =  III  255. 

372  --=  III  233. 

373  =  III  227. 

374  =  III  230  A. 

375  =  III  229. 

376  =  III  226. 

377  =  III  250. 

378  =  m  232. 

379  =  m  231. 

380  =  III  228. 

381  =  III  335. 

382  =  III  270. 

383  =  III  269. 

384  =  III  246. 
885  =  III  244. 

386  =  III  261. 

387  =  m  240. 

888  IL  389  =  III  235 
u.  236. 

390  =  III  310 

391  =  VI  684. 

392  =  III  320. 

393  =  m  321. 

394  —  I  111. 

395  =  III  314. 

396  =  m  304. 

397  =  III  301. 

398  ==  III  806. 

399  =  III  300. 

400  =  III  293. 

401  =  III  305. 

402  =  III  302. 

403  =  III  298. 

404  =  III  811. 

405  =  ni  312. 

406  =  III  336. 

407  =  m  303. 

408  =  III  807. 

409  =  III  295. 

410  =  III  294. 

411  =  IV  527. 


412—429  =  VII  736 
bis  750  u.  753. 

430  u.  431  =  VI  691 
u.  690. 

432  =  V  530. 

433  =  VII  699. 

434  =  VII  700. 

435  =  VII  694. 

436  =  X  1233. 

437  -=  IX  1084. 

438  =  IX  1159. 

439  =  IX  1152. 

440  =  IX  1094.  i 

441  =  VI  692. 

442  =  VI  659.  I 

443  =  \i  693. 

444  =  V  657. 

445  =  V  542. 

446  =  V  541. 

447  =  IX  1057. 

448  =  IX  1056.  I 

449  =  IX  1071.  i 

450  u.  451  =  IX  1173 
u.  1172. 

452  =  VII  789. 

453  =  III  329. 

454  =  III  330. 

455  =  111  330  A 

456  =  III 339. 
457—475  =  I   188— 

193  H. 
476=492=  IX   1117! 
bis  1133. 

493  =  VI  669. 

494  =  I  97. 

495  =  VI  685. 

496  =  III  837.  i 

497  =  VIII  855. 

498  =  Berl.  Mus. 

499  =  VII  723. 

500  =  VII  707. 

501  =  VII  721. 

502  =  VII  761. 

503  =  VII  760. 

504  =  VII  775. 

505  =  VII  776. 

506  =  VII  778. 

507—508  =  VU  779 ; 
u.  780.    • 

509  =  VII  777. 

510  =  VII  782. 


511  = 

512  = 

513  = 

514  = 

515  = 
516- 

517  = 

518  = 

519  = 

520  = 

521  = 

522  = 

523  = 

524  = 

525  = 


=  VII  757. 
-  VII  756. 
=  VII  759. 
=  VII  758. 
=  VII  762. 
=  VII  774. 
=  VII  755. 
=  VIII  829. 
=  VII  768. 
=  VII  770. 
=  VII  769, 
=  VII  771. 
=  VII  754. 
=  VII  765. 
--  VII  764. 


-  I    127  — 
-=III  32& 


526—5^7- 

151. 
5t)6  u.  569  : 

u.  327. 

570  =  III  348  u.  349. 

571  =  V  525. 

572-578  =  III  514-  - 
521. 

579  =.  VII  725. 

580  =  Tegel. 

581  =  IX  1053. 

582  =  IX  1058. 

583  =  Gewerbeinst. 

584  =  IX  1065. 

585  =  IX  1075. 

586  =  IX  1079. 

587  =  IX  1074. 

588  =  IX  1069. 

589  =  IX  1073. 
690  =  IX  1068. 

591  ==  Magazin. 

592  =  Gewerbeinst. 

593  =  IX  1080A. 

594  =  IX  1076. 

595  =  IX  1070. 

596  =  IX  1077. 

597  =  IX  1078. 
593  =  IX  1081. 

599  =  VIII  1003. 

600  =  VIII  1001. 

601  =  Gewerbeinst. 

602  =  VIII  1000. 

603  =  VIII  998. 
(K)4  =  IX  1054. 

605  =  VIII  1009. 

606  =  IX  1072. 


VII 


607  =  Gewerbeinst. 

608  =  IX  1055. 

609  =  VIII  800. 

610  =  Gewerbeinst. 

611  =  IX  1064. 

612  =  Berl.  Mus. 

613  =  IX  1178. 

614  =  IX  1063. 

615  =  IX  1082. 

616  =  I  115. 

617  =  IX  1080. 

618  =  VI  679. 

619  =  IX  1106. 

620  =  IX  1167. 

621  =  IX  1095. 

622  =  Gewerbeinst. 

623  =  IX  1 105. 

624  =  Bprl.  Mus. 

625  =  IX  1 100. 

626  =  IX  1104. 

627  =  IX  1101. 

628  =  IX  1116. 

629  =  IX  1114. 

630  =  X  1277. 

631  =  IX  1140. 

632  =  IX  1136. 

633  =  IX  1085. 

634  =  IX  1115. 

635  =  VII  733. 

636  u.  637    -  I  123  u- 
124. 

638  =  X  1274. 

639  =  IX  1134. 

640  =  IX  1135. 

641  =  II  1256. 

642  =  X  1254. 

643  =  Gewerbeinst. 

644  =  I  114. 

645  =  IX  1139. 

646  =-  IX  1138. 

647  =  IX  1137. 

648  =  IX  1113. 

649  =  IX  1112. 

650  u.  651  =  IX 1098 
u.  1099. 


652- 

653  = 

654  = 

655  = 

656  = 

657  = 


UI  324. 
IX  1090. 

VIII  1037. 
ni  323. 

IX  1087. 
IX  1088. 


658  =  IX  1093. 

659  =  Berl.  Mus. 

660  =  X  1235. 

661  =  VII  697. 

662  =  VII  698. 

663  =  V  538. 

664  =  V  550. 

665  =  V  552. 

666  =  VII  796. 

667  =  IX  1174. 

668  =  VII  701. 

669  =  IX  1183. 

670  u.  671=  VIII  821 
u.  822. 

672  =  VII  793. 

673  ^  IX  1177. 

674  =-  I  108. 

675  --  VI  681. 

676  =  VI  683. 

677  =  Gewerbeinst. 

678  =  Gewerbeinst. 

679  =  IX  1059. 

680  =  1  118. 

681  =  VII  722. 

682  =  VII  724. 

683  =  X  1234. 

684  =  Gewerbeinst. 

685  =  VII  798. 

686  =  VII  784. 

687  --  VII  783. 

688  =  IX  1169. 

689  -  -  Berl.  Mus. 

690  =-  I  112. 

691  =  Vin  1008. 

692  =  VII  766. 

693  =  VII  704. 

694  =  IX  1176. 

695  =  VII  787. 

696  =  VII  788. 

697  =  VIII  830. 

698—700  =  VIII  941 
u.  943  u.  944. 

701  u.  702  =  VIII  946 
u.  947. 

703  =  VIII  958. 

704  =  VIII  957. 

705  =  VIU  956. 

706  =  VIII  856. 

707  =  VIII  857. 

708  —  VIII  858. 

709  =  VIII  860. 


710  =  VIII  878. 

711  =-  VIU  862. 

712  =  VIII  950. 

713  =  Magazin. 

714  =  VIII  861. 

715  =  Tegel. 
716 --IV  522. 

717  =  IV  523. 

718  =  IV  524. 

719  =  VII  726. 

720  =  VII  717. 

721  =  VII  718. 

722  =  IX  1162. 

723  =  VI  660. 

724  =  V  526. 

725  =  VI  673. 

726  -  VIII  1182. 

727  =  VIII  823. 

728  =  VIII  831. 

729  =  VIII  835. 

730  --=  VII  799. 

731  =  Magazin  (mo- 
dern). 

732-735= VIII  70b- 

711. 
I  736  =  VII  761. 
,  737  ==  X  1255. 
'  7a8  --=  I  105. 
:  739—744  --  1 9R.  103. 
104. 109. 110  VI  670. 

745  =  I  107. 

746  =  I  120. 

!  747  =  IX  1165. 
:  748  — -  IX  1166. 
!  749  =  IX  1063. 
i750-=  I  119. 

751  =  I  106. 

752  =  I  100  u.  101. 

753  =  IX  1205. 
I  754  =  IX  1160. 

755  =  IX  1206. 
■  756  =  IX  1208. 
!  757  --=  IX  1210. 
!  758  =  IX  1211. 
i  759  =  VII  703. 
'760  =  1X1091. 
,  761  =  I  113. 
;  762  =  IX  1103. 
•763  =  IX  1171. 

764  =  IX  1060. 

705  u.  766 --VIII  819 
u.  820. 


VIII 


767  -=  IX  1170. 

768  =  IX  1092. 

769  =  VI  660. 

770  =  IX  1181. 

771  =  IX  1096. 

772  --  V  557 

773  -=  VII  794. 

774  ■=  IX  1180. 

775  -  V  559. 

776  --  I  102. 

777  -=  I  99. 

778  -  X  125Ö. 

779  --  X  1273. 

780—782  =  X 1283  u. 
IX  1156. 

783  =  X  1268. 
78 1  =  Vn  751. 
785  =  IX  1217. 

78G  =  IX    1216   una 
1216A. 

787  =  III  325. 
788=1X1218—1219. 

789  =-  KI  328. 

790  =  VIII  879. 

791—794  =  X  12S1. 

795  =  Vm  828. 

796  ==  Vni  824. 

797  =  IX  1175. 

798  =  IX  1179. 

799  -  IX  1097. 

800  --  X  1293. 

801  =  VIII  849. 

802  =  IX  1197. 

803  =  IX  1202. 

804  =  IX  1201. 

805  =  IX  1200. 

806  =  1X1163—1164. 

807  =  IX  1194. 

808  --=  X  1266. 

809  =  X  1231. 

810  =  Gewerbeinst. 

811  =  IX  1185. 

812  =  X  1232. 

813  =  Tegel. 

814  =  IX  1196. 

815  =  X  1238. 

816  -=  X  1237. 

817  u.  818  =  VII  730 
u.  731. 

819  =  IX  1184. 


820—828  --  X  1241—  j 

1252. 
829—831  =  1X1187— 

1189.  , 

832u.  833  =  X  1239— I 

1240. 

834  =  X  1236.      I 

835  =  IX  1203. 

836  =  IX  1198. 

837  =  IX  1199. 

838  =  IX  1204. 

839  ==  Magazin. 

840  \  =  Mittclalterl. 

841  i        Sculpt. 

842  u.  843  =  V  543  u. 
555. 

844  =   Griech.    Hof 
(Bronzeabguss). 

845  -=  VII  791. 

846  =  IX  1086. 

847  ==  XI  687. 

848  =  VIII  826. 

849  =  IX  1107. 

850  =  V  544. 

851  =  VIII  1046. 

852  =  VI  676. 

853  =  V  556. 

854  =  VIII  1004. 

855  -  VIII  1033. 

856  =  VIII  1041. 

857  =  IX  1108. 

858  =  VIII  1023. 

859  =1X1109. 

860  =  VIII  1040. 

861  =  VIII  1039. 

862  =  V  560. 

863  und   864  =   IH 
496  A.B. 

865  -=  V  533  A. 

866  =  VIII  1032. 

867  =  VIII  1022. 
;  868  -    VIII  1030. 

869  =  VII  785. 

870  =  VII  786. 

871  =  IX  1151. 

872  =  Magazin  (als 
modern). 

873  =  X  1330. 

874  =  X  1291. 

875-881  ---  VIII  912 
bis  919. 


882   u.   883   =   VIII 

910-911. 
884  =  X  1292. 
885-889  =  VIII  882 

bis  886. 
890  =  VUI  880. 
891—893  =  VIII  852 

bis  854. 

894  =  VIII  850. 

895  -=  VIII  851. 
896-909  =  VIII  863 

bis  876. 

910-914  =  VIII  887 

bis  893. 
915  -=  VIII  877. 

916—919  =  VIII  942 
u.  951  u.  952. 

920  =  VIII  908. 

921  =  VIII  801. 

922  -=  VIII  802. 

923  =  VIII  803. 

924  =  X  1225. 

925  =  VIII  810. 

926  =  VIII  805. 

927  =  VIII  806. 

928  =  VIII  813. 

929  =  VIII  814. 

930  -=  I  126. 

931  =  IX  1220. 

932  =  VIII  818. 

933  =  vm  807. 

934  =  VIII  811. 

935  =  VIII  815. 

936  =  VIII  816. 

937  =  X  1288. 

938  =  X  1289. 

939  =  X  1287. 

940  =  X  1290. 

941  -=  X  1270. 

942  =  IX  1145. 

943  =-  VI  689. 

944  =  III  308. 

945  ==  Magazin. 

946  =  VIII  859. 

947  =  X  1257. 

948  -  =  X  1258. 

949  =  X  1260. 

950  =  X  1259. 

951  =  X  1261. 

952  =  X  1262. 

953  =  X  1263. 


IX 

954  =  X  1348.  OGl  =-  X  Vööty.  969  -  X  1331. 

955  =  X  1340.  962  =  X  1347.  970—983    =  VIII   830 

956  --=  X  1341.  963  =  X  1335.  bis   846.  894.  895. 

957  ==  X  1338.  964  =  VIII  90b  A.  984  =  VIII  890. 

958  --=  X  1343.  965  =  III  331.  985  =  VI  08H. 
958a.b      X1344U.1345.  966  ==  III  224.  986     =  IX  lim. 

959  =  X  1337.  967  =  IX  1146.  9s7  -=  VIII  1083. 

960  --  X  1342.  968  -  IX  1147. 


II.  Register. 


Gallerie  I. 

(fr.  Lycischer  Hof). 

1—53  Assyr.  Phoenik. 
54  =  51. 
54A  =  52. 
54B-C  = 
55—58  =  27—30. 
59—64  = 
65  u.  65A  ^ 
66—69  =  6—9. 
70=  1. 
71  = 
72-73  =- 

74  = 

75  =  10. 

76  =  20. 

77  =  19. 

78  =  18. 

79  -=  14. 

80  =  64. 

81  =  22. 

82  ==  79. 

83  =  31. 

84  =  21. 

85  = 

86  = 

87  = 

88  =  45. 

89-91  -=  15—17. 

92  =  2. 

93— 94Ä  =  4-5. 

95  =  299. 

96  = 

^7  =  494. 


98  ■-=  744. 

99  =  777. 

100  u.  101  =    752. 

102  =  776. 

103  =  740. 

104  =  739. 

105  =  738. 

106  =  751. 

107  =  745. 
I  108  =  674. 
1 109  =  743. 

110  =  741. 

111  =  394. 

112  =  690. 

113  =  761. 

114  =  644. 

115  =  616. 
116—117  = 

118  =  680. 

119  =  750. 

120  =  746. 

121 122  = 

123u.l24=636u.637. 

125  =  298. 

126  =  930. 
127—151  = 
152—156  = 
157—181  = 

S.  152. 


526—567. 

106—109. 

130-297 


182  u.  183: 

184—187  = 

!  188—193 : 

'194—216  = 

216A  = 

i216B  = 


=  110—129. 
335—355. 
457—475. 
301—323. 


II.  Treppenhaus. 

1349u.l350=104u.l05 

217  =  357. 

218  =  359. 

219  =  363. 

220  = 

221  =  366. 

222  =  367. 

Saal  III. 

(Griechischer  Saal). 

223  =  364. 
324  =  966. 

225  =  368. 

226  =  376. 

227  =  373. 

228  =  380. 

229  =  375. 

230  = 
230A  =  374. 

231  =  379. 
231 A  =  365. 

232  =  378. 

233  =  372. 

234  =  360. 

235  u.  236  =  388  u. 
389. 

237  = 

238  = 

239  = 

240  =  387. 
241—243  = 

244  =  385. 

245  = 


XI 


240       384. 
247 
248    - 
249-- 

250  :  -  377 

251  -- 
252 

258  - 

254  -    361. 

255  371. 

256  u.  257  ■^-.  362. 
25S       370. 

259  -  369. 
260- 

2(51  ^  386- 

202—263  = 

264-- 

205  - 

206—267  = 

20S 

209       383. 

270       382. 

271-291  -= 

292 

2;»3       400. 

294  410. 

295  -  409. 
2!u; 

2JI7 
29S 
2i»9. 
3i)0 
3nl 

on2 
3(>3 
o04 

3nO 

SO-«- 
Snfi 

iJlo 
iJlI 
312 
313 


403. 

399. 
307. 
402. 
407. 
396. 
401. 
398. 
403. 
944. 


390. 
404. 
405. 


31  \        395. 

:-;i5 

yir, 

vi  "* 

SIS— 319  =-  S.  217*. 
321»  =  392. 
321  --  393. 


322-- 

323  =  655. 

324  -  652. 

825  u.  325  A  =787. 

826  =  568. 

327  =^  569. 

328  —  789. 

329  --  453. 
i  330  -  454. 
i  330A  =  455. 

831  =  965. 

332  -- 

333-- 
1334  -- 
.335    -  381. 

336    -  406. 

337-    496. 

338  -  350. 

339  -  -  456. 
,  340-347  =  335—355 

(S.  190). 

348  u.  349  =  570. 

349  A  - .. 
349 B  ... 

350  -=  300. 

351  ^  358. 
1352-360-320-334. 

361—467  =  130-297 
(S.  155). 

468—478  -=  130—297 

(S.  141  . 
1479—487  =  130-297 
!       (S.  148  . 

488—494=130-297. 

495-490  =  321—325. 
,  496 Au.B  =803-804. 

497—513  =  32-48. 

514-  521  =  572—578. 

IV.  Cabinet. 

(Cabinct  desLaokoon). 

522  710. 

523  717. 

524  -718. 

Saal  und  Cabinet  V. 

(Saal  des  Farnesischen 

Stiers). 

,525  -  571. 
526  724 
527-411. 


528  -  -  93. 
529-     95. 

530  -  432 

531  -53. 
532u.532A  = 
533  =  94. 

533  A  =  805. 

534  =  3. 

535  u.  535  A 

536  = 
536A  = 
536B  = 

537  =  90. 

538  =  063. 

539  = 

540  = 
j  541  =  440. 
I  542  =  445. 

543  =  842. 

544  =  850. 

545  = 
546=. 

'546A  =  72. 

547        74. 

548-    71. 
,549     -  70. 

550  ---^  004. 

551  78. 
i552-   005. 
'  553       50. 

554  —  01. 

555  843. 
550--     S53. 

557  -   772. 

558  ■  ■ 
559 
500 
501 
502 

i  503-012  -■ 
'  013  --  12. 
'  014— (»23 
;624  =  110. 
'  625—050 
057  =  444. 

i 

Saal  VI. 

i  (Kuppel). 

1 058       98. 
'  059     -  442. 
660-- 709. 


775. 

802. 

73. 


XII 


661  -~ 

■.  707A  : 

■  778  -  506. 

662  -  57. 

708— 711 -- 

732—735. 

779  =-  507. 

663 

712 

780  -  508. 

664  -  82. 

713  -  92. 

781  -  736. 

665  u.  666  —  83  u.  84. 

714  - 

782  --  510. 

667   85. 

715 

783  -----  687. 

668  -  81. 

716  -  24  u 

.  25. 

784  -  686. 

669  -  493. 

717  :  720. 

785   869. 

670  -  -  742. 

718-  721. 

786  -:-  870. 

671  -  88. 

719  —  96. 

787U.788  --695u.()96 

672  -  87. 

720  --  97. 

789  -  452. 

673  —  725. 

721  -  501. 

790  -  102. 

674   86. 

722  —  681. 

791  -—  845. 

675- 

723   499. 

792  -  54. 

676  -852. 

724  -  682. 

793  --  672. 

677  ---  11. 

725  --  579. 

794   773. 

678  - 

726  -  719. 

795  -  -- 

679  ■-^-  618. 

727   91. 

796  --  666. 

680  -  723. 

728 ---80. 

797  - 

681  -675. 

729   26. 

793   685. 

682-- 

730  u.  731 

817U.818. 

799  -  730. 

683  -  67(). 

732  - 

684  ^  391. 

733  -  635. 

Saal  VIII. 

685  -  495. 

686  23. 

734  u.  735  =- 
736—750 

412-429. 

S.  d.  Thiere  u.  Broiizeu. 

687   847. 

751  --  784. 

800   609. 

688   985. 

752  - 

801   921. 

689  -  943. 

753  -  412— 

429(8.238) 

802  -=  922. 

690   431. 

754  -  523. 

803  -  923. 

691   430. 

755  —  517. 

804  -- 

692   441. 

756  -  512. 

805-  926. 

693   443. 

757  --  511. 

806  -  927. 

758  -  514. 

807  -  933. 

Saal  TU. 

759  —  513. 

1 

808  - 

(Kiobideusaal). 

760  --  503. 

761  ■■^=  502. 

809  —  13. 

810  -  925. 

694  ---  435.  . 

762  -  515. 

811  —  934. 

695   89. 

763  -  -  103. 

812  - 

696  - 

764  -  525. 

813 U.814  -92811.929 

697  -  661. 

765  :  --  524. 

815   935. 

698  -  662. 

766  r-.  692. 

816  -  836. 

698AU.B  — 

767  -  55. 

817  - 

699  --  433. 

768  -^  519. 

818  ^  -.  932. 

700  —  434. 

769  -  521. 

819  u.  820   765  u.  766 

701  -  668. 

770  -  520. 

821U.822   670U.671 

701A-- 

771  --  522. 

823  -  727. 

702 

772  .^ 

824 :  796. 

703   759. 

773  -60. 

825- 

704  -  693. 

774  .:-  516. 

826  ==  848. 

705   99. 

775  :  -  504. 

827  — 

706  - 

776  -  505. 

828   795. 

707  --  500. 

777  -509. 

829  -_  518. 

XIII 


830  -  G97. 

831  =  728. 
832—834  = 
835  -^  729. 
836-846  =  970—983. 
847  = 

848- 

849  =-  POl. 

850  -  -  894. 

851  =-  895. 
862—854  =  891-893. 

855  --  497. 

856  =  706. 

857  --  707. 

858  -  -  768. 

859  -  =  946. 

860  =-  709. 

861  -^  714. 

862  =  711. 
863—876  =  896—909. 

877  --  915. 

878  -  -  710. 

879  --  790. 

880  --890. 

881  ^ 

882—886  ---  885—889. 
R87— 893-    910—914. 
894  u.  895  -  970—983. 
(S.  548) 

896  -  984. 

897  -    50. 
898— 900  A    -- 
CM)1— 906 

907  -- 

908  -  -■  920. 
908A   -    964. 

909  - 

910u.911=^882u.883. 
912— 919=^875— 881. 
920  —  921  - 
922—940  -- 

941  --  698. 

942  --  916. 

943  -699. 

944  ---  700. 

945  --- 

946 -947=  701  u.  702. 

94H  —  949  -- 

950    -  712. 

951— 952=918u.919. 

953—955  -- 

956  -  705. 


■  957  --  704. 
!  958  -  703. 
;  959— 969 
;970-970A-- 

971  =- 

972—979 
I  980-981  -- 
'  982—986  =- 
!987— 990-. 

991 -- 

992 

993—997 

998  603. 

999  = 

1000  =-  602. 

1001  -  600. 

1002  = 

1003  ^  599. 

1004  =  854. 
1005—1007  = 
1008 -- 691. 
1009  -  605. 
1010-1013  = 

1014  -- 

1015—1018  = 
1019—1020  -  = 

1021  -- 

1022  -  867. 
,1023  -  858. 
, 1024  - 

1  1025  =-- 

i  1026  —  1027  - 

1028--- 
.  1029  -  - 
1 1030  =-  868. 

1031  -  49. 

1032-  866. 

1033^  987. 
1 1034—1036  = 

1037  -  654. 

1038  855. 

1039  861. 
1 1040  -  860. 
;  1041  --  856. 
'  1042 

1043—1044  = 
1045 -- 

1046  ---  851. 

1047  ^-- 

1 1048—1050  = 
1 1051  - 
I  1052  - 


Saal  IX. 

(Römischer  Saal). 

1053 

581. 

11054 

6ai. 

1055^ 

^608. 

:  1056 

-448. 

1057 

447. 

1058 

582. 

!  1059 

679. 

'1060 

764. 

i  1061- 

■1062 

:  1063 

749. 

'1064 

GH. 

1065 

584. 

1066 

- 

1067 

■ 

1068 

590. 

1069 

588. 

1070 

-  595. 

1071  ^ 

-:449. 

1072 

606. 

1073- 

-  589. 

1074 

587. 

1075- 

-585. 

1076 

594. 

1077  - 

..  59(). 

1078 

597. 

1079- 

-  58G. 

1080  - 

.  G17. 

1080  A 

-  593. 

1081 

.  598. 

1082  - 

615. 

1083 

614. 

1084 

437. 

1085 

-  G33. 

1086  -- 

_  846. 

1087 

(!5G. 

1088 

657. 

1089 

.  100. 

1090 

Gr)3. 

1091 

760. 

1092 

-.  768. 

1093 

.658. 

1094- 

_440. 

1095 

621. 

1096- 

771. 

1097 

.799. 

1098 

:  650. 

1099  r 

-:  651. 

1100  - 

.  625. 

1101 

627. 

XIV 


=  476— 


1102  =  59. 

1103  -  762. 

1104  =  626. 

1105  =  623. 

1106  =  619. 

1107  =  849. 

1108  =  857. 

1109  =  859. 

1110  = 

1111  =  62. 

1112  =  649. 
1118  =  648. 

1114  =  629. 

1115  =  634. 

1116  =  628. 
1117—1133 

492. 
1134—  1135=  639  u. 
640. 

1136  =  632. 

1137  =  647. 

1138  =  646. 

1139  =  645. 

1140  =  631. 
1141—1144  = 

1145  =  942. 

1146  =  967. 

1147  =  968. 

1148  = 

1149  =  77. 

1150  =  76. 

1151  =  871. 

1152  =  439. 

1153  = 

1154  =  986. 

1155  = 
1150  =  780. 
1157—1158  = 

1159  =  438. 

1160  =  754. 

1161  = 

1162  =  722. 

1163  —  1164  =  806. 

1165  =  747. 

1166  =  748. 

1167  =  620. 

1168  = 
1168A  =- 

1169  =  688. 

1170  =  767. 

1171  =  763. 

1172  =  451. 


1173  =  450. 

1174  =  667. 

1175  =  797. 

1176  =  694. 

1177  =  673. 

1178  --  613. 

1179  =  798. 

1180  =  774. 

1181  =  770. 

1182  =  726. 

1183  =  669. 

1184  ==  819. 

1185  =  811. 

1186  = 
1187—1189  =  829— 

831. 
1190  = 
1191—1192  = 

1193  = 

1194  =  807. 

1195  = 

1196  =  814. 

1197  =  802. 
1198—1199  =  836  u. 

837. 

1200  =  805. 

1201  =  804. 

1202  =  803. 

1203  =  835. 

1204  =  838. 

1205  =  753. 
1206—1207  =  755. 
1208—1209  =  756. 

1210  =  757. 

1211  =  758. 
1212—1215  = 
1216— 1216  A=  786. 
1217  =  785. 
1218—1219=788. 
1220  =  931. 
1221—1224  = 

1225  =  924. 
1226— 1230A  = 

Saal  X. 

(Rom.  Euppelsaal). 


1231 
1232 
1233 
1234 
1235 


809. 
812. 
436. 
683. 
660. 


236  =  834. 
L237  =  816. 
[238  =  815. 
[239  —  1240   =  832  u. 

833. 
[241—1252  =  820— 

828. 
[253  =  778. 

254  =  642. 
[255  =  737. 
[256  =  641. 
[257  =  947. 
[258  =  948. 
[259  =  950. 
[260  =  949. 
[261  =  951. 
[262  =  952. 
:263  =  953. 
[264-1205  = 
[266  =  808. 
1267  = 
[268  =  783. 
[269  = 
1270  =  941. 
.271  —  1272  = 

273  =  779. 
,274  =  638. 

275  =  68. 
[276  =  75. 
[277  =  630. 
,278  =  63. 
[279  = 
[280  = 

[281  =  791-794. 
.282  = 

[283  =  780—782. 
[284  =  60. 
[285  = 

[285A=66  u.  67. 
[286  = 
[287  =  939. 
[288  =  937. 
[289  =  938. 
[290  =  940. 
.291  =  874. 
[292  =  884. 
[293  =  800. 
[294  = 

[295—1329  = 
[330  =  873. 
[331  =  969. 
1332  = 


XV 


1333  = 

1334  = 

1335  = 

1336  = 

1337  = 

1338  = 

1339  = 


963. 
961. 
959. 
957. 


1340  =  955. 

1341  =  956. 

1342  =  960. 

1343  =  958. 

1345  }  =  958  a  u.  b. 

1346  = 


1347  -=  962. 

1348  =  954. 

Anhangr.     Treppen- 
haus. 

1349  u.  1350  =-  104  u. 
105. 


Druck  von  Bär  \  Hermann  in  Leipzig. 


I.  Die  Vorzeit  der  griechischen  Plastil(. 

Vor  dem  siebenten  Jahrhundert  scheint  sicli  eine  natio- 
nale Kunst  in  Griechenland  nicht  entwickelt  zu  haben,  noch 
in  diesem  Jahrhundert  gab  es  nur  Anfänge.  Allerdings  wa- 
ren die  hölzernen  puppenhaften  Grötterbilder  in  den  Tempeln 
Werke  griechischer  Meister,  aber  was  Kunstreicheres  in  Stein 
oder  Metall  existirte,  war  ausländischen  Ursprungs  oder  Cha- 
rakters. Griechenland  wurde  von  der  älteren  Kunst  des 
Orients  beherrscht,  spätere  Anregungen  kamen  aus  Aegypten. 
Aus    dieser  Vorzeit  ist  uns  das  folgende  Bildwerk  erhalten. 

1.  Löwenthor  von  Mykenä*.  Das  Original  besteht 
aus  hartem  graugelblichem  Kalkstein  und  befindet  sich  über 
dem  Hauptthor  der  Burgmauer  von  Mykenä.  Die  dreieckige^ 
giebelartige  Form  ist  durch  die  umgebende  Architektur  ver- 
anlasst. Um  nämlich  den  Thürsturz  gegen  jeden  Bruch  zu 
sichern^  führte  man  die  Mauer  nicht  über  ihn  hinweg,  sondern 
sparte  eine  dreieckige  Oeffhung  aus,  indem  man  die  Mauer- 
steine von  beiden  Seiten  in  schräger  Linie  über  einander  vor- 
treten und  erst  in  der  Spitze  sich  wieder  berühren  Hess. 
Diese  Oeffhung  wurde  dann  durch  eine  leichtere  Steintafel 
verschlossen. 

Die  eigenthümliche  Form  der  zwischen  den  Thüren  be- 
findlichen Säule  näher  zu. erörtern,  liegt  ausser  unserer  Auf- 
gabe, wir  bemerken  nur,  dass  sie  der  Träger  eines  jetzt  feh- 
lenden, die  Spitze  des  Dreiecks  ausfüllenden  Symbols  gewesen 


•  Im  üriechischen  Hof. 
Friederichs,  griech.  Plastilr. 


2  Vorzeit  der  gnechischen  Plastik. 

ZU  sein  scheint.  Die  Thiere,  von  welchen  sie  umgeben  ist^ 
sind  Löwen  und  als  solche  charakteristisch  dargestellt.  Das 
Schwanzende  hat  die  dem  Löwen  eigenthümliche  Form  und  die 
Mähne,  die  durch  eine  leise  Erhöhung  angezeigt  ist,  setzt  sich 
unter  der  Brust  fort,  wie  der  an  dieser  Stelle  behndliche 
Vorsprung  andeutet.  Gewiss  war  das  ganze  Relief  nach  dem 
Brauch  der  ältesten  Kunst  bemalt,  wodurch  alle  Details  deut- 
licher hervorgehoben  wurden.  Die  Köpfe  sprangen  frei  aus 
dem  Relief  heraus  und  blickten  dem  ans  Thor  Herantretenden 
entgegen,  sie  hätten  ohne  grosse  Arbeitsverschwendung  nicht  mit 
dem  Uebrigen  aus  einem  Block  gearbeitet  werden  können 
und  waren  daher  besonders  gearbeitet  und  dann  eingesetzt. 

Die  Bedeutung  der  Thiere  ist  diese,  dass  sie  Wächter 
des  Thores  sind,  sie  sollten  gleichsam  jedem  feindlichen  An- 
griff mit  grimmigem  Gesicht  entgegentreten.  Freilich  darf 
man  nach  der  Kunststufe  des  Monuments  nicht  erwarten,  die- 
sen Gedanken  in  voller  Lebendigkeit  ausgesprochen  zu  sehen, 
der  Eindruck  des  steifen  Figurirens,  wie  bei  Wappenthieren^ 
überwiegt  und  wird  dadurch  verstärkt,  dass  die  Hinterfüsse 
der  Thiere,  ohne  festen  Grund  unter  sich  zu  haben,  aus  der 
Fläche  des  Reliefs  hervortreten.  Die  Formen  der  Löwen 
sind  bei  nicht  geringer  Naturwahrheit  doch  etwas  schlaff  und 
weichlich,  und  schon  dies  deutet  auf  ungrieohischen  Ursprung 
des  Werks,  der  durch  folgende  Umstände  höchst  wahrschein- 
lich gemacht  wird. 

Zunächst  durch  die  antike  Tradition,  welche  dies.  Löwen- 
thor den  Gy klopen  zuschreibt,  jenen  sagenhaften  Bauleuten, 
die  von  Lycien .  nach  Argos  herübergekommen  und  dort  die 
uralten  nach  ihnen  benannten  Mauern  gebaut  haben  sollen. 
Sodann  aber  gehört  dieses  Werk  einer  zu  frühen  ^eit  an^ 
als  dass  es  dem  Zusammenhang  der  griechischen  Plastik,  die 
im  siebenten  Jahrhundert  noch  in  den  Anfängen  stand,  einge- 
fügt werden  könnte.  Denn  die  cyklopischen  Werke  cfes  ar- 
givischen  Landes  müssen  sowohl  nach  den  Andeutungen  der 
alten  Schriftsteller  als  nach  ihrem  architektonischen  Charakter 
in  vorhomerische  Zeit  gesetzt  werden,  ohne  dass  wir  freilich 
im  Stande  wären,  eine  genauere  Zeitbestimmung  zu  geben. 
Es  muss  uns  genügen  die  Thatsache:  zu  constatiren,  dass  das 
Relief  ausser  allem  Zusammienhang  mit  der  griechischen.  Kunst 
steht. 

Die  beste  Abbildung  Archaeol.  Ztg.   1865  Taf.  193  p.  1  ff.     Vgl. 
Aimali  1861  p.  18.     Conze  Reise  auf  den  Inseln  des  thräkischen  Meeres 


Vorzeit  der  griechischen  Plastik.  3 

\K  9.  Bötticher  Nachtrag  zum  Verzeichniss  der  Gypsabgüsse  des  Neuen 
Museums  p.  143.  0.  Müller  Handb.  der  Archaeol.  p.  26.  42  und  die 
iu  diesen  Schriften  citirte  Literatur.  Ueber  die  Bedeutung  der  Löwen 
als  Thorwächter  vgl.  Weicker  Alte  Denkm.  V.  p.  73  ff.  In  der  Be- 
stimmung der  Thiergattung  hatte  ich  mich  der  gütigen  Belehrung  von 
Professor  Peters  zu  erfreuen,  der  auch  die  in  der  Archaeol.  Ztg.  a.  a. 
0.  ausgesprochene  Meinung,  dass  die  Schwänze  der  Löwen  zu  kurz 
seien,  bestritt.  Ueber  die  an  den  Contouren  der  Beine  und  Zehen  hin- 
ahlaufenden  kreisförmigen  Einschnitte,  auf  welche  Strack  Arch.  Anz. 
1862  p.  329  aufmerksam  macht,  habe  ich  von  einem  mir  befreundeten 
Bildhauer  keine  nähere  Auskunft  erhalten  können. 


1 


II.  Die  altgriechische  Kunst. 


Im  siebenten  Jahrhundert  zeigen  sich  die  Anfänge  einer  n 
tionalen  Kunst,  die  zwar  noch  nicht  völlig  frei  sind  von  d 
Einwirkungen  ausländischer,  namentlich  ägyptischer  Kunst,  ab 
doch  überwiegend  ein  specifisch  hellenisches  Gepräge  trage 
Die  künstlerische  Thätigkeit  entfaltete  sich  gleichzeitig  ; 
mehreren  Orten  Griechenlands,  und  wenn  wir  auch  nur  Nac 
rieht  haben  von  zwei  besondern  Kunstschulen,  der  attisch 
und  äginetischen,  so  ist  doch  vorauszusetzen,  dass  die  Kur 
an  allen  Orten,  wo  sie  lebhafter  geübt  wurde,  sich  in  indr 
dueller  Weise  ausgebildet  habe.  Es  ist  uns  indessen  no 
nicht  möglich,  sämmtliche  erhaltene  Werke  zu  kleineren  Gru 
pen,  deren  jede  einem  bestimmten  Lokalstil  entspräche,  2 
sammenzulegen,  nur  die  attische  und  die  ihr  nah  verwand 
lycische,  femer  die  äginetische  und  endlich  die  aus  dem  sii 
lischen  Selinunt  und  aus  Sparta  bekannte  Kunst  treten  u 
als  scharf  von  einander  unterschiedene  Gruppen  entgegen,  i 
ben  welchen  die  übrigen  Werke  zunächst  noch  vereinzelt  c 
stehen.  Die  zeitliche  Ausdehnung  der  altgriechischen  Kui 
erstreckt  sich  über  zwei  Jahrhunderte,  noch  nach  der  Mi 
des  fünften  Jahrhunderts  begegnen  wir  einzelnen  Spuren  c 
alterthümlichen  Stils.  Wir  theilen  diesen  ganzen  Zeitraum 
zwqi  Perioden,  in  deren  erster  "wir  die  aus  dem  siebent 
und  sechsten  Jahrhundert  erhaltenen  Werke  erläutern,  w^ 
rend  die  zweite  die  ungleich  zahlreichere  Classe  der  in  c 
ersten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  entstandenen  Der 
mäler  umfasst. 


Altgriechische  Kunst. 


A.  Werke  des  siebenten  und  sechsten  Jahrhunderts. 

2  und  3.  Apollo  von  Thera  und  Tenea*,  beide 
vou  Marmor.  Der  erste  ist  im  Anfang  der  30er  Jahre  auf 
der  Insel  Thera  (Santorin)  gefunden  und  durch  Vermittlung 
von  Prof.  Ross  im  J.  1836  für  Athen  erworben,  wo  er  sich 
im  Theseion  befindet.  Der  Kopf,  aus  einem  besondem  Stück 
gearbeitet,  ist  durch  einen  eisernen  Zapfen  mit  dem  Rumpf 
verbunden.  Der  zweite  ist  im  Jahr  1846  an  der  Stelle  des 
alten  Tenea  (im  Dorf  Athiki,  am  Fuss  von  Akrokorinth)  ge- 
fanden, vom  Freiherm  von  Prokesch  an  Ort  und  Stelle  er- 
worben und  später  in  den  Besitz  der  Glyptothek  zu  München 
tibergegangen.  Arme  und  Beine  waren  in  sechs  Stücke  ge- 
brochen, doch  fand  sich  Alles  bis  auf  ein  kleines  Stück,  so 
dass  die  Figur  im  Wesentlichen  ohne  Restauration  ist. 

Es  ist  in  den  beiden  Figuren  ein  und  derselbe  Typus 
dargestellt,  aber  in  sehr  verschiedenem  Grade  der  Ausbildung. 
Die  theräische  ist  weit  roher  und  üppiger,  besonders  in  der 
Brust,  und  am  Rücken  ist  kaum  etwas  von  anatomischem 
Detail  ausgedrückt.  Man  sieht  hier  an  einem  recht  instruk- 
tiven Beispiel,  wie  die  Kunst  von  einer  mehr  umrissartigen 
Dai-stellung  zu  immer  sorgfältigerer  Nachahmung  des  Details 
fortging. 

In  der  Münchner  Figur  ist  Alles  knapp  und  schlank 
oiid  besonders  charakteristisch  ist  die  straffe  Anspannung  der 
Muskeln.  Man  beachte  namentlich  die  Stellung  der  Knie- 
scheibe, die  eben  nur  durch  diese  Anspannung  veranlasst  ist. 
Im  Einklang  mit  der  strammen  Stellung  der  Beine  stehen  die 
>traflf  herabhängenden  Arme  und  die  zusammengeballten  Hände, 
das  Leichte,  Zwanglose  in  der  Anordnung  der  Glieder  ist 
diesem  Stil  noch  fremd.  Die  Figuren  sind  übrigens  stehend, 
nicht  schreitend  zu  denken,  man  kannte  eben  noch  nicht  die 
leichte,  graziöse  Stellung  der  spätem  Zeit,  wo  das  Gewicht 
des  Körpers  nur  auf  einem  Bein  ruht,  während  das  andere 
entlastete,  leicht  gekrümmt,  nur  mit  der  Spitze  den  Boden 
berührt.  Im  alten  Stil  tragen  beide  Beine  in  gleicher  Weise 
den  Oberkörper  und  sind  mit  der  vollen  Fussfläche  auf  den 
B<iden  gestemmt. 

Das   kantig  Abgeschnittene   der  Formen   im   alten  Stil, 


•  Im  Lvcischen  Hof  n.  206  und  205. 


ß  Altgrieohische  Kunst. 

WO  man  später  die  Natur  nachahmend  Rundungen  bildete,  ist 
an  diesen  FiguriBn  noch  sehr  merklich.  Man  betrachte  z.  B. 
die  Seitenfläche  der  Hinterbacken,  oder  die  Ferse. 

Die  Köpfe  stehen  im  ältesten  Stil  gerade  auf  den  Schultern 
ohne  eine  Wendung  zu  machen,  die  in  das  Zwangssystem 
dieses  Stils  nicht  passen  würde.  Die  Stirn  tritt  zurück,  die 
Nase  stark  hervor;  später,  als  man  nach  geistigem  Ausdruck 
strebte,  wird  die  Stirn  mehr  vorgeschoben.  Die  Augen  treten 
aus  dem  Kopf  heraus;  erst  als  man  Acht  gab  auf  den  Aus- 
druck des  Auges,  erhielt  es  die  tiefere  Lage  wie  in  der  Na- 
tur. Der  Mund  ist  geschlossen,  auch  dies  im  Einklang  mit 
dem  starren  Charakter  des  Ganzen,  später  leicht  geöffnet. 
Eine  allgemeine  Erscheinung  an  den  alterthümlichen  Köpfen 
ist  endlich  der  lächelnde  Ausdruck,  mögen  Götter  oder  Men- 
schen, Lebende  oder  Sterbende  dargestellt  sein.  Es  ist  der 
erste  Anfang  zur  Darstellung  des  Seelenlebens  und  erklärt 
sich,  wie  später  noch  näher  zu  zeigen,  aus  dem  der  alter- 
thümlichen Kunst  eignen  Streben  nach  Innigkeit,  Freundlich- 
keit und  Anmuth.  Das  Grübchen  im  Kinn  der  Münchner 
Figur,  das  sich  auch  sonst  in  diesem  Stil  findet,  geht  wohl 
aus  demselben  Streben  hervor. 

Der  Kopf  des  theräischen  Apollo  übrigens  mit  seiner  ge- 
bogenen Nase  und  den  schräg  stehenden  Augen  hat  noch 
entschieden  etwas  Ungriechisches. 

Das  Haar  der  Figuren  und  die  dasselbe  zusammenhal- 
tenden, in  sehr  flachem  Relief  angegebenen  Bänder  waren 
gewiss  bemalt.  Namentlich  an  der  von  Tenea,  wo  es  nur 
sehr  wenig  ausgearbeitet  ist.  Denn  während  an  der  andern 
die  einzelnen  auf  den  Rücken  herabfallenden  Streifen  angege- 
ben, auch  die  Löckchen  über  der  Stirn  etwas  ausgeführt  sind, 
bemerkt  man  an  dieser  über  der  Stirn  nur  rohe  Wülste  und 
im  Nacken  nur  horizontale  Abtheilungen,  die  aber  auch  an 
der  andern  nicht  fehlen.  Es  soll  dadurch  welliges  Haar 
dargestellt  werden^  man  wollte  etwas  Leben  und  Bewegung 
hinein  bringen.  Die  Löckchen  über  der  Stirn  des  theräi- 
schen Apoll  sind  eine  aus  dem  Leben  genommene  Tracht, 
der  Künstler  vermochte  aber  noch  nicht,  sie  frei  und  natür- 
lich herabhängend  darzustellen. 

Höchst  wahrscheinlich  stellen  diese  Figuren  den  Apollo 
vor.  Wir  wissen  von  einem  alterthümlichen  Apollo,  freilich 
aber  auch  von  einer  Athletenstatue,  die  beide  dieselbe  Hal- 
tung hatten,  wie  unsere  Figuren.    Denn  in  den  ältesten  Zeiten 


Altgriechische  Kunst.  7 

<ler  Kunst  ist  das  Bedürfiiiss,  verschiedene  Charaktere  durch 
verschiedene  Stellungen  zu  bezeichnen,  noch  schwach  entwic- 
kelt and  man  scheute  sich  nicht,  denselben  Typus  für  ver- 
schiedene Zwecke  zu  wiederholen.  Doch  wird  die  allgemeine 
Uebereinstimmung  gewisse,  wenn  auch  rein  äusserliche  Unter- 
schiede im  Einzelnen  nicht  ausgeschlossen  haben.  Apollo 
wird  von  den  ersten  Anfängen  der  Kunst  an  mit  sehr  weni- 
gen Ausnahmen  so  dargestellt  wie  ihn  die  Dichter  schildern, 
als  unbärtiger  Jüngling  mit  lang  herabwallendem  Haar,  es 
ist  sehr  zweifelhaft  ob  jene  Athletenstatue  auch  in  diesem 
Punkte  übereinstimmte,  da  die  Athleten  in  der  Kunst  wie  im 
Leben  kurzgeschnittene  Haare  trugen.  Auch  spricht  noch 
dieser  Umstand  für  Apollo,  dass  ausser  diesen  beiden  Statuen 
mehrere  andre  tibereinstimmende,  übrigens  von  älterem  Stil 
als  die  von  Tenea,  an  verschiedenen  Orten  zum  Vorschein 
gekommen  sind.  In  so  alter  Zeit  aber  waren  die  Athleten- 
stiituen  noch  selten,  während  Apollo-  und  überhaupt  Götter- 
statnen  schon  lange  üblich  waren. 

An  beiden  Statuen  bemerkt  man  noch  deutliche  Spuren, 
dass  die  ägyptische  Kunst  Einfiuss  gehabt  hat  auf  die  alt- 
^echische.  Die  gegen  die  Naturwahrheit  hochstehenden 
Ohren  des  theräischen  Apollo,  eine  Eigenthümüchkeit  vieler 
alterthümlicher  Werke,  die  sich  selbst  am  Parthenonfries  noch 
vielfach  tindet,  können  nur  durch  eine  Einwirkung  von  aussen 
erklärt  werden.  Dann  sind  das  Vorsetzen  des  linken  Fusses, 
das  sich  an  allen  acht  alterthümlichen  griechischen  Statuen 
findet,  und  die  am  Leibe  herabhängenden  Arme,  beson- 
ders aber  die  Schmalheit  der  Hüften  im  Gegensatz  zu  der 
Breite  der  Schultern  Eigenthümlichkeiten  der  ägyptischen 
Kunst,  auf  welche  ein  sich  frei  aus  sich  selbst  entwickelndes 
Volk  nicht  kommen  konnte.  Nur  darf  man  nicht  glauben, 
dass  diese  oder  irgend  eine  andere  griechische  Statue  von 
ägyptischen  Werken  copirt  sei.  Vielmehr  wie  sich  schon  in 
der  Nacktheit  der  Figuren  ein  specifisch  hellenisches  Princip 
ausspricht,  das  den  frühern  Völkern  nach  ihren  Sitten  und 
ethischen  Anschauungen  fremd  war,  so  regt  sich  auch  in  der 
Bildung  der  Formen  überall  griechische  Individualität.  Man 
braucht  nur  einen  ägyptischen  und  altgriechischen  Fuss  mit 
einander  zu  vergleichen  um  den  Unterschied  zu  fühlen.  In 
jenem  wird  die  Krümmung  des  kleinen  Zehs  ignorirt,  die 
übrigen  ganz  parallel  gestellt  und  flach  gebildet,  so  dass  er 
wie   ein  abstractes  Schema  der  Natur  erscheint,  während  die 


3  Ahgiiechiscbe  Kunst. 

ältesten  griechischen  Werke  bereits  Blick  für  die  Natur  und 
das  Bestreben  verrathen,  die  gegebenen  Formen  nachzubilden» 
Was  die  Entstehungszeit  dieser  Figuren  betrifft;  so  ist 
mit  dem  Einfluss  der  ägyptischen  Kunst  eine  Zeitgrenze  nach 
rückwärts  gegeben.  Denn  schwerlich  konnte  ein  nachhaltige- 
rer Einfluss  derselben  stattfinden,  ehe  Griechen  einen  dau- 
ernden Aufenthalt  in  Aegypten  hatten.  Das  aber  geschah 
nach  Herodot  erst  unter  Psammetich.  Auch  scheint  die 
Verfertigung  freier  Statuen  aus  Stein  in  Griechenland  nicht 
über  das  siebente  Jahrhundert  hinüber  zu  reichen.  Der  Apoll 
von  Thera  gehört  wahrscheinlich  noch  diesem  Jahrhundert 
an;  er  hat  wenigstens  einen  so  primitiv  rohen  Charakter,  dass 
schwer  zu  glauben  ist,  ihm  gehe  bereits  eine  längere  Ent- 
wickelung  der  Kunst  voran.  Diese  setzt  dagegen  die  Statue 
aus  Tenea  in  ihrer  bewussteren,  präciseren,  stilvollercQ  Bil- 
dung nothwendig  voraus,  sie  scheint  im  sechsten  Jahrhundert 
und  wohl  eher  in  der  zweiten  als  ersten  Hälfte  desselben  ent- 
standen zu  sein.  Diesem  Jahrhundert  gehören  auch  die  oben 
erwähnten  Figuren  des  Apollo  und  des  Athleten  an. 

Fimdnotiz  über  den  Apoll  von  Tlieni  im  Knnstbl.  1836,  n.  18,  über 
den  von  Tenea  Annali  dell'  inst.  1847  p.  305.  Der  erstere  ist  abg.  bei 
Scholl  Archaeol.  Mittheil.  Taf.  4,  8  (luigenügend),  der  andere  in  den 
Monum.  ined.  dell'  inst.  IV.,  44  und  weniger  gut  bei  Overbeck  Gesch. 
d.  griech.  Plastik  I.  Fig.  7.  Vgl.  Conzc  und  Michaelis  in  Annali  1861 
p.  79,  bullet.  1861  p.  44.  0.  Jahn  in  den  Nuove  memorie  dell'  inst. 
1865  p.  20.  lieber  den  Einfluss  der  ägyptischen  Kunst  auf  die  grie- 
chische sind  die  Meinungen  noch  getheilt,  ich  inusste  mich  hier  begnü- 
gen, einige  Eigenthümlichkeiten  altgriechischer  Werke  hervorzuheben, 
die  sich  in  der  ägyptischen  Kunst  und  zwar  in  ihrer  Gesammtheit 
nur  in  dieser  wiederfinden  und  auch  nur  aus  einem  Einfluss  derselben 
abgeleitet  werden  können,  weil  sie  bei  der  Annahme  einer  ganz  selbst- 
ständigen griechischen  Kunstentwicklung  mierklärbar  sind.  Eine  jener 
Eigenthümlichkeiten,  nämlich  die  Stellung  der  Figuren,  hat  man  zwar 
damit  zu  erklären  gesucht,  dass  dadurch  „das  Cultusbild  zum  Abbild 
der  ewigen,  dem  Wechsel  des  Menschlichen  enthobenen,  von  Leiden 
und  Leidenschaften  befreiten  Gottheit"  (Overbeck  Gesch.  d.  PI.  I.,  94) 
gemacht  werden  sollte,  aber  die  Statue  des  Athleten  Arrhachion  (Paus. 
8,  40)  hatte  ja  dieselbe  Stellung  wie  der  Apoll  von  Tenea,  die  daher 
aus  einem  allgemeineren  Grinide  hergeleitet  werden  muss.  Zudem  würde 
jene  Erklärung  noch  immer  nicht  diese  besondere,  mit  der  ägyptischen 
übereinstimmende  Stellung,  sondern  nur  eine  im  Allgemeinen  ruhige 
Haltung  begründen.  Es  läugnet  Niemand,  dass  die  ägyptische  Kunst 
im  Grossen  und  Ganzen  von  der  griechischen  principiell  verschieden 
ist,  aber  in  den  Anfängen  der  letzteren,  um  die  es  sich  hier  allein 
handelt,  ist,  wie  der  Text  ausfuhrt,  trotz  aller  imverkennbaren  Regung 
griechischer  Individualität  doch  auch  die  Abhängigkeit  von  den  Aegyp- 
tern  in  bestimmten   einzelnen   Zügen   sichtlich.      Es  wird  ein  ähnliches 


Ailgriechische  Kirnst.  9 

Verhältiüss  gewesen  sein,  wie  zwischen  der  modeiueu  iiucl  byzantinischen 
Kunst. 

4.  5.  Fries  von  Assos*,*  aus  Granit,  im  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  in  den  Ruinen  eines  dorischen  Tempels  entdeckt, 
1838  durch  Raoul  Rochette  für  Frankreich  erworben  und 
dort  im  Louvre  aufgestellt. 

Die  Reliefs  befanden  sich  am  Architrav  des  Tempels, 
wie  man  deutlich  an  ihrem  obem  Rand  sieht,  wo  der  Abakus 
und  die  Regula  der  Triglyphen,  freilich  ohne  Tropfen,  ange- 
geben ist.  Nur  ein  Theil  des  Erhaltenen  befindet  sich  hier 
im  Abguss,  es  fehlen  die  Platten  mit  den  Centauren,  und  die- 
jenigen mit  den  sehr  lebendig  dargestellten  Thierkämpfen. 
Indessen  sind  überhaupt  nur  einzelne  und  unzusammenhän- 
gende Stücke  erhalten,  und  es  scheint,  dass  auch  ursprünglich 
nur  ein  äusserst  loser  Zusammenhang  zwischen  den  einzelnen 
Gruppen  bestand.  Es  ist  wenigstens  sehr  schwer,  die  Verei- 
nigung der  dargestellten  Scenen  —  Thierkämpfe,  Centauren, 
Herakles  und  Triton,  ein  Gelage  —  zu  einem  Ganzen  zu  mo- 
tiwen.  Vielleicht  ist  gerade  diese  harmlose  Zusammenstellung 
verschiedener  gerade  beliebter  oder  bekannter  Vorstellungen 
ohne  verknüpfenden  Gedanken  charakteristisch  für  die  primi- 
tive Kunststufe,  welcher  diese  Reliefs  angehören. 

Von  den  beiden  grössten  Tafeln,  die  sich  nebst  .einer 
Sphinx  hier  im  Abguss  befinden,**  enthält  die  eine  das  Bild 
eines  Trinkgelages,  wobei  die  Theihiehmer  bereits  liegend 
dargestellt  sind,  eine  Sitte,  welche  die  Griechen,  die  ursprüng- 
lich, wie  aus  Homer  bekannt  ist,  zu  Tische  sassen,  von  Asien 
her  angenommen  haben.  Das  Relief  der  anderen  Tafel  bezieht 
sich  wahrscheinlich  auf  den  Kampf  zwischen  Herakles  und 
Triton,  es  kommt  wenigstens  auf  Vasenbildeni  eine  ganz  über- 
einstimmende Darstellung  vor,  wo  ein  fischleibiger  Dämon 
mit  Menschengesicht,  inschriftlich  Triton  genannt,  unter  un- 
sanften Umarmungen  des  Herakles  zu  leiden  hat.  Auch  hier 
sieht  man  wie  der  Meergott  dem  Heros  zu  entwischen  strebte, 
dieser  ihn  aber  ereilt  hat  und  an  beiden  Händen  festhält. 
Was  mit  dem  einem  Hörn  ähnlichen  Gegenstand  gemeint  ist, 
den  Triton  in  der  Linken  hält,  ist  schwer  zu  sagen;  auf  dem 
Rücken  des  Herakles  bemerkt  man  seinen  Köcher. 

Die    klein'en   Figuren    die    im  Ausdruck    des  Entsetzens 

*  [>ii  Lycisrluui  Hof  n.  209.  210. 

*♦  Die  Tafehi  hätten  aber  nicht  verbunden  werden  sollen,  denn  sie 
s<h Hessen  nicht  unmittelbar  an  einander. 


10  Altgriechische  Kunst.    . 

davon  eilen^  sind  gewiss  Frauen  und  sollen  wahrscheinlich  die 
Nereiden  vorstellen,  die  durch  den  wilden  Streit  aufgescheucht 
sind.  Man  sieht  an  dem  untern  Rand  des  Gewandes,  dass 
die  Figuren  lang  bekleidet  waren,  zudem  ist  Bewegung  und 
Ausdruck  der  Figuren  für  Frauen  passender. 

Die  Reliefs  sind  hochalterthümlich,  wie  aus  äussern  und 
innem  Gründen  hervorgeht.  Herakles  hat  noch  nicht  die 
Löwenhaut,  was  hier  gewiss  nicht  zufällig  ist,  sondern  da  wir 
wissen,  dass  er  mit  dieser  Tracht  nicht  vor  dem  Ende  des 
siebenten  Jahrhunderts  ausgestattet  wurde,  als  ein  Zeichen 
höhern  Alters  angesehn  werden  muss.  Die  Architektur  des 
Tempels  hat  ferner  einiges  Ungewöhnliche  was  auf  entfernte 
Zeit  deutet,  es  fehlen  die  Tropfen  an  dem  Tropfenleisten, 
und  ganz  abweichend  von  dem  späteren  dorischen  Bau,  der 
bildliche  Verzierung  nur  an  den  struktiv  nicht  thätigen  Thei- 
len  zulässt,  ist  die  Bedeckung  des  Architrävs  mit  Reliefs. 
Endlich  weist  auch  die  Composition  dieser  Reliefs  auf  durch- 
aus primitive  Kunst  hin,  fast  komisch  wirkt  die  Zusammen- 
stellung der  kleinen  puppenartigen  Gestalten  der  Nereiden 
und  des  Mundschenken  mit  den  langen  und  mächtigen  Ge- 
stalten der  übrigen  Figuren.  So  findet  man  auch  auf  den 
andern  Platten  komische  Verschiedenheiten,  gewaltige  Stiere 
und  ganz  kleine  schwächliche  Centauren.  Der  Grund  hierfür 
liegt  in  einem  hier  zwar  unbehülflich  ausgesprochenen  aber 
in  weniger  empfindlicher  Weise  auch  in  der  Blüthe  der  Kunst 
befolgten  Gesetz,  dem  des  Isokephalismus,  d.  h.  dass  die  Fi- 
guren eines  Frieses  mit  ihren  Köpfen  gleich  hoch  hinaufrei- 
chen, wodurch  es  denn  freilich  nothwendig  wurde,  den  liegen- 
den Figuren  bedeutend  mächtigere  Verhältnisse  zu  geben  als 
den  stehenden.  Am  Parthenonfries  sind  die  sitzenden,  rei- 
tenden und  stehenden  Figuren  gleich  hoch,  gegen  die  Natur- 
wahrheit, aber 'man  bemerkt  es  kaum,  weil  es  durch  die 
Raum  Verhältnisse  geboten  ist.  Es  wäre  unerträglich, '  wenn 
dort  die  Wirklichkeit  befolgt  wäre,  wodurch  über  den  sitzen- 
den Figuren  .eine  hässliche  Lücke  entstanden  sein  würde. 
Noch  in  der  letzten  Zeit  der  antiken  Kunst,  auf  römischen 
Sarkophagen,  kann  man  dies  Verfahren  bemerken,  das  auf 
dem  Princip  beruht,  dass  Bild  und  Raum  Eins  sein  müssen 
selbst  auf  Kosten  der  Naturwahrheit.  Auf  den  griechischen 
Vasen  findet  man  ebenfalls  viele  Beispiele  und  in  früher  Zeit 
ähnlich  komische,  wie  hier. 

Dass  diesen  Reliefs  keine  sehr  lange  Kunstübung   vor- 


Altgrieoliische  Kuust.  U 

angegangen  sein  kann^  ist  demnach  klar^  sie  stehen  am  Anfang 
der  griechischen  Kunst  und  entsprechenden  ältesten  griechi- 
schen Vasenbildem,  auf  denen  wir  ebenfalls  die  von  der 
orientalischen  Kunst  entlehnten  Thierkämpfe  mit  griechischen 
und  griechischer  Sitte  entsprechend  dargestellten  Mjrthen 
vereinigt  finden.  Eben  in  den  letzteren  treten  uns  die  ersten 
Anfange  einer  nationalen  ^  selbstständigen  Kunst  entgegen. 
Wir  werden  nicht  irren,  wenn  wir  die  Reliefs  von  Assos 
und  die  ihnen  entsprechenden  Vasen  nicht  höher  als  in  das 
siebente  Jahrhundert  hinaufrücken. 

Abgeb.  Mouum.  d.  inst.  Ul.,  34  wozu  de  Witte  Auiiali  1841  p.  317 
eine  kurze  Beschreibung  gegeben  hat.  Ein  IiTthum  ist  in  der  Zeichnung 
und  im  Text  begangen,  indem  die  von  mir  als  Nereiden  bezeichneten 
Frauen  hier  als  nackte  Epheben  charakterisirt  sind.  Die  Abbildung  und 
<ier  Text  bei  Ciai^ac  musee  de  sculpturc  pl.  116  A  und  B,  II.,  2, 
p.  1152  flf.  sind  in  diesem  Punkt  genauer.  Vgl.  Texier  l'Asie  mineure 
II.  pl.  112  — 114  p.  200,  der  mit  überzeugenden  Gründen  die  Bestim- 
mung der  Reliefs  zum  Schmuck  des  Architravs  beweist. 

Dass  die  nachhomerische  Sitte,  bei  Tische  zu  liegen,  vom  Orient  zu  den 
<yriechen  gekommen,  schlicsse  ich  aus  einem  im  britischen  Museum  befind- 
lichen, soviel  ich  weiss  noch  nicht  pubiicirten  assyrischen  Relief,  auf  welchem 
i^Bxiz  wie  bei  den  Griechen  der  Mann  liegt  und  die  Frau  neben  ihm  sitzt. 

Ueber  die  Tracht  des  Herakles  vgl.  0.  Müller  Dorier  I.,  446.  Audi 
auf  den  ältesten  Vasenbildern  ist  Herakles  noch  ohne  Löwenhaut  und 
Keule  wie  schon  von  Preller  Arch.  Ztg.  1854  p.  294  hinsichtlich  der 
Vase  bei  Welcker  A.  D.  III.,  6  bemerkt  ist.  Vgl.  Anhaeol.  Ztg.  1859 
Taf.  125.  Monum.  d.  inst.  VI.,  33.  56. 

Ein  Beispiel  für  den  Isokophalismus  auf  römischen  Sarkophagen 
giebt  das  obere  Bild  des  Berliner  Musensarkophags  Archaeol.  Ztg.  1. 
Taf."  6,  ein  recht  komisches  aus  der  alten  Vasenmalerei  die  von  Michaelis 
Annali  1862  Tav.  d'agg.  B.  publicirte  Vase  und  die  mit  ihr  überein- 
stimmende in  Berlin.  Viele  Beispiele  bietet  ausserdem  die  altetruskische 
Kunst.     Vgl.  z.  B.  im  Berliner  Museum  n.  503  a. 

Dass  die  mit  Thierfiguren  verzierten  Vasen  kaum  etwas  von  grie- 
«hischer  Individualität  veiTathen,  bedarf  jetzt  keines  Beweises  mehr,  die 
national  griechische  Malerei  beginnt  erst  da,  wo  griechische  Mythen  und 
griechischiß  Darstellungsformen,  z.  B.  die  Nacktheit,  auftreten.  Die  obige 
Bemerkung  über  das  Kostüm  des  Herakles  bietet  uns  einen  terminus 
ante  quem  für  die  ältesten  griechischen  Vasen,  bedenkt  man  aber,  dass 
«lie  noch  durchaus  primitiven  Vasen  mit  Dai*stellungen  der  Geburt  der 
Pallas  nach  Stesichorus  gearbeitet  sind  (vgl.  Schol.  Apollon.  Rhod.  IV., 
1310),  so  wird  man  mit  den  Anföngen  der  eigentlich  griechischen  Va- 
senmalerei nicht  über  das  siebente  Jahrhundert  hinaus  kommen.  Bei 
solchem  •  Ansatz  erscheint  uns  die  Vasenmalerei  in  stetigem  Fortschritt 
begriffen,  der  einer  lebendig  str€yi)enden  Kmist  natürlich  und  nothwendig 
i:»t,  setzt  man  aber  die  Anfönge  höher  an,  so  ist  man  genöthigt,  einen 
nicht  zu  motivirenden  Stillstand  in  der  Entwickelung  anzunehmen.  Vgl. 
die  Bemerkungen  Bnum's  bullet.  1861  p.  9  über  die  von  Conze  heraus- 
gegebenen melischen  Thongefasse. 


12  Altgriechische  Kuii&t. 

6 — 9.  Metopenreliefs  von  Selinunt*.  Die  drei  zu- 
nächst folgenden  Reliefs,  in  Tuf stein  gearbeitet,  wurden  im 
Sommer  1822  von  den  englischen  Architekten  William  Harris 
und  Samuel  Angell  unter  den  Trümmern  eines  alterthiUnlichen 
dorischen  Tempels  auf  der  Burg  von  Selinunt  entdeckt  und 
befinden  sich  seitdem  im  Museum  von  Palermo. 

Das  erste,  aus  32  Stücken  zusammengesetzt,  stellt  den 
Perseus  dar,  in  Gegenwart  seiner  Schutzgöttin  Athene  der 
Meduse  das  Haupt  abschneidend.  Er  ist  wie  es  scheint,  nur 
mit  einem  Schurz  bekleidet,  wenn  nicht  vielmehr  anzunehmen, 
dass  dieser  Schurz  nur  das  Ende  eines  knapp  anliegenden 
kurzen  Gewandes  ist,  dessen  oberer  Rand  durch  Farbe  be- 
zeichnet sein  konnte.  Die  Schuhe  sind  nicht  Flügelschuhe, 
mit  denen  der  Mythus  den  Perseus  ausstattet,  sondern  die  im 
alterthümlicheh  Stil,  unter  Anderm  auch  bei  Hermes  sehr  ge- 
wöhnlichen Schnabelschuhe;  eine  einfache  runde  Kappe  mit 
schmalem  Rande,  die  auch  Hermes  oft  trägt,  bedeckt  den 
Kopf.  Die  Meduse,  die  wohl  mit  einem  durch  Malerei  ange- 
deuteten kurzen  Gewände  bekleidet  war,  ist  kraftlos  ins  Knie 
gesunken  und  hält  in  ihren  Armen  mit  naiver  Zärtlichkeit 
den  Pegasus,  der  aus  ihrem  Blute  entstand.  Die  unschöne 
Art,  wie  die  Geburt  des  Pegasus  sonst  in  alterthümlicher 
Kunst  dargestellt  wird  —  er  ragt  nämlich  mit  halbem  liCib 
aus  dem  blutenden  Halse  der  Medusa  hervor  —  hat  der 
Künstler  hier  vermieden,  Pegasus  ist  bereits  aus  den  herab- 
fallenden Blutstropfen  entstanden,  und  das  Wunder  sich  be- 
greiflich zu  machen,  bleibt  dem  Betrachtenden  überlassen.  Die 
Meduse  ist  entsprechend  der  naiven  Neigung  des  alten  Stils 
zu  wilden  Schreckgestalten  in  höchster  Scheusslichkeit  dar- 
gestellt, doch  fehlen  ihr  noch  die  schlangendurchflochtenen 
Haare,  die  sie  später  unter  dem  Vorgang  des  Aeschylus  und 
Pindar  erhielt.  Pallas  steht  starr  da,  nicht  um  die  feierliche, 
affektlose  Ruhe  der  Gottheit  zu  repräsentiren,  sondern  in 
Folge  des  alterthümlichen  Stils,  der  die  bei  einer  Handlung 
nicht  direct  betheiligten  Personen  in  absoluter  Regungslosig- 
keit bildet.  Ihre  rechte  Hand  scheint  auf  der  Brust  gelegen 
und  vielleicht  einen  Speer  gehalten  zu  haben,  die  Aegis  war 
durch  braunrothe  Farbe  an  Hals  und  Brust  angedeutet.  Mit 
derselben  Farbe  war  auch  der  Grund  der  Figuren  bemalt, 
und   die   in  Form    eines  Mäanders    an    der   breiten   vordem 


*  Im  Lycischen  Hof  n.  270  —  273. 


Altgriechische  Kunst.  13 

Falte  des  Gewandes  der  Göttin  herablaufende  Verzierung. 
Auch  sonst  noch  fand  man  Farbenreste  am  Gewände,  und 
Augen  und  Augenbrauen  der  Göttin  waren  schwarz  gemalt, 
die  Augen  der  Meduse  roth.  Der  eine  von  Pegasus  sicht- 
bare Flügel  zeigt  auch  Farbenspuren*. 

Das  zweite  aus  48  Bruchstücken  zusammengesetzte  Re- 
lief stellt  den  Herakles  mit  den  Kerkopen  dar.  Er  hat  die 
neckischen  und  diebischen  Kobolde,  die  ihm  keine  Ruhe  Hessen, 
eingefangen  und  an  Händen  und  Füssen  gebunden  und  trägt 
sie  nun  auf  einem  Tragholz  wie  ein  paar  erbeutete  Thiere 
davon.  Der  starke  Schritt  und  die  straffe  Anspannung  der 
Beine,  wodurch  es  veranlasst  ist,  dass  beide  Füsse  gegen  die 
Naturwahrheit  mit  der  vollen  Fläche  der  Sohle  auf  dem  Bo- 
den stehen,  sind  charakteristisch  für  den  Stil  der  alterthüm- 
lichen  Plastik  und  Malerei,  die  vor  Allem  nach  dem  Ausdruck 
von  Kraft  und  Tüchtigkeit  strebt.  Während  Herakles  in  an- 
dern Kunstschulen  Griechenlands  in  älterer  Zeit  bärtig  dar- 
gestellt wurde,  ist  er  hier  jugendlicher  aufgefasst,  und  trägt 
im  Gegensatz  zu  den  Kerkopen,  kurze  Haare,  worin  schon 
ein  Gefühl  für  das  Eigenthümliche  seines  Wesens  sich  aus- 
spricht. Bekleidet  ist  er  mit  einem  kurzen  durch  Malerei 
deutlicher  bezeichneten  Gewände,  das  durch  einen  Gürtel  ge- 
halten wird,  sein  Schwert  hängt  eigenthümlicher  Weise  ganz 
horizontal,  vielleicht  um  es  sichtbar  zu  machen  oder  um  die 
Lücken  vor  und  hinter  dem  Körper  symmetrisch  zu  durch- 
schneiden. Der  Schwertriemen  und  der  Gürtel  sind  durch 
einen  rothgemalten  Streifen  bezeichnet,  ebenso  die  Bänder, 
womit  die  Kerkopen,  deren  Gewandung  gleichfalls  durch  einen 
rothen  Strich  am  Hals  und  an  den  Armen  angedeutet  ist,  an 
Knöcheln,  Knien  und  Händen  gebunden  sind.  Auch  der  Grund 
des  Reliefs  war  roth  bemalt,  und  an  der  obem  Platte  hat 
man  noch  deutliche  Spuren  eines  roth  gemalten  Mäanders  be- 
merkt. 

Das  dritte  Relief  ist  aus  59  Stücken  zusammengesetzt, 
doch  fehlt  noch  viel  um  die  Darstellung  deutlich  zu  erkennen. 
Die  Restauration  hat  dem  Relief  die  Metopenform  und  deren 
Maass  gegeben,  und  es  ist  auch  immer  am  wahrscheinlichsten, 
dass  es,   wie  jene  anderen,   ursprünglich  eine  Metope  gefüllt 


•  In    demselben    Saal    hängt   ein    farbiger  Abguss    dieses  Reliefs, 
dessen  Bemalung  aber  nicht  mit  den  Ausgrabungsberichten,  wonach  das 
,^  .-.  •-'Mtokte  der  Figuren  farblos  war,  übereinstimmt. 


rf.-  ■ 


14  .Altgriechische  Kunst. 

hat.  Der  Vorsprung  der  untern  Platte,  auf  welcher  die  Fi- 
guren stehen,  ist  allerdings  beträchtlicher,  hier  14—15,  dort 
nur  6  Zoll,  allein  diese  Ungleichheit,  die  durch  die  Darstel- 
lung der  Pferde  in  der  Vorderansicht  veranlasst  scheint,  die 
schon  jetzt  verkürzt  sind,  konnte  durch  die  Aufstellung  für 
das  Auge  verschwinden.  Der  Stil  ist  aber  nicht  in  dem 
(jrade  vorzüglicher  um  eine  gleichzeitige  Verfertigung  auszu- 
schliessen. 

Es  scheint  dass  die  vier  Pferde,  die  in  einer  im  alten 
Styl  typischen  Weise  so  dargestellt  sind,  dass  die  innern  und 
äussern  und  zwar  letztere  mit  auswärts  gewandten  Köpfen 
unter  sich  correspondiren,  von  der  mittlem  Figur  gelenkt 
werden.  Von  dieser  ist  erhalten  der  Kopf,  der  Leib  über 
dem  Wagen,  dessen  Vorderwand,  Deichsel,  Achse  und  Räder 
man  sieht  und  der  linke  Vorderarm  mit  der  Hand,  welche 
tlie  nach  dem  rechten  Eckpferd  und  seinem  Nachbar  führen- 
den Zügel  hält.  Die  äussern  Pferde  stehen  den  innern  etwas 
voran,  vermuthlich  um  den  hinter  ihnen  befindlichen  Figuren, 
Frauen  mit  lang  herabhängenden  Gewändern,  Platz  zu  machen. 
Eine  neben  dem  Kopf  der  mittleren  Figur  befindliche  linke 
Hand  gehört  der  Figur  zur  Linken  an,  ein  rechter  gleichfalls 
erhobener  Vorderarm  ist  von  der  zur  Rechten  sichtbari  Ueb- 
rigens  sind  die  neben  dem  Wagen  stehenden  Figuren  eben 
so  hoch  wie  die  auf  demselben  stehende,  nach,  dem  beim 
Fries  von  Assos  (n.  4)  berührten  Gesetz,  die  Pferde  aber  sind 
zu  klein  im  Vergleich  zu  den  Menschen,  vielleicht  um  die 
Verdeckung  der  hinter  ihnen  stehenden  Figuren  zu  vermeiden, 
doch  könnte  diese  Abweichung  von  der  Natur,  die  auch  in 
der  späteren  Kunst  und  unter  andern  Verhältnissen  vorkommt, 
auch  schon  hier  aus  dem  Bestreben  erklärt  werden,  di«  der 
Bedeutung  nach  wichtigeren  Figuren  auch  äusserlich  als  sol- 
che hervorzuheben.  Am  Pferdegeschirr,  am  Wägen  und  auf 
dem  Grunde  des  Reliefs  haben  sich  auch  hier  Spuren  rother 
Farbe  gefunden.  Auf  eine  Erklärung  dieses  Stücks  muss 
durchaus  verzichtet  werden. 

Das  Relief  dieser  Werke  steht  dem  Ursprung  des.  Re- 
liefstils noch  sehr  nahe,  die  Figuren  sind  an.  den  Seiten  nicht 
gegen  den  Grund  zu  gerundet  und  auf  ihrer  -  Vorderseite 
durchaus  flächenartig  gehalten.  Erst  später  werden  die  Re- 
lieffiguren vom  und  an  den  Seiten  nach  Art  freier  Figuren 
gerundet,  ursprünglich  waren  sie,  mochte  das  Relief  hoch  oder 
niedrig  sein,  Flächenfiguren,  für  die  Fläche,  geschaffen^  deren 


.  Altgriechische.  Kunst.  j^5 

Schmuck  sie  sein  sollten.  Um  dieser  Anfordernng  zu  ent- 
sprechen, begeht  der  älteste  strengste  Reliefstil  sogar  die 
stärksten  Verstösse  gegen  die  Naturwahrheit.  Gewöhnlich 
werden  nämlich,  auch  in  der  ältesten  Malerei,  Kopf  und  Beine 
der  Figuren  ins  Profil  gestellt,  während  man,  wie  hier,  die 
Brust  von  vom  sieht.  Auf  ägyptischen  und  assyrischen  Re- 
liefs bemerkt  man  dasselbe.  Offenbar  wollte  man  durch  die 
Profilstellung  von  Kopf  und  Beinen  das  Heraustreten  vorra- 
gender Theile,  der  Nase  und  der  Füsse,  aus  der  Fläche  ver- 
meiden, wäre  aber  auch  die  Brust  ins  Profil  gestellt,  so 
würde  sie  mit  der  einen  Schulter  aus  dem  Niveau  der  Fläche 
herausgetreten  sein,  während  sie  von  vom  gesehen  durchaus 
darin  bleibt.  An  den  selinuntischen  Reliefs  sieht  man  aller- 
dings auch  die  Köpfe  von  vom,  weil  deir  Künstler  hier  bei 
ilem  hohem  Vorsprang  des  Reliefs  ohne  wesentliche  Beein- 
trächtigung der  fiächenartigen  Behandlung  wenigstens  Kopf 
und  Brust  in  Harmonie  setzen  konnte.  Die  von  vom  gesehe- 
nen Köpfe  machen  auch  einen- lebendigeren  Eindrack  und 
insbesondere  konnte  derjenige  der  Meduse,  dem  erst  in  spä- 
ten Zeiten  der  Kunst  Profilstellung  gegeben  wird,  sich  nur 
von  vorn  präsentiren,  wenn  die  schreckhafte  Wirkung,  die 
dem  Medusenkopf  beigelegt  wird,  zur  Anschauung  kommen 
sollte.  Die  Haltung  der  Arme  an  den  ältesten  Relieffiguren 
wird  ebenfalls  durch  die  Rücksicht  auf  Innehaltung  der  Fläche 
bedingt,  der  rechte  auf  der  Brast  liegende  Arm  des  Herakles 
soll  nichts  Besonderes  ausdrücken,  sondern  ist  nur  hierdurch 
veranlasst.  Auch  die  Köpfe  der  äussern  Pferde  auf  dem 
dritten  Relief  scheinen  nicht  bloss  der  Abwechslung  wegen 
herumgedreht  zu  sein,  sondern  um  in  einer  Fläche  zu  bleiben 
mit  den  Köpfen  der  zurückstehenden  mittleren. 

E^inige  Einzelheiten,  die  hochstehenden  Ohren,  die  ausser- 
dem, namentlich  bei  der  Meduse,  nicht  am  Kopf  anliegen, 
sonderh  in  merkwürdiger  Weise  herausgebogen  sind,  wie  man 
es  an  ägyptischen  Werken  findet,  weisen  auch  hier  auf  fremde 
Einflüsse,  im  Ganzen  aber  tragen  diese  Sculpturen  den.  Cha- 
rakter primitiver  IJnbehülflichkeit;  eine  längere  Kunstübung, 
die  zur  Begründung  eines  festen  Stils  erforderlich  ist,  kann 
ihnen  nicht  vorausliegen.  Bemerkenswerth  ist  in  dieser  Hin- 
sicht das  Schwanken  in  den  Proportionen  der  Figuren,  He- 
rakles, ist    5  Kopflängen  hoch,   Minerva  4^/4,   Perseus  aber 

nur  4^4. 

Diese  Angaben  charakterisiren  zugleich  den  derben,  un- 


1(5  Altgriechische  Kunst. 

tersetzten  Bau  dieser  Figuren.  Die  Tendenz  dieses  Stils 
scheint  der  Ausdruck  möglichster  Bj*aft  zu  sein,  daher  das 
Gedrungene  und  die  gewaltige  Muskelfülle  der  Gestalten. 
Dies  stimmt  zusammen  mit  dem  schweren,  gedrückten  Cha- 
rakter der  Architektur,  mit  welcher  diese  Sculpturen  in  Ver- 
bindung standen.  Doch  ist  er  nicht  dadurch  veranlasst,  denn 
es  sind  auch  anderswo  ganz  ähnliche  Monumente,  die  sich 
nicht  an  einem  Tempel  befanden,  zum  Vorschein  gekommen, 
in  Selinunt  ist  er  in  drei  verschiedenen  Entwicklungsstadien 
zu  beobachten  und  immer  bleibt  ihm  die  Neigung  zum  Der- 
ben und  Kräftigen  wenn  auch  in  geringerm  Grade  eigenthüm- 
lich.  Man  hat  ihn  in  neuerer  Zeit,  als  man  anfing,  innerhalb 
der  altgriechischen  Kunst  verschiedene  Richtungen  zu  unter- 
scheiden, als  dorischen  Stil  bezeichnet,  da  ja  Selinunt  und 
Sparta,  wo  er  auch  vertreten  ist,  dorische  Städte  waren  und 
ausserdem  die  angegebene  Eigenthümlichkeit  dem  Wesen  des 
dorischen  Stammes  zu  entsprechen  schien,  nur  darf  man  nicht 
glauben,  dass  alle  dorischen  Städte  in  dieser  Weise  bildne- 
risch thätig  gewesen  seien. 

Die  Reliefs  können  nicht  früher  als  gegen  den  Schluss 
des  7.  Jahrhunderts  —  der  Erbauungszeit  von  Selinunt  — 
entstanden  sein,  doch  auch  schwerlich  lange  nachher.  We- 
nigstens ist  der  Tempel,  zu  dem  sie  gehören,  unzweifelhaft 
im  Anfang  der  Stadt  gebaut,  da  er  von  allen  der  alterthüm- 
lichste  ist  und  sich  auf  der  Akropolis  befindet,  deren  Heilig- 
thümer  zuerst  erbaut  wurden.  Gewiss  aber  sind  die  Re- 
liefs mit  dem  Bau  gleichzeitig,  die  Tracht  des  Herakles 
giebt  uns  hier,  wie  beim  Fries  von  Assos  (n.  4)  eine  Zeit- 
grenze und  der  primitive  Charakter  der  Sculpturen  ist  dieser 
Annahme  nur  günstig. 

Nicht  von  einem  Tempel  der  Akropolis  von  Selinunt, 
sondern  der  Unterstadt  stammt  endlich  das  vierte  Metopen- 
relief,  mit  einem  andern  ähnlichen  von  den  oben  genannten 
englischen  Architekten  gefunden  und  auch  in  Palermo  befind- 
lich. Die  Metopentafel  bestand  aus  zwei  durch  metallene  Ha- 
ken verbundenen  Stücken,  von  denen  sich  nur  das  untere  er- 
halten hat.  Doch  ist  wenigstens  genug  übrig  geblieben,  um 
die  Handlung  zu  verstehen.  Die  schwerbekleidete  Frau  zur 
Linken  schwang,  wie  aus  der  Stellung  des  Unterkörpers  zu 
schliessen,  mit  der  Rechten  eine  Waffe  gegen  den  bereits  ins 
Knie  gesunkenen  Gegner;  gewiss  ist  der  Kampf  einer  Göttin 
gegen  einen  Giganten  gemeint,  der  auch  in  dem  andern  von 


Altgriechiscbe  Kuost  17 

demselben  Tempel  stÄmmenden  Metopenfragment  dargestellt 
scheint.  Es  wtirden  demnach  an  diesem  Tempel  mehrere 
Metopen  sich  auf  einen  und  denselben  Mythus  bezogen  haben, 
wie  es  meistens  in  der  vollendeten  Zeit  der  Knnst  der  Fall 
war,  während  an  jenem  älteren  Tempel  kein  sachlicher  Zu- 
sammenhang zwischen  den  einzelnen  Reliefs  gewesen  zu  sein 
scheint  Der  Gigant  ist  nach  älterer  Weise  ohne  Schlangen- 
fOsse  und  bekleidet  dargestellt,  ttber  dem  kurzen  Rock  trägt 
er  einen  Lederpanzer  und  darüber  soU  auch  noch  ein  Fell 
bemerklich  sein,  das  jedenfalls  durch  Farbe  deutlicher  her- 
vorgehoben war.  An  einem  Tragriemen  h^gt  seine  Schwert-, 
scheide,  das  Schwert  hielt  er  gewiss  zu  seiner  Vertheidigung 
in  der  Rechten,  hinter  ihm  steht  sein  Schild. 

Dies  Relief  zeigt  allerdings  noch  die  breite,  vierschrötige 
Bildung  der  Gestalten  der  früheren  Zeit,  es  ist  auch  in  der 
ReUefbehaadlung  noch  sehr  verwandt,  doch  aber  im  Stil  be- 
deutend vorgeschritten  und  auch  darin,  dass  die  Metope  nur 
zwei  Figuren  enthält,  wie  es  der  durchgehende  Brauch  in  der 
Blüthezeit  der  Kunst  ist.  Denn  so  lange  man  steife,  gradli- 
nige Gestalten  bildete,  bedurfte  man  wie  jene  alten  Metopen 
zeigen,  ihrer  drei  zur  Ausfüllung  dieses  Raums,  der  Fortschritt 
zu  bewegteren  Stellungen  —  namentlich  Kämpfergruppen  wa- 
ren willkommen  für  die  Metopenreliefs  —  brachte  die  Be- 
schränkung auf  zwei  mit  sich.  Durch  die  Darstellung  beweg- 
ter Gestalten  wurde  zugleich  der  etwas  monotone  Parallelismus 
zwischen  den  vertikalen  Linien  der  Gestalten  und  der  be- 
grenzenden Triglyphen  aufgehoben. 

Dem  Stil  nach  niöchten  wir  das  Relief  der  zweiten  Hälfte 
des  sechsten  Jahrhunderts  oder  einer  noch  etwas  späteren 
Entstehungszeit  zuschreiben. 

Üeber  die  Auffindung  der  Reliefs  vgl.  Klenze  bei  Thiersch  Epochen 
d.  bild.  Kunst  d.  Gr.,  2.  Aufl.  p.  405  ff.,  wo  sie  auch  ungenügend  ab- 
gebildet sind.  Am  besten  dagegen  bei  Serradifalco  Antichitä  di  Sicilia 
II.  Tav.  25  ff.  (der  übrigens  die  Löwenhaut  als  Tracht  des  Herakles  an- 
giebt,  was  ich  nach  den  Abbildungen  nicht  glauben  kann)  und  danach 
bei  Müller- "Wieseler  I.  Taf.  4.  5.  und  Overbeck  Gesch.  d.  gr.  Plast.  I. 
Rg.  6,  endlich  auch  bei  Hittorf  architecture  de  la  Sicile,  livraison  4, 
pl.  24.  25,  (wo  aber  etwas  weniger  Farbenspuren  angegeben,  als  nach 
Serradifalco  vorhanden  sind)  und  das  fragmentirte  Relief  livr.  8  pl.  49 
(mit  etwas  verfehlter  Ergänzung),  Aeltere  Literatur  bei  0.  Müller  Hand- 
buch §.  90,  2.  Zu  vergleichen  ist  das  spartanische  Relief  in  Annali 
1861  Tav.  C.  p.  34.  Ueber  die  Wahl  von  Kampfscenen  zur  Verzierung 
der  Metopen  Bröndsted  Voyage  en  Grece  H. 

Friederichs,  griech.  Plastik.  2 


18  Ahgriechische  Kunst. 

10.  Samothracisches  Relief*,  aus  Marmor,  1790  auf 
der  Insel  Samothrace  entdeckt,  und  in  den  Besitz  des  Grafen 
Choiseul- Bouffier  gekommen,  seit  1816  in  Paris  im  Louvre. 
Es  ist  hier  in  eine  Wand  eingelassen  und  dabei  zu  Schaden 
gekommen.  Den  Rand  desselben  bildete  nämlich  ursprünglich 
der  geschuppte  Hals  und  offne  Rachen  eines  gehörnten  ün- 
thiers,  der  nun  fast  ganz  zerstört  ist.  Doch  ist  wenigstens 
in  Zeichnungen  der  ursprüngliche  Zustand  erhalten. 

Die  Bestimmung  dieses  Reliefs  ist  nicht  klar.  Man  hat 
vermuthet,  es  sei  ein  Stück  der  Armlehne  eines  Sessels  oder 
auch  eines  Tischfusses,  da  an  Geräthen  beiderlei  Art  der  aus- 
geschweifte Rand  oft  mit  einem  Thierkörper  ähnlicher  Art 
verziert  ist.  Indessen  spricht  gegen  erstere  Annahme  dies, 
dass  sich  an  der  Platte  wohl  schon  eine  Spur  der  Krümmung 
zeigen  müsste  und  gegen  beide,  dass  sich  an  der  Hinterseite 
und  oben  und  unten  Spuren  erhalten  haben  sollen,  die  auf 
eine  Befestigung  an  einer  Wand  schliessen  lassen.  Der  eigcn- 
thümliche  volutenartige  Körper  zur  Rechten  ist  offenbar  das 
phantastisch  behandelte  Hörn  des  den  Rand  bildenden  Unge- 
thüms.  Die  Verzierung  am  obern  Rand,  aus  Blüthen  und 
Palmetten  zusammengesetzt,  findet  sich  sehr  gewöhnlich  am 
Hals  der  bemalten  Vasen  alterthümlichen  Stils  und  ist  sehr 
passend  als  Bekrönung,  als  Abschluss  nach  oben.  Unten  ist 
ein  Saum  angebracht  in  Form  eines  Geflechts,  eine  Verzierung, 
die  wie  jene  erste  in  griechischer  und  etruscischer  und  orienta- 
lischer Kunst  sehr  beliebt  ist. 

Ueber  die  Darstellung  lassen  die  beigefügten  Inschriften 
keinen  Zweifel.  Es  ist  Agamemnon  vorgestellt,  auf  einem 
Klappstuhl  sitzend,  hinter  ihm  sein  Herold  Talthybios  mit  dem 
Heroldstab  und  Epeios  (von  dessen  Namen  nur  die  drei  ersten 
Buchstaben  erhalten  sind),  der  Erbauer  des  hölzernen  Rosses, 
der  aber  in  der  Dichtung  auch  als  ein  Diener  der  Könige 
auftritt.  Vielleicht  hielt  auch  er  einen  Heroldstab,  der  dann 
durch  Malerei  angedeutet  sein  musste.  Die  feierliche  Erschei- 
nung des  Agamemnon  mit  den  Dienern  hinter  seinem  Stuhl 
lässt  vermuthen,  dass  irgend  eine  wichtige  Scene  der  Bera- 
thung  oder  königlichen  Entscheidung  vorgestellt  war,  von 
welcher  uns  nur  dies  Bruchstück  übriggeblieben. 

Das  Relief  ist  sehr  interessant  für  die  Geschichte  dieser 
Kunstgattung.     Wir    deuteten   schon  bei   den   selinuntischen 


*  Im  Lycischen  Hof  n.  207. 


Altgriechische  Kunst.  19 

Reliefs  (n.  5)  darauf  hin;  dass  die  ältesten  Relieffiguren;  wie 
sie  uns  in  ägyptischen,  assyrischen,  altgriechischen  und  alt- 
etruscischen  Werken  entgegentreten,  nichts  weniger  als  hal- 
birte  Menschen  sind.    Dazu  wurden  sie  erst  später,  als  man 
das  Bedttrfniss  nach  einer  der  Realität  mehr  entsprechenden, 
runden  Bildung  fühlte.     Ursprünglich  aber  ist  jede  Figur  nur 
ein  stehengebliebenes  Stück  einer  Fläche,  das  sich  daher  auch 
mit  kantigem  Contour  vom  Grunde  abhebt.    Denn  das  Cha- 
rakteristische des  ältesten  Reliefs  liegt  darin,  sich  der  Archi- 
tektur, an  der  es  sich  befindet,  unbedingt  unterzuordnen  und 
aufs  Engste  zu  assimiliren  und  eben  darum  bleibt  es  selbst 
Fläche,  während  die  ganze  spätere  Entwicklung  des  Reliefs 
darauf  gerichtet  ist,  die  Plastik  vom   architektonischen  Hin- 
tergrunde zu  lösen  und  selbstständiger  zu  machen.    Je  flächen- 
artiger aber  das  Relief  gehalten,  um  so  nothwendiger  ist  die 
Hinzufügung  der  Farbe,  damit  das,  was  plastisch  nur  leise 
angedeutet  werden  konnte,  zur  Wirkung  komme. 

In  den  ältesten  Werken  ist  nun  das  Flächenartige  des 
Reliefs  bis  zu  dem  Grade  festgehalten,  dass  manche  Figuren 
ganz  glatte  Flächen  sind.  Und  eben  dies  ist  der  Fall  an  der 
Figur  des  Agamenmon.  In  der  Blüthezeit  der  griechischen 
Kunst  dagegen  wird  zwar  auch  noch  das  flächenartige  Relief 
festgehalten  —  und  darin  liegt  vornehmlich  der  ruhige  und 
edle  Eindruck  des  griechischen  Reliefs  im  Gegensatz  zum  rö- 
mischen begründet  —  aber  doch  nicht  in  der  extremen  Weise 
jener  alten  Werke,  sondern  innerhalb  der  Fläche  wird.Vor- 
und  Zurücktreten  und  Rundung  der  einzelnen  Glieder  ausge- 
drückt In  dem  samothracischen  Relief  sind  aber  die  Beine 
der  beiden  Diener  in  gleicher  Höhe  gehalten,  so  dass  man 
nicht  weiss,  welches  das  vor-  und  welches  das  zurückstehende 
ist.  An  den  Gewändern  dieser  beiden  Figuren  sind  übrigens 
schon  ganz  feine  Falten  angegeben.  Malerei  unterstützte  un- 
zweifelhaft auch  hier  die  Wirkung  des  Reliefs,  es  sollen  sich 
auch  Farbenreste  erhalten  haben. 

Die  Figuren,  die  nach  der  Weise  der  ältesten  Kunst  in 
Stellung  und  Anzug  sich  genau  wiederholen,  sind  im  Ganzen 
mager  und  schlank,  gerade  im  Gegensatz  zu  den  selinunti- 
schen  Reliefs.  Aber  auch  mit  den  altattischen  Reliefs  haben 
sie  wenig  Verwandtschaft.  Die  Frisur  ist  ähnlich  der  des 
Apollo  von  Tenea,  Agamemnon  ist  wahrscheinlich  zum  Aus- 
druck höherer  Würde,  durch  längeres  Haar  ausgezeichnet. 
Die  Inschriften  sind  nach  einer  dem  alten  Stil   eignen 

2* 


20  Altgriechische  Kunst. 

Weise  nicht  gerade  fortiaufeud,  sondern  in  gewundner  Linie 
geschrieben.  Per  alterthümliche  Yasenstil  giebt  dazu  reich- 
liche Belege  und  zugleich  die  Erklärung,  da  wir  von  der  Va- 
senmalerei hinreichendes  Material  besitzen,  um  die  historische 
Entwicklung  genau  verfolgen  zu  können.  In  der  Kindheit 
der  Kunst  nämlich,  da  man  noch  nicht  die  edle  Einfachheit 
der  spätem  Zeit  kannte,  Hess  man  die  Zwischenräume  der 
Figuren  nicht  gerne  leer,  sondern  füllte  sie  aus  mit  Orna- 
menten oder  mit  Inschriften,  die  desswegen  manchmal  in  den 
wunderlichsten  Windungen  die  Darstellung  durchziehn.  Sie 
sind  hier  in  altjonischem  Alphabet  abgefasst,  doch  ist  aus 
ihnen  keine  genaue  Zeitbestimmung  zu  entnehmen.  Aus  dem 
Stil  wird  man  nur  soviel  bestimmen  dürfen,  dass  das  Werk 
schwerlich  später  als  um's  Jahr  500  zu  setzen  ist 

Abg.  Millingen  Anc.  unedited  monuments  Ser.  2  pl.  1.  Clarac 
musee  de  sculpt.  pl.  116,  238.  Stackelberg  in  Annali  d.  inst.  I.  tav. 
C,  2.  Müller -Wieseler  Denkm.  d.  A.  Kunst  I.,  11,  39.  Vgl.  Dubois, 
catalogue  d'antiquitös  de  feu  le  comte  de  Choiseul-Gouffier  1818  p.  38 
n.  108.  Clarac  description  du  Louvre  n.  608.  0.  Müller  Kl.  Sehr.  II 
598  fP.  und  in  Völkel's  Archaeol.  Nachlass  p.  171. 

In  der  Art  des  Reliefs  stehen  diesem  Werk  am  nächsten  ein  lako 
nisches  und  ein  lycisches  Relief,  beide  im  britischen  Museum  und,  so- 
viel ich  weiss,  noch  nicht  publicirt.  Ob  die  Griechen  selbstständig  auf 
diese  Anfange  des  Reliefs  und  auf  die  bei  den  selinuntischen  Metopen 
hervorgehobenen  Eigenthümlichkeiten  gekommen  sind,  ist  mir  sehr  zwei- 
felhaft. Denn  wenn  sie  überhaupt  in  irgend  einem  Punkt  von  Andern 
gelernt  haben,  so  ist  es  natürlicher,  auch  hier  die  Uebereinstimmung 
mit  den  Werken  fremder  Völker  aus  demselben  Grunde  abzuleiten. 

Ueber  die  Anordnung  der  Inschriften  vgl.  Völkel's  Archaeol.  Nach- 
lass p.  152  und  Friederichs,  die  Philostratischen  Bilder  p.  211.  212. 
Dass  wegen  des  (sicher  vorhandenen)  £i  im  Namen  des  Agamemnon  die 
Inschrift  und  damit  das  Werk  nicht  nach  Ol.  70  entstanden  zu  sein 
brauche,  wie  meistens  angenommen  wurde,  wird  jetzt  nicht  mehr  be- 
stritten werden.  Vgl.  Kirchhoff  Studien  zur  Gesch.  d,  griech.  Alphabets 
in  d.  Abhandl.  der  Berliner  Akad.  d.  Wiss.  1863  p.  141  ff.  145. 


B.  Werke  aus  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts. 

a)Die   attische  Kunst 

11.  Athene*,  Statuette  von  Bronce,  von  Prof.  Ross 
1836  im  Unterbau  des  Parthenon  gefunden,  in  Athen  befindlich. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  222. 


Attische  Kunst.  21 

Die  Gröttin  ist  in  Angriffsstellang;  sie  hatte  in  der  Linken 
den  Schild^  dessen  Handhabe  zurückgeblieben^  in  der  Rechten 
die  Lanze ;  oben  auf  dem  Helm  befindet  sich  ein  Loch  zum 
Einsetzen  eines  Helmbusches.  In  der  Tracht  entspricht  sie 
der  Göttin  des  äginetischen  Giebels  und  der  Dresdener  Pallas*, 
letzterer  auch  in  der  Stellung,  es  ist  daher  die  der  letzteren 
gegebene  genauere  Bestimmung  auch  auf  sie  anwendbar.  Ver- 
muthlich  war  die  Figur  ein  Weihgeschenk. 

Dass  das  kleine  Werk,  welches  sich  übrigens  nicht  durch 
l>esonders  feine  Ausführung  auszeichnet ,  älter  ist  als  der 
Parthenon,  geht  aus  Fundort  und  Stil  hervor;  eine  nähere 
Zeitbestimmung  ist  schwerlich  möglich**. 

Abg.  Ross  Arcliaeol.  Aufs.  I.  Taf.  7  p.  106,  wo  aber  der  IiTthum 
hinsichtlich  der  Kopfbedeckung  zu  berichtigen  ist.  Eine  ganz  überein- 
stimmende Bronce  ist  auf  Aegina  gefunden,  buUeU  d.  inst.  1864  p.  78. 

12.  Gorgonenhaupt***,  an  einem  S^irnziegel  aus  Terra- 
kotta, 1836  von  Prof.  Ross  im  Unterbau  des  Parthenon  ge- 
funden, in  Athen  befindlich. 

Das  Gorgonenhaupt  ist  hier,  wie  überhaupt  in  der  ganzen 
älteren  Eunst^  nur  als  ein  abschreckendes  Symbol  behandelt, 
nicht  als  ein  abgeschlagener,/  sterbender  Kopf,  wie  es  in 
späterer  Zeit  aufgefasst  wurde.  Auch  die  breite,  fast  kreis- 
runde Form  des  Gesichts  und  die  wilde  Hässlichkeit  der 
Züge  sind  specifisch  alterthümlich.  Diese  Maske  ist  der 
selinuntischen  Meduse  (n.  6)  sehr  ähnlich  und  unterscheidet 
sich  nur  durch  die  Schlangen,  die  wie  ein  Halsband  umge- 
knüpft zu  sein  scheinen,  und  durch  den  naiven  Schmuck  der 
Ohrringe,  der  an  Medusenköpfen  selten  ist  und  auch  dem 
Charakter  derselben  eigentlich  widerspricht.  Die  ganze  Maske 
war  bemalt  und  zwar  der  Natur  entsprechend:  das  Gesicht 
gelblich,  die  Haare  bläulich-schwarz,  Lippen  und  Zunge  roth, 
Zähne  weiss,  die  Schlangen  bläulich,  die  Ohrringe  roth.  lieber 
den  letzteren  bemerkt  man  an  jeder  Seite  mehrere  abwechselnd 
blau  und  roth  bemalte  Streifen,  deren  Bedeutung  uns  nicht 
klar  ist. 


•  Im  Griechischen  Saal  u.  23  u.  57. 

••  Wir  haben  dieses  und  die  beiden  folgenden  altattischen  Werke, 
Toii  d^neu  sich  uur  sagen  lässt,  dass  sie  vor  der  Mitte  des  fünften 
Jaiirhnnderts  entstanden,  bloss  desswegen  unter  dem  obigen  Zeitabschnitt 
au%efuhi-t,  um  sie  nicht  von  den  übrigen  altattischen  Sculpturen,  welche 
deins«*lben  mit  Sicherheit  zugewiesen  werden  können,  zu  trennen. 

***  Im  Griechischen  Saal  n.  362. 


22  Attische  Kunst. 

Abg.  mit  den  Farben  bei  Ross  Archaeol.  Aufs.  I.  Taf.  8.  p.  109 
und  Laborde,  le  Parthenon,  Titelbild.  Medusenköpfe  mit  Ohrringen  bei 
Levezow  Gorgonenideal,  Abh.  der  Berl.  Akad.  d.  Wiss.  1833  Taf,  2, 
n.  21.  22.  Vgl.  die  Bemerkungen  über  die  Meduse  Rondanini  im 
Treppenhaus  n.  133.  158. 

13.  Kolossale  Eule*;,  aus  Marmor,  auf  der  Akropolis 
von  Athen  gefunden,  in  der  Nähe  von  alterthümlichen  Säulen, 
auf  deren  einer  sie  ursprünglich  gestanden  haben  wird;  in 
Athen  befindlich. 

Es  war  etwas  sehr  Gewöhnliches,  als  Weihgeschenk  an 
die  Götter  die  ihnen  lieben  Thiere  in  der  verschiedensten 
Grösse  und  Materie  zu  schenken,  auch  diese  Eule  ist  ein 
solches  Geschenk  an  die  Pallas,  das  auf  einer  Säule  im 
Heiligthume  der  Göttin  aufgestellt  war.  Der  Stil  und  die 
Inschriften  der  beiden  Säulen,  deren  eine  die  Eule  getragen 
haben  wird,  sind  noch  sehr  alterthümlich.  Das  Detail  der 
Figur,  das  nur  mit*  schwachen  Zügen  bezeichnet  ist,  war 
ursprünglich   gewiss  durch  Farbe  wirksamer  hervorgehoben. 

Abg.  Ross  Archaeol.  Aufs.  I.  Taf.  14,  3  p.  205. 

14.  Pferdekopf**,  Rest  eines  Marmorreliefs,  im  Jahre 
1835  am  Parthenon  gefunden^  in  Athen  befindlich. 

Die  leeren  Augenhöhlen  waren,  nach  einer  im  alten  Stil 
nicht  seltenen  Praxis,  mit  einer  farbigen  Masse,  Glas  oder  Stein, 
ausgefüllt,  auch  die  Ohren  waren  besonders  gearbeitet  und  ein- 
gesetzt, wie  es  bei  frei  abstehenden  Gliedern,  namentlich  bei 
den  Geschlechtstheilen,  der  Bequemlichkeit  wegen  nicht  selten 
geschah.  Die  unausgearbeitete  Mähne  wird  farbig  gewesen 
sein.  Der  Charakter  der  Formen  ist  schon  derselbe,  wie 
am  Fries  des  Parthenon.  Da  bereits  die  Adern  ausgedrückt 
sind,  so  gehört  das  Werk  jedenfalls  schon  dem  fünften  Jahr- 
hundert an.  Wir  haben  eine  Nachricht,  dass  die  Adern  zuerst 
von  einem  Künstler  aus  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahr- 
hunderts dargestellt  seien  und  unsere  Monumente  bestätigen 
durchaus  die  Richtigkeit  dieser  Angabe.  Wie  wir  schon  bei 
der  Vergleichung  des  Apoll  von  Thera  und  Tenea  (n..  2.  3) 
bemerkten,  schreitet  die  Kunst  von  einer  mehr  ümrissartigen 
Darstellung  zu  immer  genauerer  Angabe  des  Details  fort. 

Vgl.  Ross  Archaeol.  Aufs.  I.  p.  93.    Scholl  Arch.  Mitth.  p.   119 

*  Im  Griechischen  Saal  n.  50. 
**  Im  Lycischen  Hof  n.  204. 


Attische  Kunst.  23 

• 

iu  163.  Aehnliche  Behandlung  der  Augen  an  dem  kalbtragendeu  Her- 
mes Arch.  Ztg.  1864  Taf.  187  p.  171  und  an  dem  zum  Parthenon  ge- 
rechneten Fragment  im  Griech.  Saal  n.  21.  Die  Bemerkung  des  Plinius, 
dass  Pythagoras  von  Rhegium  zuerst  die  Adern  an  seinen  Statuen  aus- 
gedrückt habe,  wird  gewöhnlich  nicht  in  strengem  Sinne  des  Wortes 
genommen,  vgl.  Bruim  Gesch.  d.  griech.  Künstl.  I.  140  und  Overbeck 
tiesch.  d  gr.  PI.  I.  p.  166,  (der  sich  etwas  künstlich  mit  den  nach  sei- 
ner Ansicht  vor  Pythagoras  entstandenen  Aegineten  auseinandersetzt). 
Wenn  wir  aber  ganz  von  Plinius  absehn  und  uns  nur  an  die  Monu- 
mente halten,  so  erhalten  wir  dasselbe  Resultat.  An  den  Statuen  des 
Harmodios  und  Aristogeiton  aus  Ol.  75  (n.  24.  25)  sind  die  Adern  aus- 
gedrückt, aber  an  keinem  einzigen  frühem  Werk,  ja  nicht  einmal  an 
solchen,  die  wie  der  sog.  Odysseus  in  Neapel  (n.  21)  mindestens  gleich- 
zeitig, wenn  nicht  später  entstanden  sind. 

15 — 17.  Drei  Torsen  kleiner,  weiblicher  Figu- 
ren*, aus  Marmor,  in  Athen  befindlich. 

Eine  Erklärung  dieser  Fragmente  zu  geben,  ist  uns  un- 
möglich, sie  sind  aber  kunsthistorisch  nicht  ohne  Interesse. 
Wir  sehen  schon  hier  das  Bestreben,  verschiedene  Stoffe  im 
Ober-  und  Untergewand  auszudrücken  und  dadurch  die  ganze 
Gestalt  zu  beleben.  Das  Untergewand  ist,  wie  auch  an  den 
folgenden  altattischen  Sculpturen  (n.  18.  19),  von  Wolle  und 
dieser  Umstand  berechtigt  uns,  diese  Werke  nicht  früher,  als 
in  die  erste  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  zu  setzen.  Denn 
bis  dahin  trug  man  in  Athen  den  linnenen  jonischen  Chiton. 
Charakteristisch  ist  auch  die  Art,  wie  das  Obergewand  an 
den  beiden,  ziemlich  übereinstinunenden  Torsen  getragen 
wird.  Es  ist  nämlich  wie  ein  modernes  Umschlagetuch  um- 
genommen, so  dass  die  beiden  Zipfel  über  Schulter  und  Arme 
vollkommen  symmetrisch  herabhängen.  Diese  Tracht  ist  im 
alten  Stil  ungemein  häufig  und  entspricht  dem  strengen 
Parallelismus  dieses  Stils,  in  der  Zeit  der  Kunstblüthe  wurde 
sie  aufgegeben.  Das  an  dem  grossesten  dieser  Torsen  vom 
Hals  herabhängende  Gewandstück  ist  uns  unverständlich. 

Abg.  Le  Bas,  monum.  fig.  pl.  2.  3.  Vgl.  Scholl,  Arch.  Mitth. 
p.  24  n.  5  (wo  nur  das  Versehn  zu  corrigiren,  dass  nicht  das  rechte, 
hondern  das  linke  Bein  vorgesetzt  ist)  n.  8  und  9. 

18.  Hermes  oder  The'seus  (?)  **,  Fragment  eines 
Marmorreliefs,  im  Jahre  1859  auf  der  Akropolis  von  Athen 
gefunden,  ebendaselbst  befindlich. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  51=53. 
•*  Im  Lycischen  Hof  n.  283. 


24  Attische  Kunst. 

Dieses  äusserst  liebenswürdige  Stück  altattischer  Eonst 
wird  als  Hermes  oder  Theseus  erklärt.  Es  finden  sich  näm- 
lich auf  alterthümlichen  Yasen  genau  entsprechende  Gestalteu 
des  Theseus,  wo  er,  mit  vorübergeneigtem  Körper,  das  Schwert 
in  der  Rechten,  die  Linke  ausgestreckt,  auf  den  Minotaur 
zueilt,  um  ihn  zu  erwürgen.  Die  Möglichkeit,  dass  denmach 
auch  dies  Fragment  zu  einer  solchen  Scene  gehört  habe, 
lässt  sich  nicht  bestreiten,  indessen  Hesse  es  sich  doch  ebenso- 
gut zu  einem  Hermes  ergänzen,  etwa  so,  wie  er  auf  alter- 
thümlichen Vasen  die  Göttinnen  zum  Paris  führt,  und  noch 
Anderes  wäre  möglich,  so  dass  wir  lieber  auf  eine  Erklärung 
verzichten.  In  der  eigenthümlichen  Frisur  des  Hinterkopfes, 
die  ach  oft  im  alterthümlichen  Stil  an  Männern  und  Frauen 
findet,  hat  man  kürzlich  den  Krobylos,  die  Haartracht  der 
alten  Athener,  zu  erkennen  geglaubt,  was  wir  bezweifeln. 

Das  Relief  ist  ausserordentlich  frisch  und  naiv  und  an- 
muthig,  die  Ausführung  sehr  sauber.  Man  hat  mit  Recht 
bemerkt,  dass  es  der  wagenbesteigenden  Göttin  (n.  19)  im 
Stil  sehr  verwandt  sei. 

Am  besten  aber  auch  noch  nicht  ganz  (namentlich  im  Mund)  ge- 
nügend publicirt  von  Conze:  Nuove  memorie  dell'  instituto  Tav.  XIII. 
A.  p.  408  ff.  Vgl.  bullet.  1859  p.  196,  1860  p.  53.  Conze  bestreitet 
in  überzeugender  Weise  die  gewöhnliche  Ansicht  über  den  Krobylos, 
aber  seine  eigne  Ansicht  kann  ich  nicht  für  richtig  halten,  weil  ich  auf 
das  Zeugniss  des  Heraclides  Ponticus  Werth  legen  muss.  Dieser  sagt 
ausdrücküoh,  dass  die  goldne  Cicade  sich  über  der  Stirn  befand  und 
■aus  Thucydides  erfahren  wir  (was  übrigens  auch  in  der  Stelle  des  He- 
raclides angedeutet  liegt)  dass  sie  im  Krobylos  steckte,  also  auch  dieser 
sich  über  der  Stirn  beiand.  Was  nun  unter  dem  Krobylos  zu  verstehen 
sei,  kann  aus  Xenophon  anab,  5,  4,  13  gefolgert  werden,  der  von  bar- 
barischen Helmen  sagt  x^dvtj  axvriva  xQxußvXov  ^xovra  xtnä  fiSaov, 
iyyvrara  riaQOSiÖTJ,  der  XQwßvkog  also  war  eine  nach  vom  überge- 
bogene Spitze,  so  dass  der  ganze  Hehn  wie  die  ebenfalls  vom  über- 
gebogene persische  Mütze  aussah.  Etwas  Aehnliches  muss  nun  auch 
4er  Krobylos  des  Haares  gewesen  sein,  d.  h.  ein  Haarbüschel,  der  über 
-der  Stirn  sich  erhob  und  nüt  der  Spitze  sich  vornüber  senkte,  und  ich 
glaube,  das  neapoütanische  Relief  mit  dem  sog.  Odysseus  (n.  21)  giebt 
ein  Bild  dessen  was  wir  suchen. 

Hiernach  tritt  uns  der  Krobylos  als  eine  signifikante  und  gleich  in 
die  Augen  fallende  Tracht  entgegen,  während  ich  in  dem  von  Conze 
als  Krobylos  bezeichneten  Zusammenbinden  der  lang  herabhängenden 
Haare  des  Hinterkopfs  nur  eine  einfache  praktische  Vorrichtung  (um  Un- 
bequemlichkeit oder  Unreinlichkeit  zu  verhindern)  sehe,  die  eben  dai^um 
auch  nichts  speciflsch  Attisches  ist.  Denn  dieselbe  Frisur  findet  sich 
auf  assyrischen  Reliefs  und  mit  unwesentlicher  Verschiedenheit  auf  dem 
Harpyienmonument. 


Attische  Kunst.  25 

19.  Wagenbesteigende  Göttin*,  Mannorrelief,  auf 
der  AkroiM)lis  von  Athen  gefunden  und  ebendaselbst  befind- 
lich. Das  vordere  Stück,  die  Schwänze  der  Pferde  und  ein 
Theil  der  Deichsel  des  Wagens,  ist  erst  sp&ter  und  an  einer 
andern  Stelle  der  Akropolis  gefunden,  gehört  aber  unzweifel- 
haft dazu. 

Es  ist  die  Frage  aufgeworfen,  ob  die  wagenlenkende 
Figur  männlich  oder  weiblich  sei,  und  allerdings  sind  die 
entscheidenden  Theile  des  Körpers  verdeckt  und  Haar-  und 
Gewandanordnung  für  beide  Geschlechter  passend.  Doch 
halten  wir  wegen  der  ausserordentlich  zarten  Arme  und 
Hände  die  letztere  Annahme  für  wahrscheinlicher.  Ist  es 
aber  eine  Frau,  so  liegt  es  näher,  an  eine  göttliche  als  an 
eine  menschliche  Wagenlenkerin  zu  denken,  nicht  sowohl, 
weil  die  Figur  tmverhältnissmässig  gross  ist  im  Vergleich 
zum  Wagen,  denn  es  ist  ein  allgemeines  Princip  in  der 
griechischen  Kunst,  alles  Nebensächliche,  ohne  Rücksicht  auf 
seine  natürliche  Grösse,  der  Hauptfigur  unterzuordnen,  sondern 
weil  wagenlenkende  Frauen  mit  der  Sitte  des  athenischen 
Lebens  schwer  vereinbar  sind.  Man  hat  daher  der  Figur 
den  Namen  einer  ungeflügelten  Nike  gegeben,  da  gerade 
diese  Göttin  so  oft  als  Lenkerin  eines  Gespanns  erscheint. 

Die  Meinung,  dass  das  Relief  zu  einem  Friese  und  zwar 
zum  Friese  des  älteren,  vorperikleischen  Parthenon  gehört 
habe,  ist  wohl  nur  durch  die  Voraussetzung  veranlasst,  dass 
auch  die  Wagen  am  Fries  des  Parthenon  von  weiblichen  Ge- 
stalten gelenkt  würden,  was  aber,  wie  wir  sehen  werden,  ein 
Irrthum  ist 

Sehr  richtig  hat  man  die  grosse  Aehnlichkeit  im  Stil 
dieses  Werks  mit  dem  Harpyienmonument**  hervorgehoben. 
Sie  bestätigt  den  Zusammenhang  zwischen  lycischer  und  atti- 
scher Kunst,  nur  ist  freilich  das  attische  Relief  bedeutend 
feiner  und  graziöser. 

Abg.  bei  Scholl  Archaeol.  Mittheil,  aus  Griecheulaud  Taf.  2,  ii.  4. 
p.  25.  Le  Bas,  Voyage  archeologique,  monum.  figui'es  pl.  1.  Vg-l. 
Gerhard  Annali  1837  p.  116.  Bmnn  im  bullet,  d.  inst.  1860,  p.  58. 
Michaelis  an  ders.  Stelle  p.  114,  J.  Braun  Gesch.  d.  K.  II.  p.  188. 
Bursian  in  der  Encyclopädie  von  Erscli  und  Gniber,  Bd.  82  p.  418. 
Die  Aehnlichkeit  mit  dem  Harpyienmonument  ist  zuerst  von  Fellows 
Lycia  p.  170  Anm.  2  hervorgehoben. 


*  Im  Lycischen  Hof  n.  286. 
**  Ebendaselbst  n.  259—262. 


26  Attische  Kunst. 

20.  Grabstein  des  Aristion  *,  Marmorrelief,  im 
Jahre  1838  zu  Velanideza  im  östlichen  Attika  von  Pittakis 
gefunden,  in  Athen  in  der  Sammlung  des  Theseion  befindlich. 
Das  feine  Relief  lässt  auf  die  Hinzufügung  von  Farbe  schliessen, 
die  sich  auch  reichlich,  doch  nicht  am  Nackten,  mit  Ausnahme 
von  Lippen  und  Auge,  erhalten  hat.  Der  Grund  des  Reliefs 
war  roth  bemalt,  blau  der  Panzer  und  wieder  roth  die  Ver- 
zierungen auf  demselben.  Die  Achselklappe  war  auf  der 
Schulter  mit  einem  Stern  und  der  auf  der  Brust  liegende 
Theil  mit  einem  Thierkopf  verziert,  den  Panzer  selbst  umzog 
ein  dreifaches,  mit  eingeritzten,  mäanderartigen  Ornamenten 
verziertes  Band,  unter  der  Brust,  über  der  Hüfte  und  in  der 
Mitte  der  über  den  Leib  herabhängenden,  metallbeschlagenen 
Lederstreifen.  Der  Helmbusch  war  von  Metall  angesetzt, 
man  bemerkt  noch  die  Spuren  der  Einfügung.  Auch  das 
Schamglied  war,  wie  es  scheint,  besonders  gearbeitet  und 
angesetzt,  da  sich  an  der  betreffenden  Stelle  Löcher  erhalten 
haben.  Die  Beinschienen  sind  ganz  den  Formen  des  nackten 
Beins  nachgebildet,  der  Panzer  nicht.  Er  ist  vielleicht  von 
Leder  zu  denken,  wie  der  Panzer  der  äginetischen  Statuen, 
oder,  was  wohl  richtiger,  als  ein  Metallpanzer  der  älteren 
Form,  als  man  noch  nicht  die  anatomischen  Details  von  Brust 
und  Rücken  im  Panzer  wiedergab,  wie  es  auf  spätem  Monu- 
menten und  in  allen  erhaltenen  griechischen  wie  römischen 
Panzern  der  FaU  ist.  Jedenfalls  sieht  man  aber  doch  an 
den  Beinschienen,  wie  sich  schon  hier  das  griechische  Princip 
Bahn  bricht,  die  Bewaffaung,  ähnlich  wie  die  Gewandung,  in 
einer  den  Formen  der  Natur  genau  entsprechenden  Weise  zu 
bilden.  Die  uns  erhaltenen  Beinschienen  sind  sämmtlich  in 
dieser  Weise  gearbeitet. 

Das  Monument  schmückte  das  Grab  eines  alten  Atheners, 
dessen  Name,  Aristion,  auf  der  (hier  nicht  vorhandenen)  Basis 
angegeben  ist.  Es  giebt  ein  Bild  des  Verstorbenen,  zwar 
noch  steif  figurirend,  ohne  Handlung  und  Ausdruck,  aber 
doch  in  charakteristischer  Weise,  nur  ohne  Portraitähnlich- 
keit  im  Gesicht.  Wir  sehen  einen  jener  alten  Athener  vor 
uns,  einen  der  Marathonskämpfer,  von  denen  namentlich 
Aristophanes  eine  lebendige  Vorstellung  giebt,  der  ihre  alt- 
fränkische Tracht  verspottet,  aber  ihre  sittliche  Tüchtigkeit 
bewundert.    Diese  Statue  ist  die  anschaulichste  Erläuterung 


*  Im  Lycischen  Hof  n.  281. 


Attische  Kunst.  27 

ZU  den  Worten  des  Dichters  und  zugleich  der  Zustände  da- 
maliger Zeit. 

Das  Werk  ist  mit  grösster  Sorgfalt  gearbeitet;  hätten 
noch  alle  die  zierlichen,  durch  Malerei  angegebenen  Details 
am  Panzer  üire  frühere  Frische,  wir  würden  sogleich  einen 
den  feinsten  alterthümlichen  Vasen  und  Skarabäen  ähnlichen 
Stil  erkennen.  Denn  diesem  bis  ins  Kleinste  treu  und  sorg- 
fältig detaillirenden  Eunststii,  der  dem  Stil  des  Epos  auf  dem 
Gebiet  der  Poesie  entspricht,  gehört  das  Werk  an.  Im 
Nackten  ist  freilich  nicht  dieselbe  Vollendung,  man  hat  mit 
Recht  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  rechte  Hand 
noch  ohne  alle  Angabe  des  anatomischen  Details  gebildet  ist. 
Die  Art  übrigens,  wie  der  Arm  herabhängt,  ist,  im  Gegen- 
satz zu  den  straff  angespannten  Armen  der  alten  Apollo- 
statuen, schon  frei  und  natürlich,  nur  dass  die  Hand  noch 
festgeschlossen  ist. 

Charakteristisch  scheint  auch  für  diesen  Stil  der  enge 
Raum,  in  den  die  Figur  „hineinökonomisirt^^  ist,  es  ist  an 
andern,  ähnlichen  Grabreliefs  ebenso.  Später  bewegen  sich 
die  Figuren  viel  freier  auf  ihrem  Raum. 

In  alterthümlichen  Schriftzügen  sind  unter  der  Figur  die 
Worte  angebracht:  Werk  des  Aristokles.  Dieser  altattische 
Künstler  ist  wahrscheinlich  ein  Zeitgenosse  jenes  Kritios,  von 
dem  wir  die  Gruppe  der  Tyrannenmörder  (n.  24.  25)  haben, 
nnd  des  Künstlers  der  Penelope  (n.  26),  an  welcher  wir  eine 
ähnliche  Bildung  der  Hand  bemerken.  Wenn  uns  sein  Werk 
nicht  so  bedeutend  erscheint,  wie  jene,  so  mag  das  wenigstens 
zum  Theil  von  der  Verschiedenheit  des  Gegenstandes  her- 
rühren. 

Abg.  ^EtprjfiSQlg  ccqx^^oX.  1838  Aug.  u.  Sept.  Scholl  Archaeol» 
Milth.  Taf.  I.  p.  28.  Stephan!  Rhein.  Mus.  1846  Taf.  I.  p.  4  (der  die 
Bohrlöcher  am  Schooss  richtiger  erklärt  als  Scholl).  Overbeck  Gesch. 
d.  gr.  PI.  I.  fig.  9  p.  97  ff.  Conze  Archaeol.  Ztg.  1860  Taf.  135  p.  19. 
Karbig  bei  Laborde  le  Pai-thenon  pl.  7.  Sharf  im  Classical  museum  I. 
zu  p.  252.  Revue  archeol.  1844  Taf.  2. 

Was  die  Form  des  Panzers  betrifft,  so  geht  aus  der  interessanten 
Stelle  bei  Xenoph.  Memorab.  3,  10,  9. hervor,  dass  er  bereits  zur  Zeit 
des  Socrates,  wenn  auch  noch  nicht  allgemein,  in  der  den  erhaltenen 
Exemplaren  entsprechenden  Weise  gearbeitet  wurde.  Unter  den  Monu- 
menten liefert  wohl  der  Parthenon fries  die  frühsten  Beispiele  dieser 
Form. 

Die  Annahme  Brunn's  bullet.  1859  p.  195  dass  die  Inschrift  der 
Basis  API2TI0N02  mit  der  andern  zusammenhänge,  so  dass  sie  den 
Vatemamen  des  Aristokles  enthalte,  scheint  mir  schon  wegen  des  zwi- 
schen beiden  Inschriften  gelassenen  Zwischenraums  unwahrscheinlich. 


28  Attische  Kunst. 

• 

Für  die  Zeitbestimmang-  des  Aristokles  g-iebt  uns  die  Inschrift  einen 
terminus  a.  q.,  Ol.  86,  1 ;  einen  terminus  p.  q.  haben  wir  nicht,  da  Brunn's 
Combination  (Gesch.  d.  g.  Künstler  1,  106)  doch  bedenklich  ist.  Vgl. 
Bursian  in  Jahns  ^Jahrb.  1856  p.  514.  Auch  die  andre,  denselben 
Aristokles,  wie  ich  glaube,  betreffende  Inschrift  lässt  sich  nicht  sicher 
datiren.  Man  schwankt  daher  in  der  Zeitbestimmung"  des  Reliefs  um 
etwa  20  Olympiaden,  der  frühste  Ansatz  ist  derjenige  Overbeck's,  der 
das  ReUef  an  das  Ende  der  50er  Olymp,  setzt,  aber  vom  Unsichern,  näm- 
lich von  den  Sculptm*en  des  Theseion  als  Werken  cimonischer  Zeit  aus- 
geht. Nach  meiner  Ansicht  ist  das  Werk  zwischen  Ol.  70  und  80  ent- 
standen, weil  es  gewissen  Vasenbildem  (z.  B.  dem  Innenbild  der  Sosi- 
asschaale),  die  wir  mit  Sicherheit  dieser  Zeit  zuweisen  können,  auf  das 
Genaueste  entspricht.  Ich  meine  diejenigen  Vasen,  die  nach  Polygnot 
entstanden  sein  müssen,  weil  sie  die  von  diesem  Maler  eingeführten 
Neuerungen  bereits  aufgenommen  haben,  und  vor  Ol.  86,  1,  wegen  des 
altattischen  Sigma,  das  sich  noch  auf  ihnen  findet.  Vgl.  die  Anm.  su 
n.  24.  25. 

21.  Grabrelief*,  aus  Marmor,  in  Neapel  befindlich, 
wohin  es  aus  der  Sammlung  Borgia  gekommen  ist. 

Wie  in  dem  eben  besprochenen  Relief,  so  steht  auch 
hier  die  Figur  des  Verstorbenen  auf  möglichst  knappem 
Raum.  Aber  ein  Fortschritt  liegt  darin,  dass  statt  des  steifen 
Figurirens  bereits  Bewegung  und  Ausdruck  der  Empfindung 
dargestellt  ist.  Und  zwai*  ist  es  der  den  besseren  griechi- 
schen Grabreliefs  eigene  Zug  der  Trauer,  der  sich  hier, 
wenn  auch  noch  nicht  im  Gesicht,  aber  doch  in  der  ganzen 
Stellung  kundgiebt.  Der  Mann  ist  durch  die  am  Handgelenk 
hängende,  kleine  Oelflasche  von  Seiten  seiner  gymnastischen 
Beschäftigungen  charakterisirt,  er  stützt  sich  auf  einen  langen, 
bis  unter  die  Arme  reichenden  Stock,  der  nach  den  Monu- 
menten besonders  in  Athen  gebräuchlich  gewesen  zu  sein 
scheint.  Die  aus  dem  Kopf  band  hervorragende,  gekrünmite 
Spitze  halten  wir  für  einen  Haarbüschel  und  zwar  für  den 
Krobylos,  die  Haartracht  der  alten  Athener.  Ein  gemüth- 
licher  Zug,  ^ie  sie  sich  so  oft  auf  den  griechischen  Grab- 
steinen finden,  ist  es,  dass  er  seinem  treuen  Hunde  die  Hand 
hinhält  zur  Liebkosung.  Der  Daumen  derselben  hat  übrigens 
eine  etwas  gezwungene  Stellung,  vielleicht  deswegen,  um  die 
Hand  nicht  noch  mehr  aus  der  Fläche  herausspringen  zu 
lassen.  Besonders  merkwürdig  ist  aber  das  rechte  Bein, 
dessen  Fuss,  ins  Profil  gestellt,  am  Grunde  anliegt,  während 
das  Knie  und  der  übrige  Theil  sich  von  vorn  präsentiren  und 


*  Im  Lycischen  Hof  n.  280. 


Attische  Kunst.  29 

somit  einen  aus  der  Fläche  herausspringenden  Fuss  erwarten 
lassen.  Aber  eben  dies  Herausspringen  aus  der  Fläche  wollte 
man  vermeiden^  selbst  um  den  Preis  der  Natnrwahrheit.  Es 
ist  ein  sehr  sprechender  Beleg  dafür,  mit  welcher  Strenge 
der  Flächencharakter  des  Eeliefs  in  der  älteren  Zeit  festge- 
halten wurde. 

Der  alterthümliche  Stil  ist  in  Gewandung  und  Körper- 
bildung noch  sehr  bemerkbar,  doch  kann  das  Eelief  nicht 
lange  vor  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  entstanden  sein. 
Einmal  wegen  der  Fortschritte,  die  es  dem  Grabstein  des 
Aristion  gegenüber  zeigt,  dann  weil  die  Bekrönung  des  RrC- 
liefs  genau  mit  den  Stimziegeln  des  Parthenon  übereinstimmt, 
wodurch  zugleich  der  attische  Ursprung  des  Werkes  wahr- 
scheinlich wird,  auf  welchen  auch  die  Eörperbildung  der 
Figur  hinweist  Die  Bekrönung  kommt  häufig  auf  den  atti- 
schen Grabsteinen  vor  und  besteht  ans  einer,  zwischen  zu- 
sammengekrümmten Ranken  aufsteigenden  Palmette,  die  einen 
schönen,  in  einer  Spitze  zusammenlaufenden  AbscMuss  bildet. 
Sie  ist  hier  in  flachem  und  strengem  Stil  gebildet,  dessen 
Wirkung  durch  Malerei  unterstützt  gewesen  sein  muss,  wie 
auch  wohl  an  der  Figur  einzelne  Details,  z.  B.  das  flach 
anliegende  Kopfband,  durch  Färbung  wirksamer  hervorgehoben 
wurden.  Auf  diese  flach  gehaltenen  Pahnetten  des  alten 
Stils  folgen  später  die  runder  hervortretenden,  reich  und 
prächtig  gebildeten,  die  dann  endlich  in  willkürliches  Schnörkel- 
wesen ausarten.  Es  ist  ein  Uebergang  von  einer  mehr  an- 
deutenden zu  einer  realistischeren  Auffassung,  der  sich  in 
allen  Künsten  wiederholt. 

Abg.  Mus.  borbon.  XIV,  tav.  10.  Schon  Gerhard  Annali  I,  138 
wollte  das  Werk  lieber  für  ein  Grabrelief  nehmen  als  für  eine  Darstel- 
lung des  Odysseus,  wie  es  früher  erklärt  wurde,  nur  sagt  er,  es  sei  ein 
defunto  cacciatore,  wie  es  scheint,  wegen  des  Hundes.  Vgl.  0.  Müller 
Kl.  Sehr.  II,  457.  Handbuch  d.  Archaeol.  p.  80  n.  28.  Conze  und 
Michaelis  Annali  1861  p.  81  ff.  Die  gekrümmte  Spitze,  die  ich  für  den 
Krobylos  halte,  findet  sich  auf  Vasen  häufiger,  z.  B.  Berl.  Mus.  n.  834. 
Man  kann  allerdings  zweifeln,  ob  sie  etwas  zum  Bande  Gehöriges  oder 
ein  Haarbüschel  ist,  letzteres  scheint  mir  hier,  wo  das  Band,  wie  man 
deutlich  sieht,  herumgewickelt  ist,  unzweifelhaft.  Vgl.  die  Bemerkungen 
zu  n.  18. 

22.  Grahrelief*,  von  Marmor,  in  Orchomenos  be- 
findlich. 


*  Wird  wahrscheinlich  im  Lycischen  Hof  aufgestellt  werden. 


30  Attische  Kunst. 

Dieses  Relief  ist  dem  eben  betrachteten  ausserordentlich 
ähnlich,  wir  haben  es  deswegen  hier  eingeschaltet,  wiewohl  es 
von  einem  naxischen  Künstler  herrührt.  Nur  ist  es  viel  flächen- 
artiger gehalten,  als  jenes  und  in  der  Modellirung  entschieden 
zurück.  Das  Vorspringen  des  Fusses  aus  der  Fläche,  das 
nach  der  Stellung  des  einen  Beines  zu  erwarten  war,  ist  hier 
in  anderer  Weise  vermieden,  als  dort,  der  Künstler  hat  sich 
nämlich  eine  unschöne,  im  alterthümlichen  Stil  sehr  seltene 
Verkürzung  erlaubt. 

Der  Mann  hält  seinem  Hunde  spielend  eine  Heuschrecke 
hin,  ein  dem  Leben  entnommenes  Motiv,  dergleichen  sich,  in 
der  Regel  freilich  schöner  und  angemessener  J  nicht  selten 
auf  Grabsteinen  findet.  Die  Kopfbedeckung,  ein  glatt  an- 
liegendes Käppchen,  ist  nicht  gewöhnlich. 

Der  Künstler  des  Reliefs  hat  sich  in  der  Inschrift  als 
Anxenor  von  Naxos  bezeichnet  und  lebte  in  der  ersten  Hälfte 
des  fünften  Jahrhunderts. 

Vgl.  Conze  und  Miphaelis  in  den  Annali  1861  p.  81  ff.,  wo  auch 
die  ungenügenden  Abbildungen  angeführt  sind,  und  wegen  der  Inschrift 
Michaelis  in  d.  Archaeol.  Ztg.  1865  p.  118,  dem  ich  aber  entgegnen 
muss,  dass  nach  dem  Gypsabguss  zu  urtheilen,  die  Inschrift  sehr  wohl 
um  2 — 3  Buchstaben  länger  gewesen  sein  kann,  da  die  vorspringende 
Leiste,  auf  der  sie  steht,  an  der  betreffenden  Stelle  abgebrochen  ist. 
Mir  scheint  daher  Kirchhoff's  Lesung  des  Schlusses  aX)^  iaiöeaS'e 
sehr  wahrscheinlich.  Das  Käppchen  ist  ähnlich  wie  das  des  Patroklus 
auf  der  Sosiasschaale. 

23.  Herakles  und  die  Hindin,  Marmorrelief,  zwischen 
1770  und  1780  für  die  Townley'sche  Sammlung  angekauft, 
seit  1807  im  britischen  Museum  befindlich. 

Der  über  die  Umrahmung  vorstehende  Rand  des  Reliefs 
lässt  vermuthen,  dass  es  irgendwo  eingelassen  war.  Wahr- 
scheinlich war  es,  nach  seiner  länglichen  Form  zu  urtheilen, 
an  einem  Altar  oder  an  der  Basis  eines  Candelabers  an- 
gebracht. 

Herakles,  das  Knie  auf  den  Rücken  der  Hindin  legend, 
drückt  mit  dem  ganzen  Gewicht  seines  Körpers  auf  sie,  um 
sie  zu  Fall  und  damit  zur  völligen  Unterwürfigkeit  zu  bringen. 
Wie  es  scheint,  ist  eine  Hindin,  nicht  ein  Hirsch,  dargestellt, 
die  Künstler  aber  scheuten  sich  nicht  'nach  dem  Vorgang 
der  Dichter,  der  Hindin  ein  Geweih  zu  geben,  indem  sie  die 
Naturwahrheit  der  Schönheit  nachsetzten.^ 

Die  Gestalt  des  Herakles  ist  schon  treffend  charakteri- 
sirt.    Ausser  der  gewaltigen  Muskelfülle  ist   ihm   besonders 


Attische  Kunst.  31 

der  starke  Nacken  eigen,  —  die  Linie  vom  Hinterkopf  bis 
an  die  Schulter  ist  fast  eine  gerade  —  als  Zeichen  der 
ünbengsamkeit  in  allen  Mühen,  die  ihm  aufgeladen  wurden. 
Die  Stirn  ist  niedrig  und  tritt  in  ihrer  untern  Hälfte  stark 
hervor,  nicht  Intelligenz,  sondern  Energie  und  Willenskraft 
ausdrückend.  Lange  Haare  wären  für  ihn  zu  weich  und  ideal, 
schlichte  ausdruckslos,  die  kurzen,  kraus  zusammengerollten 
Locken,  mit  denen  der  ganze  Kopf  bedeckt  ist,  entsprechen 
allein  der  störrigen  Kraft  dieses  Heros. 

Das  Relief  ist,  wiewohl  charaktervoll  gearbeitet,  doch 
kein  Originalwerk.  Es  genügt  in  dieser  Beziehung  darauf 
hinzuweisen,  dass  der  linke  Fuss  mit  der  rechten  Wade 
unterschiedslos  zusammenfliesst.  Doch  repräsentirt  es  für 
uns  ein  berühmtes  Werk,  denn  wir  finden  dieselbe  Composi- 
tion  in  einer  grossen  Anzahl  von  Reliefs  und  freien  Gruppen 
späterer  Zeit,  in  welchen  freilich  die  befangene  Stellung  und 
die  ganze  Darstellung  ein  lebendigeres,  affectvoUeres  Aussehen 
erhalten  haben,  ausserdem  aber  nur  geringe  Modificationen 
vorgenommen  sind.  Wahrscheinlich  ist  das  Werk  aus  der 
attischen  Schule  hervorgegangen,  die  Gestalt  des  Herakles 
wenigstens,  die  an  verschiedenen  Orten  verschieden  aufgefasst 
wurde,  —  ganz  anders  z.  B.  in  Selinunt  —  erscheint  in  sehr 
ähnlicher  Bildung   auf  den   alterthümlichen  attischen  Vasen. 

Abg-.  Specimeus  of  aucient  sculpt.  I.  pl.  11.  Marbles  of  the  bri- 
tish museum  II,  7.  Müller- Wieseler  I,  14,  49.  Vgl.  Vaux  haudbook 
to  the  British  museum  p.  181.  Ellis,  Towuley  galery  II,  p.  98.  Keil 
Anuali  1844  p.  157  ff. 

24.  25.  Harmodios  und  Aristogeiton*,  Marmorstatuen 
aus  Famesischem  Besitz,  seit  1790  in  Neapel.  Ergänzt 
(schon  vor  ihrer  Versetzung  nach  Neapel)  sind  an  der  einen 
Figur,  die  das  Gewand  über  dem  Arm  hat,  beide  Arme,  die 
Restauration  ist  aber  bis  auf  den  Schwertgriff  in  der  Linken, 
der  hinwegzudenken,  richtig,  in  die  rechte  Hand  gebe  man 
ihr  ein  Schwert  von  Bronce.  Der  Kopf  ist  antik,  aber  nicht 
zugehörig,  er  ist  von  ganz  anderm  Stil  und  den  Meleager- 
köpfen  ähnlich.  Der  andere  hat  auch  neue  Arme,  deren  ur- 
sprüngliche Richtung  gleichfalls  getroffen  ist,  nur  denke  man 
den  Schwertgriff  in  der  Linken  fort  und  in  die  Rechte  gebe 
man   ihm   ein   längeres   broncenes  Schwert.     Ausserdem   ist 


*  Niobidensaal  n.  94  und  95. 


32  Attische  Kunst. 

das  rechte  Bein  von  der  Hüfte  abwärts,  das  linke  unterhalb 
des  Knies  neu.  Am  Original  bemerkt  man  quer  über  die 
Brust  laufend  einen  weissen  Streifen ,  gewiss  von  dem  in 
Bronce  hinzugefügten  Schwertband  herrührend,  das  die  unter 
ihm  liegende  Stelle  des  Marmors  weisser  erhielt. 

Dass  diese  beiden  Figuren  zusammen  eine  Gruppe  bil- 
deteu;  geht  schon  aus  der  Uebereinstimmung  des  Stils  hervor, 
eine  weitere  Bestätigung  dafür  und  zugleich  die  Art  der 
Gruppirung;  die  Namen  der  Figuren  und  ihres  Verfertigers 
liefern  ein  Relief  aus  Athen  und  einige  Münzen  derselben 
Stadt  in  Verbindung  mit  Nachrichten  alter  Schriftsteller.  Es 
sind  nämlich  Marmorcopien  einer  Erzgruppe  des  Harmodios 
und  Aristogeiton,  ausgeführt  von  Kritios^  einem  altern  Zeit- 
genossen des  Phidias,  und  OL  75,  4  zum  Ersatz  einer  altem 
Gruppe  desselben  Gegenstandes  ^  die  von  Xerxes  entfiLhrt 
worden  war,  in  Athen  aufgestellt. 

Die  Gruppirung  ist  diese:  Die  Figur  mit  dem  nicht  zu» 
gehörigen  Kopf;  die  im  Original  —  wenn  nämlich  das  Eelief 
in  diesem  Punkt  treu  copirt  ist  —  einen  bärtigen  Kopf  trug 
und  darum  Aristogeiton  benannt  werden  darf,  welcher  der 
Aeltere,  der  Liebhaber  des  Andern  war,  ist  an  die  rechte 
Seite  der  andern  Figur  zu  setzen,  doch  nicht  in  gleicher 
Linie  mit  ihr,  sondern  ein  wenig  zurückstehend.  Harmodios, 
der  Jüngere,  Leidenschaftlichere,  der  zugleich  direkter  be- 
leidigt war,  als  Aristogeiton,  ist  der  eigentliche  Angreifer, 
der  in  heftiger,  wenn  auch  durch  den  Stil,  der  sich  noch 
nicht  in  der  reinen  Sprache  der  Leidenschaft  auszudrücken 
vermag,  etwas  gehemmter  Bewegung  vorstürzt,  um  den  tödt- 
lichen  Schlag  zu  führen.  Der  ältere  Aristogeiton  steht  schüt- 
zend, wie  ein  Sekundant,  neben  ihm,  er  breitet  den  Mantel 
wie  einen  Schild  aus  und  hält  in  der  Eechten  das  Schwert 
zu  Nachhülfe  und  Beistand  bereit.  Die  Anordnung  der  Glie- 
der ist  nach  dem  Princip  des  Gegensatzes  durchgeführt,  die 
•  linken  Glieder  des  Einen  entsprechen  den  rechten  des  Andern, 
wodurch  sich  die  Figuren  zur  Einheit  der  Gruppe  zusammen- 
schliessen.  Der  frühere  Stil  kennt  die  Bedeutung  des  Ge- 
gensatzes weder  in  der  Einzelfigur  noch  in  der  Gruppe,  er 
liebt  die  Wiederholung  der  Stellungen,  wodurch  die  Figuren 
auseinander  fallen.  Das  Vorschreiten  des  Einen  übrigens, 
das  freier,  natürlicher  und  schöner  aussieht,  als  wenn  sie  in 
gleicher  Linie  wie  aufmarschirt  daständen,  ist  auch  für  den 
Zusammenschluss  des  Ganzen   vortheilhaft,   indem   die  Beine 


Attische  Kunst.  33 

sich  kreuzen  und  in  ihre  Zwischenräume  gegenseitig  hinein- 
treten. Die  stützenden  Stämme  sind  für  das  in  Erz  ausge- 
führte Original  hinwegzudenken. 

Man  versteht  es  diesen  Werken  gegenüher^  wenn  die 
Werke  des  Eritios  zugeschnürt^  d.  h.  knapp  und  straff  ohne 
weichere  Fülle,  sehnig  und  hart  und  scharf  abgeschnitten  im 
Umriss  genamit  werden.  Man  betrachte  z.  B.  den  rechten 
Schenkel  des  Aristogeiton,  an  dem  die  straffste  Anspannung 
der  Muskeln  ohne  weiche,  vermittelnde  Uebergänge  erstrebt 
ist  Solche  Eörperbildung  ist  charakteristisch  für  das  alte 
mannestüchtige  Athen,  das  bei  Marathon  siegte,  und  ebenso 
das  herb  alterthümliche  Gesicht  des  Harmodios  mit  seinem 
quadratischem  Umriss  und  den  scharf  abgeschnittenen  Wan- 
gen, so  ganz  im  Gegensatz  zu  dem  lieblichen  Oval  späterer 
Zeit. 

Der  Künstler  Kritios,  der  nach  den  Nachrichten  zu  den 
bedeutenderen  Künstlern  seiner  Zeit  gehörte,  scheint  eine 
ähnliche  Eichtung  verfolgt  zu  haben,  wie  sein  Zeitgenoss  My- 
ron,  nämlich  die  Kunst  aus  der  alten  Steifheit  zu  grösserer 
Lebendigkeit  und  Naturwahrheit  in  SteUungen  und  Formen 
hinüberzuföhren.  In  dem  lebendig  Bewegten  steht  er  dem 
Myron  allerdings  nicht  ganz  gleich,  aber  ausgezeichnet  ist 
die  Bildung  der  Körper,  die  Winckelmann  so  sehr  bewun- 
derte, dass  er  diese  Statuen  unter  die  schönsten  in  Kom 
zählte. 

Die  Gruppe  gehört  zu  den  frühsten  Ehrenstatuen,  die 
in  Griechenland  errichtet  wurden.  Schon  damals  also  be- 
folgte man  den  Grundsatz,  historische  Figuren  nicht  im  Ko- 
stüm der  Wirklichkeit,  sondern  in  einer  ihrem  Charakter  ent- 
sprechenden Weise  darzustellen,  so  dass  man  also  denjenigen, 
der  sich  durch  kühne  ritterliche  Thaten  ausgezeichnet  hatte, 
in  heroischer  Nacktheit  bildete.  Es  ist  einer  der  tiefsten 
Qrrnndzüge  der  griechischen  Plastik  namentlich  in  der  Zeit 
ihrer  Blüthe,  das  Historische,  Individuelle  ins  Allgemeine  und 
Ideale  zu  übertragen. 

Abg.  aber  ungenügend  im  Mus.  borbon.  VIII,  Taf.  7,  8.  Vgl. 
Archaeol.  Ztg.  1859  p.  65  ff.  (wo  noch  Winckelmanns  Bemerkung,  Kunst- 
gesch.  9,  2,  §.  31  hinzuzufügen)  und  den  Nachtrag  von  Michaelis  eben- 
das.  1866  p.  13  ff.  Derselbe  macht  auf  eine  üeberarbeitung  und  Glät- 
tung  der  Figur  des  Aristogeiton  aufmerksam;  haben  dadurch  auch  die 
Beine  geHtten,  die  mir  ganz  unberührt  scheinen?  üebrigens  sind  hin- 
sichtlich des  rechten  Arms  des  Harmodios  und  des  Aiistogeiton  das 
ReUef  und  die  Restauration  nicht  völlig  im  Einklang  mit  einander,  so 

Friederichs,  griecb.  Plastik.  3 


34  Attische  Kunst. 

dass  man  vermuthen  könnte,  letztere  sei  nicht  ganz  richtig.  Ich  über, 
lasse  das  Bildhauern  zur  Entscheidung,  mir  scheint  es  wahrscheinlicher- 
dass  die  Hände  und  die  Schwerter  in  dem  Relief  eine  etwas  veränderte 
Haltung  erfahren  haben,  eben  wegen  disr  Uebertragung  ins  Relief.  Das 
Schwert  des  Aiistogeiton  hätte  aus  dem  Grunde  heraus  und  das  des 
Halmodios  in  den  Grund  hineintreten  müssen,  beides  war  im  Relief 
nicht  möglich.  Ausserdem  ist  der  rechte  Arm  des  Aristogeiton  straffer 
gespannt,  als  im  Relief,  ich  glaube,  auch  hier  hat  die  Restauration  das 
Richtige  und  Stilgemässe  getroffen. 

Die  in  der  Archaeal.  Ztg.  a.  a.  0.  gegebene  Reconstruction  der 
Gruppe  hat  allgemeinen  Beifall  gefunden,  nur  Bursian  (in  der  Encyclo- 
pädie  von  Ersch  u.  Gruber  Bd.  82  p.  419)  bezweifelt  sie,  indem  er  die 
eine  Figur,  deren  Kopf  erhalten  ist,  für  ein  Originalwerk,  die  andere 
für  ein  in  der  Ausführung  zurückstehendes,  wohl  erst  der  römischen 
Zeit  angehörendes  Werk  erklärt.  In  Betreff  des  ersteren  Punktes  möchte 
ich  wohl  fragen,  ob  nicht  Jeder  Werke  wie  den  Discobol  Massimi  für 
Originalwerke  halten  würde ,  wenn  wir  das  Gegentheil  nicht  aus- 
drücklich wnssten?  Ich  meine,  der  Zustand  unsers  Materials,  der  Maugel 
an  originalen  Meisterwerken  sollte  uns  in  der  Entscheidung  solcher  Fra- 
gen zur  grössten  Reserve  veranlassen.  In  Betreff  der  andern  Figur  ist 
wenigstens  soviel  gewiss,  dass  sie  die  Copie  eines  mit  der  ersten  gleich- 
zeitigen alterthümlichen  Werkes  ist,  dies  entscheidet  ein  äusserliches, 
demonstrables  Kriterium,  es  sind  nämlich  die  Schaamhaare  der  beiden 
Figuren  genau  einander  entsprechend  gebildet.  Wenn  sie  nun  aber  an  ein- 
ander gestellt,  dieselbe  Gruppe  bilden,  wie  die  auf  dem  Relief  und  den 
Münzen,  sollte  das  Zufall  sein? 

Ueber  die  Werke  des  Kritios  vgl.  Ross  Arcliaeol.  Aufs.  1,  p.  161 
ff.  ßnmn  Künstlergesch.  I,  p.  102  ff.  Dass  übrigens  in  diesen  Statuen 
die  Gruppe  des  Ki'itios,  nicht  die  ältere  des  Antenor,  nachgebildet  ist, 
scheint  mir  luizweifelhaft,  sie  stehen  den  Werken  eines  Myron  zu  nahe 
lun  jene  ältere  sein  zu  können.  Zudem  wird  man  für  den  Marmorsessel 
gewiss  die  schönere  der  beiden  Gruppen  copirt  haben.  Ist  das  aber 
richtig,  dann  gewinnen  wir  ein  festes  Datum,  welches  für  die  Zeitbe- 
stimmung der  alterthümlichen  Werke  von  grosser  Bedeutung  ist,  und 
mir  für  die  in  diesem  Buch  gegebene  chronologische  Anordnung  einen 
wichtigen  Anhaltspunkt  gegeben  hat.  Man  hat  vielfach  die  alterthüm- 
lichen Werke  zu  früh  angesetzt,  während  doch  auch  die  Vasenmalerei 
deutlich  zeigt,  dass  der  alterthümliche  Stil  sogar  bis  an  den  Schluss 
des  fünften  Jahrhunderts  fortlebte.  Icli  verkenne  nicht  den  Unterschied 
zwischen  einer  künstlerisch  abhängigen  Gattung,  wie  der  Vasenmalerei, 
und  der  freien  bahnbrechenden  Thätigkeit  grosser  Meister,  aber  die  Zeit, 
die  darüber  verstreichen  musstc,  bis  die  Neuerimgen  der  letzteren  ins 
Handwerk  eindrangen,  darf,  da  es  sich  um  die  künstlerische  Thätigkeit 
in  einer  und  derselben  Stadt  handelt,  nicht  zu  lang  ausgedehnt  werden. 
An  einer  Classe  von  Vasen  lässt  sich  noch  jetzt  zeigen,  wie  schnell 
sich  die  Vasenmaler  die  Fortschritte  der  grossen  Meister  aneigneten, 
ich  meine  diejeiügeu  Vasen,  auf  welchen  wir  die  von  Plinius  dem  Po- 
lygnot  beigelegten  Neuermigen  wiederfinden.  Diese  Vasen  sind  nach 
Polygnot  und  doch,  da  sie  noch  das  altattische  Sigma  haben,  vor  Ol. 
86,  1  gearbeitet.  Nach  meiner  Ansicht  ist  daher  die  Vasenmalerei,  die 
uns  in  lückenloser  Entwicklung  vorliegt  mid  etwas  mehr  Anhaltspunkte 
zu  chronologischer  Datirung  bietet,  das   beste  Ei'gänzungsmittel   für  die 


Attische  Kunst.  35 

lückenhafte  Sculptur  und  es  lässt  sich  ans  ihr  mit  Sicherheit  abnehmen, 
dass  um  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  in  Athen  noch  in  durchaus  al- 
terthümlichem  Stil  gearbeitet  wurde. 

26.  Penelope*);  Marmorstatae  im  Vatikan.  Ergänzt 
sind:  das  Stück  des  Gewandes  über  dem  Kopfe  (während 
der  Kopf  selbst  zwar  aufgesetzt^  aber  zagehörig  ist);  die  Nase^ 
die  rechte  Hand;  das  rechte  Bein  vom  Knie  abwärts  und 
der  linke  Fuss.  Auch  ist  der  Fels,  worauf  die  Figur  sitzt, 
erst  durch  moderne  Bearbeitung  entstanden.  Ursprünglich 
sass  sie,  nach  mehreren  antiken  Wiederholungen  zu  schliessen, 
auf  einem  mit  Fussschemel  versehenem  Stuhl,  unte**' welchem 
ein  Arbeitskörbchen  stand. 

Der  Name  Penelope  wird  durch  folgende,  ansprechende 
Bemerkungen  motivirt:  Die  Stellung  dßr  Figur,  namentlich 
dass  sie  die  linke  Hand  aufstütze  um  den  zusammensinken- 
den Körper  zu  halten,  deute  auf  Ermattung  von  Sorge  und 
Schmerz,  das  üeberschlagen  des  einen  Schenkels  über  den  andern, 
gegen  die  strengen  Begriffe  der  weiblichen  Schicklichkeit, 
zeige  ebenfalls  ein  in  Betrübniss  auf  sich  selbst  zurückge- 
zogenes und  des  Aeusseren  unachtsames  Gemüth  und  das 
Arbeitskörbchen  unter  ihrem  Stuhl  sei  eine  Hindeutung  auf 
eine  durch  häusliche  Tugenden  ausgezeichnete  Frau.  Dies 
Alles  wäre  aber  nicht  entscheidend  ohne  einige  Keliefs  aus 
gebrannter  Erde,  auf  welchen  dieselbe  Figur  nur  mit  einigen 
ganz  unwesentlichen  Abweichungen  vorkommt  und  zwar  durch 
die  umgebenden  Figuren  und  durch  die  dargestellte  Handlung 
deutlich  als  Penelope  charakterisirt.  Denn  mit  der  von 
Dienerinnen  umgebenen  trauernden  Frau  vereinigen  diese 
Reliefs  die  Scene  der  Fusswaschung  des  Odysseus  durch  die 
alte  Amme  Eurykleia,  und  stellen  daher  die  Penelope  in 
dem  Moment  dar,  wo  sie,  nichts  merkend  von  all  den  Vor- 
gängen bei  der  Fusswaschung  —  Athene  hatte  ihr  Gemüth 
abgewendet,  wie  es  bei  Homer  heisst  —  in  trauriges  Nach- 
denken versunken  dasitzt,  schwankend,  ob  sie  dem  alten  Ge- 
mahl treu  bleiben  oder  einem  der  Freier  als  Gattin  folgen 
solle.  Der  Urheber  dieser  Erklärung  nimmt  an,  dass  unsre 
Figur  zu  einer  jenen  Reliefs  entsprechenden  Gruppe  freier 
Figuren  gehört  habe,  ohne  welche  sie  unverständlich  sei. 
Ein  Fund  auf  Ithaka  bestärkt  ihn  in  dieser  Meinung.  Dort 
ist  nämlich  eine  kleine  Broncefigur  des  zum  Fussbade  sitzen- 


*  Im  Niobidensaal  n.  115. 


36  Attische  Kunst. 

den  Odysseus  von  alterthümlichem  Stil  zum  Vorschein  ge- 
kommen; die  mit  anderen^  nicht  näher  bekannten;  stehenden 
und  sitzenden;  männlichen  und  weiblichen  Figuren  auf  einer 
Basis  in  einem  Halbkreis  vereinigt  gewesen  sein  soll.  Diese 
kleine  Broncegruppe  sei  ebenso  wie  jene  Reliefs  die  Copie 
einer  in  der  Heimat  des  Odysseus  verfertigten  Gruppe 
freier  Figuren,  zu  welcher  diese  Marmorfigur  oder  ihr  Ori- 
ginal einst  gehört  habe. 

Nach  einer  anderen  Meinung  war  die  Figur  zum  Schmuck 
eines  Grabes  bestimmt  und  stellte  die  idealisirte  Verstorbene 
in  trauelnder  Haltung  dar.  Es  finden  sich  allerdings  auf 
griechischen  Grabsteinen  sehr  ähnliche  Darstellungen;  doch 
ist  es  wegen  der  Autorität  jener  Terrakottareliefs  gerathen, 
an   der  Deutung   au{  I^enelope   festzuhalten. 

Die  Figur  ist  reliefartig  componirt,  die  ganze  Stellung; 
namentlich  die  Herumbiegung  des  Oberkörpers  entspricht  der 
Reliefcomposition;  der  Künstler  hat  nur  für  einen  Profilanblick 
gearbeitet.  Der  Stil  ist  allerdings  noch  alterthümlich;  aber  die 
Starrheit  der  Linien  schon  merklich  gemildert.  Man  beachte 
namentlich  den  leichten,  lockern  Fall  der  Falten  vom  XJeber- 
schlag  des  Untergewandes.  Besonders  zart  und  ausdrucksvoll 
ist  das  Gesicht.  Es  hat  eine  länglich  schmale  Form,  die  so 
passend  ist  zum  Ausdruck  von  Bekümmemiss  oder  Sehnsucht, 
die  Lippen  sind  wie  von  Unmuth  leise  aufgeworfen  und  die 
gelöst  herabhängenden  Locken  charakterisiren  eine  betrtlbte, 
gegen  äussere  Zierde  gleichgültige  Stimmung.  Sehr  alter- 
thümlich ist  dagegen  noch  der  linke  Arm;  die  Hand  hat 
noch  die  eckige  Form  und  von  anatomischem  Detail  ist  so 
gut  wie  nichts  ausgedrückt.  Der  Künstler  war  bereits  in 
der  Darstellung  des  Empfindungslebens  weit  vorgeschritten, 
während  er  in  der  Bildung  des  Körperlichen  noch  in  alter- 
thümlicher  Weise  befangen  war.  Eine  gerade  entgegenge- 
setzte Richtung  zeigen  die  äginetischen  Statuen ;  in  welcher 
das  Körperliche  mit  grosser  Naturwahrheit  dargestellt  ist, 
während  der  Ausdruck  des  Geistigen  zurücktritt 

Die  Figur  muss  nach  ihrer  ganzen  Erscheinung  den 
attischen  Schule  zugeschrieben  werden;  ja  es  darf  wohl  darad 
erinnert  werden;  dass  zur  Zeit;  als  diese  Statue  entstanr, 
nämlich  in  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts;  kurz 
vor  der  Blüthe  der  Kunst;  in  Athen  ein  Künstler  thäüg  war, 
dessen  Richtung  diese  Figur  vollkommen  entsprechen  würde. 
Dies  ist  KalamiS;  den  man  die  Knospe  der  attischen  Kunst 


Attische  Kunst.  37 

nennen  könnte.  Zwar  noch  befangen  in  steifen  Stellungen, 
in  strengem  Faltenwurf,  scheint  er  doch  die  Kunst  nicht 
gering  gefördert  zu  haben  hinsichtlich  der  Darstellung  des 
Seelenlebens.  Das  Keusche ,  Liebliche,  Innige,  das  allen 
Perioden  des  Werdens  in  Natur  und  Kunst  eigen  zu  sein 
pflegt,  rühmte  man  im  Alterthum  an  Kaiamis,  die  Penelope 
ist  noch  besser,  als  das  Harpyienmonument  (n.  27)  geeignet, 
diese  Richtung  der  alten  Kunst  zu  veranschaulichen. 

Abg.  und  erklärt  von  Thiersch  Epochen  d.  bild.  Kunst,  2.  Aufl. 
p.  426  flf.  Müller-Wieseler  I,  9,  35.  Overbeck  Gall.  her.  Bildw.,  Taf. 
33,  n.  23  p.  807.  Vgl.  Meyer  zu  Winck.  Werke  V.  p.  468  der  Ausg. 
T.  Eiselein,  wo  auch  die  Ergänzungen  lichtig  angegeben  sind.  Den 
Zweifel  Overbeck's  Gesch.  d.  griech.  Fl.  I,  p.  143  an  dem  acht  alter- 
thümlichen  Stil  dieser  Figur  muss,  wie  mir  scheint,  schon  die  Betrach- 
tung der  Unken  Hand  beseitigen.  Pervan9glu  (d.  Grabsteine  d.  alten 
Gr.  p.  41)  ist  geneigt,  die  Figur  als  ein  Grabrelief  aufzufassen,  und  al- 
lerdings sind  z.  B.  die  Dai^tellungen  bei  Stackeiberg  Gräber  der  Helle- 
nen Taf.  2  und  im  Berl.  Mus.  n.  21  sein*  ähnlich,  sie  gehen  aber  nicht 
aof  denselben  Typus  zurück  wie  die  Terrakottareliefs. 


b)  Die  lycische  Kunst. 

27 — 30.  Sogenanntes  Harpyienmonument*.  Der 
Engländer  Charles  Fellows  entdeckte  im  Jahre  1838  auf 
einer  Reise  in  Lycien,  und  zwar  auf  der  Akropolis  von 
XanthuS;  der  Hauptstadt  dieses  Landes,  das  Grabmal,  welchem 
diese  Platten  angehören.  Es  besteht  aus  einem  viereckigen 
Thurm  von  Kalkstein,  der  flach  gedeckt  und  unter  dem  Dach 
mit  einem  Friese  von  Marmorreliefs  geschmückt  ist,  deren 
Abgnss  eben  diese  Tafeln  sind.  Der  Fries  befand  sich  in 
einer  Höhe  von  20  Fuss  über  dem  Boden,  der  blaugefärbte 
Grund  aber  und  andere  farbige  Zuthat  Hess  die  flachen 
Figuren  auch  in  ihren  Details  deutlich  hervortreten.  Er 
umschloss  die  Grabkammer,  in  Lycien  nämlich  findet  sich  die 
Sitte,  den  Gestorbenen  nicht  in  der  Tiefe  der  Erde,  sondern 
hoch  in  der  Spitze  eines  thurmartigen  Baues  zu  bestatten, 
ganz  in  der  Weise,  wie  vom  Grabmal  des  Kyros  berichtet 
wird.  Der  Eingang  in  die  Grabkammer  liegt  auf  der  West- 
seite, unter  dem  Bilde  der  säugenden  Kuh  und  ist  so  eng, 
dass  er  wohl  nur  auf  das  Hineinschieben  eines  Aschenbehälters 
berechnet  war.    Auch  in  der  Beschreibung  des  Kyrosgrabes 


•  Im  Lycischen  Hof  n.  269—262. 


38  Lycische  Kunst. 

wird  der  enge  Eingang  als  besonders  merkwürdig  hervorge- 
hoben. Das  Monument  ist  einige  Jahre  nach  seiner  Ent- 
deckung ins  britische  Museum  transportirt. 

Die  Erklärung  der  Reliefs  muss  sich  darauf  beschränken^ 
die  Handlung  und  den  Sinn  des  Ganzen  anzugeben ;  das 
Einzelne  ist  dunkel. 

Auf  allen  vier  Tafeln  empfangen  thronende  Gottheiten 
Verehrung  und  Opfergaben  von  Sterblichen,  denn  dass  in 
den  sitzenden  Figuren  Götter  zu  erkennen  seien,  ist  nach 
den  Attributen,  mit  denen  sie  ausgestattet  sind,  nicht  zu  be- 
zweifeln.' Die  Opfernden  auf  der  Eingangsseite  sind  drei 
Frauen,  von  denen  die  erste,  die  ohne  etwas  zu  tragen,  nur 
mit  graziöser  Geberde  ihre  Gewänder  fasst,  die  vornehmere 
zu  sein  scheint,  die  etwa  das  Gebet  an  die  Göttin  sprechen 
wird,  während  die  beiden  andern  eine  Blüthe,  eine  iSrranat- 
frucht  und  ein  Ei  zur  Göttin  hintragen.  Gewiss  stehen  diese 
Gaben  in  besonderem  Bezug  zu  der  Göttin,  da  sie  selbst 
dieselbe  Frucht  und  Blüthe  in  ihren  Händen  hält.  Die 
Figur  dieser  Göttin  macht  auch  jetzt  noch  einen  ausser- 
ordentlich anmuthigen  Eindruck,  der  ursprünglich  als  die 
feine  Malerei  noch  vorhanden  war,  noch  grösser  gewesen 
sein  muss.  An  der  Seite  des  Sessels  sind  die  früher  farbigen 
Ornamente,  geschützt  durch  die  Farbe,  erhaben  stehen  ge- 
blieben, während  der  umgebende  Grund  niedergeätzt  ist» 
Ob  der  Widder-  und  Schwanenkopf,  in  welchen  die  Seiten- 
und  Eücklehnen  des  Sessels  auslaufen,  eine  Beziehung  auf 
die  Natur  der  Göttin  -haben  oder  nur  allgemein  ornamen- 
taler Art  sind,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Dasselbe  gilt  von 
den  Ornamenten  der  übrigen  Thronsessel. 

Gegenüber ,  hinter  der  Grabesthür ,  sitzt  auf  einem  mit 
einer  Sphinx  verzierten  Sessel  eine  im  Ganzen  ähnliche  Göttin^ 
die  nur  einen  etwas  mehr  matronalen  und  ernsten  Charakter  hat* 
Sie  hält  in  der  Rechten  die  für  das  Empfangen  der  Spende 
bestimmte  Schaale,  das  gewöhnliche  Attribut  der  Götterstatuen^ 
auch  in  der  Linken  hielt  sie  etwas,  doch  ist  der  Gegenstand 
nicht  mehr  zu  bestimmen.  Dass  die  opfernden  Frauen  sich 
nicht  zu  ihr  wenden,  möchte  ich  nicht  aus  der  Absicht  er- 
klären, hier  eine  einsame,  gemiedene  Todesgöttin  darzustellen 
und  auf  der  andern  Seite  eine  heitere  Lebensgöttin,  vielmehr 
scheint  es  durch  den  Zwang  der  Composition  veranlasst 
Denn  auf  den  drei  übrigen  Seiten  zerfällt  die  Composition  in 
eine  Mittelgruppe  mit  zwei  Seitenflügeln,  sollte  nun  auch  die 


Lycische  Kunst.  39 

Emgangsseite  symmetrisch  gebildet  werden,  wie  sie  ja  auch 
architektonisch  den  andern  Seiten  entspricht,  zugleich  aber 
die  beiden  Göttinnen  dargestellt  werden,  so  konnte  der  Künstler 
nur  in  der  Weise  verfahren,  wie  es  geschehen  ist.  Die  Thür 
durfte  nicht  in  die  Mitte  gelegt  werden,  weil  sonst  die  Com- 
position  in  zwei  Hälften  zerfallen  und  unsymmetrisch  geworden 
wäre,  sie  konnte  nur  zur  Mittelgruppe  gezogen  werden  und 
musste  folglich  eine  der  Göttinnen  isoliren.  Ohnehin  scheint 
es  mir  aujQPallend  und  unverständlich,  anzunehmen,  dass  diese 
Göttin  nur  vorhanden  sei  um  des  Gegensatzes  zur  andern 
willen^  vielmehr  ist  sie  ihrer  selbst  willen  dargestellt  und 
gehört  auch  zu  dem  Kreise  von  Gottheiten,  die  den  opfern- 
den Sterblichen  besonders  werth  sind.  Es  sind  mehrere 
Benennungen  für  dies  Götterpaar  vorgeschlagen,  am  meisten 
Beacht^g  verdient  nach  meiner  Meinung  die  Benennung 
Demeter  und  Persephone,  letztere  wird  auch  sonst  mit  Blüthe 
and  Granate  vorgestellt. 

Den  Göttinnen  opfern  Frauen,  den  Göttern  an  den  übrigen 
Seiten  Männer.  Und  zwar  tritt  auf  der  zunächst  anschliessen- 
den Platte  einem  jugendlichen  Gott,  der  im  Arm  ein  Scepter 
und  in  den  Händen  Granatäpfel  hält,  ein  Jüngling  entgegen, 
der  in  der  Linken  als  Opf ergäbe  eine  Taube  hält,  während 
die  Rechte  die  Geberde  der  Adoration  macht.  Man  sieht 
die  innere  Fläche  der  Hand,  genau  dargestellt  würde  die 
Hand  von  der  Seite  gesehen  werden  müssen,  also  aus  dem 
Relief  herausspringen,  was  eben  vermieden  werden  sollte. 

Auf  der  folgenden,  breiteren,  der  Eingangsseite  gegen- 
überliegenden Platte  ist  ein  bärtiger  Gott  mit  Scepter  und 
Blüthe  dargestellt,  der  nach  der  reicheren  und  vornehmeren 
Gestalt  seines  Stuhles  zu  schliessen,  eine  höhere  Bedeutung 
in  Anspruch  nimmt,  als  die  einfacher  aussehenden  Götter  zu 
seiner  Rechten  und  Linken.  Der  Sessel  ist  an  der  Seite 
mit  feinen,  durch  Malerei  ausgedrückten  Ornamenten  verziert 
und  eine  fischschwänzige  Figur  stützt  die  Lehne.  Ein 
Knabe  bringt  dem  Gott  einen  Hahn  und  Apfel  und  hinter 
diesem  geht  ein  Jüngling  gemüthlicher  Weise  von  seinem 
Hund  begleitet,  der  auch  eine  freilich  nicht  mehr  erkennbare 
Gabe  in  der  Rechten  •  hält.  Von  der  anderen  Seite  kommen 
auch  zwei  Männer  heran  mit  denselben  Gaben,  die  wir  schon 
an  der  Eingangsseite  bemerkten,  Ei,  Granatapfel  und  Blüthe. 

Auf  der  letzten  Seite  übergiebt  ein  jugendlicher  Krieger 
dem  Gotte  seinen  Helm  (an  dessen  Busch  Spuren  von  rother 


40  Lycische  Kunst. 

Farbe  entdeckt  wurden),  eine  Scene,  die  den  andern  ihrer 
Bedeutung  nach  parallel  zu  stehen  scheint.  Es  ist  die  Dar- 
bringung einer  dem  Krieger  natürlichen  Gabe,  aus  der  grie- 
chischen Poesie  und  Kunst  sind  mehrere  Beispiele  bekannt, 
wo  ein  Krieger  die  eigenen  oder  vom  Feind  erbeuteten 
Waffen  einem  Gotte  darbringt.  Das  Thier  unter  dem  Sessel 
des  Gottes  ist  ein  Bär,  doch  gewinnen  wir  damit  keinen 
weiteren  Anhalt  zur  Benennung  der  Figur,  für  deren  Wesen 
das  Thier  unzweifelhaft  ein  Symbol  war. 

Auf  den  Flügeln  der  beiden  Schmalseiten  sind  in  sym- 
metrischer  Weise  eigenthümliche  t^iguren,  mit  kleinen  Kindern 
auf  dem  Arm,  angebracht,  in  welchen  man  die  Harp)den  mit 
den  geraubten  Töchtern  des  Pandareos  zu  erkennen  glaubte. 
Es  sind  Frauen,  nach  unten  in  einen  Yogelleib  auslaufend  und 
in  diagonaler  Richtung,  wie  im  Fluge,  dargestellt,  i?ypdurch 
zugleich  eine  angenehme  Abwechselung  mit  den  senkrechten 
Linien  der  übrigen  Figuren  hervorgebracht  wird.  In  ihrer 
Bildung  entsprechen  sie  ganz  den  Gestalten  der  Sirenen,  nur 
dass  die  Flügel  etwas  unorganisch  von  den  Armen,  nicht  von 
den  Schultern,  ausgehen.  Indess  sind  Sirenen  hier  schwerlich 
gemeint,  weil  es  nicht  in  ihrem  Wesen  liegt,  ihre  Beute  im 
Fluge  davonzuführen ,  sondern  richtiger  scheint  der  Name 
der  Harpyien,  die  wir  auf  anderen  Monumenten  wenigstens 
als  geflügelte  Frauen  dargestellt  finden.  Sie  sind  Bilder  des 
fortraffenden  Sturmwindes  und  könnten  daher  wohl  in  der 
Bedeutung  von  Todesgöttinnen,  die  mit  den  Seelen  der  Ge- 
storbenen davoneilen,  hier  dargestellt  sein.  Denn  die  Kinder- 
figuren auf  ihren  Armen  sind  jedenfalls  Bilder  menschlicher 
Seelen,  man  stellt  in  der  alterthümlichen  Kunst  den  Schatten 
eines  Verstorbenen  in  kleiner  Gestalt  vor,  um  das  Unwesent- 
liche seiner  Existenz  anzudeuten.  Gewöhnlich  haben  freilich 
die  Schatten  Flügel,  indessen  ist  dieser  Unterschied  hipr,  wo 
sie  nicht  selbstständig  schweben,  sondern  getragen  werden, 
wohl  nicht  von  Belang. 

Ein  Zusammenhang  der  Handlung  zwischen  diesen  Fi- 
guren und  der  Mittelgruppe  der  beiden  Platten  existirt  nicht, 
den  geistigen  Zusammenhang  aber,  der  sie  mit  der  übrigen 
Darstellung  verknüpft,  scheint  die  kleine  unter  einer  derselben 
knieende  Figur  anzudeuten,  die  wir  bis  jetzt  noch  übergangen 
haben.  Sie  stört  in  auffallender  Weise  die  Symmetrie,  umso- 
mehr  ist  vorauszusetzen,  dass  sie  nicht  bedeutungslos  ist 
Ihre  Stellung  ist   die   einer   tief  Trauernden,   die  Hände  an 


Lycische  Kunst.  4j 

die  Wange  gelegt^  blickt  sie  der  forteilenden  Harpyie  nach; 
wir  vermathen;  es  ist  die  trauernde  Stifterin  des  Monuments^ 
das  von  ihr  zn  Ehren  verstorbener  Angehörigen  errichtet 
wurde.  Dass  sie  sich  in  bescheidener  Kleinheit  hat  darstellen 
lassen^  ist  natürlich^  ähnlich  wie  auf  griechischen  Yotivreliefs 
nnd  in  der  neuem  Kunst  die  Donatoren  so  oft  ganz  klein  dar- 
gestellt werden.  Den  Gedanken  des  Ganzen  würden  wir 
nun  in  dieser  Weise  ausdrücken:  Die  Bilder  der  Harpyien 
vergegenwärtigen  das  Geschick,  das  der  Trauernden  die  Ihrigen 
^tführte,  in  jenen  Gruppen  Opfernder  aber  erkennen  wir  die 
Verstorbenen  nach  ihrer  Sinnesweise,  die  sie  im  Üielien  hatten, 
charakterisirt  Denn  dies  ist  ein  die  griechischen  nnd,  wie  es 
scheint,  auch  die  lycischen  Grabsteine  beherrschender  Gedanke, 
die  den  Verstorbenen  in  einer  für  sein  Wesen  charakteristischen 
Weise  darzustellen.  Hier  ist  nun  in  der  Darbringung  von 
Opfern  die  Frömmigkeit  als  die  charakteristische  Eigenschaft 
der  Verstorbenen  hervorgehoben,  was  meines  Wissens  nur 
hier  geschehen  ist.  Es  knüpft  sich  unwillkürlich,  wenn  wir 
Menschen  in  einem  Act  der  Frömmigkeit  auf  Grabsteinen 
dargestellt  sehen,  der  Gedanke  daran,  dass  die  Götter,  zu 
denen  sie  beten,  ihnen  auch  schützend  beistehen  werden  in 
den  Schrecken  des  Todes,  und  diesen  Gedanken  mochte  wohl 
die  Stifterin  des  Denkmals  beabsichtigen. 

Hinsichtlich  des  Stiles  zunächst  einige  Einzelheiten.  Man 
hat  mit  Recht  die  lebensvolle  Darstellung  der  Thiere,  der 
Taube  und  des  Hahns  hervorgehoben,  während  die  mensch- 
liche Gestalt  noch  verhältnissmässig  starr  ist.  Dieser  Gegen- 
satz ist  auch  sonst  in  der  altgriechischen  und  ähnlich  in  der 
Kunst  vorgriechischer  Völker  nachweisbar  und  erklärt  sich 
wohl  daher,  dass  man  das  Thier  gleich  von  Anfang  an  frei 
nach  dem  lebendigen  Eindruck  der  Natur  bilden  konnte, 
während  in  der  Bildung  der  Menschengestalt  die  Naturwahr- 
heit nicht  sogleich  als  Ziel  el'strebt  wurde.  Bei  dieser  kam 
es  vielmehr  zunächst  darauf  an,  gewisse  Ideen  auszudrücken, 
deren  Darstellung  nach  der  Gefühlsweise  der  damaligen  Zeit 
noch  wichtiger  schien,  als  Naturwahrheit,  die  Figuren  sollten 
einen  feierlichen,  frommen  und  ernsten  Eindruck  machen,  und 
man  irrt,  wenn  man  die  steifen  Stellungen  und  Gewandungen 
blos  aus  Unbehülflichkeit  erklärt,  da  sie  vielmehr  einer  be- 
stimmten Gefühlsweise  entspringen.  Gerade  hier  am  Harpyien- 
monnment  lässt  sich  in  den  leisen  Schritten  und  in  der  feier- 


42  Lycische  Kunst. 

liehen  Haltung  der  Figuren  ein  bestimmtes  Hinwirken  auf 
einen  ernsten  Gesammteindruck  gär  nicht  verkennen. 

Im  Allgemeinen  hat  der  alte  Stil  die  Neigung,  gleich- 
artige Figuren  vollkommen  gleich  zu  bilden,  so  dass  die  eine 
nur  wie  die  Wiederholung  der  andern  aussieht.  Hier  bemerkt 
man  an  den  Figuren  der  drei  adorirenden  Frauen  in  der 
Haltung  der  Arme  doch  schon  ein  Streben  nach  Abwechselung, 
auch  an  dem  Kopfputz  der  Harpyien,  in  der  Haltung  der 
Kinder  u.  s  w.  sind  Unterschiede  bemerkbar. 

An  den  Gewändern  ist  die  Eigenthümlichkeit  hervorzu- 
heben, dftiEdf  sier  nicht  nur  da,  wo  sie  angezogen  werden, 
sondern  auch  an  den  Figuren,  deren  Hände  nicht  das  Ge- 
wand berühren,  straff  angespannt  sind,  so  dass  der  Umriss 
des  Körpers  deutlich  hervortritt.  Es  zeigt  sich  hier  im  Keim 
jenes  griechische  Bestreben,  das  Gewand  dem  Körper  unter- 
zuordnen, so  dass  es  nur  die  darunter  liegenden  Formen 
wiedergiebt,  es  verhüllt  nicht,  wie  auf  den  assjrrischen  Reliefs, 
sondern  ist  nur  das  „Echo  der  Gestalt". 

An  diesem  Monument  ist  recht  deutlich  der  Sinn  jenes 
vielbesprochenen  Lächelns  der  alterthümlichen  Bildwerke 
zu  erkennen.  Man  sehe  die  Göttin  an,  der  die  drei  Frauen 
nahen,  eine  Figur,  in  welcher  das  Ideal  einer  Aphrodite  sich 
ankündigt,  oder  noch  lieber  den  Kopf  der  rechts  von  dem 
Gott,  dem  die  Taube  gebracht  wird,  befindlichen  Harpyie, 
und  man  wird  begreifen,  wie  es  nur  das  Streben  nach  Innig- 
keit, Anmuth  und  Lieblichkeit  ist,  das  diesen  Zug  hervorge- 
rufen hat.  An  einer  Figur  des  Kaiamis,  eines  älteren  Zeit- 
genossen des  Phidias,  wird  das  „ehrbare  und  verstohlene 
Lächeln"  hervorgehoben ;  was  damit  gemeint  sei,  können  diese 
Figuren  lehren. 

An  einigen  Incorrectheiten  fehlt  es  übrigens  nicht,  die 
Hände  der  von  den  Harpyien  getragenen  Kinder  sind  meist 
unförmlich  gross  und  besonders  hässlich  ist  die  herabhängende 
linke  Hand  des  Kindes  zur  Linken  des  jugendlichen  unter 
den  drei  Göttern.  Die  Augen  sämmthcher  Figuren  sind 
wie  von  vorn  gesehen  dargestellt,  worin  übrigens  dieses 
Relief  nur  dem  Brauch  der  ganzen  alterthümlichen  Plastik 
und  Malerei  folgt,  der  die  Profilstellung  des  Auges  zu  schwierig 
gewesen  zu  sein  scheint.  Das  Relief  ist  auf  der  Oberfläche 
der  Figuren  meistens  noch  ganz  platt. 

Charakteristisch  ist  an  diesem  Werk  eine  grosse  Neigung 
zum  Weichen,  ja  Ueppigen,  es  steht  darin  den  selinuntischen 


Lycische  Kunst.  4S 

Reliefs  diametral  gegenüber.  Man  vergleiche  z.  B.  die  Brust 
an  den  Frauen,  und  unter  den  Männern  ist  namentlich  der 
letzte  zur  Linken  auf  der  Ostseite  geradezu  fett  zu  nennen. 
Eine  etwas  unförmliche  Figur  ist  auch  der  jugendliche  Gott. 
Mit  diesem  Hang  zum  Weichen  vereinigt  sich  ein  Streben 
nach  Grazie,  das  sich  besonders  in  der  Haltung  der  Arme 
und  Finger  beim  Anfassen  von  Gegenständen  verräth.  Und 
an  Schmuck  fehlt  es  auch  nicht,  die  Frauen  tragen  alle 
Armbänder  und  wären  die  Farben  erhalten,  so  würden  auch 
die  Sessel  der  Figuren  sich  weit  zierlicher  präsentiren.  Die 
Ausführung  aber  zeigt  überall  jene  Sorgfalt  und  Treue,  die 
der  werdenden,  lernenden  Kunst  besonders  eigenthümlich  ist. 

Man  hat  mit  Kecht  auf  die  grosse  üebereinstinmiung 
dieses  Werkes  mit  altattischen  Sculpturen  aufmerksam  gemacht. 
Der  Krieger,  der  dem  Gott  seinen  Helm  übergiebt,  ist  dem 
Aristion  (n.  20)  überraschend  ähnlich,  und  schon  oben  wurde 
die  Stilverwandtschaft  mit  der  wagenbesteigenden  Göttin  (n.  19) 
hervorgehoben. 

Woher  diese  Uebereinstimmung  ?  Ist  sie  durch  Ein- 
wirkung der  attischen  Kunst  auf  die  lycische,  oder  umge- 
kehrt der  lycischen  Kunst  auf  die  attische  zu  erklären  ? , 
Denn  dass  kein  Zusammenhang  bestehe,  scheint  uns  ganz 
unwahrscheinlich.  Nun  ist  aber  Eins  gewiss,  dass  nämlich 
dies  Werk  nicht  als  ein  rein  attisches  angesehen  werden 
kann,  in  der  oben  hervorgehobenen  Neigung  zum  Weichlichen 
und  Fetten  scheint  uns  ein  Anklang  an  asiatische  Kunst  ge- 
geben, den  wir  in  attischen  Kunstwerken  vergebens  suchen. 
Es  könnte  freilich  darum  immer  noch  ein  wenigstens  durch 
attische  Kunst  angeregter  Lycier  sein,  von  dem  das  Werk 
herrührte.  Aber  wahrscheinlicher  scheint  doch  die  Annahme 
einer  einheimischen  Kunstschule,  die  auf  die  attische  Kunst 
Einfluss  gehabt  hat,  denn  Lycien  erscheint  wenigstens  in 
firüherer  Zeit  nach  der  beim  Löwenthor  (n.  1)  erwähnten  Sage 
von  den  Cyclopen  als  ein  Land,  das  Griechenland  in  künstle- 
rischer Hinsicht  gegeben,  nicht  von  ihm  empfangen  hat. 
Dass  sich  aber  hier  eine  so  bedeutende  und  dem  griechischen 
Gefühl  so  verwandte  Kunstrichtung  bilden  konnte,  scheint 
weniger  aujffallend,  wenn  wir  bedenken,  dass  Lycien  in  Keligion 
und  Sprache  den  Griechen  sehr  verwandt  war. 

Hinsichtlich  der  Zeitbestimmung  können  wir  nur  einen 
gleichzeitigen  Ursprung  mit  jenen  oben  erwähnten  attischen 
Reliefs   aus  der  Zeit  der  Perserkriege   annehmen.     So  ver- 


44  Lycische   Kunst. 

wandte  Werke  können  auch   der  Zeit  nach  nicht  weit  aus- 
einander liegen. 

Die  erste  zuverlässige  Abbildung  ist  die  in  den  Monum.  d.  inst. 
IV,  Tav.  2.  3.,  wozu  E.  Braun  eine  sehr  lesenswerthe  Erläuterung  ge- 
schrieben in  Annali  1844  p.  133  ff.  Vgl.  Rhein.  Mus.  N.  F.  3,  144  f. 
Einige  kleine  Irrthümer  sind  darin  zu  berichtigen,  nämlich  p.  137,  dass 
die  Göttin  links  von  der  Grabesthür  geschlossene  Augen  habe,  femer 
p.  143,  wo  die  Figur,  welche  dem  jugendlichen  Gott  adorirend  entge- 
gentritt, für  weiblich  angesehen  wird,  da  sie  doch  entschieden  männlich 
ist,  wie  die  Vergleichung  mit  den  Frauen  der  Eingangsseite  ergiebt. 
Das  Thier  unter  dem  Sessel  des  als  Pluto  bezeichneten  Gottes  erklärt 
Braun  für  9iiu$n  Bären  und  dafür  hält  ihn  auch  auf  das  Bestimmteste 
eine  zoologische  Autorität,  Hr.  Prof.  Peters.  Die  Vermuthung  Braim's, 
daös  der  Gott,  dem  die  Taube  präsentirt  wird,  Zeus  sei  und  die  andern 
Poseidon  und  Pluto,  stimmt  einmal  nicht  wohl  mit  der  Unbärtigkeit  der 
betreffenden  Figur  und  zweitens  nicht  mit  dem  weniger  vornehmen  Sitz, 
den  sie  im  Vergleich  mit  dem  angeblichen  Neptun  einnimmt.  Die  von 
Braun  p.  150  in  Abbildung  mitgetheilte  lycische  Grabstele  spricht  sehr 
dafür,  die  geflügelten  Figuren  des  Harpyienmouuments  als  Sirenen  an- 
zusehen, denn  jene  Figur  auf  der  Säule  ist  gewiss  eine  Sirene,  wie  sie 
aus  Attika  und  andern  Orten  bekannt  ist.  Indessen  hielt  mich  doch  das 
im  Text  geäusserte  Bedenken  zurück  und  zudem  haben  ja  die  Sirenen 
auf  den  Grabsteinen  eine  ganz  andre  Funktion  als  die,  die  Seelen  der 
Gestorbenen  davonzutragen. 

Nächst  E.  Braun  hat  sich  besonders  E.  Curtius  mit  dem  Denkmal 
beschäftigt,  Arch.  Ztg.  1855  p.  1  ff.,  Taf.  73,  dessen  Bemerkungen  ich 
mir  indess,  so  geist-  und  gemüthvoll  sie  sind,  wegen  unzulänglicher 
Begründung  lücht  aneignen  kann.  Es  ist  schon  im  Text  darauf  Rück- 
sicht genommen,  ich  bemerke  nur  noch  folgendes.  Die  Verzierungen 
an  den  Thronsesseln  können  symbolisch  gemeint  sein,  aber  sie  brau- 
chen es  nicht.  Der  Schwanenhals  z.  B.  ist  ein  in  der  griechischen 
Tektonik  seit  den  ältesten  Zeiten  —  nämlich  seit  der  Periode  der 
schwarzfigurigen  Vasen  —  sehr  gebräuchliches  Ornament  an  Stühlen, 
gewissen  Löffeln,  an  der  Wagendeichsel  u.  s.  w.,  und  so  leicht  es  ist, 
den  künstlerischen  Sinn  desselben  zu  bestimmen,  auf  den  ich  in  der 
dem  Verzeichniss  unsrer  Broncen  vorauszuschickenden  Einleitung  aus- 
führlicher eingehen  werde,  so  schwer  dürfte  es  sein,  überall  symbolische 
Beziehungen  zu  entdecken.  Bei  bedeutenden  Kunstwerken  sind  sie  eher 
vorauszusetzen,  aber  doch  auch  bei  diesen  kann  manches  nur  zum  Zweck, 
die  Schönheit  und  Grazie  der  Form  zu  steigern,  hinzugefügt  sein  und 
ich  wüsste  nicht,  warum  nicht  aus  diesem  Grunde  die  Stuhllehne  der 
liebUchen  Göttin  an  der  Ostseite  des  Monuments  nüt  einem  Schwanenkopf 
veraiert  sein  könnte.  An  der  Gestalt  der  Harpyien  ist  nichts  Auffallen- 
des, die  Form  ihres  Vogelleibes  findet  sich  auch  an  wirklichen  Vögeln, 
worauf  schon  Ann.  1859  p.  399  aufmerksarh  gemacht  ist.  Ueberhaupt 
kann  ich  weder  in  der  Gestalt  der  Harpyien  noch  in  andern  Dingen  den 
Glauben  an  die  Unsterblichkeit  der  Seele,  der  nach  Curtius  das  Thema 
der  ganzen  Composition  ist,  klar  ausgesprochen  finden. 

Ueber  die  Darstellung  der  Harpyien  vgl.  auch  Ann.  1845  p.  1  ff. 
(wo  p.  8  die  Zeit  des  Harpyienmouuments  richtig  bestimmt  wird  als 
kurz  der  Verwaltung  des  Perikles  vorangehend)  und  0.  Jahn  Archaeol. 


Lycische  Kunst.  45 

fidtr.  p.  101.  Mit  den  Sirenen  stellt  Gargallo-Grimaldi,  su  la  pittura  di 
un  vaso  greco  inedito  Napoli  1848  (ich  kenne  dies  Buch  nur  aus  dem 
Bericht  im  Bullet.  1849  p.  174)  die  Figuren  des  Harpyienmonuments 
zusammen.  Vgl.  ausserdem  Welcker  zu  Müllers  Handb.  §  90  und  die 
dort  citirte  ältere  Literatur.  Nur  wird  Welcker's  Zeitbestimmung  mit 
Recht  bestritten  von  Overbeck  Ztschr.  f.  Alterthumswissensch.  1856 
D.  37  und  Gesch.  d.  gr.  Plast,  p.  188.  Ueber  die  Gruppe  der  säugen- 
den Kuh  vgl.  die  Nachweisungen  von  Longperier  Notice  des  antiquit^ 
assyriennes  du  musee  du  Louvre  Paris  1854  n.  390. 

31.  Sogenannte  Leukothea*,  Marmorrelief,  in  Villa 
Albani.  Ergänzt  sind  an  der  Lenkothea  Nase  and  Lippen 
und  Einiges  an  der  rechten  Hand,  am  Kinde  die  rechte  Hand 
und  der  linke  Unterarm;  an  der  ersten  der  drei  Frauen 
das  Gesicht;  die  linke  Hand  und  ein  Theil  des  Kranzes, 
den  sie  hält. 

Winckelmann  erklärte  die  Darstellung  aus  unzureichenden 
Grrfinden  als  die  Pflege  des  jungen  Bacchus  durch  Leukothea. 
Der  Mangel  aller  näheren  Charakteristik  führt  vielmehr  zur 
Annahme;  dass  die  Vorstellung  dem  Kreise  des  täglichen 
Lebens  angehöre.  Nur  könnte  der  stattliche  Thronsessel  und 
die  wie  zu  einer  feierlichen  Adoration  dastehenden  beiden 
hintern  Figuren  glauben  machen,  die  sitzende  Frau  sei  eine 
GR^in.  Allein  das  letztere  wird  wohl  richtiger  der  starren 
Unbehülflichkeit  des  alten  Stils  zugeschrieben  und  auch  die 
Formen  des  Sessels  entsprechen  der  Vortragsweise  dieses 
Stils  besser,  als  die  leichteren  und  geschweifteren  Formen 
der  späteren  Zeit.  Zudem  führt  auch  das  unter  ihm  be- 
merkliche Arbeitskörbchen  in  die  Sphäre  menschlicher  Ver- 
hältnisse. 

Es  ist  ein  griechischer  Grabstein,  mit  einem  Familienbild 
inniger  Art  geschmückt.  Der  leitende  Gedanke  war,  dem 
Verstorbenen  ein  Denkmal  der  Liebe  und  Pietät  zu  stiften, 
mit  der  die  Seinen  im  Leben  an  ihm  gehangen.  Zwar  tritt 
dieser  Gedanke  recht  deutlich  erst  in  der  spätem,  die  Mittel 
des  Ausdrucks  beherrschenden  Kunst  hervor,  doch  ist  ein 
Anfang  schon  hier  zu  merken.  Die  Frau,  die  mit  ihrem 
Kindchen  tändelt,  ist  gewiss  die  Verstorbene,  die  beiden 
kleineren  Figuren,  die  der  Kaum  nicht  anders  zu  stellen  er- 
laubte, scheinen  ältere  Töchter  zu  sein,  und  die  grösste  der 
drei  Frauen,  die  dem  Kinde,  wie  es  scheint,  einen  Kranz 
aufsetzen  will  —  was  auch  nur  als  ein  gemüthliches  Motiv 


Im  Lycischen  Hof  n.  287. 


46  Lycische  Kunst. 

ohne  weitere  Bedeutung  aufzufassen  — ,  ist   auch   wohl   eine 
Angehörige  oder  Dienerin. 

Das  Relief  zeigt  im  Stil  die  auffallendste  Verwandtschaft 
mit  dem  Harpjdenmonument,  so  dass  es  gewiss  derselben  Zeit 
und  Kunstschule  zuzuschreiben  ist.  Nur  ist  es  freilich  nicht 
mit  der  Sauberkeit  und  Feinheit  im  Einzelnen  gearbeitet,  wie 
jenes. 

Abg-.  bei  Winckelmann  monum.  ined.  n.  56.  Zoega  bassiril.  I.  Tav 
4:1.     Müller-Wieseler  I,  11,  40. 

Die  im  Text  befolgte  Erklärung  ist  angedeutet  von  Zoega  und  nä- 
her begründet  von  Friedländer  de  operibus  anaglyphis  in  monumentis 
sepulcralibus  Graecis  Königsbg.  1847  p.  16.  Ich  glaube  sie  wird  jetzt, 
da  so  viele  ähnliche  Grabsteine  bekannt  sind,  keiner  weitern  Begründung 
bedürfen,  so  dass  ich  die  mythologischen  Deutungen  dieses  Reliefs  über- 
gehn  kann.  Ueber  das  Verhältniss  des  Werkes  zum  Harpyienmonument 
vgl.  E.  Braun  Rh.  Mus.  N.  F.  III.  p.  488.    Annali  1844  p.  153. 


c)  Düe  äginetische  Kunst. 

32—48.  Aeginetische  Statuen*,  MarmorgruppeU;  im 
Jahre  1811  von  einer  Gesellschaft  Deutscher  und  Engländer 
(Linkh,  Haller,  Cockerell;  Foster)  auf  der  Insel  Aegina  in  den 
Ruinen  eines  Tempels  entdeckt.  König  Ludwig  kaufte  sie 
1812  als  Kronprinz  für  20,000  scudi,  liess  sie  1816 — 1817 
von  Thorwaldsen  ergänzen  und  dann  in  der  Glyptothek  zu 
München  aufstellen.  Die  Restauration  Thorwaldsen's  gehört 
zu  den  besten,  die  je  gemacht  sind,  und  scheint  auch  ihn 
selbst  befriedigt  zu  haben,  denn  man  erzählt  sich,  dass  er,  um 
die  von  ihm*  herrührenden  Stücke  befragt,  geäussert  habe 
„ich  erinnere  mich  ihrer  nicht  mehr  und  sehen  kann  ich  sie 
nicht,^^  indessen  scheinen  doch  einige  Fehler  begangen  zu 
sein.  Wir  betrachten  zunächst  die  einzelnen  Figuren  und 
zwar  zunächst  diejenigen  des  westlichen  Giebelfeldes,  dessen 
bildnerischer  Schmuck  fast  ganz  vollständig  erhalten  ist 

Die  Mittelfigur,  Pallas,  ist  bis  auf  einige  Stücke  des  Ge- 
wandes und  der  Aegis  ganz  erhalten.  Dass  sie  in  der  Mitte 
des  Giebelfeldes  stand,  folgt  aus  ihrer  Grösse,  ausserdem  ist 
sie  gerade  unter  der  Mitte  des  Giebels  gefunden.  In  dieser 
ihrer  Stellung  im  Mittelpunkt  liegt  auch  gewiss  der  nächste 
Grund,  warum  sie  en  face  dargestellt  ist.     Man  sollte  erwar- 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  23—39. 


Aeginetische  Kunst.  47 

teil,  wie  man  es  so  oft  auf  andern  Monumenten  sieht;  Pallas 
trete  auch  hier  als  Führerin  ihres  Volkes  gegen  den  Feind  aui^ 
aber  wenn  sich  die  Göttin  einer  Partei  enger  angeschlossen 
hätte;  so  wäre  das  strenge  Gleichgewicht  der  beiden  Hälften 
gestört;  das  in  den  Giebelgruppen  des  Alterthums  innegehalten 
wurde.  Ausser  dieser  formellen  Rücksicht  mochte  es  der 
Künstler  vielleicht  auch  für  diesen  Ort;  für  den  Tempel;  an- 
gemessener finden;  die  Göttin 'als  unsichtbare  Schlachtenlen- 
kerin  zwischen  die  Parteien  zu  stellen  als  dass  sie  sich  nach 
homerischer  Weise  in  das  Getümmel  der  Menschen  mischt 
Die  Beine  und  Füsse  der  Göttin  übrigens  stehen  mehr  im 
Profil,  was  gewiss  nur  dadurch  veranlasst  ist;  dass  der  vor 
ihr  liegende  Krieger  sonst  nicht  genügenden  Raum  hatte. 
Von  unten  bemerkt  man  es  kaum;  hätte  der  Künstler  dabei 
die  Absicht  gehabt  die  Göttin  als  Yorkämpferin  der  Griechen 
zu  bezeichnen;  so  würde  er  sich  wohl  etwas  deutlicher  und 
entschiedener  ausgedrückt  haben. 

Manche  Theile  der  Figur  waren  bemalt.  Der  HehU;  des- 
sen Bügel  durch  eine  Schlange  getragen  wird,  war  blau;  der 
Helmbusch  roth  (was  für  alle  Helme  vorauszusetzen),  jene 
Farbe  sollte  gewiss  Metallfarbe  bezeichnen;  während  die  rothe 
Farbe  des  Busches,  wie  auch  eine  Stelle  Homers  anzudeuten 
scheint;  als  besonders  prächtig  und  imponirend  .angesehen 
wurde.  Ausserdem  ist  die  Oberfläche  und  der  Schirm  des 
Helms  mit  kleinen  eingebohrten  Löchern  übersäet,  die  zur 
Befestigung  broncener  Zierrathen,  vermuthlich  Nägel,  dienten. 
Im  Nacken  unter  dem  Helm  finden  sich  noch  mehrere  Löcher, 
die  zur  Anfügung  freigearbeiteter  metallner  Locken  bestimmt 
waren.  Die  Ohren  der  Göttin  sind  durchbohrt,  um  Ohrringe 
aufzunehmen.  Die  Aegis  war  schuppenartig  bemalt,  wie  man 
es  in  späterer  Zeit  plastisch  dargestellt  hat,  und  glich  somit 
einem  Schuppenpanzer,  an  ihren  Spitzen  ist  sie  durchbohrt 
zur  Aufnahme  einer  Verzierung,  die  nach  der  Praxis  der 
spätem  Kunst  in  Schlangenköpfen,  nach  der  Beschreibung 
Homer's  aber  in  Troddeln  bestehen  würde.  Der  Schild,  den 
die  Göttin  an  einem  Tragbande  trug,  war  wie  alle  übrigen 
Schilde  an  der  innem  Seite  bis  auf  einen  fingerbreiten  Strei- 
fen am  Rande,  roth  bemalt,  womit  das  Futter  bezeichnet 
werden  sollte,  aussen  aber  blau  und;  wie  man  es  so  gewöhn- 
lich auf  den  bemalten  Vasen  findet,  mit  einem  charakteristi- 
schen Symbol  versehen.  Ein  Bruchstück  eines  Schildes  hat 
sich  erhalten  mit  Spuren  einer  weiblich  gekleideten  Figur  in 


48  Aeginetische  Kunst. 

flachem  Relief.  Am  Saum  des  Gewandes  hat  man  Spuren 
rother  Farbe  gefunden,  doch  fragt  sich  ob  das  ganze  Ge- 
wand bemalt  war.  Die  Riemen  der  Sandalen  waren  nur 
durch  Bemalung  ausgedrückt,  die  Plinthen  der  Figuren,  die 
in  den  obem  Theil  des  Kranzleistens  eingelassen  waren,  zeig- 
ten rothe  Farbe  und  der  Hintergrund  war  blau.  Am  Nackten 
waren  nur  die  Augäpfel  bemalt  und  die  Lippen.  Theils  ha- 
ben sich  Spuren  davon  gefunden,  theils  geht  es  daraus  her- 
vor, dass  sie  sich  viel  glatter  und  reiner,  weil  geschützt  durch 
den  Farbenüberzug,  erhalten  haben.  Die  Göttin  hatte  blaue 
Augen  und  hellbraune  Haare,  beides  dem  Schönheitsideal  der 
Griechen,  Wie  wir  es  auch  sonst  kennen,  entsprechend. 

An  dem  vor  den  Füssen  der  Göttin  liegenden  Krieger 
ist  nur  Unwesentliches  ergänzt.  Er  ist  verwundet  hingesun- 
ken und  hält  sich  nur  noch  durch  die  rechte  Hand  aufrecht, 
man  sieht  wie  die  Glieder  ermatten  und  der  Helm  ihm  vom 
Haupt  fällt.  Es  ist  interessant,  mit  dieser  Figur  analoge  Dar- 
stellungen auf  älteren  Monumenten,  auf  denen  der  Kampf  um 
einen  Gefallenen,  den  das  homerische  Epos  so  lebendig  schil- 
dert, öfter  dargestellt  ist,  zu-  vergleichen.  Auf  den  ältesten 
Vasenbjldem  liegt  der  Gefallene  lang  hingestreckt  da,  später 
stellt  man  ihn  so  dar  wie  es  hier  geschehen,  wodurch  sowohl 
die  Gruppirung  gewinnt  als  auch  die  Wirkung  aufs  Gemüth 
eine  höhere  wird.  Uebrigens  verbot  schon  die  Aufstellung 
im  Giebel  die  Darstellung  einer  platt  hingestreckten  Figur, 
die  von  unten  gesehen  nicht  zur  Wirkung  kommt  Das 
Schwert  dieses  Kriegers  springt  ganz  aus  dem  Giebelfeld  her- 
aus, wir  wissen  nicht,  ob  dies  ursprünglich  der  Fall  war. 
Vielleicht  ist  bei  der  hiesigen  Aufstellung  das  Giebelfeld  nicht 
tief  genug  angenommen,  so  dass  auch  die  Geschosse  nicht 
vor  der  Göttin  hinüber  und  herüber  fliegen  könneu,  wie  es 
doch  nothwendig  zu  sein  scheint. 

Die  Vorkämpfer  der  beiden  Parteien  sind  bei  der  hiesigen 
Aufstellung  leider  vertauscht,  die  Stelle,  wo  sie  gefunden 
wurden,  lässt  über  ihre  Aufstellung  keinen  Zweifel  übrig,  der 
Vorkämpfer  auf  trojanischer  Seite  ist  derjenige  an  welchem 
der  Kopf  erhalten,  während  der  griechische  erst  durch  die 
Restauration  einen  Kopf  und  zwar,  was  schwerlich  richtig  ist^ 
einen  unbärtigen  —  jener  ist  bärtig  —  erhalten.  Indessen 
ist  diese  Vertauschung  für  das  Verständniss  des  Ganzen  wenig 
erheblich.  Wichtiger  ist  die  Haltung  der  Speere,  die  gewiss 
anders   zu   denken   ist.    Die  Krieger  stechen   nicht  mit  den 


Aüginetische  Kunst.  49 

Speeren;  sondern  sind  im  Begriff^  sie  fortzoschlendern;  und 
hielten  sie  in  horizontaler  Richtung.  Dadurch  wird  auch 
die  Lücke  über  dem  Kopf  des  Sterbenden  ausgefällt  Ergänzt 
ist  an  dem  griechischen  Vorkämpfer;  ausser  dem  Kopf;  nur 
Unbedeutendes;  an  dem  trojanischen  beide  Beine  vom  Leibe 
an  und  der  rechte  Vorderarm.  An  diesem  bemerkt  man 
auf  der  rechten  Schulter  und  unter  dem  linken  Arm  meh- 
rere Löcher  zur  Befestigung  eines  Schwertriemens.  Zu  be- 
merken ist  auch  der  Helm  desselben;  einmal  hinsichtlich  der 
Form;  die  eine  schon  spätere  zu  sein  scheint;  da  man  auf 
den  ältesten  Monumenten  immer  nur  eckig;  nicht  rund  ge- 
schnittene Backenschirme  sieht;  besonders  aber  wegen  der 
Art;  wie  der  Krieger  ihn  trägt.  Die  Helme  wurden  im  wirk- 
lichen Kampfe  ganz  über  den  Kopf  gezogen;  wofUr  ja  auch 
ihre  den  ganzen  Kopf  mit  Backen;  Auge  und  Nase  nachahmende 
Form  bestimmt  ist;  in  dieser  Weise  sieht  man  sie  aber  nur  auf 
den  ältesten  Monumenten;  später  opfert  man  die  Anforderung 
der  Wirklichkeit  dem  künstlerischen  Bedürfiiiss;  das  Gesicht 
unverhüllt  darzustellen.  Unter  dem  Helm  kommt  das  Käpp- 
chen  zum  Vorschein;  das  man  trug;  um  den  Druck  des  Helms 
aufzuheben. 

Es  folgen  ^ks  und  rechts  je  ein  Bogenschütz.  Der 
troischC;  im  Begriff  den  Pfeil  abzuschiessen;  ist  fast  unversehrt 
erhalten.  Seine  Tracht;  enganliegende  Hosen  und  Jacke,  die 
schuppenförmig  bemalt  waren,  und  Filzhut  mit  überhängender; 
hier  fehlender  Spitze;  ist  die  asiatischer  Völkerschaften;  den 
Bogen  trägt  er  an  der  linken  Seite,  gleichfalls  nach  asiatischer; 
z.  B.  persischer  SittC;  welche  von  den  Griechen;  die  ihn  ur- 
sprünglich auf  der  Schulter  trugen,  später  angenommen  wurde. 
Die  Griechen  haben  auch,  wie  aus  vielen  Monumenten  her- 
vorgeht; die  enganschmiegenden  Jacken  und  Hosen  für  ihre 
Bogenschützen  adoptirt;  hier  indessen  musste  scffon  zur  Unter- 
scheidung der  griechische  Bogenschütz  in  griechischem  Costüm 
dargestellt  werden.  An  diesem  sind  ergänzt  der  Kopf,  beide 
Vorderarme  und  das  linke  Bein  vom  Knie  abwärts.  Auf  der 
äussern  Fläche  seines  Köchers  ist  noch  eine  Schwertscheide 
angebracht;  auf  der  obem  Fläche  desselben  bemerkt  man 
die  Löcher  zum  Einstecken  der  Pfeile.  Er  scheint  eben  ab- 
geschossen zu  haben.  Dass  man  ihn,  sowie  den  trojanischen 
Schützen,  mit  einem  ledernen  Panzer  bekleidet  dargestellt 
hat,  davon  liegt  der  Grund  gewiss  darin,  weil  die  Bogen- 
schützen keinen  Schild  tragen   konnten.    Zugleich   gewähren 

Friederichs,  giiech.  Plastik.  4 


50  Aeginetische  Kunst. 

diese  bekleideten  Figuren  eine  angenehme  Abwechselnng 
zwischen  den  übrigen;  sämmtlich  nackten  Kriegern.  Die 
knieende  Stellung,  zunächst  durch  das  Giebelfeld  veranlasst^ 
ist  doch  für  Bogenschützen  auch  natürlich  und  findet  sich 
öfter  in  den  Monumentens  Sie  mussten  sich  möglichst  zn- 
sanmienschmiegen;  weil  sie  keinen  Schild  hatten.  Es  darf 
übrigens  vorausgesetzt  werden,  dass  der  Panzer  des  Griechen 
bemalt  war,  entsprechend  dem  des  Trojaners. 

Von  dem  folgenden  Paar  von  Kriegern  ist  derjenige  auf 
der  trojanischen  Seite  sehr  stark  ergänzt.  Es  fehlten  Kopf 
und  Hals,  der  linke  Vorderarm,  das  Unke  Knie  und  das 
rechte  Bein  vom  Knie  abwärts.  Die  Haltung  des  Kopfes  kann 
unmöglich  richtig  sein,  der  Krieger  sieht  nach  unten,  wofür 
gar  kein  Grund  abzusehen,  und  zugleich  hebt  er  den  Speer 
zum  Stoss,  wodurch  die  Neigung  des  Kopfes  noch  auffallender 
wird.  Die  entsprechende  Figur  auf  der  griechischen  Seite 
ist   bis    auf  die  Hände   nnd  den  linken  Vorderarm  erhalten. 

Der  Platz,  welchen  diese  Krieger  und  die  Bogenschützen  iin 
Giebelfeld  einnahmen,  ob  die  letzteren  vor  oder  hinter  den 
ersteren  standen,  war  nach  den  Umständen  des  Fundes  nicht 
zu  bestimmen,  auch  die  Grösse  entscheidet  hier  nicht,  weil 
die  Figuren  nicht  vollständig  erhalten  sind.  Na^jh  Thorwaldsen's 
Restauration  sind  allerdings  die  Bogenschützen  um  ein  paar 
Zoll  höher  als  ihre  Hintermänner,  wenn  aber  der  auf  trojani- 
scher Seite  ergänzte  Kopf,  an  dessen  Neigung  wir  Anstoss 
nahmen,  mehr  gehoben  wird,  so  verschwindet  diese  Differenz, 
und  die  Richtigkeit  der  Ergänzung  des  griechischen  Bogen- 
schützen ist  uns  auch  aus  andern  Gründen  zweifelhaft.  Thor- 
waldsen  hat  ihm  einen  Helm  mit  hohem  Busch  aufgesetzt, 
wie  ihn  die  übrigen  Krieger  tragen,  aber  auf  Vasenbildem 
finden  wir  die  Bogenschützen  sehr  oft  mit  enganliegenden 
Hauben  ohne  Busch  bekleidet  und  diese  ungleich  charakte- 
ristischere Tracht  wird  hier  noch  dadurch  empfohlen,  dass  auch 
die  übrigen  drei  an  diesem  Tempel  dargestellten  Bogenschützen 
von  den  Lanzenträgem  durch  charakteristisches  Costüm  unter- 
schieden sind.  Dadurch  würde  auch  auf  griechischer  Seite 
die  Differenz  der  Grösse  verschwinden.  Wir  glauben,  dass 
die  Bogenschützen  nicht  die  dritte,  sondern  die  zweite  Stelle 
im  Giebelfeld  (von  der  Ecke  an  gerechnet)  eingenommen  haben. 
Zunächst  deswegen,  weil  sie,  wie  wir  unten  sehen  werden,  in 
dem  correspondirenden  Ostgiebel  bestimmt  diese  Stelle  ein- 
nahmen, sodann  weil  die  Bogenschützen  ihrer  Waffe  wegen 


Aeginetische  Kunst  51 

nicht  nöthig  haben,  in  den  vorderen  Reihen  zu  kämpfen^ 
vielmehr  da  sie  keinen  Schild  tragen  konnten,  sich  im  Hand- 
gemenge mehr  rückwärts  zu  halten  hatten,  und  endlich  darum^ 
weil  dann  die  knieenden  Lanzenträger,  die  jetzt  eigentlich 
müssig  sind,  lebendig  in  die  Aktion  eingreifen  und  überhaupt 
erst  verständlich  werden.  Denn  man  begreift  nicht,  aus 
was  für  Gründen  diese  Figuren,  die  nach  ihrer  Waffe  auf 
den  Nahkampf  angewiesen  sind,  sich  soweit  vom  Mittelpunkt 
des  Kampfes  entfernt  halten,  noch  weniger  aber,  warum  sie 
niederknieen.  Man  hat  dies  einfach  aus  dem  Zwang  des 
Raumes  erklärt,  aber  das  heisst  doch  zu  schnell  dem  Künstler 
einen  Fehler  zutrauen.  In  der  griechischen  Kunst,  selbst  in 
den  untergeordneten,  ans  Handwerk  streifenden  Werken  der- 
selben, ist  die  Beschränkung  des  Raumes  gewöhnlich  so  glück- 
lich überwunden,  dass  man  bei  einem  so  bedeutenden  Kunst- 
werk dieselbe  Voraussetzung  machen  darf.  Das  Knieen  und 
überhaupt  die  ganze  Thätigkeit  dieser  Krieger  ist  vollkommen 
motivirt,  sobald  sie  vor  den  Bogenschützen  stehen.  Sie  liegen 
im  zweiten  Gliede  gleichsam  auf  der  Lauer  und  erspähen 
die  Gelegenheit,  ob  nicht  ein  unvorsichtiger  Feind  sich  vor- 
wagen werde,  um  den  Sterbenden  auf  seine  Seite  herüber- 
zuziehen. Ständen  sie  aufrecht  hinter  den  Vorkämpfern  und 
deren  Schilden,  so  wären  sie  eben  durch  diese  gehindert; 
gerade  ihr  Knieen  macht  ihnen  den  freien  Blick  und  die 
freie  Aktion  möglich.  Man  versteht  dann  auch  die  vorwärts 
strebende  Bewegung  dieser  Krieger,  die  an  dem  entfernteren 
Platz  hinter  den  Bogenschützen,  von  wo  aus  kein  Stoss  den 
Feind  erreichen  kann,  unverständlich  wäre.  Auch  die  ganze 
Situation  wird  durch  diese  Umstellung  lebendiger  und  span- 
nender. 

Von  den  beiden  Sterbenden  in  der  Ecke  des  Giebels 
ist  der  Grieche  beschäftigt  sich  einen  Pfeil  aus  der  Brust 
zu  ziehen.  Die  eigenthümliche  Haltung  seiner  Beine  soll 
vielleicht  den  Schmerz  der  Wunde  ausdrücken.  Ergänzt 
sind  an  ihm  das  rechte  Bein  vom  Knie  bis  auf  die  Knöchel 
und  der  rechte  Vorderarm.  Die  je  drei  Löcher  an  den 
Schultern  dieser  Figur  können  nicht  zur  Befestigung  eines 
Halsschmuckes,  der  hier  durchaus  unpassend  wäre,  gedient 
haben,  ihre  Bestimmung  ist  nicht  klar,  vielleicht  hingen  hier 
auch  Locken  herab.  Der  verwundete  Trojaner  greift  mit 
der  Linken  nach  der  Wunde  an  seinem  Schenkel.  Diese 
Figur   hat   an   der   Vorderseite   besonders   gelitten,   ergänzt 

4* 


52  Aeginetische  Kunst. 

sind  der  Kopf,  der  linke  Arm  (bis  auf  die  Spuren  der  Finger 
an  der  Wunde),  der  rechte  Arm  und  beide  Beine  vom  Knie 
abwärts. 

Dies  sind  die  vom  westlichen  Giebelfeld  des  Tempels 
erhaltenen  Figuren.  Es  fehlt  zur  Vollständigkeit  nur  eine, 
von  der  trojanischen  Seite,  die  nur  vier  Figuren  hat,  während 
auf  der  griechischen  fünf  stehen.  Und  zwar  war  dies,  wie 
sich  theils  aus  Fragmenten,  theils  aus  der  Vergleichung 
der  sehr  genau  entsprechenden  Vorderseite  des  Tempels  er- 
giebt,  ein  nackter  Jüngling,  der  zwischen  dem  trojanischen 
Vorkämpfer  und  der  Göttin  stehend,  nach  dem  sterbenden 
Griechen  griff,  um  ihn  herüberzuziehen  und  seiner  Waffen 
zu  berauben.  Vom  Ostgiebel  ist  diese  Figur  erhalten  und 
eben  diese  ist  hier,  um  wenigstens  ein  Giebelfeld  ganz  voll- 
ständig zu  haben,  in  den  Westgiebel  eingeschoben.  Es  war 
hier  also  eine  Scene  dargestellt,  wie  Homer  sie  oft  beschreibt, 
der  Kampf  um  einen  Gefallenen,  den  die  Freunde  vertheidigen, 
die  Feinde  auf  ihre  Seite  herüberzuziehen  suchen. 

Vom  östlichen  Giebelfeld  sind  nur  fünf  Statuen  einiger- 
massen  vollständig  erhalten,  aber  es  geht  aus  ihnen  und  aus 
zahlreichen  Fragmenten  hervor,  dass  die  Darstellung  ganz 
mit  dem  Westgiebel  übereinstimmte.  Auch  hier  nahm  Pallas, 
deren  Kopf  sich  erhalten,  die  Mitte  ein,  und  an  ihrer  rechten 
Seite  standen  die  Griechen,  an  ihrer  Linken  die  Trojaner, 
unter  welchen  sich,  wie  das  Fragment  eines  rechten  Arms 
zeigt,  eine  jenem  Bogenschützen  im  Westgiebel  durchaus  ent- 
sprechende Figur  befand.  Erhalten  ist  zunächst  die  Eckfigur 
der  griechischen  Seite,  ein  schwer  verwundeter  älterer  Krieger, 
der  sich  nur  mit  Mühe  noch  etwas  über  dem  Boden  hält. 
Sein  rechtes  Bein  von  der  Mitte  des  Schenkels  abwärts  ist 
ergänzt,  auch  der  Helmbusch  fehlt,  der  in  eine  oben  auf 
dem  Helm  bemerkbare  Vertiefung  eingelassen  war.  Am 
rechten  Gesässmuskel  dieser  Figur  ist  eine  antike  Ergänzung 
zu  bemerken.  Es  folgt  sodann  der  Bogenschütz,  der  nach 
dem  über  seinen  knapp  anliegenden  Helm  gezogenen  Löwen- 
fell als  Herakles  zu  bezeichnen  ist.  Im  Uebrigen  ist  er 
ähnlich  gekleidet  wie  der  griechische  Bogenschütz  des  West- 
giebels. Sein  Panzer  ist  von  Leder  und  besteht  aus  einem 
Stücke,  dessen  Enden  unter  dem  linken  Arm  zusammen- 
genestelt sind.  Er  wird  nur  von  einem  Achselriemen  über 
der  rechten  Schulter  gehalten,  um  dem  linken  Arm,  der  den 
Bogen   führte,    grössere  Bequemlichkeit   zu   gewähren.     Der 


Aeginetische  Kunst.  -  53 

Köcher  ist  nicht  erhalten,  drei  grosse  Vertiefungen  am  Nacken 
und  Rücken  lassen  vermuthen;  dass  er  auf  dem  Rücken  hing. 
Ergänzt  sind  der  rechte  Vorderarm;  beide  Hände  und  das 
linke  Bein  vom  Knie  abwärts. 

Herakles  kann  nur  die  zweite  Stelle  im  Giebel,  von  der 
Ecke  an  gerechnet,  eingenommen  haben.  Er  schliesst  sich 
nach  seinen  Maassen  unmittelbar  an  den  in  der  Ecke  liegen- 
den Krieger  an,  den  er  nur  um  einen  halben  Fuss  an  Höhe 
überragt,  während  er  dagegen  von  dem  ebenfalls  erhaltenen 
Vorkämpfer  um  fast  zwei  Fuss  überragt  wird.  Unmittelbar 
neben  diesem  kann  er  also  nicht  gestanden  haben,  es  wäre 
das  ein  Sprung,  der  ganz  dem  allmählichen  Aufsteigen  der 
Figuren  im  Giebelfeld  widerspräche.  Steht  aber  Herakles  an 
seiner  richtigen  Stelle,  so  dürfen  wir  daraus  bei  der  grossen 
Uebereinstinunung  der  beiden  Giebelfelder  ein  entscheidendes 
Argument  für  die  gleiche  Stellung  der  Bogenschützen  des 
Westgiebels  entnehmen,   die   wir  oben  zu   beweisen  suchten. 

Der  griechische  Vorkämpfer  der  Ostseite  wurde  in  sehr 
verstümmeltem  Zustande  gefunden.  Es  fehlten  der  Kopf, 
beide  Hände  und  Beine,  mit  Ausnahme  des  rechten  Unter- 
beines. Ob  er  in  der  rechten  Hand  Speer  oder  Schwert  ge- 
halten hat,  ist  nicht  sicher  zu  sagen. 

Endlich  der  Gefallene,  um  den  gestritten  wird,  an  welchem 
man  zwei  Wunden  bemerkt,  unter  der  rechten  Brust  und 
anter  dem  linken  Arm,  Neu  sind  der  Kopf,  der  rechte  Arm, 
der  linke  Vorderarm,  das  rechte  Bein  vom  Leibe  an  imd  das 
linke  vom  Knie  abwärts.  Nach  der  Ergänzung  soll  die  Figur 
als  nach  hinten  über  gefallen  und  sich  noch  mit  dem  Schwert 
vertheidigend  gedacht  werden.  Die  Stellung  ist,  wenn  auch 
durchaus  naturwahr,  doch  weniger  schön  und  poetisch,  als 
die  der  entsprechenden  Figur  im  Westgiebel,  sie  ist  aber 
auch  schwerlich  richtig.  Legen  wir  nämlich  die  Figur  nach 
der  trojanischen  Seite  hin,  worauf  sie  berechnet  scheint  — 
sie  präsentirt  sich  dann  mit  ihrer  Vorderseite  — ,  so  wird 
die  Symmetrie  gestört.  Denn  der  Sterbende,  um  den  gekämpft 
wird,  muss  mit  demjenigen  correspondiren,  der  ihn  herüber- 
zieht, es  ist  keine  andere  Figur  da,  der  er  entsprechen  könnte; 
derjenige  aber,  der  ihn  herüberzieht,  gehört  sicher  auf  die 
trojanische  Seite,  er  hat  nur  Platz  neben  einem  Vorkämpfer, 
der  seinen  Schild  nach  aussen  kehrt,  also  neben  einem  Trojaner. 
Folglich  kann  der  Gefallene  nur  auf  die  griechische  Seite 
gelegt  werden.     Aber  in  der  Stellung,  die  ihm  der  Ergänzer 


54  Aeginetische  Kunst. 

gegeben,  können  wir  ihn  auch  da  nicht  gebrauchen.  Denn 
abgesehen  davon,  dass  er  sich  mit  seiner  Rückseite  präsen- 
tiren  würde,  so  kann  er  in  dieser  Lage  des  Oberkörpers 
nicht  wirksam  genug  mit  dem  ihn  herüberziehenden  Feinde 
correspondiren  —  ein  Liegender  kann  nicht  einem,  wenn 
auch  gebückt,  aber  doch  aufrecht  Stehenden  gegenübergestellt 
werden  — ,  auch  greift  er  nicht  ein  in  die  durch  die  Be- 
wegung des  griechischen  Vorkämpfers  entstehende  Lücke,  wie 
es  aufs  Schönste  der  Fall  ist  bei  der  entsprechenden  Figur 
des  andern  Giebels.  Endlich  beweist  der  im  Gegensatz  zur 
Vorderseite  ganz  glatte  Rücken  der  Figur,  dass  sie  die  Brust, 
nicht  den  Rücken  nach  aussen  kehrte. 

Wird  aber  die  Figur,  wie  es  auch  in  einer  von  einem 
der  Entdecker  ausgehenden  Skizze  vorgeschlagen  ist,  so  ge- 
legt, dass  sie  sich  auf  den  rechten  Arm  stützt,  so  erhalten 
wir  eine  dem  Sterbenden  des  anderen  Giebels  durchaus  ent- 
sprechende Figur.  Die  Gesetze  der  Composition  und  die 
Uebereinstimmung  mit  dem  andern  Giebelfeld  lassen,  wie  mir 
scheint,  keinen  Zweifel  übrig,  dass  dies  in  der  That  die 
richtige  Restauration  ist.  Die  Figur  braucht  somit  nur  anders 
gelegt,  nicht  anders  ergänzt  zu  werden. 

Ausserdem  sind  noch  die  kleinen  weiblichen  Figuren 
zu  beiden  Seiten  der  Firstverzierung  zu  erwähnen.  Ihr 
Maass  und  ihre  Symmetrie  —  sie  sind  sich  ganz  gleich, 
nur  dass,  was  die  eine  mit  dem  rechten  Arm  und  Bein,  die 
andere  mit  dem  linken  thut  —  führten  auf  die  Vermuthung, 
dass  sie  als  Verzierung  der  Architektur  dienten.  Köpfe  und 
Hände  sind  ergänzt.  Der  Typus  dieser  Figuren  ist  im  alten 
Stil  sehr  gewöhnlich,  namentlich  an  Statuen  der  Aphrodite, 
die  mit  der  einen  Hand  ihr  Gewand  hebend  und  mit  der 
anderen  eine  Blüthe  haltend  dargestellt  wird.  Welche  Be- 
deutung sie  aber  hatten,  ist  ganz  ungewiss. 

Dass  in  den  Gruppen  der  Giebelfelder  Thaten  griechischer 
Heroen  dargestellt  sind,  folgt  schon  aus  der  Anwesenheit  des 
Herakles;  dass  es  sich  femer  um  einen  Kampf  zwischen 
Griechen  und  Asiaten  handelt,  ergiebt  die  Tracht  des  feind- 
lichen Bogenschützen ;  dass  endlich  Thaten  äginetischer  Heroen 
gemeint  sind,  ist  nach  dem  Fundort  der  Statuen  eine  natür- 
liche Voraussetzung.  »Nun  giebt  es  einen  Krieg  eines  ägine- 
tischen  Heros  gegen  Asiaten,  unter  dem  Beistand  des  Herakles, 
nämlich  den  Kriegszug  des  Telamon  gegen  Laomedon  von 
Troja,  und  diesen  Kampf  stellt   unzweifelhaft,   wie  auch  die 


Aeg^ietische  Kunst.  55 

allgemeine  Annahme  ist,  das  vordere  Giebelfeld  dar.  Aller- 
dings war  nach  dem  Myt&ns  Herakles  der  eigentliche  Führer 
nnd  Telamon  nor  Bundesgenosse;  dämm  sollte  ersterer  als 
Vorkämpfer  der  Griechen  und  nicht  in  der  untergeordneten 
Rolle  eines  Bogenschützen  erscheinen,  aber  gerade  bei  dieser 
Expedition  wird  ihm  ausdrücklich  der  Kampf  mit  der  ihm 
in  älterer  Zeit  eigenthümlichen  .Waffe,  dem  Bogen,  zuge- 
schrieben und  so  hatten  die  Aegineten  einen  willkommnen 
Grund,  dem  einheimischen  Heros  die  hervorragendere  Stelle 
anzuweisen. 

Der  Vorkämpfer  auf  der  östlichen  Seite  also  wird 
Telamon  sein  sollen,  von  den  andern  Kriegern,  ausser  Herakles, 
können  wir  keinen  mit  Namen  nennen. 

Nach  der  grossen  Uebereinstimmung  zwischen  den  beiden 
Giebelfeldern  ist  auch  im  westlichen  Giebel  ein  Kampf  ägine- 
tischer  Heroen  gegen  Troja  vorauszusetzen.  Und.  darüber 
nun  kann  wohl  kein  Zweifel  sein,  dass  der  Heldenthat  des 
Vaters  Telamon  auf  der  Ostseite  am  passendsten  eine  That 
des  Sohnes,  des  gewaltigen  Ajax,  auf  der  Westseite  gegenüber- 
stehen würde,  nur  darüber  herrscht  Meinungsverschiedenheit, 
ob  in  dem  Gefallenen,  den  Ajax  vertheidigt,  Patroklus  zu 
erkennen  sei  oder  AchiU.  Zur  Unterstützung  der  letztem 
Meinung  führt  man  namentlich  an,  dass  Achill  unter  die 
äginetischen  Heroen  zähle,  während  Patroklus  keine  Beziehung 
zu  Aegina  habe.  Das  ist  gewiss  richtig,  aber  hat  denn  auch 
der  Grieche^  um  welchen  im  andern  Giebel  gekämpft  wird, 
Beziehung  auf  Aegina  ?  Wird  nicht  der  strenge  Parallelismus 
der  beiden  Gmppen,  der  doch  nicht  blos  ein  Parallelismus 
der  Form,  sondern  auch  des  Gedankens  sein  wird,  auf's  Em- 
pindlichste  gestört,  wenn  wir  dem  Sterbenden  der  einen  Seite 
eine  Bedeutung  beilegen,  die  dem  der  anderen  ganz  fremd 
ist?  Es  kommt  nicht  sowohl  darauf  an,  um  wen,  als  darauf, 
dass  um  einen  sterbenden  Griechen  gekämpft  wird.  Aegine- 
tische  Heroen  als  Vorkämpfer  der  Griechen  in  bedrängter 
Lage,  das  ist  der  klare  und  einfache  Gedanke,  der  in  diesen 
Compositionen  ausgesprochen  liegt.  Denn  hier,  wie  dort,  sind 
die  Griechen  Vertheidiger,  nicht  Angreifer,  ein  Grieche  ist's, 
«m  den  gekämpft  wird.  Dieser  Gedanke  ist  es,  welcher,  wie 
ich  glaube,  den  Mangel  individueller  Bezeichnung  des  darge- 
stellten Vorgangs  zum  guten  Theil  erklärt. 

Ich  läugne  natürlich  nicht,  dass  auch  die  jener  Kunst- 
stofe  eigenthümliche  strenge  architektonische  Symmetrie  dazu 


56  Aeginetische  Kunst. 

mitgewirkt  hat,  die  eine  Giebelgruppe  nur  als  eine  Wieder- 
holung der  andern  und  die  eine'  Hälfte  jeder  Gruppe  nur 
als  eine  Wiederholung  der  andern  erscheinen  zu  lassen,  aber 
ist  es  denkbar,  dass  dies  Verfahren  in  solcher  Strenge 
eine  allgemeine  Praxis  bei  den  Giebelgruppen  des  alten 
Stils  war  ? 

Denn  wäre  das  die  Absicht  des  äginetischen  Künstlers 
gewesen,  zwei  bestimmte  Scenen  aus  der  Geschichte  der 
Heroen  zur  Darstellung  zu  bringen,  so  würde  er  sie  gewiss 
unbeschadet  der  architektonischen  S3anmetrie  mehr  indivi- 
dualisirt  haben.  Wie  leicht  war  es  z.  B.,  wenn  er  den  Kampf 
um  die  Leiche  Achiirs  hätte  darstellen  wollen,  den  sterbenden 
Helden  durch  einen  in  der  Ferse  steckenden  Pfeil  deutlich 
zu  bezeichnen.  Aber  gerade  eine  grössere  Individualisirung 
der  Begebenheit  hätte  das  Allgemeine  des  Gedankens,  der 
ausgedrückt  werden  sollte,  nicht  so  klar  hervortreten  lassen. 

Wenn  sich  nun  ergeben  wird,  dass  diese  Gruppen  kurz 
nach  den  Perserkriegen  verfertigt  sein  müssen,  dann  gewinnt 
die  Vermuthung,  dass  der  Bildner  durch  diese  troischen 
Scenen  an  die  Kämpfe  mit  den  Persem  erinnern  wollte,  grosse 
Wahrscheinlichkeit.  Jedenfalls  ist  es  echt  griechisch  gedacht, 
wenn  wir  annehmen,  dass  die  Aegineten  zur  Feier  und  zum 
Andenken  ihrer  eigenen,  ruhmvollen  Thaten  im  Kampfe  mit 
Asien  ihre  Landesheroen  als  Retter  der  Griechen  in  ähnlicher 
Noth  aufstellten.  Aehnlich  ist  es  in  Pindar's  Siegesliedem, 
die  weniger  den  Ruhm  des  Siegers,  als  den  seiner  Landes- 
heroen feiern. 

Von  einer  individuellen  Charakteristik  der  einzelnen 
Heroen  sind  nach  der  Kunststufe  der  Werke  erst  Anfänge 
sichtbar,  wenn  wir  daher  den  Bogenschützen  der  Griechen 
Teukros,  den  der  Trojaner  Paris  und  den  trojanischen  Vor- 
kämpfer Hektor  nennen,  so  wäre  das  nicht  möglich,  wenn 
wir  diese  Namen  nicht  im  Mythus  fänden.  Doch  fällt  Paris 
als  eine  besonders  schlanke  und  graziöse  Erscheinung  auf 
und  mehr  noch  ist  in  der  Gestalt  des  Herakles  ein  Bewusst- 
sein  von  dem  Charakter  der  darzustellenden  Figur  wahrnehm- 
bar. Es  ist  eine  verhältnissmässig  kleine  aber  sehr  kräftig 
gebildete  Figur,  so  wie  auch  Pindar  den  Herakles  schildert 
und  wie  es  dem  Charakter  dieses  Helden,  dessen  Virtuosität 
das  Aushalten  ist,  am  angemessensten  erscheint.  Auch  in 
seinem  Gesicht  fehlt  es  nicht  ganz  an  Ausdruck,  der  Mund, 
der  an  dem  neben  ihm  liegenden  Krieger  wie  klagend  oder 


Aeginetische  Kunst.  57 

schwer  athmend  sich  öffiiet^  ist  bei  ihm  fest  geschlossen,  wie 
es  natürlich  ist  für  die  gespannte  Aufmerksamkeit,  die  den 
Herakles,  der  gerade  die  Bogensehne  anzieht,  beherrscht.  Im 
Allgemeinen  freilich  ist  weder  von  Individualität  noch  von 
Ansdrack  der  Gesichter  zu  reden. 

Die  Bewegungen  der  Figuren,  die  aufs  Schönste  in  ein- 
ander greifen  und  vollkommen  naturwahr  sind,  haben  doch 
noch  etwas  Gebundnes.  Es  ist  noch  nicht  der  volle  Ausdruck 
der  Leidenschaft  erreicht,  der  heftigere,  wildere  Bewegungen 
erfordern  würde.  Dagegen  sind  die  Formen  des  Nackten  bis 
auf  Zufälligkeiten  der  Haut  und  der  Adern  mit  der  grössten 
Natnrtrene  wiedergegeben.  Die  durchgängige  Schmalheit  der 
Htiften  ist  freilich  noch  eine  Concession  an  die  frühere  Kunst- 
Übung  und  namentlich  an  einigen  Figuren  des  Westgiebels 
fallt  eine  gewisse  Magerkeit  auf.  Besonders  auffallend  ist 
aber  der  Contrast  zwischen  Kopf  und  Körper.  Es  ist  das 
zwar  eine  Eigenthümlichkeit  des  ganzen  alterthümlichen  Stils, 
auch  sind  die  Formen  des  Kopfes,  z.  B.  das  besonders  gross 
gebildete  Kinn  sowie  die  altvaterische  Frisur,  allen  alterthüm- 
lichen Werken  gemein,  indess  ist  hier  eben  wegen  der  gros- 
sen Vollendung  des  Körperlichen  der  Contrast  am  fühlbarsten. 
Dieser  Contrast  bleibt  aber  auch  noch  später,  die  griechische 
Kunst  geht  einen  der  modernen  Kunst  gerade  entgegengesetzten 
Weg.  Während  es  dort  zuerst  der  Kopf  ist,  der  künstlerisch 
ausgebildet  wird,  ist  es  hier  der  Körper.  Diesen  naturgetreu 
darzustellen,  war  die  nächste,  emsig  und  darum  einseitig  ver- 
folgte Aufgabe  der  griechischen  Kunst,  erst  später  in  einer 
ganz  andern  Periode  der  Kunst  und  unter  ganz  andern  Ver- 
hältnissen versuchte  man  das  Leben  des  Geistes  und  der 
Seele  darzustellen. 

Die  Ausführung  dieser  Werke  verdient  die  höchste  Be- 
wunderung. Alle  und  jede  Stütze,  wie  sie  sonst  bei  Marmor- 
iiguren  zum  sichern  Stand  erforderlich  ist,  wussten  die  Künstler 
entbehrlich  zu  machen,  trotz  der  Schilde,  die  das  Gewicht  der 
Figur  und  besonders  des  ausgestreckten  Arms  so  beträchtlich 
vermehren.  Diese  sind  freilich  darum  so  dünn  wie  möglich, 
bis  höchstens  auf  einen  Zoll  Dicke  ausgearbeitet.  Bewiin- 
demswerth  ist  auch  der  fast  ganz  hohl  gearbeitete  Helm  des 
Patroklus.  Die  Figuren  sind  aber  nicht  bloss  an  der  Vor- 
derseite sondern  auch  an  der  gar  nicht  sichtbaren  Rückseite 
mit  der  grössten  Treue  und  Sorgfalt  ausgearbeitet.  Der 
Künstler   dachte   nicht   daran,   nur   den   Anforderungen   des 


58  Aeginetische  Kunst. 

Betrachtenden  zu  genügen,  er  wollte  etwas  ganz  in  sich  Vollen- 
detes schaffen,  das  würdig  wäre  zum  Schmuck  des  Tempels. 
Erst  später,  als  die  Kunst  die  mühevollen  Lehrjahre  längst 
hinter  sich  hatte,  als  eine  freiere  aher  oft  auch  leichte  Gre- 
nialität  mit  dem  sauer  erwbrhenen  Gute  mühelos  schaltete, 
verliert  sich  diese  Treue  im  Kleinen  und  Kleinsten,  die  allen 
Perioden  dieser  Zeit,  den  Vasengemälden  sowohl  wie  den  ge- 
schnittenen Steinen  eigen  ist  Ohne  diesen  emsigen  und  hin- 
gehenden Fleiss  der  alten  Zeit  hätte  die  griechische  Kunst 
nie  die  wundervolle  Freiheit  ihrer  Blüthezeit  erlangt. 

Die  Haare  in  ihrer  drahtartigen  Form  scheinen  Bronce- 
werken.  nachgebildet  zu  sein,  in  Bronce  ist  wenigstens  diese 
Art  der  Behandlung  natürlich  und  auch  noch  in  späteren 
Zeiten  üblich,  als  sie  im  Marmor  längst  aufgegeben  war.  Das 
künstliche  Gekräusel  der  Locken  ist  aber  gewiss  aus  dem 
Leben  der  damaligen  Zeit  genommen,  die  historische  Figur 
des  Harmodios  (n.  24)  hat  eine  ganz  ähnliche  Lockenfrisur, 
wie  die  äginetischen  Heroen.  Ebenso  werden  wir  hinsicht- 
lich der  Gewandung  der  Minerva  eine  ähnliche  knapp  anlie- 
gende Tracht  des  Lebens  voraussetzen  dürfen.  Der  bedeu- 
tungsvolle Uebergang  der  Kunst  von  knappen  Gewändern  zu 
faltenreich  und  frei  wallenden  setzt  eine  entsprechende  Um- 
änderung in  der  Sitte  des  Lebens  voraus. 

Es  ist  an  sich  vorauszusetzen  und  durch  die  Verschie- 
denheit der  einzelnen  Figuren  einleuchtend,  dass  nicht  alle 
Statuen  von  einer  Hand  herrühren.  Man  vergleiche  nur  z. 
B.  die  wundervolle  für  die  Ecke  des  Ostgiebels  bestimmte 
Figur  des  sterbenden  Kriegers  mit  den  entsprechenden  Figu- 
ren der  Westseite  und  man  wird  dort,  auch  ganz  abgesehn 
von  den  durch  das  verschiedene  Alter  nothwendigen  Verschie- 
denheiten, eine  viel  weichere,  fleischigere  Behandlung  finden 
als  hier.  Im  Allgemeinen  scheinen  die  Figuren  der  Ostseite 
vorzüglicher,  es  ist  auch  natürlich,  dass  für  die  Eingangsseite 
des  Tempels  die  vorzüglicheren  Kräfte  benutzt  wurden.  An 
der  Westseite  verdient  die  Figur  des  Patroklus  besonders 
hervorgehoben  zu  werden. 

Dass  die  Statuen  nicht  vor  den  Perserkriegen  gearbeitet 
sein  können,  wird  jetzt,  da  uns  eine  genauere  Vergleichung 
der  altattischen  Kunst  möglich  ist,  wohl  nicht  mehr  so  eifrig 
bestritten  werden  wie  früher.  Denn  vergleicht  man  die  Stele 
des  Aristion  (n.  20)  und  die  Gruppe  der  Tyrannenmörder 
von  Kritios  (n.  24.  25),  attische  Werke  aus  der  Zeit  der  Per- 


Aeginetische  Kunst.  59 

serkriege;  so  sind  die  äginetischen  Statuen  dem  ersten  Werk 
entschieden  überlegen  und  dem  andern  stehn  sie  nicht  nach; 
ja  in  den  Metopenreliefs  des  Parthenon  finden  sich  mehrere 
Figuren,  mit  denen  die  Aegineten  sogar  zu  ihrem  Vortheil 
sich  vergleichen  lassen.  Dass  sie  aber  nicht  lange  nach  den 
Perserkriegen  verfertigt  sein  können,  geht  aus  ihrem  alter- 
thümlichen  Charakter  hervor,  einen  äussersten  Grenzpunkt 
giebt  Ol.  80,  3,  in  welchem  Jahre  Aegina  seine  politische 
Selbstständigkeit  verlor. 

Wie  wir  aus  alten  Nachrichten  wissen,  blühte  auf  Aegina 
'ein  eigner  Kunststil,  dessen  Eigenthümlichkeiten  aber,  obgleich 
wir  ein  so  bedeutendes  gewiss  im  landesüblichen  Stil  verfer- 
tigtes Werk  vor  uns  haben,  schwer  anzugeben  sind.  Ein 
alter  Berichterstatter  bemerkt,  dass  der  äginetische  Stil  im 
Allgemeinen  hinter  dem  attischen  zurückstand  und  scheint  an 
einer  andern  Stelle  eine  gewisse  Magerkeit  an  den  Figuren 
dieses  Stils  als  charakteristisch  hervorzuheben.  Diese  Bemer- 
kung passt  allerdings  auf  die  meisten  unsrer  Figuren,  wäh- 
rend wir  in  den  Sculpturen  von  Selinunt  eine  Neigung  zur 
derbsten  Fülle  fanden  und  auch  in  der  attischen  sowohl  wie 
lycischen  Kunst  den  Körpern  eher  zu  vitel  als  zu  wenig  Fülle 
gegeben  wird.  Möglich  also,  dass  hierin  etwas  Unterschei- 
dendes liegt. 

Vergleicht  man  die  Vorkämpfer  der  äginetischen  Grup- 
pen mit  den  Statuen  des  Harmodios  und  Aristogeiton,  die 
eine  ähnliche  Stellung  haben,  so  ist  wohl  dies  der  augenfäl- 
ligste Unterschied,  dass  an  den  äginetischen  Figuren,  die  sich 
doch  auch  in  der  Leidenschaft  des  Kampfes  befinden,  keine 
Spur  jener  straffen  Anspannung  aller  Muskeln  bemerkbar  ist, 
welche  die  attische  Gruppe  auszeichnet.  Daher  ist  die  letzte 
soviel  lebensvoller  und  trotz  ihres  alterthümlichen  Charakters 
Begeisterung  erweckend,  weil  man  das  Streben  des  Künstlers 
empfindet,  Kraft,  Leidenschaft,  Kampfesungestüm  in  charakte- 
ristischer Weise  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Für  die  Aegine- 
ten kann  man  sich  eigentlich  nicht  begeistern,  sie  sind  ohne 
Feuer  und  Schwung.  Ganz  hingegeben  an  die  treue  und 
genaue  Nachbildung  der  Natur,  sind  die  Künstler  der  ägine- 
tischen Figuren  weniger  den  Anforderungen  gerecht  geworden, 
welche  unser  Gemüth  und  unsre  Phantasie  an  eine  Darstel- 
lung kämpfender  Heroen  machen.  Indess  wäre  es  ungerecht, 
dies  von  allen  Figuren  zu  behaupten,  der  sterbende  Krieger 
in  der  Ecke  des  Ostgiebels,  den  ich  für  die  schönste  Figur 


50  Aeginetische  Kunst. 

von  allen  halte;  ergreift  auch  das  Gemüth  in  der  tiefsten  and 
rührendsten  Weise. 

Am  besten  abgeb.  in  der  Expedit,  de  Moree  HI.  pl.  58  ff.  Von 
den  übrigen  zahlreichen  Abbildungen  genüge  es  die  bei  Müller- Wieseler 
I,  Taf.  6 — 8  zu  erwähnen. 

Die  Entdeckung  der  Statuen  dui'ch  die  vier  im  Text  genannten  Män- 
ner (0.  Müller  Handbuch  der  Archaeol.  §.  90,  3  führt  irrthümlich  .7 
Namen  auf)  ist  kurz  beschrieben  in  einem  durch  Hughes  travels  in  Si- 
cily,  Greece  and  Albania,  London  1820  Vol.  I.  p.  282  ff;  mitgetheilten 
Briefe  Cockerell's.  Um  800  Ptaster  wurden  die  Werke  den  Einwohnern 
abgekauft.  Ueber  Thorwaldsen's  Restauration  vgl.  Thiele  Thorwaldsen's 
Leben  I.  p.  267.  283.     Förster  Gesch.  d.  dtschen  Kunst  IV,  141. 

Von  der  zahlreichen  Literatm*  über  diese  Werke  erwähnen  wir  zu- 
nächst zwei  Artikel  Cockerell's  im  Journal  of  scieuce  and  the  arts  1819 
Vol.  VI.  p.  327  ff.  Vol.  VII.  p.  229  ff.,  die  für  den  Thatbestand  bei 
der  Auffindung,  für  die  Restauration  und  Gruppirung  und  für  die  künst- 
lerische Beurtheilung  sehr  werthvoll  sind.  Seine  dem  ersten  Artikel 
beigegebeuen  Zeichnungen  sind  die  Gmndlage  aller  spätem  Besprechun- 
gen geworden,  nur  hat  man  mit  Recht  seine  ungenügend  motivirte  An- 
nahme abgelehnt,  dass  der  Ostgiebel  eine  grössere  Anzahl  von  Figuren 
enthalten  habe,  als  der  westliche.  Seine  Restauration  weicht  von  der 
Thorwaldsen's  in  zwei  Figuren  ab,  er  hat  zimächst  dem  hinter  Paris  be- 
findlichen Trojaner  eine  andre  Haltung  des  Kopfes  gegeben  und  dann 
die  dem  Patroklus  ents^vi'echende  Figur  des  Ostgiebels  ganz  anders  an- 
geordnet. In  beiden  Punkten  müssen  wir  ihm  nach  den  im  Text  ent- 
wickelten Gründen  beitreten.  Feuerbach  bemerkt  zwar  (Gesch.  d.  griech. 
Plastik  I.,  131)  von  der  letztern  Figur:  „Cockerell  hat  diese  Figur  in 
seiner  Zeichnung  falsch  restauriit.  Ihre  ursprüngliche  Stellmig  entdeckte 
erst  Thoi-waldsen  durch  Zufall  an  der  Lage  der  Geschlechtstheile." 
Vgl.  Schorn  im  Catalog  der  Glypothek  n.  57.  Aber  sollte  die  Lage 
der  Geschlechtstheile  —  ich  weiss  freilich  nicht  ob  das  Glied  alt  odor 
neu  ist  —  sich  nicht  auch  mit  Cockerell's  Anordnmig  vertragen  ?  Ferner 
hat  Cockerell  den  Bogenschützen  des  Ostgiebels  die  zweite  Stelle  im 
Giebelfeld,  denjenigen  des  Westgiebels  aber  die  dritte  angewiesen  und 
gegen  diese  Unsymmetrie  polemisirt  der  Text.  Cockerell  bemerkt,  die 
Anordnung  der  Eckflguren  und  der  Vorkämpfer  im  westlichen  Giebel- 
feld »ei  sicher,  weniger  sicher  aber  sei  die  der  vier  andern  Kriegör. 
Ich  füge  zur  Rechtfertigung  der  im  Text  vorgeschlagenen  Umstellung 
noch  folgendes  hinzu:  Die  in  Schorn's  Catalog  zur  Glyptothek  angege- 
benen Maasse  der  Figuren  sind  durchaus  nicht  genau.  Schom  giebt 
zum  Beispiel  zwischen  den  Vorkämpfern  des  Westgiebels  eine  Differenz 
der  Höhe  von  8"  an,  was  bei  correspondirenden  Figuren  an  sich  nicht 
recht  glaublich  erscheint.  Nach  meiner  Messung,  die  unter  ungünstigen 
Verhältnissen  ausgefülu't  doch  den  Anspruch  machen  darf,  sich  nicht 
mehr  als  höchstens  um  einen  Zoll  vom  Thatbestande  zu  entfernen,  sind 
die  Vorkämpfer  gleich  hoch,  nämlich  4',1 — 2".  (Ich  habe  preussisches 
Maass,  Schorn  scheint  ein  andres  zu  haben,  was  aber  gleichgültig  ist, 
da  es  nur  auf  die  Verhältnisse  der  Figuren  zu  einander  ankommt.)  Pa- 
ris ist  (ohne  »die  Spitze  der  Mütze,  die  hi  unserm  Abguss  fehlt)  2',  10 — 
11"  hoch  und  ebenso  hoch  ist  der  hinter  ihm  befindliche  Krieger,  der, 
wenn  der   nach  Thorwaldsen's  Restauration  gesenkte    Kopf  gehoben 


Aeginetische  Kuust.  ßl 

wird,  mindestens  ebenso  hoch,  ich  glaube  noch  etwas  liöher  wird,  als 
Paris  mit  der  restaurirten  Mütze.  Teukros  ist  3',  2 — 3"  hoch,  der  hinter 
ihm  befindliche  Krieger  3",  wenn  aber  der  erstere  statt  des  hohen  Helms 
eine  auÜegende  Lederkappe  erhält  wie  z.  B.  bei  Welcker  A.  D.  V,  15 
oder  auf  der  Beriiner  Schaale  n.  1004,  so  verschwindet  die  Diffei'enz. 
Am  Ostgiebel  ist  der  Sterbende  in  der  Ecke,  d.  h.  sein  Schild  2'  1", 
Herakles  2'  6'',  Telamon  4'  2 — 3''  hoch,  es  ergiebt  sich  aus  diesen 
Ibassen,  dass  hier  Cockerell's  Anoinlnung  richtig  ist.  Uebrigens  ist  am  West- 
giebel, mag  man  nun  die  Umstellung  vornehmen  oder  nicht,  der  Ueber- 
ging  von  dem  Sterbenden  zu  der  nächsten  Figm*  plötzlicher  und  schroffer, 
denn  der  sterbende  Grieche  ist  nm*  T  6"  hoch,  der  Trojaner  V  2". 

Endlich  ist  noch  an  Thorwaldsen's  Restauration  der  Irrthum  zu  be- 
merken, auf  den  0.  Jahn  im  bullet.  1845  p.  147  aufmerksam  macht, 
dass  nämlich  Ajax  einen  unbäitigen  Kopf  erhalten  hat,  was  zu  seinem 
Charakter  und  mit  den  erhaltenen  Darstellungen  nicht  stimmt. 

Näclist    Cockerell    ist    die    Schi'ift    des  Bildhauers   Martin    Wagner 
(Bericht    über    die    Aeginetischen   Bildwerke.      Mit    kunstgeschichtlichen 
Anmerkungen  von  Schelling  1817)  hervorauheben,  in  welcher  eine  sehr 
detaillirte   Beschreibung  der  Figuren  nach  ihrem  Zustand  vor  der  Rt»- 
stauration   und  ausserdem  eine  eingehende  stilistische  Würdigung  ent- 
halten ist.     Wir  heben  daraus  zur  Ergänzung  unsers  Textes  noch   fol- 
l^de   Bemerkungen   hervor:  „Die  Leiber  sind   etwas   schmal  über  den 
Hüften   imd   die  Anzeige  der  Rippen  und  der  gesägten  Muskel  (dcmtali) 
ein   wenig    mager  und  kleinlicht."      „Bei  allen  diesen  ^Figuren   ist   der 
st'hwertformige  Brustknorpel    (ensiforrais)  mehr  oder  weniger    sichtbar, 
welches   doch  nur  der  Fall  zu  sein  pflegt,  wenn   der  Leib  stark  riick- 
wärt»  gebogen  ist."     „Bei  allen   diesen  Figuren   weicht  die  Abtheilung 
des  geraden  Muskels,  welcher  von  dem  Ende  der  Bnist  gegen  den  Na- 
bel perpendikulär  heninter  läuft,   von   der  sonst  gewöhnlichen  Art  ihn 
m  bilden  ab,   denn  gewohnlich  macht  man,  wie   es   sieh  auch  an  allen 
sinteren  Kunstwerken  findet,  die  obere  Abtheilung  dieses  Muskels  grös- 
ser als  die  untere,  welche  dem  Nabel  zunächst  ist,  hier  aber  ist  es  der 
amgekehrte  Fall,   die   unlere  Abtheilung  ist  bei  vi<'len  grösser,   bei  an- 
dern aber  eben  so  gross,  als  die  obere."     „Dem  bildenden  Künstler  und 
jedem    beobachtenden   Auge   ist  es  bekannt,    dass   dtts  Knie,    wenn   es 
Mark  gebogen  ist,   seine  etwas  spitzige  oder  hervorstehende  Form  zum 
Theil   verliert  und  einen  etwas  stumpfen  Winkel  bildet.     Diese  der  Na- 
tur gpmässe   Veränderung  des  Knies,   nach  dem  Verliältnisst^   der  Bie- 
giuig  desselben,   ist  an   unsern  Figuren  bloss  bei  denjenigen  Knien  be- 
obachtet,  auf  welchen  eine  Figur  ndit  oder  eigentlich  kniet;   bei  allen 
andern   aber,   wenn   schon  das  Knie   naturgemäss   dtMi   gleichen  Winkel 
bildet,   ist   hierauf  kehie  Rücksicht  genommen;*  iWv.  Kni(?   sind  vielmehr 
durchgängig   so  gebildet,  wie  sie  sich  in  der  Natur  dann  zeigen,   wenn 
das  Bein  gar  nicht  otler  nur  wenig  gebogen  ist."     „Die  Zehen  sind  etwas 
laug   und  laufen   ganz  parallel  und  weichen  hieri^n  von  den  Füssen  der 
Kuutftwerke  aus  spätem   Zeiten  ab,   wo   die   Zehen   etwas  weniges  ein- 
wärts d.   h.   gegen  den    mittelsten    zu    gebogen    oder    gekrümmt    sind. 
Audi  ist  zu  bemerken,   dass  die  beiden  mittleren  Zehen  (ich  meine  den 
ersten  und  zweiten  nach  der  grossen  Zehe)  bei  den  meisten  Füssen  von 
ganz  gleicher  Länge  sind,  der  dritte  sodann  stark  zurücktritt,  der  klein- 
:rte   noch  mehr.      Es  ist  nicht  zu  läugnen,  dass  diese  also   gestalteten 
Füsse  grosse  Aehnlichkeit  mit  denen  haben,   die   man   an  'den  altägyp- 


62  Acgiuetische  KunsU 

tischen  Figuren  findet  und  welche  immer  sehr  lange  und  parallel  lau- 
fende Zehen  haben,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  diese  mehr  von 
barbarischer  Foiin  und  unendlich  geringer  in  der  Bearbeitung  sind." 
Zu  Wagner's  Angaben  über  die  Bemaluug  der  Figuren  vgl.  die  ergän- 
zenden und  bestätigenden  Bemerkungen  Hittorfs  und  Cockerell's  in  der 
Revue  archeol.  1854,  XI.  p.  357. 

Dass  Herakles  als  Bogenschütz  an  der  Expedition  gegen  Laomedon 
betheiligt  war,  sagt  Apollod.  2,  6,  3,  4.  vgl.  Eurip.  Troad.  804.  Auf- 
fallend ist,  dass  er  den  Bogen  auf  dem  Rücken,  Teukros  dagegen  nach 
orientalischer  Weise  an  der  linken  Hüfte  trägt.  Altgriechische  Weise 
ist  es,  ihn  auf  dem  Rücken  zu  tragen  cf.  Hom.  II.  1,  45;  21,  490. 
schol.  z.  Pind.  Ol.  2,  91,  und  die  Figm'en  von  Apollo  und  Artemis  tra- 
gen ihn  mit  seltensten  Ausnahmen  in  dieser  Weise.  Auf  den  Vasen- 
bildern tragen  ihn  die  griechischen  Schützen  in  der  altern  Zeit  verhältniss- 
mässig  selten  an  der  Seite,  weit  häufiger  dagegen  im  rothfigmigen  Stil, 
man  vgl.  z.  B.  die  Darstellungen  des  Herakles.  Das  älteste  literarische 
Zeugniss  für  die  neue  gewiss  vom  Ausland  herübergenommene  Sitte 
dürfte  Pind.  Ol.  2,  91    (Olymp.  76,   1)  sein. 

Für  die  Erklärung  der  Gruppen  sind  besonders  die  Bemerkungen 
0.  Müllers  (Kl.  Sehr.  2,  677)  zu  vergleichen,  denen  ich  im  Wesentlichen 
gefolgt  bin.  Nur  das  ist  mit  Recht  bestritten  dass  die  Tracht  des  Paris 
specifisch  persisch  sei.  Die  Erklänmg  des  westlichen  Giebelfeldes  auf  den 
Kampf  um  die  Leiche  Achill's  wird  besonders  vertheidigt  von  Tliiersch 
(Amalthea  I,  137  ff.)  mid  Welcker  (A.  D.  I,  30  ff.)  Es  ist  im  Text  da- 
gegen polemisirt,  man  vermisst  in  dieser  Erklärung  die  Rücksicht  auf 
das  andre  Giebelfeld.  Unklar  ist  mir,  was  aus  der  Ei*scheinung  des  Paris 
gefolgert  wird  und  besonders  die  „ausgezeichnete  Stellung"  desselben. 
Am  Ostgiebel  kam  auf  trojanischer  Seite  dieselbe  Figur  vor,  wie  das  er- 
haltene Bruchstück  lehrt,  Paris  ist  also  nicht  als  Paris,  sondern  als  troja- 
nischer Bogenschütz  anwesend.  Die  Wiederholung  der  Gmppen  m  allen 
Figuren  lässt  wie  mir  scheint,  die  dieser  Erklärung  zu  Grunde  flegende  Vor- 
aussetzung, dass  es  sich  um  individuelle  Scenen  handle,  gar  nicht  zu. 

Ueber  das  Eigenthümliche  des  äginetischen  Stils  —  dass  auf  Aegina 
ein  eigner  Stil  geherrscht  habe,  und  dass  in  der  griechischen  Plastik 
verschiedene  Stile  zu  unterscheiden  seien,  dürfte  jetzt  wohl  allgemein 
anerkaimt  werden  —  sind  manche  Vermuthungen  aufgestellt,  doch  liegt 
es  wohl  in  der  Unzulänglichkeit  misei*s  Materials  begründet,  dass  sie 
wenig  Ueberzeugendes  haben.  Vgl.  Schelling's  Anmerkungen  zu  Wagner 
mit  Welckei*'s  Polemik,  dann  Brunn  Geschichte  der  griech.  Künstler  I, 
108  ff.  und  Friederichs,  nationum  Graecarum  diversitates  etiam  ad  artis 
statuariae  et  sculptm'ae  discrimina  valuisse,  Erlangae  1855  (wo  aber 
p.  23  der  starke  Irrthum  begangen  ist,  den  aeginetischen  Stil  mit  dem 
allgemein  dorischen  zu  identificiren).  Am  nächsten  stehn  diesem  Stil, 
wie  ich  glaube,  die  merkwürdigen,  meist  von  den  griechischen  Inseln, 
namentlich  Melos,  stammenden  Terrakottareliefs  (Bursian  hat  zuletzt  in 
d.  Encyclop.  v.  Ersch  u.  Gruber  Bd.  82  p.  405  einen  Theil  derselben, 
aber  mit  Verschiedenartigem  gemischt  zusammengestellt),  die  sich  durch 
eigcnthünüich  magere  und  schmächtige  Figuren  auszeichnen  und  vom 
attisch-lycischen  und  selinuntisch-spai^taiiischen  Stil  durchaus  verschie- 
den sind. 

Was  schliesslich  die  Zeitbestimmung  der  Gruppen  betrifft,  für  wel- 
che   wir   allein    auf   den  Stil    angewiesen  sind  —  denn  in  Overbeck's 


Aeginetische  Kunst.  65 

(Ztsohr.  f.  Alterthumswiseensch.  1856  n.  51  u.  52)  Versuch,  das  Datum 
aus  äussern  Gründen  festzusetzen,  finde  ich  nichts  irgendwie  Entschei- 
dendes — ,  so  ist  die  einseitige  Betrachtung  der  alterthümlichen  Ge- 
sichtszüge vielfach  die  Veranlassung  einer  zu  frühen  Datirung  gewesen. 
Die  Figur  des  sterbenden  Kriegers  in  der  Ecke  des  Ostgiebels,  deren 
Schönheit  von  Hirt  und  Cockerell  sehr  richtig  gewürdigt  ist,  wäre,  wenn 
sie  noch  dem  sechsten  Jahrhundert  angehörte,  eine  für  luis  unverständ- 
liche Singularität,  der  wir  nichts  Analoges  an  die  Seite  zu  stellen  hätten. 
Sodann  kann  ich  nicht  umhin,  an  die  Darstellung  der  Adern  zu  erin- 
nern, an  welche  sich  eine  nicht  zu  verwerfende  Angabe  des  Plinius 
knüpft,  vgl.  n.  14  mit  Anm.  Endlich  möchte  ich  auch. hier  wieder  auf 
die  Analogie  der  Vasenbilder  hinweisen.  Welchem  Stil  der  Vasenbil- 
der entsprechen  nämlich  die  äginetischen  Statuen?  Doch  gewiss  dem 
rothflgurigen,  und  zwar  eben  demjenigen,  der  unter  dem  Einfluss  der 
Neueiningen  Polygnot's  steht.  Der  Patrokhis  auf  der  Sosiasschaale,  der 
unter  den  Schmerzen  der  Wunde  klagend  seinen  Mund  öffnet,  lässt 
sich  dem  oben  erwähnten  sterbenden  Krieger  des  Ostgiebels  —  natür- 
lich jedes  Werk  nach  dem  Maassstabe  seiner  Gattung  betrachtet  —  an 
die  Seite  stellen*. 

49.  Wagenlenker*,  Erzfigur,  im  Jahre  1798  aus  dem 
Nachlass  eines  Herrn  Tux  in  das  Antikencabinet  zu  Tübingen 
übergegangen.  Es  fehlen  nur  die  Fingerspitzen  der  rechten 
Hand  und  der  lang  herabhängende  Helmbusch,  dessen  Spuren 
man  aber  noch  oben  auf  dem  Helm  und  am  Rücken  bemerkt. 

Die  Stellung  ist  deutlich  die  eines  Wagenlenkers,  der 
mit  der  Linken  die  Zügel  zurückzieht  und  mit  der  flach  aus- 
gestreckten Rechten  die  Geberde  der  Beschwichtigung  gegen 
seine  Pferde  macht.  Dieser  letztere  Umstand  hat  Veran- 
lassung gegeben,  an  Baten  zu  denken,  den  Wagenlenker  des 
Amphiaraus,  der  die  vor  dem  geöffneten  Erdspalt  sich  zurück- 
bäumenden Pferde  zu  beschwichtigen  suche.  Man  kann  die 
Möglichkeit  dieser  Situation  zugeben,  aber  es  sind  doch  auch 
andere  Möglichkeiten  denkbar. 

Die  Figur  ist,  mag  sie  Original  oder  Copie  sein,  eine 
schöne  Probe  echt  alterthümlichen  Stils.  Die  Haltung  des 
linken  Armes  ist  zwar  noch  etwas  gezwungen,  die  Hüften 
noch  sehr  schmal,  im  XJebrigen  aber  ist  der  Körper  sowohl 
wie  das  Gresicht  lebendig  und  originell  und  durchgehends 
mit  Sorgfalt  und  Liebe  ausgeführt.  Dem  Stil  nach  steht 
das  Werk  der  äginetischen  Gruppe  am  nächsten. 


*  Ich  mache  noch  aufmerksam  auf  Brnnn's  eben  erschienenen  Vortrag  über  das 
Alter  der  äginetischen  Bildwerke  (Sitzungsber.  d.  köniel.  bair.  Akad.  d,  Wiss.,  Philo - 
8oph.-Histor.  Cl.,  vom  4.  Mai  1867),  mit  dessen  Inhalt  ich  nach  den  hier  gegebenen 
Erörterungen  nur  übereinstimmen  kann. 

•  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  254. 


G4  Aeginetische  Kunst. 

Abg.  und  erklärt  von  Grüneisen  im  Kunstblatt  v.  1835  n.  6  — 12, 
dessen  Deutung  aber  von  0.  Müller  Kl.  Sehr.  2,  686  und  namentlich 
von  Scholl  in  Kugler's  Museum  f.  bild.  Kunst  1835  p.  270  ff.  273  ff. 
mit  Recht  bestritten  ist.  Des  Letztern  Deutung  und  kunsthistorischen 
Bemerkungen  ist  aber  wieder  mit  Recht  widersprochen  von  Kugler  a.  a. 
0.  p.  315  ff.  Die  Deutung  auf  Baton  rührt  von  Welcker  her,  A.  D. 
2,  181  ff.  Vgl.  Overbeck  Gesch.  d.  griech.  Plastik  I,  146  und  Walz 
Jalu'b.  des  Vereins  von  Altedhumsfreunden  im  Rheinlande  1847  p.  71. 
Die  Aehnlichkeit  mit  den  Aegineten  hebt  auch  Bursian  hervor,  fincyclop. 
V.  Ei-sch  u.  Gruber,  Bd.  82,  p.  414. 


d)  Werke  aus  andern  griechischen  Kunstschulen. 

50.  Peleus  und  Thetis*,  Fuss  eines  Geräthes  von 
Bronce,  im  Museum  zu  Florenz,  wo  sich  noch  ein  zweiter 
Fuss  desselben  Greräthes  befindet  mit  der  ganz  entsprechen- 
den Darstellung  des  Perseus  als  Medusentödters. 

Die  Verwandlungen  der  Thetis,  durch  welche  sie  dem  ihr 
bestimmten  sterblichen  Gatten  Peleus  zu  entrinnen  suchte, 
wurden,  da  man  sie  nicht  direct  darzustellen  vermochte,  durch 
äusserlich  hinzugefügte  Zeichen  für  die  Phantasie  angedeutet. 
Die  Thiere,  die  der  bedrängten  Göttin,  welche  sich  vergeblich 
aus  der  Umarmung  des  Peleus  zu  befreien  sucht,  als  Bundes- 
genossen zugesellt  sind,  sollen  eben  an  ihre  Verwandlungen 
erinnern. 

Die  Composition  hat  etwas  Gezwungenes  und  Gewaltsames 
in  der  Haltung  der  Beine  der  beiden  Figuren,  was  veranlasst 
ist  durch  die  für  das  Geräth  erforderliche  dreieckige  Form. 
Die  Ausführung   sowohl   des  Ornaments    als    der  Figuren  ist   . 
sauber  und  fein. 

Abg.  Gori  museum  Etruscum   I.,  tab.  144.  (* 

51.  Sogenannte  Schlangensäule**,  Broncewerk  auf 
dem  Hippodrom  in  Constantinopel. 

Nach  Berichten  der  Alten  wurde  aus  der  Beute  von 
Platäa  dem  delphischen  Apollo  ein  goldener,  auf  einer  ehernen 
dreiköpfigen  Schlange  ruhender  Dreifuss  geweiht.  Pausanias, 
der  Oberfeldherr  bei  Platäa,  setzte  darauf  eine  Inschrift, 
in  welcher  er  nur  von  sich  als  dem  Sieger  über  die  Perser 
sprach,  sein  Epigramm  wurde  aber  später  ausgemeisselt  und 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  439. 
**  Im  Lycischen  Hof  n.  284.  285. 


Andere  griechische  Kunstschulen.!  Q^ 

Statt  dessen    die  Namen  der  einzelnen  Städte  aufgeschrieben^ 
die  an  dem  £ampf  gegen  die  Perser  Theil  genommen  hatten. 
Im  phokischen  Kriege  wurde  der  Dreifuss  seines  Goldes  be- 
raubt^ der  übrige  erzene  Theil  blieb  noch  Jahrhunderte  lang 
in  Delphi,  bis  Kaiser  Constantin  ihn  auf  den  Hippodrom  zu 
Constantinopel   versetzte,   wo   er   in   bycantinischer  Zeit   als 
Fontaine  benutzt  wurde.    Bis  zum  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
hatte  das  Schlangengewinde  noch  die  drei  jetzt  fehlenden  Köpfe, 
schon  etwas   früher  aber  war  der  Boden  des  Hippodrom  er- 
höht worden,  wodurch  die  gerade  an  den  unteren  Windungen 
befindlichen   Inschriften  verdeckt   wurden.    Im   Jahre    1856, 
zur  Zeit  des  Krimkrieges,  legte  durch  Lord  Napier  angeregt 
der  Engländer  Newton  die  untere  Hälfte  bloss  und  in  Folge 
davon  wurden  durch  Frick  und  Dethier   die  Inschriften  ent- 
deckt.    Ein  Stück    eines   der   drei  Schlangenköpfe,   nämlich 
ein  Oberkiefer,  war  bereits  im  Jahre  1848  von  dem  Archi- 
tekten Fossati  bei  einer  Ausgrabung  in  der  Nähe  der  Sophien- 
kirche gefunden  und  befindet  sich  jetzt  in  dem  kleinen  tür- 
kischen Museum  der  Waffensammlung  von  St  Eirene. 

Man  hat  in  neuerer  Zeit  an  der  Echtheit  des  Werkes 
gezweifelt,  doch  ist  der  Stil  des  Schlangenkopfes  ebenso  wie  die 
Formen  der  Inschrift  ganz  im  Charakter  der  Zeit  nach  den 
Perserkriegen.     Es  herrscht  aber  unter  denen,  die  das  Werk 
f&r    authentisch   halten,   keineswegs   Uebereinstimmung    hin- 
sichtlich   der    Restauration    desselben.      Einige    wollen    den 
goldenen   Dreifuss   von   den   drei   Schlangenköpfen   getragen 
wissen,  wobei  aber  zunächst  auffällt,  dass  auf  dem  erhaltenen 
Fragment    des    einen   Kopfes   keine    Spur   einer   Befestigung 
bemerkbar   ist.     Sodann   hat   man  mit  Recht  bemerkt,   dass 
man  schwerlich  Schlangen  als  Träger  von  Geräthen  benutzt 
habe,    weil  nach  der  Natur   dieses  Thieres    das  Geräth  eine 
sehr  unsichere  Position  haben  würde.     Yiehnehr  ergiebt  die 
Vergleichung  mehrerer  erhaltener  Dreifüsse,  dass  wir  uns  die 
drei  Schlangen  —  Herodot   und   mehrere   neuere   Berichter- 
statter  sprechen   von    einer   dreiköpfigen  Schlange,   was 
aber  ein  leicht  erklärlicher  Irrthum  ist  —  um  die  Mittelstütze 
des  Dreifusses   gewunden   denken  müssen,   welche   von   den 
drei  Beinen  desselben  in  der  Art  umgeben  wurde,  dass  zwischen 
je  zweien  derselben,  nah  unter  dem  Kessel,  immer  ein  Schlangen- 
kopf hervorragte.    Die  Köpfe  sprangen  frei  ab  mit  geöffnetem 
Rachen,  die  Schlangen  waren  hier  als  Beschützer  und  Wächter 
des  heiligen  Geräthes  angebracht  und  ihre  Dreizahl  ist  durch 

Friederichs,  griech.  Plastik.  5 


ßß  (Andere  griechische  Kunstschulen. 

die  Form  des  Dreifüsses  veranlasst  Die  drei  Schlangen,  an 
deren  zweien  die  Schwanzspitze  fehlt,  die  an  der  dritten  voll- 
ständig erhalten  und  deutlich  zu  unterscheiden  ist,  umringeln 
die  inwendig  zu  denkende  Stütze  unten  in  mehr  horizontaler^, 
oben  in  diagonaler  Weise,  es  ist  als  ob  sie  sich  unten  durch 
enge  Umringelung  eine  möglichst  feste  Stütze  suchen.  Hier- 
durch und  durch  das  der  Natur  gemässe  Anschwellen  und 
Wiederabnehmen  des  Schlangenleibes  wird  alle  Einförmigkeit 
vermieden.  Die  unterste  Windung  und  auch  die  zunächst 
folgenden  springen  etwas  vor,  um  der  Stütze  eine  breitere 
Standfläche  zu  geben. 

Die  Geschichte  der  Ausgrabung  erzählt  Newton,  travels  and  disco- 
verles  In  the  Levant  II,  25  ff.  Die  Geschichte  des  Dreifüsses  ausführ- 
lich bei  Frick  „das  platäische  Weihgeschenk  In  Constantlnopel.  Aus 
dem  dritten  Suppl.  der  Jahrb.  f.  kl.  Phil.  1859"  und  Dethier  und  Mordt- 
mann,  Epigraphik  von  Bycantion  und  Constantinopolis.  Erste  Hälfte. 
Wien.  1864.  Aus  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akad.  Vgl.  den  duc 
de  Luynes  in  den  nouvelles  annales  publiees  par  la  section  fran9aise  de 
l'institut  archeologique  11,  1839  p.  260.  Die  Polemik,  die  namentlich 
E.  Curtius  „Ueber  die  Weihgeschenke  der  Griechen  nach  den  Perserkr. 
und  insbesond.  über  d.  platäische  Weihgeschenk  in  Delphi,  Gott.  Gesellsch» 
der  Wissensch.  1861  p.  361  ff.  und  Arch.  Anz.  1865  p.  56  gegen  die 
in  diesen  Schriften  vorgetragenen  Meinungen  über  die  Verbindung  des 
Dreifüsses  mit  der  Säule  fuhrt,  ist  sehr  treffend  (denn  wenn  schlangen- 
füssige  Figuren  als  Stützen  vorkommen  nach  Wieseler,  Jahn's  Jahrb. 
1864^  p.  258  Anm.  11  und  Monum.  d.  inst.  II,  4,  so  folgt  daraus  nicht,, 
dass  die  Schlangen  selbst  in  dieser  Weise  angeordnet  wurden),  aber 
seine  eigne  Meinung,  dass  das  Werk  bycantinischen  Ursprungs  sei,, 
kann  ich  aus  den  im  Text  angegebenen  Gründen  nicht  theilen.  Vgl. 
Arch.  Anz.  1862  p.  349  und  Jahn's  Jahr,b.  1862  p.  441  ff.  Die  rich- 
tige Restauration  ist  die  von  Strack,  welche  von  Mordtmann  a.  a.  0* 
mitgetheilt  ist.  Sie  stinmit  mit  antiken  Monumenten  (vgl.  Wieseler 
a.  a.  0.  p.  246  und  Archaeol.  Anz.  1864  p.  115)  im  Wesentlichen 
überein.  Dass  die  Schlangen  mit  Beziehung  auf  Apollo  gewählt  seien,, 
wie  Welcker  Gr.  Götterl.  II,  816  meint,  scheint  mir  nicht  sicher,  die 
Schlange  könnte  doch  auch  in  dem  allgemeineren  Sinn  einer  Schützerin,, 
eines  Apotropäon  aufgefasst  werden.  Und  die  Zahl  derselben  ist  gewiss- 
nur  durch  die  Form  des  Geräthes  veranlasst,  sowie  an  dem  früher  in 
der  Sammlung  Pourtales,  jetzt  in  Berlin  befindlichen  Dreifuss  von  Me- 
tapont  an  jedem  Bein  je  zwei  kleine  Schlangen  angebracht  sind. 

53.    Amazone*,  Marmorstatue  in  Wien. 

Die  Wunde  auf  der  linken  Brust  erklärt  die  Stellung 
der  Figur,  es  ist  eine  im  Tode  zusammenbrechende  Kriegerin 
vorgestellt.    Schon  neigt  sich  der  Kopf,  und  die  Augen  sind 


Im  Griechischen  Saal  n.  250. 


Andere  griechische  Kunstschulen.  ^7 

■ 

im  Begriff  sich  zu  schliessen.  Der  rechte  Arm  hing  schlaff 
henmter^  am  rechten  Oberschenkel  ist  noch  der  Ansatz  einer 
Sttttze  zn  bemerken ;  die  ihn  mit  dem  Körper  verband^  und 
fthnlich  hat  man  sich  anch  wohl  die  Haltung  des  linken  zu 
denken.  Während  aber  die  Stellung  sehr  ausdrucksvoll  und 
rflhrend  ist;  verhält  das  Gesicht  sich  noch  starr  und  unbeseelt. 

Es  ist  schwer  zu  denken^  dass  diese  Statue  allein  ge- 
standen habC;  sie  bedarf  nothwendig  eines  Anhalts.  An- 
sprechend ist  daher  die  Vermuthung,  es  möge  die  in  den 
Armen  Achills  sterbende  Penthesilea  dargestellt  sein,  nur 
versteht  man  nicht,  in  welcher  Weise  Achill  sie  umfasst  hielt, 
da  sich  an  dem  erhaltenen  Bruchstück  keine  Spur  einer 
zweiten  Figur  entdecken  lässt. 

Die  Statue  vergegenwärtigt  den  Amazonentypus  aus  der 
Zeit  vor  Phidias.  In  der  ältesten  griechischen  Kunst  wurden 
die  Amazonen,  wie  überhaupt  die  Ausländer,  nicht  in  ihrem 
nationalen,  asiatischen  Costüm  vorgestellt,  sondern  hellenisirt. 
Bald  nach  den  Perserkriegen  aber  scheint  die  andere  Auf- 
fassang in  die  Kunst  eingeführt  zu  sein,  indess  machte  die 
Plastik  davon  weit  weniger  Gebrauch,  als  die  Malerei.  Nament- 
lich die  Hosen,  die  an  gemalten  Amazoneiv  sehr  gewöhnlich 
sind,  finden  sich  nur  selten  an  plastischen,  da  die  nackten 
Beine  in  der  Plastik  ungleich  schöner  und  sowohl  dem 
Charakter  der  griechischen  Plastik  als  auch  dem  Wesen  dieser 
heroischen,  mehr  männlichen  als  weiblichen  Jungfrauen  ange- 
messener sind.  Der  griechische  Helm  ist  auch  gewöhnlicher 
als  die  phrygische  Mütze,  während  die  für  die  Amazonen  so 
charakteristischen  Waffen,  die  Streitaxt  und  der  halbmond- 
förmige Schild  schon  früh  auch  in  die  Plastik  Eingang 
fanden. 

Hinsichtlich  der  körperlichen  Bildung  entspricht  diese 
Statue  schon  ganz  der  spätem  Charakteristik.  Volle  und 
kräftige  Formen  sind  nothwendig  für  den  kriegerischen 
Charakter  dieser  Jungfrauen.  Nur  die  Gewandung  ist  noch 
abweichend.  Statt  des  doppelten  Gewandes  haben  die  Ama- 
zonenstatuen später  ein  einfach  leichtes  Kleid,  wodurch 
sie  formell  und  hinsichtlich  der  Charakteristik  gewinnen. 
Der  alte  Stil,  der  mehr  abhängig  ist  von  der  Sitte  des 
Lebens,  umhängt  manche  Statuen  mit  doppelten  Gewändern, 
was  in  der  Blüthezeit  zu  Gunsten  treffenderer  Charakteristik 
und  höherer  Schönheit,  insofern  die  Formen  des  Nackten 
unter  dem  einfachen  Gewände  wirksamer  hervortreten  können, 

5* 


63  Andere  griechische  Kunstschulen. 

abgeändert  wurde.  Das  Obergewand  dieser  Statue  lässt  die 
linke  Schulter  unbedeckt,  wodurch  ^in  belebender  Contrast 
zwischen  den  durch  die  Verschiedenheit  des  Stoffes  bedingten 
Falten  des  Ober-  und  üntergewandes  entsteht.  Statt  dieses 
im  alten  Stil  sehr  beliebten  Motivs  tritt  in  der  Blüthezeit 
der  Contrast  zwischen  Nacktem  und  Gewandung  hervor,  schon 
in  Phidias  Zeit  wird  an  den  Amazonen  die  eine  Brust  ent- 
blösst.  Es  ist  auch  dieser  Zug  gewiss  sehr  bezeichnend  für 
den  Charakter  der  Amazonen. 

Der  Helm  dieser  Figur  ist  dem  niedrigen,  kappenartig 
gestalteten  attischen  Helm  ähnlich.  Die  zur  Befestigung  er- 
forderlichen Bänder  sind,  wie  häufig,  aus  künstlerischen 
Gründen  weggelassen.  Oben  darauf  sieht  man  noch  Spuren 
davon,  dass  eine  Spitze  vorhanden  war,  wie  sie  auch  sonst 
an  Amazonenhelmen  sich  findet. 

Abg.  in  den  Ber.  der  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1850  Taf.  6  und 
erklärt  ebendas.  von  0.  Jahn,  der  aber  durch  die  ungenügende  Abbil- 
dung irregeleitet  ist.  Ebenso  ungenügend  ist  die  Abbildung  bei  Steiner,  Ueber 
den  Amazonenmythus  in  der  antiken  Plastik  Taf.  3,  wo  auch  die  Wunde 
fehll.  Steiners  Beschreibung  p.  61  ff.  ist  hinsichtlich  des  Helms  und 
der  Gewandung  irrthümlich.  Vgl.  v.  Sacken  und  Kenner,  die  Samm- 
lungen des  K.  K.  H^ünz-  und  Antikencabinets,  Wien  1866  p.  40  n.  62, 
die  übrigens  den  Stil  nicht  richtig  bem'theilen,  wenn  sie  nur  an  „Re- 
miniscenzen  oder  absichtliche  Nachahmung  des  älteren  Stils"  oder  auch 
an  eine  „freie  Copie  eines  archaischen  Bildwerkes"  denken.  Richtig  0. 
Müller  Handb.  §.  121,  2.  Die  Gruppirung  mit  Achill  ist  von  Schone 
(bull.  d.  inst.  1865  p.  115.  Arch.  Anz.  1865  p.  65)  auf  Grund  einer 
Gemme  vorgeschlagen,  die  indess  nicht  in  allen  Einzelheiten  überein- 
stimmt. Aehnliche  Helme  sieht  man  auf  der  Roger'schen  Amazonen- 
vase, Gerhard  Auserles.  Vasenb.  IV,  329.  330.  und  an  dem  Orpheus 
auf  dem  bekannten  Relief  im  Niobidensaal  n.  114. 

54.  Apollo*,  Broncekopf  aus  Herkulanum,  am  28.' April 
1758  gefunden,  im  Museum  von  Neapel  befindlich. 

Der  Kopf  hat  nichts  Individuelles  und  ist  daher  nicht 
für  ein  Porträt  zu  halten.  Auch  die  eigenthümliche  Frisur 
desselben  erinnert  zunächst  an  alterthümliche  Götterköpfe. 
Die  langen  Haare  sind  nämlich  zu  Flechten  zusammengedreht, 
die  vom  Ohre  ausgehend  den  Kopf  umkreisen  und  über  der 
Stirn  zusammengeknüpft  sind,  vorn  hängen  kleine  Locken 
herab,  die  wir  schon  öfter  im  alten  Stil  fanden. 

Gehört  der  Kopf  einem  Gotte  an,  so  kann  man  wohl 
nur   schwanken   zwischen  Hermes   und   Apollo.     Die  derben 


Im  Niobidensaal  n.  103. 


Andere  ^iechische  Kunstschulen.  69 

Formen  desselben  scheinen  eher  für  Hermes  passend,  doch 
sind  sie  auch  dem  letzteren  nicht  fremd.  Wir  entscheiden 
ans  für  Apollo  wegen  einer  im  Louvre  befindlichen,  mit  höch- 
ster Wahrscheinlichkeit  auf  diesen  Gott  gedeuteten  Bronce- 
Statue,  deren  Kopf  mit  dem  herkulanischen  durchaus  über- 
einstimmt. 

Der  alte  Stil  ist  gut  copirt,  denn  nur  an  eine  Copie 
ist  wohl  schon  nach  dem  Fundort  zu  denken.  Die  Augen- 
brauen sind,  wie  an  mehreren  alterthümlichen  Werken,  darunter 
auch  an  dem  angeführten  Pariser  Apollo,  durch  eine  Erhöhung 
angegeben. 

Die  Büste  hat  an  den  Seiten  gelitten  oder  vielleicht  zu 
einer  Statue  gehört.  Sie  ist  im  Abguss  in  eine  Herme 
eingelassen. 

Abg.  bronzi  d'Ercolano  I,  71.  72.  Die  Statue  im  Louvre,  auf  wel- 
ihe  der  Text  Bezug  nimmt,  ist  die  in  den  Monum.  d.  inst.  1,  58  abge- 
bildete, die  ich  nur  fin*  einen  Apollo  halten  kann,  vgl.  Welcker  zu 
0.  Müller»  Handb.  §.  422,  7.  Eine  ähnliche  Frisur  an  dem  Apollo  des 
Britischen  Museums,  Marbles  of  the  Brit.  Mus,  XI,  32,  mit  welchem 
der  Kopf  des  hiesigen  Museums  n.  175  übereinstimmt,  an  Hermes  auf 
Münzen  von  Aenus  und  an  einem  Kopf  des  hiesigen  Museums  n.  228, 
an  Poseidon  und  Athene  auf  den  Terrakottareliefs  in  der  Glyptothek 
zo  München  n.  39  und  an  einer  der  äginetischen  Figuren. 

Die  Augenbrauen  sind  auch  ausgedriickt  an  der  alten  Broncestatue 
in  Palast  SciaiTa,  vgl.  Michaelis  Arch.  Anz.  1863  p.  122,  und  an  einem 
alterthümlichen  cyprischen  Kopf  aus  Sandstein  im  hiesigen  Museum 
n.  57. 

r 

55.  Sogenannter  Pherecydes*,  in  Tivoli  von  dem 
Ritter  Nicola  d'Azara  gefunden  und  aus  dessen  Besitz  in 
das  Museum  zu  Madrid  übergegangen.  Neu  sind  die  Nase, 
der  rechte  Theil  des  Schnurrbartes,  das  linke  Ohr  und  die 
Hälfte  des  rechten,  und  die  ganze  Brust  mit  der  Inschrift, 
die  ohne  genügenden  Grund  hinzugefügt  ist.  Denn  es  ist 
uns  keine  sichere  Darstellung  des  Pherecydes  aus  dem  Alter- 
thum  erhalten. 

Der  Kopf  ist  als  eines  der  wenigen  uns  erhaltenen 
Portraits  alterthümlichen  Stils  sehr  merkwürdig.  Er  mag 
etwa  derselben  Zeit  angehören,  wie  die  unter  n.  24.  25.  be- 
sprochenen Statuen  des  Harmodios  und  Aristogeiton.  Eigen- 
thtlmlich  ist  die  ganz  schematische  Behandlung  des  Haares, 
das  nur  durch  einander  kreuzende  Striche  angedeutet  ist. 


Im  Niobidensaal  n.  86. 


70  Andere  griechische  Kunstschulen. 

Abg.  bei  Fea  in  der  Uebersetzung  von  Winckelmann's  storia  d< 
arti  del  disegno  3  p.  416.  Vgl.  Hühner,  die  antiken  Bildw.  in  Madi 
Berlm  1862  p.  110  n.  176.  Michaelis  Arch.  Anz.  1863  p.  123  erwä 
Beispiele  ähnlicher  Haarbehandlung,  nur  kann  ich  wenigstens  an  die 
Büste  keine  Aehnlichkeit  mit  „Federn"  finden,  sondern  es  sind  raut 
formige  Flächen,  durch  gekreuzte  Linien  gebildet.  Visconti  hat  eii 
im  Mus.  Worsl.  Cl.  2  pl.  4  abgebildeten  Kopf  für  Pherecydes  erkl 
nur  wegen  des  nach  oben  gerichteten  Blicks,  der  an  einer  von  Chi 
todor  beschriebenen  Statue  hervorgehoben  wird,  offenbar  genügt  a 
ein  solcher  einzelner  Zug  nicht  zu  einer  sichern  Benennung. 


1 


ill.  Die  acchaisirende,  nur  scheinbar  alterthOmliche 

Kunst. 


Die  alterthümlichen  Götterbilder  wurden  durch  den  späte- 
ren Fortschritt  der  Kunst  nicht  antiquirt.  Sie  blieben  an 
ihrer  Stelle  in  den  Tempeln  und  Tempelhöfen  und  waren 
aach  in  der  Zeit  der  blühendsten  £unst  die  eigentlichen 
Objecte  des  Cultus.  Dies  zeigen  am  anschaulichsten  die 
Vasenbilder  mit  ihren  nicht  seltenen  Darstellungen  von  Opfern, 
die  einem  Götterbild  gebracht  werden,  wobei  eben  das  letztere 
in  ganz  primitiv  alterthümlichen  Formen  dargestellt  zu  werden 
pflegt.  Als  man  nun  neben  diesen  alten  und  kunstloseren 
Bildern  die  neuen,  prächtigen  Werke  der  vollendeten  Kunst 
aufstellte  —  und  zwar  scheute  man  sich  nicht,  sie  unmittel- 
bar neben  einander  zu  stellen,  wie  in  einem  Heiligthum  des 
Dionysos  ein  Satyr  des  Praxiteles  aus  parischem  Marmor 
neben  einem  alten  Schnitzbild  des  Dionysos  stand  — ,  da 
musste  auf  jene,  die  im  Besitz  der  Cultusehre  waren  und 
zugleich  um  ihres  einfacheren,  alterthümlichen  Aussehens 
willen,  der  Schein  grösserer  Heiligkeit  fallen,  und  so  soll  denn 
auch  Aeschylus,  in  dessen  Lebenszeit  gerade  der  Uebergang 
ans  der  alten  in  die  neue  Kunst  hineinfallt,  gesagt  haben, 
dass  die  alten  Bilder  zwar  einfachier,  aber  göttlicher  seien, 
als  die  kunstvoller  gearbeiteten  neuen.  Wir  werden  dies 
zwar  von  unserm  Standpunkt  aus  nicht  zugeben  können,  aber 
es  war  jedenfalls  eine  verbreitete  und  erklärliche  Anschauung, 


72  Archaisirende  Kunst. 

und  eben  daher  kommt  es,  dass  der  alte  Stil  auch  in  der 
späteren  Kunst  wenigstens  für  religiöse  Zwecke  in  fortwähren- 
dem Gebrauch  blieb.  Wir  besitzen  eine  Anzahl  von  Statuen 
und  Reliefs,  deren  Bestimmung  für  den  Cult  als  Tempelbild 
oder  Tempelgeräth  theils  sicher,  theils  mit  Wahrscheinlichkeit 
anzunehnüen  ist  und  die  zwar  nicht  genaue  Copien  alter- 
thümlicher  Werke  sind,  aber  sich  doch  wenigstens  insoweit 
dem  alten  Stil  anschliessen,  dass  sie  den  Schein  eines  echt 
alterthtimlichen  Werks  erwecken.  Wie  gut  den  späteren 
Künstlern  diese  Nachahmung  einer  früheren  Kunstweise 
manchmal  gelang,  geht  daraus  hervor,  dass  noch  heutigen 
Tages  bei  einzelnen  Werken  die  Meinungen  über  den  echt 
oder  scheinbar  alterthümlichen  Ursprung  derselben  getheilt 
sind.  Für  die  grosse  Mehrzahl  der  alterthümlichen  Werke 
ist  freilich  diese  Unterscheidung  nicht  schwer^  der  naehab« 
mende  Künstler,  dem  der  frühere  Stil  nicht  mehr  natürlich 
ist,  offenbart  sich  durch  Einmischung  späterer  Typen,  freierer 
Formen   und  Linien  und  besonders  auch   durch  Karikirung» 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  ausser  dieser  Verwen- 
dung des  alten  Stils  für  Zwecke  des  Cultus  auch  andere 
Gründe,  namentlich  die  einer  bestimmten  Zeit  eigene  Ge- 
schmacksrichtung, zur  Imitation  desselben  Veranlassung  geben 
konnten,  sowie  man  in  Hadrian's  Zeit  sogar  in  dem  noch 
steiferen  ägyptischen  Stil  componirte.  Für  die  grosse  Mehr* 
zahl  der  erhaltenen  Werke,  deren  Zeit  übrigens  nur  in  den 
seltensten  Fällen  genauer  bestimmt  werden  kann,  ist  aber 
der  erstere  Gesichtspunkt  fest  zu  halten.  So  wenig  künstle- 
rische Befriedigung  diese  Werke  aber,  als  von  Nachahmern 
herrührend,  gewähren  mögen,  so  sind  sie  doch  wegen  der 
Lückenhaftigkeit  der  echt  alterthümlichen  Denkmäler  eine 
sehr  willkommene  Ergänzung  für  unsere  Kenntniss  der  alter- 
thümlichen Göttertypen  und  selbst  in  künstlerischer  Hinsicht^ 
nämlich  für  das  bessere  Verständniss  des  echt  alterthümlichen 
Stils  sehr  anregend. 

56.  Arterais*,  von  Marmor,  am  19.  Juli  1760  in 
Pompeji  gefunden  und  zwar  innerhalb  eines  kleinen  Tempels; 
die  Statue  war  ein  Cultusbild.  Ergänzt  sind  die  Finger  an 
beiden  Händen  und  das  kleine  (}ewandstück,  das  sie  mit  der 
Rechten  hält.  In  der  Linken  scheint  sie  ein  Attribut,  Bogen 
oder  Fackel,  gehalten  zu  haben ;  darf  man  einer  Nachbildung 


*  Im  Niobidensaal  n.  15. 


Arcbaisirende  Kunst.  73 

der  Figur  anf  einer  Glaspaste  des  hiesigen  Museums  Autorität 
beilegen^  so  war  es  eine  Fackel. 

Die  Statue  ahmt  mit  grosser  Sorgfalt  die  alterthümlichen 
griechischen  Cultusbilder  nach^  die  ursprünglich  und  auch 
später  sehr  häufig  nicht  in  Lebensgrösse^  sondern  in  puppen^ 
hafter  Kleinheit  vorgestellt  wurden.  Sie  ist  äusserst  graziös 
und  hat  auch  darin  den  Charakter  ihrer  Yorbilder  glücklich 
getroffen.  Besonders  zierlich  sind  die  Füsse  und  das  Gesicht 
mit  dem  Grübchen  im  Eann  (das  sich  im  edlern  Stil  der 
Kunst  wohl  nur  an  Kindern  und  schelmischeren  Wesen ,  wie 
am  Satyrgeschlecht,  vereinzelt  auch  an  der  Venus  findet), 
graziös  ist  auch  das  Aufnehmen  des  Gewandes  mit  der 
Rechten,  ein  Lieblingsmotiv  des  alten  Stils.  Dass  aber  die 
Figur  nicht  echt  alterthümlich  ist,  ergiebt  sich  aus  der 
runderen  Bildung  des  Nackten,  aus  der  Lage  der  Augen,  den 
fireieren  Linien  der  herabfallenden  Locken  u.  s.  w. 

Der  Charakter  der  Artemis  ist  in  diesem  Typus  noch 
nicht  recht  zum  Ausdruck  gekommen.  Später  bildete  man 
sie  leichter  und  schlanker,  mit  einfachem,  ärmellosem  Gewand 
und  ohne  die  herabhängenden  Locken,  mit  denen  der  alte 
Stil  ziemlich  ohne  Unterschied  alle  Götter  ausstattet.  Dass 
indessen  die  Figur  nicht  stehend,  sondern  vorwärtsschreitend 
dargestellt  ist,  soll  zur  Charakterisirung  der  Artemis  beitragen, 
deren  meiste  Statuen  eine  freilich  noch  lebhaftere  Bewegung 
haben. 

Sehr  merkwürdig  sind  an  dieser  Figur  die  erhaltenen 
Farben,  die,  obgleich  nfcht  mehr  in  voller  Lebhaftigkeit,  wie 
bei  der  Auffindung,  doch  noch  zum  Theil  zu  sehen  sind. 
Die  Sandalen  und  ihre  Riemen  und  die  Ränder  des  Unter- 
kleides sind  roth  bemalt,  das  Oberkleid  hat  einen  breiteren, 
gleichfalls  rothen,  aber  mit  weissen  Palmetten,  wie  mit  einer 
Stickerei  verzierten  und  mit  Gold  eingefassten  Saum,  wodurch 
es  sich  aufs  Klarste  von  dem  übrigens  auch  im  Stoff  ver- 
schiedenen Untergewand  abhebt.  Man  trug  solche  Gewänder 
im  Leben  und  sieht  sie  daher  oft  in  der  Kunst.  Auch  das 
Köcherband  war  roth  mit  weissen  Verzierungen.  Das  Haar 
ist  vergoldet,  um  blond  zu  erscheinen,  welche  Farbe  man 
für  die  schönste  hielt.  Die  Dichter  geben  vielen  der  schönsten 
Gestalten  des  Mythus,  z,  B.  dem  Achill,  der  Ariadne,  auch 
der  Artemis,  blonde  Haare  und  die  Frauen  färbten  sich 
vielfach  die  Haare  blond.  Den  Kopf  der  Figur  umgiebt  ein 
Diadem,  das  jeder  Göttin  zukommt,  später  aber  wenigstens 


74  Arcliaisirende  Kunst. 

an  den  schönsten  ^  mehr  mädchenhaft  einfach  anfgefassten 
Darstellungen  der  Artemis  fehlt.  Es  ist  kranzartig  mit  golde- 
nen oder  rothen  Rosen  verziert. 

Abg.  Müller- Wieseler  I,  10,  38.  Mus  borboii.  II,  Tav.  8,  mit  den 
Farben  bei  Raoul  Rochette  Peintures  antiq.  ined.  pl.  VII.  Walz  über 
die  Polychromie,  Programm  von  Tübingen  1853,  Taf.  1,  1. 

Der  Fundort  der  Statue  wird  durch  das  Ausgrabungsprotokoll  bei 
Piorelli,  Pompejanarum  antiquitatum  historia  I,  114  so  festgestellt,  wie  ihn 
bereits  Winckelmann,  Sendschreiben  v.  d.  Herkulan.  Entdeckgen  §.  44 
angegeben  hatte.  Vgl.  Gesch.  d.  K.  Buch  3,  Kap.  2  §.  11.  Annali  d. 
inst.  1838  p.  190.  Kugler  Gesch.  d.  Kunst,  3.  Aufl.  p.  124,  welcher 
mit  Recht  aufmerksam  macht  auf  die  „feine  Durchbildung  und  das  Ge- 
präge jungfräulicher  Schüchternheit,  welches  die  ei'wachende  Kunst  lie- 
benswürdig charakterisirt",  hält  sie  für  ein  Originalwerk.  Richtiger 
Overbeck  Gesch.  d.  Plastik  1,  153  und  E.  Braun  Vorschule  der  Kunst- 
mythologie zu  Taf.  53. 

57.  Pallas*,  Marmorstatue  aus  der  Chigi'schen  Samm- 
lung, seit  1728  in  Dresden.  Ergänzt,  oder  wenigstens  nicht 
zugehörig,  sind  die  Füsse,  soweit  sie  aus  dem  Gewände  her- 
vortreten. 

Die  Ergänzung  dieses  Torso  kann  nach  erhaltenen  Wieder- 
holungen und  nach  den  in  der  Figur  selbst  gegebenen  An- 
zeichen nicht  zweifelhaft  sein,  es  ist  eine  Pallas  in  Angriffs- 
stellung, in  der  erhobenen  Rechten  den  Speer,  in  der  Linken 
den  Schild  haltend.  So  hat  auch  Bauch  einen  Abguss  der 
Figur  restaurirt. 

Der  Typus,  den  diese  Figur  repräsentirt,  ist  in  der 
alterthümlichen  griechischen  Kunst  nioht  selten,  die  Pallas  in 
der  äginetischen  Gruppe  hat  z.  B.  fast  dieselbe  Gewandan- 
ordnung. Nur  ist  bei  der  Letzteren  der  herablaufende  Saum 
des  Obergewandes  glatt  gelassen  oder  höchstens  durch  Malerei 
verziert  gewesen,  der  hier  mit  kleinen,  rund  gearbeiteten 
Reliefs  besetzt  ist.  Schon  dieser  Unterschied  verräth  für 
die  Dresdener  Figur  eine  spätere  Zeit,  als  das  steife  Aussehen 
derselben  vorauszusetzen  scheint,  indem  in  der  älteren  Kunst 
dergleichen  Ornamente  gewöhnlich  malerisch,  oder  wenn 
plastisch,  in  flachem  Relief  ausgedrückt  wurden.  Noch  mehr 
beweist  der  freiere  Stil,  in  dem  die  Reliefs  gearbeitet  sind, 
dass  die  Figur  in  späterer  Zeit  in  absichtlich  alterthümlicher 
Weise  ausgeführt  wurde.  Diese  Reliefs  stellen  in  elf  Scenen 
Kämpfe   zwischen   Göttern   und    Giganten    dar.     Man    sollte 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  57. 


Ai'chaisireiide  Kunst.  75 

zwölf  erwarten;  indess  scheint  es  dem  £ünstler  ebensowenig 
aof  Genauigkeit  der  Zahl;  als  der  Charakteristik  der  einzel- 
nen Grötter  angekonunen  zu  sein.  Denn  nur  auf  dem  ersten 
ist  Zeus  auf  seinem  Streitwagen  und  auf  dem  fünften  Pallas 
zu  erkennen;  die  übrigen  sechs  Götter  und  drei  Göttinnen 
sind  unbestimmbar.  Auch  strebte  der  Künstler  nicht  sehr 
nach  Abwechslung  in  den  einzelnen  Gestalten;  im  fünften; 
sechsten  und  siebenten  Felde  wiederholt  sich  dieselbe  Figur 
des  ins  Knie  gesunkenen  Giganten  und  noch  andere  Wieder- 
holangen  kommen  vor. 

Wir  besitzen  in  dieser  Statue  die  Nachahmung  eines 
hochalterthümlichen  und  berühmten  athenischen  Götterbildes; 
nämlich  der  Athene  Polias;  die  im  Erechtheum  verehrt  wurde. 
Ihr  wurde  alljährlich  ein  Gewand  dargebracht;  in  welches 
der  Kampf  der  Götter  mit  den  Giganten  hineingewebt  war; 
der  Torso  zeigt;  wie  wir  uns  dasselbe  zu  denken  haben. 

Abg.  Augusteum  Taf.  9.  10.  Müller- Wieseler  I,  10,  36.  Vgl. 
Hetlner,  Die  Bildw.  d.  Kgl.  Antikensammlung  zu  Dresden  11.  143  (wo  aber 
irrthümiich  bemerkt  ist,  dass  ursprünglich  12  Reliefs  vorhanden  gewesen, 
deren  unterstes  abgeschlagen  sei).  Wiederholungen  der  Figur  sind  in 
kleinen  Broncen  z.  B.  n.  11  und  eine  andre  in  Wien  (Archaeol.  Anz. 
1854  p.  452),  und  Gemmen  z.  B.  Dänische  Sammig.  n.  208.  Sauiralg. 
Thorwaldsen  n.  242.  Petersbmger  Sammlung  VI.  27.  26.  VII.  31.  32 
nicht  »elt€fn,  wodurch  Overbeck's  (Gesch.  d.  gr.  Plastik  I,  152)  Zweifel 
au  der  Richtigkeit  von  Rauch's  Restauration  wohl  gehoben  werden. 
Nach  Böttiger  Amalthea  I,  im  Vorbericht  p.  XXXII  soll  Thorwaldsen 
sich  diese  Pallas  ebenso  wie  die  äginetisohe  als  „an  den  Schild  schla- 
gend" gedacht  haben,  was  mir  sehr  unwahrscheinlich  scheint.  Pyl 
(Archaeologische  Zeitg.  1857  p.  61  ff.)  sucht  die  einzelnen  Figuren 
auf  den  Reliefs  zu  bestimmen,  ohne  genügenden  Anhalt,  wie  ich  glaube. 
Den  Gott  im  vierten  Relief  nennt  er  Hephästus,  der  durch  die  Exomis 
charakterisirt  sein  soll,  allein  man  bemerkt  über  dem  Chiton  einen  Pan- 
zer. Auch  seine  Stellung  und  die  seines  Gegners,  der  einen  Stein  auf 
ihn  zu  schleudern  im  Begriff  ist,  scheint  sehr  einfach,  sowie  auch  alle 
übrigen  Scenen  nicht  bestimmte  mythologische  Facta,  sondern  allgemeine 
Scenen  des  Kampfes  vorstellen. 

üeber  die  Gestalt  der  Athena  Polias  und  ihre  Identität  mit  der 
Dresdner  Statue  hat  0.  Jahn  sehr  überzeugend  gesprochen  in  der  Ab- 
handlung  De   antiquissimis   Minervae  simulacris   Atticis.     Bonnae  18G6. 

58.  Pallas*,  Marmorstatue  aus  Herkulanum,  in  Neapel 
befindlich  und  bis  auf  den  Speer,  der  von  Holz  oder  Metall 
war,  vollständig  erhalten.  Das  Haar  war  dick  vergoldet, 
auch  am  Gewände  entdeckte  man  Spuren  von  Vergoldung. 


Im  Gewerheinstitut. 


76  Archaisirende  Kunst. 

Die  Figur  ist,  wie  die  vorhergehende,  lanzenschwingend 
zu  denken,  hat  aber  eine  lebendigere  Bewegung,  die  freilich 
noch  nicht  ganz  natürlich  ist.  Das  rechte  Bein  sollte,  um 
einen  bequemeren  und  natürlicheren  Stand  zu  bewirken,  mehr 
vortreten,  wodurch  aber  die  gleichförmige  starre  Fältelung 
des  Gewandes,  die  gerade  beabsichtigt  ist,  unmöglich  geworden 
wäre.  Die  Aegis  dient  der  Göttin  als  Schild,  sie  wird  in 
der  älteren  Kunst  entweder  als  Schild  oder  als  Panzer  be- 
trachtet, während  sie  später  oft  nur  wie  ein  Schmuck  ohne 
practischen  Zweck  behandelt  wird.  Charakteristisch  ist  für 
den  alterthümlichen  Stil  das  zierliche  Halsband  der  Göttin, 
auch  die  Ohren  tragen  ihren  Schmuck.  Doch  verräth  die 
grosse  Stumpfheit  der  Gewandfalten  auf  den  ersten  Blick 
den  nachahmenden  Künstler,  der  echt  alterthümliche  Stil 
zeichnet  sich  gerade  durch  Schärfe  und  Präcision  aus. 

Abj<.   Millingen  anc.  uned.  monum.  II,  7.     Müller -Wieseler  1,  10> 
37.     Vgl.  Winckelmann  Gesch.  d.  K.  Buch  7,  Kap.  2  §.  12. 

59.  Bacchus*,  Marmörstatue,  früher  im  Palast  Braschi 
zu  Rom,  jetzt  in  der  Glyptothek  zu  München.  Ergänzt  sind 
der  Kopf,  die  Vorderarme  und  die  Füsse. 

Der  Ergänzer  ist  von  der  Annahme  ausgegangen,  dass 
die  Figur  einen  Bacchuspriester  darstelle,  sie  stellt  aber  viel- 
mehr den  Bacchus  selbst  dar,  wie  die  Vergleichung  sehr  ähn- 
licher Figuren  auf  Gemmen  und  anderen  Monumenten  ergiebt 
Schaale  und  Kanne  sind  daher  hinwegzudenken,  der  Gott 
hielt  wahrscheinlich  in  der  Rechten  den  Becher,  in  der  Linken 
den  Thjrrsus.  Er  ist  vorgestellt  in  der  Weise  der  alten 
Tempelbilder,  doch  ist  das  Werk,  wie  die  Freiheit  in  der 
Darstellung  des  Nackten  beweist,  nur  eine  Nachahmung  des 
alten  Stils. 

Eigenthümlich  ist  die  Gewandung,  lieber  dem  fein- 
wolligen Untergewande  liegt  zunächst  ein  nur  um  die  Beine 
geschlagenes  Obergewand  und  sodann  ein  Pantherfell,  beide 
vom  Gürtel  gehalten,  von  dem  nur  hinten  ein  Stück  sichtbar 
ist.  Auf  den  Armen  trägt  der  Gott  leicht  und  zierlich  ein 
Mäntelchen  mit  symmetrisch  herabhängenden  Zipfeln,  eine 
Gewandanordnung,  die,  wie  schon  bemerkt,  im  alten  Stü  sehr 
beKebt  ist.  Auch  die  eckige,  rechtwinkelige  Biegung  des 
Armes  ist  specifisch  alterthümlich.     Die  Arbeit  ist  vortrefflich. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  120. 


Archaislreude  Kimst.  77 

Abg.  bei  Sickler  und  Reiiihart,  Almanacli  aus  Rom,  2.  Jahrg.  1811 
n.  9  u.  10  p.  131   (wo  aber  der  Kopf  als  antik  angeselin  wird.)     Vgl. 
Sehern  Catalog  zur  Glyptothek  n.  51   und  die  Gemme  der  Sammlung 
Thorwaldseu  n.  323  nebst  dem  Wandgemälde  bei  Mi'iller-Wieseler,  Denk.  • 
II,  618  und  £.  Braun  im  bull.  1850  p.  73. 

60.  Sogenannter  Trophonios*,  Marmorkopf;  an- 
geblich aus  Griechenland  stammend;  früher  im  Besitze  des 
Fürsten  Talleyrand,  jetzt  im  Louvre. 

Für  die  Deutmig  auf  Trophonius  ist  nichts  Entscheiden- 
des angeführt;  dagegen  ist  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  dem 
sogenannten  indischen  Bacchus  nicht  zu  verkennen;  nur  dass 
letzterer  gewöhnlich  ein  volleres  und  breiteres  Gesicht  hat. 
Der  Kopfschmuck;  aus  Palmetten  ui^d  Blumen  bestehend; 
deutet  auf  eine  Naturgottheit.  Der  eigenthümliche  Schnitt 
des  BarteS;  die  schematische  Trennung  zwischen  Kinn-  und 
Backenbart;  ist  für  die  Köpfe  alten  Stils  charakteristisch. 
Doch  ist  der  alte  Stil  nur  in  Aeusserlichkeiten  imitirt;  die 
Formen  und  der  Ausdruck  des  Kopfes  sind  ihm  völlig  fremd 
und  es  war  nicht  die  Absicht  des  Künstlers,  einen  wenigstens 
scheinbar  alterthümlichen  Kopf,  der  allenfalls  den  Eindruck 
einer  Copie  machen  könnte,  zu  bilden;  sondern  vielmehr  in 
eklektischer  Weise  das  Steife  und  Schematische  der  alten 
Zeit  mit  dem  elegantesten  Stil  späterer  Kunst  zu  ver- 
einigen. Es  ist  ein  Verfahren;  demjenigen  der  hadrianischen 
Zeit  ähnlich,  in  welcher  sogar  der  ägyptische  Stil  eine  un- 
natürliche Verbindung  mit  den  weichen  und  eleganten  Formen 
des  damaligen  Geschmacks  eingehen  musste.  Nicht  unmöglich, 
dass  dieser  Kopf  auch  erst  in  hadrianischer  Zeit  entstanden, 
wir  haben  ihn  aber  von  den  übrigen  archaisirenden  Denk- 
mälern, durch  deren  Vergleichung  seine  Eigenthümlichkeit 
deutlicher  wird,  nicht  trennen  wollen. 

Abg.  Arch.  Ztg.  1843  Taf.  1  mit  der  Deutung  auf  Trophonius, 
die  Brunn  bull.  1845  p.  200  als  unbegründet  bezeichnet  und  dafür  die 
Aehnlichkeit  mit  dem  indischen  Bacchus  hervorhebt,  für  welchen  ihn  Mi- 
chaelis Arch.  Ztg.  1866  p.  254  freilich  aus  einem  Grunde  den  ich  nicht 
anerkennen  kann,  erklärt.  Derselbe  weist  sehr  richtig  die  Zurückfüh- 
rung  dieses  Kopfes  auf  Praxiteles  ab  und  setzt  ihn  in  die  hadi'ianische 
Zeit.  Ueber  den  Schnitt  des  Bartes  vgl.  Conze  Arch.  Anz.  1864,  p.  209 
und  den  herkulanischen  Dionysoskoi)f  im  Saal  der  Thiere  und  ßroncen 
n.  239. 

61.  Diana**,  Büste,  von  einer  Marmorstatue  genommen. 


*  Im  Niobidensaal  n.  40. 
**  Im  Niobidensaal  n.  119. 


78  Archaisirende  Kunst. 

die  im  Jahre  1792  zu  Gabii  gefunden  in  die  Sammlung 
Braschi  zu  Rom  und  aus  dieser  in  die  Glyptothek  zu  Mün- 
chen kam. 

Leider  besitzen  wir  nur  die  Büste  dieser  höchst  merk- 
würdigen Statue,  indessen  ist  doch  auch  diese  hinreichend^ 
das  Eigenthümliche  des  Werks,  die  Imitation  alterthümlicher 
Motive  mit  allen  Mitteln  der  elegantesten  Kunst,  erkennen 
zu  lassen.  Es  ist  dem  eben  betrachteten  Kopf  im  Einzelnen 
und  Ganzen  sehr  ähnlich. 

Von  dem  Charakter  der  Diana,  wie  die  frei  entwickelte 
Kunst  ihn  darstellt,  ist  dieser  Typus  noch  weiter  entfernt^ 
als  derjenige,  dem  wir  in  der  pompejanischen  Statue  (n.  56) 
begegneten.  Statt  des  der  Jungfrau  so  angemessenen  offenen^ 
freien  Kopfes  die  Verschleierung,  statt  der  jungfräulich  nach 
hinten  zusammengebundenen  Haare  die  lang  herabhängenden 
Locken  und  die  alterthümliche  Flechte,  über  welche  noch 
ganz  ähnlich,  wie  an  dem  vorhergehenden  Kopfe,  zwei  Haar- 
'büschel  herabhängen,  kurz,  es  fehlt  noch  der  Charakter  der 
schlichten,  einfachen  Jungfräulichkeit.  Der  Stimschmuck  be- 
steht aus  kleinen  Kehböcken,  zwischen  denen  unbestimmbare 
Gegenstände  sich  befinden,  gerade  in  älterer  Zeit  scheinen 
solche  zierlich  gearbeiteten  und  mit  charakteristischen  Sym- 
bolen versehenen  Kronen  häufiger  gewesen  zu  sein,  wie  wir 
von  der  berühmten  Statue  der  Nemesis  in  Rhamnus,  einem 
Werk  aus  Phidias  Zeit,  etwas  Aehnliches  erfahren.  Auch 
das  Köcherband  ist  mit  einer  Jagd  in  flachem  Relief  verziert 
und  erinnert  an  das  ähnlich  verzierte  Wehrgehenk  des  ho- 
merischen Herakles.  Ueberhaupt  ist  der  Reichthum  an  sym- 
bolischem Zierrath  ganz  im  Geist  der  älteren  Kunst. 

Abg.  bei  Sickler  und  Reinhart  Almanach  aus  Rom,  2.  Jahrg.  1811 
n.  12  p.  141  ff.  und  bei  Müller- Wieseler  II,  16,  168.  Vgl.  Catalog  zur 
Glyptothek  n.  87.  Ein  Dianenkopf  im  hiesigen  Museum  (n.  52)  eben- 
falls in  archaisirendem  Stil  gearbeitet,  hat  eine  ähnliche  Stirnkrone. 

62.  Pansherme*,  von  Gavin  Hamilton  1779  bei  Civita 
Lavigna  gefunden,  in  die  Townley'sche  Sammlung  und  mit 
dieser  ins  britische  Museum  übergegangen.  Ergänzt  sind 
der  rechte  Arm,  ein  Theil  des  linken  Unterarms,  der  grösste 
Theile  der  Pfeife  und  das  Ende  der  Herme  unter  dem  Ge- 
wände. 


*  Im  Niobideiisaai  n.  32. 


Archaisirende  Kunst.  79 

Die  Physiognomie  dieser  durch  die  Thierohren  als  Wesen 
niederer  Ordnung  bezeichneten  Figur  ist  unverkennbar  die 
des  Pan*,  wenngleich  sie  durch  den  feinen  Palmettenkranz 
und  besonders  durch  den  stilisirten  Vortrag,  in'  dem  das 
Ganze  gehalten,  edler  aussieht,  als  in  einem  freieren,  mehr 
naturalistischen  Stil  der  Fall  sein  würde.  Das  gewöhnliche 
Instrument  des  Pan  ist  allerdings  die  Syrinx,  aber  auch  die 
Flöte  ist  ihm  nicht  fremd. 

Die  Figur  ist  eine  mit  grosser  Eleganz  ausgeführte  Imi- 
tation eines  alterthümlichen  Cultusbildes.  Denn  hölzerne 
Pfeiler*  mit  einer  Göttermaske  oben  darauf  und  mit  einem 
Gewand  umhängt,  das  dann  mit  genauester  Symmetrie  gefältelt 
wurde,  sind  uns  als  Cultbilder  sehr  bekannt. 

Abg.  anc.  marbles  of  the  brit.  museum  II,  35.  Die  Literatur  bei 
MichaeliB  Arch.  Ztg.  1866  p.  254.  Aehnlich  bekleidete  Paushermen 
sind  im  lateranischen  Museum.  Michaelis  weist  die  Deutung  auf  Pan 
ab,  allein  die  Physiognomie,  die  gebogene  Nase,  das  vortretende  Unter* 
gesiebt  erinneni  durchaus  an  Pan  s  Ziegenphysiognomie. 

63.  Vierseitige  Basis**,  von  Marmor,  1857  in  Attien 
auf  der  Ostseite  des  Parthenon  gefunden  und  ebendaselbst 
befindlich.  Am  Original  bemerkt  man  noch  die  Spuren  der 
Befestigung  des  Gegenstandes,  den  die  Basis  trug. 

Vermuthlich  war  eine  Statue  als  Weihgeschenk  auf  dieser 
Basis  errichtet  und  nach  den  Reliefs  liegt  es  nahe,  an  eine 
Statue  des  Hephästos  zu  denken.  Denn  unter  den  vier  Götter- 
gestalten, welche  die  Seiten  zieren,  nimmt  dieser  an  seinem 
Hammer  kenntliche  Gott  offenbar  die  vornehmste  Stelle  ein, 
weil  ihm  die  drei  übrigen  Götter  entgegenkommen.  Die  Seite 
des  Hephästos  war  also  die  Frontseite.  Von  den  andern 
Göttern  sind  Pallas  und  Hermes  deutlich  erkennbar,  letzterer 
an  dem  kurzen  Gewände,  das  er,  der  Götterbote,  schon  in 
den  ältesten  Monumenten  trägt,  während  die  dritte  Figur 
bei  dem  Zustande  des  Werks  nicht  sicher  bestimmbar  ist. 
Einen  Grund  für  diese  Zusammenstellung  von  Göttern  können 
wir  nicht  angeben. 

Der  alterthümliche  Stil  ist  fein  und  geschmackvoll  imi- 
tirt,  nur  scheint  die  angespannte  Stellung  der  Beine  hie  und 
da  ein  wenig  übertrieben  zu  sein,  auch  ist  Pallas  sehr  dünn 
in   der    Taille.     Man   erkennt   aber   die  Nachahmung    gleich 


•  Vgl.  n.  13  im  Saal  der  Thiere  und  Broncen. 
•*  Im  Griechischen  Saal  n.  367. 


30  Archaisirende  Kunst. 

daran,  dass  einige  Figuren  nur  mit  der  Spitze  des  Fusses 
den  Boden  berühren,  was  dem  alten  Stil  fremd  ist  und  nur 
als  eine  absichtliche  Uebertreibung  der  alterthtimlichen  Zier- 
lichkeit und  Grazie  angesehen  werden  kann. 

Abg.  und  erklärt  in  Welckers  A.  D.  V,  Taf.  5  p.  101.  Eine  vage 
und  höchst  unwahrscheinliche  Hypothese  bei  Bötticher  im  Philol.  XXII, 
1  p.  96.  Die  Spuren  des  Thy^*sos,  die  Michaelis  an  dem  Stab  der  von 
mir  unbestimmt  gelassenen  Figur  entdeckt  zu  haben  glaubt,  sind  mir 
am  Abguss  nicht  aufgefallen. 

64.  Kriegsscene*,  fragmentirtes  Marmorrelief  in  Athen. 
Von  der  Hauptgruppe  ist  wenigstens  soviel  erhalten,  dass 

die  Handlung  noch  zu  erkennen  ist.  Ein  nackter  Krieger  ist 
verwundet  oder  sterbend  in  die  Arme  eines  andern  gesunken^ 
der  ihn  stützt  und  zugleich  rückwärts  gewandt  die  Rechte' 
ausstreckt,  als  wolle  er  der  folgenden  Figur  eine  Weisung 
geben.  Diese  ist  ein  Jüngling,  der  das  Gesicht  mit  der 
Hand  bedeckt,  indem  er  offenbar  trauert  über  den  Fall  des 
Freundes.  Eine  nähere  Erklärung  zu  geben,  ist  wegen  der 
grossen  Verstümmelung  des  Reliefs  unmöglich. 

Das  Werk  ist  nicht  sehr  sorgfältig  ausgeführt,  der  rechte 
Arm  des  trauernden  Kriegers  ist  beträchtlich  zu  kurz  gera- 
then.  Den  nachgeahmt  alterthümlichen  Stil  verräth  sofort 
das  Gewand,  das  nach  seiner  Richtung  und  Bewegung  frei 
flatternde  Falten  haben  sollte,  aber  statt  dessen  in  der  steif- 
sten Geradlinigkeit  verharrt.  Ein  solcher  Widerspruch  ist 
dem  acht  alterthümlichen  Stile  fremd,  in  welchem  die  starren 
Linien  des  Gewandes  doch  der  Richtung  und  dem  Fall  der 
einzelnen  Theile  desselben  im  Allgemeinen  entsprechen  und 
daher  bei  aller  Steifheit  nicht  eigentlich  den  Eindruck  des 
Unnatürlichen  machen. 

Abg.  Le  Bas  Voyage  archeol.,  Monum  flg.  pl."  T.liJ  35 

65.  Die  Hochzeit  des  Zeus  und  der  Hera**,  Mar- 
morreliefs von  einem  vierseitigen  Altar  in  Villa  Albani,  Er- 
gänzt ist  der  Kopf  und  rechte  Arm  des  Hermes;  von  der 
hinter  ihm  befindüchen  Figur  ist  nur  ein  Arm  übrig  geblie- 
ben, wie  von  der  vor  Artemis  gehenden  nur  ein  G^wandzipfel, 
ausserdem  fehlt  die  vierte  Platte. 

Unzweifelhaft  ist  die  Hochzeit   des  Zeus  und  der  Hera 


*  Im  Lycischen  Hof  n.  282. 
**  Im  Gewerbeinstitut. 


Archaisirende  Kunst.  g-^ 

oder  genauer  die  festliche  Procession  welche  das  Brautpaar 
zum  Hause  des  Bräutigams  geleitete  ^  dargestellt  ^  und  zwar 
so,  wie  es  Sitte  war  im  griechischen  Leben  und  auch  auf 
Vasenbildem  vorkommt.  Voran  geht  Artemis,  die  Hochzeits- 
göttin, mit  Fackeln  leuchtend,  da  der  Zug  hei  Abend  statt- 
fand, es  folgt  Leto,  die  wir  auf  n.  72  ähnlich  mit  ihrer 
Tochter  gruppirt  finden  und  dann  das  Brautpaar,  Zeus  mit 
dem  Donnerkeil  und  Vogelscepter,  dem  Abzeichen  des  Königs, 
und  Hera  mit  dem  Scepter  und  Schleier,  durch  den  gesenkten 
Bück,  der  ihr  sonst  so  fremd  ist,  deutlich  als  verschämte 
Braut  charakterisirt.  Hinterher  kommen  Poseidon,  Demeter, 
Aefaren  und  Mohn  in  den  Händen  und  auf  dem  Kopf  den 
Modius,  das  Fruchtmaass,  als  Symbol  ihrer  reichen  Gaben 
tragend,  Dionysos  mit  einem  Fell  bekleidet  und  Hermes.  Die 
Götter  sind  sämmtlich  festlich  bekränzt  und  auch  die  zier- 
lichen von  Riemen  geflochtenen  Schuhe  sind  vielleicht  durch 
das  Fest  veranlasst. 

Hinsichtlich  der  fehlenden  Figuren  dürfen  wir  uns  die 
Yermuthung  erlauben,  dass  der  neben  der  Artemis  übrigge- 
bliebene Gewandzipfel  dem  Apollo  angehörte  und  dass  dieser 
Gott  den  Zug  eröffiiete.  Für  ihn  gab  es  keinen  passenderen 
Platz  als  den  neben  der  Schwester  und  an  der  Spitze  des 
Zuges,  da  ihm  jedenfalls  das  Amt  zufiel,  den  Hymenaeus  zu 
spielen.  Er  wird  aber  derselben  Platte  angehört  haben,  auf 
welcher  sein  Gewandzipfel,  der  sonst  um  die  Ecke  herum- 
reichen würde,  erhalten  ist,  so  dass  wir  für  diese  erste  und 
die  ihr  correspondirende  Platte  je  4,  für  das  Ganze  also  14 
Figuren  vorauszusetzen  hätten. 

Die  Composition  war  ursprünglich  wohl  nicht  für  diesen 
Raum  bestimmt,  wenigstens  fällt  auf,  dass  Braut  und  Bräu- 
tigam auf  verschiedene  Seiten  vertheilt  sind.  Das  Werk  ist 
mit  Sorgfalt  ausgeführt,  den  absichtlich  alterthümlichen  Stil 
verräth  aber  schon  die  jugendliche  Gestalt  des  Dionysos,  der 
im  alten  Stil  nur  bärtig  dargestellt  wurde. 

Abg.  Zoega  bassiril.  II,  101.     Weicker  A.  D.  JI,  Taf.  1,   1  p.  14, 
wo  auch  die  übrige  Literatur  angegeben  ist. 

66.  67.  Zwölf  Götter*,  Relief,  über  dessen  Original 
wir  keine  Kunde  haben. 

Die    Götter    sind    in    zwei    einander    entgegengehende 


•  Im  Treppenhaus  n.  168  und  170. 
Friedericlu,  griech.  Plastik. 


32  Archaisireiide  Kunst. 


"1  ■ 


Abtheilungen  von  je  sechs  Figuren  getrennt.  Von  links  kom- 
men heran  Zeus,  mit  Donnerkeil  und  Vogelscepter,  Hera,  ein 
Scepter  haltend  und  mit  der  andern  Hand  ihr  Obergewand 
zierlich  anfassend,  wie  es  gerade  an  Darstellungen  der  Hera 
öfter  vorkommt,  dann  Hephästus  und  hinter  ihm  Aphrodite, 
mit  zwei  Bltithen,  darauf  leichten,  tänzelnden  Schrittes  der 
jugendliche  Götterbote  Hermes,  endlich  Artemis,  kurz  bekleidet, 
in  der  einen  Hand  den  Bogen  haltend,  mit  der  andern  einen 
Pfeil  aus  dem  Köcher  ziehend.  Ihnen  kommen  von  rechts 
entgegen  der  jugendliche  Herakles,  dann  Demeter,  ein  Scepter 
nebst  Aehren  und  Mohn  haltend,  Apollo  mit  der  Rechten  in 
die  Saiten  greifend  und  mit  dem  Piektrum  in  der  Linken 
darüber  streichend,  darauf  Pallas,  Ares  und  Poseidon. 

Wir  hegen  einige  Zweifel,  ob  das  Relief  wirklich  antik 
sei,  jedenfalls  muss,  wenn  es  antik  ist,  Bedeutendes  daran  re- 
staurirt  sein.  Denn  ein  unantikes  Motiv  findet  sich  an  der  Figur 
des  Hephästus,  indem  nämlich  der  Zipfel  des  Gewandes  in 
absichtlicher  und  unmöglicher  Weise  die  Geschlechtstheile  der 
Figur  bedeckt,  gerade  so  wie  es  die  modernen  Ktinstier  ma- 
chen. Höchst  auffallend  ist  ferner,  dass  Apollo  in  der  linken 
Hand  das  Piektrum  hat  und  mit  der  rechten  in  die  Saiten 
greift,  was  umgekehrt  sein  sollte.  Auch  die  Zusammenstel- 
lung der  Götter,  namentlich  die  Trennung  von  Apollo  und 
Artemis  ist  befremdlich.  Endlich  machen  wir  aufmerksam 
auf  die  grosse  Aehnlichkeit  dieses  Reliefs  mit  dem  eben  be- 
sprochenen, namentlich  in  den  Figuren  des  Zeus,  Hermes, 
Poseidon  und  der  Demeter. 

In  der  Glyptothek  zu  München  befindet  sich  unter  n.  95  ein  Relief, 
welches  mit  den  drei  ersten  Figuren  zur  Linken,  Zeus,  Hera,  Hephästus, 
soviel  ich  mich  erinnere,  übereinstimmt.  Es  hängt  aber  zu  hoch,  als 
dass  ich  es  genauer  hätte  mitersuchen  können. 

68.  Sogenannter  Zwölfgötteraltar*,  Marmorbasis, 
früher  in  der  Sammlung  Borghese,  seit  1808  im  Louvre. 

Das  Werk  ist  sehr  stark  ergänzt  und  zwar  nicht  allein 
stilwidrig  sondern  auch  unverständig.  Von  der  oberen  Göt- 
terreihe der  Hauptseite  sind  nur  Zeus  und  Hera  vollständig 
erhalten,  ersterer  könnte  ein  Scepter  in  der  Linken  gehabt 
haben,  doch  müssten  wohl  Spuren  zurückgeblieben  sein.  Am 
Poseidon  ist  der  ganze  Oberkörper  neu,  doch  ist  die  rechte 


*  Im  Niobidensaal  n.  70. 


Ai'chaisireude  Kunst.]  33 

Spitze  und  ein  Stück  yom  Schaft  des  Dreizacks  erhalten, 
auch  wird  der  Gott  durch  die  Stelle,  welche  er  einnimmt, 
zur  Genüge  bezeichnet.  An  der  folgenden  Figur  ist  der 
ganze  Oberkörper  von  der  Mitte  der  Oberschenkel  an  ergänzt, 
mit  Eecht  aber  hat  der  Ergänzer  eine  Demeter  an  dieser 
Stelle  vorausgesetzt  Wenden  wir  uns  nach  rechts,  wie  es 
die  Rangfolga  der  Götter  verlangt,  so  folgt  zunächst  Apollo, 
an  dem  auch  nur  die  untere  Hälfte  alt  ist.  Die  erhaltene 
Rechte  mit  dem  Piektrum  und  das  lange  Gewand  zeigen, 
dass  der  Gott  in  seiner  Eigenschaft  als  Kitharspieler  darge- 
stellt war,  der  Ergänzer  hätte  ihm  daher  eine  Kithar  in  den 
linken  Arm  geben  sollen.  Auch  in  der  Figur  der  Artemis 
ist  gefehlt,  an  welcher  der  ganze  Oberkörper  zu  restauriren  war. 
An  dem  Bogen  fehlte  nur  ein  kleines  Stück,  dessen  Ergän- 
zung durch  das  andre  Ende  vorgezeichnet  war,  allein  der 
Ergänzer  wusste  nicht,  dass  Artemis  wie  Apollo  einen  geraden 
Bogen  trägt  und  hat  ihr  daher  einen  ganz  fremdartigen,  sogar 
unförmlichen  Bogen  gegeben.  Die  folgende  Figur,  Hephäst,  an 
welcher  wieder  der  Oberkörper  fehlte,  hat  sogar  eine  weibliche 
Brust  erhalten,  wiewohl  die  Zange  in  der  Rechten  den  Gott 
deutlich,  genug  bezeichnet  An  Pallas  ist  nur  alt  der  Lanzen- 
schaft bis  an  den  erhobenen  Arm,  das  rechte  Bruststück  mit 
der  Aegis,  das  rechte  Bein  vom  Knie  abwärts  und  vom  linken 
etwas  mehr  als  der  Fuss,  Besser  erhalten  ist  die  letzte  Seite. 
Am  Mars  sind  neu  das  Ende  des  Lanzenschaftes,  der  obere 
Theil  des  Helms  und  die  Oberschenkel,  an  der  Venus  nur 
der  obere  Theil  des  Kopfes,  Hermes  ist  unversehrt,  an  der 
Ilestia  sind  Kopf,  Brust,  linker  Arm  und  die  Füsse  neu.  Die 
unteren  Figuren  sind  an  allen  drei  Seiten  bis  auf  unbedeu- 
tende Stücke  vollständig. 

Ueber  die  Bestimmung  des  Werkes  schwanken  die  An- 
sichten. Man  hält  es  für  einen  Altar  oder  auch  für  die  Ba- 
sis eines  dreieckigen  Geräthes,  eines  Dreifusses  oder  eines 
Candelabers.  Wir  halten  es  für  eine  Dreifussbasis,  weil  ganz 
dieselbe,  im  Grundriss  einem  dreiseitigen  korinthischen  Kapi- 
tal entsprechende  Form  sich  an  sichern  Dreifussbasen  findet 

Was  zu  der  Auswahl  der  Reliefs  Veranlassung  gegeben 
habe,  ist  dunkel,  da  wir  die  historischen  Umstände,  unter 
denen  das  Werk  entstanden,  nicht  kennen.  Der  Stil  giebt 
sich  deutlich  als  nachgeahmt  alterthümlich  zu  erkennen,  schon 
der  eine  Umstand,  dass  auf  jeder  Seite  in  der  oberen  Reihe 
die  Füsse   mehrerer  Figuren  en  face  stehen  und  daher  um 

6* 


34  Archaisirende  Kunst. 

nicht  zu  weit  herauszuspringen  verkürzt  werden  mussten,  wo- 
durch sie  nun  wie  verwachsen  aussehn,  schon  dies  charakte- 
risirt  den  nachgeahmt  alterthümlichen  Stil.  Denn  in  alter  Zeit 
werden  wenigstens  der  Regel  nach  alle  Figuren  so  gestellt,, 
wie  Mars  und  Venus  oder  wie  die  Figuren  der  unteren  Reihen. 

Die  Auswahl  und  Gruppirung  dieser  zwölf  Götter  ist  die- 
jenige, welche  in  Athen  üblich  und  später  die  gewöhnliche 
war,  auch  im  Stil  scheinen  dem  Künstler  attische  Muster  vor- 
geschwebt zu  haben,  namentlich  erinnern  daran  Gestalten  wie 
die  der  Hera. 

Die  untere  Hälfte  der  Basis  enthält  die  Gruppen  der 
Chariten,  Hören  und  Parzen.  Sie  sind  in  grösseren  Figuren 
dargestellt,  was  ihrer  untergeordneten  Stellung  im  Götterkreise 
allerdings  nicht  entspricht,  aber  durch  architektonische  Rück- 
sichten, welche  der  unteren  Abtheilung  der  Basis  eine  grös- 
sere Höhe  zu  geben  zwangen,  veranlasst  ist.  Der  Grund 
ihrer  Vertheilung  auf  die  drei  Seiten  ist  uns  nicht  klar. 
Ihre  Darstellung,  namentlich  die  der  Parzen  und  Hören,  ist 
von  den  späteren  Monumenten  in  einigen  Punkten  abweichend. 
Die  ersteren  sind  vollkommen  einander  gleich,  nur  als  ernste 
majestätische  Göttinnen  mit  Sceptem  in  den  Händen  gebildet^ 
während  sie  später  zufolge  einer  bei  den  Musen  in  ganz  ähn- 
licher Weise  wiederkehrenden  Entwicklung  individualisirt  wur- 
den und  verschiedene  Thätigkeiten  erhielten.  Auch  die  Hören 
sind  hier  gleichartiger  als  später,  sowohl  in  ihrer  Tracht  als 
in  ihren  Attributen,  Zweig,  Traube,  Knospe  (wenn  nicht  auch 
hier  eine  Frucht  gemeint  ist),  die  nicht  als  Symbole  verschie- 
dener Jahreszeiten,  sondern  nur  allgemein  als  Symbole  des 
Werdens  und  Wachsens  der  Vegetation  aufzufassen  sind. 
Die  Chariten  sind  tanzend  vorgestellt,  wie  die  Dichter  von 
ihnen  singen  und  wie  es  zur  Entfaltung  derAnmuth  am  na- 
türlichsten ist. 

Abg.  Visconti   monum.  Gabini    tav.    agg.  a.  b.   c.  Clarac   musee 

de    sculpt.    pl.    173.    174.     Müller-Wieseler  I,   12.   13.  Vgl.  Welcker 

(jötterl.  2,  168  und  wegen  der  architektonischen  Form  des  Wei'ks  die 
Dreifussbasis  im  Griechischen  Saal  n.  366. 

69.  Brunnenmündung*,  von  Marmor,  in  der  Umge- 
gend Roms  vor  Porta  del  popölo  gefanden,   seit   mehr   als 


Im  Niobidensaal  n.  51. 


Ai'cliaisireude  Kunst.  35 

huadert  Jahren  im  capitolinischen  Museum  befindlich.  Die 
Restaurationen  sind  nicht  bedeutend^  sie  betreffen  ausser  eini- 
gen Füssen  hauptsächlich  den  Kopf  der  Aphrodite^  der  ganz 
neu  and  die  Köpfe  der  Artemis  und  Hestia^  die  zum  Theil 
neu  sind. 

Das  Werk  gilt  mit  Recht  als  eine  Brunnenmüudung, 
denn  wenn  auch  die  an  dem  Innern  Rande  entdeckten  Spuren 
von  Stricken;  mit  denen  man  den  Eimer  heraufzog^  erst  in 
neaerer  Zeit  entstanden  sein  sollten^  so  entspricht  doch  das 
Geräth  so  sehr  dem  vorausgesetzten  Zweck^  dass  wir  daran 
za  zweifeln  nicht  berechtigt  sind.  Es  haben  sich  mehrere 
ähnliche  erhalten^  und  unter  den  Römern  waren  solche  mit 
Reliefs  verzierte  Brunneneinfassungen^  die  ja  auch  der  neueren 
Kunst  Gelegenheit  zu  schönen  Darstellungen  gegeben^  beliebt^ 
wir  wissen  wenigstens ;  dass  Cicero  sich  dergleichen  Werke 
f&r  seine  Villen  aus  Athen  kommen  liess.  Das  vorliegende 
Werk  hat  indess  nicht  zu  profanem  Gebrauch  gedient,  son- 
dern Stil  und  Darstellung  führen  darauf;  dass  es  den  Brunnen 
eines  Tempels  schmückte. 

Es  sind  zwölf  Götter  dargestellt,  in  ungleiche  Hälften 
getlieilt  und  in  marschartiger  Bewegung,  wie  es  der  Form 
des  Werks  entspricht.  Von  rechts  her  kommen  Hephäst, 
Poseidon,  Hermes  und  Hestia,  von  links  lauter  Götterpaare, 
Zeus  und  Hera,  Pallas  und  Herakles,  Apollo  und  Artemis, 
Ares  und  Aphrodite.  Leider  fehlt  das  dritte  dieser  Paare 
auf  dem  Abguss. 

Der  Grund  dieser  Theilung  der  Götter  und  ihres  Zu- 
sammentretens  ist  nicht  ganz  klar.  Am  wahrscheinlichsten 
ist  die  Annahme,  dass  ein  zwar  durch  keinen  alten  Schrift- 
steller berichteter,  nach  einer  Anzahl  von  Kunstwerken  aber 
vorauszusetzender  Mythus  dargestellt  sei,  nämlich  die  Hochzeit 
der  Pallas  und  des  Herakles.  Das  Relief  wäre  dann  so  auf- 
zufassen, dass  die  drei  Götterpaare,  welche  das  Brautpaar 
geleiten,  die  dieser  Ehe  günstigen  Gottheiten  repräsentirten, 
mid  den  >'ier  andern,  dem  Ehbund  weniger  günstigen  Göttern 
offenbar  in  versöhnendem  Sinne  entgegenträten.  Denn  Zeus 
und  Hera,  Apollo  und  Artemis  und  endlich  Aphrodite,  der 
sich  Ares  nothwendig  gesellen  musste,  sind  die  Schutzgötter 
der  Ehe  und  Liebe,  von  den  vier  andern  Göttern  aber  lässt 
sich  wenigstens  hinsichtlich  des  voranstehenden  Hephäst  be- 
haupten, dass  er,  der  sich  die  Pallas  als  Lohn  für  seinen 
Hammerschlag,  wodurch  sie  geboren  war,  zur  Gattin  erbeten 


86  Archaisirende  Kunst. 

hatte,  diesem  Ehbund  nicht  günstig  sein  konnte.  Die  Zag- 
haftigkeit und  Bescheidenheit,  mit  welcher  der  Bräutigam 
Herakles,  der  übrigens  nur  hinter,  nicht  vor  der  vornehmeren 
Braut  gehen  konnte,  auftritt  —  er  ist  nämlich  der  einzige^ 
der  die  Füsse  nicht  fest  auf  den  Boden  setzt  — ,  würde  zu 
dieser  Erklärung  gut  passen. 

Das  Werk  ist  sehr  interessant,  weil  es  uns,  wenn  auch 
in  den  Formen  der  Nachahmung,  Züge  überliefert,  die  für  die 
Auffassung  der  Götter  im  alterthümlichen  Stil  charakteristisch 
sind.  Denn  dass  wir  allerdings  nur  eine  Nachahmung  vor 
uns  haben,  beweist  schon  allein  die  jugendliche  Gestalt  des 
Hermes,  der  früher  bärtig  vorgestellt  wurde.  Derselbe  Gott 
aber  zeigt  uns  in  der  Art,  wie  er  seinen  Ziegenbock  mit  sich 
führt,  das  gemüthliche  Verhältniss,  in  welches  im  alten  Stil 
die  Götter  und  ihre  Lieblingsthiere  mit  einander  treten.  Es 
kommt  vor,  dass  Apollo  seinen  Greif  förmlich  an  die  Brust 
drückt,  Artemis  ihren  Hirsch  an  der  Hand  führt  und  Aehn- 
liches,  während  später,  als  dies  kindliche  und  gemüthliche 
Verhältniss  den  Formen  und  der  Auffassung  der  reiferen 
Kunst  nicht  mehr  entsprach,  eine  losere  und  kältere  Bezie- 
hung zwischen  dem  Gott  und  seinem  Thier  eintrat. 

Auch  in  den  Formen  ist  der  alte  Stil  gut  imitirt.  Die 
Verhältnisse  sind  schwer,  die  Figuren  haben  meistens  nur  6^2 
Kopflängen  und  zeichnen  sich  durch  grosse  Fülle  der  Mus- 
culatur  aus.  Auch  die  steif  herabhängenden  Locken  fehlen 
nicht,  nur  für  Artemis  und  Aphrodite  hat  der  Künstler  sie 
nicht  angemessen  gefunden. 

Abg.  Winckelmann  mon.  iiied.  n.  5.  Müller -Wieseler  II,  18,  197. 
Vgl.  Meyer  z.  Winckeim.  Kunstgesoh.  III,  328  und  V,  457  (Eiselem) 
und  0.  Jahn  Archaeol.  Aufs.  p.  108.  Welcker  A.  D.  II,  36.  E.  Braun 
Ruinen  und  Museen  Roms  p.  152. 

70.  Apoll  und  Nike*,  Marmorrelief,  aus  der  Sanamlung 
von  W.  Hamilton  ins  britische  Museum  übergegangen. 

In  einem  korinthischen  Tempel  sind  Apoll  und  Nike  ver- 
einigt, letztere  dem  ersteren  aus  hocherhobener  Kanne,  wie 
graziöse  Mundschenken  zu  thun  pflegen,  in  seine  Schaale  ein- 
giessend.  Auf  den  ersten  Blick  scheint  nur  dies  dargestellt^ 
dass  Apollo  nach  beendigtem  Kitharspiel  von  der  Nike,  die 
man  in  dem  allgemeinen  Sinn  einer  Mundschenkin  des  Olymps 


*  Im  Treppenhaus  n.  162. 


k 


Aichaisirende  Kirnst.  g7 

auffassen  könnte;  einen  labenden  Trank  erhält,  doch  lassen 
der  Stil  und  die  Analogie  andrer  Reliefs  diese  etwas  genre- 
artige Auffassung  nicht  zu.  Es  giebt  nämlich  Votivreliefs 
wegen  eines  Sieges  im  musikalischen  Wettkampf  gestiftet, 
welche  die  Nike  darstellen,  wie  sie  dem  Gott  des  betreffenden 
Festes  seinen  Becher  füUt,  und  daher  deutlich  den  Gedanken 
ausdrücken,  dass  der  Sieger  oder  statt  seiner  die  Siegesgöttin 
dem  Festgott  als  Dank  für  den  erworbenen  Sieg  ein  Trank- 
opfer darbringt.  Nach  dieser  Analogie  ist  auch  das  vorlie- 
gende Eelief  dahin  zu  deuten,  dass  es  ein  dem  Apollo  als 
Gott  eines  Festes  und  zwar  da  er  als  Kitharöde  dargestellt 
ist,  als  Gott  eines  musikalischen  Festes  dargebrachtes  Sieges- 
opfer darstelle.  Die  Vorstellung  dieses  Reliefs  wiederholt 
sich  auf  vielen  mehr  oder  weniger  übereinstimmenden  Exriü- 
plaren,  die  aber  nicht  alle,  von  denen  sogar  kein  einziges 
wirklich  als  Weihgeschenk  eines  siegreichen  Musikers  ge- 
stiftet zu  sein  braucht,  denn  der  von  uns  entwickelte  Gedanke 
gilt  nur  für  die  Originalcomposition,  die  ihrer  blossen  Schön- 
heit wegen  ohne  Rücksicht  auf  die  praktische  Verwendung, 
für  welche  sie  bestimmt  war,  wiederholt  werden  konnte. 
Und  gerade  bei  dieser  Composition  ist  im  Hinblick  auf  die 
höchst  anmuthige  Gestalt  der  Nike  eine  solche  Vervielfälti- 
gung wohl  begreifllich. 

Hinsichtlich  des  Details  ist  auf  das  Band  an  der  Kithar 
des  Apollo  aufmerksam  zu  machen,  das  gewiss  dazu  diente, 
der  linken  Hand  des  Spielers  eine  feste  Lage  zu  geben. 
Denn  die  griechischen  Saiteninstrumente  werden  mit  beiden 
Händen  gespielt  und  zwar  so,  dass  die  Rechte  mit  dem  Plek- 
trum,  die  Linke  mit  den  Fingern  die  Saiten  berührte.  Viel- 
leicht spielte  jene  nur  Accorde,  diese  einzelne  Töne. 

Das  Relief  ist  sehr  fein  und  graziös,  dass  es  aber  nur 
nachgeahmt  alterthümlich  ist,  geht  schon  aus  den  korinthischen 
Säulen  hervor,  die  zur  Zeit  des  äoht  alterthümlichen  Stils 
noch  nicht  existirten. 

Abg.  in  den  marbles  of  the  british  musenm  II,  13.  Vanx  liancl- 
book  to  the  brit.  mus.  p.  184.     Ellis  the  Townley  galery  II,  113. 

Die  Literatur  bei  Welcker  A.  D.  2,  37  ff.,  der  dieses  Relief  mit 
n.  10  bezeichnet.  Die  früheren  Erkicäruugen  sind  von  Welcker  besei- 
tijort,  dessen  ei^me  Erklänmg  ich  aber  auch  nicht  annehmen  kann.  Von 
der  \'oraussetzung-  ausgehend,  dass  in  Delphi  an  den  Pytliien  dem 
Sieg-er  im  Kitliarspiel  eine  silbcne  Schaale  als  Kam])fpreis  gegeben  sei, 
w'w  man  dies  von  den  offenbar  den  deiphisciien  nachgebildeten  sicyoni- 
bchfn  Pythien  wisse  —  auch  dies  ist  übrigens  nur  Voraussetzung,  denn 


33  Arcliaisireiide  Kunst. 

I 

Pind.  Nem,  9,  51  sind  die  Schaalen  nicht  Preis  eines  Kitliaröden,  son- 
dern eines  Siegei*s  im  Wagenkampf  und  Nem.  10,  43  ist  keine  Gattung 
des  Wettkampfs  genannt  —  meint  nämlich  Welcker,  dass  hier  die 
üeberreichung  der  natürlich  weingefüllten  Schaale  an  Apollo  dargestellt 
sei.  der  als  Urbild  und  Vorbild  der  wirklich  siegenden  menschlichen 
Kitnaröden  aufgefasst  werden  müsse.  Allein  wie  soll  man  erkenne^ 
dass  hier  die  Ueberreighung  der  Schaale  gemeint  sei,  da  doch  nur 
die  Füllung  derselben  durch  Nike  dargestellt  ist?  Wie  ungeschickt 
wäre  ein  Künstler,  der,  wenn  er  ersteres  darstellen  wollte,  es  so  dar- 
stellte, dass  jeder  Betrachtende  nur  an  das  Letztere  denken  kann! 

Die  namentlich  von  0.  Müller  hervorgehobene  Auffassung  dieser 
Reliefs  oder  wenigstens  ihres  Originals  als  eines  Weihgeschenks  wegen 
eines  Sieges  im  musikalischen  Wettkampf  wird  besonders  unterstützt 
durch  die  Vergleichung  der  Reliefs  an  der  attischen  Dreifussbasis  im 
Griechischen  Saal  n.  3t>6. 

lieber  die  Art,  wie  die  Saiteninstrumente  gespielt  werden  vgl.  v. 
Jan  Archaeol.  Ztg.  1858  p.  190. 

71.  Aehnliches  Relief*,  von  Marmor,  früher  in  Villa 
Albani,  jetzt  im  Louvre.  Das  Relief  ist  vielleicht  nicht  ganz 
vollständig,  da  es  in  neuerer  Zeit  um  das  fragmentarische 
Aussehn  zu  beseitigen,  an  den  Rändern  zugeschnitten  ist. 

Es  ist  dieselbe  Darstellung  wie  auf  n.  70,  nur  erweitert 
durch  die  Figur  der  Artemis  und  roher  in  der  Ausführung. 

Abg.  bei  Clarac  musee  de  sculpi.  122,  40;  bei  Welcker  A.  D.  II, 
p.  40  mit  n.  5  bezeichnet.     Vgl.  n.  70  mit  der  Anmerkung. 

72.  AehnlichesRelief**,  von  Marmor,  aus  Villa  Albani, 
durch  Napoleon  nach  Paris  und  von  dort  nach  Berlin  versetzt, 
indem  es  „bei  der  Rückgabe  der  preussischen  Kunstwerke 
von  der  französischen  Regierung  für  ein  anderes  in  Hinsicht 
der  Vorstellung  einziges  gegeben  ist". 

Dies  Relief  ist  reicher,  aber  auch  weniger  stilvoll,  als 
die  beiden  vorhergehenden.  Es  zeigt  uns  Apollo  von  Mutter 
und  Schwester  begleitet,  deren  erstere,  die  ausser  ihren 
Attributen,  Fackel,  Bogen  und  Köcher,  auch  durch  den  schlan- 
keren Wuchs  ausgezeichnet  ist,  das  Gewand  des  Apollo  an- 
fasst,  wahrscheinlich  um  ihre  enge  Zusammengehörigkeit  mit 
dem  Bruder  anzudeuten.  Gerade  in  diesem  Stil  kommt  dieses 
freilich  äusserliche  Motiv  bei  verwandten  Figuren  öfter  vor. 
Bas  Lokal  der  Handlung  ist  aufs  Reichste  angedeutet.  Hinter 
einer  Umfassungsmauer,  auf  deren  Bekrönung  drei  Messpunkte 


*  Im  Treppenhaus  n.  165. 
♦*  Im  Tre^enhaus  n.  163. 


Archaisireude  Kunst.  go 

mit  deatlichen  Spuren  des  Zirkels  zurückgeblieben  sind,  ragt 
ein  korinthischer  Tempel  mit  einer  Platane  hervor,  in  welchem 
wir  den  delphischen  Tempel  mit  seiner  berühmten  Platane 
m  erkennen  haben,  ohne  dass  freilich  der  Künstler  bemüht 
gewesen  wäre,  denselben  der  Wirklichkeit  gemäss  zu  bilden. 
Die  Ecken  des  Giebels  waren  nach  den  zurückgebliebenen 
Resten  —  Flügeln  und  Stücken  von  flatternden  Gewändern  — 
mit  Siegesgöttinnen  verziert,  im  Giebelfeld  ist  ein  Medusen- 
haapt,  von  phantastischen  Figuren,  wie  sie  der  Raum  erforderte, 
getragen,  und  am  Fries  ein  Wagenwettkampf  dargestellt 
Sehr  Singular  aber  und  uns  unverständlich  ist  die  den  Fries 
und  Architrav  trennende,  mäanderartige  Verzierung.  Ausser- 
halb der  Umfassungsmauer  (welche  übrigens  ftlr  die  künstle- 
rische Wirkung  der  Figuren  nothwendig  war),  im  weiteren 
Bezirk  des  Tempels,  ist  rechts  ein  Pfeiler  aufgerichtet,  auf 
dem  ein  kleines,  nacktes  Götterbild  mit  ausgestreckter  Schaale, 
gewiss  auch  ein  Apollo,  steht.  Es  ist  dies  eines  jener  uralten 
Götterbilder,  die  ihrer  Puppengestalt  wegen  auf  hohe  Pfeiler 
gestellt  werden  mussten  und  als  Weihgeschenke  in  dem  Gehege 
des  Tempels  aufgestellt  wurden.  Links  steht  ein  entsprechen- 
der Pfeiler  mit  den  Resten  eines  Dreifusses,  da  es  ebenfalls 
Sitte  war,  Dreifüsse,  häufige  Siegespreise  in  Wettspielen,  den 
Göttern,  die  den  Sieg  gegeben,  zu  weihen  und  im  Bezirk 
ihres  Tempels  aufzustellen.  Alle  diese  Zuthaten  heben  nur 
den  Begriff  eines  heiligen  Lokals  hervor,  können  aber  die 
Bedeutung  des  Ganzen,  die  auch  in  den  einfacheren  Exem- 
j)hiren  dieser  Vorstellung  voll  enthalten  sein  muss,  nicht 
alteriren  und  sind  auch  nicht  dem  Stil  des  Originals  ange- 
messen. Eine  so  reiche  Ausstattung  mit  Beiwerk  ist  dem 
einfachen  Reliefstil  der  früheren  Kunst  durchaus  fremd. 

Dass  dieses  Relief  nur  ein  nachgeahmt  alterthümliches 
sei,  geht  auch  hier  schon  aus  dem  korinthischen  Stil  des 
Tempels  hervor.  Man  braucht  femer  nur  das  flatternde 
Obergewand  der  Artemis  anzusehen,  um  zu  bemerken,  dass 
es  mit  den  strengen  Linien  nicht  ernstlich  gemeint  ist.  Die 
Ausführung  ist  nicht  sehr  sorgfältig,  namentlich  sind  die 
kleinen  Zickzackfalten  an  den  Säumen  der  Gewänder  nur 
oberflächlich  angegeben. 

Vgl.  die  (uicht  ganz  correcte)  Beschreibung  bei  Gerhard  Berl.  Ant. 
Bildw.  p.  91  n.  146  und  für  die  Erklärung  n.  70  mit  der  Anmerkimg, 
liebst  Michaelis  Ann.  1863,  p.  296.  In  Welcker's  Verzeiclmiss  diesei 
DciiknifiierclHSse  A.  Denkm.  II,  ]).  37  ist  das  Relief  mit  u.  4  bezeichnet. 


90  Archaisireiide  Kunst. 

73.  Aehnliches  Relief*;  von  Marmor,  aus  Villa 
Albani,  im  Louvre  befindlich.  An  der  nackten  Figur  ist 
nur  das  linke  Bein  vom  Knie  abwärts  alt,  an  den  übrigen 
Figuren  sind  die  Köpfe  ergänzt. 

Die  Figur  der  Nike  ist  dieselbe,  wie  auf  den  vorher- 
gehenden Reliefs,  auch  die  Handlung  stimmt  überein.  Aber 
es  ist  Artemis,  welche  hier  die  Spende  erhält,  so  dass  man 
vermuthen  möchte,  es  handle  sich  um  ein  der  Artemis  dar- 
gebrachtes Dankopfer.  Die  dritte  Figur  ist,  da  zu  wenig 
davon  erhalten,  unbestimmbar,  der  Ergänzer  hat  einen  Dio- 
nysos angenommen,  dessen  Anwesenheit  in  dieser  Gesellschaft 
schwer  zu  motiviren  sein  dürfte. 

Die  Verschiedenheit  des  Stils  in  den  Figuren  der  Nike  und 
Artemis  ist  ein  deutlicher  Beweis  späterer  Entstehungszeit**» 

Abg.    bei   Winckelmann    monum.   ined.   n.  23.      Clarac    musee    de 
sculpt.  122,  40.     Vgl.  Welcker,  Annali  V,  148. 

74.  Apollo  mit  Artemis  und  Leto***,  Marmorrelief 
aus  Villa  Albani,  im  Louvre  befindlich.  Ergänzt  sind  die 
untere  Hälfte  des  Pfeilers  zur  Rechten  und  der  Gewandzipfel 
des  Apollo  unter  seiner  Kithar. 

Ob  dieses  Relief  mit  den  eben  betrachteten,  im  Moment 
der  Handlung  und  durch  die  Hinzufügung  der  Nike  verschie- 
denen, in  eine  Classe  zu  setzen,  also  auch  als  ein  Votivrelief 
zu  betrachten  sei,  muss  zweifelhaft  bleiben.  Den  archaisiren- 
den  Stil  erkennt  man  sofort  an  der  bewegten  Gestalt  des 
singenden  Gottes.  Denn  im  alten  Stil  sowohl  der  Malerei 
wie  Plastik,  pflegt  der  kitharspielende  Apollo  ruhig  und  ernst 
dazustehen,  erst  im  Beginn  des  vierten  Jahrhunderts  stellte 
Scopas  ihn  in  schwärmerisch  bewegter  Gestalt  dar,  das  vor- 
liegende Relief  ist  daher  nach  Scopas  entstanden,  folglich 
nicht  echt  alterthümlich. 

Die  Säule  mit  dem  kleinen  Götterbild  begegnete  uns 
bereits  auf  n.  72.  Sie  hat  hier  denselben  Zweck,  wie  dort 
und  es  ist  nicht  daran  zu  denken^  dass  Apollo  seinem  eignen 
Bilde  einen  Hymnus  sänge,  wie  man  beim  ersten  Anblick  ver- 
muthen könnte. 


*  Im  Treppenhaus  n.  164. 

•**  Im  Römischen  Saal  unter  n.  43.  44.  befinden  sich  noch  zwei 
übereinstimmende  Darstellungen  der  Nike,  deren  Originale  das  britisclie 
Museum  besitzt.     Sie  sind  übrigens  unbedeutend. 

***  Im  Treppenhaus  n.  161. 


Archaisirendc  Kunst.  91 

Abg.  Clarac  musee  de  sculpt.  122,  38.  Müllor-Wieseler  I,  13,  46. 
Vgl.  Weicker  A.  D.  II,  37  und  wegen  der  Figur  des  Apoll«  die  Münze 
mit  dem  Apollo  Palatinus  des  Scopas  bei  Miilter-Wieseler  I,  32,  141  c. 

75.  Dreifussbasis  *,  aus  Marmor,  mit  der  Chigi- 
schen  Sammlung  in  das  Museum  zu  Dresden  gekommen. 

Die  vielbesprochenen  Darstellungen  dieser  Basis  sind,  jede 
für  sich  genommen,  vollkommen  klar.  Auf  der  einen  Seite 
ist  der  Kampf  des  Herakles  und  Apollo  um  den  delphischen 
Dreifuss  dargestellt.  Zwischen  den  Kämpfenden  liegt,  mit 
Binden  behangen,  der  kegelförmige  delphische  Stein,  den  man 
als  den  Nabel  der  Erde  bezeichnete.  Die  beiden  übrigen 
Felder  enthalten  einander  verwandte  Vorstellungen,  nämlich 
die  Weihung  eines  heiligen  Geräthes,  einen  Vorgang,  der  in 
der  Umwickelung  mit  Binden  besteht.  Hier  ist  es  ein  Drei- 
fuss, dort  eine  Fackel,  die  von  einer  zum  Auffangen  des 
Abfalls  und  somit  zum  Schutz  der  unten  anfassenden  Hand 
bestimmten  Schaale  umgeben  ist,  beide  auf  Pfeilern  aufge- 
richtet, wie  wir  es  schon  früher  bei  Weihgeschenken  fanden. 
Sie  sind  umgfeben  von  je  zwei  Figuren,  die  wir  theils  nach  ihrer 
Handlung,  theils  nach  ihren  Attributen  als  priesterliche  Per- 
sonen zu  betrachten  haben,  einer  unter  ihnen  hält  einen 
Besen,  um  sein  Amt,  die  Reinigung  des  Tempels,  zu  be- 
zeichnen. 

Nicht  so  klar  wie  das  Einzelne,  ist  der  Zusammenhang 
und  die  Bedeutung  dieser  Scenen,  da  nicht  einmal  feststeht, 
was  für  ein  Geräth  die  Basis  getragen.  Man  denkt  an  einen 
Candelaber  oder  Dreifuss,  uns  scheint  wegen  der  in  der 
]klitte  der  oberen  Fläche  befindlichen  Vertiefung  nur  die 
letztere  Annahme  möglich.  Es  stand  ein  Dreifuss  darauf  mit 
einer  vierten,  runden  Stütze  in  der  Mitte,  wie  sie  so  sehr 
gewöhnlich  sind.  Ist  dies  aber  richtig,  so  erinnern  wir  uns 
der  schon  bei  n.  72  erwähnten  Sitte,  Dreifüsse,  die  als 
Siegespreise  in  Wettkämpfen  der  verschiedensten  Art  ge- 
wonnen waren,  auf  höheren  oder  niedrigeren  Basen  aufge- 
stellt, dem  Gotte  des  Festes  zu  weihen,  und  die  Vermuthung 
liegt  dann  nahe,  auch  diese  Basis  möge  für  ein  solches  Weih- 
geschenk bestimmt  gewesen  sein.  In  dieser  Voraussetzung 
hat  man  folgende  sinnige  Deutung  den  Reliefs  gegeben:  Die 
Scene  zwischen  Apoll  und  Herakles  sei  ein  Bild  des  Kampfes, 
in  welchem  um  den  Dreifuss   gekämpft  wurde,  das  Bild  zur 


*  Im  Niobidensaal  u.  52. 


92  Archaisii  ende  Kunst. 

Rechten  stelle  die  Weihung  des  gewonnenen  Dreifusses  und 
dasjenige  zur  Linken  die  Weihung  des  Geräthes,  mit  dem  der 
Sieg  gewonnen,  der  Fackel,  dar  (indem  man  nämlich  eben 
wegen  dieses  Bildes  voraussetzt,  der  Wettkampf,  in  welchem 
der  Preis  gewonnen,  sei  ein  Fackellauf  gewesen). 

Welchem  Gott  der  Dreifuss  geweiht  war,  deuten  theils 
die  epheubekränzte  Figur  mit  dem  Besen  an,  theils  die  Ver- 
zierungen unter  den  Reliefs.  Baiieende  Silene  stützen  die 
Ecken  der  Basis,  denen  die  Flügel  natürlich  nur  aus  tekto- 
nischen  Gründen,  zur  Verbindung  und  Vermittelung  der  Figur 
mit  dem  Körper  der  Basis,  gegeben  sind.  Man  bemerkt  an 
den  Ecken  von  Geräthen,  z.  B.  Candelabern,  sehr  häufig  der- 
artige Motive.  Zwischen  den  Silenen  befinden  sich  andere, 
auch  silenenartige  Gestalten,  welche  einen  Becher,  wie  ihn 
Dionysos  zu  tragen  pflegt,  an  den  Henkeln  fassen. 

Dass  das  Werk  den  alterthümlichen  Stil  nur  imitirt, 
geht  schon  aus  der  völlig    freien  Zeichnung    der  unter  den 

Reliefs  befindlichen  Figuren  und  Arabesken  hervor. 

* 

Abg.  in  Becker'»  Augusteum  Taf.  5  6.  7.  Vgl.  Hettner  die  Bildw. 
d.  Kgl.  Antikensammlg  zu  Dresden  n.  201.  Der  Text  befolgt  die  Er- 
klärung, die  von  0.  Müller  im  Handbuch  §.  96  n.  20  kurz  angedeutet, 
von  Pervanoglu  Ann.  1861  p.  120  näher  ausgeführt  ist.  Eingehend 
hat  sich  Bötticher  im  Programm  zum  Berliner  Winckelmaniisfest  v.  J. 
1858,  betitelt  „das  Grab  des  Dionysos"  und  in  der  Archaeol.  Ztg.  1858 
p.  197  ff.  213  ff.  über  die  Basis  ausgesprochen  und  zwar  die  von  Stark 
^endas.  p.  133  ff.  gegebene  Erkläiung  sehr  richtig  widerlegt,  aber  eine 
l%pe  wie  mir  scheint  noch  imhaltbarere  aufgestellt  oder  wenigstens,  da 
er  sie  schon  früher  ausgesprochen,  näher  zu  begründen  versucht.  Ich 
vermisse  jede  Begründung  dafür,  warum  die  Fackel  und  der  Dreifuss, 
die  in  den  Reliefs  geweiht  werden,  gerade  diese  besondern  mit  dem 
delphischen  Cult  verbundenen  Geräthe  sein  müssen  und  ein  entschie- 
dener Interpretationsfehler  (an  welchem  auch  Petersen  im  Pliilol.  XV, 
p.  78  Anstoss  nimmt)  ist  es,  wenn  die  Bedeutung  der  dritten,  deu  Kampf 
um  den  Dreifuss  darstellenden  Seite  darin  gesucht  wird,  dass  sie  das 
Lokal  andeute,  wo  die  Handlung  der  beiden  andern  Seiten  vor  sich 
gehe.  Denn  dadurch  wird  diese  Seite  den  übrigen  subordinirt,  sie 
muss  aber,  da  sie  architektonisch  den  übrigen  gleich  ist,  auch  nach  dem 
Werth  und  Gewicht  der  Darstellung  ihnen  gleich  stehn.  Bötticher  fügt 
hinzu,  dass  diese  Seite  ausser  der  Angabe  der  Oertlichkeit,  auch  noch 
eine  gewisse  näher  von  ihm  ausgeführte  „heilige  Moral"  andeute,  ohne 
aber  anzugeben,  wo  sie  auf  dem  Bildwerk  zu  finden  sei.  Auch  die 
Annahme  Böttichers,  dass  die  Basis  eine  Fackel  getragen,  ist  eine  tekto- 
nische  Unmöglichkeit,  und  es  müsste  gerade  ihm,  wie  ich  meine,  ein 
so  unproportionales  und  irrationales  Verhältuiss  zwischen  Tragendem 
und  Getragenem  besonders  auffallend  sein.  Zur  Motivirung  dieser  An- 
nahme geht  er  von  der  Bemerkung  aus,  dass  die  in  den  Reliefs  darge- 
stellten Pfeiler  dreiseitig  gedacht  seien,  da  die  eine  derselbe  einen  Drei- 


Arcliaibiivude   Kunst.  •  93 

fuss  trage.  Damit  ist  ein  gewiss  richtiges  tektonisches  Priiicip  ausge- 
sprochen, aber  darauf  kommt  es  ja  niciit  au,  sondei^  nur  darauf,  wie 
der  Künstler  sich  die  Sache  gedacht  hat,  und  eben  dies,  wie  er  sie  sich 
denkt,  deutet  er  diurch  seine  Darstellung  an.  Es  stand  ihm  nichts  im 
Wege,  dreiseitige  Pfeiler  zu  bilden  wie  wir  sie  auf  den  sogenannten 
choragischen  Reliefs  sehen,  aber  aus  irgend  einem  Grunde,  den  man 
nicht  wissen  wollen  muss,  hat  er  es  nicht  gethan.  Bötticher  aber  statt 
den  gegen  Stai'k  angewandten  Grundsatz,  von  dem  Thatsaclüichen  aus- 
zugehn,  auch  auf  sich  selbst  anzuwenden,  benutzt  seine  Supposition  um 
vermittelst  ihrer  für  den  Pfeiler,  auf  dem  die  Fackel  aufgerichtet  ist,  auch 
eine  dreiseitige  Form  zu  erhahen  und  dadurch  die  Hauptsupposition^ 
dass  nämlich  diese  Basis  eine  Fackel  getragen,  zu  motiviren.  Gegen 
die  Annahme,  dass  ein  Dreifuss  auf  derselben  gestanden,  wird  der  Man- 
g^el  aller  zur  Befestigiuig  erforderlichen  Vorrichtungen  auf  der  oberen 
Fläche,  die  Bötticher  sorgfaltig  untersucht  hat,  angeführt,  allein  dieser 
Grund  wäre  nur  dann  entscheidend,  wenn  wir  wüssten,  dass  dieses 
Exemplar  wirklich  in  praktischen  Gebrauch  gekommen  wäi*e,  was  ja  aus 
irgend  einem  Grunde  unterblieben  sein  kann.  Dass  es  seuier  Form  nach 
für  einen  Dreifuss,  und  zwar  nur  für  diesen  zugerichtet,  scheint  mir  sicher. 

76.  Dionysos  mit  den  Hören*,  Marmorrelief,  aus 
Villa  Albani  in  den  Besitz  des  Louvre  übergegangen. 

Es  ist  Dionysos  dargestellt  als  Führer  der  drei  Hören, 
die  ihm  in  tanzender  Bewegung  folgen.  Die  erste  hat  einen 
Schurz  mit  Früchten,  die  andere  ein  paar  Aehren.  Das 
Relief  ist  gewiss  ein  Votivrelief,  da  die  ganze  Composition 
mit  anderen  durch  die  Inschrift  als  solche  bezeichneten  Vo- 
tivrelief s  übereinstimmt,  auch  der  absichtlich  alterthümliche 
Stil  auf  die  Verwendung  des  Werks  für  den  Cult  schliessen 
lässt.  Die  Zusammenstellung  des  Dionysos  und  der  Hören 
wird  daher  wohl  durch  einen  gemeinschaftlichen  Cult  dieser 
einander  so  nahe  verwandten  Gottheiten  zu  erklären  sein. 

Die  Nachahmung  des  alterthümlichen  Stils  streift  hier 
in  den  Figuren  der  Hören  an  Verzerrtheit,  die  Gestalten  sind 
ganz  unnatürlich  verbogen.  Daraus,  dass  die  letzte  Höre  sich 
umsieht  —  was  nur  geschehen  ist,  um  das  steife  Hinter- 
einander des  alten  Stils  etwas  zu  beleben  — ,  darf  man  aber 
nicht  schliessen,  dass  das  Relief  nur  Fragment  sei.  Es  sind 
mehrere  Wiederholungen  erhalten,  die  eben  auch  nur  diese 
vier  Figuren  enthalten. 

Abg.  bei  Clarac  musee  de  sculpt.  132,  110.  Vgl.  Welcker  Akad. 
Kunstmus.  z.  Bonn,  n.  337  (wo  aber  irrthfimlich  von  eines  entblössten 
Bnist  an  den  beiden  letzten  Hören  gesprochen  wird). 


Im  Treppenhaus  n,  169. 


94  Ai'chaisireiide  Kunst. 

77.  Satyr  mit  den  drei  Hören*,  Marmorrelief,  in 
Horta   gefundeA   und   im  Capitolinischen  Museum  befindlich. 

Die  Frauen,  welche  der  Satyr  führt,  wurden  früher  für 
Bacchantinnen  erklärt,  doch  ist  wegen  der  Blume  in  der 
Hand  der  mittleren  und  ihres  Aussehens  im  Allgemeinen,  der 
Name  der  Hören  gewiss  passender,  auch  bietet  das  eben  er- 
wähnte Relief  eine  treffende  Analogie.  Wie  dieses,  ist  es 
auch  gewiss  als  Votivrelief  zu  betrachten.  Der  Stil  ist  zwar 
auch  der  nachgeahmt  alterthtimliche  —  eine  glatt  anliegende 
Gewandung,  wie  an  der  letzten  Höre,  kennt  der  echt  alter- 
thtimliche Stil  nicht  — ,  doch  weit  anmuthiger,  als  in  dem 
vorhergehenden  Relief.  Die  Inschrift,  die  einen  Kilnstler 
Kallimachos  nennt,  liefert  einen  äusseren  Beweis  für  spätere 
Entstehungszeit,  da  die  Buchstabenformen  höchstens  noch  ins 
vierte  Jahrhundert,   aber  nicht  höher  hinaufreichen  können. 

Abg.    Mus.    Capitol.    IV,    tab.   43.     iVgl.   Welcker  Akad.   Mus.   z. 
Bonn  n.  336. 

78.  Apollo  und  Herakles**,  Marmorrelief,  im  Louvre, 
früher  in  Villa  Albani.  Ergänzt  sind  die  Beine  des  Herakles 
ganz,  die  des  Apollo  fast  ganz,  ausserdem  der  unter  dem 
linken  Arm  des  Apollo  herabhängende  Gewandzipfel  und  der 
grösste  Theil  des  Baums.  Nach  Vergleichung  übereinstim- 
mender, aber  besser  erhaltener  Exemplare,  ist  anzunehmen, 
dass  auch  hier  zwischen  den  Streitenden  der  kegelförmige 
Stein  lag,  der  das  delphische  Lokal  bezeichnet. 

Die  Darstellung,  welche  den  Raub  des  delphischen  Drei- 
fusses  durch  Herakles  und  seine  Verfolgung  durch  Apollo 
enthält,  ist  in  derselben  Weise,  wie  wir  sie  hier  sehen,  oft 
•  auf  verschiedenen  Denkmälergattungen  wiederholt  und  setzt 
ohne  Zweifel  ein  berühmtes  Original  des  altgriechischen  Stils 
voraus.  Die  Motive  des  alten  Stils  in  Haar-  und  Gewandan- 
ordnung des  Apollo  sind  bis  auf  die  phantastische  Frisur  am 
Hinterkopf  treu  beibehalten,  auch  seine  Stellung  ist  viel 
weniger  frei  und  lebendig,  als  die  des  Herakles,  und  eben 
dieser  Gegensatz  ist  ein  deutliches  Zeichen  späterer  Nach- 
ahmung. 

Die  Dresdener  Basis  n.  75,  auf  welcher  wir  dieselbe 
Vorstellung  fanden,  hat  diesen  Gegensatz  nicht,  da  sie  sich 
dem  Original  näher  anschliesst. 


*  Im  Treppenhaus  n.  166. 
**  Im  Treppenhaus  n.  160. 


Archaiäircnde  Kunst.  95 

Lorbeer  und  ScWange  sind  häufige  Attribute  des  Apollo, 
die  auf  den  entsprechenden  Darstellungen  fehlen  und  hier 
nur  den  Zweck  haben,  die  Scene  zu  beleben. 

Abg.  bei  Visconti  Op.  vaiv  4,  17.  Ciarac  musee  119.  •  Vgl.  de- 
scription  du  Louvre  n.  168.  Zoega  bassiril.  II,  99.  Welcker  A.  D. 
2,  298. 

79.  Die  drei  Grazien*,  Marmorrelief,  in  der  Nähe 
des  Lateran  gefunden  und  im  Vatikan  befindlich.  Ergänzt 
sind  nur  die  Begrenzung  des  Reliefs  und  der  rechte  Fuss 
der  ersten  Figur. 

Dass  die  Grazien  vorgestellt  seien,  kann  wohl  nicht  be- 
zweifelt werden,  drei  schwesterlich  verbundene,  attributlose 
Frauen  sind  schwerlich  anders  aufzufassen,  wir  fanden  sie 
auch  am  borghesischen  Altar  (n.  68)  in  dieser  Form.  Nach 
älterer  Weise  sind  sie  vollständig  bekleidet. 

Man  kann  zweifeln,  ob  der  alterthümliche  Stil  dieses 
Reliefs  nur  imitirt  oder  ursprünglich  sei.  Die  grosse  Plump- 
heit der  Figuren  könnte  den  Schein  primitiver  ünbehtilflich- 
keit  her\'orrufeu ,  allem  die  ganze  Composition  entspricht 
nicht  der  Art  des  alten  Stils.  Denn  während  dieser  eine 
entschiedene  Neigung  hat,  gleichartige  Figuren  auch  gleich- 
förmig darzustellen,  hat  der  Künstler  dieses  Reliefs  seine 
Figuren  in  allen  möglichen  Beziehungen,  in  der  Stellung  des 
Körpers  und  Kopfes,  in  der  Gewandung  und  in  der  Haartracht, 
von  einander  zu  unterscheiden  gesucht.  Auch  ist  ein  Gewand- 
motiv der  ersten  Figur  nicht  so  deutlich,  wie  man  es  von 
einer  originalen  Kunst  erwarten  sollte,  der  Mantel  nämlich, 
den  die  Frau  mit  der  Rechten  fasst,  hängt  nur  mit  einem 
Zipfel  über  der  linken  Schulter,  in  einer  Lage,  die  unmög- 
lich dauernd  gedacht  werden  kann.  Es  mag  daher  die  grosse 
Plumpheit  der  Figuren  wenigstens  zum  Theil  dem  übertreiben- 
den Nachahmer  zur  Last  fallen. 

In  Athen  befinden  sich  Relieffragmente,  auf  welchen  sich 
die  Figur  zur  Rechten  genau,  die  andern  ähnlich  wieder- 
holen, sie  sollen  in  echt  alterthümlichem  Stil  gearbeitet  sein. 

Abg.  bei  Cavaceppi  raccülta  III,  13.  Vgl.  Bcschreibg.  Roms  II,  2 
p.  62  n.  358.  Die  in  Aniiali  1865  p.  267  Aiim.  1  ausgesprochenen 
V#*rmuthungen  über  den  italischen  Ursprung  des  Reliefs  werden,  wie 
ich  ^-laube,  durch  den  Hinweis  auf  die  {[»griechischen  Fragmente  (Scholl 
Arch.  Mitth.  p.  26.  27.  n.  12.  13)  widerlegt. 


Im  Saal   des  Farnesischen  Stiers  n.   19. 


IV.   Die  erste  Hälfte  der  griechischen  KunstblQthe. 


Die  griechische  Plastik  steht  von  der  Mitte  des  fünften 
bis  gegen  den  Schluss  des  vierten  Jahrhunderts  auf  einer 
solchen  Höhe,  dass  wir  diesen  ganzen  Zeitraum  als  die  Periode 
der  Blüthe  bezeichnen  müssen.  Doch  treten  innerhalb  des- 
selben erhebliche  Verschiedenheiten  hervor,  die  am  fühlbarsten 
sind  an  den  Götterstatuen.  Die  Zeit  des  Phidias  glaubt  an 
die  Götter  und  glaubt  sie  so,  wie  die  edelsten  Zeugen  dieser 
Zeit,  Pindar  und  Aeschylus,  sie  verkünden,  ernster,  reiner, 
heiliger  als  in  Homer's  Dichtungen,  die  Künstler  des  vierten 
Jahrhunderts  aber  sind  Söhne  einer  ungläubigen  Zeil  und 
konnten  die  Götter  zwar  wohl  wie  liebliche  Phantasiebilder 
mit  allem  Reiz  der  Anmuth  darstellen,  aber  den  ethisch 
ernsten  und  strengen  Charakter  der  früheren  Götterbilder, 
der  aus  dem  Bewusstsein  von  der  Realität  der  Götter  hervor- 
geht imd  zur  Andacht  und  Verehrung  stimmt,  erreichten  sie 
nicht  mehr.  Die  Entwickelung  der  religiösen  Kunst  ist  in 
der  Kürze  diese,  dass  zuerst  in  den  ältesten  Cultusbildem 
nur  das  religiös  Bedeutsame  ohne  irgendwelche  Rücksicht 
auf  künstlerische  Schönheit,  ja  sogar  nicht  selten  mit  ge- 
flissentlicher, empfindlicher  Verletzung  derselben  ausgedrückt 
wurde,  dass  aber  allmählich  und  immer  mehr  das  Element 
der  formellen  Schönheit  sich  geltend  machte  und  zuletzt  allen 
religiösen  Gehalt  überwucherte  und  aufzehrte.  Diese  Ent- 
wickelung war  nun  im  fünften  Jahrhundert  so  weit  gediehen^ 


Griechische    Kunstblüthe.  97 

dass  das  Element  der  formellen  Schönheit  zwar  zu  seinem 
Recht  gekommen  war,  aber  noch  nicht  die  erste  Stelle  ein- 
nahm. Bas  Charakteristische  dieser  Zeit  liegt  eben  darin^ 
dass  die  Schönheit  gern  and  freiwillig  dem  religiösen  Zweck 
dient;  um  dessentwillen  sie  sogar  einzelne  Züge  des  frtiheren 
typischen  und  starren  Stils  beibehält. 

Fast  alle  aus  dieser  Periode  erhaltenen  Werke  gehören 
Athen  an^  was  wir  andern  griechischen  Kunstschulen  zuschreiben 
dürfen^  ist  theils  zu  wenig;  theils  seiner  Herkunft  nach  nicht 
sicher  genug  beglaubigt^  als  dass  wir  eine  Trennung  der 
Werke  nach  Schulen  in  diesem  Abschnitt  hätten  versuchen 
mögen.  Die  Ordnung  ^  die  wir  beobachtet  haben  ^  ist  diese^ 
dass  wir  zuerst  die  freien,  nicht  zum  Schmuck  der  Archi- 
tektur bestimmten  Sculpturwerke,  sodann  die  Tempelsculp- 
toren,  denen  wir,  um  nicht  Verwandtes  zu  trennen,  einige 
andere  Werke  hinzufügen,  und  endlich  die  Eeliefs  von  Grab- 
steinen, Welhgeschenkeu  und  öffentlichen  Decreten  auffähren. 
Von  den  letzteren  sind  aber  nicht  nur  die  dem  fünften  Jahr- 
hundert angehörigen,  sondert  alle  hier  vorhandenen,  natürlich 
mit  Angabe  ihrer  Zeit,  in  diesen  Abschnitt  aufgenommen,  denn 
die  Zusanmienstellung  des  Gleichartigen  schien  mir  in  diesem 
Fall  zu  wichtig,  als  dass  ich  sie  wegen  einer  formellen  In- 
correctheit  hätte  unterlassen  mögen.  Den  einzelnen  Classen 
der  Reliefs  sind  orientirende  Einleitungen  vorangeschickt. 


A.  Die  frei  statuaxischen  Werke. 

80.  Hestia*,  Marmorstatue,  früher  im  Palast  Giusti- 
niani,  jetzt  im  Besitz  von  Torlonia,  der  sie  im  Palast  Corsini 
zu  Rom  ziemlich  unsichtbar  hält.  Ergänzt  ist  der  Zeigefinger 
der  linken  Hand,  die  ursprünglich  ein  Scepter  hielt,  denn 
man  bemerkt  im  Innern  der  Hand  eine  durchgehende  Höhlung, 
ausserdem  ist  das  Scepter  das  gewöhnliche  Attribut  der  Hestia. 

Von  dem  feierlichen  Ernst  der  griechischen  Götterbilder 
m  der  Periode  des  hohen  Stils  vermag  kein  erhaltenes  Werk 
einen  so  reinen  Begriff  zu  geben,  wie  diese  Hestia.  Es  war 
die  Absicht  des  Künstlers,  eine  Göttin  zu  bilden,  welche  die 
Heiligkeit  und  zugleich  ünverrtickbarkeit  des  häuslichen  Heer- 
des,  als  des  Mittelpunktes  der  Familiengemeinschaft  repräsent irt. 

*  Im  Saal  des  Barberinischeii  Fauns  11.  12. 
Friederichs,  griech.  Plastik.  7 


*98  Statuarische  Werke. 

Mit  fast  herber  Strenge  weist  diese  Figur  alle  weibliche  An- 
mnth  zurück.  Das  Gewand  ist  im  Faltenwurf  so  sparsam  wie- 
möglich und  keine  leise  Unordnung  stört  den  streng  symme- 
trischen Lauf  der  Linien.  Der  Fuss  darf  nicht  unter  d«n 
Gewände  hervortreten,  denn  es  müsste  eine  Brechung  der 
senkrechten  Falten  eintreten,  die  störend  wäre  ftir  den  Säulen- 
artigen  Stand,  auch  biegt  sich  die  Gestalt  nur  unmerklich 
in  der  rechten  Htlfte,  auf  welcher  sie  ruht,  so  dass  die 
Wirkung  der  senkrechten  Lmien  nicht  beeinträchtigt  wird^ 
Nur  die  kleinen,  krausen  Falten  unter  dem  üeberschlag  des 
Gewandes  beleben  ein  wenig  die  Gestalt,  sowie  auch  die 
Wendung  des  Kopfes  nothwendig  war,  wenn  die  Statue  nicht 
alterthümlich  starr  erscheinen  sollte. 

Das  Kopftuch  ist  nicht  bedeutungslos  an  der  Hestia. 
£s  charakterisirt  in  der  Kunst  gewöhnlich  matronale  Gestalten^ 
Rhea,  Hera,  Demeter,  im  Gegensatz  zu  der  leichtem,  freiem 
Erscheinung  der  Jungfrau.  Eben  diesen  Zweck, 'das  Würde- 
volle, Emste  der  zwar  jungfräulichen,  aber  doch  für  jung- 
fräuliche Anmuth  zu  ernsten  Hestia  zu  charakterisiren,  scheint 
es  auch  hier  zu  haben.  Auch  die  Haare  sind  nicht  aus  der 
Stirn  weggestrichen,  sie  hängen  tief  herab,  wie  an  den  Köpfen 
des  Unterweltsgottes  und  verstärken  den  Eindrack  des  Ernsten» 

Das  Scepter  in  der  Linken,  das  nahe  bei  der  Figur  stand^ 
um  nicht  den  geschlossenen  Charakter  derselben  zu  beein- 
trächtigen, bezeichnet  allgemein  die  Göttin,  die  Geberde  der 
Rechten  ist  nicht  ein  leichtes,  graziöses  Handauflegen,  das 
in  diesem  Stil  ganz  ungehörig  wäre,  sondern  ein  festes  An- 
stemmen der  Hand,  das  den  Charakter  des  Sichern,  Festen 
verstärkt. 

,pDas  Gesicht  ist  schön,  aber  strenge;  die  Augenbrauen 
und  Augenlider  sind  schneidend  scharf,  die  Lippen  durch 
einen  Einschnitt  umzogen  und  die  Nase  hat  einen  flachen 
Rücken  mit  scharfen  Kanten".  Die  Markirung  der  Lippen- 
ränder durch  einen  Einschnitt  ist  an  Broncen  und  Copien 
von  Broncen  nicht  selten,  findet  sich  indessen  auch  bei  Mar- 
morstatuen, z.  B.  bei  den  Aegineten.  Auch  die  etwas  draht- 
artigen Haare  begründen  nicht  die  Annahme  einer  Copie  nach 
broncenem  Original,  da  man  sie  im  alten  Kunststil,  dem 
dieses  Werk  noch  nahe  steht,  auch  in  Marmor  drahtartig 
bildete.  Man  möchte  vielmehr  glauben,  dieses  vortreffliche 
Werk  sei  eine  griechische  Originalarbeit  und  habe  einst  zum 
Cultus  gedient. 


Statuarische  Werke.  99 

Oewiss  aber  ist  es  nicht  alterthümliches  Unvermögen, 
woraus  der  herbe  Charakter  der  Statae  zu  erklären,  sondern 
der  Künstler  hat  mit  vollem  Bewasstsein  gearbeitet,  er  hat 
nicht  anders  gewollt.  Er  dachte  sich  die  Götter  noch  nicht 
schmeichelnd  mid  gefällig;  sondern  ernst  und  streng  nnd  hat 
diesen  Charakter  des  Ernsten  so  gesteigert,  wie  es  das  Wesen 
der  Hestia  ihm  zu  erfordern  schien. 

Abg.  E.  Braun  Vorschule  der  Kunstmythol.  Taf.  33.  Müller- Wie- 
»eler  II,  30,  338.  Vgl.  Wmckelmann  Vorlauf.  Abhandl.  zu  den  monnm. 
ined.  §.  99.  Welcker  A.  D.  V  p.  1  ff.  Michaelis  Archaeol.  Anz. 
1865  p.  12.^ 

81.  Athena  Parthenos*,  Marmorstatnette,  in  Athen, 
in  der  Nähe  der  Pnyx,  zn  Anfang  des  Jahres  1859  gefunden, 
ebendaselbst  im  Theseion  befindlich. 

Diese  bis  auf  das  Gesicht  unvollendete  Statuette  erhält 
dadurch  einen  grossen  Werth,  dass  sie  eine  Copie  der  be- 
rühmten im  Jahre  437  v.  Chr.  vollendeten  Athena  Parthenös 
des  Phidias  ist,  die  wir  aus  Beschreibungen  alter  Schrift- 
steller genauer  kennen. 

Die  Statue  des  Phidias  stand  aufrecht  und  war  mit  dem 
Chiton  bekleidet.  Sie  trug  auf  der  Rechten  die  Nike,  auf 
welche  auch  die  nach  oben  geöffiiete  Rechte  dieser  Statuette 
berechnet  ist,  und  berührte  mit  der  Linken  den  Schild,  der 
aussen  mit  einer  Darstellung  des  Amazonenkampfes  geschmückt 
war.  Eine  Schlacht  ist  auch  hier  in  den  Umrissen  deutlich 
zu  erkennen  und  die  eine  Gruppe,  in  welcher  ein  Krieger 
seinen  fliehenden  Feind  an  den  Haaren  fasst,  macht  es  aller- 
dings wahrscheinlich,  dass  ein  Amazonenkampf  dargestellt  sei, 
fftr  welchen  gerade  dies  Motiv  charakteristisch  ist.  Neben 
dem  Schild  befand  sich  an  der  Statue  des  Phidias  die 
Schlange,  die  als  ein  Bild  des  erdgeborenen  Erichthonius 
angesehen  wurde.  Man  hat  mit  Recht  hervorgehoben,  dass 
ilie  Position  der  Schlange,  wie  diese  Statuette  im  Einklang 
mit  dem  Werk  des  Phidias  sie  zeigt,  ebenso  plastisch  an- 
gemessen, wie  charakteristisch  für  die  Natur  der  Schlange 
sei,  die  sich  in  Winkel  zu  verkriechen  liebe.  Diese  Ueber- 
einstimmungen  scheinen  hinreichend  zu  sein,  um  das  Werk, 
wenigstens  seiner  ganzen  Anlage  nach,  als  eine  Copie  nach 
Phidias  bezeichnen  zu  dürfen.  Einiges  fehlt  allerdings  zur 
völligen  Uebereinstimmung,  nämlich   der  Speer,  der  zugleich 


*  Im  Griechischen  Saal  11.  272. 


100  Statuarische  Werke. 

mit  dem  Schild  von  der  linken  Hand  gefasst  wurde,  die  Re- 
liefs an  der  innem  Seite  des  Schildes,  die  Verzierungen  des 
Helms  und  das  Medusenhaupt  auf  der  Brust,  und  die  Reliefs 
an  der  Basis,  so  undeutlich  sie  sind,  können  doch  jedenfalls 
nicht  auf  die  Geburt  der  Pandora  bezogen  werden,  welche 
Phidias  an  der  Basis  seiner  Statue  dargestellt  hatte. 

Neuerdings  ist  in  einem  aus  Athen  stammenden,  jetzt 
im  britischen  Museum  befindlichen  Marmorschild  eine  Copie 
des  Schildes  der  Parthenos  entdeckt.  Es  ist  nur  ein  Frag- 
ment, aber  man  erkennt,  dass*er  auch  die  kreisrunde,  argo- 
lische  Form  hatte,  die  überhaupt  am  Schild  der  Pallas  ge- 
wöhnlich ist.  Die  Reliefskizzen  am  Schild  der  Statuette 
stimmen  im  Wesentlichen  mit  den  Reliefs  dieser  Copie  überein, 
worin  ein  neuer  Beweis  dafür  liegt,  dass  die  Statuette  nach 
der  Parthenos  copirt  ist.  Es  ist  auf  der  englischen  Copie 
deutlich  ein  Amazonenkampf  dargestellt  und  auch  die  Figur 
des  Phidias  erkennbar,  welcher  nach  dem  Bericht  der  Alt^n 
sich  selbst  unter  den  Kämpfern  dargestellt  hatte,  einen  Stein 
über  dem  Haupte  erhebend. 

lieber  den  Charakter  dieser  Statue  und  ihres  Originals 
schreibt  ein  Berichterstatter  so:  „Dasjenige,  was  in  der 
Copie  einer  Colossalstatue,  zumal  in  einer  in  kleinen  ^'o- 
portionen  ausgeführten,  vom  Original  beibehalten  werden 
kann,  ist  vorzugsweise  die  Anordnung  der  Figur.  Und  in 
dieser  Beziehung  muss  vor  Allem  auffallen  die  sehr  symme- 
trische Anordnung  der  beiden  correspondirenden  Hälften:  der 
Kopf  steht  gerade  und  streng  nach  vorn  gerichtet  (ein  wenig 
ist  er  nach  rechts  gewandt),  zu  beiden  Seiten  fallen  die 
Locken  auf  die  Schultern,  die  Aegis  ist  in  zwei  gleiche 
Hälften  getheilt  gerade  mitten  auf  der  Brust,  aber  besonders 
zeigt  sich  diese  Symmetrie  in  den  Armen,  die  in  gleichem 
Winkel  von  den  Schultern  herabgehen.  Die  gerade  Linie, 
die  Ruhe  überwiegt  im  ganzen  übrigen  Körper  und  wird  be- 
sonders hervorgehoben  durch  die  senkrechten  Linien  der  Ge- 
wandung. Denken  wir  uns  diese  Pallas  hineingesetzt  in  die 
Mitte  des  dorischen  Baues  des  Parthenon,  dessen  Architektur 
vom  strengsten  Gesetz  der  Symmetrie  beherrscht  wird,  so 
werden  wir  nicht  nur  einsehen,  wie  schön  ihre  symmetrische 
Anordnung  sich  einfügt  in  das  architektonische  System,  son- 
dern auch  behaupten  dürfen,  dass  an  einem  solchen  Ort  eine 
bewegtere  Stellung,  sei  es  auch  nur  ein  erhobener  Arm,  wie 
an    der   Pallas    von  Velletri,   nicht  mit  der  Architektur  im 


^        Statnarische  Werke.  IQl 

Einklang  stehn  und  die  Harmonie  des  Ganzen  stören  würde, 
da  Phidias  die  Parthenos  gewiss  in  Beziehung  auf  dies  Ganze 
entworfen  hatte^  von  dem  sie  einen  Theil,  ja  den  Mittelpunkt 
bilden  sollte.  Aber  es  ist  nicht  genug,  dass  die  Figur  der 
dorischen  Architektur  entsprechend  gebildet  ist,  auch  der 
Ausdruck  der  göttlichen  Erhabenheit  basirt  vornehmlich  auf 
jener  Ruhe  und  Symmetrie  der  Linien,  welche  die  Glieder 
einschliessen.^^ 

Die  Bemerkung,  dass  die  strenge  Composition  der  Figur 
durch  den  Ort  bedingt  ist,  für  den  sie  bestimmt  war,  ist  sehr 
einleuchtend.  Man  würde  irren,  wollte  man  glauben,  Phidias 
habe  nicht  anders  componiren  können  nach  der  Kunststufe, 
die  er  einnahm.  Die  Statuen  in  den  Giebelfeldern  des  Par- 
thenon würden  den  Gegenbeweis  liefern.  Unter  ihnen  ist 
aach  ein  Fragment  der  Pallas  vom  westlichen  Giebel,  ein 
Stück  der  Brust,  an  welchem  die  Aegis  viel  freier  angeordnet 
ist,  nämlich  diagonal  die  Brust  durchschneidet,  während  sie 
hier  in  einer  seltneren  FDrm  aus  zwei  symmetrischen  Hälften 
besteht.  Man  sieht  deutlich,  wie  Phidias  für  das  Innere  des 
Tempels  den  ganzen  religiösen  Ernst  der  früheren  Kunst  be- 
wahrte, während  er  —  anders  als  am  Giebelfeld  des  ägine- 
tischen  Tempels  —  am  Aeussern  die  Freiheit  der  Compo- 
sition benutzte,  welche  das  Giebelfeld  gewährt  oder  fordert. 

In  der  altern  und  oft  auch  in  der  spätem  Kunst  trägt 
Pallas  ein  doppeltes  Gewand.  Phidias  hatte  die  Parthenos 
zn  bilden  und  stellte  sie  darum  so  schlicht  und  mädchenhaft 
vor,  wie  man  auch  zu  seiner  Zeit  die  gleichfalls  jungfräuliche 
Artemis  zu  bilden  anfing.  Und  zwar  ist  es  das  dorische, 
ärmellose  Gewand,  das  die  Pallas  hier  und  in  vielen  andern 
Darstellungen  trägt,  das  auch  bei  Artemis  gewöhnlich  und  für 
jimgfräuliche  Gestalten  unläugbar  das  schönste  ist. 

Erwägt  man  übrigens  die  Einfachheit  und  Strenge  der 
(.'«nuposition,  so  leuchtet  ein,  dass  sie  auf  ehie  Ausführung 
in  grossem  Maassstabe  berechnet  ist. 

Abg.  Aiiiiali  doli'  inst.  1861  tav.  0.  P.  p.  334,  aus  wckliem  Auf- 
^alz  (von  Con»e)  die  im  Text  angeführte  Stelle  entnommen  ist.  Vgl. 
ilefeselbeii  Verf.  Schrift  „Die  Athenastatue  des  Phidias  im  Parthenon  und 
ilie  neuesten  auf  sie  bezüglichen  Entdeckungen",  wo  auch  der  im  Text 
i-ivialinte  Scliild  abgebildet  und  die  frühere  Literatur  angegeben  ist. 

82.     Pallas*,  Marmorstatue,  früher  in  der  französischen 


Im  Niobidensaal  n.  78. 


1Q2  Statuarische  Werke.) 

Akademie  (Villa  Medici)  in  Rom^  seit  mehreren  Decennien 
in  Paris  in  der  £cole  des  beaux  arts.  Von  den  metallnen 
Schlangen ;  welche  die  Aegis  umsäumten  ^  sind  nur  noch  die 
Löcher  zurückgeblieben. 

Eine  ganz  übereinstimmende  Wiederholung  dieser  Figur, 
vermittelst  deren  dieselbe  ergänzt  werden  könnte,  scheint 
nicht  zu  existiren,  der  linke  Unterarm  ging,  wie  man  aus 
dem  Faltenwurf  abnehmen  kann,  in  die  Höhe  und  hielt  ver- 
muthlich  die  Lanze.  Jedenfalls  war  die  Göttin  in  duTchaus 
ruhiger  Stellung,  sie  eignet  sich  ihrem  ganzen  ernsten  Cha- 
rakter nach  vortrefflich  für  eine  Tempelstatue. 

Unter  allen  erhaltenen  Statuen  der  Pallas  steht  diese 
der  Parthenos  des  Phidias,  die  wir  eben  betrachtet  haben, 
am  nächsten.  Nur  ist  freilich  die  grosse  Einfachheit  der 
letzteren  doch  schon  durch  manche  Zuthaten  und  Aende- 
rungen  modificirt.  Das  Gewand,  das  in  ähnlichen  ernsten 
und  feierlichen  Falten  herabfliesst,  bricht  sich  doch  über 
dem  vortretenden  Fuss  in  reichere  Falten,  das  rechte  Bein 
tritt  aus  dem  Obergewand  heraus  und  bringt  das  ganz  ver- 
schiedene Untergewand  zum  Vorschein,  endlich  ist  über  die 
linke  Schulter  eine  Chlamys  geworfen ,  Alles  nur  zu  dem 
Zweck,  die  grosse  Einfachheit  des  Vorbildes  reicher  zu 
beleben.  Indessen  bleibt  doch  der  Eindruck  des  Würdevollen 
und  Erhabenen  vorwiegend. 

Auch  die  Ausführung  ist  vortrefflich,  die  Falten  über 
dem  Gürtel  fallen  besonders  leicht  und  schön.  Trotzdem 
muss  die  Figur,  wenn  sie  wirklich,  wie  versichert  wird,  aus 
carrarischem  Marmor  gearbeitet  ist,  der  römischen  Zeit  zu- 
geschrieben und  als  eine,  wenn  auch  freie  Gopie  betrachtet 
werden. 

Abg.  Monuiu.  d.  iiist.  III  tav.  13.  Clarac  musee  pl.  474  A.  Vgl. 
Meyer  zu  Winckelmann  V,  463  ff.  (Eiselein),  Annaii  1841  p.  87.  bullet. 
1861  p.  36. 

83 — 85.  Kleine  Pallastorsen*,  aus  Marmor,  sämmt- 
lich  in  Athen  befindlich,  der  zweite  ist  im  Jahre  1835  auf 
der  Akropolis  gefunden,  auch  die  beiden  andern  sind  in  Athen 
zum  Vorschein  gekommen. 

Diese  drei  Torsen  sind  einander  so  ähnlich,  dass  wir 
sie  zusanmien  aufführen  durften,  sie  schliessen  sich  alle  im 
Wesentlichen  an  die  Parthenos  des  Phidias  als  an  ihr  Vor- 


*  Im  (griechischen  Saal  n.  46.  47.  48. 


Statuarische  Werke.  IQS 

bild  ao;  nur  dass  sie  von  weicherem  Stil  sind  und  in  der 
Haltung  der  Arme  abweichen.  Am  nächsten  kommt  in  dieser 
Beziehnng  die  erste^  die  in  der  Rechten  eine  Nike  oder  Schaale 
gehalten ;  mit  der  Linken  den  Schild  berührt  haben  könnte^ 
während  die  zweite  in  der  erhobenen  Rechten  die  Lanze 
hielte  die  anch  wohl  für  die  dritte  vorauszusetzen.  Merklich 
anders  aber  ist  die  Aegis  gestaltet^  die  an  der  ersten  und 
dritten  fast  wie  ein  Halsband  umgebunden  ist^  während 
sie  an  der  zweiten  ebenfalls  als  ein  schmales  Band  quer 
über  die  Brust  läuft.  Hier  sind  die  Schlangen  in  Marmor 
dargestellt;  dort  waren  sie  von  Bronce  angesetzt.  Die  zweite 
trägt  ausserdem  ein  feines  Halsband,  im  Einklang  mit  dem 
an  der  Form  der  Aegis  bemerkbaren  Bestreben,  den  ernsten 
Typus  des  Phidias  leichter  und  spielender  zu  behandeln,  denn 
die  Aegis  dieser  Figuren  ist  zu  einem  praktischen  Zweck,  zu 
einem  panzerartigen  Schutz,  wie  Phidias  im  Einklang  mit 
der  früheren  Kunst  sie  darstellte,  nicht  mehr  geeignet.  Am 
schönsten  von  den  dreien  ist  der  dritte  Torso,  von  welchem 
am  wenigsten  erhalten  ist.  ' 

Vgl.  die  Beschreibung  von  Schoeli  Archaeol.  Mittii.  p.  51.  52 
ü.  21.  23.  24,  der  auch  Abbildiiugeu  der  beiden  letzten  giebt  auf  Taf. 
1  n.  2  u.  3.  Den  Fundort  der  zweiten  giebt  Ross  an,  Archaeol.  Auf». 
1,  i>.  85,  zu  dessen  von  0.  Jahn  Ber.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1855 
p.  60  Anm.  120  imterstützter  Wmiuthung,  dass  in  dieser  Figin*  eine 
Arrhephore  dargestellt  sei,  ich  keine  Vemnlassnng  sehe,,  weil  der  ganze 
Habitus  derselben  der  Pallas  entspricht. 

• 

86.  Pallas*,  Marmorstatue  der  Villa  Albani.  Ergänzt 
sind  der  rechte  Arm,  soweit  er  nackt  ist,  der  halbe  linke 
und  die  vorderen  Theile  der  Füsse.  Der  Ergänzer  hat  an- 
genonmien,  dass  die  Figur  in  der  Hechten  eine  Lanze  hielt, 
und  für  die  Linke  würde  etwa  eine  Schaale  vorauszusetzen 
sein.  Es  ist  auflfallend,  dass  die  übereinstimmenden  Statuen 
gerade  umgekehrt  die  Lanze  in  der  Linken  und  die  Schaale 
in  der  Rechten  hielten,  doch  kann  die  Bewegung  der  Arme 
keine  andere  gewesen  sein. 

Dies  Bild  schildert  uns  die  Göttin  nicht  als  ernst  sin- 
nende Jungfrau,  wie  sie  etwa  in  der  Giustinianischen  Statue** 
aofgefasst  ist,  sondern  als  die  Göttin  der  kriegerischen  That. 
Während  jene  in  der  Stellung  stiller  Sammlung  dasteht,  ent- 
fernen sich  hier  die  Arme  energischer  vom  Körper  und  der 


*  Im  römischen  Saal  u.  5. 
**  In  demselben  Saal  u.  6. 


104  Siatuarischt^  Worke. 

Kopf  macht  eine  entschiedenere  Wendung.  Auch  das  Löwen- 
fell, das  die  Göttin  statt  des  Helmes  über  den  Kopf  gezogen 
hat,  verstärkt  diesen  Eindruck.  Wie  homerische  Helden,  z.  B. 
Agamemnon,  ein  Löwenfell  umwerfen,  um  das  Kriegerische 
ihrer  Gestalt  zu  heben,  wie  wir  in  der  Kunst  die  Amazonen 
und  Artemis  mit  einem  Fell  umgtlrtet  sehen,  so  dient  es  auch 
hier  dazu,  die  Göttin  kriegerischer  erscheinen  zu  lassen. 

Dies  ist  die  Statue,  die  für  die  Kunstanschauung  Winckel- 
mann's,  der  sie  täglich  unter  Augen  hatte,  so  wichtig  ist, 
wie  kaum  eine  zweite.  Denn  aus  ihr  vornehmlich  abstrahirte 
er  das,  was  er  über  den  hohen  Stil  und  seine  Grazie,  „die 
dem  Pöbel  störrisch  und  unfreundlich  scheint^^,  schreibt.  Und 
in  der  That  hatte  Winckelmann  Recht,  sie  als  ein  Werk  aus 
der  Zeit  des  Phidias  anzusehen,  wie  sich  aus  der  Betrachtung 
der  Einzelheiten  ergeben  wird. 

Die  Statue  ist  im  geraden  Gegensatz  zu  späterer  Schlank- 
heit kurz  und  untersetzt,  die  Falten  des  Gewandes  sind 
straff  und  scharfkantig,  ja  selbst  das  Motiv  der  Gewan- 
dung, indem  das  Obergewand  nicht  frei  umgeworfen,  sondern 
auf  einer  Schulter  befestigt  ist  und  die  andere  frei  lässt,  er- 
innert sehr  an  so  viele  alterthümliche  Statuen.  Auch  der 
Kopf  mit  seinem  spröden,  herben  Ausdruck  hat  unter  den 
alterthümlichen  Göttertypen  seine  Analogien  und  das  Profil 
Hähert  sich  noch  demjenigen  des  alterthümlichen  Stils,  in 
welchem  Nase  und  Stirn  mit  einander  einen  Winkel  bilden, 
der  im  vollendeten  Stil  fast  ganz  verschwindet. 

Die  Arbeit  ist  sehr  vorzüglich,  doch  wagen  wir  nicht 
zu  behaupten,  dass  die  Statue  ein  Originalwerk  sei. 

Abg.  Clarac  musee  de  sculpt.  pl.  472.  E.  Brauu,  Tages,  des  Her-. 
kules  und  der  Minerva  heilige  Hochzeit  1839  Taf.  5.  Vgl.  Winckelmann 
Kimstgesch.  Buch  8,  Kap.  2  §.  4.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen 
p.  648  (dessen  Deutung  des  Löwenfells  ich  aber  nach  dem  Text  nicht 
theilen  kann).  Schöne  im  Archaeol.  Anz.  1866  p.  229  hält  diese  Figur 
wegen  ihrer  Aehnlichkeit  mit  der  dem  Polyklet  zugeschriebenen  Neapler 
Hera  für  polykletisch,  ich  bin  nicht  sicher,  ob  die  allerdings  unläugbare 
Aehnlichkeit  (die  sich  übrigens  nicht  auf  das  Profil  erstreckt)  nicht  ebenso 
gut  aus  der  Gleichheit  der  Entstehungszeit  abzuleiten  sei.  Auch  die 
Köpfe  der  epbesischen  Amazonenstatuen  sind  sich  ähnUch,  ohne  dem- 
selben Meister  anzugehören.  Das  Profil  der  Statue  kann  jedenfalls  nicht 
polykletisch  genannt  werden,  es  ist  eben  viel  älter  als  Polyklet,  wie 
schon  die  altattischen  Vasen  lehren,  auf  welchen  man  die  Entwicklung 
des  Profils  auf  das  Anschaulichste  verfolgen  kann. 


■  Statuarische  Werke.  1Q5 

87.  Pallas*,  im  September  1797  in  der  Nähe  von 
VeUetri  und  zwar  in  den  Ruinen  eines  Landhauses  gefunden 
und  nach  Frankreich  verkauft,  wo  sie  sich  noch  jetzt  im 
Louvre  befindet.  Nur  einige  Finger  sind  ergänzt.  Bei  der 
Ausgrabung  entdeckte  man  am  Auge,  an  den  Lippen  und 
an  der  Umgebung  dieser  Theile  Spuren  violetter  Farbe,  wo- 
rüber noch  kein  befriedigender  Aufschluss  gegeben  ist. 

Grewiss  hielt  die  Göttin  in  der  Rechten  den  Speer,  in 
der  Linken  eine  Schaale,  oder  vielmehr,  da  der  linke  Ober- 
arm sich  zur  Stütze  an  den  Körper  anlehnt,  die  Nike;  eine 
Schaale  würde  freier  gehalten  werden.  Beide  Attribute  waren 
natürlich  von  Bronce.  Die  Neigung  des  Kopfes  drückt  nicht 
ein  Versunkensein  in  Gedanken  aus,  sondern  ist  —  bei  einer 
Colossalstatue  doppelt  erklärlich  —  eine  freundliche  Herab- 
neigung zu  dem  andächtig  Nahenden.  Vermuthlich  war  das 
Original  dieser  Statue  ein  Cultbild. 

Die  Figur  ist  nur  eine  etwas  harte  und  trockene  römi- 
sche Copie.  Jede  Falte  des  Gewandes  zeigt  es,  man  beachte 
nur,  wie  die  Falten  des  üntergewandes  starr  auf  den  Fuss 
herabhängen.  Aber  ein  griechisches  Original  und  zwar  aus 
der  Zeit  des  hohen  Stils,  liegt  dieser  Statue,  die  oft  wieder- 
holt ist,  jedenfalls  zu  Grunde,  denn  der  Kopf  ist  von  sehr 
alterthümlichem  Charakter  und  entspricht  in  seinem  scharfen 
Schnitt  den  Amazonenstatueu  aus  der  Zeit  des  Phidias. 

Der  Typus  des  Kopfes,  den  eine  in  München  befindliche 
Wiederholung  am  besten  wiedergiebt,  ist  vielleicht  der  schönste 
unter  allen  Pallastypen.  Er  näheit  sich  in  seiner  länglichen 
Form  dem  männlichen  Kopf  und  hat  wenig  Fülle  in  den 
Backen.  Ganz  anders  das  vollere,  runde  Gesicht  der  kleinen 
Copie  der  Parthenos  des  Phidias,  das  wir,  wenn  der  Copie 
in  diesem  Punkt  Autorität  zukommt,  für  den  Charakter  der 
Pallas  nicht  so  angemessen  finden  würden. 

Abg.  bei  Millin  Monnni.  iiied.  II,  pl.  23  p.  189.  Clarac  musec  de 
s^iilpi.  320.  Müller-Wiesftler  II,  19,  204.  Vgl.  Visconti  Opere  varie 
IV',  240.  Meyer  z.  Wiuckelmaiin  IV,  p.  388  (Eiselein).  Kugler  Ueber 
die  Polychromie  p.  63.  Feuerbach  Vatican.  Apollo  p.  22.  Dass  der  ko- 
rinthische Helm  den  nicht  attischen  Ursprung  der  Statue  anzeige,  scheint 
mir  nicht  so  gewiss  wie  0.  Müller  Handb.  §.  369,  4  annimmt. 

88.  Pallas**,  Marmorstatue,  mit  der  Chigf sehen  Samm- 
lung ins  Museum  zu  Dresden  gekommen.     Ergänzt  sind  der 

*  Im  Treppenhaus  n.  191. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  2. 


106  Statuarische  Werke.  • 

HalS;  die  halbe  Brust;  ein  Stück  der  Aegis  und  der  obere 
Theil  der  Sphinx  auf  dem  Helm. 

Yon  den  Armen  ist  wenigstens  so  viel  eirhalten,  um  ihre 
Bichtung  erkennen  zu  lassen,  die  linke  Hand  hielt  den  Speer, 
die  rechte  eine  Victoria  oder  eine  Schaale. 

Offenbar  liegt  eine  Statue  des  hohen  StiLs  dieser  Figur  zu 
Orunde,  die  ganze  Composition  ist  sehr  streng  und  einfai^h,  der 
£opf  sitzt  gerade  auf  den  Schultern  und  ist  ohne  alle  Be- 
ziehung auf  den  Betrachtenden,  im  Gewände  dominiren  die  senk- 
rechten Linien  und  nur  die  diagonal  gelegte  Aegis  bringt  einige 
Abwechselung  in  die  Figur.  Aber  ein  griechisches  Original- 
werk ist  diese  Pallas  darum  nicht  und  schon  die  Starrheit 
der  Gewandung  verräth  die  römische  Copie.  Auch  bezweifeln 
wir,  ob  die  fast  männliche  Schmalheit  der  Hüften,  die  an  spätem 
Darstellungen  der  Pallas  allerdings  nicht  selten  ist,  bereits  im 
hohen  Stil  üblich  war.  Die  Figur  ist  der  Karyatide  des  Kriton 
und  Nikolaos  in  Villa  Albani'''  sowohl  im  ganzen  Arrangement,  als 
in  den  einzelnen  Falten  der  Gewandung  überraschend  ähnlicL 

Der  Kopf  ist  abgebildet  im  Aug^teum  Taf.  15.  Vgl.  Hettiier,  d. 
Biidw.  d.  Königl.  Autikensammlg  zu  Dresden  u.  194  und  n.  191. 
Schom  in  der  Amalthea  II,  206  ff. 

89.  Hera**,  Marmorkopf,  früher  im  Palast  Famese  in 
Kom,  seit  1790  in  Neapel  im  mus.  borbon.  Ergänzt  ist  die 
Nasenspitze  und  Einiges  an  der  Büste,  die  Büstenform  ist 
aber  ursprünglich. 

In  dem  Charakter  der  Hera,  wie  ihn  Homer  schildert, 
ist  besonders  bemerkenswerth  eine  gewisse  unbändige  Leiden- 
schaft. Die  Scenen,  in  denen  Zeus  seine  den  Trojanern  gün- 
stigen Pläne  der  Götterversammlung  mittheilt,  zeigen  es  deut- 
lich. Pallas,  die  Troja  ja  ebenso  hasste,  wie  Hera,  bleibt 
doch  still  und  bemeistert  ihren  Zorn,  Hera  aber  kann  sich 
nicht  fassen,  sondern  bricht  mit  ihrem  Unwillen  hervor.  Wenn 
nun  auch  in  der  bildenden  Kunst  die  Gestalt  der  Hera  viel 
mehr  geadelt  erscheint,  als  bei  Homer,  so  musste  ihr  doch 
die  Eigenschaft  des  Unbeugsamen  bleiben.  Der  Farnesische 
Kopf  zeigt  sie  in  vollster  Schärfe,  ungemildert  durch  weib- 
liche Eigenschaften,  durch  Anmuth  und  Weichheit,  er  ist 
ein  schönes  Beispiel  für  den  hohen  Stil  der  Kunst,  als  man 
die  Götter  ohne  freundliche  Hinneigung  in  ernster  abge- 
schlossener Göttlichkeit  bildete. 


*  Ein  Abguss  derselben  im  Niobidensaal. 
**  Im  Niobidensaal  n.  74. 


Statuaiische  Werke.  107 

Eine  Yergleichong  mit  der  Ludovisischen  JanO;  in  der  das 
Herbe  des  älteren  Stils  völlig  abgestreift  ist,  wird  dies  deut- 
lich machen. 

Der  Neapler  Kopf  steht  senkrecht  auf  den  Schultern, 
der  Ludovisische  neigt  sich  leise  nach  der  linken  Seite,  jener 
ist  so  schlicht  und  schmucklos  wie  möglich,  und  das  Abzeichen 
der  Götterkönigin,  die  Stimkrone,  ist  in  strengster  Einfachheit 
gehalten,  hier  dagegen  umgiebt  ein  zierlicher  Perlenkranz 
das  Haar  und  darüber  erhebt  sich  eine  mit  aufspriessenden 
Blflthen  geschmückte  Stimkrone,  die  zugleich,  indem  sie 
nach  der  Mitte  zu  anwachsend  die  Höhenrichtung  betont,  den 
erhabenen  Eindruck  des  Kopfes  steigert.  Und  während  jene 
auf  alle  reichere  Fülle  herb  verzichtet,  fallen  hier,  im  Ein- 
klang mit  der  voll  schwellenden  Schönheit  des  Kopfes,  lange 
Locken  am  Halse  herab.  Das  Haar  an  jener  ist  straffer 
gezogen  und  erinnert  noch  an  die  drahtartige  Manier  des 
alten  Stils,  linder  und  flüssiger  ist  das  Haar  der  andern. 
Die  Stirn  wölbt  sich  an  beiden  in  ihrer  unteren  Hälfte  vor, 
zum  Ausdruck  der  Willensenergie,  aber  an  jener  so  stark,  dass 
die  reine  Glätte  derselben  durch  eine  Einbiegung  unterbrochen 
wird.  Die  Augen  dehnen  sich  an  jener  mehr  in  die  Breite, 
als  in  die  Höhe,  und  lang  und  scharf,  mehr  noch,  als  im 
alten  Stil  üblich  ist,  springen  die  Augenlider  vor,  an  der 
Ludovisischen  dagegen  wölbt  sich  höher  das  gross  aufgeschla- 
gene Augenlid  und  der  Augapfel  tritt  nach  oben  zu  in  schräger 
Profillinie  hervor.  Scharf  geschnitten  und  mit  geringer  Fülle 
nach  Art  des  alten  Stils  sind  die  Wangen  an  jener,  hier 
von  blühender  Fülle  und  Rundung,  und  was  jener  besonders 
den  Ausdruck  des  Herben  und  Unbeugsamen  verleiht,  das 
starke   Vortreten    des  Kinns    erscheint   hier   sehr   gemildert. 

Es  ist  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  der  Neapler 
Kopf  uns  die  berühmte  Juno  des  Polyklet  vergegenwärtige. 
Wir  wissen  nichts  Näheres  über  sie  und  nur  dies  kann  man 
nach  Vergleichung  anderer,  der  Zeit  des  Polyklet  angehören- 
der Werke,  insbesondere  der  Amazonenstatuen,  behaupten, 
dass  er  nach  dem  Grade  der  Strenge  dem  Stil  des  Polyklet 
entspricht.  Er  gehört  in  eine  Zeit,  als  die  alterthümlichen 
Reminiscenzen  —  auch  die  Ohren  stehen  noch  zu  hoch  — 
noch  nicht  völlig  abgestreift  waren,  d.  h.  in  die  Mitte  des 
fünften  Jahrhunderts. 

Die  Präcision  des  Stils  und  der  Arbeit  wird  durch  eine 
Vergleichung  der  abgeschwächten  Copien  im  Vatikan  und  im 


108  Statnaris»;hp  Werk^. 

Berliner  Museum  sehr  anschaulich.  Indessen  muss  der  Neapler 
Kopf  selbst  schon  als  Copie  betrachtet  werden,  zumal  wenn 
er  in  dem  oben  erwähnten  Verhältniss  zu  Polyklet  stehen 
sollte,  dessen  Statue  von  Gold  und  Elfenbein  war.  Aber 
auch  abgesehen  davon,  liegt  schon  in  der  Büstenform  ein 
Grund,  ihn  als  Copie  zu  betrachten,  denn  schwerlich  war  in 
der  Zeit,  als  dieser  Typus  entstand,  schon  Veranlassung,  blosse 
Büsten  von  Göttern  zu  bilden. 

Der  neapolitanische  Kopt*  Ist  am  besten  abgebildet  in  Monum.  d. 
insst.  VIII  tav.  1.  Das  Verdienst  ihn  zu  Ehren  gebracht  und  ihm  seine 
kunsthistorische  Stelle  angewiesen  zu  haben,  gebührt  Bnum  bullet.  184S 
p.  122  ff.  Annali  1864  p.  297  ff.  Nur  kaim  ich  die  an  der  ersten 
Stelle  versuchte  Ableitung  der  Formen  des  Kopfes  aus  dem  homerischen 
Epitheton  der  Hera  ßowTiig  zunächst  im  Allgemeinen  nicht  für  richtig^ 
halten,  weil  ja  in  der  Entstehung  eines  Kunstwerks  wie  bei  allem  Or- 
ganischen nicht  der  ThQil  das  Erste  ist,  sondern  das  Ganze,  sodann  aber 
zweifle  ich  sehr  ob  Homer  mit  scnnem  Epitheton  das  meint,  was  B.  an- 
nimmt, denn  Homer  giebt  ja  dies  Epitheton  nicht  allein  der  Hera,  son- 
dern auch  sterblichen  Frauen  sogar  untergeordneter  Art,  er  bezeichnet 
also  damit  nur  eine  allgemein  menschliche  Eigenschaft.  Endlich  ist 
doch  die  Ludovisische  Juno  nicht  bloss  der  Zeit  nach  abweichend  von 
iivr  Farnesischen,  gerade  das  Auge  ist  ganz  verschieden  und  ungleich 
scJiöner  und  ausdrucksvoller  an  der  Lndovisischeii  Juno  gebildet,  wie 
im  Text  ]iervorge]n)ben  ist. 

90.  Apollo*,  Marmorstatue  im  Museum  zu  Mantua. 
Willkürlich  ergänzt  (und  zwar  nm*  am  Abguss)  ist  die  Fackel 
in  der  Rechten,  doch  geht  aus  zwei,  an  der  Hüfte  und  ober- 
halb des  Kniees  erhaltenen  Stützen  —  die  erste  ist  an  diesem 
Abguss  weggenommen  —  hervor,  dass  sich  auch  an  dieser 
Seite  ein  Attribut  befand,  vermuthlich  ein  Dreifuss  als  Gegen- 
gewicht zu  dem  Lorbeerbaum  der  andern  Seite.  Ein  Rest 
de^  Köchers  scheint  hinter  der  rechten  Ferse  auf  einer 
kleinen  Erhöhung  sich  erhalten  zu  haben  und  ist  vermuth- 
lich die  Veranlassung  zur  Ergänzung  der  Fackel  geworden.. 
Am  rechten  Arm  beginnt  die  Ergänzung  oberhalb  des  Ell- 
bogens, am  Baum  ist  das  Mittelstück,  vom  Kopf  der  Schlange 
an  bis  fast  zu  dem  Vogel  hin,  neu.  In  diesem  Vogel,  einem 
seltenen  Attribut  des  Apollo,  muss  wohl  der  Habicht  (x/gxog),. 
„der  schnelle  Bote  des  Apollo^',  erkannt  werden.  Er  ist  frei- 
lich etwas  winzig  ausgefallen,  doch  kann  dies  Absicht  sein,, 
wie  auch  der  Panther  des  Dionysos  oft  so  unnatürlich  klein 


*  Im  Römischen  Saal  n.  76. 


Statuarische  Werke.  109 

erscheint,  um  nicht   die   Wirkung  der  Hauptfigur  zu  beein- 
trächtigen. 

Da  die  Figur  in  mehreren  hinsichtlich  der  Attribute 
nicht  ganz  tibereinstimmenden  Exemplaren  erhalten  ist,  so 
fragt  sich  zunächst,  in  welchem  derselben  die  ursprtingliche 
Anordnung  bewahrt  ist.  Den  gegründetsten  Anspruch  darauf 
hat  das  in  Pompeji  gefundene,  in  Bronce  ausgeführte  Exem- 
plar, in  welchem  der  Gott  viel  einfacher  erscheint,  nur  mit 
der  Kithar  in  der  Linken,  mit  dem  Plektum  in  der  herab- 
hängenden Rechten.  Denn  wie  die  Haltung  des  Kopfes  zeigt, 
ist  der  Gott  in  sich  versunken,  an  eine  Stimmung  hingegeben, 
und  hierfür  würde  das  Attribut  der  Kithar,  deren  Klängen  er 
sein  Haupt  zuneigt,  die  treffendste  Motivirung  geben,  während 
die  Attribute  der  Mantuanischen  Statue  nur  gleichgültig  und 
ohne  Zusammenhang  mit  der  Stimmung  des  Gottes  dastehen. 
Letztere  ist  also  eine  etwas  freiere  Copie  und  war  wahr- 
scheinlich, wie  man  aus  der  Fülle  der  Symbole,  von  denen 
die  Figur  umgeben  ist,  geschlossen  hat,  für  den  Cultus  be- 
stimmt. Der  strenge,  ernste  Charakter  der  Statue  würde 
diesem  Zweck  durchaus  entsprechen.  Ein  Theil  der  Symbole 
war  freilich  schon  aus  technischen  Gründen,  nämlich  zur 
Stütze  nothwondig,  deren  das  Originalwerk,  welches  wie  das 
pompejanische  Exemplar  gewiss  von  Erz  war,  nicht  bedurfte. 
Die  drahtartige  Behandlung  des  Haares  an  der  Mantuanischen 
Statue  ist  aucli  ein  Beweis  für  die  Nachahmung  einer  Erzstatue. 

Die  Originalcomposition  gehört  gewiss  der  Mitte  des 
fünften  Jahrhunderts  an,  denn  auf  den  Zusammenhang  mit 
dem  alterthümlichen  Stil  deuten  die  zu  hoch  gestellten  Ohren, 
die  flachen  Wangen,  die  breiten,  eckigen  Schultern,  die  schma- 
len Hüften  und  die  ganze  Auffassung.  Es  ist  noch  nicht  der 
schwärmerisch  bewegte  Typus  des  musicirenden  Apollo,  der  • 
mit  Scopas  Eingang  in  die  Kunst  fand,  sondern  eine  gött- 
lichere, ernstere,  strengere  Auff^sung,  noch  nicht  die  gra- 
ziösere Stellung,  die  weicheren,  rundlicheren  Formen,  in  denen 
das  \ierte  Jahrhundert  sich  den  Apollo  dachte,  sondern  fast 
herbe  und  hart,  mehr  zurückweisend  als  anlockend  tritt  uns 
der  Gott  entgegen. 

Die  Mantuanische  Copie  scheint  erst  in  römischer  Zeit 
verfertigt  zu  sein,  denn  die  Aushöhlung  des  Augensterns 
war,  wie  es  scheint,  den  griechischen  Marmorarbeitem,  die 
ihn  durch  Farbe*  bezeichneten  oder  auch  aus  besonderer  Masse 


110  Statuarische  Werke. 

einsetzten^  unbekannt    Doch  muss  sie  zu  den  besseren  Co- 
pien  gerechnet  werden. 

Abg.  Museo  di  Mantova  I,  5.  6.  Vgl.  Brunn  im  Archaeol.  Anz. 
1857  p.  35  und  Kekule  Annali  1865  p.  67,  der  für  diese  und  die  pom- 
pejanische  Statue  nur  eine  Benutzung  einzelner  Züge  der  alterthümlichen 
Kunst  statuirt  und  sie  unter  Brunns  Vorgang  auf  Pasiteles  zurückzu- 
jführen  sucht,  was  für  mich  nach  dem  im  Text  Bemerkten  nicht  über- 
zeugend ist. 

91.  Wettläuferin*;  Marmorstatue  im  Vatikan,  aus  dem 
Besitz  der  Barberini  von  Clemens  XIV.  angekauft.  Ergänzt 
sind  die  Arme  von  der  Mitte  des  Oberarms  an,  ihre  Haltung 
namentlich  die  der  Hände  war,  wie  sich  weiter  unten  ergeben 
wird;  ursprünglich  wohl  etwas  anders ;  es  scheint ,  dass  der 
Restaurator  sich  die  Figur  wie  über  irgend  einen  Anblick 
staunend  gedacht  hat,  wofür  kein  Grund  einzusehn  ist. 

In  Olympia  fanden  zu  Ehren  der  Hera  Wettläufe  von 
Jungfrauen  statt.  Die  Mädchen  trugen  dabei  ein  wenig  über 
die  Knie  herabreichendes  Kleid,  das  Haar  hing  gelöst  herab^ 
die  rechte  Schulter  bis  zur  Brust  war  entblösst.  Die  Siege- 
rinnen erhielten  einen  Olivenkranz  und  ein  Stück  von  dem 
der  Hera  geopferten  Rinde,  es  stand  ihnen  auch  frei,  wie 
den  Siegern,  ihren  Sieg  durch  eine  mit  Inschrift  versehene 
Statue  zu  verewigen. 

In  dieser  Nachricht  hat  man  mit  Recht  die  Erklärung 
unsrer  Figur  gefunden,  denn  wenn  auch  die  Tracht  derselben 
nicht  ganz  mit  dem  Wortlaut  jener  Notiz  übereinstimmt,  so 
sind  doch  die  Abweichungen  so  gering,  dass  sie  nur  als  leichte 
künstlerische  Freiheiten  betrachtet  werden  dürfen.  Der 
Künstler  hat  durch  das  gekürzte  Gewand  die  Wettläuferin, 
die  in  ihrer  Bewegung  möglichst  ungehindert  sein  muss,  noch 
treffender  charakterisirt.  Dasselbe  ist  nach  der  spartanischen, 
etwas  unweiblichen  Sitte,  die  bei  jenen  olympischen  Wett- 
läufen vielleicht  maassgebend  war,  nur  an  einer  Seite  ge- 
schlossen und  eng  anliegend,  um  den  schnellen  Lauf  zu  er- 
leichtem. Durch  den  breiten  Gürtel  wird  es  noch  enger  an- 
geschlossen. Und  wie  das  Gewand,  so  ist  auch  die  Gestalt 
des  Mädchens  dem  Wettlauf  entsprechend  gebildet,  ohne  weib- 
liche Fülle  und  Ueppigkeit,  kräftig  in  Schulter  und  Brust- 
kasten, schmal  in  der  Hüfte,  schlank  und  graziös  und  dabei 
echt  jungfräulich. 


Im  Niobidensaal  n.  110. 


Statuarische  Werke.  Hl 

Das  Mädchen  ist  im  Moment  des  Ablaufs  dargestellt» 
Schon  neigt  sich  der  Körper  vorn  über,  und  der  rechte  Fuss, 
der  auf  einer  kleinen  Erhöhong  steht,  die  wohl  das  Mal  des 
Ablaufs  bezeichnen  soll,  ist  bereits  gehoben.  Die  Arme  hin- 
gen gestreckt  herab,  eine  in  der  Spannnng  der  Erwartung 
natürliche  Bewegung;  der  gesenkte  Kopf  giebt  den  Eindruck 
des  Gesammelten,  auf  die  Sache  Gerichteten,  oder  auch  des 
Züchtigen,  Jungfräulichen. 

Das  an  dem  nebenstehenden  Stamm  angebrachte  Sieges- 
s\7nbol,  der  Palmzweig,  bezeichnet  das  Mädchen  als  Siegerin 
im  Wettstreit,  die  Statue  war  demnach  zur  Verewigung  eines 
Sieges  gearbeitet  und  wahrscheinlich  der  Sitte  gemäss  am 
Orte  des  Sieges,  Olympia,  möglichenfalls  auch  in  der  Heimat 
der  Siegerin  aufgestellt.  Man  hat  sich  die  Mehrzahl  der 
Siegerstatuen  Olympia's  ähnlich  zu  denken,  wie  diese  Figur, 
nicht  situationslos,  bloss  figurirend,  sondern  in  einer  für  die 
Gattong  des  siegreichen  Kampfes  charakteristischen  Stellung. 
Doch  ist  diese. Figur  schwerlich  ein  Originalwerk,  denn  die 
Siegerstatuen,  die  im  Freien  aufgestellt  wurden,  waren  der 
Regel  nach  von  Bronce.  In  diesem  Fall  ist  für  das  Original 
wohl  der  zur  Stütze  dienende  Stamm  hinwegzudenken,  wodurch 
die  Figur  auch  an  Leichtigkeit  gewinnt. 

Der  Stil  dieser  liebenswürdigen,  acht  griechischen  Figur 
weist  auf  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts,  als  der  alter- 
thümliche  Stil  noch  nicht  ganz  überwunden  war.  Im  Einzel- 
nen heben  wir  die  noch  zu  hoch  stehenden  Ohren,  die  Bil- 
dung der  Augen  und  der  untern  Gesichtspartie  hervor  und 
die  für  den  alten  Stil  charakteristische  Linie,  die  das  Gewand 
nach  hinten  bildet.  Auch  ist  im  Ganzen  noch  etwas  von  den 
knappen  und  scharfen  Umrissen  und  von  der  liebenswürdigen 
Befangenheit  des  alten  Stils  fühlbar. 

Schwerlich  rührt  die  Figur  aus  einer  attischen  Werkstatt 
her.  Sie  ist  zu  verschieden  von  dem  Charakter  der  attischen 
Werke,  auch  scheint  die  Verfertigung  der  olympischen  Sieger- 
statnen  ganz  überwiegend  den  Kunstschulen  des  Peloponnes 
zugefallen  zu  sein. 

Abg.  und  erklärt  von  Visconti  Pioclem.  III  tav.  27.  Vgl.  Braun 
Kiiiut'n  und  Museen  Roms  p.  503.  Kekule  (Annali  1865,  p.  66)  be- 
irarhiet  die  Figur  als  ein  nur  unter  dem  Einfluss  des  alten  Stils  ste- 
hfudo  Werk  aus  der  Schule  des  Pasiteles;  für  mich  ist  sie  eine  ein- 
farhr  Copie  und  ich  gestehe,  dass  ich  kaum  ein  Werk  kenne,  das  so 
*»lir  dsa>  bestimmteste  Gepräge  der  liebenswürdigen  alterthümlich  grie- 
«hiixhen   Naivetät   trägt,    wie  dieses.     Die    dort   verglichene  Figur    des 


112  Statuarische  W»Tke. 

hiesigen   Museums   hat   iibrig^eiis  nichts   damit   zu  thun,   es  ist  ein  ^aiiz 
andrer  Typus. 

92.  Orestes*,  Marmorfigur  in  Villa  Albani,  im  J.  1789 
gefunden.  Ergänzt  sind  der  Hinterkopf,  der  rechte  Arm,  der 
linke  Vorderarm  und  die  Zehen  beider  Füsse,  die  Ergänzung 
ist  aber,  nach  einer  besser  erhaltenen  Wiederholung  zu 
schliessen,  richtig,  nur  dass  der  rechte  Arm  ganz  unthätig, 
ohne  etwas  zu  halten,  herabhing. 

Es  sind  zwei  Gruppen  vorhanden,  in  denen  dieselbe  Fi- 
gur, das  eine  Mal  mit  Elektra,  das  andre  Mal  mit  Pylades 
gruppirt,  sich  wiederholt,  und  da  sie  nun  als  Einzelfigur  we- 
gen des  Gestus  der  Linken,  dej  sie  als  redend  bezeichnet, 
nicht  recht  verständlich  ist,  man  müsste  denn  annehmen  wollen, 
sie  habe  einen  Monolog  gehalten,  so  ist  wahrscheinlich,  dass 
die  Gruppe  das  Frühere  ist,  aus  welcher  dann  die  eine  Figur 
herausgenommen  und  copirt  wurde.  Freilich  ist  in  jenen 
Gruppen,  die  beide  späterer  Zeit  angehören,  nicht  das  Origi- 
nal dieser  Figur,  das  wir  nur  im  alterthümlichen  Stil  suchen 
können,  enthalten,  es  wäre  möglich,  dass  die  Figur  ursprüng- 
lich ganz  anders  gruppirt  war  und  eine  ganz  andere  Bedeu- 
tung hatte,  uns  bleibt  aber  nichts  Anderes  übrig,  als  einstweilen 
an  der  Erklärung  auf  Orest,  die  dem  Habitus  der  Figur  voll- 
kommen entspricht,  festzuhalten.  Und  zwar  ist  Orest  in  dem 
Augenblick  dargestellt,  wo  er  einem  Theilnehmer  den  Plan 
zur  Rache  des  Vaters  mittheilt,  also  in  ernster,  fast  trauernder 
Stimmung,  wie  es  natürlich  ist. 

Das  Original  dieser  Figur  haben  wir,  wie  gesagt,  im 
alterthümlichen  Stil  zu  suchen.  Die  ganze  Stellung,  die 
eckigen  Schultern,  die  stark  vorgewölbte  Brust,  der  hohle 
Rücken,  namentlich  aber  der  Kopf  weisen  deutlich  darauf 
hin.  Der  Künstler  Stephanos,  der  sich  am  Baumstamm  ein- 
geschrieben, ist  daher  nur  als  Copist  eines  älteren  griechi- 
schen Werks  zu  betrachten.  Er  nennt  sich  in  der  Inschrift 
Schüler  des  Pasiteles,  der  zur  Zeit  des  Pompejus  in  Rom 
thätig  war. 

Abg.  Ann.  d.  hist.  1865  tav.  D.  mit  der  Erklärung  von  Kekule 
p.  58  ff.  Vgl.  0.  Jahn  ßer.  d.  suclis.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1861  p.  100  ff. 
Brunn  Gesch.  d.  griech.  Künstl.  I  i).  596  ff. 

Die  Meinungen  über  diese  Statue  sind  nicht  mit  einander  in  Ueber- 
einstimmung.  j^Jahn  betrachtet   dit*   herkulanische   Marmorgnippe,   Orest 


Ist  noch  nicht  aufgestellt. 


Statuai'ische  Werke.  113 

und  Elektra  darsteUend,  als  ein  Werk  aus  der  Zeit  unmittelbar  vor 
Phidias  und  demnach  als  das  Original,  aus  dem  diese  Einzelfigur  heraus- 
genonmien  sei.  Kekulö  bestreitet  unter  dem  Vorgang  von  Stephani 
wegen  der  (jewandung  der  Elektra  diesen  frühen  Ausatz,  worin  ich  ihm 
durchaus  beistimmen  muss.  Andrerseits  halte  ich  mit  Jahn  daran  fest, 
dass  die  Figur  des  Stephanos  eine  Copie  nach  einem  altgriechischen 
Werk  sei  und  der  Hauptgrund  Brunn's,  welcher  dem  Künstler  eine  ge- 
wisse Selbstständigkeit,  wenn  auch  nur  die  eines  Eklektikers,  vindiciren 
wollte,  scheint  mir  durch  die  von  Jahn  mitgetheilten  Messungen  Conze's 
widerlegt.     Vgl.  auch  Conze  im  Archaeol.  Anz.  1864  p.  222. 

93.  Amazone*,  früher  in  Villa  Mattei,  seit  Clemens  XIV. 
im  Vatikan.  Ergänzt  sind  das  rechte  Bein  mit  Ausnahme 
des  Passes,  die  beiden  Arme,  Nase,  Kinn  und  Unterlippe. 
Der  Kopf  war  abgebrochen.  Am  Gewände  will  man  früher 
%Niren  von  Farben  entdeckt  haben.  Die  Inschrift  auf  der 
Basis  „Translata  de  schola  medicorum^^  ist  alt,  wir  wissen  aber 
nichts  Näheres  über  diese  schola  medicorum. 

Das  Motiv  der  Figur  ist  Gegenstand  vieler  Debatten  ge- 
wesen. Eine  mehrfach  gebilligte  Ansicht  ist  diese,  dass  die 
Amazone  mit  der  Rechten  im  Begriff  sei,  den  Bogen,  den  sie 
über  die  Schulter  gehängt  zu  tragen  pflege,  abzunehmen  und 
za  den  übrigen  auf  der  Basis  liegenden  Waffen  zu  legen, 
sie  sei  nämlich,  worauf  auch  der  trübe  Ausdruck  ihres  Ge- 
sichts deute,  als  besiegt  und  sich  unterwerfend  gedacht.  Allein 
wir  vermissen  die  Begründung  dafür,  dass  der  Bogen  in  der 
vorausgesetzten  Weise  getragen  wäre,  er  wurde  vielmehr  nach 
orientalischer,  auch  für  die  Amazonen  geltender  Sitte  unter 
dem  seitwärts  hängenden  Köcher  getragen.  Und  dass  auch 
diese  Amazone  ihn  in  derselben  Weise  getragen,  geht  aus 
dem  gleich  zu  erwähnenden,  genau  übereinstimmenden  Torso 
von  Trier  hervor,  an  welchem  sich  noch  an  der  bezeichneten 
Stelle  Reste  des  Bogens  finden.  Wäre  der  Köcher  der  Mat- 
tei'schen  Amazone  von  moderner  Restauration  unberührt,  so 
wären  unzweifelhaft  auch  an  ihm  Fragmente  des  Bogens  zu- 
rückgeblieben, denn  man  bemerkt  daran  die  Riemen,  mit  de- 
nen der  Bogen  unter  den  Köcher  gebunden  wurde,  die  also 
die  Existenz  desselben  voraussetzen.  Zudem  ist  die  unter 
dem  Köcher  hinlaufende  Stange  etwas  ganz  Singuläres  an  an- 
tikeh  Köchern  und  offenbar  nur  durch  Abmeisselung  der 
Fragmente  des  Bogens  entstanden. 

Nach  einer  andern  Meinung  war  die  Amazone  ohne  alle 
Handlung  und  die  rechte  Hand  lag  ausruhend  über  dem  Kopf. 

*  Im  Saale  des  Barberhiischcii  Fauns  n,  (5. 
Friederichs,  griech.  Plastik.  8 


114  Statuarische  Werke. 

Allein  abgesehn  davon;  dass  sich  auf  dem  Kopf  wohl  Sporen 
erhalten  haben  müssten,  so  ist  die  Stellung  der  Figor,  na- 
mentlich die  des  linken  Beins  dieser  Annahme  entgegen.  Das 
Bein  springt  zu  weit  vor^  als  dass  es  im  Zustande  eines 
leichten  und  natürlichen  Kuhens  sein  könnte^  und  die  Figur 
würde  eine  nichts  weniger  als  behagliche  Stellung  erhalten. 

Wir  denken  uns  nach  Anleitung  einer  ganz  übereinstim- 
menden Gemme,  deren  Aechtheit  mit  Unrecht  in  Zweifel  ge- 
zogen ist,  dass  die  Figur  mit  der  über  den  Kopf  erhobenen 
Kechten  und  mit  der  nach  unten  gerichteten  Linken  einen 
Speer  fasste,  der  natürlich  von  Bronce  hinzugefügt  war.  Sie 
stützte  sich  auf  den  Speer  wie  eine  Ermattete,  und  gerade 
einer  solchen  Annahme  scheint  die  Stellung,  die  einer  Stütze 
bedarf,  zu  entsprechen. 

Es  giebt  mindestens  drei  oft  wiederholte  Amazonentypen, 
die  ihrem  Stil  nach  auf  ein  Vorbild  aus  der  Zeit  des  Phidias 
schliessen  lassen,  zugleich  aber  im  Motiv,  indem  sie  alle  eine, 
sei  es  durch  eine  Wunde  oder  durch  andre  Umstände,  ge- 
beugte Amazone  darstellen)  in  der  Grösse,  in  der  Tracht, 
ja  in  der  Haltung  der  Arme,  indem  bei  allen  der  rechte 
Arm  ganz  ähnlich  gehoben,  der  linke  gesenkt  ist,  so  sehr  über- 
einstimmen, dass  eine  äussere  Veranlassung  zur  Erklärung 
dieser  Uebereinstimmnng  angenommen  werden  muss.  Diese 
Veranlassung  glaubt  man  mit  Recht  in  einem  von  Plinius  be- 
richteten Wettkampf  mehrerer  Künstler  aus  der  Zeit  des 
Phidias  zu  finden,  die  alle  eine  Amazonenstatue  gemacht  hätten, 
unter  denen  die  des  Polyklet  als  die  erste,  die  des  Phidias 
als  die  zweite  anerkannt  worden  sei.  Die  Statuen  dieser 
Künstler  hätten  sich  in  Ephesus  im  Tempel  der  Diana  befunden. 

Die  Uebereinstimmnng  der  drei  erwähnten  Typen  wird 
also  durch  die  den  Künstlern  vorgeschriebenen  Bedingungen 
zu  erklären  sein,  und  in  der  That  existirte  eine  Sage,  durch, 
welche  die  Ephesier  veranlasst  sein  konnten,  für  die  zum 
Schmuck  ihres  berühmten  Heiligthums  bestimmten  Amazonen 
ein  Motiv  vorzuschreiben,  das  dem  der  genannten  Statuen  ent- 
sprach. Die  Amazonen,  heisst  es,  seien  von  Dionysos  gedrängt 
als  Schutzflehende  zum  ephesischen  Heiligthum  gekommen. 

Unter  diesen  Werken  werden  nur  zwei  etwas  genauer 
charakterisirt,  eine  nämlich  war  mit  einer  Wunde  dargestellt^ 
eine  andre,  die  des  Phidias,  stützte  sich  auf  den  Speer. 
Wir  werden  das  Motiv  der  letzteren  theils  nach  den  Wortea 
des  Berichterstatters,  theils  wegen  der  Uebereinstimmnng  mit 


Statiiaiische  Werke.  115 

^en  übrigen  so  zu  denken  haben;  dass  sie  als  eine  ermattete 
oder  irgend  wie  gebengte  Amazone  sich  an  den  Speer  als 
an  eine  ihr  nothwendige  Stütze  anlehnte^  es  ergiebt  sich  also 
ein  mit  der  Mattei'schen  Amazone  übereinstimmendes  Motiv 
und  wir  stehn  desswegen  nicht  an,  das  vorliegende  Werk  als 
eine  Copie  der  Statue  des  Phidias  anzusehn. 

Denn  allerdings  ist  die  Mattei'sche  Amazone  nur  eine 
Oopie  nnd  zwar  nach  einem  Original  von  Bronce,  aus  wel- 
<!hem  Material-  jene  ephesischen  Statuen  gearbeitet  waren. 
Daranf  führt  schon  die  drahtartige  Behandlung  des  Haares, 
die  im  alten  Stil  zwar  auch  den  Marmorwerken,  später  aber 
nr  den  Erzarbeiten  eigenthümlich  ist 

Es   ist   aber   dieses  Werk   das   schönste  und   strengste 
Exemplar  unter  den  zahlreichön  Wiederholungen,  die  wir  von 
diesem  Typus  besitzen*,  sie  giebt  daher  den  Stil  des  Origi- 
mIs  am   treuesten   wieder.     Verglichen  mit  der  verwundeten 
Amazone,  die  wir  ebenfalls  in  Nachbildungen   besitzen   und 
<fie  auf  einen  Künstler  Kresilas  zurückgeführt  wird,  hat  sie 
«men  ernsteren  Charakter,  während  jene  eine  an's  Elegische 
«öreifende  Schönheit  hat,  verglichen  mit  der  dritten  zu  jenen 
ephesischen    Statuen   gehörenden    Amazone,     deren    weitaus 
schönstes  Exemplar  sich  im  braccio  nuovo  des  Vatikans  be- 
findet, ist  sie  dagegen  weniger  streng  und  einfach  componirt. 
Namentlich  ist  das  Gewand,  dessen  Zipfel  hier  über  dem  lin- 
ken Bein   aufgenommen   und   unter  den  Gürtel  gesteckt  ist, 
so  dass  im  Einklang  mit  der  Stellung  der  Beine  ein  schöner 
Gegensatz  der  Faltenbewegung  entsteht,  dort  einfacher   und 
strenger  angeordnet. 

Das  zierliche  Band  am  linken  Fuss  diente  zur  Befesti- 
gung des  Sporns,  der  nur  an  einem  Fuss  getragen  wurde. 
Von  den  auf  der  Basis  liegenden  Waffen,  deren  Ablegung 
ftr  eine  ermattete  Amazone  charakteristisch  ist,  entspricht 
der  Helm  einer  aus  griechischen  Fundorten  bekannten  Form, 
der  Schild  dagegen  hat  die  spätere,  zierlichere  Gestalt,  die 
ztt  praktischem  Gebrauch  nicht  so  angemessen  scheint,  wie 
die  frühere.  Die  Perserschilde  auf  dem  Fries  des  Niketem- 
pels, die  der  Amazonen  am  Mausoleum  und  am  phigalischen 
Weg  haben   mehr  Fläche  und  einen  einfachen  halbkreisför- 


*  Im  Gewerbeinstitul  sieht  zu  belehrender  \'ergleicliiiiig  neben  der 
MatU'i'scIuMi  Amazone  die  Capitolinische ,  die  denselben  Typus  mit  nn- 
kIHcIi  «^ennf?erer  Strenge  und  Treue  wiederg-iebt. 

8* 


llß  Statuarische  Werke. 

migen  Ausschnitt  statt  des  später  üblichen  doppelten.  Er 
wäre  übrigens  nicht  unmöglich;  dass  diese  Waffen  erst  bei 
der  Uebertragung  des  broncenen  Originals  dieser  Figur  in 
den  Marmor  hinzugefügt  wären. 

Abg.  bei  Visconti  Pio-Clem.  II,  tav.  38.  Müller -Wieseler  I,  31,. 
138  a — c.  Vgl.  Visconti  Opere  yarie  IV,  117  ff.  Göttling  Das  archaeoL 
Museum  zu  Jena  1854  p.  60  n.  294  und  das  dort  citirte  Programm. 
0.  Jahn  in  den  Ber.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1850  p,  50  ff.  Stei- 
ner Ueber  den  Amazonenmythus  p.  48  ff.  (dessen  Jleinung  wie  mir 
scheint  schon  durch  Göttling's  Bemerkung,  dass  man  zum  Springen 
keinen  Köcher,  zumal  wenn  der  Bogen  darunter  gebunden  ist,  gebrau- 
chen könne,  widerlegt  wird)  Scholl  im  Philol.  XX  p.  416  ff.  (der  ver- 
muthlich  zu  andern  Resultaten  gekommen  wäre,  wenn  er  die  Amazone 
des  braccio  nuovo  berücksichtigt  hätte  und  für  die  Zurückfuhrung  der 
Mattei'schen  Amazone  auf  Strongylioa  ein  Argument  aufstellt,  das  schwer- 
lich als  beweiskräftig  anerkannt  werden  wird)  Klügmann  im  Rhein.  Mus. 
1866  p.  321  (der  zu  0.  Müllers  mir  unmöglich  scheinenden  Auffassung 
der  Statue  zurückkehrt  und,  was  ich  auch  nicht  zugeben  kann,  den 
Kopf  als  nicht  zugehörig  und  von  der  verwundeten  Amazone  entnom- 
men ansieht,  sehr  richtig  dagegen  die  Aechtheit  der  Gemme  vertheidigt. 
Ueber  die  Inschrift  vgl.  0.  Jahn  Arch.  Ztg.  X,  416.  '  Wie  Bogen  und 
Köcher  nach  orientalischer  Weise  getragen  wurden,  kann  man  an  einer 
Perserfigur  am  Fries  des  Niketempels  und  an  einer  Amazone  der  Ro- 
gers'schen  Amazonenvase  (Gerhard  Auserles.  Vasen  IV,  329.  330)  sehn. 

94.  Amazonentorso*,  von  Marmor,  in  Trier  in  den 
Ruinen  eines  römischen  Gebäudes  gefunden  und  ebendaselbst 
befindlich.  Zugleich  mit  dem  Torso  wurde  das  Fragment 
eines  Kopfes**  gefunden;  das  mit  Unrecht  als  zugehörig  be- 
trachtet wird.  Das  breite  Band  und  die  krausen  kurzen 
Locken  unterscheiden  diesen  Kopf  sehr  erheblich  von  dem- 
jenigen der  Mattei'schen  Amazone,  mit  welchem  er  doch,  da 
auch  der  übrige  Körper  denselben  Typus  wiedergiebt,  tiber- 
einstimmen müsste. 

Das  unter  dem  Köcher  erhaltene  Fragment  kann  nur, 
wie  schon  in  der  Erklärung  von  n.  93  bemerkt  ist,  zu  dem 
Bogen  gehört  haben,  der  an  dem  Köcher  befestigt  war.  Der 
Torso  ist  frisch  und  lebensvoll,  steht  aber  doch  der  Mattei'- 
schen  Amazone  nach. 

* 

^  Abg.  Jahrb.  des  Vereins  v.  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande  IX, 
Taf.  5.  Das  zugleich  gefundne  Fragment  eines  Arms  ist  nicht  zugehö- 
rig, vgl.  bull.  1864  p.  64.     Archaeol.  Anz.  1864  p.  196. 


*  Im  Saal  des  Barberiuischen  Fauns  n.  7. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  45. 


Statuarische  Werke.  117 

95.  Amazone*;  Marmorstatae;  im  Jahr  1813  von 
'Stackeiberg  auf  Salamis  gefänden  mid  1845  aus  der  Samm- 
lung des  Finders  in  das  Dresdner  Museum  übergegangen. 
Ergänzt  sind  von  Thorwaldsen  der  Kopf;  dessen  Neigong 
fibrigens  indicirt  zn  sein  scheint^  der  linke  Arm  vom  Ellen- 
bogen an;  dessen  Krümmung  ebenfalls  durch  den  erhaltenen 
Theil  indicirt  ist;  die  rechte  Hand;  beide  Beine  vom  Knie 
ibwärt^  und  der  unterste  Theil  des  Mantels  nebst  der  Streit- 
axt^ deren  Schaft  sich  aber;  wenn  auch  zerbrochen;  erhalten 
hat  Ob  die  Beine  ursprünglich  die  Keiterstiefeln  getragen, 
ist  fraglich. 

Das  Motiv  der  Figur  ist  offenbar  das  einer  besiegten 
oder  ermüdeten  oder  aus  ähnlichen  Gründen  muthlosen  Krie- 
j^rin.  Sie  hat  eine  nicht  ganz  gewöhnliche  Tracht;  da  sie 
an  beiden  Brüsten  bedeckt  und  ausserdem  init  einem  Thier- 
feU  umgürtet  ist.  Letzteres  ist  indessen  eine  nicht  seltene 
Zothat  der  heroischen  Tracht.  Auch  an  Amazonen  findet  es 
sich  zuweilen. 

Es  ist  die  Meinung  ausgesprochen;  dass  dieser  Figur 
ein  Original  zu  Grunde  liegC;  das  zu  den  berühmten  ephesi- 
schen  Amazonenstatuen  (vgl.  n.  9B)  gehört  habe.  Allerdings 
ist  das  Motiv  der  Figur  dem  der  übrigen  durchaus  verwandt 
imd  für  das  ephosische  Heiligthum  passend;  aber  das  ganze 
Aussehen  derselben  doch  zu  verschieden  von  den  übrigen 
witer  sich  so  gleichartigen.  Auch  scheint  der  bis  auf  die 
Erde  reichende  Mantel;  der  sonst  kürzer  ist  bei  den  Ama- 
zonen —  sie  tragen;  ebenso  wie  die  rüstigen  Jünglinge,  eine 
Chlamys;  was  auch  ihrem  Wesen  gewiss  besser  entspricht  — , 
auf  ein  Marmororiginal;  wo  man  ihn  als  Stütze  benutzte;  hin- 
zudeuten; während  jene  ephesischen  Statuen  von  Erz  waren. 
Es  wäre  freilich  nicht  unmöglich;  dass  diese  Verlängerung 
des  Mantels  erst  in  der  Marmorcopie  hinzugekommen  wäre. 
Die  Ausführung  der  Figur  ist  flüchtig. 

Vgl.  Hettiier:  die  Bildwerke  der  Kgl,  Antikensammlung  zu  Dresden 
".  178,  besonders  aber  0.  Jahn  Berichte  der  Sachs.  Gesellsch.  der  Wiss. 
1860  p.  32  ff.,  wo  auch  die  beste  Abbildung  gegeben  ist.  Wenn  Jahn^s 
ßoiehang  der  Figur  auf  die  ephesischen  Statuen  richtig  ist,  dann  kann 
^  Thierfell  noch  eine  andre,  als  die  im  Text  ausgesprochene  allge- 
''lanere  Bedeutung  haben,  obwohl  sie  auch  dann  nicht  nothwendig  ist. 
"^  an  den  Reliefs  vom  Mausoleum  sind  auch  mehrere  Amazonen  mit 
*wiem  Thierfell  bekleidet,   wie  Polygnot's  Penthesilea,   welcher  dadurch 


*  Im  Niobidensaal  n.  30. 


11g  Statuarische  Werke. 

im  Gegensatz  zu  Paris  ein  kriegeritjcheres  Aussehn  gegeben  werde» 
sollte,  Paus.  10,  31,  8.  Die  Auffassung  Stephanies  Compte-rendu  186^ 
p.  219  kann  ich  mir  nach  dem  Gesagten  nicht  aneignen.  Auch  SchöU 
Philol.  XX  p.  416  ff.  betrachtet  das  Costüm  der  Figur  als  allgemein 
heroisch  und  scheidet  sie  von  den  ephesischen  Statuen  aus.  Ebenso» 
Steiner,  der  Amazonenmythus  p.  60,  der  sie  vor  Phidias  setzt,  was  mir 
nicht  sicher  scheint.  Dass  der  linke  Arm  richtig  ergänzt  ist,  kann  ich 
nach  einer  kürzlich  angestellten  Untersuchung  des  Originals  versichern.. 

96.  Speertragender  Jüngling*,  Marmorstatue  aus 
Herkulamim,  im  Museum  zu  Neapel  befindlich.  Ergänzt  sind 
die  Hände. 

In'  der  linken  Hand  hielt  die  Figur  offenbar  einen  Speer, 
der  auf  der  Schulter  lag  und  am  Hinterkopf  durch  einen 
Zapfen,  dessen  Stelle  man  noch  bemerkt,  gehalten  wurde,  die 
rechte  Hand  hing,  gewiss,  wie  der  Ergänzer  angenommen,  un- 
thätig  herab.  Es  ist  eine  einfache  Darstellung,  nämlich  ein 
Jüngling,  der  durch  sein  Attribut  und  durch  die  Formen 
seines  Körpers  in  seiner  kriegerischen  Neigung  und  Tüchtig- 
keit charakterisirt  werden  soll. 

Die  Statue  hat  etwas  alterthümlich  Schweres  und  Unter- 
setztes, wie  namentlich  ein  Vergleich  mit  dem  Apoxyomenos 
des  Lysippus**  lehrt.  Auch  der  Typus  des  Gesichts  ist  alter- 
thümlich und  die  flach  anliegenden  Haare,  die  man  später 
voller  bildete,  sind  ein  weiteres  Zeichen  früherer  Zeit.  Die 
drahtartige  Behandlung  derselben  deutet  auf  ein  Original  von 
Bronce,  in  welchem  dann  der  stützende  Stamm  fehlen  würde^ 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  wir  in  dieser  Figur^ 
von  welcher  sehr  viele  Wiederholungen  erhalten  sind,  die 
Copie  eines  im  Alterthum  sehr  berühmten  Werkes  besitzen^ 
nämlich  des  Doryphorus  des  Polyklet.  Wir  kennen  dasselbe 
aus  den  Nachrichten  als  Broncestatue  eines  kräftigen  Jüng- 
lings, der  einen  Speer  als  charakterisirendes  Attribut  trug 
und  das  Gegenstück  bildete  zu  einem  weichlichen  Jüngling^ 
der  ein  schmückendes  Band  um  sein  Haar  legte.  Die  schwere 
Statur,  die  wir  an  der  Figur  hervorgehoben,  war  dem  Polyklet^ 
wie  wir  wissen,  im  Gegensatz  zu  Lysippus  eigen  und  der 
Grad  der  Strenge,  den  sie  hat,  ist  nach  den  Werken,  die 
wir  aus  der  Zeit  dieses  Künstlers  besitzen,  namentlich  nach 
den  Amazonenstatuen,  vorauszusetzen.  Das  vorliegende  Exem- 
plar ist  aber  keineswegs  die  beste  der  uns  erhaltenen  Ck>pien* 


*  Im  Niobidensaal  n.  108. 
**  Im  Niobidensaal  n.  22. 


Statuarische  Werke.  119 

Abg.  im  Berliiier  Winckelmannsprogramm  1863.     Vgl.  bullet.  1864 
p.  29  f.    Archaeol.  Ztg.  1864  p.  130.  149. 

97.  Büste  eines  jugendlichen  Athleten*,  von 
BroncC;  gefunden  in  Herkulanum  und  im  Museum  zu  Neapel 
befindlich. 

Der  Kopf  ist  eine  Copie  des  unter  n.  96  besprochenen 
Typus  von  sorgfältiger^  aber  im  Haar^  dessen  einzelne  Streifen 
stachelförmig  auslaufen  und  emporstehen,  etwas  manierirter 
Behandlung.  An  diesem  Kopf  sind  die  Athletenohren  sehr 
deutlich  zu  beobachten,  an  denen  der  scharfe  innere  Band 
rond  und  dick  geschwollen  aussieht.  Der  Künstler  hat  sich 
in  der  Inschrift  als  Apollonius  des  Archias  Sohn  aus  Athen 
bezeichnet  und  muss  nach  den  Buchstabenformen  derselben 
.   um  die  Zeit  des  Augustus  gelebt  haben. 

Abg.  Bronzi  d'Ercol.  I,  45,  46.     Vgl.  das  Berliner  Wüickclmanus- 
programm  v.  J.  1863  p.  4.     Brunn,  Gesch.  d.  griech.  Künstler,  I,  543. 

98.  Athlet**,  MarmorstatuC;  aus  der  Chigi'schen  Samm- 
lung in  das  Museum  zu  Dresden  gekommen. 

Im  Original  ist  noch  etwas  mehr  erhalten,  als  der  Ab- 
gnss  wiedergiebt;  es  sind  aber  auch  fast  vollständig  erhaltene 
Wiederholungen  dieses  Typus  vorhanden,  aus  denen  das 
Motiv  der  Figur  zu  entnehmen  ist,  der  Athlet  hielt  nämlich 
in  der  hocherhobenen  Rechten  ein  Oelfläschchen  und  goss 
es  aus  in  die  vor  dem  Leib  liegende  Linke.  Der  Kopf  ist 
überall,  wo  er  erhalten,  unbärtig. 

Die  grosse  Zahl  der  Wiederholungen,  die  von  diesem 
Typus  auf  uns  gekommen,  deutet  auf  ein  berühmtes  Original, 
•iem  dieses  Dresdener  Exemplar  am  nächsten  stehen  möchte. 
Auch  auf  einem  griechischen  Grabstein***  ist  es  copirt,  was 
uns  berechtigt,  ihm  griechischen  Ursprung  zu  vindiciren. 
Die  ausserordentlich  ungünstige  Beleuchtung  lässt  eine  nähere 
Betrachtung  nicht  zu,  doch  deutet  die  kräftige  Anlage  auf 
ein  dem  Lysippischen  Apoxyomenos****  der  Zeit  nach  voran- 
gehendes Werk  und  es  könnte  die  Meinung,  dass  das  Original 
von  Polyklet  herrühre,  wenigstens  hinsichtlich  der  Zeitbe- 
stimmung desselben  richtig  sein. 

Abg.  im  Augusteum  T.  37.  38.     Hettner,  d.  Bildw.  d.  König).  An- 
likensammlg.  zu  Dresden   n.   384.     Im   Palast  Pitti    befinden    sich    zwei 

*  Im  Niobidensaal  n.  102. 
••  Im  Saal  des  Barberinischen  Fanus  n.  1. 
*••  Im  Treppenhaus  n.  186. 


«««• 


Im  Niobidensaal  n.  122. 


120  Statuarische  Werke. 

Copien,  deren  eine  fast  ganz  erhalten,  zwei  kleinere  im  braccio  nuovo 
des  Vatikan  n.  99.  103,  von  denen  eine  in  der  ^aarbehandiung  Spuren 
des  alten  Stils  bewahrt  hat,  ausserdem  eine  im  Palast  Mattei.  Vgl.  Fea 
zu  Winckelmann  II  p.  106  ff.  (Eiselein). 

99.  Diskobol  des  Myron*,  Marmorstatue,  im  Jahre 
1791  von  Grraf  Fede  in  der  Villa  Hadrians  bei  Tivoli  aus- 
gegraben und  im  Vatikan  befindlich.  Ergänzt  sind  von  Albagini 
der  Kopf;  der  linke  Arm  und  das  linke  Bein  vom  Knie  ab- 
wärts, ausserdem  der  grössere  Theil  des  Diskus.  Der  Kopf 
ist,  wie  aus  alten  Nachrichten,  aus  andern  besser  erhaltenen 
Copien  und  aus  den  Halsmuskeln  dieser  Figur  hervorgeht, 
falsch  ergänzt,  er  ist  etwas  rückwärts  gewandt  zu  denken, 
von  dem  gewaltig  ausgestreckten  rechten  Arm  herumgerissen. 
.  Eingehende  Beschreibungen  alter  Schriftsteller  haben  es 
möglich  gemacht,  in  dieser  Statue  die  Qopie  des  berühmten 
Diskobol  von  Myron  zu  erkennen,  doch  ist  wohl  nur  das 
Motiv  des  Originals  noch  übrig  geblieben,  in  den  Formen 
ist  sie,  wie  die  Vergleichung  mit  der  Copie  im  Palast  Massimi 
ergiebt,  sehr  abgeschwächt.  Aber  auch  schon  das  Motiv  — 
ein  Diskobol  in  einem  heftig  bewegten  und  zwar  ganz  flüch- 
tigen Moment  fixirt,  indem  nämlich  der  linke  Fuss  bereits 
auf  dem  Boden  schleift  und  das  Fortschleudern  des  Diskus 
sofort  erfolgen  muss  —  charakterisirt  den  Myron  als  einen 
Künstler,  dessen  hauptsächliches  Bestreben  dahin  ging,  die 
Starrheit  des  alten  Stils  durch  lebensvolle  Gestalten  zu  durch- 
brechen. Wir  kennen  noch  andere  Figuren  von  ihm,  die 
ebenfalls  in  bewegten  und  ganz  flüchtigen  Momenten  fixirt 
waren.  Die  Lebendigkeit  des  Werks  steigert  sich  noch,  wenn 
wir  uns  die  Stütze  hinwegdenken,  die  dem  Original,  das  von 
Erz  war,  fehlte,  es  lässt  sich  dann  auch  auf  diese  Statue 
anwenden,  was  von  einer  andern  desselben  Meisters  gesagt 
wurde,  ,es  scheine,  als  ob  sie  von  ihrer  Basis  herabspringen 
wolle". 

An  der  Stütze  ist  eine  Striegel,  ein  athletisches  Instru- 
ment, welches  die  Jünglinge  täglich  in  der  Palästra  benutzten, 
angebracht,  auch  befindet  sich  daran  die  (freilich  in  diesem 
Gyps  nicht  sichtbare)  Künstlerinschrift. 

Abg.  Musäe  des  Antiques  II  pl.  18.  Pistolesi  II  Vaticano  ülustrato 
VI,  9,  2.  Vgl.  Weicker  A.  D.  1,  417  flf.  u.  Michaelis  Arch.  Anz.  1862 
p.  337.    In  Betreff  der  Inschrift   meint  Weicker,    sie  lühre  von  dem 


*  Im  Niobidensaal  n.  57. 


Statuarische  Werke.  121 

Erganzer  her,  £.  Braun  Ruinen  p.  467  bemerkt  dagegen:  „Die  zart  ge- 
haltenen und  geschmackvoll  behandelten  Buchstaben  scheinen  ganz  den 
Anschein  der  Originalität  zu  haben  und  vielleicht  erst  beim  Putzen  zum 
Vorschein  gekommen  zu  sein.  Dies  ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  das 
Scheidewasser,  dessen  man  sich  dabei  bedient  hat,  nicht  in  die  Tiefen 
der  Schriftritzen  eingedrungen  ist.  und  diese  daher  noch  jetzt  mit  einem 
«isenfesten  Tarter  angef&Ilt  sind.^'' 

100.  Silen*;  Marmorstatue;  in  den  20er  Jahren  dieses 
Jahrhunderts  auf  dem  Esquilin  von  L.  Yescovali  gefunden. 
An  der  Stelle ,  wo  sie  zum  Vorschein  kam,  scheint  sich  eine 
antike  Bildhauerwerkstatt  befunden  zu  habeU;  man  fand  näm- 
lich MarmorblöckC;  in  denen  noch  Sägen  steckten,  auch  den 
zum  Schneiden  gebrauchten  Sand;  Hände  und  Köpfe,  und  elf 
Statuen,  meist  Satyrn  vorstellend.  Unsere  Statue  wanderte 
zaerst  in  die  Magazine  des  Vatikan  und  steht  seit  1852  im 
Museum  des  Lateran.    Ergänzt  sind  beide  Arme. 

In  dieser  Figur  ist  sehr  scharfsinnig  die  Copie  eines 
Werkes  des  Myron  erkannt,  nämlich  seines  Satyrs,  der  mit 
Minerva  zu  einer  Gruppe  vereinigt  war  und  die  Flöten  an- 
staunte, die  jene  weggeworfen.  Die  Ergänzung  der  Arme  ist 
falsch,  sie  waren,  der  eine  nach  oben,  der  andere  nach  unten, 
wie  staunend  ausgestreckt.  Wir  können  uns  nämlich  die 
Gnippe  des  Myron  mit  Hülfe  eines  attischen  Reliefs,  auf 
welchem  nicht  allein  die  dieser  Statue  entsprechende  Satyr- 
figur, sondern  auch  die  Minerva  erhalten,  reconstruiren.  Da- 
nach hatte  der  Künstler  die  Göttin  in  dem  Augenblick  dar- 
gestellt, wo  sie  zornig  und  leidenschaftlich  die  ihr  Gesicht 
entstellenden  Flöten  von  sich  wirft  und  davoneilt,  während 
der  Satyr,  der  herangeschlichen  war,  um  den  Tönen  des  neuen 
Instruments  zu  lauschen,  zwar  vor  der  plötzlichen,  leiden- 
schaftlichen und  ihm  unerwarteten  Bewegung  der  Göttin  zu- 
rückweicht, ohne  aber  das  wunderbare  Instrument  zu  seinen 
Füssen  aus  den  Augen  zu  lassen.  Dies  ist  die  Stellung  der 
lateranischen  Statue,  man  glaubt  noch  zu  erkennen,  wie  der 
'Satyr  auf  den  Fussspitzen  neugierig  heranschlich,  ehe  er 
durch  den  Gestus  der  Minerva  zurückgeschreckt  wurde.  Es 
ist  abemnur  ein  momentanes  Zurückweichen  dargestellt,  der 
Satyr  scheint  keineswegs  gewillt,  sich  definitiv  von  den  Flöten 
zu  trennen. 

Da  das  Original  dieser  Figur  von  Erz  war,  so  hat  man 
sich  den   Baumstamm    und   die   Stützen    unter    den   Füssen 

•  Im  Niobideiii^aal  n.  80. 


122  Statuarische  Werke. 

hinweg  zu  denken,  sodass  die  Figur  auf  den  Fussspitzen  balan- 
cirend  dasteht.  Wir  sehen  daher  auch  hier  eine  jener 
flüchtigen  vaxd  darum  so  lebendigen  Situationen,  wie  Myron 
sie  liebte. 

Die  straffen,  schlanken  Formen  des  Satyrkörpers  sind 
vortrefflich  ausgedrückt,  und  höchst  charakteristisch  und  ko- 
misch ist  das  Gesicht,  in  dem  man  deutlich  an  den  hinaufge- 
zogenen Brauen  den  Ausdruck  höchster  Verwunderung  er- 
kennt. Myron  scheute  sich  nicht,  zuweilen  das  Gebiet  de» 
Komischen  und  Burlesken  zu  berühren.  Auch  in  dem  wenig 
ausgeführten  Haar  des  Bartes  und  Kopfes  erkennt  man  eine 
Eigenthümlichkeit  des  Myron,  denn  gerade  die  Nachlässigkeit 
in  der  Ausführung  des  Haares  wurde  ihm  zum  Vorwurf  ge- 
macht Doch  kann  wenigstens  bei  dieser  Statue  von  keinem 
Vorwurf  die  Rede  sein,  denn  an  den  struppigen  Haaren  de» 
Satyrs  wird  man  die  feinere  Ausführung  nicht  vermissen,, 
vielleicht  nicht  einmal  wünschen. 

Abg.  und  erläutert  von  Brunn  in  den  Monum.  d.  inst.  VI,  23  An- 
nali  1858  p.  374  tf.  vgl.  bullet.  1853  p.  145.  Garucci  monum.  del 
museo  Lateranense  tav.  24,  1  p.  36.  Hirzel  Annali  1864  p.  235.  Ste- 
pliani  Compte-rendu  pour  l'annee  1862  p.  88  ff.  Petersen  Archaeol.  Ztg. 
1865  p.  86.  Ob  Hirzel  wirklich  die  zur  Gruppe  gehörige  Minervenstatue 
gefunden,  ist  mir  noch  zwi'ifelhaft,  vgl.  die  Bemerkung  zu  dem  attischen 
Relief  im  Griechischen  Saal  n.  271.  Die  von  Pausanias  beschriebene 
Gruppe  muss  bei  dieser  Untersuchung,  wie  ich  glaube,  ganz  aus  dam 
Spiel  bleiben. 

101.     Aktäon*,  Marmorgruppe,   im  Jahre    1774   von 
Gavin  Hamilton  in  den  Ruinen  einer  Villa  bei  Civita  Lavigna 
gefunden.     Ergänzt  sind  der  rechte  Arm  und  die  linke  Hand 
Der  Kopf  ist  nicht  zugehörig. 

Wir  besitzen  auf  einem  herrHchen  Cameo  des  britischen 
Museums  die  Copie  des  echten  Kopfes  dieser  Figur  oder 
vielmehr  ihres  Originals  und  haben  darin  zugleich  einen  ent- 
scheidenden Beweis  dafür,  dass  der  jetzt  ihr  aufgesetzte,  auch 
nach  Ausdruck  und  Richtung  unpassende  Kopf  nicht  zugehörig 
ist.  Ausserdem  aber  berechtigt  uns  der  Cameo,  der  ein 
Original  von  noch  etwas  strengem  Stil  voraussetzt,  das  Ori- 
ginal der  Gruppe  dieser  Periode  zuzuschreiben. 

Die  Marmorgruppe,  aus  .welcher  wir  nur  von  der  Com- 
Position,  nicht  von  dem  Stil  des  Originals  eine  Anschauung 
gewinnen  können,  stellt  den  erfolglosen  Widerstand  des  Aktäon 


Im  Gewerbeinstitut. 


Statuarische  Werke.  123 

gegen  die  Wiith  der  eigenen  Hunde  dar.  Der  ganze  Körper 
flieht  zurück  vor  dem  Angriff  der  Thiere  und  der  Kopf  (wie 
ihn  die  Glemme  zeigt)  war  mit  schmerzlichem  Ausdruck  tief 
gesenkt.  Die  ganze  Stellung  ist  derjenigen  des  ehen  erklärten 
Satyrs  auffallend  ähnlich. 

Eine  Andeutung  der  Verwandlung  des  Aktäon^  die  ge- 
wöhnlich durch   das  Hirschgeweih  über  der  Stirn  bezeichnet 
wird  9   war  nach    der  Autorität  der  Gemme  hier  nicht  vor- 
handen; wie  sie  auch  an  andern  Monumenten  fehlt;  der  Künstler 
befolgte  wohl   die   auf  Stesichorus  zurückgeführte  Wendung 
der  Fabel;   wonach   die   erzürnte  Göttin   dem   Aktaeon   ein 
Thierfell    umwarf;    um    ihn    dadurch   zu   einem  Angriffsob- 
ject  fElr  seine  Hunde  zu  machen.    Es  soll  freilich  ein  Hirsch- 
fell gewesen  seiU;  während  diese  Figur  ein  Löwenfell  trägt; 
doch  könnte  der  Sinn  derselbe  sein.     Freilich  lässt  sich  auch 
die  Möglichkeit  nicht  in  Abrede  stellen;  dass  das  Fell  nur 
eine  für   den   rüstigen  Jäger   charakteristische  Tracht  ohne 
alle  weitere  Bedeutung  sei. 

Abg.  Marblcs  of  the  british  miiseum  II,  45.  Vaux  haudbook  to 
the  british  museum  p.  212.  Müller-Wieseler  Ii;  17,  186.  Der  im  Text 
crvihnte  Cameo  ist  meines  Wissens  nicht  publicirt,  er  trägt  unter  den 
Abgüssen  der  englischen  Gemmen,  die  sich  im  liiesigen  Antiquariiwi 
Mnden,  die  n.  287.     Die  Stelle  des  Stesichorus  bei  Paus.  9,  2,  3. 

102.  Jugendlicher  Heros*;  Fragment  einer  Marmor- 
statüC;  im  Museum  zu  Madrid.  Ergänzt  ist  der  grösste  Theil 
des  Helms ;  die  Nase  und  die  untere  Hälfte  des  Medusen- 
haupteS;  welches  sich  auf  der  Aegis  befindet. 

Eine  sichere  Erklärung  dieses  Fragments  ist  noch  nicht 
gefunden;  doch  kann  man  wohl  nur  an  eine  Heroengestalt 
denken;  für  welche  freilich  die  AegiS;  die  wie  ein  Mäntelchen 
aof  der  Schulter  hängt;  ein  ungewöhnliches  Attribut  ist  Der 
Stil  ist  griechisch  und  zwar  sind  in  den  AugeU;  Haaren  und 
in  der  Stellung  der  Ohren  noch  einige  Nachwirkungen  des 
alterthümlichen  Stils  bemerkbar;  so  dass  wir  das  Werk  noch 
ins  fünfte  Jahrhundert  setzen  möchten. 

Abg.  in  den  Berichten  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss,  1864,  Taf.  1 
mit  der  Erklärung  von  Stark,  die  mir  aber  durchaus  imwahrscheinlich 
whfiut.  Von  allem  Andern  abgesehn,  ist  die  Büste  viel  zu  zart  für 
Ares.  Stark  ist  vermuthlich  durch  die  ungenügende  Abbildung  irre- 
geleitet. 


•  Im  Niobidensaal  n.  81. 


124  Statuarische  Werke. 

103.  Perikles*,  Mannorkopf,  im  Jahre  1781  in  der 
sogenannten  Villa  des  Cassius  bei  Tivoli  gefunden.  Er  kam 
in  den  Besitz  von  Gavin  Hamilton,  dann  in  die  Townley'sche 
Samnünng  und  mit  dieser  ins  Britische  Museum.  Ergänzt 
sind  der  grössere  Theil  der  Nase  und  einige  kleine  Stücke 
vom  am  Helm. 

Nach  Plutarch's  Bericht  war  Perikles  im  Uebrigen  von 
untadeliger  Gestalt;  nur  hatte  er  einen  etwas  zu  langen  Kopf. 
Deswegen  trügen  fast  alle  Bildsäulen  desselben  einen  Helm, 
wodurch,  wie  es  scheine,  die  Künstler  diese  Hässlichkeit 
hätten  verdecken  wollen.  Nach  einer  neueren  Meinung  be- 
zeichnet dagegen  der  Helm  den  Perikles  als  „Oberfeldherm 
von  Athen,  denn  die  Würde  des  Strategen,  welche  er  eine 
Keihe  von  Jahren  nach  einander  bekleidete,  war  die  eigent- 
liche Basis  jener  Macht,  mit  welcher  er  das  ganze  Staats- 
wesen beherrschte''.  Indessen  ist  die  Bemerkung  über  den 
etwas  langen  Kopf  nach  dieser  durch  Inschrift  beglaubigten 
Büste  nicht  unbegründet,  es  kann  daher  Plutarch's  Meinung 
wohl  richtig  sein,  zumal  da  der  Helm,  der  nach  allen  Ana- 
logien als  Abzeichen  eines  kriegerischen  Mannes  gefasst 
werden  muss,  für  Perikles,  dessen  Verdienste  doch  vorwiegend 
auf  andern  Gebieten  liegen,  nicht  recht  passend  erscheint. 

Der  Charakter  des  Kopfes  lässt  weniger  auf  einen  ener- 
gischen Willen  und  Thatkraft  schliessen,  als  auf  zartere, 
idealere  Neigungen.  Sehr  ausdrucksvoll  ist  «üe  leise  Neigung 
zur  Seite,  die  gerade  sehr  zu  dem  angegebenen  Charakter 
beiträgt 

Die  Nachwirkungen  des  alterthümlichen  Stils  sind  noch 
deutlich  sichtbar  in  den  Augen,  dem  kurz  gelockten  Haupt- 
haar und  dem  flach  anliegenden  Bart,  auch  stehen  die  Ohren 
noch  zu  hoch.  Aus  diesem  Grunde  kann  die  Büste  oder 
wenigstens  ihr  Original  nur  dem  fünften  Jahrhundert  ange- 
hören und  zwar,  da  sie  den  Perikles  bereits  in  reiferem 
Mannesalter  darstellt,  nur  der  Mitte  oder  zweiten  Hälfte 
desselben.  Nun  aber  wissen  wir,  dass  ein  Künstler  dieser 
Zeit,  Kresilas,  eine  Statue  des  Perikles  bildete,  und  kennen 
diesen  Künstler  auch  aus  einem  Werk,  einer  sterbenden 
Amazone,  die  ebenfalls  nicht  undeutliche  Spuren  alterthüm- 
lichen Stils  an  sich  trägt,  es  erscheint  daher  gerechtfertigt, 
wenn  wir   das  Original    dieses  Werks   auf  Kresilas   zurück- 


*  Im  Niobidensaal  n.  75. 


Statuarische  Werke.  125 

fähren.  .  Plinius  bemerkt  mit  Beziehung  anf  das  Werk  des 
Kresilas^  dass  die  Porträtbüdnerei  edle  Männer  noch  edler 
mache.  Dies  Wort  ist  sehr  bezeichnend  für  die  Porträts 
der  älteren  Zeit;  besonders  für  das  vorliegende.  Das  Indi- 
viduelle des  Gesichts  wird  früher  weniger  hervorgehoben;  als 
später^  wie  z.  B.  die  Wangen  dieses  Eopfes;  wo  sich  in  der 
Natur  Forchen  nnd  Falten  zeigen  and  individuellen  Ausdruck 
bewirken;  ganz  glatt  sind. 

Abg.  bei  Stuait  Antiqiüt.  of  Athens  II  o.  5.  Vaux  haiidbook  to 
ihe  British  museum  n.  91  p.  199.  Der  vatikanische  Perikleskopf  (Vis- 
conti Icon.  gr.  I,  15)  geht  auf  dasselbe  Original  zurück,  ist  aber  weniger 
irea  im  Stil,  derjenige,  den  man  in  München  zu  besitzen  glaubt  (Schorn 
Catalog  zur  Glyptothek  n.  158.  Müller  Handb.  §.  420,  6)  ist  gar  kein 
Perikles.    Vgl.  Archaeol.  Ztg.  1860  p.  40. 

104.  105.  Colosse  von  Monte  Cavallo*,  Marmor- 
btatnen  auf  dem  Quirinal  in  Rom^  der  von  ihnen  Monte 
Cavallo  genannt  ist. 

Früher  standen  diese  Colosse  vor  den  Thermen  des  Con- 
KtantiO;  worüber  die  Inschrift,  die  ihnen  bei  der  Versetzung 
gegeben  wurde,  Auskunft  giebt  Sie  lautet:  Sixtus  V.  pont. 
max.  colossea  haec  signa  temporis  vi  deformata  restituit  ve- 
teribttsque  repositis  inscriptionibus  e  proximis  constantianis 
thermis  in  quirinalem  aream  transtulit  anno  salutis  MDLXXXIX,. 
pontificatus  quarto.  Die  Restaurationen,  die  in  diesen  Worten 
angedeutet  sind,  betreffen  hauptsächlich  die  Pferde,  nament- 
lich das  dem  Phidias  zugeschriebene,  an  welchem  nicht  viel 
mehr  als  der  Kopf  und  die  linke  Seite  alt  sind.  Die  In- 
'^chriften,  welche  der  Papst  für  die  neue  Aufstellung  von  den 
alten  copiren  liess,  befinden  sich  an  den  (hier  nicht  vorhan- 
•lenen)  Fussgestellen  und  zwai*  ist  die  Figur,  welche  ihr  Pferd 
an  der  Linken  führt,  als  OPVS  PHIDIAE,  die  andere  als 
OPVS  PRAXITELIS  bezeichnet. 

Ueber  die  ursprüngliche  Aufstellung  der  Figuren  hat 
•ler  schwedische  Bildhauer  Fogelberg  einen  ausserordentlich 
genauen  und  überzeugenden  Bericht  gegeben,  der  diese  viel- 
besprochene Frage  zum  Abschluss  gebracht  zu  haben  scheint. 
Zonächst  nämlich  ist  klar,  dass  die  Figuren  nicht  von  allen 
Sdten  frei  standen,  denn  betrachtet  man  die  Rückseiten  der- 
selben, so  bemerkt  man  an  vielen  Stellen  rohe,  unbearbeitete 

•  Im  Treppenhaus  n.  187.  188. 


126  Statiiari«ch(»  Worke. 

Massen;  die  man  überall  sehen  würde ^  wenn  sie  nicht  zum 
Theil  dorch  die  Ergänzung  verdeckt  wären.  Zunächst  ist  die 
hintere  Hälfte  des  Harnisches  neben  der  Figur  des  Phidias 
ergänzt;  man  bemerkt  aber  noch  an  der  Stelle^  wo  oben  die 
Restauration  ansetzt;  eine  rohe  Masse;  die  annehmen  lässt; 
dass  die  Hinterseite  dieses  Harnisches  ursprünglich  ganz  so 
aussah;  wie  diejenige  des  anderen.  Ausserdem  sind  die  innem 
Seiten  der  PferdC;  die  ursprünglich  nicht  ausgearbeitet  waren 
und  nicht  ausgearbeitet  sein  sollten;  ergänzt.  Man  sieht  dies 
besonders  deutlich  an  dem  Pferde  des  Praxiteles,  wo  an  der 
BasiS;  an  der  Innern  Seite  des  stützenden  Pfeilers  und  an 
dem  innem  Hinterbein  die  rohe  Masse  stehen  geblieben;  am 
Bauch  aber  durch  die  Restauration  verdeckt  ist;  die  gerade 
an  der  Stelle  beginnt,  wohin  die  rohe  Masse  treffen  würde, 
wenn  man  sie  sich  fortgesetzt  denkt.  Ursprünglich  also 
waren  die  Innern  Seiten  der  Pferde  und  ihrer  Lenker  nicht 
bestimmt;  gesehen  zu  werden.  Die  Figuren  standen  wie  Haut- 
reliefs an  einer  Wand,  worauf  auch  ihre  dem  Relief  ent- 
sprechende Stellung  und  noch  ein  besonders  schlagender  Grund 
hinweist.  An  der  Statue  des  Phidias  ist  nämlich  zwischen 
dem  linken  Bein  und  dem  herabhängenden  Grewand  eine  glatte 
Fläche,  ein  Stück  eines  Hintergrundes  stehen  geblieben,  ebenso 
unter  dem  Gewände  des  andern,  ja,  an  dieser  füllte  die  Fläche, 
wie  man  sich  aus  den  Verletzungen  an  der  hintern  Seite  des 
Beines  überzeugen  kann,  den  ganzen  Raum  zwischen  den 
Beinen  aus  und  die  Stütze  ist  nur  ein  Rest  derselben,  den 
der  Restaurator  stehen  liess.  Die  Figuren  standen  also  wie 
Relieffiguren  auf  einem  Hintergrunde.  In  die  Schulterblätter 
beider  Statuen  sind  kreisrunde  Marmorstücke  eingesetzt,  ge- 
wiss um  die  Löcher  zuzudecken,  die  zur  Befestigung  an  der 
Wand  dienten,  vor  welcher  die  Figuren  aufgestellt  waren. 
Alle  diese  Restaurationen  sind  offenbar  veranlasst  durch  die 
veränderte  Aufstellung;  sollten  die  Gruppen  von  allen  Seiten 
freistehen,  so  musste  die  rohe  Masse  der  inneren  Seiten  mög- 
lichst verdeckt  werden. 

Gegen  die  Meinung,  die  auöh  jetzt  noch  von  Künstlern 
getheilt  wird,  dass  die  Pferde  der  beiden  Figuren  vertauscht 
werden  müssten,  weil  ein  am  Zügel  geführtes  Pferd  den  Kopf 
nach  dem  Zügel  hinrichte,  bemerkt  Fogelberg,  das  sei  voll- 
kommen richtig  bei  gezähmten  Pferden,  aber  hier  habe  der 
Künstler,  wenn  nicht  durchaus  ungebändigte,  so  doch  sehr 
feurige  Thiere  bilden  wollen,  jedenfalls  aber  setze  die  Kraft- 


Statuarische  Werke.  127 

aDwendong  des  Mannes  einen  entsprechenden  Widerstand  des 
Pfi^es  voraus.  Auch  würde  bei  einer  Vertauschung  der 
Pferde  gerade  die  rohe,  unbearbeitete  Seite  derselben  nach 
«issen  kommen. 

Fogelberg  setzt  nun  die  Golosse  als  Hautreliefs  an  den 
Eingang  eines  Gebäudes  und  zwar  so,  dass  die  Ecken  des- 
selben in  die  Winkel  hineinstossen,  den  Mensch  und  Thier 
mit  einander  bilden.     Vor  dem  Eingange  stehend,  sah  man 
daher  die  Pferde  in  der  Vorderansicht  und  neben  ihnen  im 
rechten   Winkel,   wie    es    der  Wirklichkeit   entspricht,    ihre 
Lenker,  in  den  Eingang  hineingehend  aber  passirte  man  die 
Pferde  ihrer  Länge  nach.     Es  ist   daher  die  jetzige  Zusam-  * 
nenstelhing  von  Pferd  und  Lenker  im  Wesentlichen  richtig, 
rar  moss  das   erstere  etwas  mehr  zurückgeschoben   werden, 
schon  deswegen,   weil  die  Vorderbeine  zu   weit  vorspringen. 
Noch  mehr  wird  dies  durch  folgenden   Umstand  empfohlen. 
Die  Pferde  werden   durch  Pfeiler  gestützt,  von  welchen  der- 
jenige unter   dem  Pferd    des    Praxiteles  eine  Basis  hat,  an 
welcher  die  rechte  Seite  ganz  fehlt.    Dies  kann  ursprünglich 
nicht  so  gewesea  sein,  Fogelberg  meint  daher,  das  Piedestal 
mOsse  zunächst   bis   an   die  Grrenze  der  Basis  des  Lenkers 
zarftckgeschoben,  dann  aber  etwas  einwärts  gerückt  werden, 
sodass  das  an  der  Basis  desselben  fehlende  Stück  durch  das 
rechte  Bein  des  Lenkers  verdeckt  würde.    Den  jetzt  leeren 
Winkel  am  Zusammenstoss  der  Basen  von  Pferd  und  Lenker 
haben  i^ir  uns  ursprünglich  gewiss  ausgefüllt  zu  denken. 

Denken   Yivc  uns    die  Figuren   also    am   Eingang   eines 

grossen   Gebäudes   aufgestellt,   so    stehen   sie   wie   kolossale 

Thorwächter  da  und  dieser  Function  entspricht  sehr  gut  ihre 

Bedeutung.    Denn  es  sind  Statuen  der  Dioskuren.     Als  solche 

werden  sie  zunächst  durch  ihre  Attribute  bezeichnet,  sie  trugen 

in  den  Händen,  die  nicht  den  Zügel  hielten,  Speere,  wie  aus 

dem  Gestus  derselben  hervorgeht,  und  auf  ihren  Köpfen  siml 

Löcher   zurückgeblieben,   die   nur  zum  Einsetzen  metallener 

Sterne,  dem  Abzeichen  der  Dioskuren,  dienen  konnten.    Auch 

im  Uebrigen  entsprechen  sie  dem  Typus  dieser  Götter,  die 

wir  gewöhnlich  als  rüstige  Jünglinge  zu  Pferde  und  mit  Lanzen 

bewaffiiet   finden,  und  der  Ausdruck  des  Kopfes,  namentlich 

aber   die    über   der  Stirn    emporsteigenden  Haare  charakte- 

lisiren  sie  wie  schon  Winckelmann  bemerkte,  als  Söhne  des 

Zeus.     Es    sind   uns  aber  mehrere  Beispiele  bekannt,   dass 

die  Zwillingsbrüder  als  Thürhüter  an  den  Eingang  von  Ge- 


128  Statuarische  Werke. 

bänden  gesetzt  wurden,  wovon  der  Grund  wohl  in  dem  ritter 
liehen  und  kriegerischen  Charakter  der  Jünglinge  gesuch 
werden  muss. 

Die  Pferde  sind  im  Verhältniss  zu  ihren  Lenkern  zu 
klein,  was  aus  dem  schon  erwähnten  Princip  der  alten  Kunst  er- 
klärt werden  kann,  die  Hauptfiguren  selbst  auf  Kosten  der 
Naturwahrheit  hervorzuheben.  Hier  war  es  indessen  schon 
wegen  der  architectonischen  Verwendung  nothwendig,  zwischen 
Pferd  und  Lenker  ein  Gleichgewicht  der  Masse  herzustellen. 

Die  Figuren  entsprechen  sich  in  ihrem  Stil,  doch  wird 
man  der  Figur  des  Phidias  den  Vorzug  geben  müssen.  Zum 
Theil  freilich  rührt  die  geringere  Wirkung  der  andern  da- 
her, dass  die  Basis  derselben  sich  nach  dem  rechten  Fuss 
hin  senkt,  wodurch  die  Bewegung  weniger  kräftig  und  aus- 
drucksvoll wird.  Aber  auch  abgesehen  von  diesem  Mangel^ 
der  nur  den  Restaurator  angeht,  von  welchem  der  grösste 
Theil  der  Basis  herrührt,  ist  namentlich  in  den  Köpfen  und 
in  der  Anordnung  der  Gewänder  ein  erheblicher  Unterschied. 
Der  Kopf  des  dem  Phidias  zugeschriebenen  Dioskur  ist  weit 
kräftiger  und  lebendiger,  der  des  andern  schwächer  und  mas- 
kenartiger, und  die  Gewandung  des  ersteren  fliesst  in  einfachen^ 
grossen  Linien  herab,  während  das  Gewand  des  anderen  um  den 
gesenkten  Arm  herumgesteckt  ist  und  einen  grossem  Eeichthum 
an  Detail  entwickelt,  der  dem  Eindruck  des  einfach  Grossen 
und  Erhabenen  nicht  günstig  ist.  Es  war  dies  freilich  schwer 
zu  vermeiden,  denn  da  das  Gewand  nur  am  linken  Arm  ge- 
tragen werden  kann,  um  die  freie  Bewegung  des  rechten  nicht 
zu  hindern,  so  konnte  der  Künstler  in  diesem  Zusammenhang 
auf  keine  Weise  die  grossen  und  einfachen  Linien  gewinnen^ 
die  an  dem  andern  so  schön  wirken. 

Neben  den  Figuren  stehen  Harnische  von  entschieden 
römischer  Form.  Die  Ausdehnung  des  Brustpanzers  über  die 
Bauchpartie  ist  wenigstens  den  griechischen  Panzern  früherer 
Zeit  fremd  und  ganz  fremd  sind  den  griechischen  Panzern 
die  troddelartigen  Tressen  über  den  Schultern  und  an  den 
unter  dem  eigentlichen  Harnisch  befindlichen  Lederstreifen. 
Hieraus  geht  unzweifelhaft  hervor,  dass  diese  Statuen  erst  in 
römischer  Zeit  verfertigt  sind,  aber  ebenso  unzweifelhaft,  dass 
sie  nicht  Originalwerke  sind.  Denn  die  Harnische  haben 
durchaus  keinen  andern  Zweck,  als  den  äusserlichen,  den 
colossalen  Figuren  eine  entsprechende  Stütze  zu  geben,  sie 
sind  im  Uebrigen  ohne  allen  Zusammenhang  mit  der  Figur 


^^ 


Statuarische  Werke.  129 

und  widersprechen  der  gewöhnlichen  Darstellung  der  Dioskuren 
als  nackter,  nur  mit  einem  Mäntelchen  bekleideter  Jünglinge. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Originale  von  Bronce 
waren  und  dass  eben  erst  bei  der  Uebertragung  in  Marmor 
die  stützenden  Harnische  hinzugefügt  wurden.  Die  Köpfe 
haben,  wie  der  erfahrene  Bildhauer,  Martin  Wagner,  bemerkt, 
ganz  den  Stil  broncener  Arbeiten,  die  Nasenflügel  sind  sehr 
dünn  und  die  Haare  ziemlich  drahtartig  gearbeitet. 

und  welcher  Zeit  sind  die  Originale  zuzuschreiben  ?  Die 
lateinischen  Inschriften,  die  von  Werken  des  Phidias  und  Pra- 
xiteles reden,  können  schwerlich  auf  Autorität  Anspruch 
machen,  die  Namen  des  Phidias  und  Praxiteles,  an  welche 
sich  der  Glanz  griechischer  Kunst  knüpfte,  scheinen  nur  als 
Repräsentanten  höchster  Kunst,  die  man  in  diesen  Werken 
bewunderte,  hinzugefügt.  Andererseits  aber  dürfen  wir  die 
Originale  dieser  Colosse,  welche  durch  die  Meister  der  neue- 
sten Kunst,  Canova,  Carstens  und  Thorwaldsen,  wieder  zu 
Ehren  gebracht  und  Werke  der  Bewunderung  und  Nacheife- 
rung geworden  sind,  gewiss  in  die  Blüthezeit  griechischer 
Kunst  setzen.  Man  hat  auf  die  mit  der  Figur  des  Phidias 
übereinstimmende  Bewegung  eines  Jünglings  an  d^  Westseite 
des  Parthenonfrieses  aufmerksam  gemacht,  doch  könnte  diese 
üebereinstimmung  zufällig  sein.  Wir  gestehen  unser  Schwan- 
ken zwischen  dem  fünften  und  vierten  Jahrhundert,  denn 
später  sind  die  Originale  gewiss  nicht  entstanden.  Der  Zeit 
des  Phidias  entspricht  allerdings  die  grossartige  Auffassung, 
andererseits  erinnern  uns  die  Köpfe  mit  ihrem  freien,  leben- 
digen Ausdruck  und  die  Behandlung  des  Haares  an  die  Zeit 
des  Lysippus. 

Die  Figuren  der  Dioskuren  sind  je  aus  einem  Marmor- 
block gemacht.  An  dem  Kinn  des  dem  Phidias  zugeschriebe- 
nen ist  ein  Messpunkt  stehen  geblieben. 

Das  Beste,  was  über  die  Colosse  von  Monte  Cavallo  geschrieben, 
ist  die  Abhandhing-  des  schon  im  Text  genannten  Bildhauers  Fogeiberg 
in  den  Annah  1842  p.  194  ff.,  von  drei  erläuternden  Abbildungen  be- 
gleitet. Die  übrige  Literatur  führt  Welcker  an,  Akadeni.  Museum  zu 
Bonn  2.  Aufl.  p.  133  ff.  und  bemüht  sich  zugleich,  die  V(ui  den  Meisten 
gebilligte  und  zuerst  von  Visconti  ausgesprochene  Vermuthung  zu  be- 
weisen, dass  den  Statuen  griechische  Originale  der  besten  Zt*it  zu  Grunde 
liegen.  Nur  kann  ich  das  nach  Gerhard's  Vorgang  aus  dem  Ausdmck 
des  Plinius  „fecit  (Phidias)  et  alterum  colossicon  nudum"  hergenommene 
Argument  für  Phidias  nicht  anerkennen,  vgl.  0.  Jahn  in  den  Ber.  d. 
Sachs,  (jesellsch.  d.  Wiss.  1858  p.  115.  Auch  scheint  mir  Welckers 
Vermuthung,   dass  die  Dioskuren  als  Götter  des  Ein-  und  Ausgangs  an 

Frioderichs,  g^ech.  Plastik.  9 


130  Tempelsciilpturen. - 

den  Thüren  aufgestellt  seien,  die   er  in  seiner  Götterlehre  2,  430  wie- 
derholt, problematisch. 

B.  Tempelscolptoren. 

106 — 109.  Metopen  von  Olympia*.  Aufgefunden  im 
Jahr  1829  in  den  Ruinen  des  Zeustempels  zu  Olympia  und 
von  da  nach  Paris  versetzt.  Die  Entdecker  sind  die  Fran- 
zosen Dubois  und  Blouet,  die  Leiter  der  wissenschaftlichen 
Commission,  welche  die  militärische  Expedition  der  Franzosen 
begleitete.  Alle  bedeutenderen  Stücke  sind  im  hinteren  Theil 
des  Gebäudes  gefunden. 

Pausanias  bemerkt  in  seiner  Beschreibung  des  Zeustem- 
pels von  Olympia,  dass  sich  daran  auch  die  meisten  der  He- 
raklesthaten  befänden,  und  zwar  über  den  vordem  Thüren 
des  Tempels  die  Abenteuer  mit  dem  erymanthischen  Eber^ 
mit  den  Rossen  des  Diomedes,  mit  Geryon,  mit  Atlas  und 
die  Reinigung  des  Augiasstalles,  über  den  hinteren  Thüren 
aber  der  Kampf  gegen  die  Amazone,  der  Fang  der  Hirsch- 
kuh und  des  kretischen  Stiers,  die  Erlegung  der  stymphali- 
schen  Vögel,  der  Hydra  und  des  nemeischen  Löwen.  Von 
diesen  Darstellungen  ist  fast  ganz  vollständig  erhalten  das 
Abenteuer  mit  dem  Stier.  Wir  sehn  den  Helden  mit  der 
Linken  den  Kopf  des  Thieres  am  Hörn  packen  und  herum- 
reissen,  während  er  in  der  Rechten  drohend  die  Keule  empor- 
hob. Die  höchst  lebendige  Darstellung  ist  in  späterer  Zeit 
nicht  ohne  Nachahmung  geblieben.  Femer  ist  von  dem  Lö- 
wenkampf wenigstens  soviel  erhalten,  um  sich  die  Darstellung 
im  Allgemeinen  vergegenwärtigen  zu  können.  Das  Vorder- 
und  Hintertheil  des  Löwen  nämlich  sind  erhalten  und  hier 
im  Abguss  durch  Einschiebung  eines  vielleicht  etwas  zu  kurzen 
Stückes  verbunden.  Auf  jenem  bemerkt  man  einen  rechten 
Fuss,  an  diesem  vor  dem  Hinterbein  des  Löwen  ein  linkes 
männliches  Schienbein  und  hinter  demselben  den  Rest  einer 
Keule,  man  denke  sich  also  den  Herakles  auf  dem  besiegten 
Thiere  stehend,  die  Linke  auf  die  Keule  stützend.  Sodann 
hat  sich  ein  grösseres  auf  den  Kampf  mit  dem  dreileibigen 
Geryon  bezügliches  Fragment  erhalten,  das  an  der  Vorder- 
seite des  Tempels  gefunden  ist.  Das  linke  Schienbein  des 
Herakles   tritt   gegen    den   Leib   des   Geryon,    dessen   Kopf 


*  Im  Treppenhaus  n.  32 — 35. 


^* 


I  Tempelsculptureu.  131 

gesenkt  ist,  vermuthlich  weil  sein  Gegner  ihn  am  Kopf 
gefasst  hatte  und  niederdrückte.  Es  war  ein  Moment  des 
leidenschaftlichsten  Kampfes  gewählt^  doch  so^  dass  der  Sieg 
des  Herakles  nicht  zweifelhaft  war.  Geryon  war  gewiss,  wie 
überall  auf  den  altem  Monumenten,  als  ein  dreifacher  Mann 
dargestellt,  während  in  späterer  Zeit  die  Unform  von  drei 
aas  einem  Unterleib  herauswachsenden  Oberkörpern  vorkommt. 
Man  erkennt  dies  auch  auf  dem  Fragment.  Denn  unter  dem 
vollständig  erhaltenen  runden  Schild,  der  die  dahinter  betind- 
liche  Figur  ganz  verdeckt  —  es  ist  eine  naive  Eigeuthüm- 
lichkeit  des  altem  Stils,  besonders  der  Vasenbüder,  die  Krie- 
ger so  zu  stellen,  dass  sie  den  Schild  nach  aussen  kehren 
und  dadurch  sich  fast  ganz  für  den  Betrachtenden  verdecken 
—  kommt  noch  ein  Stück  eines  zweiten  Schildes  zum  Vor- 
schein, der  nur  einem  zweiten  von  den  drei  Männern  ange- 
hören konnte,  aus  denen  Geryon  bestand.  Der  erhaltene,  an 
der  Vorderseite  gefundene  Pferdekopf  gehörte  wohl  in  das 
Abenteuer  mit  den  Rossen  des  Diomedes. 

Endlich  ist  noch  —  von  kleineren  Fragmenten,  die  hier 
nicht  vollzählig  sind,  abgesehn  —  eine  auf  einem  Felsstück 
sitzende  Frau  erhalten,  welche  wahrscheinlich  die  Pallas  vor- 
steUt.  Die  Figur  hat  zwar  einen  naiv  mädchenartigen  Cha- 
rakter, der  für  Pallas  nicht  ganz  geeignet  zu  sein  scheint, 
aber  in  der  Kunststufe  des  W^erks  seine  Erklärung  lindet. 
Pallas  ist  deutlich  charakterisirt  durch  das  ausgezackte,  der 
Aegis  genau  entsprechende  Fell,  das  wir  uns  gewiss  bemalt 
zu  denken  haben  in  ähnlicher  Weise  wie  au  der  Göttin  des 
iginetischen  Tempels.  Es  ist  ausserdem  nach  der  Praxis  der 
ganzen  altem  Kunst  nur  Pallas,  die  wir  bei  den  Kämpfen  des 
Herakles  anwesend  finden,  während  auf  späteren  Werken  eine 
Ortsnymphe  hinzutritt,  welche  Andre  hier  erkennen  wollen, 
hß  Sitzen  auf  einem  Felsen  ist  allerdings  für  solche  Wesen 
charakteristisch,  indess  doch  auch  an  der  Pallas  als  ein  naiver 
Zag  verständlich,  die  Göttin  schaut  rahig  dem  kämpfenden 
Heros  zu.  In  der  Rechten  scheint  sie  etwas  gehalten  zu 
^ben,  der  Speer  passt  vortrefflich  hinein.  Welcher  Aktion 
des  Herakles  sie  zusah,  ist  nicht  mit  Sicherheit  anzugeben, 
jedenfalls  einer  solchen,  wo  die  Gruppe  des  kämpfenden  Hel- 
den nicht  viel  mehr  als  den  Raum  einer  einzelnen  Figur  ein- 
'Äiun,  weil  sonst  die  Platte  zu  breit  werden  würde.  Es 
^de  beispielsweise  die  alterthümliche  Grappe  des  Herakles 
out  der  Hirschkuh,  die  wir  oben  besprachen,  nach  ihrer  Com- 

9* 


V  • 


132  Tempelsculptui-en.  f 

Position  sich  sehr  wohl  mit  diesem  Fragment  zu  einem  Gan- 
zen zusammenschliessen.  Andre  Bruchstücke  weiblicher  Fi- 
guren lassen  schliessen,  dass  die  Pallas  nicht  bloss  in  einem 
Abenteuer  vorkam. 

Dass  diese  Relieftafeln  zur  Ausfüllung  von  Metopen 
dienten,  unterliegt  keinem  Zweifel,  schon  die  Art  des  Reliefs 
führt  darauf.  Der  Löwe  nämlich  mit  seinem  stark  vorsprin- 
genden Relief  setzt  nothwendig  die  Flankirung  durch  vor- 
springende Triglyphen  voraus,  er  würde  sehr  hässlich  und 
stillos  erscheinen,  wenn  er  nicht  in  die  Vertiefung  der  Metope 
zurückwiche.  Ob  aber  die  Tafeln  sich  in  den  innem  Me- 
topen über  dem  Pronaos  und  Opisthodom,  oder  in  den  äussern 
des  Peristyls  befanden,  ist  noch  nicht  ausgemacht.  Gewöhn- 
lich nimmt  man  das  erstere  an,  aber  der  Text  des  Pausanias 
führt  bestimmt  auf  die  letztere  Annahme. 

Es  folgt  schon  aus  dieser  Bestimmung  der  Reliefs,  ein 
Schmuck  der  Architektur  zu  sein,  eine  wenigstens  theilweise 
Bemalung  derselben.  Der  Stier  ist  noch  jetzt  ganz  braunroth, 
der  Löwe  gelblich,  auch  der  Schild  des  Geryon  war  schwer- 
lich ohne  Farbe  und  deutlich  zeigen  die  glatten  Köpfe,  dass 
die  Haare  durch  Malerei  ausgedrückt  waren.  Man  will  aber 
auch  am  Nackten  des  Herakles  bei  der  Ausgrabung  Spuren 
braunrother  Farbe  entdeckt  haben. 

Die  Reliefs  scheinen  ungefähr  um  die  Zeit  entstanden 
zu  sein,  als  Phidias  für  den  Tempel  arbeitete,  an  dem  sie 
sich  befanden,  d.  h.  um  Ol.  86.  Dieser  verfertigte  bekannt- 
lich die  Goldelfenbeinstatue  des  Zeus  im  Innem  dieses  Tem- 
pels und  sein  Schüler  Alkamenes  die  Giebelgruppe  an  der 
hintern  Seite.  Es  ist  aber  unwahrscheinlich,  dass  man  den 
entbehrlichen  Schmuck  des  Aeussern  vor  der  für  das  Innere 
bestimmten  Statue,  durch  welche  der  Tempel  erst  benutzbar 
wurde,  habe  anfertigen  lassen.  Viel  früher  als  Ol.  86  können 
demnach  die  Reliefs  nicht  entstanden  sein,  aber  auch  nicht 
viel  später  wegen  der  mannigfachen  Spuren  des  alterthüm- 
lichen  Stils,  z.  B.  in  dem  strengen  Faltenwurf  der  Pallas  und 
in  dem  Gesichtsausdruck  des  den  Stier  bändigenden  Herakles, 
wo  auch  das  Lächeln  noch  nicht  ganz  geschwunden.  ^ 

Man  könnte  glauben,  die  Werke  rührten  von  einem  at- 
tischen Meister  her,   einem  Schüler   des  Phidias,   da  dieser' 
eine  so  hervorragende  Rolle  bei  der  bildnerischen  Ausstattung 
des  Tempels  spielte.     Indessen  sind  sie  durchaus  verschieden 
von  attischer  Art.     Sie   haben   etwas  Schweres  und  Derbes^ 


« 


Tempelsculptureii.  .133 

—  auch  die  Pallas  ist  bei  aller  natürlichen  Anmuth  etwas 
schwerfällig  und  auffallend  einfach  — ^  was  den  attischen 
Werken  dieser  Zeit  nicht  eigen  ist.  Verniuthlich  sind  sie 
von  einem  einheimischen  Künstler  verfertigt,  es  ist  glaublich, 
dass  die  Eleer  wenigstens  für  die  untergeordneten  Werke 
einheimische  Künstler  zu  beschäftigen  wünschten.  Die  Archi- 
tektur des  .Tempels  war  auch  einem  solchen  übertragen. 

Abgr.  in  der  Expedit,  soieiitifique  de  la  Moree  I  ])1.  74  —  78.  Cia- 
rar rausee  de  sculpt.  II,  195  B  und  Müller- Wieseler  1,  30.  Ueber  ^i^w 
Fund  lind  seine  Ergebnisse  giebt  Lenormant  im  Bulleti.  d.  inst.  1832 
I».  17  ff.  genaue  Notizen. 

Die  Bestimmung   der  Reliefs  zu   Metopentafeln    zeigt   i^loiiet    Ann. 

IV  j».  212  ff.;  dass  sie  die  innern  Metopen  schmüekten,  wird  aber  von 

ihm  nicht   bewiesen.     Pausanias,   nachdem   er  die   Statuen   in   den  Gie- 

bdfddern   besehrieben,   fiihrt   darauf  (V,   10,   9)  so   fort:  „6(JT«   rfe   iv 

\)Xrfjini(f  xal  "^HgaxXtovQ  tä  noXXä  twv  hQywv^  vnho  fihv  tov  vaov 

mnoirixai  xwv  d-v^wv  tj  i^  'AQxaöiaq  o.vQa  tov  voc,  xal  xh  n^bg 

JiOfti^StjV  xbv  SQüxa  xal  iv  ^EQvH-sifi  nQoq  PtjQvovt^v,  xal  ^Axkav- 

tog  Tf  xö  ipoQtißa  ixöaxsai^ai  uiXkoßv  xal  xtjg  xotiqov  xa^aiQwv 

xiiv  ytfV  iaxlv  Hkeloig,  i';re()  6e  xov  oTiio&oöofiov  x(ov  &v()aiv  xov 

tfüOxTiQog  xr^v  ^AfjLalCfOva  iaxlv  dtpaiQOVfjiavog  xal  xa  ig  r/)v  i'Acf- 

fov  xal  xbv  iv  Kvcttatp  xav^ov  xal  OQVid^ag  xag  inl  ixvfi^tjkio 

xul  ig  i'Spav  xe  xal  xbv  iv  xy  yy  xy  ^ÄQyeici  Xtovxa.     Tag  S-v^ag 

6h  tgiovxt    xäg  x'^'kxäg    eaxiv   iv   öe^ia   n^b  xov  xt'ovog  ^Itpixog 

vnh  yvvaixbg    axs<pavovf4jEvog  ^ExexsiQiag ,    <i)g   xb    iXeyelov   xb 

h'  avxolg  (prjoiv.  saxtjxaoi   6h  xal  ivxbg  xoi'  vaov  xioveg  xxX. 

Au>  (loii  Worten  xag  d-v^ag  xxX.  geht  hervor,  dass  mit  diesen  Thüreu 

•lie  das  IVristy!   verschliessenden   gemeint   sincl,   ch'un,   sagt  Pausanias, 

wenn  man   in   sie  hineingeht,   so   trifft  man  vor  der  Säule  zur  Rechten 

♦■ine  Statue,   mit    dieser  Säule   aber   kann   nur   eine   Säule   des  Pronaos 

gemeint  sfcin.     Verstände   er   imter  den  Erzthiiren  Thüreu  des  Pronaos, 

wo  IM  dann  die  Säuh',   vor   welcher  man  beim  Eintritt  in  die  Thiir  die 

SiÄtne  bemerkt?    Eiiu*   Säule   im -Innern    der  Cella   kann   nicht   gemeint 

i^in,  weil  er  erst    mit  den  folgenden  Worten  eottjxaoi  dh  xal  ivxbg 

Tof  vaov  xioveg   die  Cella   berührt  und  die  Säulen  derselben  von  den 

ansserhalb  derselben  befindliehen  unterscheidet.     Die  Erzthüren  also  sind 

die  Thnn-n  <les  Peristyls,    es   sind   eben   die,    von  denen  er  sagt  vn^Q 

tof  vaov  xwv  d-VQwv,  (nicht  xov   TiQoSofiov).      Zudem    muss    nach 

dtra  Zusammenhang,   da  Pausanias  eben  von  dem  am  Aeussern  befind- 

Inheu  Schmuck   des  Giebels  gesprochen,  seine  unmittt^lbar   ohne   irgend 

welche  Bemerkung  sich  anschliessende  Beschreibung  des  über  der  Tem- 

Hthür  Befindlichen  auch  auf  den  Sclnuuck  des  Aeussern  bezogen  wer- 

^%  man  würde  eine  orientirende  Bemerkung  vermissen,  wenn  sie  sich 

'»uf  das  Innere  bezöge.    Pausanias  also  sah  in  den  äussern  Metopen  des 

T'-nipelh  die  „meisten"  Heraklesthaten  dargestellt,    nämlich  die  elf,    die 

T  namemli<'h  auffuhrt.     Warum  es  nicht  zwölf  waren,  sucht  Forchham- 

'"**''  im  Bnllet.  1832  p.  44  ansprechend   zu  erklären,   die   übrigen  Me- 

i"P^n  der  Schmal-,   vielleicht  auch  der  Langseiten  waren  wohl  mit  an- 

''^•ni  Darhtellungen   geschmückt.     Die  Ansicht  Forchhammer's  übrigV'us, 

***»»  diese  Reliefs   einen   fortlaufenden  Fries   i'iber  den  Säulen  des  Pro- 


134  Tempelsculpturen. 

naos  und  Opisthodom  g^ebildet  hätten,  ist  wohl  als  aufgegeben  zu  V 
trachten,  da  sich  ja  herausgestellt  hat,  dass  auch  die  innere  Ordni:». 
des  Tempels  dorisch  war. 

In  Welcker's  Abhandlung  (Akad.  Mus.  z.  Bonn  2.  Aufl.  p.  160 
wo  auch  die  weitere  Literatur  angegeben)  ist  ein  eigenthümliches 
sehen  zu  bemerken.  Vom  Löwen  nämlich  sind,  wie  im  Text  beme: 
2  Stücke  erhalten,  das  Vorder-  und  Hintertheil,  zwischen  denen  a 
ein  Stück  fehlt.  Das  Hintertheil  nun  nahm  Welcker  für  ein  besondc 
zu  einer  andern  Gruppe  gehöriges  Fragment  und  zwar  für  einen  „j 
schnitt  aus  dem  Oberkörper  einer  weiblichen  Figur,  unter  deren  gev^s 
sam  aufwärts  gedrängtem,  ganz  oben  abgebrochenem  Arm  eine  iii^a 
Masse  sichtbar  ist."  Es  begreift  sich,  dass  er  über  das  so  beschrieb»  e 
Fragment  keine  Auskunft  von  Paris  erhalten  konnte,  es  ist  dort  efc 
mit  dem  andern  Theil  des  Löwen  verbunden,  sowie  jetzt  auch  l"ti< 
während  Welcker  (p.  162)  es  hier  noch  unverbmiden  sah.  Stei/ie 
Ueber  den  Amazonenmythus  p.  84  will  die  auf  Geryou  bezügliche  Me 
tope  als  Kampf  des  Herakles  um  den  Schild  der  Amazone  deuten  in 
Widerspnich  mit  dem  Fragment  selber  und  mit  Pausanias. 

110 — 129.  Sculpturen  vom  Theseustejrapel*.  Es 
sind  uns  die  Reliefs  der  Metopen  und  des  innern  Frieses  er- 
halten und  noch  am  Tempel  selbst  befindlich.  Der  ersteren 
sind  aber  nur  achtzehn,  die  übrigen  fünfzig  Metopen  dieses 
Tempels  waren  ohne  plastischen  Schmuck,  denn  es  ist  keines- 
wegs Regel,  sondern  eher  Ausnahme,  dass,  wie  am  Parthenon, 
alle  Metopen  mit  Reliefs  verziert"  waren.  Jene  achtzehn 
Reliefs  befinden  sich  in  den  zehn  Metopen  der  vordem,  öst- 
lichen Seite  und  in  den  nächst  anschliessenden  vier  Metopen 
der  Nord-  und  Südseite  des  Tempels.  In  den  ersteren  sind 
Thaten  des  Herakles,  in  den  letzteren  des  Theseus  dargestellt 
Wir  besitzen  nur  eine  der  letzteren,  und  zwar  die  an  der 
östlichen  Ecke  der  Nordseite  befindliche,  die  aber  zu  den 
vorzüglichsten  zählt  *  * . 

Es  ist  nicht  bestimmt  anzugeben,  welche  That  des  The- 
seus hier  dargestellt  ist,  doch  wird  entweder  das  Abenteuer  mit 
dem  Keulenträger  Periphetes  oder  mit  Prokrustes  gemeint 
sein,  weil  diese  in  den  übrigen  sechs  auf  Theseus  bezüglichen 
und  sicher  zu  erklärenden  Metopen  nicht  vorkommen. 

Die  Handlung  ist  sehr  lebendig  und  charakteristisch 
vdedergegeben,  man  sieht,  dass  Theseus  seinen  Gegner  so  eben 
zu  Boden  geworfen  hat  und  ihn  nun  mit  der  Lanze  fast  nach 
Art  eines  wilden  Thiers  abthut.     Die  linke  Hand  des  Theseus 


*  Im  Saal    des   Farnesischen    Stiers    n.   22    und    im    Treppenhaus 
n.  B6— 54. 

**  Im  Saal  des  Farnesischeu  Stiers  n.  22. 


Tempelsculptnren.  135 

ist  erhalten  und  kann  nar  die  Lanze  geführt  haben^  die  rechte 

lag  unzweifelhaft  höher  am  Ende  des  Schaftes,  um  dem  Stoss 

mehr  Nachdruck  zu  geben.     Wundervoll   ist  der  Gegensatz 

zwischen  der  sichern  Kraft  des  Theseus  und  der  vollkommenen 

Hfllfslosigkeit  des  Gegners,  dessen  Beine  noch  in  der  Luft 

zappeln  und  dessen  Arme,  wenigstens  der  linke,  bemüht  waren, 

den    Todesstoss   abzuwehren.     Auch    der   Gegensatz    in    den 

Formen  ist  sprechend.   Theseus,  den  man  in  alter  Zeit  bärtig 

darstellte,    wie  Achill  und  selbst  Paris  und  Hyakinthos,  ist 

hier  bereits   der   kräftige,   aber   auch  schlanke   und   leichte 

Jüngling  der  späteren  Kunst,  der  als  Nationalheld  der  Athener 

fftr  das  Herpenideal  seines  Stammes  ebenso  bezeichnend  ist, 

ide  die  gedrungenere    Mannesgestalt    des   Herakles    für    die 

Dorier,  sein  Gegner  aber  ist  eine  derbere,  vollere  und  bärtige 

Figur.    Dem  Stil  nach  herrscht  in  Bewegungen  und  Formen 

die  vollste  Freiheit,  das  Gesicht  des  Unterliegenden  aber  hat 

noch  einen  durchaus  alterthümlichen  Charakter,  ein  Gegensatz, 

den  wir  aber  auch  noch  später  finden.    Die  Haare  sind,  wie 

an  den  Sculpturen  von  Olympia,  nicht  ausgeführt,  was  der 

Malerei  überlassen  blieb. 


Der  Fries*. 

Schon  in  der  Zeit  des  Perikles  war  an  den  dorischen 
Tempeb  die  Neuerung  eingeführt,  dass  nur  am  äussern  Fries 
der  dorische  Stil  festgehalten,  am  innern  aber  mit  dem  joni- 
«chen  vertauscht  wurde.  So  unter  andern  Beispielen  am 
Parthenon,  wo  aber  unter  dem  jonischen  Fries,  der  Cella  und 
Vorder-  mid  Hinterhaus  umgiebt,  noch  wie  eine  nicht  sehr 
sciiöne  Reminiscenz  des  dorischen  Stils,  die  Tropfenleisten 
beibehalten  sind.  Ebenso  finden  wir  am  Theseustempel  hinter 
dem  äussern  dorischen  Fries  einen  innern  jonischen  und  der 
Orund  dieser  Abweichung  von  dem  strengem,  altern  Doris- 
inus  liegt  gewiss  in  einer  Concession,  die  man  der  Plastik 
niachte.  Der  in  Trigl}'phen  und  Metopen  gesonderte  dori- 
sche Fries  ist  der  freien  Bewegung  der  Sculptur  nicht  so 
Wnstig,  wie  die  lange,  ungetheilte  Fläche  des  jonischen,  weil  er 
Künstler  zwingt,  immer  für  einen  bestimmten,  knappen 
1,  der  ihm  manches  versagt,  zu  coraponiren,  und  zudem 


•  Im  Treppenhaus  n.  36 — 54. 


136  Tempelsculpturen. 

gewinnt  das  Einheitliche  der  Composition,  wenn  die  einzelnen 
Gruppen  derselben  nicht  durch  Triglyphen  getrennt  sind,  son- 
dern auch  äusserlich  mit  einander  zusammenhängen. 

Der  Fries  des  Theseion  umgiebt  aber  nicht,  wie  der  des 
Parthenon,  das  ganze  innerhalb  des  Peristyls  befindliche  Ge- 
bäude, sondern  nur  über  der  Vorder-  und  Hinterseite  ist  ein 
Friesstreifen  angebracht,  jener  länger  als  dieser,  da  er  über 
die  Anten  hinübergreift,  während  dieser  von  ihnen  begrenzt 
wird.    Beide  Friese  befinden  sich  noch  am  Tempel  selbst. 


a)  Der  östliche  Fries. 

Zum  Verständniss  der  Composition  ist  es  nothwendig^ 
sich  die  architektonische  Eintheilung  des  gegebenen  Raums 
zu  vergegenwärtigen.  Gerade  über  den  Anten  des  Tempels 
befinden  sich  die  beiden  aus  je  drei  sitzenden  Figuren  be- 
stehenden Gruppen,  die  hinter  ihnen  stehenden  Figuren  er- 
strecken sich  von  den  Anten  nach  dem  Peristyl  zu,  die  zwi- 
schen ihnen  befindlichen  sind  über  den  beiden  Säulen  des 
Pronaos  angebracht.  Hierdurch  erklärt  sich  der  beim  ersten 
Anblick  befremdliche  Umstand,  dass  die  sitzenden,  dem  Kampf 
zuschauenden  Figuren  nicht,  wie  man  erwarten  sollte,  an  den 
äussersten  Ecken  der  Composition  ihren  Platz  haben,  wodurch 
die  zusammengehörenden  Mittel-  und  Eckgruppen  auch  äusser- 
lich verbunden  sein  würden,  sondern  dass  sie  mitten  hinein- 
gesetzt sind.  Der  Platz,  den  sie  an  den  äussersten  Ecken 
der  Composition  eingenommen  haben  würden,  war  nämlich 
einmal  ihrer  Würde  —  es  sind  Götter,  wie  wir  sehen  werden, 
—  nicht  angemessen,  ausserdem  aber  war  es  wünschenswerth, 
den  Ruhepunkt  der  Handlung,  den  diese  Gruppen  bezeichnen, 
mit  architektonischen  Ruhepunkten  zusammentreffen  zu  lassen. 
Zwischen  diesen  Göttergruppen  geht  die  Haupthandlung  vor 
sich,  hinter  ihnen,  auf  den  über  die  Anten  hinausgreifenden 
Stücken,  sind  in  Harmonie  mit  der  geringeren  Bedeutung 
dieses  Raums  Begebenheiten  dargestellt,  die  sich  zu  der 
Haupthandlung  wie  begleitende  Nebenumstände  zu  verhalten 
scheinen.  An  der  linken  Seite  sehen  wir  die  Fesselung  eines 
Gefangenen,  an  der  rechten  ist  der  Vorgang  wegen  zu  grosser 
Verstümmelung  der  Figuren  nicht  mehr  zu  erkennen. 

Aber  auch  die  Kampfgruppe  der  Mitte  ist  dunkel.  Dass 
freilich  kein  historischer,  sondern  mythischer  Vorgang  gemeint 


'rempcisculpturen.  I37 

sem  kann^   geht  wohl   aus  den  steineschlendemdeii  Figuren 
hervor,  die  sich  unter  der  von  rechts  herankommenden  Partei 
befinden.     Gewiss   sind  damit  wildere  und  rohere  Wesen  be- 
zeichnet, es  handelt  sich  offenbar  um  einen  Kampf  gegen  ähn- 
liche Unholde,  wie  sie  der  correspondirende  Westfries  zeigt, 
und  man  würde  nach  den  Gestalten  selbst  am  liebsten  glauben, 
dass  die  steineschleudemden  Giganten  dargestellt  seien.    Ihre 
Partei  ist  die  unterliegende,  denn  die  letzte,  bereits  vor  den 
Göttern  der  rechten  Hälfte  befindliche  Figur  ist  sichtlich  eine 
fliehende,  die  von  einem  Feinde  verfolgt  wird,  wemi  nicht 
auch  dieser,  was  aber  doch  weniger  wahrscheinlich,  ein  zweiter 
ritichtling  ist.     Zudem  ist  an  einer  der  drei  Gottheiten  dieser 
Seite  eine  gewisse  Niedergeschlagenheit  zu  bemerken,  nämlich 
an  der  in  der  Mitte  sitzenden  Frau  mit  dem  gesenkten  Kopf, 
deren  rechter  Arm  schlaff  über  dem  Schooss  hängt,  während 
die  Linke,  die  erhoben  war,  etwa  die  Geberde  schmerzlichen 
Erstannens  machte.     Die  beiden  Göttergruppen  sind  offenbar 
die  Schutzgottheiten   der  streitenden  Parteien,   die  sich  auf 
Felsen   gegenübersitzen,   ähnlich   wie   bei   Homer   die  Troja 
günstigen  und  feindlichen  Götter  dem  Kampf  der  Menschen 
mrter  sich   zusehen.     Die  Götter  der  linken  Seite  sind  mit 
Sicherheit  zu  benennen,  es  sind  Athene,  Hera  und  Zeus.     Die 
erste  wird  noch  von  dem  Architekten  Stuart,  der  vor  etwa 
100  Jahren  das  Werk  sah  und  zeichnete,  mit  einem  behelmten 
Kopf  abgebildet,  ausserdem  sind  Löcher  auf  ihrer  Brust  er- 
halten, die  auf  Anfügung  einer  metallenen  Aegis  schliessen 
lassen.  In  der  Rechten  hielt  sie,  wie  ebenfalls  Bohrlöcher  andeuten, 
die  Lanze.     Durch  ihre  Bestimmung  ist  für  die  beiden  andern 
Gottheiten,  denen  sie  nach  ihrem  Platz  an  Rang  nachsteht, 
lüunn  eine  Wahl  gelassen,  auch  sind  die  beiden  ihrem  Aus- 
sehen nach  nicht  zu  verkennen.     Die  breite  und  volle,  mit 
emem  Schleier  am  Hinterkopf  bedeckte  Frau  kann  nur  die 
Götterkönigin  sein,  für  deren  leidenschaftlichere  Art  vielleicht 
weh  die  lebhafte  Geberde  der  Rechten,  mit  der  sie  sich  zur 
Athene  herumwendet,  charakteristisch  ist.  Neben  ihr  sitzt  Zeus, 
der  in  der  Linken  ein,  wie  es  scheint,  nur   durch  Malerei 
•»sgedrflcktes    Scepter   aufstützte.     Es   folgt   auch   aus    den 
Namen  dieser  Götter,    dass    die  Partei,   die  sie  beschützen, 
siegreich  sein  muss. 

Die  Symmetrie,  die  wir  in  den  Eckgruppen  und  in  den 
Göttergruppen  bemerken,  herrscht  auch  in  der  Mitte,  bis  auf 
eine  leise  Verschiedenheit.     Die  Kampfscene  besteht  nämlich 


138  Tempelsculpturen. 

aus  6  Gruppen,  von  denen  eine  drei,  die  übrigen  aber  je  zwei 
Figuren  enthalten.  Aber  diese  Verschiedenheit  wird  kaum  be- 
merkt, denn  die  drei  Gruppen  zur  Linken  und  Rechten  sind 
sich  im  Allgemeinen  überraschend  ähnlich,  und  namentlich 
dienen  die  in  gleichen  Distanzen  vertheilten  Leichname  dazu, 
die  Symmetrie  auffällig  zu  machen,  gewiss  in  Einklang  mit 
der  durch  die  Säulen  gegebenen  Eintheilung  des  Raums. 
Offenbar  ist  die  Hauptscene  des  Kampfes  die  in  der  Mitte 
befindliche,  wo  ein  kräftiger  Jüngling,  den  man  ohne  hin- 
längliche Sicherheit  Theseus  nennt,  einen  zwei  Steine  auf  ihn 
stossenden  Gegner  abwehrt. 


b)   Der  westliche  Fries. 

Auch  hier  finden  wir  eine  grosse  Symmetrie,  indem,  wenn 
wir  von  den  Ecken  nach  der  Mitte  zu  gehen,  drei«  Gruppen, 
deren  mittlere  aus  drei,  die  übrigen  aus  zwei  Figuren  be- 
stehen, sich  genau  entsprechen,  es  bleiben  dann  in  der  Mitte 
noch  6  Figuren,  die  sich  auch  in  Gruppen  zu  je  drei  Figuren 
zerlegen  lassen,  denn  wiewohl  sich  eine  Figur  aus  der  Gruppe 
zur  Rechten  nach  der  Gentaurengruppe  zur  Linken  hinwendet, 
so  bleibt  sie  doch  räumlich  mit  den  beiden  übrigen  Figuren 
ihrer  Gruppe  in  engem  Zusammenhang. 

Es  scheint  in  diesen*  Gruppen  der  Kampf  der  Centauren 
und  Lapithen  dargestellt,  der  bei  der  Hochzeit  des  Pirithoos 
zum  Ausbruch  kam.  Ijpnn  die  in  der  Mitte  besonders  her- 
vorstechende Gruppe  des  unverwundbaren  Käneus,  der  von 
zwei  Centauren  vermittelst  gewaltiger  Steine  in  die  Erde  ge- 
drückt wird,  versetzt  uns  eben  in  jene  Begebenheit  Auffal- 
lend ist  freilich,  dass  wir  keine  Andeutung  des  Gelages  und 
des  Weiberraubes  finden,  welche  bei  der  Hochzeit,  wie  der 
Mythus  erzählt,  stattfanden  und  die  an  dem  so  ähnlichen 
phigalischen  Fries  nicht  fehlen.  Wir  wissen  hierfür  keinen 
Grund  anzugeben,  ausserdem  ist  noch  eine  zweite  Abweichung" 
von  der  Erzählung  der  Dichter  anzumerken.  Käneus,  so  heisst 
es,  wurde  mit  Fichtenstämmen  geschlagen  oder  belastet  in  die 
Erde  gedrückt,  hier  dagegen  sind  die  Centauren  im  Begriff^ 
grosse  Steine  auf  ihn  zu  wälzen,  gegen  welche  er  sich,  schon 
halb  eingesunken,  mit  seinem  Schild,  dessen  Umriss  deutlicli 
zu  erkennen  —  der  Schild  selbst  war  nach  einem  Loch  za 
schliessen,  wohl  in  Bronce  angefügt  —  zu  vertheidigen  sucht. 


Tempelsculptureii.  139 

Diese  Abweichung  soll  das  Wunder  anschaulicher  und  begreif- 
licher fülr  das  Auge  machen,  wir  würden,  wenn  der  Künstler 
die  dichterische  Erzählung  wörtlich  befolgt  hätte,  den  ge- 
meinten Vorgang  allenfalls  mit  der  Kenntniss  des  Mythus  er- 
rathen,  aber  nicht  \nrklich  vor  uns  sehen. 

Sowohl  dieser  als  der  vordere  Fries,  deren  Beziehung 
auf  die  Gottheit  des  Tempels  wir  leider  nicht  näher  angeben 
können,  da  es  nicht  feststeht,  wem  der  Tempel  geweiht  war, 
sind  bewunderungswürdig  in  der  Freiheit  und  Lebendigkeit 
der  Bewegungen,  in  der  Kraft  der  Körper.  Die  Details  des 
Nackten  sind  freilich  noch  etwas  hart  und  scharf  angedeutet 
nnd  die  Köpfe,  von  denen  sich  freilich  nur  einer  an  der 
Westseite  in  hinlänglich  gutem  Zustande  erhalten  hat,  zeigen 
ihnlich  wie  die  Köpfe  am  Fries  von  Phigalia,  nocli  keinen 
Ausdrock  der  Leidenschaft.  In  dem  Kopf  des  einen  der 
beiden  Centauren,  die  den  Käneus  bezwingen,  ist  sogar  noch 
eine  Spur  des  alterthümlichen  Lächelns  bemerkbar.  Die  Bil- 
dung der  Centauren  ist  übrigens  ähnlich  wie  am  Parthenon 
und  phigalischen  Tempel  und  noch  nicht  so  harmonisch  durch- 
geführt, wie  in  späterer  Zeit,  wo  der  Rücken  des  Pferde- 
körpers  sich  in  einem  Schwünge  an  den  menschlichen  Theil 
anschliesst,  während  er  hier  etwas  höckerig  aussieht. 

Das  Relief  ist  völlig  rund,  wie  es  Regel  zu  sein  sclieint 
im  jonischen  und  dorischen  Fries,  und  bereits  mit  grosser 
Freiheit  behandelt,  in  einem  der  Todten  des  östlichen  Giebels 
hat  sich  der  Künstler  eine  kühne  Verkürzung  erlaubt.  Ge- 
wiss wurde  es  in  seiner  Wirkung  durch  Malerei  und  metalli- 
sche Zuthaten  unterstüzt,  doch  fehlen  uns  genauere  Angaben. 

Man  hält  den  Tempel,  an  dem  sich  diese  Reliefs  be- 
linden, gewöhnlich  für  den  von  Cimon  gebauten  Theseustempel. 
Ist  diese  Annahme,  die  wir  hier  nicht  näher  zu  untersuchen 
haben,  richtig,  so  muss  der  bildnerische  Schmuck  desselben 
später  hinzugefügt  sein.  Denn  sonst  würden  diese  Reliefs  der 
alterthümlichen  Gruppe  des  Harmodios  und  Aristogeiton  (u.  24. 
25)  nahe  rücken,  während  sie  vielmehr  den  Sculpturen  des 
Parthenon  verwandt  sind,  unter  dessen  Metopenreliefs  sogar 
einige  entschieden  alterthümlicheren  Charakter  haben.  Eine 
Gmppe  des  Centaurenkampfes,  die  äusserste  zur  Linken, 
sttmmt  mit  einer  Metope  des  Parthenon  überein,  die  Gruppe 
<ies  Käneus  wiederholt  sich  an  dem  Fries  von  Phigalia,  auch 
wn  Niketempel  finden  sich  übereinstimmende  Figuren,  aber 
^1  können  daraus  keinen  Schluss  auf  frühere  oder  spätere 


140  Temi)elsculptureu. 

Entstehungszeit  ziehen,  weil  wir  nicht  wissen,  auf  welcher 
Seite  die  Originalcomposition  anzunehmen  ist,  ja,  ob  über- 
haupt eine  dieser  Compositionen  als  Original  betrachtet 
werden  darf. 

Die  Metope  ist  abgebildet  bei  Stuart  antiqiiities  of  Athens  III,  eh. 
1  pl.  6  und  13.  Marbles  of  the  british  museum  IX  pl.  20.  p.  100. 
Ellis,  the  Elgin  and  Phigaleian  marbles  II  n.  155;  der  Fries  bei  Stuart 
pl.  4.  18.  19,  in  den  marbles  pl.  12  ff.,  bei  Ellis,  U  n.  136  ff.  (auf  den 
beiden  letzten  Abbildmigen  fehlt  übrigens  der  Torso  des  hinter  Pallas 
befindlichen  Kriegers  der  Ostseite ,  und  noch  unvollständiger  ist  die 
Westseite),  Müller- Wieseler  I,  21.  Leake  in  der  Topographie  p.  367 
vertheidigt  besonders  die  Deutimg  auf  den  Gigantenkampf  des  Hera- 
kles und  hält  es  für  eine  freie  künstlerische  Abweichung,  dass  Zeus  und 
die  andern  Götter  ruhig  dasitzen,  was  denn  doch  eine  etwas  starke 
Zumiithung  ist.  0.  Müller  in  Gerhard's  Hyperboreisch-Röm.  Stud.  I 
p.  276  gab  eine  Erklärung,  wonach  an  der  östlichen  Seite  Theseus  im 
Kampf  mit  den  Pallantiden  dargestellt  sei,  was  von  Ulrichs  Reisen 
und  Forschungen  in  Griechenland ,  herausg.  von  Passow  II  p.  135 
ff.  scharfsinnig  widerlegt  ist.  Dieser  selbst  erklärte  unter  Beistimmung 
von  E.  Curtius  Archaeol.  Ztg.  1843  p.  104  ff.  den  Fries  als  den 
Kampf  des  Theseus  gegen  Eurystheus,  verstösst  aber  zu  sehr  in  der 
Deutung  des  Einzelnen,  als  dass  seine  Deutung  haltbar  wäre.  Die 
Scene  der  Gefangennahme  zur  Linken  sollte,  wenn  Ulrichs'  Deutung 
richtig  wäre,  nicht  an  der  Seite,  sondern  in  der  Mitte  dargestellt  sein 
und  ganz  verfehlt  ist  die  Erklärung  der  mittlem  Göttin  zur  Linken  als 
Hebe,  oftenbar  nur  dadurch  veranlasst,  dass  Ulrichs  die  Hera  auf  der 
andern  Seite  nöthig  hat.  Da  aber  Hera  vollkommen  sicher  ist,  so 
scheitert  eben  daran  die  Erklänmg.  Auch  im  Einzelnen,  in  der  Deu- 
tung der  Bewegungen  irrt  Ulrichs  öfter.  Die  letzte  Figm*  zm*  Rechten 
soll  ein  Grabender  sein,  was  nach  den  Resten  am  Gypsabguss  nicht 
möglich  ist.  Freilich  sind  auch  die  von  Stuart  und  Leake  über  diese 
Figur  aufgestellten  Vermuthmigen  nichts  weniger  als  sicher.  Ein  Ver^ 
dienst  von  Ulrichs  aber  ist,  den  Fehler  der  Stuart'schen  Zeichnung  in 
der  Anordnung  der  Platten  corrigirt  zu  haben,  der  auch  den  Erklärer 
in  den  ancient  marbles  irregeleitet  hat.  Vgl.  Wieseler  im  Text  zu 
Müller's  Denkm.  Sehr  kühn  ist  die  Vermuthung  des  neuesten  Erklärers 
Heydemann,  Analecta  Thesea,  ßerol.  1865  p.  20,  es  möge  Theseus  im 
Gigantenkampf  dargestellt  sein. 

Die  erhaltenen  Farbenspuren  hebt  am  entschiedensten  Leake  p.  374 
hervor,  von  andrer  Seite  werden  sie  bezweifeh.  Vgl.  Gailhabaud  Denkm. 
der  ^ukunst  Heft  12.  Ueber  die  Wiederholungen  von  Gnippen  des 
Theseion  am  Parthenon,  am  phigalischen  Tempel  und  am  Niketempel 
vgl.  0.  Jahn  Ann.  1860  p.  18  und  den  Text  in  den  ancient  marbles  of 
the  british  museum. 

130 — 297.     Die  Sculpturen  vom  Parthenon*.   Der 
Parthenon  und  seine  Sculpturen  waren  bis  zum   Jahr  1687 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  1—21,  230—242,  371.  372.  126—223. 
Im  Trepi)enhaus  n.  1—19,  125—128,  183,  21—29. 


Tempelsculpturen.  141 

noch   ziemlich  gut  erhalten^   denn  es  fehlten  nur  die  Mitte 
des   östlichen  Giebels  und  ein  paar  Statuen  des  westlichen. 
Wir     entnehmen    dies    aus    den    Zeichnungen    des    Malers 
Carrey,  der  im  Jahre  1674  im  Gefolge  des  französischen  Ge- 
sandten in  Constantinopel;  Marquis  de  Nointel;  Athen  bereiste 
und  den  grössten  Theil  der  Sculpturen  des  Parthenon  zeich- 
nete.     Diese   Zeichnungen;    die   sich    auf    der   Pariser   Bi- 
bliothek befinden^  sind,  weil  eben  vor  der  zerstörenden  vene- 
tianischen   Belagerung   verfertigt ,    von   grosser   Wichtigkeit, 
trotz  ^ieler  stilistischer  und  materieller  Unrichtigkeiten,  die 
sich  einmal  daraus  erklären,  dass  Carrey  ohne  Gerüst  und 
in  sehr  kurzer  Zeit  —  in  weniger  als  einem  Monat  —  seine 
Arbeit  vollendete,  dann  aber  auch  aus  dem  künstlerischen  Ge- 
schmack, in  dem  Carrey,  ein  Schüler  Le  Brun's,  befangen  war. 
Bei  der  Belagerung  Athens  durch  die  Venetianer  hatten 
die  Türken  den  Parthenon   zu   einem  Pulvermagazin    einge- 
richtet, eine  Bombe  schlug  hinein  und  riss  den  Tempel  aus- 
einander.   Diese  Explosion  schadete  den  Sculpturen  der  Me- 
topen  und  des  Frieses  ungemein,  weniger  den  Giebelfeldern 
ond  gar  nicht  dem  östlichen.    Denn  was  Carrey  von  dem- 
selben sah  und  zeichnete,  ist   mit  Ausnahme  einiger  Köpfe 
noch  vorhanden,  ja,  wir  besitzen  noch  mehr,  was  bei  späte- 
ren Entdeckungen  zum  Vorschein  gekommen  ist.    Diese  Sculp- 
turen des  Ostgiebels  und  der  grösste  Theil  der  übrigen,  so- 
weit sie  noch  am  Tempel  vorhanden  waren  oder  durch  Aus- 
grabungen zum  Vorschein  kamen,  wurden  in  den  ersten  Jahren 
dieses  Jahrhunderts  von  Lord  Elgin,  dem  damaligen  englischen 
Gesandten  bei  der  Pforte,  nach  England  gebracht  und  nach 
langen  Verhandlungen  im  Jahre  1815   für  das  britische  Mu- 
seum angekauft,  dessen  vorzüglichsten  Besitz  sie  jetzt  bilden. 
Es  wird  im  Einzelnen  näher  angegeben  werden,  was  nicht 
Mch  London  gekommen  ist. 


I.     Die    Giebelfelder. 

A.  Der  ostliche  Giebel*. 

Wir  besitzen,  wie  gesagt,  nur  die  Ecken, '  nicht  die  Mitte 
^eses  Giebels,  wissen  aber  aus  Pausanias,   dass  die  Geburt 

*  Im  Griechischen  Saal  n.  5.  6.  11—19.  230. 


142  Tempelsculpturen. 

der  Athene  darin  daxgestellt  war.  Wie  wir  uns  diese  Scene 
zu  denken  haben,  ist  völlig  ungewiss,  nur  ist  es  unwahrschein- 
lich, dass  sie  so  dargestellt  war,  wie  auf  älteren  Vasenge- 
mälden, wo  nämlich  Pallas  als  kleines  Kind  aus  dem  Haupte 
des  Zeus  hervorgeht.  Gewiss  erschien  sie  völlig  erwachsen 
in  furchterregender  Erscheinung,  wie  griechische  Dichter  die 
Scene  ihrer  Geburt  schildern,  wie  es  der  Würde  der  Gott- 
heit und  der  Würde  des  Ortes  allein  angemessen,  wie  es  end- 
lich auch  nach  Ausdruck  und  feewegung  der  erhaltenen  Fi- 
guren nothwendig  vorauszusetzen  ist. 

Denn  aus  diesen  sehen  wir,  dass  das  Staunen,  ja  zum 
Theil  Entsetzen  der  olympischen  Götter  das  Thema  der  Com- 
position  war.  Phidias  konnte  seine  Göttin  nicht  erhabener 
schildern,  als  indem  er  um  sie  den  Olymp  versammelte, 
in  Staunen  und  Entsetzen  über  die  gewaltige,  neugeborene 
Göttin ! 

Aehnlich  wie  am  äginetischen  Tempel  war  auch  hier 
das  Princip  befolgt,  hauptsächlich  durch  die  Verschiedenheit 
der  Stellungen  die  für  den  Raum  des  Giebelfeldes  nothwen- 
dige  Abstufung  der  Figuren  hervorzubringen.  Dies  Princip  ist 
keineswegs  das  einzige  im  Alterthum  übliche,  an  Giebelfeldern, 
die  wir  aus  Lycien  und  Etrurien  kennen,  wird  nicht  durch  die 
Stellungen,  sondern  durch  allmähliche  Verkleinerung  der  Fi- 
guren die  Congruenz  mit  dem  gegebenen  Raum  bewirkt,  was 
zwar  ein  sehr  einfaches,  aber  auch  unkünstlerisches  Mittel 
ist,  weil  es  komische  und  unmotivirte  Gontraste  zwischen  den 
puppenhaften  Eckfiguren  und  colossalen  Mittelfiguren  hervor- 
ruft und  den  Raum  als  Zwang  empfinden  lässt.  Am  Parthenon 
dagegen  fanden  zwar  auch,  wie  die  Reste  des  Westgiebels  zeigen, 
Grössenunterschiede  statt,  aber  doch  nicht  so  bedeutende, 
dass  die  Figuren  ihre  Gleichartigkeit  verloren  hätten  und  der 
Raum  als  Zwang  empfunden  wäre.  Eben  dies  konnte  nur 
vermieden  werden,  wenn  die  bedeutendsten  Differenzen  durch 
die  Stellungen  ausgeglichen  wurden. 

Wir  beginnen  die  Betrachtung  des  Einzelnen  mit  einem 
in  Athen  befindlichen  männlichen  Torso*,  der  im  Jahre  1836 
bei  den  durch  Professor  Ross  geleiteten  Ausgrabungen  an 
der  Ostseite  des  Parthenon  gefunden  ist. 

Er  stanunt*  nach  Fundort  und  Stil  ge>viss  aus  dem  öst- 
lichen Giebelfeld  und  kann,  da  die  Ecken  des  Giebels  er^ 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  6. 


Tempelsculptnren.  145 

halten  sind,  nur  der  im  üebrigen  verlorenen  Mittelgruppe 
angehört  haben,  worauf  auch  seine  Stellung  und  Bewegung 
hinweisen.  Die  Figur  stand  aufrecht  mit  erhobenen  Armen 
und  drehte,  wie  die  Halsmuskeln  schliessen  lassen,  den  Kopf 
nach  rechts,  sie  gehörte  also  in  die  rechte  (vom  Beschauer) 
Hälfte  der  verlorenen  Mittelgruppe  und  stellte  einen  Gott  dar, 
der  mit  staunend  erhobenen  Armen  auf  das  wunderbare  Ereig- 
niss  zu  seiner  Rechten  hinsah. 

Der  veiiorenen  Mittelgruppe  zunächst  stehen  links  und 
rechts   zwei   lebhaft   bewegte   weibliche  Gestalten,    sie   sind 
die  letzten  aufrecht  stehenden  Figuren,  auf  welche  dann  die 
sitzenden    und    liegenden    folgen.     Derjenigen    zur   Linken* 
fehlen  Kopf  und  Arme,  doch  kann  kein  Zweifel  darüber  sein, 
wie  sie  zu  restauriren  ist.     Schon  die  ganze  Stellung,  insbe- 
sondere aber  der  Hals  zeigt,  dass  der  Kopf  rückwärts  ge- 
wandt war,  nach  dem  Ereigniss  der  Mitte,  während  die  Arme 
den  frei  flatternden  Mantel  hielten-  und  in  ihrer  Richtung  mit 
der  steigenden  und  sinkenden  Linie  des  Giebels  correspon- 
dirten.     Das  Mädchen  also  —  denn  es  ist  eine  zarte,  kaum 
entwickelte  Mädchengestalt  —  scheint   entsetzt  von  der  ge- 
waltigen Erscheinung   der  Pallas,   in  eiliger  Bewegung   sich 
entfernen  zu  wollen,  und  gerade  für  ein  solches  Alter  ist  dies 
Motiv  bezeichnend.    Ihre  Kleidung  ist  der  bei  den  spartani- 
schen Mädchen  übliche,  nur  an  einer  Seite  zusammengenähte 
Rock,  der  das  linke  Bein  nackt  heraustreten  lässt,   in  der 
Kunst  sieht  man  diese  dem  alten  Stil  noch  fremde  Tracht 
namentUch    an  jungfräulichen  Figuren,   insbesondere  an  der 
Nike.     Man  hat  diese  Figur  nach  einer  irrthümlichen  Auf- 
fassung ihrer  Bewegung  Iris  genannt,  indem  man  glaubte,  sie 
verkünde  den  vor  ihr  sitzenden  Frauen  etwas.     Sie  könnte 
er      aber  dann   nicht   den  Kopf   rückwärts   wenden,   und   zudem 
IC      ^^fi  diese  anderen  Frauen,  die  sich  ja  auch  im  Olymp  be- 
..>      tinden,  den  wunderbaren  Vorgang  mit  eigenen  Augen.     Wir 
^n  ihren  Namen  unbestimmt,  sowie  den  der  beiden  folgen- 
^  reiferen  Frauen,  die,  wiewohl  ruhig  auf  ihren  Stühlen 
■atzend,  doch  von  dem  Ereigniss  der  Mitte  nicht  unberührt 
sind.   Die  der  Iris  nächste  hebt  verwundert  den  linken  Arm 
^  theUt  der  Nachbarin,  welcher,  wie  die  Halsmuskeln  er- 
•tennen  lassen,  ihr  Kopf  zugewandt  war,  ihre  Empfindungen 
^Y.      ^^  Jedenfalls  sind  es  zwei  in  näherem  Bezug  zu  einander 

I 

•  li.  15. 


•n 


'S. 


•"».* 


144  Tempelsculptureu. 

stehende  Göttinnen,  die  hier  so  traulich  gruppirt  sind.  Auf 
sie  folgt  eine  völlig  unbetheiligte  Figur,  unter  deren  zahl- 
reichen Benennungen  die  Deutung  auf  Herakles  am  wahr- 
scheinlichsten ist.  Ihr  entspricht  zunächst  der  Charakter  der 
Formen,  sodann  liegt  die  Figur  auf  einem  LöwenfeU  und  end- 
lich kommen  auf  Münzen  ganz  übereinstimmende  Herakles- 
figuren vor.  Nicht  unmöglich,  dass  die  rechte  Hand,  wie  auf 
diesen  Münzen,  eine  Schaale  hielt,  so  dass  Herakles  in  olym- 
pischer Seligkeit  ruhend  dargestellt  wäre.  In  der  Ecke  des 
Giebelfeldes  endlich  steigt  Helios  aus  den  Wellen,  die  deut- 
lich angegeben  sind,  empor,  man  sieht  von  dem  Gott  nur  die 
hervorragenden  Arme  und  den  Hals,  dessen  Kopf  leider  fehlt 
Von  seinen  vier  Pferden,  die  etwas  vor  einander  hervortreten, 
befinden  sich  die  beiden  hier  vorhandenen  im  britischen 
Museum,  die  beiden  anderen,  in  niedrigerem  Relief  angegeben, 
noch  am  Gebäude  selbst. 

An  der  rechten  Seite  ist  die  erste  Figur  *  zunächst 
der  verlorenen  Mitte  ein  weiblicher  Torso,  mit  einem  ein- 
fachen, dünnen  Gewände  bekleidet,  wie  es  der  schnellen, 
leichten  Nike  —  denn  das  ist  die  Figur  —  so  sehr  ange- 

*  messen  ist.  Man  bemerkt  nämlich  am  Rücken  grosse  Löcher 
zum  Einsatz  von  Flügeln,  von  denen  sich  auch  Fragmente 
in  Athen  befinden.  Der  rechte  Oberschenkel  dieser  Figur 
ist  durch  den  Engländer  Lloyd  in  einem  in  London  befind- 
lichen Fragment**  glücklich  entdeckt,  und  wir  erhalten  da- 
durch ein  noch  \1el  lebendigeres  Bild  von  der  Sturmeseile, 
mit  welcher  Nike  der  Mitte  zustrebt.  Der  rechte  Arm  war 
nach  derselben  Richtung  wie  verlangend  ausgestreckt,  Nike 
eilt  der  neugeborenen  Göttin  zu,  deren  unzertrennliche  G^ 
fahrtin  sie  werden  sollte.  Diese  Figur  entspricht  nach  ihrem. 
Platze  und  auch  nach  ihrer  Bewegung  der  sogenannten  Iris 
auf  der  andern  Seite,  nur  ist  in  der  Uebereinstimmung  doch. 

,  auch  eine  wichtige  Verschiedenheit,  insofern  sich  die  eine 
abwärts  nach  der  Ecke  des  Giebels,  die  andere  aufwärts  nach 
der  Mitte  zu  bewegt.  Man  sieht,  dass  die  alterthümlich. 
strenge  Compositionsweise  des  äginetischen  Giebels,  alle  Fi- 
guren nach  der  Mitte  hin  zu  richten,  hier  einer  freieren  An- 
ordnung Platz  gemacht  hat,  was  bei  der  grossen  Anzahl  der 
Figuren  —  wir  dürfen  nach  dem  uns  näher  bekannten  west- 


*  n.  16. 
**  11.  230. 


Tempelsculpturen.  145 

liehen  Giebel  mindestens  zwölf  für  die  verlorene  Mittelgruppe 
voraussetzen  —  um  so  nothwendiger  war,  wenn  das  Ganze 
nicht   einförmig   erscheinen   sollte.     Ausser   Nike   sind   drei 
Figuren  erhalten^  eine  Einzelfigur  und  eine  Gruppe,  die  in 
nmgekehrter  Ordnung  wie  an  der  entsprechenden  link-en  Ecke 
auf  einander  folgen,  worin  sich  wieder  eine  freiere  Compo- 
sitionsweise  anktindigt.    Zunächst  eine  Göttin,  die  durch  die 
Richtung   ihres  Kopfes   ihre   Theilnahme   zu   erkennen   gab, 
freilich  weniger  lebhaft  als  die  folgende  Figur,  die,  mit  der 
Rechten  den  Zipfel  des  Obergewaudes  fassend  (wie  man  nach 
der  Bewegung  des  Arms  und  nach  den  Gewandfalten  schlies- 
sen  muss),  im  Begriff  ist,  vom  Stuhl  aufzuspringen,  während 
die  letzte  noch  völlig  unbetheiligt  daliegt.    Es  fehlt  uns  durch- 
aus an  Anhaltspunkten,  diesen  Figuren,  von  denen  die  beiden 
letzten  gewiss  wieder  schwesterlich  oder  in  ähnlicher  Weise 
verbundene  Göttinnen  darstellen,  bestimmte  Namen  zu  geben. 
In  der  Ecke  des  Giebels  waren  auch  hier  vier  Pferde- 
köpfe angebracht,  darunter  der  berühmte,  in  London  befind- 
liche*, während  zwei  der  übrigen,   die  hier  nicht  in   Gyps 
vorhanden,  noch  am  Gebäude  selbst  sind.     Dieser  Kopf  hing 
zum  Theil    über   das  Kranzgesimse   herab,   ebenso    me    der 
äosserste  Pferdekopf  auf  der  Seite  des  Helios  und  wie  manche 
Glieder  der  Figuren,  Füsse  und  Knie  über  das  Gesimse  vor- 
sprangen, so  dass  die  Gruppe,  aus  der  strengen  Begrenzung 
des  Rehefs  heraustretend,  die  Linien  der  Architektur  mehr- 
fach durchschnitt  und  dadurch  eine  grössere  Freiheit  gewann, 
ohne  die  architektonische  Strenge  allzusehr  zu  verletzen. 

Die  Lenkerin  dieser  hinabtauchenden  Rosse  fehlte  zur 
Zeit  Carrey's,  ist  aber  neuerdings  durch  den  Engländer  Lloyd 
in  einem  später  an  der  Südwestecke  des  Parthenon  entdeckten, 
in  Athen  befindlichen  Torso**  scharfsinnig  wiedererkannt. 
Ke  Figur  ist  bereits  mit  halbem  Leibe  mitergetaucht  zu 
denken,  die  Brust  ist  vorübergeneigt,  der  Leib  eingezogen, 
^eau  einer  Wagenlenkerin,  die  sich  bemüht,  ihre  ungestümen 
I^wde  zurückzuhalten.  Die  Kreuzbänder,  die  man  vielfach 
Äß  den  verschiedensten  Figuren  findet,  scheinen  ein  aus  dem 
Lehen  genommenes  Motiv  zu  sein,  um  das  Herabgleiten  der 
Ränder  von  den  Schultern  zu  verhindern  und  gaben  den 
ßildhauem  Gelegenheit  zu  den  anmuthigsten  Gewandmotiven. 


\  •*  ".  5. 

Friederichs,  griech.  IMaatik.  10 


} 


146  ■  Tempclsculpturcn. 

Die  Löcher  am  Gürtel  dienten  zur  Befestigung  eines  Metall- 
schmuckS;  an  andern  Figuren  waren  auch  Hals-  und  Armbänder 
von  Metall  hinzugefügt  und  der  Herakles  hatte  Sandalen  von 
Metall;  wie  man  ebenfalls  aus  den  zurückgebliebenen  Löchern 
abnehmen  kann. 

Es  sind  verschiedene  Meinungen  darüber  aufgestellt^  in 
welchem  Sinne  hier  der  aufsteigende  Helios  und  die  nieder- 
steigende  Selene  angebracht  seien.  Gewiss  ist  es  am  ein- 
fachsten und  natürlichsten  zu  glauben^  dass  sie  nur  zur  Ver- 
herrlichung der  Scene  dienen,  indem  sie  den  Ort  derselben 
als  den  Hinmielsraum,  an  dem  die  Gestirne  auf  und  nieder- 
steigen, bezeichnen. 

Von  Farbenspuren  hat  sich  wenig  erhalten,  der  Hinter- 
grund war  jedenfalls  bemalt.  Auch  einige  Einzelheiten  setzen 
Malerei  voraus,  nämlich  das  Schulterband  an  der  zweiten 
Figur  der  rechten  Ecke  und  die  Wellen,  aus  denen  Helios 
emporsteigt,  wir  können  aber  nicht  mehr  bestimmen,  wie  weit 
man  in  der  Anwendung  der  Farbe  ging. 

Die  Rückseiten  der  Figuren  sind  fast  sämmtlich,  mit  Aus- 
nahme der  sogenannten  Iris,  mit  gleicher  Sorgfalt  ausgeführt 
wie  die  Vorderseiten.     Man  hat  daraus  geschlossen,  dass  di^ 
Statuen,  bevor  sie  an  ihren  Bestimmungsort  kamen,  öffentlich 
zur  Besichtigung   ausgestellt  wurden.      Indessen    scheint  die 
Vollendung   der  Rückseite  mehr  eine  Eigenthümlichkeit  ge- 
wisser Eunstperioden,  nämlich  der  älteren  Zeit  zu  sein,  und 
erklärt   sich   leicht   aus  der   künstlerischen  Stimmung  jener 
Zeit,  der  das  flüchtige  Virtuosenthum  noch  fremd  war.     Sehr 
schön  sagt  hierüber  der  Bildhauer  Rietschel*:  „Es  hat  midi 
immer  mit  einer  Art  Rührung  und  Bewunderung  erfüllt,  dass 
die  parthenonischen  Giebelfiguren   an  der  Rückseite  ebenso 
vollendet  sind,  als  vom.    Der  Künstler  wusste,  dass,  wenn 
dies  Werk  aus  seiner  Hand  und  seiner  Werkstatt  war,  nie 
ein  menschliches  Auge  dahin  blicken  könne,  wo  seine  Liebe, 
Mühe  und  Sorge  das  Reizendste  geschaffen  und  gepflegt  hatte» 
Jetzt,  nach  über  2000  Jahren,  ist  es  uns,  mehr  durch  glück- 
lichen Zufall,  als  durch  geschichtliche  Nothwendigkeit,  ver- 
gönnt,  diese   treuen  Liebesopfer   einer  echten  Kfinstlerseele 
zu  entdecken.    Warum  that  dies  der  Künstler,  da  soviel  Zeit 
und  Mühe  verloren  schien?     Er  that  es  aus  wahrhaft  gött- 
lichem Schaffensdranges  das,  was  da  werden  sollte,  voUkommea 


*  Efnst  Rietschel  von  A.  Oppermaim,  Leipzig  1863,  p,  226. 


Tempelsculpturen.  147 

und  seiner  selbst  wegen  werden  zu  lassen^  wie  die  Blnme  auf 
einsamem  Abhänge  in  menschen-  und  thierlosen  Einöden  blüht; 
sie  nutzt  nichts  als  Nahrungsmittel  für  Thiere^  sie  erfreut 
kein  menschlich  Auge  und  doch  ist  sie  so  vollkommen  ent- 
wickelt;  wie  die  prachtvollste  Blume  des  Ziergartens.  Da  ist 
kein  Nebenzweck^  nur  harmonisch  vollkommene  Entwickelung^ 
um  ihren  göttlichen  Schöpfer  zu  preisen/^ 

Dass  diese  Sculpturen  gleichzeitig  mit  der  Erbauung  des 
Parthenon  entstanden^  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln.    Es  sind 
in  ihnen  noch  manche  Zttge  erhalten^  die  ihren  Zusammen- 
hang mit  dem  alterthümlichen  Stil  beweisen^  bei  der  Annahme 
späterer  Entstehung  aber  schwerlich  vorhanden  wären.    Dies 
l^t  namentlich  von  den  Köpfen  der  Figuren^  von  denen  sich 
zwar  nur  einer^  der  des  Herakles^  auf  einer  Figur  erhalten, 
doch  ist  noch  ein  zweiter  da*;  der  zwar  nicht  einer  bestimm- 
ten Figur ;  nicht  einmal  einem  bestimmten  Giebelfelde ,  wohl 
aber  einem  der  beiden  mit  Sicherheit  zugeschrieben  werden 
kann.     Er   ist   unter   dem  Namen   des  Weber'schen  Kopfes 
bekannt^  da  er  bei  einem  Kaufinann  Weber  tu  Venedig  zuerst 
zun  Vorschein  kam^  stammt  aber  aus  dem  Besitz  des  Secre- 
tirs  von  Morosini,  dem  venetianischen  General,  der  im  Jahre 
1687  Athen  beschoss,  und  hat  hiemach  die  äussere,    nach 
seinem  Stil   aber   auch    die  innere  Wahrscheinlichkeit,   zum 
Parthenon  zu  gehören,  für  sich.     Der  Kopf  ist  vom  Grafen 
Laborde  in  Paris  gekauft  und  befindet  sich  jetzt  in  dessen 
Besitz.    Die  Löcher  über  der  Stirn  und  in  den  Ohrläppchen 
setzen  die  Hinzufügung  eines   metallnen  Diadems   und  Ohr- 
gehänges  voraus 7    übrigens    sind  Nase,    Lippen,   Kinn   und 
Hinterkopf  ergänzt. 

Nichtsdestoweniger  sieht  man  deutlich  noch  jenes  alter- 
thflnüiche  Lächeln  der  frühem  Zeit,  zwar  ohne  alles  Unan- 
genehme, wie  eine  milde  Freundlichkeit,  aber  doch  noch  als 
etwas  Ueberkonunenes,  so  dass  der  Ausdruck  noch  nicht  frei 
ist  Und  Aehnliches  bemerkt  man  in  dem  wiewohl  verstüm- 
melten Kopf  des  Herakles.  Man  darf  auch  behaupten,  dass 
der  Marmor  im  Vergleich  zu  späteren  Werken,  z.  B.  dem 
HtkBchener  Niobidentorso*,  zu  wenig  Stimmung  hat,  als  dass 
wirklich  seelenvolle  Köpfe  damit  vereinbar  wären.  Wir  spre- 
chen damit  natürlich  keinen  Tadel  aus,  sondern  suchen  nur  die 


*  lin  Griechischen  Saal  n.  20. 
••  Im  Niobidensaal  n.  20. 


10' 


) 


148  Tempelsculpturen. 

Eigenthümlichkeit  der  Werke  zu  präcisireu,  die  darin  besteht, 
dass  der  Marmor  gleichsam  in  Fleisch  verwandelt,  dass  alle 
Muskeln  elastisch  und  schwellend  erscheinen  und  alle  Härte 
des  Stoffs  überwunden  ist.     Die  Figuren  sind  der  Natur  nach- 
geschaffen, nicht  nachgeahmt,  wie  die  Aegineten,  und  wiewohl 
an  diesen  majestätischen  und  mächtigen  G-estalten  auch  das 
kleinste  Detail,  z.  B.  die  Hautfalten,  sorgfältig  angegeben  ist, 
so  scheinen  sie   doch  leicht  und  mühelos  geboren,  wie   ein 
platonischer  Dialog.     Und  ebenso  bemerkt  man  an  den  Ge- 
wändern nirgends  die  Spur  der  todten  Regel,  sie  hängen  leicht 
und  locker  am  Körper  und  das  Material  ist  auch  hier  völlig 
tiberwunden.     Scharfkantig  sind  die  Falten  noch   gebrochen 
in  deutlicher  Nachwirkung  des   alten  Stils,   aber  das   findet 
sich  auch  noch  später  und  dient  nur  dazu,  den  Eindruck  der 
Hoheit,  den  die  Gestalten  bei  aller  Freiheit  machen,  zu  erhöhen. 
Ob  Phidias  selbst  an  diesen  Statuen  gearbeitet,  ist  zwei- 
felhaft.    Jedenfalls  sind  sie  nicht  von  einer  Hand.     Die  Ge- 
stalt  der  Iris   verräth  einen  ganz  andern  Meister,  als  z.  B. 
die  in  dem  Schooss  der  Schwester  ausgestreckt  liegende  Eck- 
figur.    An  jener  ist  weit  weniger  Detail  als  an  dieser,  dort 
hat    sich    der  Meister   vielleicht   in  Rücksicht  auf  die  hohe 
Aufstellung,  mit  der  Angabe  der  Hauptsachen  begnügt,  über 
diese  hat  er  eine  Fülle  des  anmuthigsten  Details  ausgegossen, 
die  der  Gestalt   eine  wunderbare  Mischung  von  Hoheit  und 
Anmuth  verleiht.     Es  giebt  keine  zweite  Figur  der  Plastik, 
die  in  der  Poesie  der  Situation,  in  Schönheit,  Adel  und  zu- 
gleich Lebensfrische   der  Formen   und   in  Freiheit   und  Zn- 
fälligkeit   der  Gewandfalten  mit  dieser  wunderbaren  Gestalt 
wetteifern  könnte. 


B.  Der  westUche  Giebel*. 

Von  diesem  Giebel  ist  noch  weniger  erhalten,  als  von 
dem  vorderen,  doch  sind  wir  durch  die  Zeichnungen  Oarre/s, 
der  dies  Giebelfeld  bis  auf  wenige  Figuren  noch  vollständig 
sah,  in  den  Stand  gesetzt,  sowohl  den  einzelnen  erhaltenen 
Figuren  ihre  Plätze  anzuweisen,  als  auch  die  Composition  des 
Ganzen  zu  verstehen. 

Während  im  östlichen,   vordem  Giebel  Athene  als  di© 


Im  Griechischen  Saal  n.  1 — 4,  8 — 10,  21. 


Tempelsculptureii.  149 

olympische  Göttin  verherrlicht  war,  erschien  sie  in  diesem 
westlichen  als  die  attische  Landesgöttin.  Und  zwar- war  sie  in 
dem  erhabenen  imd  poetischen  Moment  dargestellt^  wo  sie 
dem  ihr  LAiid  beanspruchenden  Meeresgott  entgegentrat  und 
ihn  znm  Rückzuge  zwang. 

Die  ganze  Figur  des  Poseidon  ist  nur  in  Carrey's  Zeich- 
nung erhalten,   es  geht  aber  klar  daraus  hervor,   dass  der 
wilde  Meeresgott  mit  gewaltigem  Schritt  auf  die  Seite  der 
Pallas  hinübergetreten  ist,  um  Besitz  von  dem  ihr  zugehörigen 
fioden  zu   nehmen,   dass  er  aber   in  demselben  Augenblick, 
von  einer  ihm  entgegentretenden  Gewalt  gehemmt,  den  Ober- 
körper nickwärts  sinken  lässt  im  Gefühl,  weichen  zu  müssen. 
Die  Ursache  seines  Zurückweichens  liegt  in  der  Erscheinung 
der  Pallas,  die  mit  erhobenem  rechten  Arm,  in  dem  sie  ver- 
muthlich  den  Speer  hielt,  ihm  jedes  weitere  Vordringen  ver- 
bietet.   Es  kann  kein  erhabnerer  Moment  gedacht  werden,  um 
die  gewaltige,  imponirende  Erscheinung  der  Pallas  und  zu- 
gleich ihre  Sorge  für  ihr  Land  zur  Anschauung  zu  bringen. 
Von  der  Figur  des  Poseidon  besitzt  London  den  brust- 
losen Rumpf*,  während  die  Brust**,  die  erst  später  bei  den 
Ausgrabungen  in  den  30er  Jahi'en  gefunden  wurde,  sich  in 
Athen  befindet.    Durch  diesen  Poseidonstorso,  in  dem  Kraft 
und  Leben  ihren  höchsten  Ausdruck  gefunden,  und  tiberliaupt 
»Inrch  sämmtliche  in  den  Giebeln   wie  am  Fries  dargestellte 
Göttergestalten,  wurde  die  Meinung  Winckelmann's,  dass  die 
griechischen  Bildhauer   ihre  Götter   ohne  Adern,   um   ihnen 
einen   mehr  ätherischen  Leib    zu  geben,    dargestellt   hätten, 
widerlegt,  oder  richtiger,  auf  eine  spätere  Zeit  der  Kunst,  für 
die  sie  allerdings  noch  richtig  scheint,  beschränkt.     Von  der 
Pallas  ist  ein  Stück  der  Brust***   erhalten,  an  welcher  die 
Aegis,  deren  Schlangen  und  Medusenkopf,  wie  die  zurückge- 
bliebenen Löcher  zeigen,  von  Metall  angefügt  waren,  schräg 
«elegt  ist.     Ausserdem  glaubt  man,  und  wohl  mit  Recht,  noch 
ein  Stück  ihres  Kopfes  zu  besitzen,  wiewohl  das  betreffende 
Fragment****  einige  Besonderheiten  hat.     Das  Haar  ist  näm- 
lich viel  drahtartiger  gearbeitet,  als  an  den  übrigen  Köpfen, 
wid  während    an    diesen    die  Augen    in  Marmor   ausgeführt 


*  II.  10. 

••  11.  8. 

*••  n.  9. 

••••  ...  21. 


150  Tempelsculpturen. 

waren  ^  sieht  man  dort  Löcher  zum  Einsetzen  glänzender 
Steine.  Trotzdem  ist  das  Fragment  zugehörig,  weil  es  im 
Giebel  selbst  gefunden  wurde,  und  dass  es*  zum  Kopf  der 
Pallas  gehört  habe,  ist  wegen  der  Proportionen  wahrschein- 
lich.' Auch  lassen  die  am  Original  bemerkbaren  Löcher 
schliesseü,  dass  der  Kopf  einst  von  einem  broncenen  Helm 
bedeckt  war. 

Die  beiden  streitenden  Götter  sind,  wie  die  Carrey'sche 
Zeichnung  zeigt,  in  feierlicher  Weise  mit  ihren  Gespannen 
herangekommen,  um  jeder  seine  Ansprüche  auf  das  Land 
geltend  zu  machen.  Wir  dürfen  in  den  Figuren  ihres  Ge- 
folges befreundete  Gottheiten  oder  Dämonen  voraussetzen, 
deren  Benennung  aber  nur  bei  sehr  wenigen  mit  Sicherheit 
möglich  ist.  Von  der  Figur,  die  den  übrigens  schon  zu 
Carrey's  Zeit  verschwundenen  Wagen  des  Poseidon  lenkte, 
ist  ein  Torso*  übrig,  welchen  man  auch  jetzt  noch  an  der  zu- 
rückgelehnten Stellung  und  Bewegung  der  Arme  sogleich  als 
den  einer  Wagenlenkerin  erkennt.  Es  ist  Amphitrite,  und 
das  Gewand,  welches  den  linken  Schenkel,  wie  man  noch  jetzt 
erkennt,  entblösst  liess,  ist  charakteristisch  für  die  Meergöttin. 
Ausser  diesem  Torso  sind  noch  drei  andere  zum  Gefolge  des 
Poseidon  gehörige  und  theils  in  London,  theils  in  Athen  be- 
findliche erhalten,  deren  Abgüsse  aber  hier  noch  fehlen. 

Auf  die  Seite  der  Athene  gehört  zunächst  ein  männlicher 
Torso**,  der  auf  Carrey's  Zeichnung  hinter  den  Pferden  der 
Göttin***  steht  und  nach  seiner  Bewegung,  die  man  auch  am 
Torso  erkennt  —  der  Kopf  war  nach  rechts  herumgewandt, 
während  der  rechte  Arm  nach  links  hin  auf  die  Pferde  wies  — , 
der  Wagenlenkerin  wegen  der  wilden  Pferde  etwas  zuzurufen 
scheint.  Sodann  sind  die  drei  letzten  Figuren  zunächst  der 
Ecke  erhalten****,  von  denen  zwei  eine  Gruppe  bilden,  die  sich 
in  Athen  und  zwar  noch  an  ihrem  ursprünglichen  Ort  be- 
findet. Die  Bewegung  dieser  Figuren  ist  nicht  misszuver- 
stehen,  beide  hatten,  wie  man  an  dem  Hals  sieht,  ihre  Köpfe 
ach  der  Mittelscene  gerichtet  und  sind  in  lebhafter  Erregung. 
Die  Frau,  eine  jungfräuliche  Gestalt,  schmiegt  sich  wie  er- 


*  11.  4. 
**  n.  3. 

***  Von    diesen  sind  nur  unbedeutende  Fragmente   erhalten,   da  sie 
von  Morosini   zu  einer  Trophäe   für  Venedig   bestimmt  bei   der  Herab- 
nahme unglückliclierweise  zertrümmert  wurden. 
****  n.  2.  1. 


''  I 


Tempelsoul  ptureh.  151 

schreckt  an  den  älteren,  (bei  Carrey)  bärtigen  Mann  und  ist 
im  Begriff  aufzustehn,  ihr  linker  Arni;  der^  wie  man  aus  den 
gespannten  Muskeln  sieht^  erhoben  war^  drückt  Staunen  und 
Schrecken  aus  und  veranlasst  zugleich  das  anmuthige  Motiv^ 
dass  die  Spange  auf  der  Schulter  sich  löst  und  die  eine  Brust 
entblösst  wird.  Aehnlich  der  Mann^  denn  auch  er  ist  im 
Begriff  sich  aufzurichten  und  stemmt  zu  dem  Zweck  den  lin- 
ken Arm  fest  auf  die  Erde.  Hinter  ihm  bemerkt  man  einen 
«inem  Schlangengewinde  nicht  ganz  unähnlichen  Gegenstand^ 
an  dessen  glatten^  mit  einem  Loch  in  der  Mitte  versehenen 
Abschlnss  ein  hier  nicht  befindliches  Fragment  einer  Schlange 
sich  anschliessen  soll.  Ich  gestehe^  dass  es  für  mich  noch 
nicht  ganz  ausgemacht  ist^  ob  der  fragliche  Gegenstand  wirk- 
lich eine  Schlange  darstellt  und  kann  daher  auch  nicht  die 
darauf  begründete  Deutung  der  Figur  anerkennen. 

Die  letzte,  jugendliche  Figur,  die  zu  den  lebensvollsten 
und  schönsten  gehört  und  auf  der  geschützten  Rückseite  ganz 
frisch  erhalten  ist,  fasste  mit  der  Rechten  das  Gewand  und 
sachte    sich   auf   die  Linke  gestützt  herumzudrehen,  um    das 
Ereigniss  in  der  Mitte  des  Giebels,   auf  welches  der  Kopf, 
wie  man  aus  den  Halsmuskeln  sieht,  bereits  hingerichtet  war, 
besser  beobachten  zu  können.     Denn  während  am  Ostgiebel 
die  Eckfiguren  noch  ganz  unberührt  sind  von  der  Wirkung 
des  in  der  Mitte  vorgehenden  Ereignisses,  pflanzt  sich  hier 
ebenfalls  von  der  Mitte  ausgehend  die  Erregung  bis  auf  diese 
letzte  Figur  fort.     Man  hält  dieselbe  für  einen  Flussgott,  da 
es  öfter  vorkommt,  Flussgötter  in  den  Ecken  der  Giebelfelder 
anzubringen,  wozu  sie  ihrer  liegenden  Stellung  wegen  so  an- 
gemessen waren.     Die  Figur  ist  demnach  Jlissus  oder  besser 
Kephissus  genannt,  der  als  grösserer  Fluss  eher  Anspruch 
bat,  die  attische  Lokalität  zu  vertreten. 

Unter  den  Fragmenten  ist  noch  ein  weiblicher  gewand- 
bedeckter rechter  Oberschenkel*  zu  erwähnen,  einer  Figur 
Jaigehörig,  die  so  tief  sass,  dass  das  Knie  höher  steht  als 
^  Gesäss.  Man  hat  ihn  einer  bestimmten  Figur  zuweisen 
wollen,  doch  passt  er  nach  Carrey's  Zeichnung  zu  mehreren 
itn  westlichen  Giebel  sitzenden  Frauen. 


Im  Griechischen  Saal  n.  7. 


J 


152  Tempelsculptiu-en . 


IL    Die   M  e  t  0  p  e  n*. 

Von  den  Metopenreliefs,  deren  ursprünglich  92  waren, 
sind  diejenigen  der  Ost-  und  Westseite  noch  an  ihrer  ur- 
sprünglichen Stelle,  aber  durch  absichtliche  Zerstörung  in 
einem  traurig  verstümmelten  Zustande**.  Die  Metopen  der 
Nord-  und  Südseite  wurden  zwar  auch  durch  die  Explosion 
von  1687;  welche  die  Mitte  des  ganzen  Tempels  wegnahm^ 
zum  Theil  zerstört,  und  was  an  der  Nordseite  übrig  geblieben, 
befindet  sich  jetzt  gleichfalls  im  Zustande  grösster  Zerstörung***^ 
aber  die  Keste  der  Südseite  hatten  ein  günstigeres  Loos, 
indem  sie  fast  alle,  nämlich  15  an  der  Zahl,  durch  Lord  El- 
gin  herausgenommen  und  nach  London  transportirt  wurden***** 
Eine  sechzehnte!,  schon  vorher  durch  den  Grafen  Choiseul 
Gouffier  entführt,  befindet  sich  seit  dem  Jahr  1818,  nachdem 
sie  mancherlei  Schicksale  erfahrenff,  im  Louvre.  Dies  ist  die 
einzige  Metope,  welche  eine  Restauration  erfahren  hat,  die 
Köpfe  und  das  linke  Bein  der  Frau,  soweit  es  aus  dem  Ge- 
wände hervortritt,  sind  mit  Hülfe  von  Carrey's  Zeichnung, 
der  Vieles  noch  vollständiger  sah,  von  dem  französischen 
Bildhauer  Lange  restaurirt.  Endlich  besitzt  auch  Kopenhagen 
zwei  Fragmente  der  Südseitefff ,  den  Kopf  eines  Centauren 
und  eines  Griechen,  beide  zu  einer  und  derselben  noch  erhal- 
tenen Metope  gehörig,  mit  welcher  Carrey  sie  noch  verbunden 
sah.  Sie  sind  durch  einen  Officier  der  venetianischen  Armee, 
die  1687  Athen  belagerte,  nach  Kopenhagen  gekommen. 


*  Im  Treppenhaus  n.   1  — 19,    125 — 128,    im  Griechischen   Saal 
n.  371.  372. 

**  Von  der  Ostseite  besitzt  das  Museum  eine  Platte  n.  10.,  auf  wel- 
cher ein  geflüg-eltes  Pferd  zu  erkennen  ist.  Man  hat  die  Darstellung 
als  die  Zähmimg  des  Pegasus  durch  Pallas  gedeutet. 

***  Von  der  Nordseite  stammt  die  kleine  gefliigelte  Gestalt  auf  n.  126, 
in  welcher  man  euie  anima  zu  erkennen  glaubt,  ebendahin  gehören  ver- 
muthlich   die   unter  n.  125.  127.  128.   verzeichneten,  in  Athen   befindli- 
chen Fiagmente. 
****  Im  Treppenhaus  n.  1—3.  7—9.  11—19. 

t  Ebendas.  n.  5.     Derselben  Seite  gehören   die   noch  in  Athen  be- 
findlichen Metopen  n.  4.  und  6.  an. 

tt  Sie  wurde  dem  Grafen  auf  seiner  Rückreise  weggenommen,  kam 
nach  England,  wurde  dort  von  Lord  Elgin  gekauft  und  dem  früheren 
Besitzer  zurückgegeben. 

ttt  Im  Griechischen  Saal  n.  371.  372. 


'Tempelsculptureu.  j^53 

Auf  einer  noch  in  Athen  befipdlichen  Metope  haben  sich 
Sparen  von  rother  Farbe  am  Grunde  des  Keliefs  und  von 
gniner  an  einem  Gewände  erhalten,  es  ist  daher  für  alle  Me- 
topen  eine  wenigstens  theilweise  Bemalung  vorauszusetzen. 
Auch  die  Haare  sind  an  einigen  Köpfen  nicht  ausgearbeitet, 
also  bemalt  gewesen.  Die  Waffen  waren  von  Metall  ange- 
fügt, wie  die  zurückgebliebenen  Löcher  beweisen. 

Die  32  Metopen  der  Südseite,  welcher,  wie  wir  sahen, 
alles    in    leidlichem   Zustand   Erhaltene   angehört,   sind   von 
Carrey  vollständig  gezeichnet.    Die  grosse  Mehrzahl  derselben, 
nämlich   23,   enthält  Centaurenkämpfe,   merkwürdiger  Weise 
sind  aber  diese  Kampfgruppen  gerade  in  der  Mitte  der  Süd- 
seite von  9  andern  fremdartigen  Darstellungen  miterbrochen. 
Die  letzteren,   meist   aus   ruhigen  Figuren  bestehend,  geben 
zwar    einen   willk^mnen   Ruhepunkt    zwischen    den   Kampf- 
scenen,   aber   die  Unterbrechung  des  Zusammenhangs   bleibt 
ans  unverständlich.    Denn  die  Kampfgruppen  zur  Linken  und 
Rechten  dieser  Mittelscenen  bilden  ein  Ganzes  und  stellen  ein 
bestimmtes  mythologisches  Faktum  dar,  nämlich  den  Kampf 
der  Centaaren  und  Lapithen,  der  bei  der  Hochzeit  des  Piri- 
tbous  ausbrach.     Hieraus   erklärt   sich  die  Anwesenheit  der 
Frauen,   welche  die  Centauren  zu  entführen  suchen,   hieraus 
aneh  die  Weinkrüge,  die  am  Boden  liegen  oder  von  den  Cen- 
tauren  als  Waffe  benutzt  werden. 

Fragt  man  nach  der  Beziehung,  in  welcher  diese  Sculp- 
turen  zum  Tempel  standen,  so  scheint  dieselbe  doch  nur  eine 
sehr  allgemeine  zu  sein.  Man  kann  behaupten,  dass  fast  alle 
Metopen  dieses  Tempels  Kampfsceneu  enthielten,  auch  auf  der 
Nordseite  befanden  sich  Centaurenkämpfe,  auf  der  Ostseite 
erkennt  man  die  Pallas  in  einem  Kampf  und  andre  Kampf- 
>cenen,  und  ebenso  auf  der  W^estseite.  Da. wir  nun  aber  den 
Centaurenkampf  an  den  Tempeln  der  verschiedensten  Gott- 
heiten wiederfinden,  z.  B.  am  Athenetempel  in  Sunium,  am 
Apollotempel  in  Phigalia,  am  Theseustempel,  am  Zeustempel 
in  Olympia,  so  wird  ihm  schwerlich  ein  speciellerer  Sinn  un- 
tergelegt werden  dürfen,  als  der,  eine  Verherrlichung  helleni- 
scher Götter  und  Heroen  als  Ueberwinder  des  rohen  Frevels 
^  sein,  und  diesen  Gedanken  drücken  auch  wohl  die  übrigen 
Kampfscenen  in  den  Metopen  des  Parthenon  aus.  Es  kom- 
"l^n,  wie  schon  früher  bemerkt  wurde,  künstlerische  Gründe 
*|in2u,  um  solche  Kampfscenen  für  die  Friese  der  Tempel  be- 
liebt zu  machen,   man  fühlte  das  Bedürfniss,   die  strengen, 


► 


154  Tempelsculpturen, 

geraden,  entweder  vertikalen  oder  horizontalen  Linien  der 
Architektur  durch  mehr  diagonale  und  überhaupt  belebtere 
Linien  zu  mildem  und  zu  vermitteln. 

Wie  gewöhnlich  in  den  Kampfscenen  griechischer  Kunst, 
erscheinen  auch  hier  die  Griechen  durchweg  in  jugendlichem 
Alter  und  erhalten  dadurch  den  Centauren  gegenüber,  die 
immer  wild  und  mit  struppigen  Barten  dargestellt  werden, 
ein  um  so  idealeres  Ansehn.  Die  Gruppen  sind  sehr  mannig- 
faltig, wenn  sich  auch  einzelne  Figuren,  wie  es  bei  dem 
Zwang  des  gegebenen  Baumes  nicht  aufallen  kann,  nahezu 
wiederholen.  Selbstverständlich  waren  mehrere  Hände  daran 
thätig,  man  bemerkt  auch  erhebliche  Verschiedenheiten  des 
Geschmacks  und  des  Stils.  In  der  Begel  haben  die  ausfüh- 
renden Künstler  ihren  Figuren  Gewänder  §f geben,  um  leere 
Flächen  zu  beleben,  die  nackten  Körper  abzuheben  und  den 
Eindruck  leidenschaftlicher  Bewegungen  zu  verstärken,  in 
zwei  Metopen,  die  im  Allgemeinen  zu  den  weniger  vorzügli- 
chen gehören,  fehlen  sie.  Es  ist  ferner  dem  Griechen  ein 
verschiedenes  Grössenverhältniss  zum  Centauren  gegeben,  dem 
er  bald  winzig  klein,  bald  in  imponirender  Grösse  gegenüber- 
steht, letzteres  besonders  in  der  äusserst  effektvollen  Gruppe*, 
in  welcher  der  Centaur  mit  der  Bechten  in  heftigem  Schmerz 
nach  einer  Wunde  im  Bücken  greift,  während  die  Linke  be- 
schäftigt war,  sich  von  der  Hand  des  Griechen  zu  befreien, 
der  bereits  zu  einem  zweiten  Stoss  ausholt.  Auch  der  Stil 
ist  verschieden,  indem  mehrere  Beste  alterthümlich  harter 
und  magerer  Körperbildung  zurückgeblieben  sind**.  Zu  den 
vorzüglichsten  dürfte  ausser  der  schon  erwähnten  die  Me- 
tope  gehören,  wo  der  Centaur  triumphirend  über  den  ge- 
tödteten  Gegner  davoneilt***,  femer  diejenige,  wo  der  Grieche 
seinen  Gegner  mit  der  Linken  zurückdrückt  und  mit  der 
Bechten  zum  Stoss  ausholt****.  Auch  die  beiden  Metopen, 
wo  der  Centaur  den  über  ein  Weinfass  gefallenen  Griechen 
am  Bein  ergriffen  hat  und  wo  er  auf  ihn  ein  Weinfass  la 
schleudern  im  Begriff  istf,  gehören  zu  den  bedeutenderen. 
Die  letzte  Metope  ist  diejenige  zu  welcher  die  in  Kopenhagen 


*-ii.  17. 
**  Namentlich  auf  n.  14. 
***  n.  11. 
****  n.  16. 
t  n.  9  u.   18. 


Tempelsculptiiron.  I55 

befindlichen  Köpfe  *    gehören ,    der  Kopf  des  Griechen   hat 
einen  leisen  ergreifenden  Zug  der  Trauer. 

Das  Relief  ist  ganz  anders  gearbeitet^  als  an  den  alter- 
thümlichen  Metopenreliefs  von  Selinunt.  Während  dort  die 
Figuren  nur  gleichsam  herausgehobene  Flächen  bildeten,  kan- 
tig abgeschnitten  und  auf  der  Oberfläche  flächenartig  behan- 
delt waren,  sind  hier  die  Körper  rund  und  gelöst  von  der 
Fläche.  Die  durch  den  Vorsprung  der  Triglyphen  gegebene 
Grenze  des  Reliefs  ist  nicht  streng  innegehalten,  einzelne 
Theile  der  Figuren  springen  weit  darüber  hinaus,  wie  wir  an 
den  Giebelfeldern  eine  ähnliche  Freiheit  bemerkten. 


IIL    Der  Fries  der  Cella**. 

Für  den  inneren  hinter  dem  Peristyl  befindlichen  Fries 
des  Parthenon  war  ähnlich  wie  am  Theseustempel  die  dorische 
Triglj-phentheilung   aufgegeben,    ein   fortlaufendes  Reliefband 
von  524  Fuss  Länge  umgab  die  Cellä  des  Tempels.     Dieser 
Fries   musste  schon  aus  optischen  Gründen,  um  deutlich  ge- 
sehn zu  werden,  ein  sehr  flaches  Relief  haben.     Er  befand 
sich    nämlich   in   einer  Höhe  von  40  Fuss  über  dem  Auge 
des  Betrachtenden,  der  genöthigt  war  seinen  Standpunkt  in- 
nerhalb   des   15'  breiten   Umgangs  zu  nehmen,  so   dass    bei 
stärker  vorspringendem  Relief  die  obern  Theile  der  Figuren 
dem  Auge  entzogen  worden  wären.     Zudem  forderte  der  Fries 
als  Saum  einer  Wand  das  flache  Relief,  ein  höheres  Relief 
würde   unruhig  gewirkt  und  seine  Zusammengehörigkeit    mit 
der  Wand  unterbrochen  haben,   während  er  jetzt  in  seinem 
gleichsam  bescheidenen  Relief  und  in  der  flächenartigen  Be- 
handlung der  Figuren  sich  der  Wandfläche  anpasst  und  ohne 
die  architektonische  Ruhe  zu  beeinträchtigen,  sich  wie  ein  zie- 
rendes Band  um   das  ganze  Gebäude  schlingt.     Es  sind  uns 
etwa    zwei  Drittel   des   Frieses    erhalten,   darunter,   wie    es 
scheint,    alles    zum  Verständniss    Nothwendige,    die   Lücken, 
hauptsächlich  durch  die  Explosion    vom  Jahre   1687    veran- 
lasst, treffen  namentlich  in  die  Mitte  der  beiden  Langseiten, 
mm  Theil  bieten  uns  aber  auch  hier  die  Carrey'schen  Zeich- 


*  Im  Grietrliisch«!!  Saal  n.  371.  372. 
**  Im  (ji-iechischeii  Saal  11.  126—223,  im  Treppenhaus  11.  21—21),  183. 


156  Tcmpclsculpturen. 

nungen  einigen  Ersatz^  ausserdem  jhaben  die  in  den  Jahren 
1833 — 37  unternommenen  Ausgrabungen  noch  manche  schöne 
und  wohlerhaltene  Platte  zum  Vorschein  gebracht  Etwa  die 
Hälfte  des  Ganzen  befindet  sich  seit  Lord  Elgin  im  britischen 
Museum,  das  Uebrige  mit  Ausnahme  einer  im  Louvre  befind- 
lichen Platte  in  Athen ;  kleinere  Fragmente  sind  tiberall  hin 
verstreut. 

Die  Betrachtung  beginnt  am  passendsten  mit  dem  Fries 
der  hinteren,  westlichen  Seite*,  da  sich  von  hier  aus  der 
Festzug,  der  den  Gegenstand  des  Frieses  bildet,  in  Bewegung 
setzt.  Er  ist  vollständig  erhalten  und,  wie  aus  Carrey's  Zeich- 
nung hervorgeht,  im  Wesentlichen  noch  in  dem  Zustande, 
wie  ihn  dieser  Maler  sah.  Auch  befindet  er  sich  noch,  bis 
auf  eine  in  London  befindliche  Platte,  die  erste  an  der  nach 
Norden  gelegenen  Seite**,  am  Gebäude  selbst. 

Es  sind  die  Vorbereitungen  des  Keiterzuges  dargestellt, 
der  an  den  beiden  anschliessenden  Langseiten  sich  reich  und 
glänzend  entwickelt.  Einzelne  Keiter  auf  der  nach  Norden 
gelegenen  Hälfte  sind  auch  bereits  aufgesessen  und  galoppiren 
fort  um  den  Zug  zu  erreichen,  während  zunächst  der  Stidecke 
die  Vorbereitungen  noch  am  wenigsten  beendet  sind.  Hier 
wirft  noch  einer  (die  Eckfigur)  seinen  Mantel  um,  der  fol- 
gende zieht  seinen  Schuh  an,  der  dritte  legt  seinem  Pferde 
die  Zügel  um,  dann  will  ein  Pferd  nicht  pariren,  ein  andres 
kratzt  sich  gemüthlich  am  Bein.  Auch  die  nun  folgenden 
Beiter  reiten  noch  einzeln,  nicht  in  dichtgedrängten  Zügen 
wie  an  den  Langseiten,  und  werden  immer  noch  unterbrochen 
von  Gruppen  Säumender.  Die  allgemeine  Bichtung  dieses 
Zuges  geht  von  der  Südecke  nach  Norden  zu,  man  könnte 
erwarten,  dass  entsprechend  der  gegenüberliegenden  Ostseite 
und  im  Anschluss  an  die  Züge  der  Nord-  und  Südseite  auch 
hier  die  Bewegung  von  der  Mitte  aus  sich  nach  beiden  Seiten 
entfaltete,  allein  absichtlich  verlnied  der  Bildhauer  diese  Tren- 
nung des  westliehen  Frieses,  die  den  ganzen  Fries  halbirt 
und  seine  Continuität  zerrissen  haben  würde,  seine  Absicht 
war  gerade,  die  westliche  Seite  wie  ein  vermittelndes,  ver- 
knüpfendes Band  zwischen  die  Nord-  und  Südseite  zu  legen. 
Es  versteht  sich  freilich  von  selbst,  dass  die  eine  dominirende 
Richtung  der  Bewegung  nicht  so  streng  durchgeführt  ist,  dass 


*  Im  Griechischen  Saal.n.  208—223. 
**  Ebendas.  n.  222. 


Tempelsculptureii .  157 

sie  nicht  durch  einzehie  Figuren  unterbrochen  würde,  der 
Künstler  hat  der  praevalirenden  Richtung  gleichsam  kleine 
retardirende  Hindemisse  in  den  Weg  geworfen,  um  einer 
durch  strenge  Durchführung  einer  Richtung  etwa  entstehen- 
den Monotonie  entgegenzuwirken. 

Die  Tracht  der  Jünglinge  ist  mit  der  grössten  Mannig- 
faltigkeit, ganz  frei  nach  künstlerischen  Rücksichten  behan- 
delt, indem  nackte  und  leichtbekleidete  Figuren  mit  gehar- 
nischten abwechseln.     Unter  den  letzteren  fällt  besonders  ein 
Jüngling  auf*,  dessen  Panzer  sehr  fein  und  von  den  gewöhn- 
lichen abweichend  ist.     Ein  Medusenkopf  ziert  ihn  auf  der 
Brust  und  die  Verbindung  von  Brust-  und  Rückenstück  des 
Panzers  wird  durch  geschuppte  Platten  hergestellt,   die  wie 
alle  derartigen  Details  gewiss  durch  Malerei  hervorgehoben 
waren.     Auffallend   sind  die    einer   phrygischen  Mütze    ähn- 
lichen, an  zwei  Figuren  dieser  Seite  vorkommenden  Kopfbe- 
deckungen**,  deren  besondre  Beziehung  uns  unbekannt   ist, 
besonders   schön   aber   die  breitkrämpigen  Hüte,   mögen  sie 
nun  am  Nacken  herabhängen,  oder  aufgesetzt   sein***.     An 
der  Nordwestecke  steht  eine  ruhige  Figur****,  wie  wir  es  noch 
an  mehreren  Ecken   wiederfinden  werden,   sie   hielt   in   der 
Rechten  einen  Stab  oder  dgl.,  der  in  Metall  angefügt  war, 
wie   die  zurückgebliebenen  Löcher  beweisen.     Wir  haben  in 
dieser  mit  dem  Himation  bekleideten  Figur  gemss  einen  Ord- 
ner des  Zuges  zu  erkennen,  und  dasselbe  gilt  wohl  von  der 
ebenso    bekleideten  in  ihrer  Nähe  befindlichen  Figur,    denn 
die    activen   Theilnehmer    der   Cavalcade    sind,   wie    es    den 
leichten  und  freien  Jünglingen  geziemt,  nur  mit  dem  kurzen 
Chiton  und  dem  flatternden  Mäntelchen,   diesem   charakteri- 
stischen  Kleidungsstück  der   Jugend,   bekleidet.     Noch   sind 
einige    kleinere  Figuren    zu  bemerken,   die  auch  an  andern 
Theilen  des  Frieses  wiederkehren,  in  denen  wir  die  Burschen 
der  Jünglinge,  nach  unsrer  Weise  zu  reden,  zu  erkennen  ha- 
ben, Sklavenknaben,  zur  persönlichen  Dienstleistung  bestimmt. 
Sie  machen  eine  Ausnahme  von  dem  schon  früher  bemerkten 
(jesetz,  dass  alle  Figuren  gleich  hoch  hinaufreichen  müssen, 


♦  n.  218. 

•*  11.  216.  220.     Eine  Doubletü;  der  erslereii   Platte  im  Tre|)i)eiiliau8 
ü.  21. 

***  Besonders  schön  die  Fig^ur  auf  n.  215. 

•♦**  n.  223. 


1 58  Tempelsculpturen. 

indessen  war  es  nothwendig,  um  sie  als  solche  zu  kennzeich- 
nen und  ihr  seltenes  Vorkommen  lässt  die  gelinde  Störung 
verschwinden. 

Gehen  wir  fort  in  der  Richtung  des  Zuges  auf  die  nörd- 
liche Langseite  des  Tempels*,  deren  Eckfigur  ein  kleiner 
Sklave  ist,  der  seinem  Herrn  den  Gürtel  befestigt,  so  beginnt 
sie  im  Anschluss  an  die  Westseite  mit  noch  ruhigen  Figuren, 
die  aber  bald  dem  bewegten  Leben  der  Eeiterprocession 
Platz  machen.  Doch  ist  auch  hier  eine  allmähliche  Steigerung 
wahrnehmbar,  denn  während  die  ersten  Pferde  noch  ruhiger 
sind,  steigert  sich  die  Lebendigkeit  der  Thiere  in  dem  Maasse, 
dass  mehrere  derselben  völlig  vom  Boden  aufspringen.  Doch 
ist  keiner  der  Reiter  unsicher  oder  machtlos,  sondern  bei 
allem  Feuer  der  Thiere  bewegen  sie  sich  doch  nicht  schneller 
vorwärts,  als  die  Fussgänger  zu  Anfang  der  Procession.  Mit 
Recht  wird  dieser  Theil  des  Frieses,  namentlich  die  d%r  Nord- 
Bestecke  zunächst  befindlichen  Platten,  besonders  gerühmt, 
die  Pferde  sind  von '  der  feurigsten  Art  und  der  viel  geta- 
delte dicke  Hals  und  die  vortretenden  Augen  besonders 
geeignet,  den  Eindruck  von  Muth,  Kraft  und  Leben  zu 
erhöhen,  auch  die  kurz  geschnittenen  Mähnen  charakterisiren 
vortrefflich  die  straffe,  gespannte  Haltung  der  Thiere.  Es 
ist  dieser  Theil  des  Frieses  und  überhaupt  der  ganze  Fries 
ein  deutlicher  Beweis  für  die  in  alten  Zeugnissen  gerühmte 
Meisterschaft  athenischer  Bildhauer  und  Maler  in  der  Bildung 
des  Pferdes,  denen  aber  auch  eine  entsprechende  Neigung 
des  ganzen  Volkes  entgegen  kam.  Denn  der  athenischen  Ju- 
gend höchste  Freude  war  es,  sich  mit  Pferden  herumzutnm- 
meln,  attische  Dichter,  namentlich  Sophokles,  entlehnen  gern 
ihre  Gleichnisse  von  dem  edlen  Thier,  und  selbst  unter  den 
attischen  Namen  hat  man  eine  auffallend  grosse  Anzahl  sol- 
cher die  mit  YfCTCog  zusammengesetzt  sind,  bemerkt. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  127—138,  160—176,  208—205.     Aus- 
serdem sind  in  den  Reiterzug  dieser  Seite  einzuschieben  die  Fragmente 
^  126.  206.  207  und  die  drei  Platten  im  Treppenhaus  n.  27—29.      Die 
.''^«benda   befindliche    n.    26   ist   nur   eine   unvollständige  Doublette   von 
',  n.  165.    Vertauscht  sind  die  Plauen  n.  161  u.  162,  und  die  in  die  Süd- 
seite   eingeschobene  Platte  n.  481   gehört   auf   die  Nordseite   zwischen 
173  u.  174. 

••  In  Athen  befinden  sich  n.  138.  160.  166.  168.  171.  173— 176- 
204.  205  vom  Griechischen  Saal  und  n.  27 — 29  vom  Treppenbaus,  die 
übrigen  in  London. 


Tempelsciilpturen.  159 

Im  alterthümlichen  Keliefstil  scheint  man  es  vermieden 
za  haben;  dass  die  Figuren  sich  zum  Theil  decken ,  hier  da- 
gegen drängen  sich  die  Reiter  an  einander  und  erregen  da- 
durch den  Eindruck  einer  unaufhörlich  strömenden^  reichen^ 
dichten  Masse.  Und  dabei  auch  hier  wieder  die  grösste 
Mannigfaltigkeit  der  Tracht  ^  bald  nackte  ^  bald  bekleidete 
Figoren,  mit  oder  ohne  Mantel,  mit  oder  ohne  Aermel,  und 
dasselbe  Bestreben,  ein  ritardando  hineinzubringen  durch  ent- 
gegentretende oder  sich  umwendende  Figuren. 

Auf  die  Reiter,   deren  Ungestüm  sich  mehr  und  mehr 
legt,  je  näher  sie  dem  voraufgehenden  Theile  der  Procession 
sind,  folgt  der  Zug  der  Wagen,  zwar  lückenhaft,  aber  doch 
soweit  erfialten,  dass  der  Zusammenhang  des  Ganzen  deutlich 
bleibt.    Auch  hier  ist  in  der  Mitte  mehr  Bewegung  als  am 
Anfang    und    am    Ende.      Die    Wagen    deren    ursprünglich 
mindestens  10  gewesen  sind,  werden  von  Jünglingen  gelenkt, 
deren  Tracht,  wie  aus  den  Vasenbildem  zu  entnehmen,  für 
die  Wagenlenker  charakteristisch  gewesen  sein  muss,  es  ist 
ein  langherabreichendes  Gewand,  bald  mit,  bald  ohne  Aermel, 
gelegentlich  auch  durch  Kreuzbänder  über  der  Brust  gehal- 
ten.    Neben  ihnen  steht  mit  einem  Fuss  im  Wagen  ein  mit 
Helm  und  Speer  gerüsteter  Jüngling,  und  neben  den  Pferden 
ist  gewöhnlich  ein  Ordner  sichtbar,  dessen  Gestalt  zur  Aus- 
fUlung  des  über  den  Pferdekörpem  entstehenden  leeren  Rau- 
mes sehr  ¥allkommen  war.     Es  versteht  sich,  dass  auch  hier 
die  Pferde  voll  Leben  und  Feuer  sind,  so  dass  sich  die  Wa- 
genlenker zurücklehnen  um  sie  zu  halten,   dass  die  Ordner 
winken  und  zurufen  und  zurückscheuchen  müssen   um   nicht 
selbst  ins  Gedränge  zu  kommen. 

Den  Wagen  und  Reitern  vorauf  geht  der  lange  Zug  der 
Fossgänger,  zunächst  eine  Anzahl  von  Männern,  die  ohne  be- 
stiflQQnte  Charakteristik  sind,  so  dass  mr  nicht  wissen,  welche 
Fvnktion  ihnen  zufiel.  Einer  von  ihnen  setzt  sich  einen 
Kränz  auf,  die  Andern  sind  mit  einander  in  Gespräch*.  Dar- 
mf  folgte  die  Processionsmusik ,  nach  Carrey  vier  Kithar- 
«nd  vier  Flötenspieler,  von  denen  sich  nur  wenige  aber  doch 
noch  kenntliche  Fragmente  erhalten*  *.  An  diese  schliessen  akh 
ner  Jünglinge  mit  weingefüllten  Krügen,  über  deren  letztdki^ 


*  n.  181,  welche  Tafel  wie   in  der  vorigen  Anm.  gesagt  ist,    auf 
fie  Nordseite  gehört. 
••  n.  176.  176. 


160  Tempelsculptiiren. 

der  seinen  Krug  gerade  aufzuheben  im  Begriff,  isf,  sich  das 
Fragment  des  Flötenspielers  befindet.  Die  Krüge  sind  drei- 
henkelig  und  von  der  altern,  unter  den  schwarzfigurigen 
Vasen  gewöhnlichen  Form.  Den  Krugträgern  voran  gehen 
drei  Jünglinge  mit  Schüsseln  auf  der  Schulter,  auf  denen 
Opferkuchen  lagen,  sodann  folgen  die  Opferthiere,  zunächst 
Widder  und  darauf  die  Ochsen  mit  ihren  Führern,  die  auch 
nicht  alle  erhalten  sind,  da  Carrey  vier  derselben  mittheilt 
Der  Zug  der  Ochsen  reichte  bis  an  die  Ecke  der  Nordseite 
und  wir  biegen  nun  um  zur  Ostseite*. 

Hier  schliessen  sich  unmittelbar  Frauengestalten  an,  von 
denen  zwar  die  beiden  äussersten  nur  noch  in  Zeichnungen 
erhalten  sind,  die  sich  aber  nicht  wesentlich  von  den  erhal- 
tenen Figuren  unterscheiden.  Die  Mädchen  sowohl  auf  dieser 
als  auf  der  andern  Hälfte  der  Ostseite  machen  einen  wesent- 
lich verschiedenen  Eindruck  von  den  Jünglingen  der  übrigen 
Seiten.  Bei  diesen  herrscht  eine  grössere  Mannigfaltigkeit 
und  Freiheit,  bei  jenen  mehr  Gleichförmigkeit,  dort  erhält 
man  mehr  den  Eindruck  unbefangener,  freier  Natürlichkeit, 
hier  den  Eindruck  der  Zucht  und  Sitte.  Dies  schliesst  indess 
einzelne  Verschiedenheiten  der  Tracht  nicht  aus,  das  Unter- 
gewand ist  bald  nach  dorischer  Sitte  ärmellos,  bald  wie  es 
in  Jonien  getragen  wurde,  mit  Aermeln  versehn,  die  aufge- 
schlitzt und  dann  wieder  in  sehr  graziöser  Weise  zusam- 
mengenestelt sind.  Die  Mädchen  tragen  sämmtlich  Opferge- 
räthe,  nämlich  einhenklige  Kannen,  mit  denen  man  aus  den 
grossen  Krügen  schöpfte  und  in  die  Schaalen  oder  Becher 
vertheilte,  sodann  runde  Schaalen  mit  einem  Buckel  in  -der 
Mitte,  in  welchen  die  Finger  beim  Anfassen  hineingreifen, 
und  endlich  (die  fünfte  von  ihnen)  ein  leuchterartiges  Geräth, 
dessen  Details  gewiss  durch  Farbe  näher  bezeichnet  waren. 
Wir  haben  es  als  ein  Weihrauchbecken  (Thymiaterion)  zu 
betrachten  und  die  Spitze  des  Geräthes  als  aus  Schaale  und 
Deckel  bestehend  zu  denken.  Letzterer  war  durchlöchert  um 
den  Weihrauch  zu  entlassen.  Die  folgende  im  Louvre  befind- 
liche Platte**  ist  die  einzige,  welche  durch  moderne  Restau- 


% 


*  11.  139 — 157  im  Griechischen  Saal  und  n.  25  im  Treppenhaus. 
Das  ebendaselbst  unter  n.  183  befindliche  Stück  ist  nui'  die  Doublette 
eines  Stücks  von  143. 

In  Athen  befiiiclet  sich  ii.  144,  im  Louvre  (früher  im  Besitz  des 
Grafen  Choiseul-Goiifftier)  n.  140.  141. 

**  n.  140.  141. 


Tempelsculpturen.  iß\ 

ration   gelitten  hat,   indem  von  den  Köpfen  der  8  Figuren 
nur  2  alt  sind,  nämlich  der  Kopf  des  rechts  stehenden  Mäd- 
chens in  dem  ersten  Paar  und  derjenige  des  vorletzten  Mäd- 
chens.    Die  beiden  Männer  dieser  Platte  haben  die  Tracht, 
die  wir  an  den  Ordnern  des  Zuges  bereits  kennen  lernten, 
und  scheinen  den  Mädchen  Anweisung  zu  geben;  der  erstere 
von  ihnen  hält  ein  Geräth,  das  jeinigermaassen  den  Schüsseln 
oder  Platten  gleicht,  die  wir  an  der  Nordseite  getragen  sahen. 
Auf  der  folgenden  Platte*  sind  jüngere  und  ältere  Männer 
vorgestellt,  denen  gleichfalls  wohl  irgend  eine  besondere  Func- 
tion bei   der  Feier   oblag;   was   der  zweite  von  ihnen  (von 
rechts)  in  der  erhobenen  Rechten  hielt  oder  ob  er  nur  mit 
der  ^md  winkte,  ist  schwer  zu  sagen. 

Wir  sind  nun  in  unsrer  Betrachtung  bis  zur  Mittelgruppe 
der  Ostseite,  der  Eingangsseite  des  Tempels,  gelangt,  ehe  wir 
aber  diese  betrachten,  wird  es  passend  sein,  zunächst  zur 
Westseite,  Ton  der  wir  ausgingen,  zurückzukehren  und  die 
andere,  im  Süden  anschliessende  Langseite**  zu  verfolgen. 
Auch  hier  finden  wir  zunächst  einen  Beiterzug,  dessen 
Ende  und  Anfang  leider  nicht  zum  besten  erhalten  ist.  Er 
wird  sich,  wie  das  entsprechende  Stück  der  Nordseite,  nicht 
plötzlich,  sondern  in  allmählichem  Uebergang  vom  Ruhigen 
zum  Belebten  an  die  Westseite  angeschlossen  haben.  Die 
ruhig  stehende  Eckfigur,  nach  ihrer  Tracht  ein  Festordner, 
ist  nns  erhalten***.  Im  Allgemeinen  steht  der  Reiterzug  der 
Südseite  dem  der  Nordseite  nach,  die  Arbeit  ist  an  mehreren 
Platten  nicht  so  vorzüglich  und  besonders  fehlen  fast  ganz 
die  dichtgedrängten  Gruppen,  die  dort  so  lebendig  wirken. 
Die  Reiter  reiten  mehr  in  gleichförmigen  Distanzen,  ihr  Zug 
iit  regehnässiger,  aber  darum  auch  weniger  feurig  und  man- 
nigfaltig. Auf  die  Reiter  folgen  auch  hier  die  Wagen,  von 
denen  5  in  Fragmenten  erhalten  sind,  darunter  zwei  mit  noch 
nihig  stehenden  Pferden,  die  sich  zunächst   dem  Reiterzuge 


i 


*  Das  Original  dieser  Platte  ist  durch  absichtliche  Bescliädigung 
»^T  zerstört,  namentlich  ist  die  dritte  Figur,  der  auf  seinen  Stab  ge- 
»'ötÄc  Manu,  ganz  ausgemeisselt,  ausserdem  die  Köpfe  der  beiden  fol- 
ffndeu.  Doch  existiren  Abgüsse,  die  vor  dieser  Beschädigung  genom- 
™«i  büid. 

••  n.  202  — 182.    180  — 177.    159.    158   und   im  Treppenhaus    n. 
-0-24.    Die  letzten  drei  und  n.  178  befinden  sich  in  Athen,  die  übri- 
'«'<;"  in  London. 
***  Im  Treppenhaus  n.  22. 

Friedcrichü.  griech.  Plastik.  11 


162  Tempelsculpturen. 

anschliessen.  Sodann  kommen  Männer  za  FusS;  eine  ähnliche 
Gruppe  wie  wir  sie  auch  auf  der  Nordseite  fanden,  von 
der  aber  nur  geringe  Fragmente  erhalten  sind*.  Zwischen 
diesen  Fragmenten  und  den  folgenden  Gruppen  der  Kühe  ist 
wieder  eine  erhebliche  Lücke  zu  statuiren,  die  wir  uns  in 
einer  der  Nordseite  entsprechenden  Weise  ausgefüllt  denken 
müssen,  denn  darüber  kann  wohl  kein  Zweifel  sein,  dass  die 
Darstellungen  der  Nord-  und  "Südseite,  die  ja  zusammen  ein 
Ganzes,  einen  nur  durch  räumliche  Bedingungen  in  Hälften 
getheilten  Zug  bilden,  in  einem  strikten  Parallelismus  zu  ein- 
ander standen,  so  dass  die  Lücken  der  einen  Seite  aus  der 
andern  ergänzt  werden  können.  Dagegen  ist  das  letzte  Stück 
der  Südseite,  die  Kühe  mit  ihren  Treibern,  weit  vollständiger 
erhalten  als  auf  der  Nordseite,  und  dieser  Theil  der  Südseite 
gehört  in  der  That  zu  den  schönsten  des  ganzen  Frieses. 
Zum  Theil  gehn  die  Ochsen  ruhig  neben  ihren  Treibern,  aber 
nicht  alle,  und  gerade  die  Platte,  wo  ein  Ochse  sich  losreissen 
will  und  mit  Mühe  von  zwei  Jünglingen  gehalten  wird,  deren 
einer  den  an  seinen  Hörnern  befestigt  zu  denkenden  Strick 
hält,  während  der  andere  ihn  direkt  am  Hörn  fasst,  ist  eine 
der  lebensvollsten  Darstellungen  der  alten  Kunst.  Man  ver- 
gleiche, um  sich  dessen  bewusst  zu  werden,  ähnliche  Scenen 
auf  römischen  Werken,  z.  B.  am  Titusbogen,  und  man  wird 
im  Einklang  mit  römischem  Wesen  nur  eine  strenge  feier- 
liche Ceremonie,  eine  gravitätische  Ruhe,  an  welcher  auch  die 
Opferthiere  Theil  nehmen,  bemerken,  während  am  Parthenon- 
fries zwar  auch  die  Feierlichkeit  einer  religiösen  Handlung 
fühlbar  ist,  aber  doch  nicht  die  Aeusserungen  freier  Natür- 
lichkeit unterdrückt,  die  der  Kälte  und  Einförmigkeit  entge- 
genwirken, welche  bei  der  Darstellung  von  feierlichen  Pro- 
cessioneu  so  leicht  eintritt. 

Die  Stricke,  an  denen  die  Thiere  geführt  wurden,  haben 
wir  farbig  ausgeführt  zu  denken,  wiewohl  man  erwarten  sollte, 
dass  sie,  wie  die  Zügel  der  Pferde,  in  Metall  angefügt  waren. 
Aber  es  haben  sich  an  diesen  Platten  keine  Löcher  gefunden, 
auch  von  den  Kränzen,  welche  mehrere  Figuren  aufgesetzt 
•"/haben  oder  im  Begriff  sind,  aufzusetzen,  muss  man  annehmen, 
dass  sie  bald  in  Metall,  bald  in  Farbe  ausgedrückt  waren, 
ohne  dass  wir  einen  Grund  dieses  Wechsels  erkennen  könnten. 

Die  Gruppen    der  Kühe   reichen   bis   ans   Ende   dieser 


Im  Griechischen  Saal  n.  180  u.  im  Treppenhaus  ii.  24. 


Fempelsculpturen .  163 

Seite  y  auch  die  Eckgrappe  ist  erhalten^  woran  sich  als  erste 
Figur  der  Ostseite  ein  Ordner  des  Zuges  schliesst,  der,  wie 
man  treffend  bemerkt  hat,  den  Zug  der  Südseite  gleichsam  um 
die  Ecke  heromwinkt*.   Auf  ihn  folgt,  wie  auf  der  andern  Hälfte 
der  Ostseite,  der  Zug  der  Mädchen,  meistens  mit  denselben 
Gerftthen,  wie  dort,  abweichend  sind  nur  gewisse  trompetenför- 
mige  Gegenstände,  die  wir  in  den  Händen  einiger  der  vorde- 
ren Mädchen   bemerken.     Es  sind  gewiss  Fackeln,  die  wie 
.alle  flbrigen   Geräthe   zum    Opfer   gebraucht   werden   sollen. 
Nachdem  wir  sodann,  wie  an  der  andern  Hälfte,  drei  Gruppen 
nihig  stehender  älterer  und  jüngerer  Männer  passirt,  sind  wir  auch 
von  dieser  Seite  bei  der  Centralgruppe  der  Ostseite  angelangt. 
Diese  besteht  aus  fünf  stehenden  Mittelfiguren,  umgeben 
von  je  drei  Gruppen,   deren  Mitglieder   auf  Stühlen   sitzen. 
Wir  haben  die  letzteren  als  Götter  zu  betrachten,  nicht  so- 
wohl wegen  ihrer  grösseren  Proportionen,  die  sich  vielmehr 
durch  das  schon  öfter  berührte  und  gerade  an  diesem  Fries 
so  deutliche  Gesetz  erklären,  stehenden,  sitzenden,  reitenden 
Figuren  dieselbe  Höhe  zu  geben,   sondern  weil   sich   in    der 
letzten  Gruppe  zur  Rechten  eine. Figur  befindet,  die  deutlich 
als  Amor  charakterisirt  ist.     Diese  Gruppe  besteht  aus  einer 
iitzenden  mit  einer  Haube  bekleideten  Frau,  an  deren  linkem 
Arm  sich  noch  der  Rest  einer  zweiten  Frau,  ein  Stück  ihres 
rechten  Arms,   erhalten   hat.     Von    dem    hierauf  folgenden 
Stück  sind  am  Original  nur  geringe,   gleich  zu  erwähnende 
Reste  übrig  geblieben,  wir  besitzen  dagegen  zwei  vollständi- 
gere Gypsabgüsse,  von  denen  aber  einer  willkürliche  Yerän- 
denmgen  erfahren  hat.     Von  diesem  letzteren  ist  unser  Abguss  *  * 
genommen,  der  einen  Knaben  mit  einem  Stab  in  der  Linken 
an  die  Reste  einer  Frau  gelehnt  darstellt,  deren  linke  Hand 
auf  seiner  Schulter  liegt  und  den  Knaben  mit  ausgestrecktem 
Zeigefinger    auf    den    herankommenden   Zug   aufmerksam   zu 
niachen  scheint.    Dieses  Stück  gehört,  wie  aus  Carrey's  Zeicli- 
nnng  hervorgeht,  zu  dem  Rest  des  rechten  Frauenarms,  der 
anf  dem  vorhergehenden  Stück  erhalten,   es  ist  aber   darin 
öicht  treu,   dass  es  die  Reste  der  Flügel,  die  man  auf  dem 
andern  hier  nicht  befindlichen  Gypsabguss  an  den  Schultern 
'ies  Knaben  bemerkt,   nicht   wiedergiebt,  so  wenig   wie    die 
ober  dem  Stabe  des  Knaben  befindliche  schirmförmige  Masse. 


Im  Treppenhaus  ii.  25. 


11 


1 

j 


1 64  Tempelsculpturen. 

Auch  schneidet  das  Stück  zu  kurz  ab;  auf  dem  andern  Ab- 
guss  sind  nicht  allein  die  Beine  der  Frau  nebst  ihrem  mit 
einem  Tuch  behängten  Sessel  vollständig  erhalten;  sondern 
auch  ihr  gewandbedeckter  Oberarm  und  ein  Fuss  der 
zweiten;  neben  ihr  sitzenden  Frau.  Ausserdem  ist  die  zur 
Hechten  anschliessende  auf  dem  Original  sehr  verstümmelte 
Figur  eines  auf  seinen  Stab  gestützten  älteren  Mannes  in 
diesem  Abguss  fast  vollständig  erhalten.  Die  noch  am  Ori- 
ginal im  britischen  Museum  sichtbaren  Spuren*  lassen  wenig- 
stens die  linke  EUind  der  Frau  und  den  Stab  des  Knaben 
mit  dem  darüber  befindlichen  schirmförmigen  Gegenstand  deut- 
lich erkennen. 

Der  geflügelte  Knabe  in  dieser  Gruppe  ist  offenbar  ein 
göttliches  Wesen,  und  für  solche  müssen  daher  nothwendig 
die  mit  ihm  verbundenen  gleichartigen  Figuren  gehalten  wer- 
den. Er  darf  als  Amor  bezeichnet  werden  und  das  Geräth,  das  er 
in  der  Hand  hält;  kann  nur  ein  Sonnenschirm  gewesen  sehu 
Man  hat  dieses  auf  den  Monumenten  in  der  Hand  von  Frauen 
nicht  seltene  Geräth  auf  den  Amor  selbst  bezogen;  da  er  der 
einzig  nackte  unter  den  Göttern  sei,  allein  es  fragt  sich,  ob 
er  es  nicht  gewissermaassen  als  Diener  der  neben  ihm  sitzen- 
den Venus  —  denn  diese  ist  durch  die  Bestimmung  des 
Amor  zugleich  mit  bestimmt  —  trägt;  so  dass  der  Schirm 
eigentlich  ihr  gilt,  für  die  er  als  weichlichste  Göttin  sehr 
charakteristisch  ist;  die  ihn  auch  auf  andern  Monumenten 
öfter  theils  selbst  trägt,  theils  durch  eine  Dienerin  hal- 
ten lässt. 

Sind    hienach    diese    sitzenden  Figuren    für   Götter   zu 
halten;  so  fragt  sich;  ob  und  wie  sie  im  Einzelnen  zu  benen- 
nen sind;  und  allerdings  scheint  die  Mehrzahl  derselben  be- 
stimmt werden  zu  können.    Die  Gruppe  zur  Linken  der  flüif 
Mittelfiguren  stellt  gewiss  ZeuS;  Hera   mit  Hebe  oder  Nikft 
dar**.     Denn  der  Platz  den  sie  zunächst  der  JVfitte  einneh- 
men; ist  der  vornehmste,  ferner  unterscheidet  sich  der  Sessel 
des  ZeuS;  dessen  Armlehnen  durch  eine  Sphinx  gestützt  sind^ 
von   allen   übrigen  durch  ein  reicheres  Aussehn  und  in  der 
Rechten   derselben  Figur   hat   sich   der  Rest  eines  Scepters 
erhalten.    Man  hat  mit  Recht  auf  den  Gegensatz   zwischen. 


*  Im  Gi'iechischen  Saal  auf  n.  143  in  der  linken  Ecke. 
**  n.  148. 


Tempelsculpturen.  155 

diesem  Zeus   und   der  Büste   von  Otrikoli*;   die   gewöhnlich 
aaf  ein  Original  des  Phidias  zurückgeführt  wird;  aufmerksam 
gemacht   um   die  Grundlosigkeit   dieser  Annahme  darzuthnn^ 
der  hier  dargestellte  Zeus   mit   dem  alterthümlich   knappen 
und  spitz  zulaufenden  Bart  hat  noch  deutliche  Verwandtschaft 
mit  dem  alten  Stil,  die  bei  jenem  völlig  gelöst  ist;  und  statt 
des  lebhafteren;  effektvolleren  Aussehns  jener  Büste  liegt  über 
dieser  (xestalt  eine  Stille  und  Würde;  die  zum  Ausdruck  des 
Göttlichen  geeigneter  ist.    Die  Frau  neben  ihm  ist  unzwei- 
felhaft Hera,  die  ihren  Schleier  ausbreitet  um  den  Zug  unge- 
hinderter sehn  zu  können,  ein  Motiv,  das  ihrer  Gestalt  ein 
reicheres  und  vornehmeres  Ansehn  verleiht.    Die  neben  ihr 
stehende  Figur  scheint  Flügel  gehabt  zu  habeu;  man  bemerkt 
wenigstens  über  ihrer  linken  Schulter  einen  nicht  wohl  anders 
ZI  verstehenden  Rest;  der  durch  Farbe  deutlicher  charakte- 
risirt  sein  konnte;   in  den  Händen  wird  sie  einen  Kranz  ge- 
halten haben.    Nach  ihrer  Stellung  ist  sie  eine  untergeordnete 
Göttin,  man  kann  nur  schwanken  zwischen  Nike  und  Hebe. 
In  der  links  folgenden  Gruppe  ist  nur  eine  Figur  mit  Sicher- 
heit zu  erkennen,   n&mlich  Demeter,   durch   das  Attribut  in 
ihrer  Linken,  eine  aus  einzelnen  zusammengebundenen  Stäben 
bestehende  Fackel  charakterisirt**,  auch  entsprechen  die  brei- 
ten vollen   Formen    ihrem   specifisch   matronalen   Charakter. 
Endlich   ist  in  der  letzten  Gruppe  zur  Linken  in  der  dem 
Zage  entgegen   gewandten   Figur***    höchst   wahrscheinlich 
Hermes    anzunehmen,    denn    ihm   eignet   vor    aUen   übrigen 
Oöttem  die  Tracht  der  kräftigen  Jugend,  der  Hut  (Petasos) 
der  auf  seinem  Schooss  liegt,   und  die  Chlamys.     Es  kann 
femer  die  erste  Gruppe   zur  Kechten   der  Mittelfiguren  be- 
stimmt werden,  wenn   wir  nämlich   von   dem   Satz   ausgehn 
dtarfeU;  dass  in  dieser  Götterversammlung  unmöglich  die  Pallas 
sdber  fehlen  konnte.    Für  sie  bleibt  uns  dann  nur  die  Wahl 
zwischen  der  neben  Aphrodite  sitzenden  mit  einem  Häubchen 
bedeckten  Frau  und  der  ersten  neben  der  Mittelgruppe ,  die 
a  den  anmuthigsten  Figuren  des  Frieses  gehört*  *  *  *.    Jene,  der 
■«n  sehr  ansprechend  den  Namen  der  Peitho  gegeben  hat; 
«Äspricht  zu  wenig  dem  Charakter  der  PallaS;  auch  deutet 


*  Im  Saal  des  Barberinischeii  Fauns  ii.  19. 
••  u.  149. 
•••  n.  150. 
••••  n.  146. 


1 


166  Tempelsculpturen. 

ihr  Platz   auf  eine  weniger   hervorragende   Göttin,  während 
bei    dieser    noch   ein   besondrer  Umstand   die   Deatong   auf 
Pallas  empfiehlt.    An  dem  rechten  Arm  entlang  haben  sich 
nämlich   drei  Bohrlöcher   erhalten,   womit   ein   stabähnliches 
Geräth,  vermuthlich  also  die  Lanze,  angefügt  war.    Dass  wir 
aber  die  Pallas  so  schlicht  und  friedlich  ohne  ihre  Aegis  dar- 
gestellt finden,  wird  hier,  wo  die  Göttin  unter  ihrem  feiernden 
Volke  erscheint,  nicht  auffallen.    Durch  Pallas  ist  aber  wieder 
die  Nebenfigur  bestimmt,  die  sich  auf  den  Stock  stützt,  die 
kein   andrer   sein   kann,   als  Hephäst,   der  in  der  attischen 
Sage  in  engster  Yerbindung  mit  ihr  stand  und  seinem  Wesen 
gemäss  ganz  so  bürgerlich  aussieht,  wie  die  Athener  zur  Rechten 
und  Linken  der  Götterversammlung.    Möglich  ist  es  übrigens 
auch,  dass  der  Künstler  ihn  durch  den  Stab  als  den  Gott^ 
der  nicht  fest  auf  den  Füssen  ist  und  der  Stütze  bedarf,  hat 
bezeichnen  wollen.    Die   folgende  Gruppe*  wird  nicht  ohne 
Wahrscheinlichkeit  auf  Poseidon  und  Apollo  gedeutet,   denn 
letzterer   trug,   wie  viele  Bohrlöcher  beweisen,  einen  Krani,. 
das  ihm  vor  Allem  zukommende  Attribut,  und  ersterer  ist  in 
Attika  ein  zu  bedeutender  Gott,  als  dass  er  hier  fehlen  dürfte,, 
eine  andre  Figur  aber  passt  für  ihn  nicht.     Wir  hätten  dann 
in  seiner  Figur  wieder  einen  sprechenden  Beweis,   wie  weit 
man  in  der  Zeit  des  Phidias  entfernt  war  von  jener  wüderen 
pathetischeren  Auffassung  des  Poseidon,  welche  die  erhaltene 
Darstellungen   dieses   Gottes   charakterisirt.     Allerdings   war 
dieselbe   hier  in  dieser  Situation  durchaus  nicht  am  Platze, 
allein  es  scheint  doch  —  auch  die  gleichzeitigen  Vasenbilder 
sprechen  dafür  — ,  dass  man  überall  in  die  Götterköpfe  un- 
abhängig von  der  Situation  eine  stille,   feierliche  Würde  zu 
legen  suchte.  Diese  Tafel  zeichnet  sich  durch  besonders  glück- 
liche Erhaltung   aus,   leider  ist  am  Original  neuerdings   die- 
herabhängende   Hand    des   Poseidon    frevelhafter   Weise  ab- 
gebrochen. 

Die  Göttergruppen  sind  mit  grosser  Symmetrie,  doch 
ohne  Strenge  angeordnet.  Wir  finden  je  drei  Gruppen  links 
und  rechts,  deren  eine  aus  je  drei  Figuren  besteht,  während 
die  übrigen  nur  zwei  enthalten  und  zwar  je  zwei  Männer 
und  ein  gemischtes  Paar.  Die  correspondirenden  Gruppen 
aber  sind  nicht  nach  dem  am  äginetischen  Tempel  befolgten 
strengeren,   sondern  nach  dem  freieren  Princip,  das  wir  am 

*  n.  144. 


Tempelsculpturen.  167 

Östlichen  Giebel  des  Parthenon  fanden,  angeordnet,  wonach 
es  nicht  nothwendig  ist,  dass  die  correspondirenden  Theile 
55ich  auch  in  gleicher  Entfernung  vom  Centrum  befinden. 

Und  wozu  sind  diese  Götter  hier  erschienen?  Gewiss 
um  das  Opfer  entgegenzunehmen,  das  die  Procession  ihnen 
entgegenbringt,  doch  haben  sie  sich  der  göttlichen  Würde 
und  Feierlichkeit  so  sehr  begeben,  dass  sie  mehr  den  Ein- 
druck zwangloser,  unbefangener  Zuschauer  machen  als  den 
höherer  Wesen. 

Es  bleibt  uns  noch  die  Mittelgruppe*  zwischen  den  sitzen- 
den Gottheiten,  fünf  Figuren,  die  auffallend  unsymmetrisch 
angeordnet  sind,  indem  zu  den  schön  entsprechenden  Gruppen 
von  je  zwei  Figuren  noch  eine  fünfte  sich  merklich  isolirende 
hinzutritt.  Wir  wissen  hievon  den  Grund  nicht,  so  wie  wir 
überhaupt  den  Sinn  dieses  ganzen  Vorgangs  nicht'  kennen. 
In  der  Gruppe  zur  Rechten  nimmt  ein  älterer  Mann  einem 
Knaben  ein  grosses  zusammengefaltetes  Tuch  ab  mid  in  der 
entsprechenden  Gruppe  hebt  eine  Frau  dem  an  sie  herantre- 
tenden Mädchen  einen  gepolsterten  Sessel  vom  Kopf.  Nur 
das  eine  Bein  dieses  Sessels  war  in  Marmor  angegeben,  das 
andere,  wie  ein  erhaltenes  Bohrloch  zeigt,  war  in  Metall  hin- 
zugefügt, woraus  zugleich  eine  Bemalung  des  ganzen  Geräthes 
folgt,  da  doch  Einheit  der  Farbe  nothwendig  war.  Das  Ge- 
räth,  welches  das  zweite  Mädchen  trägt,  ist  offenbar  wieder 
ein  Sessel,  zugleich  trägt  sie  aber  in  der  Linken  einen  andern 
Gegenstand,  der  nicht  näher  bestimmbar  ist. 

Gewöhnlich  wird  die  Gruppe  zur  Rechten  als  die  üeber- 
reichung  des  Peplos  erklärt,  welcher  in  der  Procession  des 
grossen  Panathenäischen  Festes  der  Athene  dargebracht  wurde. 
Allein  dieser  Peplos,  ein  mit  reichem  Bildersclimuck  verse- 
henes Obergewand,  wurde  nicht  der  im  Parthenon  wohnenden 
Göttin,  sondern  der  Athene  Polias,  die  im  Erechtheum  ver- 
ehrt wurde,  dargebracht  und  diente  zur  Bekleidung  ihres  al- 
terthümlichen  Holzbildes.  Man  versteht  daher  einmal  nicht, 
wie  die  üebergabe  dieses  Peplos  am  Partlienon  dargestellt 
sein  konnte,  sodann  aber  entspricht  der  dargestellte  Gegen- 
stand, der  einem  mehrfach  zusammengelegten  Teppicli  gleicht, 
nicht  der  Form  eines  solchen  Peplos,  und  endlich  sieht  man 
nicht,  dass  der  Peplos  von  der  Procession  tiberreicht  wird. 
Denn    die  Spitzen  des  Zuges   sind    die  Mädchen;    schon    die 


•  II.  146.  147. 


16Ö  Tempelsculpturen. 

Mänuer,  die  ihnen  theils  entgegentreten,  theils  sich  mit  ein- 
ander unterhalten,  gehören  nicht  mehr  zur  Prozession,  und 
dasselbe  muss  in  noch  höherem  Grade  von  dieser  Mittelgruppe 
angenommen  werden.  Noch  weniger  befriedigend  sind  die 
Erklärungen  der  andern  Gruppe,  ja  es  wird  in  der  Regel  die 
so  deutliche  Form  der  gepolsterten  Stühle  verkannt. 

Wir  vermögen,  wie  gesagt,  nicht  den  Sinn  dieser  Gruppen 
anzugeben,  die  nach  der  centralen  Stelle,  die  sie  im  Friese 
gerade  über  der  Thtir  des  Tempels  einnehmen,  etwas  Bedeu- 
tungsvolles zu  enthalten  scheinen.  Freilich  ist  auch  bei  die- 
ser Annahme  auffallend,  dass  sich  Niemand  um  diese  Gruppen 
kümmert,  und  es  ist  ferner  schwer  einzusehn,  was  für  ein  be- 
deutungsvoller Vorgang  in  der  Ueberreichung  von  Stühlen, 
die  doch  nur  zum  Sitzen  dienen  können,  gemeint  sein  möge. 

Aber  nicht,  allein  diese  Gruppen,  sondern  die  Bedeutung 
des  ganzen  Zuges  ist  noch  durchaus  nicht  ermittelt.  Wenn 
wir  kurz  Alles  zusammenfassen,  so  sind  die  Elemente  dessel- 
ben folgende:  Reiter,  Wagen,  Musikanten,  Schüsseln-  und 
Krugträger,  Opferthiere,  Mädchen  mit  Schaalen,  Kannen, 
Fackeln  und  Räucherfass.  Nun  ist  die  gewöhnliche  Meinung 
diese,  dass  der  Zug  die  Prozession  der  grossen  Panathenäen 
vorstelle,  deren  Zweck  eben  war,  der  Athene  einen  neuge- 
wirkten Peplos,  der  segelartig  an  einem  Rollschiffe  befestigt 
war,  zu  überbringen.  Allein  wir  bemerkten  schon,  dass  die- 
ser Peplos  für  die  Athene  Polias  und  nicht  für  die  Göttin 
des  Parthenon  bestinmit  war  und  dass  auch  die  als  Ueber- 
reichung des  Peplos  gedeutete  Gruppe  nicht  darauf  bezogen 
werden  könne,  so  dass  damit  der  für  dies  Fest  charakteri- 
stische Zug  aus  der  Darstellung  schwinden  würde,  und  da 
wir  nun  auch  andere  für  die  Panathenäen  charakteristische 
Züge  vermissen,  die  Kanephoren  und  die  Schirm-  und  Sessel- 
trägerinnen, so  scheint  diese  Vermuthung  unbegründet  zu  sein. 
Auch  in  Betreff  des  Reiterzuges  wissen  wir  zwar,  dass  er  ein 
Bestandtheil  der  Prozessionen  überhaupt,  nicht  aber,  dass  er 
den  Panathenäen  ausschliesslich  eigenthümlich  war. 

Wenn  also  der  Peplos  und  seine  Ueberreichung  nicht 
der  Zweck  dieser  Prozession  ist,  wer  wird  denn  in 'Prozes- 
sion hingeführt  zu  den  Göttern,  die  in  der  Mitte  des  Frieses 
thronen?  Es  ist  klar,  dass  die  vordere  Hälfte  des  Zuges, 
die  Mädchen  mit  ihren  Geräthen,  die  Opferthiere  und  die 
Musikanten,  nicht  die  Pointe  des  Ganzen  sondern  nur  Ele- 
mente enthält,  die  in   ähnlicher  Weise  bei  allen  Opferzügen 


Tempelsculptureii.  XGd 

wiederkehren.  Auf  den  Vasen  finden  wir  Prozessionen,  wo 
Opferthiere  unter  dem  Klang  von  Kithar  und  Flöte,  wo  Schüs- 
seln mit  Opfergahen  und  Kauchfässer  herzugetragen  werden, 
und  so  scheint  auch  hier  die  ganze  vordere  Hälfte  des  Zuges 
nur  die  Bedeutung  zu  hahen,  alle  zu  einem  grossen  Opferfest 
wichtigen  und  nothwendigen  Erfordernisse  herbeizubringen. 
Ebenso  wenig  aber  kann  in  der  Schaar  der  Reiter  der  gei- 
stige Mittelpunkt  des  Ganzen  gefunden  werden,  schon  ihr 
Platz  am  Ende  der  Prozession  hindert.  Wohl  aber  könnten 
die  Wagen^  welche  die  räumliche  Mitte  des  Zuges  einnehmen, 
auch  der  Bedeutung  nach  das  wichtigste  Element  desselben 
sein,  dasjenige,  dem  die  Prozession  gilt,  und  zu  dem  sich 
die  Fussgänger  und  Reiter  wie  Anfang  und  Ende  verhalten. 

Nun  ist  die  Yermuthung  ausgesprochen,  dass  im  Par- 
thenon die  Sieger  in  den  grossen  Panathenäischen  Spielen 
ihren  Siegerkranz  erhalten  hätten,  eine  Yermuthung,  die  uns 
sehr  wahrscheinlich  scheint  in  Hinblick  auf  eine  Classe  später 
zu  erwähnender  Votivreliefs  aus  Athen,  in  welchen  die  Pallas 
ganz  in  dem  Habitus  der  Göttin  des  Parthenon,  wie  Phidias 
sie  dargestellt  hatte,  als  siegverleihende  Göttin  einem  Sterbli- 
chen gegenüber  erscheint.  Ausserdem  war  die  Göttin  des  Tempels 
als  Siegverleiherin  eben  durch  die  Victoria  auf  ihrer  Hand 
charakterisirt.  Dürften  wir  nun  dies  voraussetzen,  so  läge 
hierin  ein  willkommner  Anlass  zur  Deutung  des  Frieses.  Die 
Jünglinge  auf  den  Wagen  nämlich  wären  dann  als  die  Sieger 
in  den  Spielen  zu  betrachten,  die  in  feierlicher  Prozession 
zum  Tempel  geführt  würden,  um  dort  ihre  Kränze  zu  erhalten 
und  das  grosse  Siegesopfer  zu  feiern.  So  sehr  wir  indessen 
an  die  Möglichkeit  einer. solchen  Feier  glauben,  so  müssen 
wir  doch  gestehn,  dass  wir  uns  auf  dem  Boden  blosser  Hy- 
pothesen bewegen  und  nur  nach  Anleitung  des  Bildwerkes 
eine  entsprechende  Wirklichkeit  vorausgesetzt  haben. 

Von  dem  künstlerischen  Charakter  und  der  Schönheit 
der  Darstellung  ist  schon  bei  der  Erklärung  des  Einzelnen 
die  Rede  gewesen,  hier  bemerken  wir  nur  noch,  dass  die 
Arbeit,  wie  sich  nicht  anders  erwarten  lässt,  sehr  ungleich  ist, 
da  ein  Fries  von  mehr  als  500  Fuss  Länge  nicht  von  einem 
Künstler  herrühren  kann.  Man  vgl.  z.  B.  die  analogen  Figu- 
ren zweier  Ordner  im  Westen  und  Osten  an  der  Nordwest- 
und  Südostecke*,  von  denen  erstere  fiach  und  unbedeutend 


•  Im  Griechischen  Saal  n.  223  u.  157. 


170  Tempelsculpturen. 

ist  im  Vergleich  mit  letzterer.  Auch  die  Mähnen  der  Pferde 
sind  sichtlich  verschieden  behandelt,  bald  ganz  straff,  bald 
wilder  und  bewegter,  und  geradezu  fehlerhaft  ist  es,  dass  an 
einem  Pferde  des  Westfrieses,  welches  den  Kopf  gesenkt  hat^ 
die  Mähne  nicht  nach  unten  herabfällt*.  Durchgängig  ist 
aber  der  flache  Reliefstil  meisterhaft  gehandhabt,  indem  nur 
einzelne  Ftisse  gelegentlich  verkürzt  sind.  Endlich  erwähnen 
wir  noch  wenngleich  zweifelnd  die  Bemerkung  eines  bedeu- 
tenden Archaeologen,  dass  aus  dem  Friese  des  Parthenon 
viele  spätere  Künstler  die  Motive  zu  ihren  Werken  genom- 
men hätten,  wie  dies  sichtlich  der  Fall  sei  mit  einer  Figur 
der  Ostseite**,  die  dem  Mars  in  der  Villa  Ludovisi***,  und 
mit  zwei  Figuren  der  Westseite****,  deren  eine  dem  Dioskur 
des  Phidiasf,  die  andere  dem  sogenannten  Jason  ff  ent- 
spreche. Wir  zweifeln  an  def  Richtigkeit  dieser  Bemerkung^ 
weil  die  Aehnlichkeit,  soweit  sie  vorhanden,  eine  direkte 
Entlehnung  nicht  nothwendig  voraussetzt.  Uebrigens  kommt 
eine  jener  Figuren  auf  der  Westseite  noch  einmal  vor,  und 
zwar  nach  sehr  kurzer  Distanz,  während  sonst  zwar  auch 
übereinstimmende  Figuren  gefunden  werden,  aber  doch  mit  so 
bedeutenden  Zwischenräumen,  dass  sie  nicht  gleich  in  die 
Augen  fallen. 

Im  Jahre  437  v.  Chr.  wurde  der  Parthenon  durch  die 
Aufstellung  des  Tempelbildes  dem  Cultus  übergeben,  und 
damit  ist  ein  Anhalt  für  die  Datirung  dieser  Sculpturen  ge- 
geben. Wie  lange  man  an  dem  Bau  und  Seinem  bildnerischen 
Schmuck  gearbeitet  habe,  wissen  wir  nicht.  '^ 

Die  Geschichte  der  Zerstörung  des  Partlienou  giebt  Laborde  Athenes 
aux  XVe,  XVIe  et  XVIIe  siecles  Vol.*  2,  wo  audi  die  Carrey'schen 
Zeichnungen  der  Giebelfelder  und  eine  frühere  und  spätere  Abbildung  de» 
Weber'schen  Kopfes  mitgetlieilt  ist.  Die  besten  Abbildungen  der  in 
London  befindlichen  Werke  in  den  marbles  of  the  british  museum  VI^ 
der  athenischen  Fragmente  bei  Laborde  le  Parthenon  pl.  26 — 28.  üeber 
die  Auffindung  und  den  Bestand  der  letzteren  Ross  Archaeol.  Aufs.  I 
p.  90.  114.  Curthis  bull.  1840  p.  135.  Stephan!  Rh.  Mus.  1846  p.  7. 
Beule,  l'acropole  d'Athenes  II  chap.  2.  Ein  zur  Orientining  nützliches 
Buch  ist  Ellis  the  Elgin  and  Phigaltüan  mai'bles  II. 


*  Im  (iriechischen  Saal  n    212. 
••  n.  149. 

Wird  nächstens  aufgestellt  werden, 
n.  210  und  209. 
t  Im  Treppenhaus  n.  187. 
tt  In^  Niobidensaal  n.  25. 


\ 


Tempelsculpturen.  17X 

In  der  von  Cockerell  (in  den  marbles  of  the  british  museiim)  ver- 
suchten Restauration  des  Ostgiebels  ist  die  sogenannte  Iris  richtig  mit 
zurückgewandtem  Kopf  ergänzt ,  nichtsdestoweniger  aber  folgt  der 
Text  der  gewöhnlichen  Erklänmg,  dass  sie  etwas  verkündige.  Die 
fehlenden  Glieder  der  vorhandenen  Figuren  sind  durchweg  richtig  an- 
gegeben, nur  Ist  die  Bewegung  der  rechten  Hand  an  der  liegenden 
Figur  der  rechten  Ecke  gewiss  nicht  richtig,  da  diese  Figur  noch  ganz 
unbetbeiligt  ist.  Dass  endlich  die  ganze  Mitte,  die  CocktTell  mit  ruhig 
stehenden  Figuren  angefüllt  hat,  ganz  verschieden  zu  denken  i%>t,  geht 
einmal  aus  der  Scenc  an  sich  hervor,  die  nicht  so  ruhige  Zuschauer 
duldet  und  ausserdem  aus  dem  dahingehörigen  Fragment,  das  Cockerell 
freilich  noch  nicht  kannte.  Dieser  Fehler  ist  in  Falkener's  Restauration 
(im  classical  museum  I)  vermieden,  dessen  Gedanke  übrigens,  die  Palla» 
emporschwebend  darzustellen,  mir  unplastisch  und  für  die  Zeit  des  Phi- 
dias  unmöglich  scheint.     Auch  weiss  ich  nicht  wohin  sie  denn  schwebt. 

Die  Recension  der  Literatur  beginnen  wir  mit  Welcker's  Aufsatz 
in  den  A.  D.  I,  67  ft'.,  indem  wir  wegen  der  früheren  Literatur  eben 
auf  diesen  verweisen.  Hinsichtlich  des  Ostgiebels  erklärt  Welcker  dit^ 
erhaltenen  Figuren  der  Ecken  als  attische  Dämonen,  indem  er  für  das 
Ganze  anninunt,  dass  Phidias  darstellen  wollte,  „wie  die  neugeborene 
Göttin  zunächst  für  Athen  geboren  war."  Ich  gestehe,  dass  mir  dieser 
Gedanke  klein  und  unpoetisch  erscheint,  ausserdem  wird  der  klare  Ge- 
gensatz zwischen  Ost-  und  Westgiebel  verwischt,  da  in  letzterem  das 
Verhältniss  der  Pallas  zu  ihrem  Land  deutlich  ausgesprodieu  war.  Auch 
vermisse  ich  in  den  einzelnen  Figuren  jeden  Anlass,  sie  auf  attische 
Dämonen  zu  beziehen.  Die  Erklänuig  des  Herakles  als  Kekrops  ist  in 
Welcker's  Sinn,  der  die  drei  Frauen  zur  Rechten  als  seine  Töchter  er- 
klärt, mindestens  bedenklich,  denn  einen  unbärtigen  Mann  als  Vater  drei 
erwachsener  Frauen  einzuführen,  konnte  euiem  Künstler  schwerlich  ein- 
fallen, aber  auch  wenn  wir  die  letztere  Erklännig  fallen  lassen,  so 
würde  Kekrops  als  unbärtiger  Mann  immer  auffallend  bleiben.  Ob  die 
flrei  Frauen  zur  Rechten  schwi*sterlich  zusanmiengehören,  ist  mir  sehr 
zweifelhaft,  denn  dass  die  mittlere  der  vorderen  den  Ann  auf  den 
St'hooss  lege,  scheint  zwar  nach  Carrey's  Zeichnung  der  Fall  zu  sein, 
nach  dem  Original  aber  ist  es  nicht  so.  Aber  auch  wenn  sie  zusam- 
mengehörten, würde  ich  hier  und  in  allen  übrigen  Fällen  von  einer  Na- 
mengebung  abstehn,  die  ohne  allen  Anhaltspunkt  im  Gegebenen  ist. 
Nur  das  eine  lässt  sich  mit  Sicherheit  annehmen,  dass  die  in  den  Ecken 
des  Giebels  befindlichen  Figuren  nach  ihrem  Platz  nicht  vornehmere, 
simdern  mehr  untergeordnete  Gottheiten  vorstellen  müssen.  Ancli  die 
symbolischen  Erklärungen  Welcker's,  wonach  die  letztt^  Figur  zur  Rech- 
ten als  Pandrosos  genommen  wird,  „weil  die  ausgedehnte  (tcstalt  der 
Verbreitung  des  Thaus  oder  dem  Namen  Pandrosos  entspricht,"  und  das 
über  die  sogenannte  Iris,  die  Welcker  für  Oreithyia  erklärt.  Gesagte,  dem 
ein  Verkennen  des  Motivs  ihrer  Bewegung  zu  Grun<le  liegt,  sind  für 
mich  nichts  weniger  als  übei-zeugend. 

In  d#»r  Erklänmg  des  Westgiebels  geht  Welcker  ebenfalls,  wie  ich 
glaube,  zu  wenig  auf  das  in  den  erhaltenen  Fragmenten  Gegebene  ehi, 
wi  dass  er  p.  110  meinen  konnte,  dass  nur  die  mittleren  Figuren  auf 
die  Entscheidung  zwischen  den  beiden  Göttern  gerichtet  seien,  da  doch 
das  auf  Seit(?h  der  Athene  Erhaltene  überall  das  Gegentheil  wahrnehmen 
lässt,  wie  es  ja  auch  sowohl  nach  der  Bedeutung  der  in  <ler  Mitte  vor- 


1 72  Tempelsculptureii. 

gehenden  Handlung  —  wie  könnten  dabei  wohl  die  Anwesenden  ruhig 
sein !  —  als  nach  den  Gesetzen  einer  Giebeleomposition  nothwendig  ist. 
Auf  Carrey's  Zeichnung,  deren  zahh-eiche  Fehler  und  Ungenauigkeiten 
eine  genaue  Vergleichung  der  Originale,  die  wir  jetzt  besser  anstellen 
können,  als  er,  erkennen  lässt,  kann  man  sich  in  solchen  Fragen-  nicht 
verlassen.  Völlig  in  Widerspruch  mit  den  Originalwerken  ist  das  über 
die  Bewegung  in  der  Gruppe  von  „Herakles  und  Hebe"  p.  122  Be- 
merkte, aber  auch  das  Motiv  der  Mittelgruppe  ist  ebenso  wenig  ge- 
troffen, wie  in  der  Erklärung  0.  MüUer's.  Denn  wie  könnte  Minerva  bei 
dieser  Stellung  sich  ihrem  Wagen  zuwenden  ?  Sie  müsste  ja  doch  mehr 
im  Protil  stehen  und  wenigstens  den  Kopf  nach  den  Pferden  hinwenden. 
Besonders  aber  felilt  jede  Motivirung  für  die  Stellung  des  Poseidon,  die 
deutlich  nicht  eine  freiwillig  erfolgte,  sondern  durch  eine  entgegentre- 
tende Gewalt  veranlasste  ist.  Aber  auch  abgesehn  von  dieser  gegebe- 
nen Stellung,  wodurch  wird  denn  —  den  Gedanken  Welcker's  einmal 
zugegeben  —  Poseidon  zum  Zurückweichen  veranlasst  ?  Der  Mythus 
erklärt  dies  vortrefflich  dadurch,  dass  er  ein  Eingreifen  des  Zeus  in  den 
Streit  der  Götter  und  die  Einsetzung  eines  Gerichtshofes  dichtet;  wäre 
dies  auch  im  Bilde  gemeint,  so  hätte  der  Künstler  es  andeuten  müssen, 
denn  sonst  muss  man  glauben,  dass  Poseidon-  aus  freien  Stücken  weicht, 
was  ja  doch  eine  nach  dem  Charakter  des  Gottes  unmögliche  Annahme 
ist.  Vielmehr  Phi«lias  hat  nicht  einen  Moment  nach  dem  Streit,  son- 
dern den  Streit  selbst  dargestellt,  aber  er  hat  dabei  seine  Landesgöttin 
in  einer  Weise  charakterisirt,  die  das  Eingreifen  des  Zeus,  durch  wel- 
chen der  Mythus  den  Streit  schlichtet,  überflüssig  erscheinen  lässt.  Dass 
er  sich*  nicht  gescheut  hat,  die  Möglichkeit  eines  Conflicts  zwischen 
Pallas  und  Poseidon  anzudeuten,  scheint  mir  im  Hinblick  auf  die  Götter- 
kämpfe des  Epos  keiner  weiteren  Rechtfertigung  zu  bedürfen.  Nach 
meiner  Ansicht  hat  daher  der  von  Welcker  nicht  sehr  gerecht  beur- 
theilte  Lloyd  die  Bewegung  der  Hauptfiguren  im  Wesentlichen  richtig 
aufgefasst. 

Overbeck  (Gesch.  d.  gr  Plast,  l.  243  ö'.)  schüesst  sich  au  Welcker 
an,  nicht  ohne  einige  meistens  gegründete  Ausstellungen  im  Einzelnen, 
aber  er  behält  den  alten  Irrthum  bei,  dass  die  Ins  etwas  verkündige 
und  fügt  den  neuen  grösseren  hinzu,  dass  auch  Nike  abwärts,  also  nach 
der  Ecke  des  Giebels,  gleichfalls  um  etwas  zu  verkündigen  schwebe. 
Von  der  Verkennung  der  Bewegung  abgesehn,  so  steht  schon  dies 
seiner  Ansicht  entgegen,  dass  wir  dann  den  einheitlichen  Raum  des 
Giebelfeldes  in  zwei  Lokalitäten,  Olymp  und  Erde,  zu  zerlegen  hätten, 
was  doch  wohl  seine  Schwierigkeiten  hätte. 

Die  Abhandlung  Lloyd's  on  the  eastern  pediment  of  the  Parthenon, 
London  1861,  ist  mir  leider  nicht  zugänglich  gewesen,  ich  habe  nur 
durch  den  Archaeol.  Anz.  1860  p.  84  von  seinen  beiden  schönen  Ent- 
deckungen der  Selene  und  des  rechten  Oberschenkels  der  Nike  Kunde. 
Stephani  Compte-rendu  i>our  l'annee  1864  i>.  80  meint,  der  Torso  der 
Selene  könne  ebenso  gut  einer  Artemis  angehört  haben,  aber  wie  soll 
dann  die  Stellung  erklärt  werden,  die  gerade  für  Selene  so  charakteri- 
stisch ist?  Derselbe  meint  ferner  a.  a.  0.  p.  54  ff.,  dass  die  Erschei- 
nung des  Helios  und  der  Selene  die  bewundernde. Theilnahme  der  Na- 
tur an  der  Geburt  der  Pallas  ausdrücken  solle.  Allein  dann  müssten 
sie  ja  doch  in  irgend  einer  Theilnahme  ausdrückenden  lUition  darge- 
stellt sein,  so  wie  auf  dem  christliclien  Diptychon,  das  Stephani  p.  68 


Tempelsculpturen.  1 7  3 

für  seine  Auffiusung  anführt,  da  es  ihr  doch  widerspricht  Denn  sie 
sind  hier  nach  dem  gewöhnlichen  Lauf  der  Natur  dargestellt  und  wirken 
nur  durch  ihre  Präsenz,  nicht  durch   besonderu  individuellen  Ausdnick. 

Die  Vermuthung  von  Beule  Pacropole  d'Athenes,  II  chap.  2,  dass 
das  westliche  Giebelfeld  von  Alcamenes,  das  östliche  von  Phidias  sei, 
scheint  mür  zu  denjenigen  zu  gehören,  die  mau  im  Hinblick  auf  das 
geringe  uns  erhaltene  Material  gar  nicht  aufstellen  sollte. 

Die  16  in  London  und  Paris  befindlichen  Metopen  sind  am  besten 
abgebildet  und  erklärt  in  den  Marbles  of  the  Brit.  mus.  VIL  Die  Car- 
rey'schen  Zeichnungen  und  die  Metopen,  die  sich  noch  am  Tempel  befin- 
den, bei  Laborde  le  Parthenon  pL  5  ö*.,  darunter  pl.  5  u.  7  die  Metope 
mit  dem  Pegasus.  Die  kleine  Flügelgestalt  von  der  Nordseite  ist  abge- 
bildet Revue  archöol.  184Ö  p.  16;  vgl.  bullet,  d.  inst.  1845  p.  169.  0. 
Jahn  Arch.  ßeitr.  p.  128.  Ueber  das  Ganze  vgl.  Bröndsted  Voyage 
en  Grecc  IL  Beulö  l'acropole  d'Atheues  11,  eh.  S.  Overbeck  Gesch.  d. 
gr.  Plastik  I,  256  und  das  dort  Citirte. 

Der  Fries  ist,  soweit  er  sich  in  London  befindet,  abg.  in  den 
Ancient  marbles  of  the  british  musenm  VIII.  Dazu  kommen  als  Er- 
cränzung  die  Carrey'schen  Zeichnungen  und  die  Abbildungen  einiger 
späterer  Funde  bei  Laborde  le  Parthenon,  endlich  Stuart  antiquities  of 
Athens  II  pl.  13—30.  IV  pl.  6—28.  Ueber  die  spätem  Funde  luid  das 
noch  in  Athen  Befindliche  vgl.  Ross  Archaeol.  Aufs.  I  p.  5.  8.  113. 
bullet.  1833  p.  89.  140.  1840  p.  66.    Stephani  im  Rhein.  Mus.  1846  p.  7. 

Hinsichtlich  der  Erklärung  ist  besonders  der  Text  zu  den  ancient 
marbles  von  Hawkins  oder  wie  E.  Braun,  Annali  1854  p.  17  sagt,  von 
Birch  zu  vergleichen.  Hier  sind  zuerst  die  Stühle  an  der  Ostseite  als 
das  erkannt  was  sie  sind,  wenngleich  noch  eine  unhaltbare  Vermuthung 
daran  geknüpft  wird,  und  es  ist  Overbeck  (im  Rhein.  Mus.  1859  p.  161), 
dessen  Polemik  gegen  Petersen  ich  vollkommen  beistimme,  nicht  gelun- 
gen, die  Stühle  zu  beseitigen.  Mir  scheint  es  am  wahrscheinlichsten, 
dass  die  beiden  Stühle  keinen  andern  Zweck  haben  als  diesen,  der  Frau 
neben  den  Mädchen  und  dem  Mann  neben  dem  Knaben  Sitze  zu  ver- 
achaffen  und  dass  die  correspondirende  Scene  der  angeblichen  Peplos- 
liberreichung  auch  etwas  Analoges  bedeuten  mnss,  dass  aber  mit  dieser 
äiis»erlich  bedeutmigslosen  Handlung  ein  für  das  Ganze  wichiip^er  Mo- 
ment indicirt  wurde.  Ausserdem  ist  besonders  0.  Müller  Kl.  Sehr.  II, 
555  zu  vergleichen,  dessen  Apobaten  und  Hamillen  ich  mir  freilich 
nicht  aneignen  kann,  der  aber  namentlich  das  Verdienst  hat,  die  letzte 
Güiiergruppe  zur  Rechten  richtig  erklärt  zu  haben.  Seine  Bemerkung 
über  die  Gypsabgüsse,  in  denen  dieselbe  am  richtigsten  erhalten,  wurde 
über»ehn  oder  für/ irrthümlich  erklärt,  ist  aber  neuerdings  sehr  sx-harf- 
»inidg  von  Michaelis  Nuove  memorie  dell'  inst.  p.  183  tav.  8  als  voll- 
kommen richtig  nachgewiesen.  Der  überzeugenden  Ahhan<llimg  des 
Letzteren  über  die  Göttergnippen  folgt  in  den  meisten  Punkten  unser 
Text.  Von  Bötticher's  Vermnthungen  über  den  Parthenon  (Erbkam's 
Zisrhr.  f.  Bauwesen  1852.  1853)  kann  ich  mir  nur  diejenige  aneignen, 
düs*  die  Sieger  in  den  panathenäischen  Spielen  im  Tempel  ihren  Kranz 
♦•riiahen  hätten.  Vgl.  ausserdem  Beule  Pacropole  d'Athenes  II,  eh.  4 
u.  Overbeck  Gesch.  d.  gr.  Plastik  I  p.  264. 


\T4:  Tempelsculpturen. 

298.  Die  eleusinischen  Gottheiten*,  Marmorrelief, 
1859  in  Eleusis  gefunden  und  in  Athen  befindlich. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  in  den  beiden  Frauen  Cora 
und  Demeter  zu  erkennen  sind,  aber  man  schwankt  in  der 
Vertheilung  der  Namen.  Uns  scheint  die  Figur  zur  Linken 
entschieden  jugendlicher  und  namentlich  lässt  der  deutlich  be- 
absichtigte Gegensatz  zwischen  einer  strenger  gehaltenen,  in 
Haar  und  Gewandung  einfacheren  und  einer  mit  reicherem 
und  prächtigerem  Detail  bedeckten  Figur  nicht  zweifeln,  wo 
wir  die  Jungfrau  und  wo  die  Matrone  zu  suchen  haben.  Es 
ist  ein  die  ganze  griechische  Kunst  durchdringender  und  auch 
sehr  natürlicher  Zug,  die  Jungfrau  möglichst  schlicht  und  an- 
spruchslos, die  Matrone  dagegen  reicher  darzustellen. 

Aber  wie  der  Knabe  in  der  Mitte  der  Frauen  zu  be- 
nennen und  welche  Handlung  zwischen  ihnen  vorgehe,  ist 
sehr  schwer  zu  sagen.  Die  Frau  mit  dem  Scepter,  Cora, 
scheint  ihm  etwas  zu  übergeben,  was  ein  kleiner  Gegenstand 
gewesen  sein  muss,  da  sie  ihn  mit  spitzen  Fingern  gefasst 
hielt,  die  andere  Frau,  Demeter,  setzt  ihm  einen  Kranz  auf. 
Man  bemerkt  vor  dem  Kopf  des  Knaben  ein  Bohrloch,  das 
zur  Befestigung  des  Kranzes  gedient  haben  wird,  der  andrer- 
seits durch  den  freiabstehenden  Daumen  der  Demeter  gehaf- 
ten  wurde.  Der  Knabe  ist  Triptolemus,  Jacchos,  auch  Plutos 
genannt,  aber  jeder  dieser  Benennungen  stehen  erhebliche  Be- 
denken entgegen. 

Farbenspuren  haben  sich  nicht  erhalten,  aber  ausser 
dem  Kranz  waren  noch  andere  Zierrathen  von  Metall  ange- 
fügt, wie  die  zurückgebliebenen  Bohrlöcher  beweisen.  De- 
meter nämlich  hatte  Armband,  Halsband  und  Ohrringe  und 
auch  dieser  Schmuck  trug  dazu  bei,  ihr  im  Gegensatz  zu 
ihrer  Tochter  einen  reicheren  Charakter  zu  verleihen. 

Es  giebt  kaum  ein  zweites  Werk  der  griechischen  Kunst 
von  so  eminent  religiösem  Charakter  wie  dieses.  Die  Götter 
am  Parthenonfries  machen  im  Vergleich  mit  der  ernsten 
Feierlichkeit,  ja  man  möchte  sagen,  Andacht,  die  über  die- 
ser Cömposition  ausgebreitet  ist,  den  Eindruck  heiterer  An- 
muth.  Gerade  in  dieser  Beziehung  ist  das-  Relief  wahrhaft 
imschätzbar,  es  ist  der  schönste  Repräsentant  einer  Kunst- 
richtung, die  vom  Glauben  getragen  wird. 

Indessen  darf  uns  der  freiere  Charakter  der  Götter  des 


*  Im  Archaeolog-ischen  Apparat  der  Kgl.  Universität. 


Tempelsculpturea.  1 7  5 

Parthenonfrieses  nicht  abhalten,  dem  Relief  eine  gleichzeitige 
Entstehung  zu  vindiciren.  Die  Cora  stimmt  nämlich  über- 
raschend mit  den  Mädchen  an  der  Ostseite  dieses  Frieses 
überein  und  der  hervorgehobene  Unterschied  in  der  Darstel- 
lung der  Götter  kann  ebensowohl  aus  der  Verschiedenheit 
der  Situation  wie  aus  der  Verschiedenheit  der  Zeit  abgeleitet 
werden.  .Wenn  sich  die  Götter  zur  Theilnahme  an  einem 
Fest  ihres  Volkes  versammeln,  so  wird  ihr  Benehmen  freier 
und  zwangloser  sein,  als  wenn  sie,  wie  wir  hier  voraussetzen 
müssen,  in  einem  religiös  bedeutsamen  Sinn  vorgestellt  sind. 
Das  Relief  hat  gewiss  dem  Cultus  gedient,  aber  wir  wissen 
nicht,  wo  es  angebracht  war,  es  würde  in  schönster  Harmonie 
mit  einer  ernsten  architektonischen  Umgebung  stehn. 

Vgl.  buUet.  1859  p.  200.  Abg.  Monum.  d.  inst.  VI,  tav.  45  mit 
der  Erklärung  von  Welcker  Ann.  1860  p.  454  und  dem  Zusatz  von 
Michaelis  p.  470  ff.  Vgl.  Welcker's  A.  D.  V  p.  104  ff.  und  Arch.  Auz.. 
1861  p.  166.  TrijJtoIemus  ist  als  Knabe  dargestellt  auf  dem  in  Annali 
1854  tav.  10  publicirten  Relief,  mit  dem  es  aber,  wie  auch  der  Heraus- 
geber meint,  eine  besondre  Bewandtniss  haben  mag.  Jacchos  dagegen 
wurde  als  kleines  Kind  gedacht,  wie  Stephani  Compte-rendu  p.  ranne»» 
1859  p.  40  bemerkt;  was  dagegen  angeführt  ist,  scheint  mir  nicht  b«!- 
weisend.  An  Plutos  endlich  mit  Stephani  a.  a.  0.  p.  106  Anni.  2  zu 
<l»?nken,  hindert  mich  schon  der  Mangel  aller  Attribute. 

299.  Orpheus  und  Eurydice*,  Marmorrelief  in  Villa 
AlbanL  Ergänzt  sind  beide  Ftisse  des  Orpheus,  der  rechte 
Fasi»  der  Eurydice,  die  rechte  Wade  und  der  halbe  Unter- 
ann des  Hermes.  Die  Hand  desselben  ist  übrigens,  wie  die 
beiden  Wiederholungen  des  Reliefs  in  Neapel  und  Paris  zei- 
gen, richtig  ergänzt,  nur  musste  sie  viel  flacher  gehalten 
werden,  sie  springt  in  unangenehmer  Weise  aus  der  Fläche 
heraus. 

Die  Deutung  dieses  Reliefs  auf  Orpheus  und  Eurydice  ist 
dorch  die  Darstellung  selbst  und  auch  durch  Inschriften^  die  ein 
andres  in  Neapel  befindliches  Exemplar  hat,  gesichert.  Die 
gewöhnliche  Sage  berichtet,  dass  Orpheus,  als  er  gefolgt  von 
der  wiedergewonnenen  Gattin  auf  die  Oberwelt  zurückkehrte 
und  nun  das  Gebot  sich  nicht  umzusehn  übertrat,  nur  einen 
letzten  Blick  auf  die  Entschwindende  habe  werfen  können, 
der  Künstler  dieses  Reliefs  hat  statt  dessen  ein  kurzes  Bei- 
sammensein in  schmerzlicher  Zärtlichkeit  dargestellt.  Eurydice 
neigt  sich  innig  hin  zu  Orpheus  und  hat,  als  könne  sie  nicht 


Iqi  Niobidensaal  n.  114. 


1 76  Tempelsculpturen. 

von  ihm  lassen,  die  Hand  auf  seine  Schulter  gelegt,  ihr  ant- 
worten die  Bewegungen  des  Orpheus,  der  sanft  seine  Hand 
auf  die  ihrige  zu  legen  im  Begriff  ist  Aber  es  ist  nur  ein  kur- 
zer Moment  des  Wiedersehens,  denn  schon  hat  Hermes,  der 
Seelenführer,  di^  Eurydice  bei  der  Hand  ergriffen,  um  sie 
wieder  hinab  zu  führen.  Doch  auch  dem  Gott  wird  es 
schwer,  das  Paar  zu  trennen,  ein  Zug  des  Mitleids  ist  auf 
seinem  Antlitz  zu  lesen  und  die  Rechte  presst  sich  wie  in 
schmerzlicher  Bewegung  zusammen.  Sein  Herz  widerstrebt 
der  Pflicht  des  Berufs. 

Den  Helm  des  Orpheus  findet  man  öfter  an  Amazonen, 
es  ist  jedenfalls  eine  ausländische  Tracht  gemeint;  an  den 
Stiefeln,  die  den  Wandernden  charakterisiren,  ist  der  über- 
fallende Rand  nur  durch  einen  Einschnitt  bezeichnet,  ver- 
muthlich  weil  der  Künstler  auf  malerische  Zuthat  rechnete. 
Hermes  trägt  nach  älterer  Weise  ausser  seinem  kurzen  Man- 
tel ein  Untergewand,  charakteristisch  ist  an  ihm  der  herab- 
fallende Hut  und  der  krauslockige  Kopf,  seine  ganze  Erschei- 
nung stimmt  merkwürdig  überein  mit  den  Jünglingen  am 
Parthenonfries.  Es  ist  derselbe  Schnitt  des  Kopfes  mit  den 
kleinen,  auch  noch  zu  hoch  stehenden  Ohren,  und  das  gra- 
ziöse Motiv  des  aufgeschürzten  Rockes  findet  sich  dort  ebenso. 
Aber  auch  die  übrigen  Figuren  tragen  in  der  Gewandung 
und  in  dem  zarten  Ausdruck  den  Stempel  attischer  Kunst 
und  zwar  der  Biüthezeit.  Das  Relief  kann  nicht  lange  nach 
dem  Parthenonfries  entstanden  sein,  es  gehört  an  das  Ende 
des  fünften  Jahrhunderts. 

Original  ist  es  übrigens  so  wenig,  wie  jene  anderen  Exem- 
plare. Dagegen  sprechen  mehrere  auffallende  Fehler,  z.  B. 
ist  die  linke  Wade  des  Hermes  verzeichnet,  der  rechte 
Daumen  der  Eurydice  zu  kurz  u.  s.  w. 

Es  wäre  möglich,  dass  diese  Copien  zum  Schmuck  von 
Gräbern  liebender  Gatten  bestimmt  waren.  Dies  würde  we- 
nigstens der  römischen  Sitte  entsprechen.  Die  Sarkophag- 
darstellungen zeigen,  wie  man  durch  analoge  Bilder  des 
Mythus  die  Verhältnisse  des  Gestorbenen  und  der  Ueber- 
lebenden  auszudrücken  liebte. 

Das  Relief  ist  eines  der  schönsten  Beispiele  für  die 
schon  von  Winckelmann  richtig  erkannte,  wenn  auch  nicht 
richtig  begründete  Eigenthümlichkeit  der  griechischen  Kunst, 
den  Affekt  möglichst  zn  mildem  in  der  Darstellung.  Wie 
zart   und  leise,  nur  durch  sanfte  stumme  Geberden  ist  hier 


T«*miM'lsciilj)tnnMi.  177 

der  grosse  Schmerz  ausgedruckt!  Die  Poesie  kann  sich 
freier  bewegen  in  der  Schilderung  von  Seelenbewegungen, 
der  Plastik  ziemt  es  das  Natürliche  im  Ausdruck  der  Iiinipfin- 
dnng,  das  immer  mit  Heftigkeit  verbunden  ist,  gleichsam  zu 
dämpfen  und  in  edle  Zucht  zu  nehmen,  wodurch  es  an  Wir- 
knng  nicht  verliert.  Dies  Gedämpfte  und  Gemässigte  ist' 
aber  nur  der  Bltithezeit  der  Kunst  eigen,  später  machte  die 
Xatnr  ihre  Ungebundenheit  geltend. 

Abg.  Zo^ga  bassirü.  I,  42.     Dhi  Boisohrit't«n  lies  Pariser  Exeiiiplain 
.\ii]{»biüii,  Antiopa,  Zethus  sind   nach  den  Bemerkungen   von  Zoega   bei 
Weicker  A.  D.  2,  319  Anm.  für  modern  zu  halten,  womit,  wie  (.).  Jalm 
Archaeol.  Ztg.  1853  p.  84  mit  Recht  bemerkt,  jeder  Grund  zu  der  An- 
iiahme  wegfällt,  man  habe  eine  ursprünglich  auf  Orpheus  bezügliche  Dar- 
stellung für  einen  andern  Mythus  benutzt.    Und  das  um  so  mehr,  weil  die 
Composition,    wie  Zoega   I,    p.    196  sehr  überzeugend   ausgeführt  hat, 
gar  nicht  der  nach  jenen  modernen  Inschriften  vorauszusetzenden  Scene 
entspricht.     Jahn  a.  a.  0.  bezweifelt  auch  die  Aechtheit  der  griechisclien 
Inschriften  des  Neaplers  Exemplars  mit  erlieblichen  Gründen.     Anderer- 
seits vgl.  Gerhard  Neap.   Ant.  n.  206,    wo  nur  HPMH2J,   nicht  aber 
HYPIJIKU  sondern  EYPYdIKH  angegeben  wird. 

Zoega,  der  zuerst  die  richtige  Deutung  gab  gegen  Winckelmann 
(monum.  ined.  85),  irrte  doch  in  der  Bestimmung  des  Moments,  was  in 
der  Beschreibg.  Rom's  3,  2,  531  hervorgehoben  wird.  Aber  wie  er 
den  Gestus  des  Orpheus  auffasst  (ella  tntta  rivolta  al  suo  consort«;  ed 
amante  la  man  gli  pone  sulla  spalla  ed  egli  allerra  la  mano  di  lei, 
come  se  cambievolmente  cercasser  d'accertarsi  avore  l'uno  l'altro  riavuto, 
anco  Ic  lor  facce  chinandosi  I'una  ver  l'altra  come  per  riunirsi)  scheint 
mir  richtiger  als  Jahn's  Bemerkung,  er  berühre  mit  seiner  Hand  sanft 
die  ihrige,  als  wolle  er  sie  entfernen  \md  „er  sucht  seines  Fehls  einge- 
denk in  schmerzlicher  Resignation  den  Abschied  herbeizuführen."  Ich 
linde  dies  nicht  so  schön  und  natürlich,  auch  scheint  mir  die  Bewegung 
der  Hand  mehr  Zoega's  Annahme  zu  empfehlen.  Ueber  den  Helm  des 
Orphens  vgl.  die  Anm.  zur  Wiener  Amazonenstalue  n.  53.  Das  harte  Ur- 
theil  Zoega's  über  den  Stil  des  Reliefs,  das  er  vor  Phidias  entstanden 
glaubt,  scheint  jetzt  unbegreiflich,  es  gehört  (üner  Zeit  an,  als  man  die 
Sculpturen  vom  Parthenon  und  überhaupt  griechischen  Stil  noch  nicht 
genauer  kannte.  Besonders  zu  empfehlen  ist  die  Schilderung  des  Re- 
liefs in  E.  Braun's  Ruinen  und  Museen  Rom's  p.  649  tt'.,  wo  es  mit 
Recht  nicht  als  Original  (wie  in  der  Beschreibg  Rom's  a.  a.  0.  gemeint 
ist)  sondern  als  Wiederholung  eines  Werks  aus  der  Schule  des  Phidias 
angesehn  wird.  Nur  die  Schlussbemerkung:  „Man  sollte  vermuthen, 
dass  Hei-mes  den  Schlangenstab  gehalten  habe.  Von  dem  Vorhanden- 
sein des  letzteren  zeigt  sich  indess  keine  Spur,  was  um  so  weniger 
Wunder  nehmen  wird,  als  die  Alten  in  ähnlichen  Darstellungen  derar- 
tiges Beiwerk,  selbst  Waffen  und  was  zur  <largestellten  Handlung  gehört, 
nur  durch  den  ausdnicksvollen  Gestus  der  Hand  und  des  Arms  anzu- 
deuten pflegen"  —  ist  im  Allgemeinen  gewiss  richtig,  aber  gilt  nicht 
für  so  flachgehaltene  Reliefs  wie  das  unsrige,  wo  nichts  hinderte,  das 
Attribut  anzugeben. 

Friederichfl,  griech.  Plastik.  12 


178  Tempelsculptureu. 

300.  Angeblicher  Hermes  mit  dem  kleinen  Bac- 
chus*, Fragment  eines  Marmorreliefs,  im  Jahre  1840  in 
Athen  an  der  Akropolis  gefunden,  ebendaselbst  befindlich. 

Man  nimmt  an,  dass  dieses  Bruchstück  zu  der  Figur 
eines  Hermes,  der  ein  Kind,  Bacchus  oder  Jon,  davontrage, 
gehört  habe,  indem  man  darin  eine  Uebereinstinunung  mit 
vollständig  erhaltenen  Gruppen  dieses  Gegenstandes  zu  er- 
kennen glaubte.  Doch  ist  dabei  die  Stellung  des  rechten 
Beins  nicht  beachtet,  das,  wenn  es  einer  einfach  fortschrei- 
tenden !Figur  angehört  hätte,  mehr  ins  Profil  gestellt  sein 
müsste.  Möglich  wäre  nur,  diese  Beine  zu  einer  fortschrei- 
tenden und  zugleich  sich  umschauenden  Figur  zu  ergänzen, 
aber  auch  Andres,  z.  B.  ein  Krieger  in  der  Stellung  der  se- 
kundirenden  Figur  in  der  Gruppe  des  Kritios  n.  24.  25.,  wäre 
möglich,  so  dass  der  Gegenstand  unbestimmt  bleiben  muss. 
Was  den  Stil  betrifft,  so  weisen  die  kräftigen  und  lebendigen 
Formen  in  die  schönste  Zeit  der  attischen  Kunst  und  nicht 
mit  Unrecht  sind  die  Metopen  des  Parthenon  verglichen. 

Abjj.  bei  Ussiiig  Griech.  Reisen  und  Studien  Taf.  2,  der  annimmt, 
das  Fragment  gehwe  zu  einer  Gruppe,  die  den  Hennes  darstelle,  das 
ßacchuskind  den  drei  Grazien  überbringend,  und  von  dem  Phiiosopheu 
Socrates,  der  in  friilieren  Jahren  Bildhauer  war,  herriihre.  Dem  stimmt 
ßmun  im  bullet.  1858  p.  128  bei,  während  0.  Jahn  Arch.  Ztg.  18G0 
p.  128  daran  zweifelt  und  auf  Göttling's  Angabe  ehies  andern  Fundorts 
gestützt,  Hermes  mit  dem  kleinen  Jon  dargestellt  glaubt.  Auch  Stephani 
Compte-rendu  p.  l'annee  18G1  p.  17  A.  3  zweifelt  an  Ussing's  Annahme, 
und  uns  erselieint  sie  nach  dem  im  Text  Bemerkten  irrthümlich,  indem 
höchstens  ein  sich  umschauender  Hermes,  wie  auf  dem  Relief  bei  Müller- 
Wieseler  II,  34,  392  dargestellt  sein  könnte,  der  hi  Ussing's  Scene  nicht 
hineinpassen  würde.  Beule  I'acropole  d'Athenes  I,  290  findet  den  Stil 
den  Äletopeil  des  Parthenon  ähnlich. 

301 — 323.  Reliefs  vom  Apoliotempel  in  Phigalia*, 
im  Jahre  1812  durch  dieselbe  Gesellschaft  von  Deutschen 
und  Engländern,  welche  die  äginetischen  Statuen  auffanden; 
entdeckt  und  im  britischen  Museum  befindlich. 

Der  Fries  befand  sich  im  Innern  der  Cella  des  Tempels 
über  den  Halbsäulen,  welche  den  offnen  Raum  des  Innern, 
das  Hypaithron,  umgaben.  Er  ist  von  einigen  leicht  zu  er- 
gänzenden Verstümmelungen  abgesehn  vollständig  erhalten, 
da   seine  Ausdehnung    mit    den  durch    die  Dimensionen    der 


*  Im  Trejipenhaus  n.  31. 
**  Ebendas.  n.  134—156. 


Tt'iiipelsculptui'eii.  179 

Cella  gegebenen  Maassen  übereinstimmt^  die  beiden  ungleich 
langen  Hälften  desselben^  der  Amazonen-  und  Centaurenkampf 
können  daher  nicht  so  vertheilt  werden,  dass  jede  derselben 
je  zwei  Seiten,   eine  längere  und  eine  schmalere  Seite  ein- 
nahm, sondern  die  längere  Amazonenschlacht  griff  noch  mit 
einer  Platte   auf   die   zweite   LAngseite   hinüber.     Die  Eck- 
platten konnten  ausfindig  gemacht  werden,  innerhalb  dersel- 
ben ist  aber   die  ursprüngliche  Anordnung   nicht  mehr   mit 
Sicherheit  anzugeben,   denn  die   einzelnen  Platten  schliessen 
in  der  Regel  mit  vollen  Figuren  ab,   der  Künstler  hat  die- 
selben abweichend  von   der  sonstigen  Praxis  so    eingetheilt, 
dass  ihre  Fugen  gewöhnlich  nicht  mitten  in  eine  Figur  hin- 
ein, sondern   in   den  Zwischeiuraum    zweier   Figuren    fallen. 
Aas    den   Kampfscenen   selbst    aber   Aufschlüsse   über    ihre 
nrsprüngliche  Disposition  zu  gewinnen,  ist  uns  nicht  gelungen, 
and  wir  bezweifeln,  dass  ein  bestimmter  Fortgang  der  Aktion 
darin  aufzufinden  sei. 

Der  Grund  für  die  Theilmig  des  Reliefs  in  ungleich 
lange  Hälften  liegt  vielleicht  darin,  dass  eine  enge,  die 
architektonische  Trennung  möglichst  aufhebende  Verbindung 
aller  Seiten  des  Frieses  beabsichtigt  war,  besonders  aber  in 
der  dem  Götterpaar,  Artemis  und  Apollo,  zugedachten  Rolle. 
Wurden  der  Amazonen-  und  Centaurenkampf  auf  je  zwei 
Seiten  des  Frieses  genau  vertheilt,  so  konnten  die  Götter, 
die  übrigens  in  keinem  Fall  eine  architektonisch  wichtige 
Stelle  eingenommen  haben,  nur  zu  einer  oder  der  andern 
Scene  hinzugezogen  wurden,  jetzt  dagegen  befinden  sie  sich 
in  der  Mitte  zwischen  beiden  und  zwar  ohne  durch  eine  Ecke 
von  einer  derselben  getrennt  zu  sein,  sie  müssen  also  als 
Helfer  in  beiden  Kämpfen  aufgefasst  werden,  wenngleich  sie 
sich  zunächst  den  Centauren  als  den  gefährlicheren  Gegnern 
der  Griechen  zuwenden. 

Die  Composition  dieses  Frieses  ist  von  der  liöchsten 
Lebendigkeit,  in  keiner  Scene  des  Amazonen-  noch  des  Cen- 
taurenkampfs, soviel  wir  ihrer  kennen,  offenbart  sieh  eine 
so  kecke  und  erregte  Phantasie.  Schon  in  der  Erfindung, 
indem  wir  nur  hier  gewisse  kleine  Züge  finden,  welche  die 
Wildheit  des  Kampfs  ungemein  steigern.  So  bemerken  wir 
auf  der  Seite  der  Amazonen  einen  Altar,  von  dem  eine 
Schutzttehende  gewaltsam  fortgerissen  wird,  und  eine  ähnliehe 
Scene  am  Schluss  der  Centaurenschlacht,  wo  bei  einem  klei- 
nen Götterbild  alterthümlicher  Art  zwei  Frauen  Schutz  suchen. 

12* 


130  Tempcisc'ulptureii. 

Dahin  gehört   auch  die  Einführung  der  Kinder  in  die  Cen- 
taurenschlacht. 

Weder  am  Parthenon  noch  Theseion  linden  wir  ähnliche 
Züge  und  man  möchte  glauben  ^  dass  der  Künstler  sie  au» 
eigner  Phantasie  um  Schrecken  und  Verwirrung  zu  steigern 
hinzugefügt  habe.  Auf  beiden  Seiten  wogt  der  Kampf  mit 
der  äussersten  Wildheit;  während  aber  das  Wilde  und 
Schreckliche  auf  der  Seite  der  Centauren  ziemlich  ohne 
Milderung,  wie  bei  solchen  Gegnern  nicht  anders  zu  erwar- 
teU;  dominirt,  wird  es  im  Amazonenkampf  durch  viele  rührende 
Scenen  unterbrochen,  durch  die  Sorge  um  die  Verwundeten^ 
die  sich  besonders  schön  in  der  Gruppe  ausspricht,  wo  ein 
Freund  den  andern  aus  dem  Gefecht  führt*,  oder  durch  die 
sanfte  Schönheit  Sterbender,  wie  in  der  unvergleichlichen  Figur 
der  mit  schlaffen  Knien  und  Armen  zusammensinkenden  Ama- 
zone**. Auch  regt  sich  in  Freund  und  Feind  das  Mitge- 
fühl mit  einander,  wie  in  der  Gruppe  wo  eine  Amazone  einen 
verlorenen  Griechen  vor  dem  Todesstreich  ihrer  Gefährtin 
zu  retten  sucht***,  und  in  der  andern,  wo  ein  Grieche  mit 
theilnehmender  Geberde  eine  auf  den  Tod  verwundete  Ama- 
zone vom  Pferde  hebt****. 

Von  einzelnen  bestimmten  Figuren  lässt  sich  im  Ama- 
zonenkampf nur  Theseusf  hervorheben,  der  durch  das  Ld- 
wenfell  kenntlich  die  Keule  gegen  eine  berittene  Amazone 
schwingt,  in  welcher  wir  die  feindliche  Führerin  voraussetzen 
dürfen;  in  dem  Centaurenkampf  ist  ausser  dem  bogenschiessen- 
den  Apollff,  den  Artemis  als  Lenkerin  des  Hirschgespannes 
begleitet,  in  der  letzten  Figur,  hinter  welcher  der  Baum  mit 
dem  Löwenfell  steht,  ebenfalls  Theseusf  ff  zu  erkennen, 
ausserdem  noch  Käneusffff,  den  die  Centauren  in  die  Erde 
drücken,  in  einer  mit  dem  westlichen  Fries  des  Theseion 
übereinstimmenden  Gruppe. 

Es  sind  also  Thaten  des  attischen  Nationalhelden  The- 
seus  in  diesen  Reliefs  verewigt,  ohne  dass  wir  einen  Grund 


*  11.  145. 

**  II.  135. 

***  11.  136. 

****  II.  141. 

t  n.  141. 

tt  H.  146. 

ttt  ".  156. 

ttü-  ".  153. 


Teiii|»elscul|)lni'ei).  lÖl 

fär  die  Wahl  dieses  Gegenstandes  au  diesem  Ort  angeben 
könnfen.  Wir  bemerkten  auch  schon  oben,  dass  der  Ceutau- 
renkampf  ein  zu  häufig  an  griechischen  Tempehi  vorkommen- 
der Gegenstand  sei,  als  dass  man  überall  speciellere  Bezie- 
hnngen  annehmen  dürfe.  Nur  das  ist  klar,  dass  die  Einführung 
des  Apoll  als  Beistandes  der  Griechen  durch  die  Rücksicht 
auf  den  Gott  des  Tempels,  der  hier  speziell  als  Epikurios, 
als  Helfer  in  der  Noth  verehrt  wurde,  veranlasst  ist. 

Für   die  Zeitbestimmung   des  Werkes  haben   wir  daran 
«inen  Anhaltspunkt,  dass  Ictinos,  der  Erbauer  des  Parthenon, 
aach  diesen  Tempel  erbaut  hat.     Gewiss  aber   ist    der  Bau 
oder  wenigstens  das  Relief  nach  dem  Parthenon  entstanden, 
äe  Sculpturen  haben  einen  leidenschaftlich  erregten  Charak- 
ter, der  uns  bereits  an  die  Weise  des  vierten  Jahrhunderts 
erinnert.     Auch  ist  die  Composition  von  ähnlicher  Freiheit 
wie   am  Niketempel,   indem    die  Kämpfer  paare   abwechsehi 
mit  figurenreicheren  Scenen,  und  mehrere  Male  ist  gegen  den 
strengen  Reliefstil  gefehlt,  besonders  fühlbar  und  unschön  in 
dem  stark   verkürzten  Oberkörper  eines   todten  Centauren*. 
Andrerseits  ergiebt  eine  Vergleichung  mit  den  Reliefs  vom 
Mausoleun^,  dass  sie  diesen  noch  beträchtlich  an  Alter  vorange- 
hen.   Die  Gesichter  sind  ohne  allen  pathetischen  Ausdruck,  ja 
meistens  ganz  unbetheiligt,  und  statt  der  schlankeren  Figuren 
der  späteren  Zeit  finden  wir  hier  vielmehr  derbe,  untersetzte 
Gestalten.     Auch   das   ist  vielleicht    nicht  zufällig,    dass    die 
Tracht  der  Amazonen  hier  fast  durchgängig  die  hellenische  ist. 
Dass    der  Fries   übrigens    kein   Originalwerk   ist,   zeigt 
schon  die  erwähnte  Uebereinstimmung  mit  dem  Theseion  in 
der  Käneusgruppe.    Zudem  ist  ein  entschiedener  Widerspruch 
vorhanden  zwischen  der  schönen,  lebensvollen  Erfindung  und 
der  oft  handwerksmässigen  Ausführung.   Man  vergleiche  z.B. 
die  Hand  an  der  oben  erwähnten  schönen  zusammenknicken- 
den Amazone. 

Abj^.  bei  Stufkelberjj^,  der  A|M»llotem|)t.'l  zu  Hassae  1828.  Bassiri- 
lievi  della  (ircria  disegu.  da  G.  M.  Wa{?ii(T  1814.  Marbles  of  tho 
British  nuisouni  I\'.  Vgl.  Ovcrbcck  Gesch.  d.  grieeh.  PI.  I  \k  331  fl'. 
Fig.  61.  02. 

Ueber  die  \'«Ttheihuig  der  Friesplatteii  hat  küi-zlith  Ivaiiotf  in  Ann. 
1865  p.  29  tav.  A  naeli  geiKin<'n  Messnngen  eine  Ansicht  anfgestelh, 
der  ich  mich  anschÜessen  musste,  ohne  freilich  in  alh*in  Einzehien,  wo- 
rin  er  ja   selbst  Freiheit  hlsst,  mit  ihm  übereinstimmen  zn  können.     So 

*  n.  148. 


132  Tompelsculpturen. 

glaub«  ich  nicht,  dass  die  fünfte  und  sechste  Tafel  auf  der  linken  dem 
Amazonenkampf  angewieseneu  Langseite,  die  zusammen  vier  sehr  analoge 
Paare  enthalten,  unmittelbar  auf  einander  folgten. 

324 — 334.  Sculpturen  vom  Erechtheum. 

a)  Zwei  Karyatiden*,    die  eine  aus  Athen,   die  andre  aus 

London. 

Die  Karyatidenhalle  an  der  Südseite  des  Erechtheums 
hat  in  verhältnissmässig  gutem  Zustande  die  Stürme  der 
späteren  Zeiten  überdauert.  Noch  fünf  Mädchen  standen  an 
ihrem  Platze,  als  die  englischen  Architekten  Stuart  und  Re- 
vett  im  Anfange  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts 
die  Monumente  des  alten  Athen  aufnahmen,  die  sechste  war 
verschwunden,  der  Torso  derselben  und  der  gänzlich  zer- 
schmetterte untere  Theil  sind  aber  im  Jahre  1837  wieder 
aufgefunden.  Wahrscheinlich  ist  sie  bei  der  venetianischen 
Belagerung  im  Jahre  1687  von  einer  Bombe  getroffen  wor- 
den, doch  konnten  die  Reste  zusammengesetzt  und  ergänzt 
und  die  Figur  im  Jahre  1846  wieder  aufgerichtet  werden. 
Eine  weitere  Beschädigung  erfuhr  das  Gebäude  im  Anfange 
dieses  Jahrhunderts  durch  Lord  Elgin,  der  eine  Kjyyatide,'die 
mittlere  nach  Westen  zu**,  nach  London  entfühi-te,  wo  sie 
sich  jetzt  im  britischen  Museum  befindet.  An  ihre  Stelle  ist  im 
Jahre  1846  ein  Abguss  mit  eiserner  Axe  getreten  und  auch 
eine  dritte  Karyatide,  die  am  Boden  lag,  ist  mit  unbedeu- 
tender Restauration  im  Jahre  1837  wieder  aufgerichtet,  so  dass 
also  der  ursprüngliche  Zustand  des  Gebäudes  so  weit  es 
möglich  war  restituirt  ist.  Die  Hände  sind  an  keiner  einzi- 
gen Karyatide  erhalten.  Die  Gewänder  waren  wahrscheinlich 
bemalt,  man  will  wenigstens  Spuren  blauer  Farbe  in  den 
Falten  der  Londoner  Karyatide  bemerkt  haben. 

Der  Gedanke,  menschliche  Figuren  an  die  Stelle  von 
Säulen  zu  setzen,  ist  von  den  Griechen,  wenn  auch  nicht  aus- 
gegangen, doch  in  der  edelsten  und  zweckmässigsten  Weise 
realisirt.  Kleinere  Geräthe,  Thronsessel,  Dreifüsse,  Spiegel 
u.  s.  w.  durch  belebte  Träger  zu  stützen,  war  schon  lange 
üblich,  in  der  Architektur  ist  es  wohl  vor  den  Perserkriegen 
nicht  der  Fall  gewesen.     Und  zwar  hat  man,  wie  es  scheint, 


*  Im  Grieohisehen  Saal  n.  40.  41.  Im  Treppenhaus  befindet  sich 
eine  Naehbildimg  der  ganzen  Halle,  wo  nnr  hinter  jeder  Eckfignr  eine 
Karyatide  zn  suppliren  ist. 

**  n.  41 ;  die  andere  n.  40  ist  ihre  Nachbarin  an  der  westlichen  Seite. 


Tempelsciilplureii.  133 

zuerst  Repräsentanten  besiegter  Völkerschaften  zur  Verrich- 
tung (lieser  Sklavenarbeit  ausersehn,  denn  nach  glaubhaften 
Nachrichten  stammt  der  Name  der  Karyatiden  von  der  im 
frtnflen  Jahrhundert  wegen  irgend  einer  Schuld  zerstörten 
Stadt  Karya,  deren  Frauen  als  Trägerinnen  schwerer  Lasten 
dargestellt  Schuld  und  Strafe  der  Stadt  verewigen  sollten. 
Eine  derartige,  sei  es  historische  oder  in  der  Bestinmmng 
des  betreffenden  Gebäudes  begründete  Beziehung  wird  wenig- 
stens in  der  Bliithe  der  griechischen  Kunst  wohl  immer  die 
Wahl  solcher  Figuren  veranlasst  haben,  einen  rein  omamen- 
talen Charakter  erhielten  sie  wahrscheinlich  erst  später. 

Die  Karyatiden  vom  Erechtheum  sind  Mädchen  mit  einem 
Korbe  auf  dem  Kopf,  Korbträgennnen,  Kanephoren,  welcher 
Name  die  attischen  Mädchen  bezeichnet,  die  bei  Götterfesten 
Opfergeräthe  in  einem  Korbe  auf  dem  Kopfe  trugen.  Ent- 
weder liegt  ihnen  nur  dieser  allgemeinere  Gedanke  zu  Gnnide, 
dass  sie  als  Gehülfinnen  heiliger  Handlungen  auch  die  kleine 
Seitenhalle  des  Götterhauses  tragen,  oder  sie  stehen  in  noch 
speziellerem  Bezug  zu  demselben  als  Arrhephoren  d.  h.  als 
die  Mädchen,  die  priesterliche  Dienstleistungen  im  Erechtheum 
verrichteten  und  namentlich  alljährlich  an  einem  bestimmten 
Tage  gewisse  verborgene  Heiligthümer  in  einem  Korbe  auf 
dem  Kopf  nach  der  Unterstadt  trugen.  Docli  ist  die  letztere 
Annahme  weniger  wahrscheinlich,  weil  die  Arrhephoron  viel 
jünger  waren  als  diese  Karyatiden. 

Die  Mädchen  tragen  eine  nur  leiclite  I^ast,  ein  Gebälk 
jonischen  Stils,  welchem  noch  zur  möglichsten  Erleichterung 
der  Fries  fehlt.  Ueberhaupt  ist  wohl  nur  unter  leichteren 
Insten  die  menschliche  Figur,  zumal  die  -der  Frau,  passend, 
als  Hauptsttitze  blieb  bei  den  Griechen  die  starre,  unbeweg- 
liche Säule  fortwährend  in  Gebrauch. 

Aus  der  Bestimmung  der  Mädchen,  gleich  Säulen  zu 
tragen,  kann  ihre  ganze  Erscheinung  abgeleitet  werden,  das 
architektonische  Gesetz  beherrscht  sie,  ohne  freilich  alle  und 
jede  Freiheit  auszuschliessen.  Zunächst  können  sie  so  wenig 
wie  die  Säulen,  individuell  verschieden  sein,  sie  sind  auch 
bis  auf  eine  auch  wieder  aus  einer  architektonischen  Forde- 
rang  resultirende  Verschiedenheit  — .  kleine  Abweichungen  in 
Haaranordnung  und  Gewandfalten  sind  unwesentlich  —  unter 
einander  völlig  gleich.  Diese  Verschiedenheit  besteht  darin, 
dass  die  drei  zur  Rechten  des  vor  ihrer  Front  Stehenden 
tdch  auf  das  linke,  die  drei  zur  Linken  auf  das  rechte  Bein 


1Ö4  TempelstMil|>turen. 

stützen.  Es  war  uämlich  nothwendig,  dass  die  vier  Karyatiden^ 
die  eine  Aussenseite  haben,  das  Stützbein  mit  seiner  sich  der 
senkrechten  nähernden  Linie  nach  aussen  richteten,  die  ge- 
krümmte Linie  des  Spielbeins  wäre  an  der  Aussenseite  schwach 
und  unharmonisch  erschienen,  dami  aber  mussten  sich  um 
der  Symmetrie  willen  die  beiden  mittlem  Karyatiden  die  eine 
nach  rechts  die  andre  nach  links  anschliessen.  Dass  die 
Mädchen  aber  nicht  fest  auf  beiden  Beinen  stehn,  ist  ihnen  durch 
die  Leichtigkeit  der  Last,  möglich  gemacht,  sie  tragen  sicher 
und  doch  leicht,  die  zwanglose  Haltung  des  einen  Beins  ist 
eine  leise  Milderung  des  strengen  architektonischen  Gesetzes, 
die  der  jonische  Stil  des  Gebäudes,  zumal  dieser  reichere 
anmuthigere  jonische  Stil  erforderte.  Es  sind  uns  Karyatiden 
erhalten  von  streng  symmetrischer  Stellung  und  mit  erhobeneu 
Armen,  andre  von  freierer  Art  nur  einen  Arm  an  den  Korb 
legend,  hier  war  eine  Erhebung  des  Arms  schon  um  dess- 
willen  unzulässig,  weil  die  Rücksicht  auf  die  gegenüberliegende 
nördliche  und  die  gleichfalls  von  Säulen  gestützte  östliche 
Vorhalle  einen  möglichst  einfachen,  säulenartigen  Umriss  der 
Karyatiden  wünschenswerth  machte.  Derselbe  Grund  verbot 
die  vom  Körper  abspringenden  Arme,  eine  Stillosigkeit,  an 
welcher  die  neueste  Architektur  geringern  Anstoss  zu  nehmen 
scheint,  als  die  alte.  An  den  Mädchen  vom  Erecht henm 
fasste  der  eine  Arm  leicht  den  Zipfel  des  hinten  herabhän- 
genden Mantels,  der  andre  hing  ruhig  herab,  gewiss  ohne 
etwas  in  der  Hand  zu  halten*.  Auch  das  Gewand  ist  mit 
Rücksicht  auf  den  Zweck  der  Figuren  so  angeordnet,  dass 
die  senkrechten  Linien  dominiren,  ein  weniger  strenger  Ge- 
schmack giebt  sich  in  vielen  Karyatiden  römischer  Zeit**  zu 
erkennen,  an  welchen  das  Obergewand  so  angeordnet  ist,  dass 
diagonale  Linien  entstehn.  Aber  die  gradlinige  Strenge, 
welche  die  architektonische  Stütze  erfordert,  ist  aufs  Glück- 
lichste verbunden  mit  dem  weicheren  Linienfluss,  den  die 
menschliche  Stütze  beanspruchen  darf.  Die  Karyatiden 
erfüllen  allerdings  ihren  architektonischen  Zweck,  aber  gehn 
nicht  in  ihm  auf,  wie  die  weit  strenger  stilisirten  Giganten, 
die  im  agrigentinischen  Zeustempel  die  Decke  stützten. 

Die  Körperbildung  der  Mädchen  ist  ihrem  Zweck   ent- 


*  Ii»  (I(T  Nachbildimjif  der  Halle  im  Treppenhaiise  tragen  ilie  M«nci- 
rbeii  in  einer  Hand  Aeliren,  wofür  j«'der  Grund  fehlt. 

**   V/fi.  die  Karyatidi^n  über  den  Thüren  des  Niobideiisaals. 


TempelsciüptiiiTii.  135 

sprechend  kräftig^  die  zartere  Stelle  des  Halses  hat  durch 
die  zu  beiden  Seiten  herabhängenden  Flechten  eine  Unter- 
st&tznug  erhalten^  die  indessen  wohl  weniger  mechanisch  als 
stilistisch  uotihweudig  ist,  damit  nämlich  nicht  der  einfaclie, 
säulenartige  Umriss  durch  die  Einbiegung  des  Halses  zu  sehr 
unterbrochen  werde.  Auf  dem  Kopf  liegt  •  zunächst  ein  wei- 
cher Wulst,  die  nothwendige  Unterlage  füi-  Geräthe  die  auf 
dem  Kopf  getragen  werden,  dann  folgt  ein  korbartig  gebil- 
detes Glied,  das  wie  ein  jonisches  Kapital,  mit  Eierstab  und 
Perlenschnur  verziert  ist.  Römische  Karyatiden  liaben  einen 
ganz  nach  der  Wirklichkeit  gestalteten  Korb  auf  dem  Kopfe, 
was  für  korinthischen  Stil  und  eine  mehr  realistische  Auffas- 
sung passend  sein  mag,  hier  dagegen  kam  es  darauf  an,  sich 
dem  jonischen  Stil  anzunähern  und  doch  zugleich  die  besondre 
Natur  des  Säulenschaftes  —  der  Mädchengestalt  —  zu  be- 
rflcksichtigen,  für  welche  das  gewöhnliche  jonische  Kapital 
fremdartig  gewesen  wäi-e.  Sei  es  nun,  dass  der  Künstler 
vom  dorischen  Kapital  ausging  oder  das  jonische  mit  Weg- 
lassang des  Volutenkörpers  zu  Grunde  legte,  genug  or  bildete 
ein  seiner  Form  nach  einem  Korbe  ähnliches,  aber  auf  jo- 
nische  Weise  verziertes  Kapital,  das  eben  jener  doppelten 
Rücksicht  entsprach. 

An  künstlerischem  Werth  stehn  sicli  übrigens  diese  beiden 
Karyatiden  nicht  gleich,  die  Londoner  ist  entschieden  bedeu- 
tender und  rührt  auch  von  andi'er  Hand  her.  So  sind  z.  B. 
die  Falten  unter  der  Brust  und  an  dem  vortretenden  Bein 
bei  dieser  nur  fein  angedeutet,  dort  derber  und  effect voller 
hervortretend.  Besonders  dürfte  aber  die  Vergleichung  der 
Gewandpartie  oberhalb  der  rechten  Hüfte  deutlich  machen, 
dass  die  Londoner  Figui-  edler  und  stilvoller  gehalten  ist. 

b.  Der  Fries*,   gefunden  bei  den  Ausgrabungen  im  Jahre 

18*36  und  in  Athen  befindlich. 

Der  Fries  des  Erechtheums,  von  welchem  mr  nur  si)är- 
liche  Trümmer  besitzen,  war  nicht  wie  gewöhnlich,  aus  grösse- 
ren, mehrere  Figuren  enthaltenden  Platten  zusammengesetzt, 
sondern  die  einzelnen  Figuren  waren  für  sich  aus  pentelischem 
Marmor  gearbeitet  und  dann  auf  einen  Grund  von  schwarzem 
eleusinischem  Stein  aufgesetzt.  Auf  diesem  Grunde  und  auf 
dem  Vorsprung  des  Architravs  haben  sich  noch  eiserne  Ha- 

*  Im  Gr'u'chisfhen  Saal  n.  101 — 10J>,  (;s  sind  aber  nicht  alle  nhaltt»- 
iifii  Fragnieiilt*  hier  in  (iyps  v(»rhau(i<'ii 


Igß  t'ompelsculptnren. 

ken  erhalten,  durch  welche  die  Figuren  unten  und  an  ihrer 
glatten  Hinterfläche  festgehalten  wurden.  Um  den  grellen 
Abstand  der  weissen  Figuren  und  des  schwarzen  Grundes  zu 
mildem,  wird  eine  wenigstens  theilweise  Bemaluhg  der  ersteren 
anzunehmen  sein,  der  schwarze  Grund  tibrigens  berechtigt 
uns  auch  für  die  Friese,  an  denen  sich  keine  Spuren  von 
Bemalung  erhalten,  einen  farbigen  Grund  vorauszusetzen. 

Wir  besitzen  die  Reste  einer  Inschrift,  welche  eine 
Rechnungsablage  über  die  für  das  Erechtheum  verausgabten 
Gelder  enthält  und  unter  Andrem  auch  die  Preise  und  Ver- 
fertiger einzelner  Figuren  des  Frieses  aufführt.  Diese  Figuren 
werden  darin  ganz  allgemein  als  Männer,  Frauen  und  Kinder 
mit  näherer  Angabe  ihrer  Aktion  bezeichnet,  so  dass  wenig- 
stens ein  Theil  des  Frieses  aus  dem  Leben  genommene  Sce- 
nen  enthielt.  Andrerseits  erfordern  einige  hier  nicht  im  Ab- 
guss  vorhandene  Fragmente  eine  mythologische  Deutung, 
wir  werden  daher  annehmen  dürfen,  dass  an  diesem  Fries  wie 
an  dem  des  Parthenon,  Götter  und  Menschen  vereinigt  waren. 

Zu  welcher  Classe  von  Wesen  die  hier  vorhandenen 
Fragmente  gehörten,  ist  nicht  gewiss  zu  sagen,  denn  keins 
derselben  ist  mit  einer  in  der  Inschrift  erwähnten  Figur 
zu  identificii'en.  Man  hal  die  Frau,  die  den  Knaben  auf 
dem  Schooss  hat*,  für  eine  Göttin  erklärt,  allein  sie  kann 
doch  ebensowohl  eine  aus  dem  Leben  genommene  Figur 
sein,  zumal  da  dieselbe  Gruppe  ganz  ähnlich  wiederkehrt**. 

So  dürftig  das  Erhaltene  ist,  so  ist  es  doch  seinem  Stil 
nach,  der  den  Reliefs  von  der  Balustrade  des  Niketempels 
nahe  steht,  nichts  weniger  als  werthlos. "  Auch  hier  finden 
wir  die  allgemeinen  Eigenschaften  des  attischen  Stils  wieder, 
die  Grazie  und  weiche,  schöne  Fülle,  und  besondere  Beachtung 
verdient,  dass  wir  hier  zuerst  die  glatt  anliegenden,  auch  den 
Nabel  ausdrückenden  Gewänder  sehn,  die  der  früheren  Kunst 
fremd  sind,  später  aber,  als  man  einem  leisen  sinnlichen  Reiz 
nicht  mehr  abgeneigt  war,  sehr  beliebt  wurden.  Wir  müssen 
nach  Anleitung  der  Inschrift  annehmen,  dass  die  Verfertiger 
dieser  Fragmente  nicht  eigentliche  Künstler,  sondern  halbe 
Handwerker  waren,  denn  die  dort  aufgeführten  Arbeiter  wer- 
den sonst  nirgends  erwähnt,  und  es  ist  nicht  wahrscheinlich, 
dass  berühmte  Künstler  einzelne  Figuren  eines  Frieses  über- 


*  n.  lOG. 
**  II.  108. 


Tompelsculpturcn.  137 

nommen  und  für  Preise,  wie  sie  dort  angegeben  werden  — 
der  Durchschnittspreis  für  die  Figur  ist  60  Drachmen  (nach 
unserem  Gelde  etwa  15  Thlr.)  —  gearbeitet  haben  sollten.  So 
bestätigt  denn  dieser  Fries,  wie  alle  uns  erhaltene  antike 
Handwerksarbeit,  den  oft  ausgesprochenen  Satz,  dass  die 
Griechen  nicht  allein  als  Schöpfer  bedeutender  Kunstwerke^ 
sondern  besonders  dadurch  so  gross  waren,  dass  die  Kunst 
auch  die  ganze  Thätigkeit  des  Handwerkers  durchdrang. 

Das  Erechtheum  wurde  nicht  vor  den  letzten  Jahren 
des  fünften  Jahrhunderts  vollendet,  die  erwähnte  Inschrift 
gehört  in  das  Jahr  406  (OL  93,  2.) 

Die  Karyatiden  jsind  abg*.  bei  Stuart  antiquities  11,  [eh.  2.  Die 
in  London  befindliche  (über  deren  Bemahing  Semper,  Stil  I,  4GÖ)  aucli 
in  den  anc.  marbles  of  the  brit.  muscum  IX,  6.  Müller- Wieseler  I,  20, 
101.  und  Overbeck  Gesch.  d.  PI.  1,  p.  27G. 

Vgl.  den  Bericht  von  Ross  aus  dem  Jahre  1837  in  den  Archat»ol. 
Aufs.  1,  122  ff.,  wodurch  die  volltönenden  BenKirkimgen  Beule's  (l'acro- 
pole  d'Athenes  2,  274)  über  Frankreich'«  Verdienste  um  die  Karyatiden- 
halie  etwas  modiilcirt  werden. 

Dass  die  Erzählung  Vitruv's  (I.  10)  über  die  Karyatiden  ihrem  Kern 
nach  glaubwürdig  sei,  zeigt  Preller  Annali  1843  p.  396  ft'.  Sie  ist  ganz 
im  Einklang  mit  den  ältesten  Beispielen,  dit^  wir  für  die  Verwendung 
mensclilicher  Figuren  als  architektonischer  Stützen  kennen,  nämlich  mit 
«len  Persern  als  Trägern  des  Dachs  der  persischen  Halle  in  Sparta  und 
den  Giganten  im  agrigentniischen  ZcMistempcl,  die  eine  unverkennbare 
Negerphysiognomie  haben. 

üvr  Fries  ist  abg.  Le  Bas  pl.  15—17.  'EcprjfÄFQlg  dgX'  h  33—48. 
Rangabe  antiquites  helleniques  1  pl.  3.  4.  Overbeck  Gesch.  d.  gr.  PI. 
t  1,  p.  281.  Vgl.  Beule,  l'acropole  d'Athenes  II  p.  284  ft'.,  der  aber  mit 
L'nrecht  in  n.  102  das  in  der  Inschrift  erwähnte  Pferdepaar  wiederfindet, 
«ia  jent»s  Fragment  vielmehr  Reste  von  drei  Pferden  zeigt.  Ebenso  we- 
nig ist  in  n.  109  die  in  der  Inschrift  erwähnte  (iruppe  einer  Frau  an 
welche  ein  Kind  lehnt,  zu  erkennen,  da  die  Reste  der  kniench'u  Figur 
des  Fragments  nicht  auf  ein  Kind  schliessen  lassen. 

Sicher  mythologischen  Inhalts  sind  eine  Frau  mit  einem  Löwen  auf 
«lern  Schooss  und  eine  zweite  mit  einem  Löwen  zur  Seite. 

Die  Gruppe  der  Frau  mit  dehi  Kinde  wird  von  Welcker  Annali 
1860  p.  461.  Götterl.  2,  552  für  Demeter  nnt  Jacchos,  von  Stephani 
Ann.  1843  p.  310  für  die  Polias  mit  Erechtheus  erklärt.  An  lezterer 
Stelle  ist  auch  die  Inschrift  am  vollständigsten  mitgetheilt,  vgl.  Brunn 
Knnstlergesch.  I  p.  248.     Scholl  Archaeol.  Mitth.  |).  129. 

335 — 355.  Sculpturen  vom  NiketempeL 

a)  Der  Fries*. 

Der  Niketempel  hat  ein  ähnliches  Schicksal  gehabt 
wie  der  Parthenon.     Er  stand  bis  zur  venetianischen  Bela- 


Im  Treppenhaus  n.  65 — 77. 


Igg  Tempelsculpturen, 

Belagerung  Athens  unversehrt  da  und  wurde  dann  durch 
Menschenhände  zerstört.  Die  Türken  brachen  ihn  ab  um 
das  schöne  Material  zum  Bau  einer  Batterie  zu  verwenden. 
Doch  war  dies  Loos  immer  noch  weit  glimpHicher  als  zer- 
schossen zu  werden,  wie  es  dem  Parthenon  erging,  denn  man 
konnte  daran  denken,  die  abgebrochenen  Stücke  wieder  neu 
zusammenzufügen.  Dieser  Versuch  ist  im  Jahre  1835  unter 
Leitung  des  Prof.  Ross  von  den  Architekten  Schaubert  und 
Hansen  gemacht  und  so  glücklich  gelungen,  dass  der  Tempel 
bis  auf  Dach  und  Giebelfelder  wieder  fertig  dasteht.  Vom 
Fries  freilich  fehlen  fast  ganz  die  Nord-  und  Westseite*,  die 
Lord  Elgin  bereits  früher  gefunden  und  nach  London  ge- 
bracht hatte,  wo  sie  sich  jetzt  befinden.  Sie  sind  indessen 
am  Gebäude  durch  einen  Abdruck  in  Terrakotta  ersetzt. 
Der  Fries  der  Ost-  und  Südseite**  ist  dagegen  wieder  auf 
seiner  alten  Stelle  eingesetzt  und  bis  auf  Weniges  vollstän- 
dig erhalten.  Leider  sind  die  einzelnen  Figuren  an  allen 
Theilen  sehr  verstümmelt,  zum  Theil  durch  absichtliche  Be- 
schädigung, zum  Theil,  weil  der  jonische  Fries,  der  wegen 
des  vorspringenden  Architravs,  hinter  den  er  zurückweicht, 
ein  höheres  Relief  erfordert,  der  Zerstörung  so  sehr  ausge- 
setzt ist. 

Die  östliche  Seite  des  Frieses,  die  Eingangsseite,  steht 
in  sehr  entschiedenem  Gegensatze  zu  den  übrigen.  Sie  ist 
bis  auf  ein  Stück  der  rechten  Seite,  das  etwa  4 — 5  Figuren 
enthalten  haben  wird,  erhalten,  aber  der  Gegenstand  der  ^ 
Darstellung  ist  kaum  mehr  zu  erkennen.  Nur  das  lässt  sich 
behaupten,  dass  wir  eine  Götterversammlung  vor  uns  haben, 
denn  am  linken  Ende  bemerken  wir  zwischen  zwei  Frauen 
einen  geflügelten  Knaben  und  in  der  Mittelgruppe  zwischen 
den  beiden  sitzenden  Männern  eine  Frau,  die  durch  den 
Schild  am  linken  Arm  und  die  noch  im  Umriss  erkennbare 
schräg  über  die  Brust  laufende  Aegis  sich  als  Pallas  zu  er- 
kennen giebt.  Sie  ist  durch  ihre  Stellung  im  Mittelpunkt 
und  zwischen  den  beiden  sitzenden  Figuren  als  Hauptfigur 
bezeichnet,  und  zwar  scheint  es,  dass  sie  als  Sprecherin  in 
einer  Berathung  der  Götter  fungirte.  Denn  eine  bestimmte 
Scene  ist  unzweifelhaft  gemeint,  und  die  eraste  und  ruhige 
Haltung  der  Mittelfiguren  spricht  sehr  dafür,  eine  Berathung 


*  Im  Treppenhaus  ii.  76.  77  w.  68—70. 
**  Ebondas.  n.  65—67  und  71—75. 


Tempelsciilpturen.  189 

der  Götter  zu  statoiren.  Freilich  ist  diese  Ruhe  nur  in  der 
nächsten  Umgebung  der  Göttin  vorhanden^  nämlich  in  den 
je  5  Personen  hinter  den  beiden  in  der  Mitte  sitzenden  Fi- 
gnren^  dann  folgen  wieder,  die  senkrechten  Linien  der  ste- 
henden Figuren  wohlthuend  unterbrechend  und  symmetrisch  mit 
einander  correspondirend,  sitzende  Göttinnen  (die  zur  Linken 
ist  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  zerstört),  und  bei  diesen  herrscht 
ein  bewegteres  Leben,  das  sich  auf  der  allein  vollständig  er- 
haltenen linken  Seite  nach  dem  Ende  zu  wieder  etwas  be- 
ruhigt. Wir  wissen  keinen  Grund  für  diese  bewegten  Figu- 
ren anzuführen,  sie  schliessen  indess  nicht  die  Annahme  einer 
Götterberathung  aus,  und  wenn  es  nun  als  wahrscheinlich 
angenommen  werden  muss,  dass  der  Fries  der  Vorderseite 
nicht  ohne  Znsammenhang  war  mit  den  Darstellungen  der 
amieren  Seiten,  so  könnte  das  Thema  desselben  so  gefasst 
Verden,  dass  Pallas  hier  im  Götterkreise  als  Fürsprecherin 
für  ihr  Land  erscheine  in  Hinblick  auf  die  Gefahren,  welche 
auf  den  anderen  Seiten  geschildert  sind. 

Die  Darstellung  auf  den  sich  entsprechenden  Langseiten 
Ivezieht  sich  auf  die  Kämpfe  von  Griechen  und  Persem,  die 
*jich  sichtlich  zum  Nachtheile  der  letzteren  entscheiden,  die 
im  Westen  auf  Kämpfe  von  Griechen  gegen  Griechen.  Dass 
eine  bestimmte  Schlacht  gemeint  sei,  wird  durch  nichts  ange- 
tleutet,  wir  glauben  auch,  dass  der  bildnerische  Schmuck  an 
einem  Heiligthum  der  Nike  passender  auf  eine  allgemeine 
Darstellung  aller  Kämpfe  der  Vergangenheit,  als  auf  ein 
einzelnes  Faktum  bezogen  wird. 

Die  Gegenüberstellung  der  verschiedenen  Kleidung  und 
liewafi^ung  der  Perser,  deren  Führer  ähnlich  wie  in  den 
Amazonenkämpfen  beritten  dargestellt  sind,  gab  Gelegenlieit 
zur  reichsten  Mannigfaltigkeit,  bemerkenswerth  ist  auch  das 
liier  wie  an  Amazonenkämpfen  häufiger  vorkommende  Motiv, 
dass  der  Grieche  seinen  Gegner  am  Schopf  fasst,  worin  sich 
das  Gefühl  der  Ueberlegenheit  charakteristisch  ausspricht. 
Auch  an  der  Westseite  in  den  Griechenkämpfen  herrscht  die 
grösste  Mannigfaltigkeit  und  der  Künstler  hat  die  Freiheit, 
«iie  ihm  der  jonische  Fries  bot,  eine  grössere  Anzahl  von 
Figuren  zu  einer  Gruppe  zu  verbinden,  in  reiclistem  Maasse 
benutzt  und  dadurch  eine  grosse  dramatische  Lebendigkeit 
erreicht.  Man  vergleiche,  um  sich  des  Unterschiedes  bewusst 
zu  werden,  die  Friesreliefs  vom  Theseustempel,  die  im  Gan- 
zen noch  dem  Princip  der   paarweisen  Gruppirung  folgen, 


190  Tempelsculpturen. 

das  eine  Nothwendigkeit  für  den  dorischen  Fries  ist  und  von 
daher  noch  beibehalten  zu  sein  scheint,  während  hier  sich 
gleichsam  breitere  Mittelpunkte  der  Aktion  bilden  —  z.  B. 
der  Kampf  um  den  Gefallenen  — ,  an  welche  sich  kleinere 
Gruppen  anschliessen.  Eine  dichtere  Art  der  Gruppirung  ist 
nothwendig  mit  dieser  Anordnung  verbunden,  so  dass  die 
Figuren  sich  zum  grossen  Theil  decken,  worin  ebenfalls  die 
Friese  des  Theseustempels  merklich  abweichen. 

Die  Lebendigkeit  der  Darstellung  wird  noch  gesteigert 
durch  die  Wahl  der  Motive,  in  denen  zum  Theil  ganz  flüch- 
tige Augenblicke,  z.  B.  der^on  seinem  Pferd  herabstürzende 
Perser*,  fixirt  sind,  und  durch  die  ausserordentlich  schlanken 
und  feinen  Gestalten.  Dass  es  freilich  nicht  an  Flüchtigkei- 
ten fehlt,  sind  wir  jetzt  schon  bei  griechischen  Friesreliefs 
gewohnt,  man  rechnete  darauf,  dass  es  in  der  Höhe  wenig 
oder  gar  nicht  auffalle,  wie  z.  B.  ein  auf  der  Leiche  eines 
Persers  befindliches  Griechenbein  aus  ihr  heraus  zu  wachsen 
scheint**.  Auf  derselben  Tafel  ist  noch  ein  ähnlicher  Fall, 
auf  anderen  sind  die  Beine  der  Figuren  bis  zum  Unmöglichen 
verlängert***. 

Was  die  Entstehungszeit  der  Sculpturen  betrifft,  so 
haben  .wir  an  der  Pallas  der  östlichen  Seite  einen  festen 
Ausgangspunkt,  sie  entspricht  nämlich  in  ihrer  Tracht 
durchaus  der  Parthenos  des  Phidias.  Schwerlich  aber  ist 
diese  schöne  und  für  die  Parthenos  so  charakteristische  Tracht 
von  einem  anderen  Künstler  als  von  Phidias  erfunden  und 
wir  müssen  demnach  annehmen,  dass  diese  Friesreliefs  nach- 
her entstanden.  Wie  lange  nachher,  ist  schwer  zu  sagen, 
jedenfalls  entfernen  sich  die  Figuren  in  ihrer  Körperbildung 
und  auch  durch  eine  mehr  dramatische  Lebendigkeit  nicht 
wenig  von  den  Gestalten  des  Parthenonfrieses. 


b)   Die   Balustrade 


««4:4: 


Der  Niketempel  stösst  in  schräger  Kichtung  mit  sei- 
ner Nordwestecke  an  die  zu  den  Propyläen  hinaufführende 
Treppe,    so    dass    zwischen    dieser    und    dem   Tempel    ein 


♦  n.  71. 
**  11.  75. 
***  Vgl.  iiHnu'iitlicli   n.  G9. 
****  Im  Treppenhaus  u.  79—87. 


Tempelsculptuicii.  191 

dreieckiger  Raum  übrig  bleibt^  dessen  Hypothenusc  die  nörd- 
liche   Langseite   des   Tempels   bildet  ^   während   die    längere 
Kathete    parallel    läuft    mit    der   Treppe    und    die   kleinere 
rechtwinklig    auf   dieselbe   stösst.     Dieses    dreieckige   Stück 
der  Terrasse;  auf  welcher  der  Tempel  steht,  war  mit  einer 
durch  Reliefs  verzierten  Balustrade  umgeben,   die   als  zier- 
liche Bekrönung  dem  die  Treppe  Hinaufsteigenden  erschien. 
Bei  der  Wiederaufrichtung  des  Niketempels  im.  Jahre  1835 
bemerkte  man  eine  am  Rand  der  Terrasse  hinlaufende  Furche, 
in  welche  genau  wie  in  einen  Rahmen  die  freilich  nur  frag- 
mentirt    aufgefundenen    Marmortafelu    hineinpassten.      Diese 
waren  unter  sich  durch  Klanunern  verbunden  und  der  obere 
Rand  ergab,  dass  sich  über  ihnen  noch  ein  Metallgitter  be- 
.  fand.    Die  schönsten  Fragmente  sind  bei  der  ersten  Ausgra- 
bung im  Jahre  1835  gefunden,   später  ist  noch  einiges  Un- 
bedeutendere   zum    Vorschein    gekommen*.      Die    Originale 
befinden  sich  in  Athen  und  zwar  grösst^ntheils  in  der  Cella 
des  Niketempels. 

Es  war  zu  erwarten,  dass  die  Reliefs  der  Balustrade 
eine  Beziehung  auf  den  Tempel  hatten,  den  sie  umgaben.  Und 
so  haben  sich  denn  auch  mit  Ausnahme  eines  hier  nicht  vor- 
bandenen  Fragments,  das  eine  Pallas  darzustellen  scheint,  nur 
Darstellungen  von  Siegesgöttiimen  gefunden.  Sehr  wahrschein- 
lich ist,  dass  die  einzelnen  Figuren  zu  einer  gemeinsamen 
Handlung  verbunden  waren,  von  drei  Stücken  lässt  sich  dies 
mit  genügender  Sicherheit  zeigen.  Auf  dem  einen  derselben, 
(las  hier  nicht  vorhanden  ist,  sieht  man  den  linken  Arm  einer 
Siegesgöttin,  die  einen  Helm  auf  ein  Tropaion  setzt,  ihr 
gegenüber  stand  eine  fast  ganz  erhaltene  Nike**,  deren  aus- 
gestreckte Arme  gleichfalls  etwas  hinreichten  oder  mit  der 
Krrichtung  des  Siegeszeichens  beschäftigt  waren.  Dazu  konmit 
drittens  eine  Nike,  welche  im  linken  Arm  eine  Beinschiene 
liält***,  die  ebenfalls  nur  für  das  Tropaion  bestimmt  ji^ewesen 
^in  kann.  Diese  Scene  der  Errichtung  des  Siegeszeichens 
kann  wie  man  ansprechend  vermuthet  hat,  sehr  wohl  den 
Mittelpunkt  des  Ganzen  gebildet  haben.  An  sie  schliesst 
•''ich  auf  leichte  und  natürliche  Weise  das  grösste  Fragment 


*  Was   sich  hier  in  (iyps   Ix.'fiiidot,  ist   bei   der  ersten  Ausj^rahnug 
^'"fmuli'ii,  ilorh  sind  nicht  alle  damals  ü^eiundenen  Stücke  liier. 
•*  11.  8<J. 


**« 


n.  82. 


192  Tempelsciilptiiren. 

an,  auf  welchem  zwei  Niken  mit  den  Vorbereitungen  zum 
Siegesopfer  beschäftigt  sind*.  Die  eine  hält  den  Opferstier 
am  Strick  und  sucht  das  etwas  wilde  Thier  zurückzuhalten, 
indem  sie  sich  zurückbiegt  und  den  Fuss  gegen  einen  Stein 
stemmt,  die  andere  eilt  lebhaft  vorwärts.  Schwierig  ist  an- 
zugeben, in  welchem  Bezug  die  äusserst  graziöse  Figur  der 
die  Sandalenbänder  auflösenden  Nike**  zu  den  übrigen  steht, 
und  auffallend  ist  auch,  dass  das  Fragment***,  auf  welchem 
sich  die  übergeschlagenen  Beine  einer  Frau  mit  einem  schwer 
bestimmbaren  Geräth  (etwa  einem  Helm?)  auf  dem  Schooss 
erhalten  haben,  nach  sicheren  Spuren  an  der  äussersten  Ek;ke 
zur  Rechten  angebracht  war,  so  dass  also  diese  Figur  den 
übrigen  den  Rücken  kehrte. 

Von  Bemalung  hat  sich  zwar  keine  Spur  erhalten,  doch 
muss  sie  vorausgesetzt  werden.  Denn  mehrere  Flügel  von 
Xiken  sind  ganz  unausgeführt  gelassen,  und  der  Umstand, 
dass  das  Nackte  der  Figuren  sorgfältig  geglättet,  das  Uebrige 
aber  rauh  gelassen  ist,  scheint  auch  auf  Bemalung  mit  Aus- 
nahme des  Nackten  zu  deuten.  Einiges  war  auch  von  Bronce 
angefügt,  zur  Befestigung  von  Gürtelschnallen  sieht  man  Lö- 
cher eingebohrt 

Der  Stil  der  Reliefs  deutet  wenigstens  im  Allgemeinen 
auf  eine  etwas  spätere  Zeit,  als  die  reiner  und  strenger 
stilisirten  Friesreliefs  des  Tempels,  unverkennbar  aber  ist 
ihre  Verwandtschaft  mit  den  Figuren  vom  Fries  des  Erech- 
theums.  Eine  gewisse  weiche  Ueppigkeit  der  Formen,  ein 
grosser  Reichthum  des  Details  und  das  Bestreben  durch 
knapp  anliegende  Gewänder  das  Nackte  hervortreten  zu  las- 
sen sind  charakteristisch.  Von  einer  Hand  sind  die  erhal- 
tenen Figuren  schwerlich  verfertigt,  die  Sandalenlöserin,  eine 
der  graziösesten  Figuren  der  alten  Kunst,  zeigt  ganz  ver- 
schiedenen Geschmack  von  der  dem  Stier  voraufeilenden  Nike. 
Die  reichen  prächtigen  Falten  an  jener  sind  scharfkantig, 
ähnlich  wie  in  den  Sculpturen  der  Parthenongiebel,  dagegen 
runder  an  dieser,  und  der  sonst  überall  beobachtete  Gegen- 
satz zwischen  dem  feinbrüchigen  leinenen  Untergewand  und 
dem  dickeren  Mantel  ist  an  dieser  nicht  zu  bemerken.  Ueber- 
haupt  ist  diese  Figur  zwar  sehr  schön  gedacht,  aber  sie  hat 


*  n.  81. 

**  II.  79. 

***  II.  83. 


Tempelisculptiiren.  193 

ein  freieres,  Täuschenderes  Wesen,  nicht  so  viel  Adel 
wie  die  anderen,  der  Künstler  hatte  weniger  Stil  als  seine 
^Mitarbeiter.  Die  Reliefs  scheinen  daher,  wie  wir  es  vom 
Fries  des  Erechtheums  wissen,  von  mehreren  Händen'  ausge- 
führt und  auch  nicht  früher  als  jene  entstanden  zu  sein. 

ü«'ber  sammtliche  Sfulpturen  des  Niketenipols  v^l.  Hoss,  (Ut  Nikc- 

tt-mpfl,  mit    Abbild.     Beule   Tacropole   trAthenes    I    p.    236  ff.      Over- 

Wk  (lt»s<'li.  d.  gr.  Plastik   p.  282  fig.  52.  53.     Scholl  Archaeol.  Mitth. 

p.  131.    Die  in  England  befiudlichen  Friesplatten  sind  abg.  in  den  »uv. 

raarbles  IX,  pl.   7 — 10,  wo  einiges» Richtige  gegen  Ross  gesagt,   aber 

»'ine  Anordnung  der  Kampfscenen  vorgeschlagen  wird,  die  mir  unwahr- 

nheiiilich  scheint.     Ich  kann  an  dem  Fries  nichts  finden,  was  auf  einen 

bestimmten  Kampf  deutete,  denn   der  angeblich  boeotische  Hut   auf  der 

Westseite  findet  sich  ebenso  auf  vielen  attischen  Monumenten  (z.  ß.  auf 

der  athenischen  Grabvase  in  München  n.  88).     Wichtig  ist,   dass  nach 

dem  Bericht    von    Köhler   (im   Arch.   Anz.    1866  p.   167)   kürzlich    ein 

Fra^enl  des  Niketempels    mit  zwei  kämpfenden   Figuren,   deren   eine 

weiblich  sein  soll,  gefunden  ist,  doch  muss  ich  Näheres  abwarten.     Die 

im  Text   ausgesprochene   Meinung    über  die   Ostseite  schliesst  sich   an 

Wekker  A.  D.  I  p.  95  Anm.  19  an. 

Von  den  Balustradenreliefs  sind  ausser  bei  Ross  mehrere  in  der 
ttpiifi,  ^Qxaio'k.  1842.  1843  und  Archaeol.  Ztg.  1862  Taf.  162  abge- 
bildet. An  letzterer  Stelle  p.  249  ff.  giebt  Micliaelis  einen  genauen  Be- 
richt über  das  in  Athen  Vorhandene  und  eine  sinnige  und  durch  neue 
Argimiente  bereicherte  Ausfühnuig  eines  Gedankens  von  Ross  Archaeol. 
Aufs.  1,  116  Anm.  Nur  ist  an  der  mit  F.  bezeichneten  Nike  die  ßein- 
H'hiene  übersehn  und  das  was  Michaelis  für  einen  Ansatz  von  Flügeln 
liäli,  ist  ein  unter  dem  Kopfband  hervorkommender  Haarbüschel,  eine 
Tracht,  wie  sie  sich  z.  B.  an  dem  Sauroctonos,  an  dem  herknianischen 
Di(»nysoskopf  und  sonst  findet. 

356.  Bacchantin  mit  Opferstier*;  Marmorrelief,  ge- 
funden bei  den  Ausgrabungen  in  Terra  di  Lavoro,  im  Va- 
tikan befindlich. 

Es  ist  nur  ein  Stück  des  Originals  hier  im  Abguss,  das 
Cebrige  ist  wahrscheinlich  der  starken  Ergänzungen  wegen 
weggelassen.  Doch  lässt  ein  übereinstimmendes  Exemplar  in 
Florenz  schliessen,  dass  eine  Frau  mit  einem  Weihrauchaltar 
in  der  Rechten  dem  wilden  Stier  voranging,  den  die  er- 
haltene Figur  zurückzuhalten  bemüht  ist.  Es  handelt  sich 
am  die  Vorbereitungen  eines  Stieropfers,  doch  sind  diese 
lebhaft  bewegten  Gestalten  wohl  nicht  Priesterinnen,  sondern 
vermuthlich  Bacchantinnen,  die  ihrem  Gott  ein  Opfer  bereiten. 


*  Im  Treppenhaus  n.  157. 
Friederichs,  griech.  Plastik.  13 


194  Tempelsculptiiren. 

Das  Kelief  ist  eine   freie  Copie   einer  Platte  von   der 
Balustrade  des  Niketempels**,   aber  viel  derber  ausgeführt 

Abg.  Visconti  Pio-Cleni.  V,  9.  Nacli  Visconti  und  Gerliard  Beschr. 
Rom's  n.  p.  158  ist  die  hier  allein  vorhandene  Figur  des  Reliefs  fast 
ganz  neu,  während  ich  mir  vor  dem  Original  notirt  habe,  dass  gerade 
die  andere  dem  Stier  voraufgehende,  hier  fehlende  Figur  fast  ganz  neu 
sei.  Da  ich  mir  die  Details  aufgescluieben,  so  muss  ich  an  meiner  An- 
gabe festhalten.  Neu  sind  danach  Kopf,  Brust  und  beide  Hände  der 
vordem  Figm-,  welche  statt  die  vom  Rauchaltar,  an  welchem  das  ganze 
obere  Stück  neu  ist,  herabhängende  Wollenschnur  anzufassen,  wie  der 
Restaurator  suiulos  angenommen  hat,  den  Candelaber  selbst  fassen 
sollte,  denn  dass  dieser  von  einer  Figur  getragen  wurde,  beweist  die 
schräge  Richtung  desselben.  Dass  der  Stier  den  Altar  umstosse  wie 
Michaelis  Arch.  Ztg.  1862  p.  255  annimmt,  glaube  ich  nicht,  die  Frauen 
sind  ja  noch  nicht  an  der  Opferstätte,  wo  der  Altar  {lufgestellt  wird, 
angelangt. 


G.  Reliefs  von  Ghrabsteinen,  Weihgeschenken  und  öffent- 
lichen Dekreten. 

a)  Grabreliefs. 

Schon  bei  der  Erklärung  einiger  Grabsteine  des  alten 
Stils  (n.  20.  21.)  ist  der  Gnmdgedanke  angedeutet,  aus  dem 
die  sepulcralen  Vorstellungen  der  Griechen  hervorgegangen 
sind.  Der  Grabstein  ist  ein  Denkstein,  der  Leben  und  Art 
des  Verstorbenen  in  charakteristischer  und  poetischer  Situa- 
tion der  Nachwelt  gegenwärtig  halten  soll.  Auch  die  römi- 
schen Grabsteine  haben  grösstentheils  diesen  Zweck,  aber  sie 
unterscheiden  sich  von  den  griechischen,  wenigstens  von  de- 
nen besserer  Zeit,  dadurch,  dass  sie  so  oft  nur  äusserliebe 
und  prosaische  Verhältnisse,  namentlich  das  Handwerk  des 
Verstorbenen  verewigen,  während  die  Griechen  die  poetischen 
und  gemüthvollen  Beziehungen  oder  Ereignissse  in  dem  Leben 
des  Abgeschiedenen  aufzufinden  und  mit  theilnehmender  In- 
nigkeit darzustellen  wussten.  Allerdings  dachten  sie  dabei 
nur  an  das  Vergangene,  nicht  an  das  Zukünftige,  denn  der 
Masse  des  Volks  fehlte  die  frohe,  todüberwindende  Zuversicht, 
die  Grundstimmung  dieser  Compositionen  ist  daher  Trauer,  nicht 
Hoffnung,  aber  die  Trauer  ivSt  im  Gegensatz  zu  der  excentri- 


Im  Trepi)enhaus  n.  81. 


Reliefs.  195 

sehen    Klage   auf  etruscischen  Gräbsteiuen  immer  leise  und 
gemässigt  und  der  Schmerz  sieht  mehr  wie  Wehmuth  aus. 

Es    versteht    sich   von   selbst,    dass    die   grosse   Masse 

dieser   Grabsteine   Handwerksarbeit    ist,    einem   allgemeinen 

Bedürfeiss   konnte   nur   das   Handwerk   genügen.    Aber   der 

Handwerker   ist    abhängig   vom   Künstler,   er   erfindet   nicht 

sebstständig,  sondern  ahmt  nach,  und  so  erkennen  wir  auch 

in  \ielen  Grabsteinen  die  Erfindung  und  Composition  grosser 

Künstler,   welche   für   die  oft  nur   skizzenartige  Ausführmig 

reichlichen  Ersatz  bietet. 

V{jl.  Friedläiider,  de  operibus  auaglyphis  in  nunmmtMitis  scjmlcra- 
libus  ((mecis.  Königsberg  1847.  Friederiehs,  der  bildliche  Sehniiuk 
auf  den  Grabsteinen  alter  und  noner  Zeit.     Hamburg  1866. 

357.  Attisches  Grabrelief*,  um  1764  zu  Rom  in 
einem  Weinberge,  der  dem  Herzog  von  Caserta  gehörte, 
nicht  weit  vom  Triumphbogen  des  Gallienus  aufgefunden,  in 
Villa  Albani  befindlich. 

Neu  entdeckte   attische  Grabreliefs   mit  sehr  ähnlichen 
Darstellungen  berechtigen  uns,  auch  dieses  edle  Werk  der- 
selben jetzt  so  zahlreich  vertretenen  Classe  von  Denkmälern 
zuzuschreiben.     Es  zierte  das  Grab  eines  Kriegers  und  ver- 
ewigte eine  glänzende  Kriegsthat  desselben.     Nicht  lebensvol- 
ler hätte    die  Gestalt   des  Siegers    erfunden  werden  können, 
der  von  seinem  Pferd  herabgesprungen  ist,  um  seinem  Feind 
den   letzten   Streich    zu   geben,   nicht  rührender    die  Gestalt 
des  Unterliegenden,   der  vergeblich  seinen  Mantel  wie  einen 
Schild  vorhält.     Und  das  Pferd  würde,  wenn  nicht  die  Linke 
des  Siegers   (wie  aus  ihrer  Bewegung  zu  schliessen)   es    am 
Zaum  hielte,  von  der  Wildheit  des  Kampfes  gescheucht   da- 
voneilen.    Es  springt  mit  halbem  Leibe  aus  dem  Relief  her- 
aus, was  zcmächst  formell  nöthig  war,  damit  es  mit  den  Fi- 
guren   der  Jünglinge    die  gleiche  Höhe    des  Reliefs   einhielt, 
zugleich    aber  erhöht  dieser  Umstand   die  Lebendigkeit   der 
Darstellung,   indem    es    scheint,    als    wolle    es    sich    loslösen 
vom  Hintergrunde. 

Es  ist  das  schönste  aller  griechischen  Grabreliefs,  und 
man  begreift,  dass  es  nach  Italien  hinübergeschleppt  wurde. 
Der  Zeit  nach  wird  es  nicht  lange  nach  dem  noch  etwas 
strengeren  Parthenonfries  anzusetzen  sein,  es  hat  noch  nicht 


im  Gewerbe) iistitut. 

13 


196  Reliefs. 

den  pathetischen  Ausdruck  der  Gesichter,  den  wir  im  vierten 
Jahrhundert,  z.  B.  am  Mausoleum,  finden.  Nur  in  den  zu- 
sammengepressten  Lippen  des  Siegers,  in  den  leise  klagend 
geöffneten  des  Besiegten  verräth  sich  die  innere  Empfindung. 
Man  wird  nicht  zweifeln,  dass  dieses  Relief  im  Gegen- 
satz zu  der  grossen  Masse  der  erhaltenen  Grabreliefs  von 
einem  wirklichen  und  bedeutenden  Künstler  herrührt 

Wiiickelm.  moimm.  ined.  n.  62.  Zoega  bassiril.  I,  51.  Archaeol. 
Ztg.  1863  Taf.  170.  Vgl.  den  Grabstein  des  Dexileos  bei  Salinas,  mo- 
rmmenti  sepolerali  scoperti  presso  la  chiesa  della  santa  Trinitä  in  Atene, 
Torino  1863  tuv.  2. 

358.  Grabrelief*,  Bruchstück  eines  Marmorreliefs, 
früher  im  Besitz  der  Familie  Giustiniani,  dann  beim  Bild- 
hauer Camuccini,  seit  Pius  Vü.  im  Vatikan. 

Man  hat  geglaubt,  in  diesem  schönen  Fragment  ein 
Stück  des  Parthenonfrieses  zu  besitzen,  und  in  der  That  ist 
die  Tracht  des  Reiters  vollkommen  entsprechend,  und  der 
Stil  ähnlich,  auch  die  Dimensionen  scheinen  zu  stimmen. 
Andrerseits  steht  aber  die  Bärtigkeit  der  Figur  entgegen,  denn 
nur  an  der  Westseite,  nicht  aber  an  der  Südseite  des  Par- 
tlienon,  dem  dieses  Fragment  nach  der  Richtung  der  Figur 
angehören  müsste,  kommen  ein  paar  bärtige  Reiter  vor,  und 
gewiss  ist  dieser  Umstand  nicht  zufällig.  Noch  entscheiden- 
der aber  ist,  dass  das  Relief  fast  doppelt  so  weit  vorspringt 
als  am  Fries  des  Parthenon.  Wir  halten  das  Werk  für  ein 
attisches  Grabrelief,  da  viele  ähnliche  erhalten  sind,  auf  wel- 
chen der  Verstorbene  dem  Range  oder  der  Neigung  seines 
Lebens  entsprechend,  hoch  zu  Ross  dargestellt  ist.  Vermuth- 
lich  war  der  Reiter  die  einzige  Figur  des  Reliefs,  wiewohl 
sich  unter  dem  Pferdekopf  einige  faltenartige  uns  nicht  ver- 
ständliche Reste  erhalten  haben. 

Löcher  am  Kopf  des  Pferdes  und  an  der  Hand  des 
Reiters  zeigen,  dass  die  Zügel,  die  der  Reiter  stramm  hält, 
von  Bronce  angefügt  waren.  Die  Zeit  des  Reliefs  wird  durch 
die  Aehnlichkeit  mit  dem  Parthenonfries  bestimmt. 

Abg.  Mus.  Chiaramonti  II,  45.  Archaeol.  Ztg.  1863  Taf.  170,  2. 
Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  p.  269.  Aehnliche  Reiterreliefs 
Stackeiberg  Gräber  der  Hell.  Taf.  3.  Mus.  Worsleyanum  Taf.  5.  Arch. 
Anz.  1856  p.  286.  Ulrichs  Reisen  und  Forschgen  II,  86.  105.  233. 
Vielleicht  gehören  auch  die  beiden  übrigens  unbedeutenden  Reliefs  im 
Griechischen  Saal  n.  60  (abg.  Le  Bas  pl.  20)  und  306  in  diese  Classe. 


Im  Treppenhaus  n.  64. 


Reliefs.  197 

359.  Griechischer  Grabstein*,  in  Venedig  in  Pri- 
vatbesitz. 

Das  Mädchen  hält  in  der  einen  Hand  eine  Büchse  und 
macht  mit  der  anderen  eine  Bewegung,  als  ziehe  sie 
€twas  aus  derselben  heraus.  Vermuthlich  ist  es  ein  Schmuck- 
kilstchen  und  das  auf  der  Erde  liegende  Geräth  der  Deckel 
desselben.  Aehnliche  Motive,  welche  die  naive  Freude  und 
Unschuld  jugendlichen  Alters  schildern  sollen,  kommen  oft 
anf  Grabsteinen  vor. 

Die  Composition  ist  sehr  einfach,  fast  streng,  auch  im 
Gesicht  sind  noch  Anklänge  an  den  alten  Stil,  sodass  wir 
dies  Relief  noch  dem  fünften  Jahrhundert  zuschreiben. 

Dass  sich  dieser  Grabstein  in  Venedig  und  zwar  in  Privatbesitz  be- 
fiiidf,  sHj?e  ich  auf  die  Autorität  des  dem  Abguss  im  Gewerbeinstitut 
aufgeiilpbten  Zettels,  ich  habe  keine  andre  Notiz  über  das  Relief  finden 
köuuen. 

360.  Attischer  Grabstein**,  in  Athen  im  Theseion 
befindlich. 

Die  Form  des  Grabsteins  ist  die  so  häufige  eines  klei- 
nen Tempels  mit  einem  Giebel,  die  auf  die  Todten  übertragen 
werden  konnte,  da  sie  als  Heroen  verehrt  wurden  und  oft 
diesen  Namen  auf  Grabsteinen  führen. 

Dieser  Grabstein»,  auf  welchem  die  links  sitzende  Figur 
bis  auf  das  Gesicht  leider  verloren  gegangen  ist,  gehört  zu 
(let  edelsten  die  uns  erhalten.  Die  leise  Wehmuth  die  über 
der  Gruppe  liegt,  und  der  edle  Charakter  in  den  Köpfen  beweisen, 
te  er  der  Blüthe  der  griechischen  Kunst  angehört.  Wahr- 
scheinlich ist  die  sitzende  Frau,  welcher  der  Mann  als  eine 
ßeberde  der  Liebe  die  Hand  hinstreckt,  für  die  Verstorbene 
zn  halten. 

V*fl.  Pervanoglu  die  Grabsteine  der  alten  Griechen  1863  p.  55  n.  1. 

.361.  Attische  Grabvase***,  vom  Freiherrn  Haller 
von  Hallerstein  in  Athen  gefunden  und  in  der  Glj'ptothek 
zü  München  befindlich.  Restaurirt  sind  der  Fuss  und  die 
Mündung.  Man  nannte  diese  Vasen  früher  marathonische 
Vasen,  sie  sind  aber  auch  im  übrigen  Attika  und  ausserhalb 
Attika's  gefunden. 

•  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  n.  24. 
••  Im  Treppenhaus  n.  185. 
•••  Im  (friechischen  Saal  n.  289. 


198  Reliefs. 

Die  Sitte,  Vasen  auf  die  Gräber  zu  stellen,  die  von  den 
Griechen  zu  den  Römern  und  von  diesen  auch  auf  unsere 
Kirchhöfe  tibergegangen  ist,  hängt  mit  der  Verbrennung  der 
Leichname  zusammen,  man  sammelte  die  Asche  und  Knochen 
in  eine  Urne  und  stellte  diese,  wenigstens  in  einzelnen  Fäl- 
len —  denn  gewöhnlicher  war  es  allerdings,  den  Aschenkmg 
unter  die  Erde  zu  legen  — ,  über  einer  Säule  auf.  Bereits  in 
der  Zeit,  welcher  die  uns  erhaltenen  Exemplare  angehören,, 
war  aber  diese  Sitte  nicht  mehr  üblich,  die  Vasen  sind  nämlich 
massiv  und  waren  also  nur  noch  ein  Zeichen  ohne  praktischen 
Zweck.  Darauf  deuten  auch  die  Formen,  die  wenigstens  in 
früherer  Zeit  nicht  breit  und  bauchig,  sondern  schlank  und 
aufstrebend  sind  und  genau  den  zahlreich  erhaltenen  attischen 
Thonkrügen  entsprechen,  welche  man  den  Todten  in  Athen 
ins  Grab  mitzugeben  oder  ans  Grab  zu  stellen  pflegte. 

Die  Vase  gehört  dem  älteren  Stil  an,  da  sie  noch  den 
scharfkantigen  Rand  hat,  der  später  abgerundet  wurde,  ausser- 
dem noch  ohne  alle  plastische  Verzieining  ist,  die  man  später 
an  den  Henkeln  reichlich  anbrachte.  Sie  entspricht  in  ihren 
einfachen  Formen  dem  Ernst  des  Grabes,  indess  fehlte  eine 
die  Gliederung  der  Vase  bezeichnende  Malerei  nicht,  m^n 
fand  auch  noch  Spuren  von  schwarzer  und  rother  Farbe* 
Der  Henkel  ist  zum  Schutz  des  schwaciien  Halses  gar  nicht 
ausgearbeitet. 

Auch  das  feine  Relief  und  die  Inschriften  zeigen,  das» 
die  Vase  der  blühenden  Zeit  der  Kunst,  dem  Anfange  des 
vierten  Jahrhunderts  angehört.  Die  sitzende  Frau,  Eukoline^ 
die  das  Centrum  der  Gomposition  bildet,  ist  wahrscheinlich 
die  Todte,  der  Mann,  der  die  Inschrift  Onesimos  trägt,  wird 
der  Gatte  der  jungen  Frau,  der  hinter  ihrem  Stuhl  stehende^ 
Chaireas,  ein  Verwandter  ^ein.  Besonders  innig  ist  der  nackte 
Knabe,  der  sein  Händchen  nach  der  Mutter  ausstreckt,  um 
ihr  seine  Liebe  auszudrücken;  am  rechten  Ende  steht  noch 
eine  Amme  mit  einem  Säugling. 

Die  attischen  Grabsteine  mit  ihren  zarten  und  innigen 
Familienscenen ,  welche  durch  dies  Relief  besonders  schön 
vertreten  werden,  gewähren  uns  eine  lebendigere  Vorstellung 
von  dem  häuslichen  Verkehr  in  Athen,  als  die  erhaltene  Li- 
teratur es  vermag.  Es  ist  unmöglich,  diese  Darstellungen  für 
reine  Phantasiegebilde  zu  halten,  sie  sind  vielmehr  Zeugnisse 
oder  Andeutungen  realer  Verhältnisse,  die  uns  zu  der  An- 
nahme berechtigen,    dass  manche  abstossende  Züge  des  atti- 


RHi<'fs.  199 

sehen  Familienlebens  ^  von  denen  wir  hören,  doch  die  Liebe 
und  Innigkeit  im  Verkehr  der  Familienglieder  nicht  ausge- 
schlossen haben. 

Abg.  Müner-"Wi«'»el(T  1,  29,  126  und  Lützow  Müm-hucr  Antiken 
^«elrheti  W<flrk  mir  leider  nicht  zugänglich  war).  Vgl.  Schorn  (utalog 
Hir  (flyptothek  n.  82.  Die  urspriingliche  BeKtimmung  der  Urahvasen 
ii'igt  <Ir8  (irab  des  Orpheus  bei  Paus.  9,  30,  7.  und  in  römischer  Zeit 
i>l  der  (febranch  der  Marmorvase  als  Aschenbehälter  ja  s«'hr  jifewöhn- 
liiU,  die  dann  übrigens  eine  bauchij^ere  Komi  hat.  Die  massiven  alti- 
M-beu  VasiMi  haben  mit  der  XovtQOfpOQOi;  (worunter  nicht  ein  Kru^^, 
vmdeni  ein  Mädchen  mit  einem  Kru^j^  zu  verstehn,  Becker  Charikles  111, 
31)1  ff.)  nichts  zu  thuu,  sondern  sind  entweder  nur  noch  blosse  Zeichen 
dtv  .\schenkiiiges,  wob«*i  denn  die  Form  der  \'ase  verändert  worden 
würe^  oder  sie  hängen  mit  der  ans  Vasenbildern  ersichtlichen  Sitte  zu- 
Nimmen,  lj«*kytheu  ans  (irab  zu  stellen,  deren  Sinn  mir  Ireirn  h  nicht 
(leiulich  ist. 

362.  Stück  einer  attischen  Marmorvase*.  Die 
ganze  Vase  wurde  im  Jahre  1849  gefunden  und  befindet 
'jjch  noch  an  ihrem  Fundort^  nämlich  in  einem  Privathause 
ostlich  vom  königlichen  Palast  in  Athen. 

Auf  der  Vase  sind  an  der  einen  Seite  zwei  bewaffnete 
Jflnglinge^  sich  die  Hand  reichend,  auf  der  anderen  ein  Rei- 
ter**   dargestellt    und   zwischen   beiden    gerade   unter    dem 
Henkel  der  Vase  eine  Gruppe  von  zwei  Frauen,  deren  obere 
Hälfte  der  Gypsabguss  wiedergiebt.     Mit  Recht  ist  bemerkt, 
dass  diese  Gnippe  ein  späterer  Zusatz  sei,  sie  ist  sowohl  im 
Stil  verschieden,  nämlich  dem  Uebrigen  überlegen,  als  aucli 
im  Relief   abweichend,   insofern  sie  nicht   aus    dem   Grunde 
hervortritt,   sondern  nur   eine  Zeichnung   in   der  Fläche  ist. 
Endlich   führt  auch  der  Ort  wo  sie  angebracht  ist,   auf  die 
Annahme    eines    späteren   Zusatzes,    ein    Geföss    mit    einem 
Henkel  kann  nicht  wohl  ringförmig  verziert  werden,  sondern 
ptiegt  unter  dem  Henkel  glatt  zu  bleiben. 

Die  zarte  und  anmuthige  Gruppe  wird  etwa  ums  Jalir 
4<>)  entstanden  sein,  jedenfalls  in  der  Blüthe  der  attischen 
Plastik. 

Abff.  in  der  Archatsd.  Zt^.  v.  1864  Taf.  183,  mit  der  Krklürnnj? 
V.  E.  (.'urtius  p.  145,  der  auch  die  frfdiere  liiteiatur  anjfiebt  Newton 
tnivels  and  dis<'overies  in  the  Levant  London  1805  I  p.  24  hält  die 
Gruppe  für  ursiunuiglich  zugehörijj^  und  meint,  the  female  lifj^ures  are 
♦•vidiMUly  nieant  to  be  in  a  more  distant  plane  thau  the  rest,  was  nach 
d«T  Art   des   antiken  Reliefs  auffallend  wäre.     Ausserdem   scheinen  mir 


•  Im  (iriechischen  Saal  n.  22(). 
••  Der  Kopf  seines  Pferdes  ebendas.  n.  227. 


200  Reliefs. 

die  aii(l(U'ii  im  Text  augefüiirteu  Gründe  entscheidend  für  die  nachträg- 
liche Hinzufügung  der  Gruppe.  Man  kann  es  auch  au  den  bemahen 
Vasen  wahrnehmen,  dass  ein-  oder  auch  dreihenkhge  Gefasse  wenigstens 
eine  Unterbrechung  des  bihliichen  Schmucks  unter  dem  Henkel  zeigen, 
wie  es  ja  aucli  in  der  Natur  der  Saciic  Uegt.  Denn  durch  einen  oder 
durch  drei  Henkel  ist  ein  Vorn  und  Hinten  an  der  Vase  ausgesprochen 
und  der  Schmuck  kann  nicht  mehr  völlig  ringförmig  sein.  Pervanoglu 
j).  6i)  n.  78  bemerkt,  es  sei  die  grösste  der  bis  jetzt  bekannten  Grab- 
urnen, nämlich  ::  Meter  hoch. 

363.  Attisches  Grabrelief*,  in  Athen  im  Theseion 
befindlich. 

Die  Verstorbene  wird  in  der  Inschrift  als  Ameinokleia 
des  Andromenes  Tochter  bezeichnet,  es  ist  diejenige  deren 
Kopf  ein  Schleier  verhüllt,  den  sowohl  Mädchen  wie  Franen 
trugen.  Eine  Dienerin  mit  einem  Häubchen  auf  dem  Kopf, 
das  für  die  niedere  Classe  charakteristisch  gewesen  zu  sein 
scheint,  ist  an  ihren  Sandalen  beschäftigt,  eine  andere  mit 
einem  Kästchen  steht  daneben. 

Man  kann  in  den  Figuren  der  griechischen  Grabsteine, 
wie  in  den  architektonischen  Ornamenten,  sehr  deutlich  den 
Uebergang  von  einem  feinen,  üachen  Relief  zu  einem  volleren, 
runderen,  den  wirklichen  Körper  darstellenden  verfolgen. 
Das  letztere,  das  wir  schon  hier  sehn,  ist  offenbar  die  Folge 
einer  mehr  realistischen  Kunstrichtung. 

Die  Ausführung  dieses  Grabsteins  ist  wie  gewöhnlich, 
nicht  sehr  fein,  und  wunderlich  ist,  wie  das  Bein  der  hintern 
Dienerin  in  den  Körper  der  vordem  hineindringt,  was  ver- 
muthlich  desswcgen  geschehen,  um  nicht  mit  der  letzteren 
zu  weit  aus  dem  Relief  herauszukommen.  Trotzdem  ist  das 
Ganze  sehr  anmuthig  und  aus  guter  Zeit.  Die  Inschrift,  in 
welcher  noch  o  für  ov  geschrieben  ist,  zeigt,  dass  es  nicht 
lange  nach  dem  Jahre  400  entstanden  ist 

Vgl.  Pervanoglu   p.  50,   n.  10.     Michaelis  nnove   memorie   p.  207. 

364.  Griechischer  Grabstein**,  in  der  Abtei  von 
Grotta  ferrata  bei  Rom  befindlich. 

Das  Lesen  in  der  Rolle  deutet  auf  einen  den  geistigen 
Interessen  ergebenen  Jüngling.  Der  Kopf  ist  nicht  Porträt, 
die  Verstorbenen  werden  auf  ihren  Grabmonumenten,  wenig- 
stens in  der  Blüthe  der  Kunst,  gewöhnlich  nicht  porträtähn- 


*  Im  Treppenhaus  n.  171. 
**  Ebendas.  n.  20. 


Reliefs.  201 

lieh  dargestellt  Auch  die  Sieger  in  den  grossen  Kampfspie- 
len erhielten  in  den  meisten  Fällen  nicht  Porträtstatuen,  es 
zeigt  sich  darin  wieder  die  Eigenthümlichkeit  der  griechischen 
Kunst,  das  Individuelle  ins  lUlgemeinere  hinüherzuspielen. 
Eine  gemüthliche  Zuthat,  an  denen  die  griechischen  Grab- 
steine so  reich  sind,  ist  der  treue  Hund  unter  dem  Sessel 
des  Jfinglings. 

Die  ruhige  objective  Haltung  des  Ganzen,  die  edle  Na- 
türlichkeit, die  sich  in  der  Haltung  des  Jünglings  ausspricht, 
die  Behandlung  des  Reliefs,  das  trotz  des  höheren  Vorsprungs 
ganz  flächenartig  gehalten,  und  die  schöne  stilvolle  Ausfüh- 
rung lassen  vermuthen,  dass  das  Werk  in  die  Blüthezeit  der 
griechischen  Kunst,  doch  wohl  nicht  mehr  in  das  fünfte 
Jahrhundert  gehöre.  Auch  die  schöngezeichnete  Bekrönung 
ist  noch  ohne  alle  realistische  Nachahmung,  rein  dekorativ 
gehalten.  Unklar  ist,  was  die  stufenartigen  Vorsprünge  an 
der  Seite  des  Jünglings  zu  bedeuten  haben.  Es  wurde  da- 
durch möglich,  dass  das  vordere  Bein  in  derselben  Fläche 
mit  dem  Oberkörper  blieb,  doch  reicht  dieser  formelle  Grund 
zur  Erklärung  nicht  aus. 

Abg.  Ann.  1865  tav.  15  i>.  61  tf.  von  ßrann,  in  dessen  Erkläniiij^- 
mir  das  über  die  Richtnng  des  Hundes  Bemerkte  auffällt,  <li(»  mir  ein- 
fach dadurch  veranfasst  scheint,  dass  die  Beine  des  Jünglinj^s  die  um- 
gekehrte Richtung  nicht  erlaubten. 

365.  Attisches  Grabrelief*,  1839  im  Piraeus  gefun- 
den und  in  Athen,  im  Theseion,  befindlich. 

Eine  Familienscene,  deren  Mittelpunkt  die  sitzende  Frau, 
vermuthlich  die  Verstorbene,  ist.  ^  Das  Kind  auf  dem  Arm 
der  Wärterin  lässt  uns  in  ihr  eine  jung  gestorbene  Mutter 
erkennen,  welche  ihre  Angehörigen,  lauter  weibliche  Figuren, 
mit  Geberden  der  Trauer  und  Liebe  umstehn.  Die  Pointe 
dieser  Darstellungen  liegt  darin,  ein  Bild  der  Anhänglichkeit 
und  Liebe  zu  geben,  die  dem  Verstorbenen  zu  Theil  ward, 
daher  so  oft  das  Motiv,  dass  die  üeberlebenden  ihm  die 
Hand  reichen,  was  früher  fälschlich  als  ein  Abschiednehmen 
verstanden  wurde,  aber  nur  eine  Geberde  der  Zuneigung  ist. 
In  diesem  Sinne  haben  es  auch  die  Römer  und  neuere  Künst- 
ler nachgeahmt,  indem  sie  Gatte  und  Gattin  auf  den  Grab- 
steinen mit  in  einander  gelegten  Händen  als  Zeichen  ihrer 
Neigung  und  Zusammengehörigkeit  darstellten.    . 


*  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauiis  n.  23. 


202  Reliefs. 

Das  Kästchen  ist  der  Verstorbenen  als  ein  gewöhnliches 
zur  Aufbewahrung  von  Schmucksachen  u.  dgl.  bestimmtes 
Frauengeräth  beigegeben,  in  der  Verzierung  der  Sesselleime 
mit  Widderkopf  und  Sphinx  fct  schwerlich  irgend  ein  sym- 
bolischer Sinn  zu  suchen,  der  Künstler  ahmte  nur  ans  künst- 
lerischen Gründen  die  feinere  Art  der  Stühle  seiner  Zeit  nach. 

Der  reine  Stil  und  die  zarte  Empfindung,  namentlich 
die  leise  Wehmuth  in  Ausdruck  und  Geberde  der  vor  der 
Verstorbenen  stehenden  Figur  lassen  vermuthen,  dass  daa 
Relief  einer  sehr  guten  Zeit,  nämlich  dem  vierten  Jahrhun- 
dert angehöre.  ^ 

Abg.  ArchacM)!.  Ztg.  1845  Tai'.  34  (aber  in  umgekehrter  Richtung) 
und  erläutert  vou  Curtius  |>.  145  ft'.,  der  die  vor  der  sitzenden  Fran 
stehende  Figur  nnt  Unreolit,  wie  mir  scheint,  als  mäiudich  ansieht.  Vgl, 
Pervanoghi  |>.  50  n.  12.  Stephani  Compte-rendu  poiu*  l'annee  64 
p.  132  tf.  deutet  in  ausführlicherer  Erörterung  Sphinx  und  Widderkopf 
als  änoTQonaLa,  worauf  ich  an  einem  andern  Ort  ziu'ückzukommen 
hotte.  Lieber  die  (leberde  des  Haudreichens  vgl.  Compte-rendu  pour 
l'annee  1861  p.  102  und  das  dort  Citirte. 

*^^io.  Attisches  Grabrelief*,  im  J.  1840  in  Athen 
im  äussern  Kerameikos  gefunden,  ebendaselbst  befindlich  in 
der  in  Hadrian's  Stoa  vereinigten  Sammlung. 

Der  Jüngling  zur  Rechten,  der  durch  seine  Nacktheit 
als  Palästrit  charakterisirt  wird,  ist  der  Verstorbene,  ein  älte- 
rer Mann,  wohl'  der  Vater,  steht  mit  theilnehmender  Miene 
und  Geberde  neben  ihm.  Am  Boden  kauert  der  Sklavenknabe, 
der  seinem  Herni  Oelüasche  und  Striegel  in  die  Palästra  nach- 
zutragen pflegte.  Er  ist  verhältnissmässig  zu  klein,  wie  oft 
auf  diesen  Monumenten  die  der  Bedeutung  nach  untergeord- 
neten Figuren  auch  äusserlich  als  solche  dargestellt  werden» 
Hier  scheint  ausserdem  der  Raum  etwas  knapp  gewesen  zu 
sein,  wie  man  aus  der  stark  zusammengekrümmten  Stellung 
des  Knaben  schliessen  möchte,  die  übrigens  nicht  einen  Ein- 
geschlafenen  —  das  wäre  ftlr  einen  Grabstein  von  nur  etwas 
edlerer  Haltung  ein  unpassendes  Motiv  — ,  sondern  gleichfalls 
einen  Traueniden,  den  um  seinen  Herrn  Trauernden  charak- 
terisiren  soll. 

Das  Relief  ist  zwar  flüchtig  gearbeitet,  gehört  aber  doch 
noch  dem  edleren  Stil  an. 


*  Im  Saal' des  Barberinischen  Fauns  n.  26. 


Reliefe.  20S 

AbfT.  ^^fffi.  d^x^t^oX.  1841  n.  721.  Stephaiü  Ausnih.  H<»rakles 
Taf.  6,  II.  1.  Vgl.  0.  Jahn  Arch.  Zt^.  1853^  p.  171.  üeber  die  Gc- 
b<'rde  des  Knaben  vgl.  Cebes  cap.  10  t]  öh  xriv  xs(paXr^v  iv  xolq  yo^ 
vaoiv  sxovoa  {xaleiTCci)  Avtitj. 

367. .Grabstein*,  früher  im  Museum  auf  Aegiua  be- 
tindlich  und  daher  vermuthlich  auf  dieser  Insel  gefunden,  jetzt 
in  Athen,  im  Theseion. 

Die  Details  dieses  schönen  Grabsteins,  der  seinem  Stil 
nach  dem  vierten  Jahrhundert  angehört,  sind  uns  leider  durch- 
aus unklar.  Wir  wissen  nicht,  was  die  Bewegung  der  Rechten 
«les  Jünglings,  der  in  der  Linken  sein  Spielzeug,  einen  Vogel 
hält,  bedeutet,  auch  nicht  den  Gegenstand  zu  bestimmen,  den 
seine  Rechte  berührt,  und  endlich  nicht  den  Zweck  des 
Pfeilers,  auf  dem  ein  unbestimmbares  Thier  liegt.  Die  kleine 
Figur  an  diesem  Pfeiler  ist  wohl  der  Sklave  des  Knaben. 

Verzeichnet  bei  Porvanoglii  p.  73  n.  2.  Eine  Bestimmung  der 
fraglichen  Gegenstände  und  Erklärung  der  Motive  versuchen  (lerhard 
Ann.  1837,  126  und  Fiiedländ^r  de  operibus  anaglyphis  etc.  p.  36  ff. 
aber  iTir  mich  nicht  überzeugend. 

368-  Griechischer  Grabstein**,  in  Athen  belindlich. 

Es  ist  der  Grabstein  eines  Mädchens,  das  als  Zeichen 
kindlicher  Neigung  eine  Puppe  in  den  Händen  hält,  genau 
von  der  Form,  wie  sie  aus  attischen  Kindergräbem  bekannt 
ist-  Aehnliche  hübsche  und  sinnige  Motive,  die  das  fröhliche 
Spiel  früh  verstorbener  Kinder  schildern,  linden  sich  öfter 
auf  Grabsteinen,  ein  Knabe  mit  seinem  Kinderwagen,  mit 
seinem  Vogel  oder  Hündchen,  ein  Mädchen  mit  ihrem  Täub- 
hen  und  dgl.    Aus  guter  Zeit. 

Vgl.  Pervanoglu  p.  73  n.  1,  der  die  Puppe  für  eine  Statuette  er- 
klärt. Ein  ganz  ähnlicher  Grabstein  bei  Pacciaudi  Monum.  Pelop.  II 
p.  210. 

369.  Relief  einer  Grabvase***,  in  Athen  befindlich. 

Etwas  pathetischer  im  Ausdruck  als  das  Relief  der 
Münchner  Vase  (n.  361),  aber  nicht  ohne  Empfindung  und  von 
gatem  Stil.  Das  Relief  geht  aus  dem  flachen  dekorativen 
Charakter  schon  etwas  heraus  und  der  Kopf  der  Frau  ist  en 
face  gestellt,  was  in  der  frühem  Zeit  selten  vorkommt. 

Vgl.  Pervanoglu  p.  55,  ii.  4,  wo  übrigens  die  hinter  dem  Stuhl  der 
Frau  Mi'hende  Figur  irrthünilich  als  männlich  aiigesehn   ist. 


•  Im  Saal  des  Barb<Tinischen  Faun«  n.  25. 
••  Im  (iriechischen  Saal  n.  273. 
••*  Kbeudas.  n.  54. 


204  Reliefs. 

370.  Desgl.*,  1830  auf  Salamis  gefunden,  weniger  schön. 
Die  Inschriften  sind  im  Abguss  nicht  ganz  vorhanden. 

\^l  Pervanoglu  p.  57  ii.  13.     Abg.  'E<pTifi.  1841  n.  608. 

371.  Des'gl.**,  von  gutem  Stil. 

Vgl.  Pervanoglu  p.  57  n.  11. 

372.  Attischer  Grabstein***,  im  J.  1837  im  Piraeus 
gefunden,  in  Athen,  im  Theseion  befindlich. 

Wie  die  metrische  Inschrift  angiebt,  ist  es  der  Grabstein 
eines  gewissen  Diphilos,  von  dem  nach  einer  oft  wiederkeh- 
renden Formel  gerühmt  wird,  dass  zwar  sein  Leib  der  Erde 
tibergeben,  seine  Gerechtigkeit  aber  nicht  mit  ihm  begraben 
sei.  Unzweifelhaft  ist  Diphilos  in  dem  links  stehenden  nur 
halb  erhaltenen  Mann  zu  erkennen,  und  dieser  Grabstein  be- 
weist das  Irrthtimliche  einer  frühem  Auffassung,  wonach  man 
in  der  sitzenden  Figur  stets  den  Todten  dargestellt  glaubte. 
Das  Sitzen  oder  Stehn  der  Figuren  hängt  vielmehr  vom  Be- 
lieben des  Künstlers  ab,  besonders  häufig  werden  die  Frauen 
sitzend  vorgestellt,  weil  es  für  sie  als  Frauen  natürlicher  ist. 

Die  Familienscenen  der  attischen  Grabsteine,  unter  denen 
die  Gruppe  von  Mann  und  Frau,  die  sich  die  Hand  reichen, 
besonders  häufig  wiederkehrt,  wurden  in  ihrer  grossen  Mehr- 
zahl gewiss  nicht  für  jeden  einzelnen  Todesfall  besonders  an- 
gefertigt, sondern  als  ein  einmal  beliebter  Schmuck  des  Gra- 
bes auf  Vorrath  gearbeitet,  wie  bei  uns  die  Grabkreuze. 
Die  Scenen  mussten  daher,  wie  hier,  möglichst  allgemein  ge- 
halten werden  und  erhielten  ihre  individuelle  Beziehung  erst 
durch  die  Inschrift. 

Abg.  'E<pi]fi.  dQX^^oX.  1840  n.  423.  Vgl.  Pervanoglu  ]).  57  n.  15, 
Die  Inschrift  lautet:  acjua  fxkv  ivd-a^  llx^i  obv  MipiXe  yala  dixvov 
[rog],  fivijfia  öh  orjq  skiTisg  Ttäai  Sixawavvrjg. 

373.  Griechischer  Grabstein****,  in  Athen  befindlich. 
Die  Verstorbene  hiess  nach  der  Inschrift  Eutamia,  neben 

ihr  steht  ihr  Kind,  das  ihr  etwas  hinreicht,  vermuthlich  einen 
Vogel,  sein  Spielzeug.  Der  Hund  im  Giebel  scheint  zum 
Gedächtniss  eines  treuen,  neben  seinem  Herrn  begrabenen 
Thieres  angebracht  zu  sein.     Gute  Zeit. 

Vgl.  Pervanoglu  p.  52  n.  17. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  55. 

**  Ebendas.  n.  56  und  ein  Duplikat  unter  n.  225. 

***  Im  Treppenhaus  n.  178. 

****  Ebendas.  n.  177. 


'ik. 


Reliefs.  205 

374.  Attischer  Grabstein*,  1836  im  Piraeus  gefan- 
gen und  in  Athen  im  Theseion  befindlich. 

Ein  jugendlicher  Athlet,  sich  mit  dem  Schabeisen  reini- 
gend, ist  hier  in  flachstem  Relief  dargestellt.  Die  Figur 
stimmt  überein  mit  dem  Apoxyomenos  eines  andern  ebenfalls 
attischen  Monuments,  welches  mit  Sicherheit  der  Zeit  des 
Alexander  zugeschrieben  werden  kann,  ist  aber  nicht  sklavisch 
eopirt 

Vgl.  Ross  Archaeol.  Aufs.  I  p.  39  u.    Anm.  1.     Miiliaelis   Aiinali 
1862  p.  212  ff.    Pervanoglu  p.  35  n.  2. 

375.  Attischer  Grabstein**,  in  Athen,  im  Theseion 
befindlich. 

Auch  hier  ist  der  Verstorbene  in  palästrischer  Thätig- 
keit  dargestellt,  die  ja  zu  den  wichtigsten  Beschäftigungen 
der  attischen  Jugend  gehörte.  Der  Jüngling  scheint  aus 
einem  in  der  Rechten  erhobenen  Fläschchen  Oel  in  die  vor 
<lein  Leib  befindliche  Linke  zu  giessen,  die  Figur  stimmt 
sehr  tiberein  mit  dem  unter  u.  98  aufgeführten  statuarischen 
lypus,  nach  dem  sie  wohl  eopirt  ist.  Links  steht  der  Skla- 
venknabe mit  der  Striegel  in  der  Hand,  wieder  un Verhältnis  s- 
mässig  klein  gebildet,  rechts  eine  Herme  und  ein  Oelkrug, 
tun  das  Lokal  der  Palästra  zu  charakterisiren.  Die  Stele  ge- 
hört noch  zu  den  besseren. 

Vgl.  Pervanoglu  a.  a.  0.  p.  35  n.  1. 

376.  Griechischer  Grabstein***,  im  J.  1826  auf  Do- 
los gefunden,  in  Athen  befindlich. 

Es  ist  der  Grabstein  eines  durch  Schiffbruch  Verunglück- 
ten, dergleichen  sich  mehrere  meist  von  den  Inseln  stammend 
erhalten  haben.  Auf  allen  finden  wir,  wie  hier,  den  traueni- 
(Jen  auf  dem  Felsen  sitzenden  Mann  und  neben  ihm  sein 
Schiff,  der  Verstorbene  wird  also  dargestellt  als  sei  er  von 
den  Wogen  an  öde  Klippen  verschlagen  und  dort  traurig  ums 
Leben  gekommen.  Dieser  Grabstein  konnte  natürlich  nur 
ein  Eenotaph  schmücken.  Die  Inschrift  nennt  einen  Glykon, 
des  Protogenes  Sohn.  Unter  dem  Giebel  ist  ein  um  die 
Stele  gewundenes  Band  in  flachem  Relief  angegeben,  da  es. 


•  Im  Treppenhaus  n.  159. 
•♦  Ebendas.  n.  186. 
•••  Im  Griechischen  Saal  n.  276. 


206  Reliefs. 

wie  namentlich  die  Vasenbilder  zeigen,  Sitte  war,  die  Grab- 
steine nicht  bloss  mit  Kränzen,  sondern  auch  und  vornehmlich 
mit  bunten  Bändern  zu  schmücken.     Aus  späterer  Zeit. 

Abg.  ^EiprifA.  (XQX'  "•  393.  Expedit,  scieiitif.  de  Mor^e  III,  pl.  20, 
1.  Stephaüi  Ausndi.  Herakles  p.  25.  ii.  5.  Pervanoglu  Tai*.  1,  ii.  11 
p.  71  11.  6. 

377.  Attischer  Grabstein*,  im  J.  1826  in  Attika 
gefunden,  in  Athen  befindlich. 

Wenn  nicht  die  Inschrift  den  Namen  eines  Leon  von 
Sinope  enthielte,  so  würde  man  das  Bild  des  Löwen  auf  die- 
sem Grabstein  als  Symbol  eines  in  tapferem  Kampfe  gefalle- 
nen Kriegers  verstehn  müssen,  da  ja  bei  Griechen  und  Rö- 
mern und  noch  jetzt  die  Gräber  tapferer  Krieger  mit  dem 
Bilde  eines  Löwen  geschmückt  werden.  Die  Inschrift  aber 
veranlasst  uns,  den  Löwen  als  bildliche  Darstellung  des 
Namens  Leon  aufzufassen,  wie  Aehnliches  bei  Griechen  und 
Römern  öfters  vorkommt,  ohne  damit  freilich  die  Möglichkeit 
auszuschliessen,  dass  Leon  durch  Tapferkeit  sich  seines  Na- 
mens auch  würdig  gezeigt  habe.     Spätere  Zeit. 

Abg.  ^Eiprifi.  aQX'  "•  3i)4.  Steplmiii  tituli  graeci  III  p.  23  u.  6. 
Le  Bas  pl.  78.  Vgl.  Pervanoglu  p.  83  n.  4.  Michaelis  Arch.  Ztg, 
1859  p.  24.     Conze  Arch.  Anz.  1864  p.  217. 

378.  Griechisches  Grabrelief**,  in  Athen,  im  The- 
seion befindlich. 

Die  Verstorbene,  in  der  Inschrift  als  Nike,  des  Dosi- 
theos  Tochter,  von  Thasos  bezeichnet,  ist  hier  mit  ihrem 
Mann  und  Kinde  gruppirt,  doch  könnte  die  kleine  Figur  auch 
•  als  die  Dienerin  bezeichnet  werden,  die  wir  oft  auf  den 
Grabsteinen  mit  einem  Fächer,  wie  hier,  neben  ilirer  Herrin 
stehn  sehn.  Der  Fächer  hat  die  Form  eines  Blattes,  wodurch 
der  Zweck  desselben,  saufte  Kühlung  zuzufächeln,  treffend 
versinnlicht  wird. 

Der  Grabstein  gehört  nicht  mehr  der  Kunstblüthe  an. 
Der  Abschiedsgruss  x^^^y  ^^^  ^^^  ^  ^^^  Inschrift  finden, 
ist  den  älteren  Grabsteinen  fremd  und  auch  die  Rosetten  in 
dem  leeren  Raum  über  den  Figuren,  zu  dessen  Belebung  sie 
dienen,  führen  auf  spätere. Zeit.  Schöner  ist  die  ältere  Weise, 
die  Figuren  bis  an  die  Bekrönung  hinaufzuführen,  wodurch 
das  ganze  Monument  leichter  und  schlanker  wird. 


*  Im  Griechischen  Saal  ii.  277. 
**  Im  Treppenhaus  n.  78. 


Reliefs.  207 

Vgl.  Pervauogrlu  p.  60  n.  28.     Die  luschrift  lautet:  Nixri  Jataid-Sov 

379.  Griechisches  Grabrelief*,  in  Athen  im  Theseion 
befindlich. 

Die  verstorbene  Frau,  Lampronike  aus  Stymphalos,  Frau 
des  Sarapion,  erinnert  in  Stellung  und  Gewandung  sehr  an 
römische  Porträtstatuen,  mit  denen  sie  gleichzeitig  sein  wird, 
da  auch  die  Inschrift  auf  spätere  Zeit  deutet.  Neben  der 
Frau  eine  Dienerin  mit  Fächer  und  Kästchen. 

Vgl.  Pervaiiüglii  p.  50,  ii.  11.  Die  Inschrift  lautet:  AdfiTiQOV 
ZrvfiipaXia  yvv^  6e  JktQaniaivoq  x^tjot^  X^^Q^-  Hinter  AafxuQOV 
frhleii  einige  Buchstaben.  ^ 

380.  Griechischer  Grabstein**,  auf  Delos  gefunden, 
in  Athen  befindlich. 

Die  Inschriften  lehren,  dass  der  Stein  auf  dem  Grabe 
'  eines  Rossarztes  Eutychos  und  seiner  Frau  und  Kinder  stand, 
ond  die  uns  unverständlichen  Geräthe,  welche  der  Mann  in 
den  Händen  hat,  scheinen  sich  auf  sein  Amt  zu  beziehn. 
Nach  den  Formen  der  Buchstaben,  nach  Stil  und  Composition 
gehört  das  Werk  späterer  Zeit  an.  Die  Zerlegung  der  Fläche 
in  zwei  Stockwerke  hat  nur  in  römischen  Reliefs  Analogien, 
besonders  aber  ist  die  Anordnung  der  oberen  Figuren,  die 
nur  kalt  figurirend  dastehn  und  auch  durchaus  nicht  mehr 
als  Relieffiguren  componirt  sind,  ein  Zeichen  gesunkener  Kunst. 
In  der  besten  griechischen  Zeit  pflegen  die  Figuren  in  Hand- 
lung gesetzt  zu  werden,  wodurch  sich  dann  auch  inneres 
Leben  offenbart,  auch  hält  man  gewöhnlich  die  Profilstellung 
fest,  die  dem  Relief stil  mehr  entspricht.  Dieser  Grabstein 
dagegen  ist  ganz  so  componirt,  wie  die  Mehrzahl  der  römi- 
schen, welche  die  Gestorbenen  en  face  und  bloss  figurirend 
darzustellen  pflegen. 

Abg.  'EipTjfi,  d(}xccio?,.  1841  n.  GÜ2.  \'^\.  PervanogUi  p.  23  u.  17. 
Die  In.sehnft  lautet:  Evzvxog  KaiaaQoq  iTtniaxQoq  ''Poöco  Meve- 
xQaxidoq  MiX^aUx.  hccvrai  xal  xolq  rixvoiq. 

381.  Relief  eines  Reiters***,  inGegenwart  vonPiusIX. 
in  Pompeji  ausgegraben,  der  es  zum  Geschenk  erhielt  und 
im  museo  Gregoriano  des  Vatikans  aufstellte. 


*   Im  Treppenhaus  n.  88. 
•♦  Ebenda.s.  n.  184. 
•*♦  Ebendas.  n.  173. 


208  Reliefs. 

Das  Relief,  welches  einen  Reiter  darstellt,  der  mit  höchst 
eigenthümlicher  Peitsche  sein  Pferd  antreibt,  wurde  Anfangs 
auf  Alexander  mit  seinem  Bucephalus,  später  aber  gewiss 
richtig  für  ein  griechisches  Gräbrelief  erklärt,  wie  es  deren 
ja  so  viele  tibereinstimmende  giebt,  vgl.  n.  358.  Nur  fragt 
sich,  ob  das  Relief,  das  seiner  ganzen  Composition  nach 
durchaus  griechisch  ist,  von  Griechenland  nach  Pompeji  trans- 
portirt  oder  ob  es  nicht  eine  nach  einem  griechischen  Vor- 
bild ausgeführte  Copie  ist,  welche  letztere  Annahme  uns  die 
wahrscheinlichere  scheint.  Es  war  in  Pompeji  vermuthlich 
auch  für  ein  Grab  bestimmt. 

Abg.  Avelliiio,  dilncidaz.  di  uii  antico  bassorilievo  1850  und  Giii- 
(lobaldi  Alessaiidro  e  Bucefalo  1851.     Vgl.  Bnmn  im  bull.  1851  p.  59. 

382.  Griechisches  Grabrelief*,  in  Athen  befindlich. 
In  flachem  Relief  ist  eine  Vase  dargestellt,  von  welcher 

nur  der  Hals  mit  den  Henkeln  erhalten.  Darüber  im  Gie- 
bel eine  Sirene  mit  einem  dreieckigen  Saiteninstrument,  dem 
Trigonon,  in  der  Hand.  Das  Ganze  ist  nur  angedeutet  und 
wurde  ohne  Zweifel  durch  Malerei  genauer  ausgeführt. 

Aus  mehreren  Orten  Griechenlands,  auch  aus  Lycien, 
sind  uns  die  Sirenen  als  Schmuck  von  Grabsteinen  bekannt. 
Zahlreiche  literarisch  erhaltene  Epigramme,  auch  ihre  Ge- 
berdeu  auf  den  erhaltenen  Monumenten  lassen  nicht  bezwei- 
feln, dass  sie  als  „Musen  der  Todtenklage",  wie  man  tref- 
fend bemerkt  hat,  als  Sängerinnen  der  Trauer  um  den  Ver- 
storbenen aufzufassen  sind. 

AbfjT.  bei  Stackelberg^  Gräber  der  Hellenen,  Titelkupfer.  C'ouze  im 
Piniol.  XVII.  1861  Tai'.  1,  1  p.  550.  Vgl.  Pervanogln  p  80  n  3.  Die 
von  Miciiaelis  Arch.  Ztg.  1866  p.  140  Anm.  4  angegebene  Redeutung 
der  Sirene  als  „Symbol  des  süss  vorlockenden,  zu  sieh  heranlockenden 
Todes"  ist  wenigstens  auf  den  attischen  Ombstehien,  auf  denen  die  Si- 
rene selbst  klagend  vorgestellt  wird,  nicht  mehr  gefühlt. 

383.  Griechischer  Grabstein**,  in  Athen  befindlich. 
Dieser  Grabstein   ist   dem    vorigen   in   der   Darstellung 

und  in  dem  fragmentirten  Zustande  ähnlich,  indem  auch  nur 
die  reichverzierten  Henkel  der  Vase  erhalten  sind.  Die  Si- 
rene ist  klagend  vorgestellt,  mit  der  einen  Hand  ihr  Haar 
raufend,   mit   der   anderen   ihre   Brust   schlagend.     An    den 

♦  Im    Treppenhaus    n.    167.     Ein    Duplikat    im    Griechischeu  Saal 

n.  280. 

**  Ebendas.  u.  89  a.     Duplikat  im  Griechischen  Saal  ii.  279. 


Reliefs.  209 

Ecken  des  Giebels  sind  Sphinxe  angebracht,  vermuthlich 
nicht  ohne  symbolischen  Sinn,  um  nämlich  die  hinraffende 
Macht  des  Todes  zu  bezeichnen.  Die  Inschrift  nennt  einen 
EalliaSy  des  Philetaerus  Sohn. 

Abg.  Coiize  PhUol.  XVU.  1861  Taf.  1,  2  p.  550.  Le  Bas  pl.  78. 
Vgl  Pervanoglu  n.  80  n.  6.  0.  Jalin  Arch.  Beitr.  p.  117  ff.  Die  In- 
schrift lautet:  KaXXlag  ^ilsralQov  ^aXriQSvq. 

384.  Grabrelief*,  aus  Astro  (Thyrea),  jetzt  in  Athen. 
Dass  dies  Relief  zum  Schmuck  eines  Grabes  bestinmit 

war,  zeigt  die  auf  dem  Pfeiler   stehende  Vase,   von  deren 
Bedeutung  schon  oben  (n.   361)  die  Rede  gewesen  ist.    Auch 
die  ganze  Composition   entspricht   den  Grabsteinen   späterer 
Zeit.    Der  Todte,  in  dessen  Gesicht  Porträtähnlichkeit  beab- 
sichtigt  zu  sein   scheint,   präsentirt   sich   von   vorn   und   in 
ruhiger   Haltung,    woraus    wir   schliessen   dürfen,    dass    der 
Zweck    des    Künstlers    nicht    die    Darstellung    irgend    einer 
Handlung,   sondern   eben   nur   dieser   war,   die    Gestalt   des 
Todten  wiederzugeben.    Er  füttert  mit  der  einen  Hand  eine 
Schlange,  die  Hüterin  seines  Grabes"  (vgl.  n.  387),   mit  der 
anderen  hält  er  sein  Ross.    An  dem  Baum  hängen  wie  an 
einem  Siegeszeichen  seine  Waffen,  und  sein  Sklav  trägt  noch 
den  Helm  herzu   um  ihn  auch  aufzuhängen.     Wie  man  den 
Kriegern  ihre  Waffen  ins  Grab  mitgab,  so  sind  sie  auch  auf 
ihren    Grabsteinen    sehr    häufig   als    Stolz    und   Freude    des 
Todten   dargestellt.     Der  Palmzwcig  in   der  Hand  des  Kna- 
ben, das  Symbol  eines  Sieges,  dient  auch  nur  zur  Verherr- 
üchung  des  gestorbenen  Jünglings. 

Abg.  Expedit,  scientif.  de  Moree  III  pl.  97.  Bötticher  Baumciütus 
fig.  63  (mit  einer  ganz  abweichenden,  aber  wie  mir  selieint,  nieht  ans 
den  Moiiumenteu  geschöpften  Erlilärnn^,  ih'nn  wie  die  (irabsteine,  ant* 
denen  die  Sehlange  mit  und  ohne  Baum  vorkommt,  zeigen,  i^t  der 
Baum  materiell  unwesentlich,  nur  aus  formellen  Gründen  hinzufrelugt.) 
Stephani  Ausndi.  Herakl.  p.  78  Anm.  3  wird  seine  Gründe,  die  ihn 
Veranlassten,  diese  und  ähnliche  Monumente  für  Anatheme  zu  erklären, 
whwerlich  noch  jetzt  für  richtig  halten.  Gerhard  Annali  I,  139  u.  Per- 
vanoglu  p.  29  n.  6  fassen  das  Relief  als  sepulcral.     Vgl.  Ann.  I,  134. 

385 — 389.     Grabsteine   mit   der  Darstellung    des 

Todtenmahls. 

385.  Griechisches  Grabrelief**,  1838  im  Piraeus 
gffunden,  jetzt  in  Athen  befindlich.  Es  ist  unter  dem  Na- 
men der  Tod  des  Sokrates  bekannt. 


•  Im  Cabnet  des  Laokoon  n.  5. 
••  FJMMidas.  n.  (J. 

Friedtfricbs,  griech.  IMastik.  14 


210  Reliefs. 

Dieses  Grabrelief,  das  jedenfalls  wie  es  an  vielen  ähn- 
lichen noch  deutlich  erkennbar  ist,  über  einer  höheren  Basis 
aufgerichtet  war  und  mit  ihr  zusammen  den  Grabstein  bildete, 
ist  das  schönste  Exemplar  einer  an  Zahl  reichen  aber  an 
Kunst  im  Ganzen  armen  Classe  von  Grabmälern.  lieber  die 
Erklärung  derselben  ist  man  noch  nicht  einig,  sie  ist  in  der 
That  auch  nicht  leicht.  Viele  glauben,  dass  auf  diesen  Stei- 
nen das  Familienmahl  als  Zeichen  eines  heiteren  Lebensge- 
nusses dargestellt  sei  und  allerdings  scheint  diese  Erklärung 
für  andere  Exemplare  auf  den  ersten  Blick  passend  zu  sein, 
aber  für  das  vorliegende  schon  deswegen  nicht,  weil  gar 
kein  Tisch  da  ist,  was  bei  einem  so  sorgfältig  gearbeiteten 
Relief  um  so  weniger  für  zufällig  gehalten  werden  kann,  als 
es  auch  auf  anderen  sich  findet.  Die  folgenden  Reliefs 
werden  dieser  Erklärung  noch  gewichtigere  Bedenken  ent- 
gegenstellen, hier  genüge  nur  darauf  hinzuweisen,  dass  nicht 
wohl  einzusehn,  wie  eine  edlere  Denkungsart  auf  den  Gedan- 
ken kommen  konnte,  den  Grabstein  mit  dem  Bilde  einer 
Mahlzeit  zu  schmücken. 

Wir  halten  daher  eine  andere  Meinung  für  richtig,  nach 
welcher  nicht  eine  Speisung  des  Lebenden,  sondern  des 
Todten  oder  mit  anderen  Worten  ein  dem  Todten  darge- 
brachtes Opfer,  in  dessen  reicherer  oder  kärglicherer  Dar- 
stellung der  Künstler  freie  Hand  hatte,  dargestellt  ist.  In 
unserem  Bilde  ist  die  auf  den  Verstorbenen  zu  beziehende 
Figur  unverkennbar,  es  ist  der  liegende  Mann,  der  seine 
Schaale  ausstreckt  um  die  Weinspende  des  Opfers  zu  erhal- 
ten, die  der  nackte  Diener  zur  Linken,  welcher  mit  einer 
Schöpfkanne  neben  einem  Mischkrug  steht,  ihm  bringen  wird. 
Dass  der  Verstorbene  liegend  dargestellt  ist,  entspricht  aller- 
dings der  Sitte  des  Lebens,  liegend  zu  essen  und  zu  trinken, 
aber  das  Opfer  wurde  ja  auch  als  ein  sinnlicher  Gennss  ge- 
dacht oder  musste  wenigstens  in  denselben  Formen  der 
Darstellung  anschaulich  gemacht  werden. 

Um  den  Todten-  gruppiren  sich  nun  in  geringerer  oder 
grösserer  Zahl  Glieder  seiner  Familie,  wie  wir  dies  ebenso 
auf  anderen  Classen  der  Grabdenkmäler  fanden.  Unter  ihnen 
fehlt  selten  die  Gattin,  die  gewöhnlich  auch  durch  ihre  de^pi 
Mann  proportionale  Grösse  vor  den  Uebrigen  ausgezeichnet 
wird.  Nur  darf  man  daraus  nicht  schliessen,  dass  der  Grab- 
stein dem  Mann  und  der  Frau  gesetzt  sei,  denn  auf  keinem 
derselben  findet  sich,  soviel  ich  weiss,  eine  Andeutung,  dass 


Reliefs.  211 

4lie  dargebrachten  Gaben  .auch  ihr  bestimmt  seien ^  auf  meh- 
reren derselben  aber  ist  sie,  wir  wir  sehn  werden,  in  einer 
Thätigkeit  dargestellt,  welche  diesen  Gedanken  geradezu  aus- 
schliesst.  Die  Frau  ist  daher  nur  als  die  dem  Mann  Nächste 
in  eine  engere  Verbindung  mit  ihm  gesetzt,  während  die 
Uebrigen  als  Nebenpersonen  in  kleineren  Proportionen  dar- 
gestellt sind.  Die  zur  Rechten  in  ernster  feierlicher  Haltung 
stehende  Figur  ist  eine  solche  Nebenperson,  deren  Haltung 
gerade  dadurch  veranlasst  scheint,  dass  der  Verstorbene  als 
ein  göttlicher  Ehren  theilhaftiger  Heros  gedacht  wird.  Der 
Hund  unter  dem  Lager  ist  ebenso  wie  die  Thiere  auf  den 
oben  besprochenen  Grabreliefs  als  das  Lieblingsthier  des 
Verstorbenen  zu  denken. 

Nach  dieser  Auffassung  ist  die  Pointe  der  Darstellung 
fast  dieselbe  wie  auf  den  anderen  Grabsteinen,  es  soll  die 
Pietät  dargestellt  werden,  welche  die  Ueberlebenden  dem 
Verstorbenen  zollen. 

Wir  bemerkten  schon,  dass  dieses  Relief  das  schönste 
der  ganzen  Classe  sei,  es  ist  in  der  flachen  Weise  der  besten 
Zeit  gehalten  und  zeigt  in  Gewändern  und  Nacktem  einen 
edlen  Geschmack,  so  dass  es  noch  dem  vierten  Jahrhundert 
angehören  könnte. 

386.  Fragment  eines  Grabreliefs*,  im  Piraeus 
gefunden. 

Man  erkennt  den  Hals  einer  in  flachem  Relief  angege- 
benen Vase  und  wenigstens  zur  Rechten  den  Contour  des 
Henkels,  durch  Malerei  war  das  Einzelne  unzweifelhaft  deut- 
licher bezeichnet.  Zur  Linken  ist  der  Verstorbene,  Gelon, 
dargestellt,  liegend  und  eine  Schaale  ausstreckend,  zur  Rech- 
ten ein  trauernder  Verwandter,  Kallistratos.  Es  ist  klar, 
dass  hier  weder  ein  Familienmahl  noch  überhaupt  eine  Mahl- 
zeit dargestellt  sein  kann,  sondern  es  ist  eben  wieder  der 
heroisirte  Verstorbene  in  derselben  Haltung  wie  oben,  und 
wie.  wir  ihn  unzählige  Male  auf  Grabdenkmälern  der  Etrus- 
ker  und  Römer  sehn,  welche  eben  diese  Form  von  den  Grie- 
chen entlehnt  haben. 

Das  Relief  gehört  noch  guter  Zeit  an,  sowohl  nach  den 
Formen  der  Inschrift  als  nach  dem  Stil. 

387**.  Auf  diesem  Grabstein  ist  ebenfalls  der  Verstor- 


*  Im  (iricchischen  Saal  ii.  283. 
*•  Ebciulas.  11.  2H3. 

14* 


212.  Reliefb. 

bene  zu  Tische  liegend  vorgestellt,  links  steht  eine  a'dorirende 
Figur.     Die  weiteren  Details  finden  ihre  Erklärung  beL 

388  und  389,  .beide  im  Piraeus  gefunden*. 

Auf  diesen  Steinen  ist  die  Scene  reicher  entwickelt,  in- 
dem eine  Schaar  von  Andächtigen  mit  dem  Gestus  der  Ado- 
ration,  wahrscheinlich  die  Familienmitglieder,  dem  Verstor- 
benen wie  einem  Gott  naht.  Hier  ist  keine  andere  Deutung 
möglich,  die  Anbetenden,  das  Opferschwein  und  der  Altar 
zeigen  deutlich,  dass  es  sich  um  ein  dem  Todten  darzubrin- 
gendes Opfer  handelt.  Ausser  dem  blutigen  Thieropfer  sind 
ihm  auch  Früchte  und  Kuchen  auf  einem  Tische  vorgesetzt 
und  dass  dem  Trinkhorn,  aus  welchem  er  seine  Schaale  füllt 
(es  ist  die  Art  der  Trinkhörner  vorausgesetzt,  deren  Spitze 
durchbohrt  war),  der  Wein  nicht  ausgehe,  dafür  borgt  der 
am  Kopfende  des  Lagers  neben  einem  Krug  stehende  Knabe» 
Auch  die  Gattin  betheiligt  sich  am  Opfer,  denn  man  sieht 
hier  und  auf  gleichartigen  Denkmälern  deutlich,  dass  sie  ndt 
der  Rechten  etwas  auf  ein  kleines  kelchartiges  Gefäss  legt, 
das  wohl  nur  zum  Verbrennen  des  zum  Opfer  erforderlichen 
Weihrauchs  dienen  konnte.  Ihre  Geberde  ist  die,  als  legte 
sie  ein  Weihrauchkorn  darauf,  das  Kästchen  in  ihrer  Linken 
wird  demnach  für  eine  Weihrauchbüchse  zu  halten  sein. 

Noch  bleiben  zu  erklären  übrig  die  Schlange  und  der 
über  den  Adorirenden  sichtbare  Pferdekopf.  Die  erstere  ist 
eins  der  gewöhnlichsten  an  den  Gräbern  angebrachten  Sym- 
bole, sie  ist  die  Schützerin  des  Grabes  und  des  Todten  und. 
wird  manchmal  allein  ohne  weiteren  bildlichen  Zusatz  dar- 
gestellt, manchmal  wie  hier  in  die  Darstellung  aufgenommen 
als  eine  schützende  Freundin  des  Todten,  aus  dessen  Schaale 
sie  trinkt,  von  dessen  Tisch  sie  isst.  Der  Pferdekopf  ist 
aber  nur  eine  Abkürzung  des  ganzen  Pferdes,  das  wir  auf 
feineren  Exemplaren  neben  dem  Verstorbenen  als  sein  Lieb- 
lingsthier  —  denn  di^s  ist  wohl  richtiger  als  dass  es  nur 
seinen  ritterlichen  Stand  bezeichne  —  dargestellt  sehn. 

Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  der  Verstorbene  auf 
manchen  Exemplaren  und  so  auch  hier,  einen  Modius  auf  dem 
Kopf  trägt.  Es  ist  das  Attribut  des  Gottes  der  Unterwelt, 
und  mit  Recht  ist  bemerkt,  dass  der  Todte  dadurch  als  eine 
Gottheit  der  Unterwelt  dargestellt  werde. 

Die  Arbeit   dieser   Reliefs    ist    zwar   unbedeutend    und 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  290.  295. 


Reliefs.  213 

fiflchtig,  aber  man  muss  sich  doch  hüten  ^  daraus  sofort  anf 
späte  Entstehung  zu  schliessen.  Auch  in  guter  Zeit  der 
Kunst  ist,  wie  manche  durch  ihre  Inschriften  datirbare  Werke 
zeigen,  roh  und  flüchtig  gearbeitet,  denn  es  musste  ja  auch 
Arbeiter  geben,  die  für  das  Bedürfniss  ärmerer  Leute  sorgten*. 

Das  erste  Relief,  der  Tod  des  Sokratos,  ist  uugeuügend  abg.  iu 
der  *E^fjfi.  1840  ii.  269  und  bei  Holländer  de  {inaglypliis  sepuleralibiis 
<iraecis  quae  coenam  repraesentare  dieuntur,  Berlin  1865  n.  A.  \g\, 
Siephani  Ausruh.  Herkules  p.  81  n.  19.  Welcker  A.  D.  U,  243  n.  9^ 
Per^'anoglu  p.  39,  n.  7.  Holländer  p.  15  (der  den  Stil  desselben  richtig 
würdigt).  Das  zweite  ist  abg.  in  der  'E(pij/Ji.  n.  305,  Holländer  n.  B. 
Vgl.  Pervanoglu  p.  44  n.  42.  Holländer  p.  16.  Das  folgende  ist  das  im 
Theseion  befindliche,  bei  Pervanoglu  p.  38,  n.  2  aufgeführte,  über  die 
letzten  beiden  vgl.  deus.  p.  40  n.  15  u.  16  und  das  dort  Citirte. 

Wie  der  Text  zeigt,  schliesse  ich  mich  in  der  Erklärung  dieser 
.«H'hwierigen  Denkmäler  im  Wesentlichen  dem  von  meinem  Schüler 
Dr.  Holländer  Entwickelten  an,  bei  welchem  auch  die  reiche  Literatur 
verzeichnet  ist,  bis  auf  Petersen  Ann.  1860  ]).  378,  der  in  der  Erklänmg 
Ajf  p.  43  besprochenen  Inschrift  mit  Holländer  übereinstimmt.  Die 
Inschrift  auf  dem  bei  Holländer  n.  C  publicirten  Berliner  Relief  ist  mir 
noch  unverständlich,  um  so  mehr,  als  es  ein  zweites  übereinstimmendes 
Relief  mit  derselben  Inschrift  giebt.  Wieseler,  Philologus  XII,  1857 
p  865.  Anf  die  Thätigkeit  der  Frau  in  den  zuletzt  erwähnten  Reliefs 
hin  ich  durch  Bötticher's  Nachtrag  zum  Catalog  des  Neuen  Museums  p.  31 
aufmerksam  gewoixlen  und  habe  sie  danach  auf  vi(?len  andern  Exempla- 
ren wi»*dererkannt.  Ich  glaube  deswegen,  dass  diese  Monumente  ihrem 
ursprunglichen  Gedanken  nach  nur  für  Gräber  von  Männern  bestimmt 
wan»n,  wenngleich  sie  in  s])äterer  Zeit,  wie  die  Inschriften  zeigen,  auch 
für  Gräber  von  Frauen  benutzt  wurden. 


b)  Votivrelijefs. 

Das  sicherste  Erkennungszeichen  eines  Votivreliefs  ist 
in  Ermangelung  einer  Inschrift  der  Grössenunterschied  zwi- 
schen Göttern  und  Menschen.  In  den  andern  Kunstwerken  stehn 
Götter  und  Menschen  als  gleichartige  Wesen  neben  einander, 
auf  den  Votivreliefs   ist  schon   äusserlich    durch   die  Grösse 


*  Die  andern  gleichartigen  meist  fragmentu'ten  Darstellungen,  die 
im  Griech.  Saal  unter  n.  291.  292.  294.  296.  297.  veraeichnet  sind, 
wprdenr  nach  diesen  Ausführungen  keiner  weitern  Erklärung  bedürfen. 
Auch  die  unter  n.  63.  64.  309  vorhandenen  Grabreliefs  sind  theils  zu 
zerstört,  theils  zu  unbedeutend,  als  dass  wir  sie  besonders  aufgeführt 
hätten.  An  n.  64  (Pervanoglu  p.  56  n.  9)  ist  allenfalls  dies  hervorzu- 
heben, dass  zwei  sitzende  Figuren  sich  die  Hand  reichen,  also  an  ein 
.Xbschiednehmen  nicht  zu  denken  ist. 


214  Relief». 

ein  schroffer  Gegensatz  ausgesprochen.  Dies  erklärt  sich  ans 
dem  Zweck  der  Denkmäler,  die  Votivreliefs  sind  Dankge- 
schenke, den  Göttern  für  empfangene  Wohlthaten  darge- 
bracht, und  der  Weihende,  indem  er  sich  der  Gottheit 
gegenüber  in  verschwindender  Kleinheit  darstellen  liess,. 
wollte  damit  seiner  religiösen  Empfindung,  seiner  Ehrfnrcht 
gegen  die  Götter,  Ausdruck  geben.  Auch  in  der  älteren 
Zeit  der  modernen  Malerei  sieht  man  die  Donatoren  oft  auf- 
fallend klein  abgebildet,  was  vielleicht  denselben  Grund  hat.. 
Die  Erklärung  dieser  Eeliefs  hat  mit  grossen  Schwierig- 
keiten zu  kämpfen.  Sie  beziehn.sich  zum  grossen  Theil  auf 
Lokalkulte,  über  die  wir  nur  mangelhaft  unterrichtet  sind» 
Von  einer  grossen  Anzahl  derselben  kann  daher  keine  ge- 
nügende Auskunft  gegeben  werden.  Die  künstlerische  Aus- 
führung ist  in  der  Regel  gering,  nur  untergeordnete  Künstler 
konnten  dem  allgemeinen  Bedürfniss  nach  Weihgeschenken 
dienen.  Aber  wie  auf  den  Grabsteinen,  so  finden  wir  auch 
hier  wenngleich  in  skizzenhafter  Ausführung  doch  nicht  sel- 
ten die  Erfindungen  grosser  Künstler.  Die  Zeitbestimfiiung 
ist  gewöhnlich  schwierig,  ja  unmöglich,  denn  die  Flüchtigkeit^ 
ja  Rohheit  der  Ausführung  berechtigt  wie  schon  bemerkt 
wurde,  nicht  zur  Annahme  später  Entstehung. 

390.  Votivrelief  an  die  Göttermutter*,  in  Athen» 
Die  Figur  in  den  Nischen  ist  beide  Male  die  Götter- 
mutter, kenntlich  an  dem  Tambourin,  das  in  rauschenden 
Culten,  wie  in  dem  ihrigen  und  dem  des  Bacchus  eine  grosse 
Rolle  spielte,  und  an  dem  Löwen,  der  an  der  einen  neben 
ihrem  Sitz,  an  der  anderen  auf  ihrem  Schooss  sich  befindet* 
Letzterer  ist  zwar  in  diesem  flüchtig  gearbeiteten  Exemplar 
sehr  undeutlich,  vergleicht  man  aber  mehrere  und  besser  ge- 
arbeitete Copien,  wozu  das  Griechische  Cabinet  des  hiesigen 
Museums  Gelegenheit  giebt,  so  erkennt  man  auch  hier,  was 
gemeint  ist.  Solche  Bilder  der  Göttermutter  in  einem  Tem- 
pelchen thronend  sind  namentlich  aus  Attika  zahlreich  erhal- 
ten, sie  entsprechen  in  der  allgemeinen  Anlage  der  Statue, 
die  Phidias  für  das  Heiligthum  der  Göttermutter,  für  das 
Metroon  arbeitete,  von  welcher  wir  wissen,  dass  sie  sitzend,  mit 
einem  Tambourin  in  der  Hand  und  mit  einem  LöWen  am 
Sessel  vorgestellt  war.  Dass  sie  der  Göttin  als  Weihgeschenke 
dargebracht  wurden,   geht   aus   den  Inschriften  einiger   der- 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  297  a. 


Reliefs.  215 

selben  hervor.  Exceptionell  ist  an  diesem  Exemplar,  dass 
darin  unter  einem  Giebel  zweimal  dieselbe  Göttin  mit  nur 
leiser  Veränderung  dargestellt  ist.  Wir  wissen  keinen  Grund 
dafür  anzugeben. 

An  jeder  Seite  jedes  Kopfes  ist  ein  Bohrloch  angebracht, 
vermuthlich  zur  Anfiigung  von  Metallschmuck  oder  auch  zur 
Befestigung  des  Werkes  selbst,  etwa  an  einer  Wand. 

Abg.  und  ausfuhrlich  besprochen  von  Slephani,  Ausruh.  Herakles, 
Taf.  7,  p.  68  n.  12,  auch  bei  Le  Bas  monum.  flg.  pl.  44.  Der  Text 
iässt  erkennen,  wie  weit  ich  mit  Stcphani  übereinstimme.  Ein  Exemplar 
aus  Kleiiiiisien  bei  Stark  Niobe  Taf.  4a,  eins  mit  der  Dedikationsinschrift 
bei  Defilier  und  Mordtmann  Epigrapliik  von  Bycantiou  und  Constanti- 
uopel,  Taf.  6,  28,  ein  anderes  im  hiesigen  Museum  n.  437. 

391.  Votivrelief*,  aus  dem  Museo  Borgia  in  das 
Museum  zu  Neapel  übergegangen. 

Auf  den  Stufen  eines  Tempels  oder  wohl  richtiger  eines 
Palastes^  der  durch  eine  Säule  bezeichnet  ist,  sitzt  Herakles; 
vor  ihm  steht  Hebe,  eine  feine  jungfräuliche  und  acht  attische  Ge- 
stalt, bereit  ihm  in  seinen  vorgestreckten  Becher  einzuschen- 
ken. Es  ist  offenbar,  dass  Herakles  sich  im  Olymp,  an  .den 
Stufen  des  olympischen  Palastes  befindet. 

Die  Einrahmung  der  Platte  fehlt  auf  beiden  Seiten,  aber 
hinter  Herakles  konnte  wohl  nichts  mehr  folgen,  dagegen 
könnte  hinter  Hebe  nach  anderen  Analogien  noch  die  Figur 
des  Weihenden  vorhanden  gewesen  sein. 

Die  Inschrift  unter  der  Platte  giebt  nur  einen  Namen, 
vermuthlich  den  des  Weihenden,  die  auf  der  Platte  selbst 
zwischen  den  Figuren  eingekratzten  Züge,  welche  offenbar 
später  sind,  lassen  das  Wort  xakog  erkennen,  dem  jedenfalls 
ein  Name  voranging.  Die  Sitte,  den  Namen  einer  geliebten 
Person  überall  einzukratzen,  war  den  Griechen  natürlich  eben 
so  bekannt,  wie  uns,  aber  charakteristisch  ist,  dass  sie  das 
Wort  xaXog  hinzufügten,  während  wir  uns  mit  dem  blossen 
Namen  begnügen. 

Aus  der  Inschrift  geht  hervor,  dass  das  Relief  noch  vor 
dem  Schluss  des  fünften  Jahrhunderts  verfertigt  ist.  Es  ist  nicht 
sehr  sorgfältig  ausgeführt,  aber  von  acht  attischem  Charakter**. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  315. 

**  Zu  einer  ähnüchen  Darstellung  hat  vielleicht  das  in  demselben  Saal 

befindliche  unter  n.  305   verzeichnete  Fragment    gehört,    auf   welchem 

auch  Herakles,   an  Köcher  und  Löwenfell  kenntlich,   dargestellt  ist  und 

ebenfalls   vor   einer  Säule  sitzt.     Das  Fragment  befindet  sich  in  Athen» 


216  Reliefs. 

Die  beste  x\bbildung  bei  Kekule  Hebe,  Taf.  4,  1,  wo  auch  die  Li- 
teratur über  die  Darstellunjj  und  Inschrift  angeg-eben  ist.  • 

392.  Votivrelief*,  in  einer  Grotte  am  Berge  Pames 
gefunden,  und  in  Athen,  im  Theseion,  befindlich. 

Wie  die  Inschrift  lehrt,  ist  das  Relief  ein  Weihgeschenk 
eines  gewissen  Telephanes  an  Pan  und  die  Nymphen,  die  an 
dem  Fundort,  wie  wir  wissen,  verehrt  wurden.  Verwandt 
als  Bewohner  der  ländlichen  Fluren  und  als  Förderer  und 
Mehrer  ihres  Reichthums  wurden  diese  Gottheiten  mannig- 
fach gemeinsam  verehrt  und  auch  von  den  Dichtem  mit  ein- 
ander zu  oft  neckischen  und  schelmischen  Scenen  verbunden. 
Hier  sehn  wir  drei  Nymphen  —  die  Dreizahl  ist  sehr  beliebt, 
vermuthlich  nach  Analogie  der  Hören  und  Grazien  —  mit  in 
einander  gelegten  Händen  Reigen  tanzend  und  Pan,  der 
rechts  in  der  Höhe  sitzt,  spielt  die  Syrinx  dazu.  Der  Jugend^ 
liehe  Mann,  der  ihren  Reigen  führt,  wird  mit  Wahrschein- 
lichkeit für  Hermes  erklärt,  den  auch  die  Dichter  am  Tanz 
mit  den  Nymphen  Theil  nehmen  lassen,  und  dem  gleichfalls 
die  ländlichen  Fluren  am  Herzen  liegen.  Vor  der  ersten 
Nymphe  liegt  ein  Felsblock,  der  kunstlose  Altar  in  diesem 
von  der  Natur  gebildeten  Heiligthum,  die  grosse  Maske  zur 
Linken  soll  die  Mündung  einer  Quelle  andeuten.  Denn  ge- 
wöhnlich zwar  bezeichnen  Thiermasken  den  Ausguss  eines 
Brunnens,  aber  auch  Silensmasken  finden  sich  und  durch 
Stierhörner  charakterisirte  Masken  des  Achelous,  wir  werden 
daher  auch  diese  Maske  als  die  eines  Flussgottes  bezeichnen 
dürfen,  welche  die  Vorstellung  einer  frischen  Quelle  erweckt, 
und  dadurch  den  idyllischen  Charakter  der  Scene  wenn  auch 
nicht  fürs  Auge,  aber  für  die  Phantasie  erhöht.  Pan  ist 
hier  wie  gewöhnlich,  von  sehr  kleiner  Gestalt,  wahrscheinlich 
weil  man  dies  dem  dämon-  ja  koboldartigen  Wesen  des 
Gottes  entsprechend  fand.  Der  Typus,  unter  welchem  er 
hier  dargestellt  ist,  mit  übergeschlagenen  Bocksbeinen  die 
Syrtnx  spielend,  ist  höchst  wahrscheinlich  derselbe,  anter 
dem  er  in  Athen  in  der  Pansgrotte  an  der  Akropolis  ver- 
ehrt wurde.  Er  ist  von  seiner  Heerde  umgeben,  deren 
Thiere  indess  wegen  der  mangelhaften  Ausführung  des  Re- 
liefs nicht  näher  zu  bestimmen  sind. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  300. 


Reliefs.  '  217 

Die  Formen  der  Inschrift  führen  uns  etwa  in  die  Zeit 
Alexanders*. 

Abg.  Aimali  1863  tav.  L.  Vgl.  Michaelis  eb«Mi(las.  p.  313  ff.  Die 
Erklärung  des  Nympheiiführers  als  Hermes  wird  durch  das  von  Newton 
im  ArchaeoL  Anz.  1854  p.  512  beschriebene,  ganz  übereinstimmende 
Relief,  auf  welchem  die  betreffende  Figur  einen  Caduceus  führt,  sehr 
empfohlcD.  • 

393.  Attisches  Votivrelief**,  1835  in  Athen  vor  den 
Propyläen  gefanden  und  in  Athen  befindlich. 

Es  ist  nicht  leicht  zu  sagen,  wer  die  tief  verhüllte 
Figur  sein  mag.  Wir  halten  sie  für  eine  Nymphe  und  zwar 
in  tanzender  Stellung,  *  denn  der  eine  allein  sichtbare  Fuss 
'berührt  nur  mit  der  Spitze  den  Boden  und  dieselbe  Verhül- 
lung und  Anspannung  des  Gewandes,  um  einen  schönen 
Faltenwurf  hervorzubringen,  findet  sich  gerade  an  Tän- 
zerinnen. An  eine  Sterbliche  zu  denken,  verbietet  die  Grösse 
der  Figur  und  die  Analogie  anderer  Reliefs.  Vielleicht  ist 
das  Relief  nur  ein  Fragment  und  es  folgten  noch  andere 
Hymphengestalten,  sodass  wir  wieder  ein  Weihgeschenk  an 
Pan  mH  den  tanzend  dargestellten  Nymphen  vor  uns  hätten. 
Das  Relief  ist  sehr  schön  und  wird  noch  dem  vierten  Jahr- 
hundert angehören. 

Abg.  bei  Scholl  Taf.  5,  12.  Müller- Wieseler  Denkmäler  a.  K.  2, 
43,  545.  Vgl.  Ross  Arch.  Anfs.  I,  97.  Wieseler  erklärt  unter  Bei- 
stimmimg  von  Michaelis  Annali  1863  p.  333  die  weibliche  Figur  für 
Aglauros  mit  Berufung  auf  eine  allerdings  ähnliche  Figur  des  bei  Wie- 
selcr  2,  44,  555  abgebildeten  Reliefs,  die  ich  auch  für  Aglauros  halte. 
Aber  noch  näher  stehn  die  bei  Michaelis  a.  a.  0.  tav.  I  abgebildeten 
Tänzerinnen  der  borghesisclien  Vase  und  eine  in  Gypsabgüssen  vielfach 
verbreitete  schöne  Terrakotta,  und  von  diesen  Analogien  kann  ich  die 
fragliche  Figur  nicht  trennen. 

394.  Yotivrelief***,  auf  Kreta  in]  Gortyna  gefunden, 
im  Loavre  befindlich. 


•  Die  beiden  im  Griech.  Saal  unter  n.  298.  299  befindlichen  Frag- 
mente, die  zu  einem  Ganzen  gehörten,  sind  vielleicht  auch  von  einem 
den  Nymphen  geweihten  Relief  übriggeblieben.  Beule,  der  sie  1853 
auf  der  Akropolis  gefunden  und  in  der  revue  archeol.  18G0  pl.  18  pu- 
Idicirt  hat,  glaubt  freilich,  d(»r  tanzenden  Frauen  seien  ursprünglich  9 
;;ewe»en,  die  er  dann  für  die  Musen  erklärt.  Auch  das  mit  n.  301  be- 
zeichnete Fragment  (Scholl  Arch.  Mitth.  \).  96  n.  83)  ki'innte  zu  einem 
Votivrelief  an  Pan  gehört  haben. 
**  Im  Treppenhaus  n.  175. 
***  Im  Griechischen  Saal  n.  94. 


218  '  Rt'Iiefs. 

Die  kleine  Figur,  die  mit  erhobener  Rechten,  in  der  Ge- 
berde der  Adoration,  dasteht,  ist  der  Donator.  Von  den 
Gottheiten,  an  welche  er  sfch  wendet,  kann  nur  die  sitzende 
Figur  zur  Linken,  die  Scepter  und  Schaale  gehalten  zu  haben 
scheint,  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  für  Zeus  erklärt  wer- 
den, wer  aber  in  der  weiblichen  Figur,  die  wie  eine  Hebe 
mit  dem  Krug  neben  ihm  steht,  und  in  der  jugendlichen 
männlichen  Figur,  die  auch  ein  Scepter  gehalten  zu  haben 
scheint,  gemeint  sein  mag,  muss  unbestimmt  gelassen  werden. 
Dem  Stil  nach  gehört  das  Relief  in  das  vierte  Jahrhunderte 

Abg.  Le  Bas  pl.  124  n.  Monum.  d.  inst.  IV,  22a  mit  der  Erklä- 
rung von  Le  Bas  Aunali  1845  p.  234  ff.,  die  auf  sich  beruhen  mag. 
Sinnreich  erklärt  von  E.  Curtius  Arch.  Ztg.  1852  zu  Tafel  38,  1,  aber 
doch  ohne  genügende  Anhaltspunkte.  Der  Unterschied  der  Grösse  üb- 
rigens zwischen  dem  sitzenden  Gott  und  den  beiden  stehenden  scheint 
mir  aus  der  Composition  zu  folgen  und  nicht  einen  Bedeutungsunterschied 
anzuzeigen,  wie  schon  öfter  in  diesem  Buch  erwähnt  ist.  Die  Figur  ne- 
ben Zeus  wird  Hebe  genannt  von  Kekule  in  seiner  Schrift  über  Hebe 
Lpzg  1867  p.  46.     • 

395.  Votivrelief*,  im  J.  1860  bei  den  französi- 
schen Ausgrabungen  in  Eleusis  gefunden  und  ebei^aselbst 
befindlich. 

In  diesem  Relief  ist  eine  aus  Vasenbildern  sehr  bekannte 
Gruppe  dargestellt,  nämlich  Demeter,  Triptolemus  und  Cora^ 
denn  letztere  dürfen  wir  unbedenklich  für  die  zur  Rechten 
fehlende  Figur  voraussetzen.  Demeter  ist  an  den  matronalen 
Formen  und  herabhängenden  Locken  kenntlich  und  hielt  in 
jeder  Hand  eine  Fackel,  von  denen  Spuren  zurückgeblieben 
sind,  Triptolemus,  eine  leichte  jugendliche  Gestalt,  sitzt  auf 
seinem  von  Schlangen  gezogenen  Wagen  und  hielt  in  der  er- 
hobenen Linken  vielleicht  eine  Schaale,  in  welche  Cora  ihm 
den  Abschiedstrunk  giessen  mochte.  So  könnte  die  Scene 
nach  Analogie  der  Vasenbilder  gedacht  werden,  wenn  nicht 
für  ein  Votivrelief  die  Annahme  richtiger  sein  sollte,  das» 
die  Götter  handlungslos  zusammengestellt  waren. 

Die  Figuren  sind  skizzenhaft  ausgeführt  aber  sehr  schön 
angelegt  und  gewiss  nicht  für  diesen  Zweck  entworfen.  Die 
Demeter  ist  offenbar  von  einem  statuarischen  Typus  der  besten 
Zeit  entnommen  und  ins  Relief  übertragen. 

Abg.  Revue  archeol.  1867  pl.  4  p.  161  von  F.  Lenormant,  der  die 
crhaUene  Figur  übrigens  irrthümlich  als  Cora  bezeichnet. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  312 


^ 


Reliefs.  219 

396 — 401.  Votivreliefs  an  Pallas,  sämmtlich  in  Athen. 

396.  Opferscene*.  Der  Göttin,  welche  hinter  ihrem 
Altar  stehty  mit  der  Linken  den  Schild,  in  der  zerstörten 
Rechten  vermathlich  die  Schaale  haltend,  naht  ein  Zug  von 
Andächtigen^  Nehen  dem  Altar  bemerkt  man  das  Opferthier, 
ein  kleines  Schwein,  und  einen  Knaben,  welcher  eine  Opfer- 
schflssel  zu  halten  scheint.  Die  Göttin  hat  auf  diesem  Relief,  wie 
auf  mehreren  noch  zu  erwähnenden,  ganz  den  Tjrpus  der  von 
Phidias  geschaffenen  Parthenos,  es  würden  daher  diese  Re- 
üefs  einer  neueren  Behauptung  gegenüber,  wonach  die  Par- 
thenos keinen  Cult  gehabt  habe,  als  Beweise  des  Gegentheils 
aufgestellt  werden  können. 

Abg.  Le  Bas  Monum.  Fig.  pl.  46.     Vgl.    Pervanoglu    Arch.    Ztg. 
1860  p.  25  u.  13. 

397.  Fragment  einer  ähnlichen  Darstellung**, 
denn  das  links  vom  Altar  zurückgebliebene  Bein  gehört  nach 
seinen  kleineren  Proportionen  einem  Sterblichen  an,  welcher 
die  Göttin  verehrte. 

Abg.  Le  Bas  pl.  47.     Vgl.  Scholl  Arch.  IVlitth.  p.  61  n.  39.     Per- 
vaiioglu  a.  a.  0.  n.  8. 

398.  Votivrelief  wegen  eines  Sieges***.  Vor  der 
Pallas  wird  ein  bewaffiieter  Mann,  der  als  Sterblicher  in  klei- 
neren Proportionen  gehalten  ist,  von  einer  dritten  Figur,  von 
welcher  nur  der  Arm  erhalten,  und  die  wir  vermuthlich  als 
eine  priesterliche  Person  anzusehn  haben,  bekränzt.  Der 
Mann  hat  in  einem  Wettkampf  gesiegt  und  bringt  nun  in 
diesem  Relief  der  Göttin  den  Dank  für  den  von  ihr  verliehe- 
nen Siegeskranz. 

Abg.    Le    Bas   pl.    38.     Vgl.   Scholl  a.   a.   0.   p.  62  u.  40.  p.  85. 
Pervaiioghi  a.  a.  0.  p.  24  n.  5. 

399.  Aehnliches  Relief****.  Pallas  hält  einen  Kranz 
in  ihren  Händen,  vor  ihr  findet  die  Bekränzung  eines  Mannes 
durch  eine  männliche  und  weibliche  Figur  statt.     Wenn  auch 


*  Im  Griechischen  Saal  ii.  266. 

**  Ebendas.  u.  257.     Duplikat  im  Treppenhaus  n.  174. 
•**  Ebendas.  n.  260. 
•**♦  Ebendas.  n.  268. 


223  Reliefs. 

das  Einzelne  nicht  deutlich  ist^  so  scheint  doch  ein  ähnlicher 
Gedanke  wie  in  dem  vorigen  Relief  zu  Grunde  zu  liegen. 

A.bg.  Le  Bas  pl.  41.  Vgl.  Scholl  a.  a.  0.  p.  62  n.  42  p.  89, 
dessen  Deutung  uns  aber  nicht  ganz  richtig  scheint.  Das  Richtige  bei 
Pervanoglu  a.  a.  0.  p.  24  n.  3. 

400.  Aehnliches  Relief*.  Auch  diese  Darstellung 
scheint  sich  auf  einen  Sieg  im  Wettjcampf  zu  beziehn,  den 
der  kleine  Mann,  der  seine  Rechte  adorirend  erhebt,  von  der 
Göttin  erhalten.  Die  Nike  auf  ihrer  Rechten  hielt  gewiss 
einen  Kranz,  mit  dem  sie  den  Mann  bekränzen  wollte.  Die 
hinter  der  Göttin  stehende  einen  Schild  tragende  Figur 
scheint  ein  zweiter  Adorant  zu  sein  und  nur  um  der  Sjrm- 
metrie  der  Gomposition  willen  diesen  Platz  erhalten  zu  ha- 
ben.    Es  mag  etwa  der  Schildträger  des  Andern  sein. 

Abg.  Arch.  Anz.  1865  zu  p.  89,  wo  Pervanoglu  zu  vergleichen. 

401.  Pallas**,  in  lebhafter  Bewegung,  mit  Schild  und 
Lanze,  vor  ihr  eine  kleine  Figur,  der  Adorirende.  Auffallend 
ist  die  bewegte  Stellung  der  Göttin,  die  sich  auf  solchen  Vo- 
tivreliefs  sonst  schwerlich  findet  und  auch  in  diesem  Zu- 
sammenhang nicht  recht  natürlich  ist.  Uebrigens  bedarf  es 
keiner  Bemerkung,  dass  das  schöne  Motiv  der  kampflustig 
forteilenden  Göttin  nicht  von  dem  Verfertiger  des  Reliefs 
herrührt,  er  hat  es  von  einem  statuarischen  Typus  entlehnt, 
von  dem  uns  noch  eine  Copie  erhalten  ist.  Ueber  der  Dar- 
stellung ein  nicht  mehr  verständlicher  Rest  einer  Inschrift***. 

Vgl.  Scholl  Arch.  Mitth.  p.  61  n.  38,  der  übrigens  geneigt  ist,  die 
Lanze  für  eine  Fackel  zu  halten.  Die  Figur  entspricht  genau  der  von 
Hirzel  Ann.  1864  tav.  A  publicirten  capitolinischeu  Statue,  die  danach 
restaurirt  werden  kann.  Hirzel  meint,  dass  der  linke  Arm  der  Figur 
herabgelassen  war  im  Einklang  mit  dem  auf  eine  myronische  Gruppe 
zurückgeführten  Relief,  aber  die  erhaltene  linke  Schulter,  die  höher 
steht  als  die  rechte,  zeigt  dass  die  Ergänzung  mit  dem  Schild  richtig 
ist,  die  durch  dies  Relief  bestätigt  wird.  Es  ist  eine  in  den  Kampf 
(älende  Pallas.  Dieser  Typus  hat  übrigens  die  grösste  Aehnlichkeit  mit 
der  Pallas  im  westHchen  Giebelfeld  des  Parthenon,  nur  die  Haltung  des 
rechten  Arms  ist  abweichend. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  263. 
♦*  Ebendas.  n.  271. 
***  Ein  paar  auf  Pallas  bezügliche,  stark  verstümmelte  Voti\Teliefs 
sind    ausser   den    genainiten    noch  vorhanden,    im  Griech.   Saal  n.  258 
und  267. 


Reliefs.  221 

402.  Votivrelief  an  Pallas  und  Kekrops*,  in 
Athen  befindlich.  Von  der  adorirenden  Gestalt  ist  nur 
der  rechte  Arm  erhalten.  Hinter  Pallas  ist  eine  Scepter  und 
Schaale  haltende  Figur^  die  von  der  Hüfte  an  in  einen  zu- 
sammengewickelten Schlangenleib  ausläuft.  Mit  Recht  hat 
man  sie  Kekrops  genannt,  der  uns  aus  der  Vasenmalerei  in 
dieser  Gestalt  bekannt  ist  und  ähnlich  wie  die  Giganten  als 
Erdgeborener  in  dieser  Weise  vorgestellt  wurde. 

khg,  Le  Bas  pl.  47.    Vgl.  Conze  im  bull.  1861  p.  36  Arch.  Anz. 
1861  p.  157. 

403.  Attisches  Votivrelief**,  1840  in  Athen  ge- 
funden, ebendaselbst  befindlich. 

Kenntlich  sind  auf  diesem  Bruchstück  sowohl  durch  At- 
tribute als  durch  die  Inschrift  Herakles  und  Athene,  letztere 
Ton  ersterem,  wie  es  scheint,  bekränzt.  Vor  der  ersteren  be- 
findet sich  der  Rest  eines  auf  einem  Sessel  sitzenden  Mannes, 
von  dessen  Inschrift  sich  nur  die  Buchstaben  rj/nog  erhalten, 
die  man  ansprechend  zu  ^Kadr]iLiog  ergänzt  hat.  Es  scheint 
nor  dies  mit  Sicherheit  angenommen  werden  können,  dass  das 
Relief,  von  dem  jedenfalls  —  nach  der  Composition  zu 
scUiessen  —  mehrere  Personen  fehlen,  ein  Weihgeschenk  an 
einen  attischen  Heros  war. 

Das  Werk  ist  flüchtig  gearbeitet,  scheint  aber  nach  der 
Form  der  Buchstaben  noch  dem  vierten  Jahrhundert  an- 
zugehören. 

Abg.  Le  Bas  pl.  37.  Arch.  Ztg.  1845  Taf.  33.  Vgl.  p.  129  ff. 
H  glaube  nur  nicht,  dams  die  auf  Akademos  bezogene  Figur  bloss  als 
ßfzeichiiuug  des  Lokals  anwesend  ist,  dazu  nimmt  sie  einen  zu  hervor- 
ra^reuden  Platz  ein.  Andere  Vermuthungen  bei  Scholl  Archaeologische 
Mitih.  p.  84. 

404.  Yotivrelief  an  Aesculap***,  in  Athen  befindlich. 

Der  auf  den  Schlangenstab  gestützte  Mann  ist  jedenfalls 
Aesculap,  die  Frau  hinter  ihm,  die  etwas  Unbestimmbares  in 
den  Händen  hält,  wird  Hygieia  sein,  zwei  Adorirende  stehn 
vor  ihnen****. 

Abg.  Le  Bas  pl.  51. 


•  Im  Griechischen  Saal  n.  261. 
••  Ebendas.  n.  259. 
•••  Ebendas.  n.  308. 


c^oenuas.  n.  ouö. 

*•••  Auch   das  unter  n.  311   verzeichnete  Fragment  scheint  sich   auf 
A«»cula|»  zu  beziehn. 


222  Reliefs. 

405.  Votivrelief  an  einen  Heros*,  in  Athen. 

Drei  Adoranten  nahen  sich  einem  gewappneten  Manne, 
in  dem  wohl  nicht  ein  Gott,  sondern  nur  ein  Heros  voraus- 
zusetzen ist. 

Abg.  Le  Bas  pl.  49. 

406.  Votivrelief  wegen  eines  siegreichen  Pfer- 
des**, in  Athen. 

Vor  dem  Pferde  bemerkt  man  noch  einen  Flügel  und 
die  Arme  der  Nike,  die  dem  Eenner  den  Siegeskranz 
brachte***. 

Vgl.  Scholl  Arch.  Mitth.  p.  64  n.  49. 


c)  Reliefs  über  öffentlichen  Dekreten. 

Sehr  charakteristisch  für  griechische  Denkweise  ist  die 
Sitte,  öffentliche  Dekrete  mit  einem  den  Inhalt  des  Dekrets 
andeutenden  Relief  zu  verzieren.  Nur  das  Bedürfhiss,  der 
kahlen  Inschrifttafel  einen  künstlerischen  Reiz  zu  verleihen 
hat  das  Bild  hervorgerufen,  denn  es  ist  praktisch  ganz  über- 
flüssig. Aber  gerade  das  ist  hellenische  Anschauung,  von  der 
auch  das  geringste  Geräth  Zeugniss  ablegt,  dass  das  Prakti- 
sche und  Nützliche  sich  nicht  in  seiner  natürlichen  kahlen 
Prosa  präsentirt,  sondern  durch  die  Poesie  der  Kunst  geadelt 
wird.  Es  genüge,  ein  Beispiel  statt  vieler  anzuführen,  näm- 
lich die  Meilensteine  um  Athen  herum,  die  ausser  den  prak- 
tisch nothwendigen  Anweisungen  auch  einen  edlen  und  ernsten 
Spruch  enthielten,  den  sie  dem  Wanderer  auf  seinen  Weg 
mitgaben. 

Die  Erklärung  dieser  Reliefs  ist  sehr  schwierig.  Denn 
einmal  ist  die  zugehörige  Inschrift  nicht  immer  erhalten,  die 
wenigstens  einige  Andeutungen  gewähren  würde,  ausserdem 
aber  waren  die  Künstler,  um  den  abstrakten  Inhalt  des  De- 
krets bildlich  auszudrücken,  genöthigt  zu  Allegorien  ihre  Zu- 
flucht zu  nehmen,  die  vielleicht  schon  ihren  Zeitgenossen  nicht 
gleich  verständlich  waren. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  310. 
**  Ebeudas.  n.  256. 
***  Die  Fragmente  u.  303.  304  (Le  Bas  pl.  37)  sind  unerklärbar,  das 
erste,    auf  welchem  ein  Manu  neben  einem  grossen   Dreifuss   erhalten, 
könnte  sich  auf  einen  choregischen  Sieg  beziehen. 


Reliefs.  223 

407.  Relief  über  einem  Finanzbericht*,  in  Athen 
gefunden  and  ebendaselbst  befindlich. 

Die  Inschrift;  über  welcher  sich  das  Relief  befindet,  ent- 
hält eine  Rechnungsablage  über  die  Verwaltung  des  im  Par- 
thenon aufbewahrten  Staatsschatzes.  Wir  müssen  daher  die 
dargestellte  Handlung,  den  Handschlag,  welchen  die  Pallas 
erhält,  so  auffassen,  dass  dadurch  der  Göttin  die  Versicherung 
treuer  Verwaltung  der  Schätze  ihres  Tempels  gegeben  werden 
soll  Die  Frau  mit  dem  Scepter,  welche  diese  Versicherung 
gieht,  wird  für  eine  Personifikation  der  Stadt  oder  der  Amts- 
fühning  oder  der  guten  Ordnung  gehalten;  es  ist  uns  unmög- 
lich aas  Mangel  an  Anhaltspunkten  uns  für  die  eine  oder  die 
andere  Meinung  zu  entscheiden. 

Das  Relief  gehört,  wie  Stil  und  Inschrift  zeigen,  guter 
Zeit,  nämlich  der  ersten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  an. 

Abg^.  Lc  Bas  pl.  42.  *E(p7jfx.  ctgx^to}..  1888  n.  26  und  boi 
Scholl  Archaeol.  Mittli.  Taf.  3,  6.  Vgl.  p.  59.  n.  34.  p.  74.  Arcli. 
%.  1857  p.  100.  1860  p.  26  n.  11.  Stephani  C^mple-reudu  p.  Paunce 
1861  p.  99  f.  Letzterer  meint,  dass  die  Pallas  der  Eutaxia  für  dit? 
gute  Amtsführung  durch  den  Handschlag  danke,  was  mir  keui  ganz 
|»a8sonder  Gedanke  zu  sein  scheint. 

408.  Relief  über  einem  Bundesvertrag,**  bei 
den  Propyläen  gefunden  und  in  Athen  befindlich. 

Die  Göttin  Pallas  reicht  einem  vor  ihr  stehenden  klei- 
nereu Mann,  der  die  Inschrift  Kios  trägt,  die  Hand.  Darun- 
ter eine  Inschrift,  welche  den  Namen  des  aus  Eleusis  gebür- 
tigen Staatsschreibers  angiebt  und  den  des  Archonten  Kallias, 
der  nach  den  Schriftformen  als  der  Archont  des  Jahres  Ol. 
100,4  anzusehn  ist.  Damit  ist  auch  die  Zeit  des  Reliefs 
bestimmt. 

Nach  Analogie  eines  andern  Reliefs  ist  anzunehmen,  dass 
die  nicht  mehr  erhaltene  Inschrift  einen  Bundesvertrag  zwi- 
schen Athen  und  einer  andern  Stadt  enthielt.  Als  Vertreter 
dei-selben  >vürde  der  kleine  Mann  in  dem  Relief  zu  betrachten 
sein  und  der  Handschlag  bezeichnete  das  Gelübde  der  Treue. 
Mit  der  Inschrift  Kios  ist  vielleicht  die  Stadt  Kios  in  Bitliy- 
nien  bezeichnet. 

Xhp;.  "Eifti^fQlq  1837  n.  24.     Le  Bas  i)l.  35.     Vgl.  Scholl  Aich. 
Mitlh.   |>.   61    n.   37  p.  83  ff.  nnd  Stephani   Compte-rendn  ponr  Tannet; 


•  Im  (jrieehischen  Saal  n,  2G5.     Duplikat   im  Treppenhaus  u.  176. 
♦*  Kbt-ndas.  n.  270. 


224    .  Reliefs. 

1861  p.  85,  der  dat»  Relief  über  dem  Bimdesvertrag  von  Methonae  ver- 
gleicht, das  Scholl  Arch.  Mitth.  p.  54  freilich  anders  verstellt.  Dass 
übrif^eus  nur  Kiog^  nicht  Sxiog  zu  lesen,  wie  0.  Müller  (bei  SchÖll 
p.  83)  wollte,  ist  nach  dem  Gypsabg-uss  deutlich.  Die  Inschrift  ist  aber 
vollständig,  denn  vor  dem  Namen  ist  die  Fläche  glatt.  Rangabe  in  der 
^E(prifjL,  a.  a.  0.  hält  das  Relief  für  die  Bekrönung  einer  Schatzmeister- 
inschrift und  den  Kios  für  den  Schatzmeister,  aber  was  von  der  Insclurift 
erhalten,  stimmt  damit  nicht  überein. 

409.  Relief  über  einem  Ehrendekret*,  in  Athen 
gefanden  und  noch  vorhanden. 

Pallas  legt  einem  neben  ihr  stehenden  Manne  die  Hand 
auf  den  Kopf,  vermuthlich  um  ihn  zu  bekränzen;  das  Frag- 
ment der  Inschrift,  in  welcher  gewiss  von  den  Verdiensten 
die  Rede  war,  wegen  deren  ihm  der  Kranz  zu  Theil  geworden,, 
scheint  ihn  als  Kolophonier  zu  bezeichnen.  Nach  den  Buch- 
stabenformen der  Inschrift  ist  das  Relief  zwischen  Ol.  86,1 
und  94,2,  also  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahi-hunderts 
verfertigt. 

Abg.  Le  Bas  pl.  38.  Vgl.  Scholl  a.  a.  0.  p.  53  n.  29  und  p.  75 
—90.     Pervanoglu  in  der  Arch.  Ztg.  1860  p.  25  n.  15. 

410.  Relief  über  einem  Dekret**,  bei  [den  Propy- 
läen gefunden. 

Pallas  ist  hier  mit  Xike  und  Schlange  ausgestattet,  letz- 
tere ist  übrigens  nach  den  Bedingungen  des  Reliefs  etwas 
anders  angeordnet  als  in  der  Statue  des  Phidias.  Den  vor 
ihr  stehenden  Mann  vermögen  wir  nicht  zu  benennen,  nur  ist 
er  seiner  Grösse  wegen  kein  Sterblicher.  Die  verstümmelte 
Inschrift  bietet  leider  der  Erklärung  keinen  Anhaltspunkt***. 

Abg.  Scholl  Arch.  Mitth.  3,  6  p.  60  n.  36  p.  75.  Auch  bei  Le 
Bas  pl.  39.  Vgl.  Pervanoglu  Arch.  Ztg  1860  p.  24  n.  7.  Welcker 
nimmt  Arch.  Zig  1857  p.  99  das  Ganze  für  ein  Siegesrelief  und  deutet 
die  männliche  Figur  auf  einen  Demos,  der  über  einen  andern  ge- 
gesiegt habe. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  264. 
*♦  Ebeudas.  n.  262. 

*•*  Das  unter  n.  2b4*  verzeichnete  Relief,  auf  welchem  Pallas  einer 
Frau  die  eine  Fackel  zu  halten  scheint,  die  Hand  reicht,  befand  sich 
auch  wohl  über  einem  Dekret,  von  welchem  jedoch  nichts  zurück- 
geblieben ist. 


V.  Die  zweite  Hälfte  der  griechischen  KunstblUthe. 


Die  zweite  Hälfte  der  griechischen  Konstblüthe  ist  in 
fflisenn  Denkmälervorrath  nicht  so  reich  vertreten,  wie  die 
ente,  und  znmal  an  sicher  beglaubigten  Werken  sind  wir 
sehr  arm.  Unter  diesen  aber  sind  die  meisten  nur  Copien, 
Ändere  nur  Werke  untergeordneter  Künstler.  Zwar  besitzen 
wir  auch  von  den  grossen  Meistern  der  ersten  Periode  kein 
einziges  sicher  beglaubigtes  Originalwerk,  allein  die  reichen 
üeberreste  des  Parthenon,  namentlich  der  Giebelgruppen, 
geben  uns  doch  eine  deutliche  Yorstellung  von  den  höchsten 
Leistungen  der  damaligen  Zeit.  Ein  ähnliches,  die  Höhe  der 
Kunst  repräsentirendes  und  nach  allen  Seiten  veranschau- 
lichendes Werk  ist  uns  aus  dieser  Periode  nicht  erhalten, 
doch  sind  theils  die  Copien,  theils  einzelne  Originalwerke  we- 
nigstens ausreichend,  die  Eigenthümlichkeit  derselben  erkennen 
zu  lassen. 

Diese  besteht  vornehmlich  in  der  Darstellung  des  Seelen- 
lebens. Es  geht  eine  weichere  Stimmung  durch  diese  Periode, 
als  nüt  dem  grossartigen  Charakter  der  Zeit  des  Phidias  ver- 
einbar war,  und  die  Kunst  tritt  dem  Menschen  näher.  Die 
griechische  Plastik  hat  in  dieser  Periode  die  höchste  Innig- 
keit erreicht,  deren  sie  fähig  war,  und  andrerseits  auch  der 
legten  Seelenstimmung,  der  Leidenschaft  und  dem  Pathos 
den  ergreifendsten  Ausdruck  gegeben.  Allerdings  ist  wenig- 
stens in  vlen  attischen  Werken,  die  auch  hier  wieder  die 
Hiaptmat::e  des  Erhaltenen  bilden,  der  Zusammenhang  mit 
dem  Ernst   und    der  Strenge   der   früheren  Zeit   noch  nicht 

Fiüderichs,  gnec\L  Plastik.  '15 


226  Zweite  Hälfte  der  griechischen  Kuiistblüthe. 

völlig  gelöst,  Adel  und  Würde  bleiben  noch  immer  nothwen- 
dige  Elemente,  die  dem  Hinabsinken  in  völlig  freie  Natür- 
lichkeit entgegenwirken  und  sich  durch  eine  immer  noch  ein- 
fachere und  strengere  Behandlungsweise  ankündigen,  aber 
überall  ist  doch  eine  mildere  und  weichere  Empfindung  fühl- 
bar und  die  Herbigkeit  der  früheren  Zeit  ist  geschwunden^ 
Hieraus  erklärt  sich  der  unläugbare  grosse  Vorzug  dieser 
Periode  vor  der  früheren,  dass  der  Kopf,  der  eigentliche  Trä- 
ger des  Seelenausdrucks,  erst  jetzt  seine  volle  Schönheit  ent- 
wickelt. Wahrhaft  seelenvolle  Köpfe  waren  erst  jetzt  möglich,, 
und  diese  Behauptung  wird  nicht  auflfallend  erscheinen,  wenn 
man  die  ganze  Entwicklung  der  früheren  Kunst  bedenkt» 
Auf  die  typischen  Gesichter  des  alten  Stils  konnten  wohl  die 
strengen  und  ernsten  Gesichter  der  Zeit  des  Phidias  folgen, 
als  deren  würdigste  Repräsentanten  wir  die  Giustinianische 
Vesta  und  Famesische  Juno  besitzen,  nicht  aber  die  milde 
seelenvolle  Schönheit,  die  wir  an  der  Leokothea  der  Glypto- 
thek in  München  und  andern  Werken  finden  werden.  Die 
geschichtliche  Nothwendigkeit  bedingt  einen  Anschlüss  der 
Köpfe  des  grossartigen  Stils  an  diejenigen  der  alterthttmlichen 
Zeit  und  wir  fanden  sogar  noch  bestinunte  einzelne  EeminiB- 
cenzen  wie  den  lächelnden  Ausdruck,  und  in  den  Kampfscenen 
am  phigalischen  Fries  und  Theseion  noch  ganz  unbetheiligte 
Köpfe. 

Die  Betrachtung  der  culturhistorischen  Verhältnisse,  unter 
denen  diese  beiden  Perioden  erwachsen,  lässt  den  angegebenen 
Unterschied  natürlich  erscheinen.  Eine  glückliche  Zeit,  wie 
es  die  des  Phidias  war,  die  auf  dem  Boden  der  Tradition 
steht  und  in  Sitte  und  Glauben  festhält  am  Erbe  der  Väter, 
wird  nicht  das  Bedürfhiss  fühlen,  die  Vorgänge  des  inn^n 
Lebens,  die  schmerzlichen  Conflicte  des  Gemüths  zu  veran- 
schaulichen; welche  der  innerlich  durchwühlten  Zeit,  ans  wel- 
cher die  Kunst  dieser  Periode  erwachsen,  gerade  nahe  liegen, 
und  wie  in  der  sophokleischen  und  euripideischen  Tragödie 
das  Seelenleben  einen  tieferen  und  eindringlicheren  Aosdrack 
gefunden  hat  als  in  der  äschyleischen,  ebenso  verhält  es  sich 
mit  der  Plastik  nach  und  vor  dem  peloponnesischen  Krieg, 
der  für  die  Kunst,  wie  für  die  ganze  griechische  Cultur  einen 
bedeutsamen  Wendepunkt  bezeichnet 

Wir  theilen  die  hierher  gehörigen  Denkmäler  in  zwei 
Classen,  deren  erste  die  mythologischen  Darstellungen,  die 
andere  die  historischen  nebst  dem  Genre  umfasst 


Mythologische  Darstellungen.  227 


a)  Mythologische  Darstellungen. 

Schon  in  der  Einleitung  zum  vorigen  Abschnitt  ist  be- 
merkt worden,  dass  die  Götterbilder  dieser  Periode  weniger 
religiösen  Gehalt  haben  als  diejenigen  des  fünften  Jahrhun- 
derts. Finden  wir  doch  unter  ihnen  bereits  eine  badende 
Venus  und  einen  mit  einer  Eidechse  spielenden  Apollo,  Sta- 
tuen, die  zwar  schwerlich  für  den  Cultus  bestimmt  waren,  aber 
doch  unter  allen  Umständen  ein  Zeugniss  daftir  sind,  dass 
man  die  Götter  mehr  wie  liebliche  Menschenkinder  und  in 
Motiven  und  Situationen  des  täglichen  Lebens  darzustellen 
anfing.  Aber  nur  anfing,  denn  im  Allgemeinen  ist  der  re* 
ligiöse  Gehalt  noch  nicht  völlig  geschwunden  und  es  giebt 
einzelne  Werke,  wie  Juno  Ludovisi,  bei  denen  sich  zweifeln 
lässt,  ob  das  Göttliche  oder  Menschliche,  die  Würde  oder  die 
Anmnth  stärker  in  ihnen  ausgeprägt  ist.  Das  ist  freilich  ge- 
wiss, dass  der  religiöse  Gehalt  nirgends  mehr  so  rein  und 
nngemischt  und  danun  so  ergreifend  hervortritt,  wie  in  der 
froheren  Zeit,  aber  sogar  in  religiöser  Hinsicht  ist  die  Zu- 
that  milder  Anmuth  nicht  in  allen  Fällen  eine  Einbusse. 
Denn  wenn  es  überhaupt  erlaubt  ist,  zu  den  Eigenschaften 
der  oder  einiger  griechischer  Gottheiten  auch  die  Liebe,  frei- 
lich in  ganz  anderm  Sinn  als  wir  von  der  Liebe  Gottes  reden, 
zu  rechnen,  so  findet  diese  Eigenschaft  unläugbar  erst  jetzt 
ihren  Ausdruck  in  der  Plastik.  In  Vesta  Giustiniani,  in  Hera 
Famese,  in  der  Parthenos  des  Phidias,  auch  in  dem  grossen 
eleusinischen  Relief,  kann  von  einem  Ausdruck  der  liebe 
nicht  gesprochen  werden,  der  in  der  Leukothea  der  Glypto- 
thek unverkennbar  ist. 

411.  Sogenannte  Leucothea*.  Marmorstatue,  früher 
in  Villa  Albani,  durch  Napoleon  nach  Paris  entführt,  und  bei 
der  Zurückgabe  der  geraubten  Schätze  durch  König  Ludwig 
von  Baiem  gekauft,  in  dessen  Glyptothek  sie  sich  jetzt  be- 
findet. Ergänzt  sind  der  rechte  Arm  der  Frau,  die  Finger 
ihrer  linken  Hand  und  beide  Arme  des  Knaben  mit  dem 
Krug,  der  Kopf  des  Kindes  ist  antik,  aber  nicht  zugehörig. 

In  der  Richtung  der  fehlenden  Arme  konnte  der  Er- 


•  Im  Niobidensaal  n.  !04. 

15 


228  Mythologische  Darstellungen. 

gänzer  nicht  irren;  da  sie  durch  das  Nackte  und  durch  das 
Gewand  deutlich  indicirt  ist,  in  der  Geberde  aber,  die  er  der 
rechten  Hand  der  Frau  gegeben,  hat  er  sich  gewiss  geirrt. 
Denn  da. wir  unzweifelhaft  eine  Gruppe  göttlicher  Wesen  vor 
uns  sehen,  so  versteht  man  nicht  das  Hinaufzeigen  des  Fin- 
gers nach  oben.  Man  könnte  denken,  die  Frau  habe  einen 
dem  Knaben  lieben  Gegenstand  emporgehalten,  der  das  Ver- 
langen und  die  Bitte  des  Kindes  veranlasse,  indess  würde  da- 
durch etwas  Spielendes  und  Genreartiges  in  die  Gruppe  hinein- 
kommen, was  der  Hoheit  und  Würde  derselben  widerstrebt. 
Wahrscheinlich  hat  die  Figur  in  der  Rechten  ein  Scepter  ge- 
halten, zu  welcher  Annahme  uns  auch  die  Autorität  einer 
athenischen  Münze,  die  eine  ganz  ähnliche  Gruppe  wieder- 
giebt,  berechtigt. 

Die  Geberde  des  rechten  Arms  des  Knaben  scheint  glück- 
lich getroffen,  es  ist  ein  Ausdruck  kindlicher  Zuneigung,  dem 
der  sanft  geneigte  Kopf  der  Frau  gleichsam  antwortet.  Da- 
gegen ist  schwer  zu  sagen,  wie  die  linke  Hand  des  Knaben 
und  der  Frau  ursprünglich  angeordnet  waren,  und  ob  erstere 
ein  Attribut  gehalten  oder  nicht.  Die  Ergänzung  des  Kmges 
ist  rein  willkürlich,  nur  durch  die  Annahme  veranlasst,  dass 
der  Knabe  Bacchus  sei.  Man  sollte  vermuthen,  dass  die  linke 
Hand  der  Frau  dem  Kinde,  das  sonst  etwas  unsicher  sitzen 
würde,  zum  Halt  gedient  habe. 

Von  diesem  ergänzten  Kruge  ging  Winckelmann  aus,  als 
er  der  Gruppe  den  Namen  gab,  unter  dem  sie  bekannt  ist 
Was  er  aber  ausserdem  an  Gründen  vorbringt,  ist  ebenso 
wenig  haltbar  und  längst  widerlegt.  Auch  ist  die  Frau  eine 
viel  zu  feierliche  Erscheinung,  als  dass  sie  eine  Nymphe  vor- 
stellen könnte. 

Das  Scepter,  das  wir  für  die  rechte  Hand  voraussetzen, 
charakterisirt  sie  als  eine  Göttin  und  die  Formen  ihres  Kör- 
pers als  eine  matronale  Göttin.  Auch  die  reiche  Fülle  der 
Locken,  die  sich  ähnlich  an  der  Gaea  finden,  ist  dem  ent- 
sprechend. Doch  genügen  diese  Eigenschaften  nicht,  um  ihr 
einen  bestimmten  Namen  zu  geben.  Jedenfalls  ist  die  Mütter- 
lichkeit, die  Liebe  einer  göttlichen  Mutter  zu  einem  oder 
besser  zu  ihrem  Kinde  das  Thema  der  Composition  und  nur 
dies  lässt  sich  noch  mit  Wahrscheinlichkeit  behaupten,  dass 
die  Namen  der  Figuren  nicht  in  dem  Kreise  der  allegori- 
schen, sondern  der  mythologischen,  der  als  Personen  em- 
pfundenen   Wesen   zu   suchen    sind.     Die    ersteren    konnten 


Mythologische  Darstellungen.  229 

schwerlich   in  so  inniger  Weise   dargestellt   werden,  wie  es 
hier  geschehen. 

Die  Gomposition  ist  von  der  höchsten  Schönheit.  Die 
Köpfe  neigen  sich  zusammen  wie  die  Herzen,  die  Gruppe  be- 
rflhrt  uns  fast  wie  eine  christliche  Madonna.  Das  Gewand 
der  Figur  zeigt  eine  schöne  Mischung  von  Ernst  und  Zu- 
fälligkeit, von  Anmuth  und  Würde,  es  entspricht  ganz  der  im 
schönsten  attischen  Stil  so  häufigen  Gewandordnung,  die  man 
z.  B.  an  den  Karyatiden  des  £rechtheums  sieht. 

Nach  seinem  ganzen  Charakter  und  nach  der  Autorität 
der  erwähnten  Münze  dürfen  wir  das  Werk  als  ein  attisches 
bezeichnen  und  zwar  wie  es  scheint,  als  ein  attisches  Original- 
werk ersten  Ranges.  Es  ist  zugleich  für  die  Beurtheilung  der 
ganzen  antiken  Kunst  von  der  höchsten  Wichtigkeit.  Denn  in 
keinem  der  uns  erhaltenen  Werke  ist  so  viel  Innigkeit  und 
Wärme  der  Empfindung,  die  aber  noch  ganz  in  den  Gränzen 
der  Plastik  bleibt,  ähnlich  wie  auf  dem  Orpheusrelief  und  auf 
einigen  griechischen  Grabsteinen,  die  ihrer  Stimmung  nach 
dieser  Gruppe  verwandt  sind,  das  En^findungsleben  mehr 
durch  Geberden  angedeutet  als  durch  sprechende  Mienen  aus- 
gedrückt ist. 

Diese  Verschwiegenheit  im  Ausdruck  der  Empfindung, 
deren  voller  und  natürlicher  Erguss  gleichsam  gedämpft  wird 
durch  hohe  und  edle  Haltung,  erlaubt  uns  nicht,  den  Zeit- 
punkt der  Gruppe  diesseits  des  vierten  Jahrhunderts  zu  fixiren. 
Andrerseits  ist  die  Meinung,  dass  die  Gruppe  der  Periode  des 
Phidias  angehöre,  in  einer  Zeit  entstanden,  als  man  noch  nicht 
Gelegenheit  hatte  zu  genauerer  Vergleichung  und  sich  mit 
mehr  abstracten  Vorstellungen  begnügte.  Alles  jener  Periode 
Angehörige  zeigt  deutliche  Spuren  alterthümlichen  Charakters 
namentlich  in  den  Köpfen,  zugleich  aber  war  die  Wärme  und 
seelenvolle  Innigkeit,  die  das  Eigenthümliche  dieser  Gruppe 
ausmacht,  jener  Zeit  noch  nicht  eigen.  Im  vierten  Jahr- 
hundert dagegen  scheinen  nach  den  uns  erhaltenen  Nach- 
richten ähnliche  auf  Mutterliebe  und  Mutterschmerz  bezüg- 
Hche  Gruppen  entstanden  zu  sein,  denen  diese  Gruppe  anzu- 
bchliessen  sein  wird. 


S' 


Vgl.  Schorii's  Catalog  zur  Glypthotek  n.  99  und  Arthaeol.  Zt 
ltfö9  p.  1  tf.,  wo  auch  die  beste  Abbildung  —  nur  der  Kopf  ist  etwas 
zu  zärtlich  —  zu  JBnden  ist.  Die  dort  der  Statue  gegebene  Benennung 
»•iner  xovQOXQOipoq  ist  nicht  mit  Unrecht  bestritten  von  Stephani  im 
Compte-rendu   dt*   la  commission   imperiale   archeologique   pour   l'annee 


230  Mythologische  Darstellungen. 

1859  p.  135,  es  war  übrigens  nicht  die  Absicht  jenes  Aufsatzes  eineu 
bestimmten  Namen  aufzustellen,  sondern  nur,  die  allgemeine  Sphäre,  den 
Vorstellungskreis,  zu  bezeichnen,  dem  das  Werk  angehört.  Die  Ver- 
muthungen  von  Stephani  Compte-rendu  p.  l'annöe  1860  p.  102  Anm.  4 
und  Bötticher  Arch.  Anz.  1860  p.  83  muss  ich  auf  sich  beniiien  lassen, 
da  sie  höchstens  abstracte  MögUchkeiten  sind. 

Ueber  das  angebliche  x^r^ösfirov  dieser  Figur  (nach  Winckelmauu) 
ist  nicht  mehr  nöthig,  ausfuhrlich  zu  sein.  Vgl.  Ritschi,  luo-Leucothea, 
Bonn  1865  p.  22. 

412 — 429.  Niobe  mit  ihren  Kindern*.  Marmor- 
gruppe, im  Jahr  1583  in  Rom  gefunden  und  zwar  in  der 
Nähe  der  lateranischen  Kirche.  Der  Cardinal  Ferdinand  von 
Medici;  nachmaliger  Grossherzog  von  Toscana,  kaufte  sie  und 
liess  sie  in  seiner  Villa  am  Pincio  aufsteilen.  Im  Jahre  1775  ' 
wurden  die  Statuen  nach  Florenz  transportirt,  wo  sie  seit 
1794  in  den  Uffizien  aufgestellt  sind. 

Wir  betrachten  zuerst  die  einzelnen  Figuren,  von  der 
Niobe  selbst  beginnend.  An  ihrer  Figur  sind  ergänzt  Nase, 
Spitze  der  Oberlippe,  gross ter  Theil  der  Unterlippe  und  ein 
Theil  des  Kinns,  ferner  der  linke  Unterarm  mit  zugehörigem 
Gewand  und  die  recnte  Hand  mit  dem  halbem  Unterarm,  die 
ursprünglich  wohl  etwas  tiefer  iag^  so  dass  der  Kopf  der 
Tochter  mehr  sichtbar  wurde.  An  dieser  sind  die  Locken, 
der  rechte  Arm,  die  linke  Hand,  die  nach  Ilesten  am  Gewand 
der  Mutter  tiefer  gelegen  zu  haben  scheint,  und  der  linke 
Fuss  neu. 

Die  Tochter  stürzt  mit  sinkenden  Knieen  in  den  Schooss 
der  Mutter,  mit  einem  Arm  sich  an  sie  schmiegend,  mit  dem 
andern  (der  richtig  restaurirt  zu  sein  scheint)  die  Bitte  der 
flehenden  Augen  um  Schonung  unterstützend.  Die  Mutter  ist 
ihr  entgegengeeilt  —  wie  hätte  sie  auch  in  ruhiger  Stellung 
das  flüchtende  Mädchen  empfangen  können!  — ,  wir  sehen 
deutlich,  wie  die  Gruppe  geworden  ist.  Niobe  hielt,  um 
nicht  in  ihrer  Eile  behindert  zu  werden,  mit  beiden  Händen 
ihr  Obergewand  von  sich,  der  linke  Arm  hält  die  frühere  Lage 
noch  fest,  während  der  rechte  in  dem  Augenblick  als  das  Kind 
in  den  Schooss  .fällt,  das  Gewand,  welches  nun  durch  dieses 
gehalten  wird,  fahren  lässt  und  sich  schützend  über  die  Tochter 
legt,  die  sie  bewahren  möchte.  Die  Knie  der  Mutter  schmie- 
gen sich  um  das  Kind  zusammen  und  darüber  beugt  sich  ihre 
hohe  Gestalt,  es  sind  die  unwillkürlichen  Regungen  der  Mutter- 


♦  Im  Niobidensaal  n.  1—11.  16.  17.  20.  24.  60.  113. 


,  man  bemerkt  denselbou  Zug  nicht  selten  an  tragischen 
en. 

Zu  den  etolzen,  grossen  Formen  der  Mutter  steht  in  wirk- 
n  Gegensatz  die  zarte  Gestalt  des  flüchtenden  Mädchens. 
Künstler  hat  sie  mit  einem  knapp  anliegenden  Unter- 
id  von  Leinen  bekleidet,  so  dass  sie  sich  fast  wie  ein 
er  Körper  von  dem  reich  belebten  Hintergrund,  den  die 
ndmassen  der  Mutter  bilden,  abhebt.  Seine  Absicht  var 
a,  das  Zarte,  Jugendliche  und  dadurch  Rührende  der  Ge- 
mOgiichst  wirksam  hervorzuheben. 
Die  Figur  der  Niobe  ist  deutlich  als  Mittelilgur  einer 
pe  componirt.  Denn  nicht  nur,  dass  ihr  im  Verh&ltniss 
•n  Kindern  eine  Grösse  gegeben  ist,  die  weit  über  die 
lieben  Grössen  unterschiede  hinausgeht,   sondern   sie   ist 

durch  die  Biegung  des  Oberkörpers  ans  der  Profil- 
ng  oder  Richtung  nach  der  Seite,  die  alle  übrigen  Fi- 
I  haben,  herausgehoben  und  präsentirt  sieb  somit  als 
Tim  der  von  beiden  Seiten  zu  ihr  hinstrebenden  Be- 
n«- 
Rechts  von  ihr  steht  eine  Tochter,  an  welcher  der  rechte 

die  Hälfte  des  linken  und  die  Hälfte  der  beiden  FQsse 
izt  ist,  die  Restauration  konnte  aber  nicht  irren,  da  in 
falten  des  Gewandes,  welches  das  Mädchen  mit  beiden 
en  gefasst  hielt,  die  Richtong  der  fehlenden  Theile  dent- 
lugezeigt  war. 


232  Mythologische  DarBtelhiiigen. 

und  edelsten;    der  schöne  und  ergreifende  Kopf  ist  oft,  be- 
sonders von  Guido  Reni  nachgeahmt. 

An  der  folgenden  Figur  sind  neu  der  rechte  Arm,  di& 
linke  Hand  und  ein  Theil  des  Unterarms  mit  darüber  hängen- 
dem Gewandstück,  der  linke  Fuss,  endlich  die  Nase  und  Ober- 
lippe. Das  noch  unversehrte  Mädchen  ist  in  eiligster  Flucht 
begriffen,  die  Linke  machte  wohl,  wie  der  Restaurator  ange- 
nommen hat,  einen  Gestus  des  Entsetzens,  die  Rechte  griff 
nach  dem  fortflattemden  Zipfel  des  Mantels.       , 

Von  dieser  Figur  ist  eine  weit  vorzüglichere  Wieder- 
holung erhalten''',  die  sich  jetzt  im  museo  Chiaramonti  des 
Vatikans  befindet,  früher  in  der  Villa  des  Cardinais  Ippolito 
von  Este  auf  dem  Quirinal.  Sie  weicht  in  mehren  Punkten 
von  der  florentinischen  Figur  ab,  die  weit  vorzüglichere  Ar- 
beit und  andere  Gründe  sprechen  aber  dafür,  dass  sie  ibrem 
Original  treuer  geblieben.  Denn  zunächst  hat  die  Original- 
figur schwerlich  die  engen  und  bis  auf  die  Handwurzel  rei- 
chenden Aermel  der  florentinischen  Statue  gehabt,  die  an 
Idealfiguren  in  der  Blüthe  der  «griechischen  Kunst  ausser  zu 
besonderer  Charakteristik  nicht  vorkommen,  in  römiscber  Zeit 
dagegen  nicht  ungewöhnlich  sind,  ausserdem  war  das  Gewand 
gewiss  nicht  über  den  Füssen  zurückgeschlagen.  Nur  ein 
kurzes  Gewand,  wie  etwa  an  einer  Diana,  nicht  ein  lang 
berabhängendes  kann  naturgemäss  diese  Bewegung  machen. 
Auch  in  den  kräftigeren  Formen  und  dem  höheren  Wuch» 
steht  der  vatikanische  Torso  dem  Original  näher,  namentlich 
aber  in  der  Behandlung  des  Gewandes.  Das  Untergewand 
und  der  Mantel  geben  sich  deutlich  als  aus  verschiedenem 
Stoff  gebildet  zu  erkennen  und  beleben  dadurch  aufs  Schönste 
die  Gestalt;  wundervoll  ist  namentlich  der  kurze  Aermel  des 
rechten  Arms,  dessen  feiner  Stoff  so  leicht  und  locker  hängt^ 
dass  man  unwillkürlich  an  die  Gewänder  im  Ostgiebel  des 
Parthenon  erinnert  wird.  In  den  Falten  der  untern  Körper- 
hälfte aber  sehen  wir  nur  grosse  und  lange  Linien,  während 
die  florentinische  Statue  mit  lauter  kleinen  Faltenbrttchen 
übersäet  ist,  selbst  da,  wo  sie  am  wenigsten  sich  bilden 
können,  über  dem  vortretenden  Bein,  das  nach  der  Heftigkeit 
der  Bewegung  ganz  glatt  erscheinen  müsste.  Letztere  ist  eine 
kleinliche  Copie,  die  andere  ein  grosses  und  mit  wunderbarer 
Kühnheit  gearbeitetes  Werk,  an  dem  aber  doch  alle  Meister- 

♦  n.  17. 


Mythologische  Darstellungen.  233 

Schaft  der  Aasfühmng  nur  dem  Gesammteindruck  der  hervor- 
gebracht werden  soll^  dient.  Denn  wie  tief  sich  auch  »der 
Stürm  hineinwflhlt  in  die  Gewänder  des  Mädchens^  der  Künstler 
wollte  damit  nur  dies  erreichen^  dass  wir  die  Todesangst^ 
welche  das  flüchtende  Mädchen  treibt^  lebendig  mitempfinden. 
Und  doch  ist  auch  dies  Werk  schwerlich  ein  OriginaL  Frei- 
lich wüssten  wir  dies  nicht  aus  der  Arbeit  abzuleiten^  aber 
die  Basis  ist  auffallend.  Alle  zur  Niobegruppe  gehörenden 
Figuren  haben  eine  unebenen  Felsboden  anzeigende  Basis^ 
und  dies  ist  gewiss  ein  dem  Original  angehöriger  Zug;  die 
vatikanische  Statue  aber  hat  eine  glatte  Basis  mit  der  von 
der  attischen  Säulenbasis  entlehnten  Profilirung.  Sie  wird 
demnach  für  eine  Gopie  genommen  werden  müssen^  ist  aber 
am  besten  geeignet^  uns  einen  Begriff  von  dem  Stil  zu  geben^ 
in  dem  ursprünglich  das  Ganze  ausgeführt  war. 

Es  folgt  der  älteste  Sohn^  an  welchem  der  linke  Ann 
und  die  Hälfte  des  rechten  Unterarms  mit  entsprechendem 
Gewandstück  ergänzt  sind.  Der  Rand  des  Gewandes  auf  dem 
linken  Schenkel  ist  abgearbeitet  und  die  Falten  desselben 
sehen  wie  zurückgeschoben  aus^  beides  Anzeichen  ^  dass  an 
der  überarbeiteten  Stelle  sich  ursprünglich  etwas  befand,  was 
den  natürlichen  Fall  des  Gewandes  hinderte.  Auch  ist  in  der 
Stellung  der  Statue  eine  Hemmung  der  Bewegung  nicht  zu 
verkennen,  und  unverständlich  wäre,  wemi  der  Jüngling  allein 
gestanden  hätte,  di^  Bewegung  des  linken  Arms.  Nun  hat 
Canova  auf  eine  seit  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts  im  Va- 
tikan befindliche  fragmentirte  Gruppe*  aufmerksam  gemacht, 
wodurch  das  richtige  Verständniss  der  florentinischen  Statue 
gewonnen  werde.  Hier  sehen  wir  ein  in  der  lüiken  Brust 
durch  einen  Pfeil  verwundetes  Mädchen  sterbend  hinsinken 
und  sich  anlehnen  an  eine  männliche  Figur,  von  welcher  nur 
wenig,  aber  doch  genug  erhalten  ist,  um  in  ihr  eine  der 
florentinischen  völlig  entsprechende  Figur  zu  erkennen.  Nur 
tritt  in  der  vatikanischen  Gruppe  der  Jüngling  auf  einen 
Felsblock,  wodurch  der  Schenkel  eine  weniger  steile  Richtung 
erhält«  Mir  scheint  dies  eine  schönere  und  gewiss  dem  Ori- 
ginal zuzuschreibende  Anordnung  zu  sein,  es  wird  dadurch- 
eine  mehr  geneigte,  ausdrucksvollere  Lage  des  Mädchens  er- 
möglicht An  der  vatikanischen  Gruppe  ist  übrigens  nur  der 
linke  Fuss  des  Mädchens  restaurirt,  ihr  Kopf  ist  antik,  aber 

♦  n.  113. 


234  Mythologische  Darstelhingeii. 

schwerlich  zugehörig,  er  ist  von  anderm  Marmor  und  ent- 
spricht durchaus  nicht  den  übrigen  Niobidenköpfen. 

Die  florentinische  Statue  ist  also  nach  dem  Vorbild  dieser 
Gruppe  ergänzt  zu  denken.  Mit  der  Rechten  zieht  der  Jüng- 
ling wie  zum  Schutz  das  Gewand  über  den  Kopf,  mit  der 
Linken  berührt  er  theilnehmend  die  hinsinkende  Schwester. 
Der  Künstler  that  wohl  daran,  eine  so  grosse  Gruppe  nicht  ans 
lauter  einzeln  stehenden  Figuren  zusammenzusetzen,  sondern 
durch  kleinere  Gruppen  eine  schöne  Abwechslung  hervorzurufen, 
es  ist  auch  eine  Forderung  des  Gemüths,  dass  nicht  jeder  nur 
an  seine  eigne  Rettung  denkt,  sondern  dass  sich  Gruppen  der 
Liebe  und  Theilnahme  bilden  und  auch  weichere  Töne  als 
Furcht  und  Entsetzen  mitklingen  in  dem  Schmerzensakkord 
des  Ganzen.  Aehnlich  wie  an  dem  Mädchen  im  Schooss  der 
Mutter,  hat  der  Künstler  hier  den  Oberleib  des  Mädchens 
entblösst,  doch  so,  dass  es  als  unabsichtlich  durch  die  Situa- 
tion veranlasst  erscheint.  Er  wollte  durch  die  Entblössung 
der  zarten  noch  unreifen  Mädchenformen  den  Eindruck  des 
Rührenden  verstärken. 

An  dem  folgenden  Sohn  sind  neu  der  linke  Arm  &st 
ganz,  der  rechte  mehr  als  zur  Hälfte,  ausserdem  beide  Unter- 
beine. Ob  in  der  Ergänzung  des  rechten  Arms  das  Richtige 
getroffen  ist,  scheint  zweifelhaft. 

Während  der  erste  Niobide  auf  eine  von  vom  her 
drohende  Gefahr  gerichtet  ist,  scheint  dieser  einem  von  hinten 
nahenden  Verderben  enteilen  zu  wollen.  Der  Künstler,  hat 
sich  nämlich  die  Gruppe  nicht  so  gedacht,  dass  die  eine 
Hälfte  derselben  nur  von  der  einen,  die  andere  von  der  an- 
deren Seite  aus  beschossen  würde,  sondern  die  Geschosse 
kreuzen  sich,  die  älteste  Tochter  ist  von  links  her,  die  dritte 
in  der  vatikanischen  Gruppe  erhaltene  von  rechts  her  ge- 
troffen. Dies  ist  auch  am  angemessensten,  die  Rathlosigkeit 
der  Kinder  wird  dadurch  gesteigert,  weil  jedes  Entrinnen  un- 
möglich scheint  und  die  Scene  lebendiger^  indem  der  eine 
nach  rechts,  der  andere  nach  links  blickt. 

Der  folgende  Sohn  ist  in  zwei  Exemplaren  in  Elorenz 
vorhanden,  die  sich  in  einem  nicht  unwichtigen  Punkte  von 
einander  unterscheiden,  nämlich  in  der  Haltung  des  Kopfes. 
Während  an  dem  hiesigen  Exemplar  bei  der  Ansicht  vom 
Rücken  her  der  Anblick  des  Gesiclits  völlig  verschwindet,  ist 
an  dem  andern  der  zwar  fremde  oder  restaurirte  aber  jeden- 
falls richtig  restaurirte  Kopf  so  herumgedreht,  dass  man  bei 


Mythologische  Darstellungen.  235 

der  Rückenansicht  wenigstens  ein  Profil  erhält,  der  Niobide 
macht  mit  dem  Kopf  eine  ähnliche  Wendung  nach  rückwärts, 
wie  der  voraneiiende  Bruder.  Nun  fragt  sich  aber  zunäclist, 
ob  diese  Figur  vom  Rücken  gesehen  zu  werden  bestimmt  war, 
oder  ob  sie  nicht,  wie  Einige  wollen,  herumgedreht  und  auf 
die  andere  Seite  gesetzt  werden  muss,  so  dass  die  Vorderseite 
«icbtbar  wird.  Der  Umstand,  dass  die  Rückseite  der  Figur 
viel  sorgfältiger  ausgeführt  ist  als  die  Vorderseite,  besonders 
aber  dies,  dass  bei  einer  Umstellung  das  rechte  Bein  gänz- 
lich vom  Felsen  verdeckt  werden  wtirde,  scheint  die  Auf- 
stelloug  zu  rechtfertigen,  die  man  der  Figur  hier  gegeben 
hat,  dann  aber  dürfen  wir  unter  den  beiden  Exemplaren  das- 
jenige mit  dem  rückwärts  gewandten  Kopf  als  das  dem  Ori- 
ginal treuere  bezeichnen,  weil  eine  ganz  vom  Rücken  ge- 
sehene Figur  auffallend  wäre.  Auch  entspricht  die  Wendung 
des  Kopfes  der  heftig  bewegten  Figui*  ungleich  besser. 

An  diesen  drei  Figuren,  besonders  an  der  letzten,  der 
am  stärksten  bewegten,  ist  deutlich  eine  aufsteigende  Be- 
wegung bemerkbar,  als  stürzten  die  Jünglinge  eine  Anhöhe 
hinan.  Diese  Intention  des  Künstlers  wird  ganz  verdunkelt, 
wenn  die  Figuren  auf  einer  ebenen  Fläche  aufgestellt  werden. 
Wir  kommen  hierauf  unten  zurück. 

Zu  den  Figuren  an  der  andern  Seite  der  Mutter  über- 
gehend sehen  wir  einstweilen  von  den  beiden  ihr  zunächst 
stehenden  ab,  da  sie  schwerlich  zur  ursprünglichen  Composi- 
tion  gehören,  es  folgen  sodann  der  jüngste  Sohn  und  der 
Pädagog.  An  dem  erstem  ist  der  rechte  Arm  und  die  linke 
Hand,  an  letzterm  beide  Arme  und  der  Kopf  neu.  Sie  sind 
in  der  florentinischen  Statuenreihe  getrennt  aufgestellt,  aber 
eine  im  Jahr  1831  in  Soissons  entdeckte  jetzt  im  Louvre  be- 
findliche Marmorgruppe  zeigt  sie  verbunden  und  zwar  so,  dass 
der  Knabe  zwischen  die  Beine  des  Pädagogen  tritt  und  dieser 
die  rechte  Hand  wie  schützend  aij  die  rechte  Schulter  des 
Knaben  legt.  Dies  ist  unzweifelhaft  das  Ursprüngliche,  schon 
deswegen,  weil  einem  Pädagogen,  wenigstens  einem  Pädagogen 
edlerer  Natur,  wie  wir  ihn  hier  in  einem  grossartig  tragischen 
Ganzen  erwarten,  nicht  anstehen  würde,  sich  von  seinem  Pfleg- 
ling zu  trennen  und  nur  an  die  eigne  Rettung  zu  denken. 
üeberhaupt  hat  der  Künstler  wohl  lyir  dann  ein  Recht,  eine 
solche  der  Sache  fremde  Figur  einzuführen,  wenn  es  zum 
Nutzen  einer  betheiligten  Person  geschieht,  und  so  sehen  wir 
auch  auf  andern  Darstellungen  Pädagog  und  Amme  mit  ein- 


236  Mythologische  Darstellungen. 

zelnen  Kindern  der  Niobe  zu  innigen  und  rührenden  Scenen 
verbunden.  Dass  übrigens  in  dieser  Figur  der  Pädagog  m 
erkennen,  lehrt  nicht  bloss  die  Vergleichung  anderer  Denk- 
mäler, sondern  auch  das  Aussehen  der  Figur.  Das  Gewand,. 
das,  wie  die  Gruppe  von  Soissons  zeigt,  die  langen  Aermel 
hatte,  die  der  Restaurator  der  florentinischen  Statue  auch 
vorausgesetzt  hat,  und  die  Stiefel  unterscheiden  sie  von  den 
idealer  gehaltenen  Söhnen  der  Niobe.  Der  Kopf  ist  leider 
auch  in  dem  Exemplar  von  Soissons  nicht  erhalten,  man  mnm 
sich  ihn  in  üebereinstimmung  mit  der  aus  der  Wirklichkeit 
genommenen  Tracht  individuell  und  zwar,  da  die  Pädagogen 
gewöhnlich  dem  Sklavenstande  angehörten,  von  gemeinerer 
Bildung  denken.  Er  war  übrigens  seitwärts  nach  oben  ge- 
wandt und  der  linke  Arm  war  wie  in  Erstaunen  oder  Ent- 
setzen erhöben,  denn  auch  der  Pädagog  kennt  nicht  den  Grand 
des  schrecklichen  Ereignisses.  Endlich  ist  noch  dies  anzu- 
merken, dass  die  Figur  aus  Soissons  mit  dem  rechten  Fuss 
auf  ein  kleines  Felsstück  tritt,  so  dass  eine  etwas  aufstei- 
gende Bewegung  hineinkommt.  Wir  glauben  im  Hinblick  auf 
das  über  die  drei  Söhne  der  andern  Seite  Bemerkte,  dass  dies 
ein  vom  Original  entlehnter  Zug  ist. 

Es  folgt  ein  getroffener  ins  Knie  gesunkener  Niobide,  an 
dem  die  ganze  Basis  fehlte.  Durch  eine  üeberarbeitung  des 
Bruchs  am  linken  Bein  scheint  sich  der  auffallende  Umstand 
zu  erklären,  dass  man  nichts  vom  Knie  des  linken  Beins  be- 
merkt. Dieser  Jüngling  hält  sich  mit  gewaltsamer  Anspannung 
aller  Kräfte  noch  aufrecht  im  Todesschmerz.  Es  ist  psycho- 
logisch sehr  wahr  und  der  Verschiedenheit  des  Geschlechts 
entsprechend,  dass  das  in  ganz  ähnlicher  Situation  befindliche 
Mädchen  der  vatikanischen  Gruppe  auf  der  andern  Seite  still 
ohne  Widerstand  in  den  Tod  hinsinkt,  während,  hier  die 
männliche  Natur  sich  kräftiger,  ja  fast  trotzig  offenbart 
Denn  anders  als  zürnend  oder  vorwurfsvoll  kann  der  Blick 
zu  den  Göttern  hinauf  in  dieser  Situation  wohl  nicht  ver- 
standen werden. 

Endlich  der  ausgestreckt  liegende  Niobide,  an  welchem 
der  rechte  Arm  und  Fuss  ergänzt  sind.  Er  ist  sterbend 
dargestellt,  die  Augen  sind  im  Begriff  sich  zu  schliessen,  mit 
der  Linken  deckt  er  di^  Wunde  in  der  Brust,  während  sich 
die  Rechte  über  den  Kopf  beugt,  als  fühlte  er  noch  das  Be- 
dürfniss,  sich  zu  schirmen  oder  zu  bergen  vor  dem  entsetz- 
lichen Ereigniss.     Es  ist  schön,  wie  friedlich  und  sanft  ohne 


Mythologische  Darstellungen.  237 

Spannimg  nnd  Krampf  hier  der  Tod  dargestellt  ist;  überhaupt 
unterscheidet  sich  diese  Gruppe  von  den  andern  Darstellungen 
der  Niobiden  dadurch  ^  dass  die  Bewegungen  weniger  leiden- 
schaftlich sind. 

Dies  sind  diejenigen  Figuren,  welche  unter  den  hier  vor- 
handenen Abgüssen  mit  Sicherheit  zur  Gruppe  gerechnet 
werden  können,  zwei  fehlen,  deren  Zugehörigkeit  ebenfalls 
nicht  zu  beweifeln  ist.  Zunächst  eine  ins  Knie  gesunkene, 
im  Rücken  getroffene*  Jünglingsfigur,  früher  Narziss  benannt, 
durch  Thorwaldsen  als  Niobide  erkannt.  Mit  der  Linken 
greift  er  nach  der  Wunde,  die  Rechte  scheint  er  —  wenn 
sie  richtig  restaurirt  ist,  klagend  zu  erheben.  Der  Kopf  und 
Körper  ist  etwas  nach  vom  über  geneigt,  und  zwar  nach 
rechts^  so  dass  unter  der  Voraussetzung,  dass  alle  Figuren 
eine  Richtung  nach  der  Mitte  hatten,  diese  Figur  auf  die 
rechte  Seite  der  Mutter  zu  setzen  wäre.  Sie  befindet  sich  in 
Florenz,  so  wie  die  folgende  Figur,  die  auch  zugleich  mit 
den  übrigen  Statuen  gefunden  ist.  Es  ist  ein  noch  unver- 
inmdetes,  aber  mit  zusammengekrümmtem  vor  der  Gefalir 
gleichsam  sich  duckendem  Körper  davcvieilendes  Mädchen. 
Eine  Wiederholung  derselben  im  Kapitol  hat  zwar  einen  un- 
verkennbaren Niobidenkopf,  ist  -  aber  durch  Schmetterlings- 
flügel  am  Rücken  als  Psyche  charakterisirt,  wesswegen  denn 
die  flügellose  florentinische  Statue  von  vielen  Seiten  auch  als 
Psyche  erklärt  und  von  der  Niobidengruppe  getrennt  ist.  In- 
dessen ist  sehr  wohl  möglich,  dass  der  Künstler  jener  kapi- 
tolinischen Psychestatue  nicht  bloss  den  Kopf,  sondern  die 
ganze  Gestalt  von  einer  Niobide  entlehnt  und  nur  durch  die 
Zuthat  der  Flügel  zu  einer  Psyche  gemacht  habe.  Jedenfalls 
passt  die  Figur  vortrefflich  zu  den  Niobiden,  für  ihre  Zu- 
gehörigkeit spricht  auch  der  nicht  gleichgültige  Umstand,  dass 
ihre  Basis  als  Felsgrund  charakterisirt  ist,  wofür  man  bei 
einer  Psyche  nicht  gleich  ein  treffendes  Motiv  anzugeben  wüsste. 
Nach  der  Bewegung  des  Körpers  würde  man  die  Figur  auf 
die  rechte  Seite  der  Mutter  setzen  müssen. 

Endlich  sind  noch  diejenigen  zur  florentinischen  Gruppe 
gerechneten  Figuren  zu  erwähnen,  deren  Zugehörigkeit  theils 
problenuitisch,  theils  bestimmt  zu  verneinen  ist.  Das  Letztere 
gilt  zunächst  von  der  zur  Linken  der  Mutter  aufgestellten 
Figur*,   deren   Original   sich   im   hiesigen    Museum    befindet. 

•  n.  60. 


238  Mytholog-ische  Darstellungen. 

Schon  der  Kopf  beweist  dies^  der  nach  Form  und  Ansdmck 
mit  dem  Familientypus  der  Niobiden  nicht  die  geringste  Ver- 
wandtschaft hat;  ausserdem  das  Alter  der  Figur^  welche  die 
Jahre  der  Blüthe  längst  überschritten  hat.  Und  doch  ist 
dies  gerade  so  wesentlich  für  den  Eindruck  der  Gruppe^  das» 
die  Kinder  in  der  Blüthe  der  Jahre  fallen. 

Auch  die  in  Florenz  befindliche  unter  dem  Namen  der 
Anchirrhoe  bekannte  Figur*  ist  erst  durch  die  Ergänzung  der 
Arme  und  des  Halses  zu  einer  Niobide  hergerichtet,  Kopf 
und  Haar  zeigen,  dass  sie  der  Gruppe  völlig  fremd  ist,  und 
richtig  restaurirt  würde  sie  der  Figur  eines  wasserholenden 
Mädchens  entsprechen,  die  wir  weiter  unten  besprechen 
werden**. 

Eine  dritte  auch  in  Florenz  befindliche  weibliche  Figur***, 
welche  hier  neben  der  Statue  des  hiesigen  Museums  aufge- 
stellt ist,  wird  ebenfalls  auszuscheiden  sein.  Denn  einmal 
fehlt  ihr  die  Familienähnlichkeit,  sodann  ist  das  Haar  gans 
abweichend,  nämlich  viel  drahtartiger  behandelt,  auch  die  Ge- 
wandung und  die  Basis  verschieden.  Man  hat  zwar  gemeint, 
die  Figur  könne,  wenn  nicht  eine  Tochter,  so  doch  eine 
Amme  oder  Wärterin  gewesen  sein,  wie  ja  auch  in  dieser 
Gruppe  ein  Pädagog  und  in  andern  Niobidendarstellnngen 
beide  vereinigt  vorkämen.  Allein  es  fragt  sich,  ob  man  eine 
Amme,  die  doch  wie  der  Pädagog  aus  dem  Sklaven-  oder 
niedem  Yolksstande  genommen  wurde  und  daher  in  der 
Kunst,  wenigstens  wo  man  genauer  charakterisirt,  als  eine 
alte  Frau  mit  unedlen  Gesichtsformen  erscheint,  hier  so  jung 
und  ideal  dargestellt  haben  würde,  und  entscheidend  für  ihre 
Nichtzugehörigkeit  auch  als  Amme  ist  der  Umstand,  dass 
ihre  Linke  denselben  Gestus  macht  wie  die  Linke  der  Niobe, 
eine  Wiederholung,  die  bei  weiter  von  einander  entfernten 
Figuren  erträglich,  hier  aber  wo  die  Figuren  ihrer  Grösse 
wegen  nahe  bei  einander  stehen  mussten,  unerträglich  wäre. 
Es  ist  sehr  möglich,  dass  die  Figur  zu  einer  andern  Niobe- 
gruppe  gehört,  denn  sie  war  jedenfalls  wie  auch  eine  Gemme 
angiebt,  mit  einer  ins  Knie  gesunkenen  Figur  gmppiriv 
über  welche  sie  schützend  den  Mantel  ausbreitet  Der 
rechte  Arm  ist  schwerlich  richtig  restaurirt,  vermuthlich  lag 


♦  n.  24. 
**  n.  28  in  demselben  Saal. 
**♦  n.  7. 


Mythologische  Darstelhingen.  239 

die  Hand  in  dem  Knick  des  Mantels  ^  der  sonst  nnmotivirt 
and  anerklärlich  wäre. 

Zweifelhaft^  wenn  aach  nicht  onmöglich^  ist  endlich  die 
ZagehOrigkeit  des  nach  der  ovidischen  Dichtung  vom  Niohiden-* 
ontergang  als  Ilioneas  bezeichneten  Torso  der  Glyptothek  zu 
Manchen*^  eines  der  edelsten  Ueberhleibsel  der  alten  Kunst, 
das  aas  Prag  Ans  dem  Besitz  von  Kaiser  Rudolph  11.  nach 
Wien  in  die  Hände  eines  Steinmetzen  gerieth^  von  diesem 
als  ein  Stflck  alten  Marmors  an  Dr.  Barth  verkauft  wurde, 
and  endlich  in  den  Besitz  König  Ludwig's  übergegangen  ist. 
Wie  der  Torso  zu  ergänzen,  darüber  kann  kein  Zweifel  sein, 
Kopf  and  Arme  waren  nach  oben  gerichtet,  der  Jüngling 
machte  eine  Bewegung,  als  wolle  er  eine  von  oben  drohende 
Gefahr  abwehren**.  Das  Motiv  der  Figur  wäre  also  für 
einen  Niobiden  passend,  man  findet  auch  auf  dem  vatikani- 
schen Niobidensarkophag***  eine  ähnlich  motivirte  Figur, 
aoiEallend  ist  aber  der  Mangel  des  Gewandes,  das  an  keinem 
sichern  Niobiden  fehlt  und  für  die  künstlerische  Wirkung  der 
Statoen  sehr  wesentlich  ist. 

Der  Stil  dieses  Torso  steht  weit  über  dem  der  florenti- 
schen  Statuen,  wir  stehen  nicht  an,  ihn  als  ein  Originalwerk 
eines  bedeutenden  Meisters  zu  bezeichnen,  und  ihm  für  die 
Periode  des  vierten  Jahrhunderts  dieselbe  Bedeutung  beizu- 
legen, wie  den  Partlienonsculpturen  für  das  fünfte.  Ver- 
gleicht man  ihn  mit  dem  Ilissus  vom  westlichen  Giebel  des 
Parthenon,  der  ihm  im  Alter  nahe  steht,  so  möchten  wir  die 
Formen  des  letzteren  lebensvoll,  die  des  ersteren  seelenvoll 
nennen.  Es  geht  ein  weicherer,  zarterer  Hauch  durch  diesen 
Marmor,  wie  es  wohl  noth^endig  ist  für  eine  auf  Darstellung 
des  Seelenlebens  gerichtete  Kunst. 

'  Die  letzte  hier  zu  besprechende  Figur  wird  jetzt  zwar 
aUgemein  ausgeschieden ^  wir  möchten  sie  aber  gern  für  die 
Gruppe  zurückerobern.  Es  ist  die  als  älteste  Tochter  bezeich- 
nete, später  als  Melpomene  erklärte  florentinische  Figur****. 
Was  zunächst  diese  Benennung  betrifft,  so  beruht  sie  auf  un- 
zureichenden Gründen,  denn  das  Aermelkleid,  das  allerdings 


•  n.  20. 

*•  Man  begegnet  hier  in  Berlin  öfter  rkhtig^  —  icli  weiss  nicht 
von  wem  —  ergänzten  Copien,  z.  B.  in  der  grossen  Zinkgiesserei 
Toii  Geiss. 

*••  n.  71  in  demselben  Paal. 
••••  n.  16. 


240  Myüiologischc  Darstellungen. 

Melpomene  trägt^  findet  sich  auch  an  andern  Figuren  und 
gerade  auch  an  der  zweiten  Niobetochter,  der  Gürtel  aber, 
eine  dünne  Schnur,  wie  die  Niobiden  sie  tragen,  ist  ganz  ver- 
schieden von  dem  für  Melpomene  charakteristischen  GürteL 
Auch  die  Stellung  des  rechten  Fnsses,  der  auf  einer  leisen 
Erhöhung  steht,  erinnert  doch  nur  sehr  entfernt  an  gewisse 
Darstellungen  der  Melpomene,  ist  dagegen  sehr  natürlich  bei 
der  Annahme  einer  Niobide,  da  alle  zur  Gruppe  gehörigen 
Figuren,  wie"  wir  sahen,  auf  unebenem  felsigen  Boden  stehen« 
Endlich  ist  der  nach  oben  gerichtete  Kopf,  der  bei  einer 
Niobide  natürlich  ist,  an  einer  Melpomene  schwer  zu  moti- 
viren.  Entscheidend  aber  für  die  Zugehöriglceit  dieser  Figur 
zur  Niobidengruppe  ist  dies,  dass  ihre  Stirn  und  ihr  Haar  so 
vollkommen  übereinstimmen  mit  den  entsprechenden  Theilen 
an  der  Niobe  und  ältesten  Tochter,  dass  wir  sogar  dieselbe 
Hand  darin  erkennen  möchten.  Die  übrigen  Theile  des  Ge- 
sichts sind  nicht  so  ähnlich,  gewiss  deswegen,  weil  sie  zum 
Theil  ergänzt,  zum  Theil  modemisirt  sind.  Auch  die  Hände 
sind  neu,  aber  wohl  richtig  ergänzt,  die  Figur  steht  da  in 
der  G^berde  stummer  Ergebung.  Und  dies  ist  gewiss  ein  för 
edleres  weibliches  Wesen  bezeichnendes  Motiv,  sich  willig  ohne 
auch  nur  den  Versuch  zur  Rettung  zu  machen,  dem  Tode  zu 
stellen. 

Ueber  die  Anordnung  der  florentinischen  Gruppe  sind 
die  verschiedensten  Meinungen  ausgesprochen.  Wir  beginnen 
mit  derjenigen,  welche  uns  am  wenigsten  wahrscheinlich  er- 
scheint, dass  nämlich  die  Statuen  in  den  Interkolumnien  eines 
Tempels  oder  tempelartigen  Gebäudes  aufgestellt  gewesen 
seien.  Diese  Meinung  ist  haupts^hlich  veranlasst  durch  ein 
in  Lycien  entdecktes  Denkmal,  in  dessen  Interkolumnien  nach 
allem  Anschein  sehr  bewegte  weibliche  Statuen  gestanden 
haben.  Aber  gerade  dies  Monument  scheint  uns  gegen  eine 
solche  Aufstellung  der  Niobiden  zu  sprechen,  denn  dort  sind 
es  unter  sich  gleichartige,  hier  aber  höchst  ungleichartige 
Gestalten,  welche  die  Zwischenräume  zwischen  den  Säolen 
füllen  sollen.  Gleichartigkeit  aber  wenigstens  in  den  haupt- 
sächlichsten Verhältnissen  ist  bei  den  für  gleiche  architekto- 
nische Räume  bestimmten  Figuren  durchaus  erforderlich.  Zu- 
dem würde  die  Gruppe,  wenn  sie  durch  Säulen  zerstückelt 
würde,  um  alle  ihre  Wirkung  kommen.  Denn  hier  sind  die 
einzelnen  Figuren  wirklich  Glieder  eines  Ganzen  und  es  geht 
eine  bestimmte  Bewegung  hindurch,  die  keine  Unterbrechnng 


Mythologische  Daratellungen.  241 

leidet  Die  eilende  Flucht  der  Kinder  würde  durch  die 
Säulen  überall  gehemmt  erscheinen  und  damit  das  ergreifende 
Pathos  des  Ganzen  vernichtet. 

Grossen  Anklang  hat  eine  andere  Hypothese  gefunden, 
dass  nämlich  diese  Gruppe  das  Giebelfeld  eines  Tempels  ge- 
schmückt habe.  Die  allmähliche  Höhenabstufung  der  Figuren 
hat  hauptsächlich  darauf  geführt.  Uns  scheinen  nicht  nur  die 
in  diesem  Sinne  angestellten  Restaurationen  mit  Allem,  was 
wir  von  den  alten  Giebelgruppen  wissen  und  was  aus  der 
Eigenthümlichkeit  des  gegebenen  Raums  folgt,  in  Wider- 
spruch zu  stehen,  sondern  auch  die  Annahme  selbst  unmög- 
lich zu  sein.  Zunächst  wegen  des  ausgestreckt  liegenden 
Sohnes.  Man  kann  diese  Figur  entweder  in  die  Mitte  oder 
in  eine  der  Ecken  des  Giebels  legen.  Im  ersteren  Fall  wird 
fiber  ihr  immer  ein  Loch  entstehen,  das  schwer  auszufüUen 
sein  dürfte  und  wenigstens  durch  keine  der  erhaltenen  Fi- 
guren ausgefüllt  wird,  im  andern  Fall  erhalten  wir  eine  hori- 
zontal gestreckte  Figur  an  einer  Stelle,  wo  der  Raum  eine 
Figur  mit  gehobenem  Oberkörper,  eine  mit  dem  schräg  an- 
steigenden Giebelfeld  parallel  sich  erhebende  verlangt.  Es  ist 
mir  kein  Beispiel  aus  alter  und  auch  neuer  Zeit  bekannt,  wo 
es  anders  wäre,  es  ist  eben  eine  in  den  Verhältnissen  selbst 
begründete  Forderung. 

Aber  nicht  bloss  diese,  sondern  auch  andere  Figuren 
würden  bei  der  Annahme  einer  Giebelgruppe  gegen  das  Ge- 
setz Verstössen,  dass  Bild  und  Raum  sich  decken  müssen, 
ein  Gesetz,  das  von  der  griechischen  Kunst  seit  ihren  frühesten 
.Anfängen  strenger  beobachtet  ist,  als  von  irgend  einer  an- 
dern, ohne  welches  auch  keine  vollkommene  Harmonie  mög- 
lich ist.  Bei  einer  Giebelgruppe  muss  eine  über  die  Köpfe 
der  Figuren  gezogene  Linie  parallel  laufen  mit  der  schräg 
ansteigenden  Linie  des  Giebels.  Dies  findet  sich  auch  überall 
in  den  Giebelgruppen  des  Alterthums  beobachtet  und  muss, 
wenn  auch  die  neuem  Giebelgruppen  nicht  alle  in  dieser 
Weise  componirt  sind,  doch  als  etwas  nach  den  gegebenen 
Ranmverhältnissen  Natürliches  angesehen  werden.  Wenden 
wir  nun  aber  dies  Gesetz  auf  die  Niobegruppe  an  und  zwar 
auf  die  linke  Seite  derselben,  die  bis  zum  zweiten  Sohn  als 
in  ursprünglicher  Integrität  erhalten  allgemein  anerkannt  wird, 
so  fällt  die  Linie  von  der  Mutter  zur  ältesten  Tochter  schroff 
ab  nm  etwa  l^/g  Fuss,  dann  aber  bewegt  sie  sich  fast  hori- 
zontal über  den  Köpfen  der  zwei  Schwestern  und  zwei  Brüder, 

Friedericlu,  griech.  Plastik.  16 


242  Mythologische  Darstelhingen. 

indem  die  letzte  dieser  Figuren  nur  um  einen  Fuss  niedriger 
ist  als  die  erste.  Die  Töchter  müssten  entweder  höher  oder 
die  Söhne  niedriger  sein,  wenn  eine  erträgliche  Giebelgmppe 
herauskommen  soll.  Mit  einem  Wort,  die  Höhenunterschiede 
dieser  Figuren  sind  zu  gering  für  eine  Giebelgruppe. 

Man  ist  auf  den  Gedanken  gekommen,  durch  Erhöhung 
der  Basen  dem  bemerkten  Uebelstand  abzuhelfen.  Dies  fOhrt 
auf  einen  dritten  Einwand  gegen  die  Giebelgruppe.  Denn 
schon  jetzt,  noch  mehr  aber  wenn  wir  einmal  die  projektirte 
Erhöhung  annehmen,  ist  die  Basis  der  Figuren  nicht  etwas 
Indifferentes,  nicht  die  blosse  Standfläche  der  Figuren,  son- 
dern es  ist  ähnlich  wie  am  Famesischen  Stier  eine  bestimmte 
Lokalität,  ein  felsiges  Terrain  als  Schauplatz  der  Begebenheit 
charakterisirt.  Ich  bezweifle,  ob  dies  passend  sei  für  eine 
Giebelgruppe,  die  doch  immer  nur  etwas  Unselbstständiges^ 
ein  Ornament  an  einem  grossem  architektonischen  Ganzen  ist 
und  diesen  ihren  dekorativen  Charakter  wahren  muss.  Eben 
wegen  ihrer  Basis  ist  die  Niobidengruppe  etwas  Selbstständiges^ 
das  Anspruch  macht  für  sich  zu  bestehen.  Es  scheint  mur 
namentlich  für  die  Blüthe  der  griechischen  Kunst  nicht  glaub- 
lich, dass  man  ein  so  malerisches  Element  in  einer  Giebel- 
gruppe zugelassen  habe,  es  wtirde  mit  dem  Ernst  des  dori- 
schen Stils  —  und  diesen  hätten  wir  ja  vorauszusetzen  — 
schwer  vereinbar  sein. 

Die  Betrachtung  der  Basis  führt  mich  auf  einen  letzten 
Einwand  gegen  die  Giebelgruppe  und  zugleich  zur  Aufstellung 
der  eignen  Meinung.  Hat  es  nicht  etwas  Auffallendes,  ein 
horizontal  fortlaufendes  felsiges  Terrain  als  Schauplatz  der 
Handlung  anzunehmen?  Wäre  es  nicht  natürlicher,  da  uns 
der  Künstler  ja  doch  eine  bestimmte  Lokalität  schildern  will, 
wenn  er  uns  der  Natur  entsprechend  auf-  und  absteigende . 
Flächen  darstellte?  Die  Bewegung  mehrerer  Figuren,  nament- 
lich die  der  beiden  letzten  Söhne  zur  Linken  scheint  mir  mit 
Nothwendigkeit  auf  diese  Annahme  hinzuführen.  Sie  schreiten 
mit  starkem  Schritt  hinauf,  von  unten  nach  oben,  und  dies 
Hinaufschreiten  kann  doch  nicht  durch  einige  ihnen  in  den 
Weg  geworfene  Steine  erklärt  werden,  vielmehr  müssen  wir 
eine*  ansteigende  und  auf  der  andern  Seite  abfallende  Fläche 
voraussetzen,  auf  deren  höchstem  Punkt  die  Mutter  steht 

Wir  erhalten  dadurch  eine  mehr  malerische  Gomposition 
nach  Art  des  Farnesischen  Stiers,  einer  Gruppe,  die  freilich 
noch   weiter   nach    dieser   Richtung    geht.     Der    pathetische 


Mythologische  Darstellungen.  243 

Charakter  der  Niobidengruppe  gewinnt  aber  bedeutend  durch 
eine  solche  Aufstellung,  die  Flucht  der  Kinder  erscheint  wilder 
und  leidenschaftlicher.  Nach  der  Absicht  des  Künstlers,  so 
scheint  es,  sollen  wir  oben  die  Wohnung  der  Mutter,  etwa 
die  königliche  Burg,  denken,  wohin  von  beiden  Seiten  die 
Kinder  Schutz  suchend  eilen,  während  die  Mutter,  durch  das 
Geschrei  der  Kinder  aufgeregt,  ihnen  entgegenkommt. 

Es  ist  uns  aus  dem  Alterthum  von  zwei  Darstellungen 
der  Niobiden  Kunde  erhalten,  von  denen  eine  und  vielleicht 
auch  die  andere  in  ähnlicher  Weise  aufgestellt  waren,  wie  wir 
es  fftr  diese  Florentiner  Gruppe  annehmen.  An  den  Thtiren 
des  palatinischen  Apollotempels,  den  Augustus  zu  Ehren  des 
Sieges  bei  Actium  stiftete,  waren  auf  dem  einen  Flügel  „die 
vom  Scheitel  des  Pamass  herabgestürzten  Gallier^',  auf  dem 
andern  der  Tod  der  Niobiden  dargestellt.  Die  Symmetrie 
verfangt,  dass  wir  uns  die  Scene  des  Niobidenuntergangs  in 
ähnlicher  Weise  vorstellen,  wie  die  angeführten  Worte  für  das 
Seitenstfick,  die  Vernichtung  der  Gallier  bei  ihrem  Angriff  auf 
Delphi^  vorschreiben,  d.  h.  die  einzelnen  Figuren  waren  ma- 
lerisch einen  Berg  hinan  aufgestellt.  Eine  andere  Darstellung 
der  von  Apoll  und  Artemis  getödteten  Niobiden  befand  sich 
in  Athen  in  einer  Höhle  über  dem  Theater,  man  möchte  eben 
wegen  der  Lokalität  vermutheu,  dass  die  Gruppe  ebenfalls 
malerisch,  der  Lokalität  sich  anschliessend  componirt  war. 

Es  würde  nun  die  weitere  Aufgabe  sein,  die  Stelle  zu 
bestimmen,  die  jede  einzelne  Figur  im  Ganzen  einnahm,  in- 
dessen sind  wir  dieser  Aufgabe  nicht  gewachsen  und  be- 
schränken uns  daher  auf  einige  leitende  Gedanken.  Sicher 
>cheint  uns,  dass  die  Gnippc  wie  ein  Ilautrelief  aufzufassen 
ist,  die  Bewegungen  der  Figuren  sind  der  Art,  dass  die  Arme 
nicht  vom  Körper  abspringen  und  aus  der  Fläche  treten,  son- 
dern entweder  anliegen  oder  nach  hinten  und  vom,  also  in  der 
Richtung  des  Körpers  ausgebreitet  sind. 

Die  Gruppe  ist  gewiss  nicht  vollständig  auf  uns  ge- 
kommen. Es  muss  doch  bei  jeder  Aufstellung,  wo  die  Mitte 
von  der  Mutter  eingenommen  wird,  eine  gewisse  Symmetrie 
zwischen  den  beiden  Hälften  angenommen  werden,  und  diese 
ist  eben  mit  den  vorhandenen  Statuen  nicht  zu  erreichen. 
Am  wenigsten  befriedigt  die  rechte  Seite,  doch  sind  wir  nicht 
einmal  im  Stande  bei  jeder  Figur  sicher  zu  bestimmen,  ob  sie 
links  oder  rechts  von  der  Mutter  gestanden.  Die  Richtung 
des  Körpers  nach  der  einen  oder  andern  Seite  scheint  dies 

10* 


244  Mythologische  Darstellungen. 

entscheiden  zu  können^  indess  ist  doch  fraglich;  ob  nicht  die 
im  Ganzen  gewiss  anzunehmende  Richtung  jeder  Hälfte  nach 
der  Mitte  zu  von  einzelnen  Figuren  durch  eine  entgegen- 
strebende Bewegung  unterbrochen  wTirde.  Wenn  wir  an 
Giebelgruppen  solche  Compositionsweise  finden,  so  scheint  sie 
noch  mehr  berechtigt  bei  einer  nicht  in  einen  architektoni- 
schen Rahmen  eingespannten  Gruppe.  Vielleicht  ist  es  auch 
künstlerisch  vortheilhafter  und  für  die  Situation  natürlicher^ 
wenn  nicht  alle  Figuren  jeder  Hälfte  nach  der  Mitte  streben, 
es  gäbe  ein  noch  anschaulicheres  Bild  der  Verwirrung  und 
Bestürzung;  wenn  sich  hie  und  da  Kinder  entgegen  liefen.  Es 
ist  aber  klar,  wie  sehr  durch  Annahme  dieses  Princips  die 
Aufgabe,  jeder  Figur  ihre  ursprüngliche  Stellung  anzuweisen, 
erschwert  wird. 

Die  Zahl  der  Kinder  im  Voram  bestinmien  zu  wollen, 
scheint  uns  gewagt.  Nach  der  am  meisten  verbreiteten  Tra- 
dition waren  es  vierzehn,  allein  die  Nachrichten  und  auch  die 
Monumente  varüren.  Auch  lehren  andere  analoge  Fälle,  dass 
die  Künstler  sich  von  der  Tradition  entfernten,  wenn  sie  ihren 
Absichten  nicht  entsprach.  Auch  über  die  Frage,  ob  die 
Götter  anwesend  waren  oder  nicht,  können  wir  nicht  mit  Ent- 
schiedenheit urtheilen.  Zum  Verständniss  der  Gruppe  freilich 
brauchten  sie  nicht  sichtbar  zu  sein,  aber  es  fragt  sich,  ob 
es  der  antiken  Anschauung  entspricht,  wenn  sie  fehlen.  Auf 
fast  allen  vollständig  erhaltenen  oder  durch  Nachrichten  ge- 
nauer bekannten  Darstellungen  erblicken  wir  die  strafenden 
Gottheiten,  und  der  ganze  Mythus  der  Griechen,  wie  ihn  Dich- 
tung und  Kunst  vorführt,  setzt  überall  ein  sichtbares  Ein- 
greifen der  Gottheit  voraus.  Und  betrachtet  man  die  Ge- 
sichter der  Kinder,  so  findet  sich  nirgends  ein  fragender 
Blick,  wie  es  doch  natürlich  wäre,  wenn  die  Geschosse  von 
unsichtbaren  Urhebern  hernieder  gesandt  würden,  wohl  aber 
Angst  und  Entsetzen,  wie  durch  einen  schrecklichen  Anblick 
veranlasst.  Man  hat  gemeint,  neben  dieser  Niobe  sei  keine 
Götterstatue  denkbar,  sie  würde  von  ihr  erdrückt  werden,  aber 
Künstler  haben  es  für  sehr  möglich  gehalten.  Der  Platz  der 
Götter  wird  durch  die  Blicke  der  Kinder  bestimmt,  sie  standen 
links  und  rechts  in  der  Höhe.  Wenn  wir  uns  die  Gruppe  an 
einer  von  der  Natur  gegebenen  Lokalität  wie  ein  Hantrelief 
aufgestellt  denken,  die  Götter  zu  beiden  Seiten  das  Ganze  ein- 
rahmend und  abschliessend,  so  liesse  sich  doch  vielleicht  eine 
künstlerisch  befriedigende  Gomposition  gewinnen. 


•  \ 


i 


Mythologische  Darstellungen.  245 

Dass  die  Florentinische  Statuenreihe  nicht  als  ein  Original- 
werk zu  betrachten^  wird  schon  aus  dem,  was  oben  über  die 
doppelt  erhaltene  Tochter  bemerkt  wurde,  deutlich  sein.  Im 
Stil  des  Nackten  und  der  Gewandung  giebt  sich  die  Hand 
eines  römischen  Copisten  und  zwar  nicht  aus  der  besten  Zeit 
zu  erkennen.  Es  sind  aber  Unterschiede  zwischen  den  ein- 
zelnen Figuren.  Die  erste  und  zweite  Tochter  z.  B.  können 
nicht  von  demselben  Künstler  verfertigt  sein,  sie  verrathen  einen 
ganz  verschiedenen  Geschmack,  hier  mehr  Einfachheit,  dort 
eine  Ueberfüllung  mit  kleinlichem  Detail. 

Die  Florentiner  Gruppe  wird  allgemein  als  die  Copie 
emes  von  Plinius  erwähnten  in  Rom  in  einem  apollinischen 
Heiligthum  befindlichen  Werkes  angesehen,  von  dem  man 
zweifelte,  ob  es  dem  Scopas  oder  Praxiteles  angehöre.  So- 
viel ist  allerdings  wahrscheinlich,  dass  das  Original  einer 
athenischen  Kunstschule  angehört  —  die  Verwandtschaft  mit 
den  erhaltenen  Skulpturen  ist  auch  in  der  Copie  noch  er- 
kennbar —  und  femer,  dass  es  um  die  Mitte  des  vierten 
Jahrhunderts  entstanden  ist.  Der  dramatische,  pathetische 
Charakter  der  Gruppe,  der  sich  auch  in  den  Köpfen  lebendig 
ausspricht,  ist  jener  Zeit  eigenthümlich,  in  den  Werken  vom 
Mausoleum  haben  wir  ein  Werk  ganz  verwandter  Art.  Es 
befindet  sich  unter  letzteren  auch  ein  colossaler  Kopf,  der 
demjenigen  der  Niobe  sehr  nahe  steht.  Indessen  den  Cha- 
rakter eines  bestimmten  Künstlers  wiederzuerkennen,  dazu 
fehlt  es  uns  an  Mitteln,  ja  wir  müssen  es  dahingestellt  sein 
lassen,  ob  einer  von  jenen  beiden  Künstlern  die  Gruppe  ver- 
fertigt hat,  denn  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  ungefähr  um  die- 
selbe Zeit  noch  eine  zweite  Gruppe  der  Niobiden  aufgestellt 
worden  ist,  nämlich  jene  oben  erwähnte  über  dem  Theater 
in  Athen  befindliche,  welche  von  Pausanias  kurz  erwähnt 
wird.  War  diese  eine  freie  Gruppe,  so  könnte  auch  diese 
als  Original  der  Florentiner  Statuen  angenommen  werden,  ohne 
dass  wir  die  Mittel  besässen,  uns  für  das  Eine  oder  Andere 
zu  entscheiden.  Es  ist  aber  auch  denkbar,  dass  die  von  Pli- 
nins  und  Pausanias  erwähnten  Werke  eine  und  dieselbe 
Gruppe  wären,  die  von  Rom  nach  Athen  zurückgegeben  oder 
an  letzterm  Ort  durch  eine  Copie  ersetzt  wäre.  Wir  be- 
wegen uns  aber  mit  diesen  Bemerkungen  unter  lauter  Mög- 
lichkeiten, einige  Sicherheit  hat  nur  die  Annahme,  dass  das 
Original  ein  Werk  attischer  Kunst  aus  dem  vierten  Jahr- 
hundert sei. 


246  Mytholog-ibche  Darstellungen. 

Das  gelehrte  Werk  von  Stai-k,  Niobe  1863,  überhebt  mich  klier 
weiteren  Nachweisungen.  Nur  muss  ich  wie  der  Text  zeigt,  der  von 
B.  Meyer  in  den  Recensionen  v.  J.  1864  gegen  Stark  gefäirten  Pole- 
mik beistimmen. 

lieber  den  Ilioneus  hat  später  Overbeck  gehandelt  in  den  Leipzig.  Ber. 
1863  p.  1  ff.,  aber  ich  kann  nicht  einmal  die  MögUclikeit  seiner  An- 
nahme zugeben,  weil  Troilus  in  der  Dichtung  und  Kunst  viel  jugend- 
licher dargestellt  wird,  als  dieser  Torso  ist.  Der  Schluss  von  Overbeck's 
Abhandlung,  in  welchem  das  Vasenbild  mit  der  sehr  ähnlichen  Figur 
des  von  seinem  Vater  bedrohten  Dryas  angeführt  wird,  lässt  mich 
übrigens  verrauthen,  dass  der  Verfasser  für  seine  Aimahme  nicht  viel- 
mehr als  die  blosse  Möglichkeit  beansprucht,  womit  ja  nichts  ge- 
wonnen ist,  denn  es  wäre  nicht  schwer,  eine  ganze  Reihe  mythologischer 
Situationen  aufzuzählen,  in  welche  dieser  Torso  hineinpassen  würde. 

430.  431.  Pasquino*.  Die  erste  Nummer  bezeichnet 
ein  Marmorfragment,  das  in  Rom  im  16.  Jahrhundert  aus- 
gegraben wurde  und  zwar  in  der  Nähe  des  Hauses,  das  ein 
Schuster,  Namens  Pasquino,  ein  durch  seine  satjTischen  An- 
griffe auf  Cardinäle  und  Päpste  berühmter  Mann  bewohnte. 
Die  Rolle,  die  der  Schuster  bei  Lebzeiten  gespielt  hatte,  ging 
nach  seinem  Tode  auf  die  am  Fundort  aufgestellte  Statue 
über,  es  wurden  nämlich  Spottverse,  von  der  Art  wie  sie  der 
Schuster  verfasst  hatte,  daran  geklebt.  Auch  den  Namen  des 
Schusters  erbte  sie  und  der  Platz,  auf  dem  sie  noch  jetzt 
allen  Witterungsschäden  ausgesetzt  steht. 

Die  zweite  Nummer  ist  ein  aus  mehreren  Copien  des 
Pasquino  zusammengesetzter  Gypsabguss.  Es  existiren  näm- 
'  lieh  mehrere  besser  erhaltene  Wiederholungen,  zunächst  zwei 
in  Florenz,  von  denen  die  eine,  die  sich  jetzt  in  der  loggia 
de'  Lanzi  befindet,  in  Rom  vor  Porta  Portese  in  einem  Wein- 
berge gefunden  und  1570  vom  Grossherzog  Gosmus  I.  ange- 
kauft ist.  Restaurirt  wurde  diese  Gruppe  —  es  fehlten  an 
dem  Todten  beide  Arme  und  der  linke  Arm  an  der  andern 
Figur  —  unter  Ferdinand  ü.  von  Pietro  Tacca  und  nach  den 
Modellen  desselben  wurden  die  fehlenden  Theile  von  Lodovico 
Salvetti  in  Stein  gehauen.  Die  zweite  Florentinische  Gruppe, 
die  jetzt  im  Hof  des  Palastes  Pitti  steht,  stammt  auch  aus 
Rom,  aus  Nachgrabungen  in  dem  jetzt  zum  Theater  einge- 
richteten Mausoleum  des  Augustus  und  wurde  dem  Gross- 
herzog Cosmus  I.  von  Paolo  Antonio  Soderini,  Bürger  voa 
Florenz,  zum  Geschenk  gemacht.  An  dieser  Gruppe  fehltea 
die  Beine  und  der  linke  Arm  der  stehenden,  Kopf,  Arme  und 


*  Im  Saale  d«!s  Barberinischen  Fauns  n.  17  u.  4. 


i 


Mythologische  Darstellungen.  247 

Beine  der  liegenden  Figur^  ein  unwissender  Ergänzer  hat  un- 
gehörige Zuthaten   hinzugefügt;    ja    die   ganze   Stellung   der 
Gruppe  verändert.    Ausserdem  sind  um  das  Jahr  1772  bei 
einer  durch  Gavin  Hamilton  in  der  Villa  Hadrians  bei  Tivoli 
veranstalteten   Ausgrabung   Fragmente    einer   dritten  Gruppe 
zum  Vorschein  gekommen  ^   nämlich  der  Kopf  der  stehenden 
und  die  Beine  (vom  Knie  abwärts)  der  liegenden  Figur.    Diese 
befinden  sich  jetzt  im  Vatikan.   Aus  den  drei  genannten  mehr 
oder  weniger  verstünunelten  Gruppen  hat  nun  vor  etwa  30 
Jahren  der  Florentinische  Bildhauer  Ricci  ein  Ganzes  in  der 
Art  zusanmiengesetzt;  dass  er  das,  was  an  der  einen  Gruppe 
fehlte^  von  der  andern  entnahm,  und  von  dieser  Form  besitzt 
das  Neue  Museum  als  Geschenk  des  Grossherzogs   von  Tos- 
kana einen  der  wenigen  vorhandenen  Abgüsse.    An   diesem 
sind  an  der  stehenden  Figur  die  Beine  von  dem  ersterwähnten 
Florentinischen  Exemplare,  das  üebrige  von  dem  zweiten  ent- 
lehnt, der  linke  Arm,  der  in  beiden  antiken  Exemplaren  fehlte, 
ist  nach  der  Restauration  des  Tacca  geformt.    An  der  liegen- 
den Figur  sind  Kopf  und  Schultern  von  der  ersten,    Torso 
und  Schenkel   von   der   zweiten   Florentinischen  Gruppe   ge- 
nommen,  die  Beine   von   dem   vatikanischen  Fragment,  und 
die  Arme,  die  nirgends  antik  erhalten,  von  der  Restauration 
des  Tacca.     Vor  Ricci  hatte  Rafael  Mengs  einen   ähnlichen 
Plan  aber  unter  minder  günstigen  Verhältnissen  unternommen, 
wie  eine  Vergleichung  des  Abgusses  von  Mengs  in  Dresden 
zeigt,  jedenfalls  ist  das  Werk  von  Ricci  am  besten  geeignet, 
eine  Vorstellung  von  der  ursprünglichen  Composition  der  Gruppe 
zu  geben,  —  bis  auf  einen  nicht  unwichtigen  Punkt. 

An  den  Florentinischen  Exemplaren  hat  nämlich  der  Kopf 
der  stehenden  Figur  eine  andere  Haltung   als  am  Pasquino 
und  am  vatikanischen  Fragment,   wo  er  eine  Seitenwendung 
macht  mit  einem  Blick  nach  oben.    Es  fragt  sich,  auf  welcher 
Seite  das  Ursprüngliche  bewahrt  ist.    Alle  Wahrscheinlichkeit 
ist  dafür,  dass  wir  den  Pasquino  als  der  ursprünglichen  Com- 
position entsprechend  zu  betrachten  haben.     Schon  die  Vor- 
zöglichkeit  der  Ausführung  erweckt  für  ilm  die  Präsumption 
^  grösseren  Treue,   aber   die   Gruppe  gewinnt  auch  nicht 
wenig  durch  die  Wendung  des  Kopfes.    Einmal  formell,  in- 
*ofeni  dadurch  dem  Ueberhängen  der  Gruppe  nach  vorn  ent- 
gegengewirkt wird,  dann  aber  auch  für  die  Empfindmig,  in- 
sofern das  Benehmen  des  Blriegers  dadurch  viel  inniger  und 
*<^tener  erscheint.     Nur   im   Hinblick   auf  die   Haltung   des 


248  Mythologische  Darstellungen. 

Kopfes  an  den  Florentinischen  Statuen  konnte  man  die  Mei- 
nung aussprechen^  dass  der  Held  sich  umschaue  nach  HQlfe^ 
vielmehr  vergisst  er,  wie  der  Pasquino  zeigt,  sich  seihst  und 
hebt  klagend  seinen  Blick  zu  den  Göttern,  klagend  um  die  hin- 
sinkende Jugendschönheit  seines  Freundes. 

Ausserdem  lässt  sich  nur  noch  darüber  zweifeln,  ob  der 
linke  Arm  der  stehenden  und  der  rechte  der  liegenden  ganz 
richtig  ergänzt  sind.  Auf  den  geschnittenen  Steinen,  auf 
denen  diese  Gruppe  nicht  selten  wiederholt  ist,  trägt  die  erstere 
Figur  am  linken  Arm  einen  Schild  mit  oder  ohne  Speer,  der 
vielleicht  auch  für  die  Marmorgruppe  vorauszusetzen  ist. 
Nach  der  jetzigen  Restauration  begreift  man  wenigstens  nicht 
recht,  warum  der  Krieger  nicht  beide  Arme  gebraucht,  um 
seinen  Freund  emporzuheben.  Auch  würde  der  Schild  und 
Speer  am  Arme  des  zu  Hülfe  eilenden  Kriegers  die  Situation 
der  Gruppe  noch  lebendiger  veranschaulichen. 

Zur  Zeit  der  Auffindung  der  Gruppe,  als  man  die  alte 
Kunst  aus  römischer  Geschichte  und  Sitte  zu  erklären  pflegte^ 
galten  die  Figuren  als  Gladiatoren,  es  ist  längst  erkannt,  dass 
griechische  Heroen  dargestellt  sind.  Nun  bemerkt  man  an 
dem  Todten  der  einen  Florentinischen  Gruppe  eine  Wunde 
unter  der  rechten  Brust  und  an  dem  vatikanischen  Fragment 
eine  zweite  zwischen  den  Schultern,  wodurch  wahrscheinlich 
wird,  dass  der  Todte  ursprünglich  diese  beiden  Wunden  hatte» 
Das  sind  aber  gerade  die  beiden  Wanden,  die  Patrokios  nach 
der  nias  erhielt,  die  eine  von  Hektor,  die  andere  von  Eu-, 
phorbus,  und  so  hat  man  den  Todten  Patroklus  genannt  und 
die  andere  Figur  Menelaos,  da  dieser  eben  die  Leiche'  de» 
Patroklus  aus  dem  Kampf  trug. 

Diese  Erklärung  ist  die  wahrscheinlichste,  es  wäre  eigen- 
thümlich,  wenn  die  Uebereinstimmung  der  Wunden  mit  der 
homerischen  Dichtung,  worauf  sie  sich  stützt,  zufällig  wäre» 
Sie  entspricht  aber  auch  im  Uebrigen  dem  Homer,  während 
eine  andere  Erklärung,  die  den  Menelaos  Ajax  nennt  (der 
Todte  ist  dann  entweder  Patroklus,  wobei  man  anninmit^  der 
Künstler  habe  sich  nicht  genau  an  Homer  gehalten,  oder 
Achill)  die  Vorstellung,  die  der  Grieche  sich  unter  dem  Vor- 
gang seiner  Dichter  von  Ajax  gebildet  hatte,  wenig  zu  be- 
achten scheint.  Denn  wenn  Sophokles  den  Ajax  al6  einen 
Mann  charakterisirt,  der  die  laute  Klage  als  Zeichen  eines 
feigen  Herzens  ansieht,  wie  sollte  wohl  der  Mann,  den  wir 
in  der  Pasquinogruppe  im  vollsten  Schmerz  zu  den  GOttem 


Mythologische  Darstelhmgen.  249 

klagen  sehen;  den  Ajax  vorstellen  können?  Ajax  ist  unter 
allen  griechischen  Helden  gerade  der  trotzigste  und  härteste^ 
welchem  die  Thräne  fast  als  eine  Schande  des  Mannes  gilt. 
Ihn  würden  wir  in  diesem  Moment  eher  in  Zorn  und  Wuth 
als  in  so  tief  ergreifender  Klage  vor  uns  sehen.  Und  so 
schildert  ihn  auch  Homer^  während  Menelaos,  wie  es  an  der- 
selben Stelle  heisst,  mit  grossem  Schmerz  in  der  Seele  um 
Patroklns  kämpft.  Wem  aber  die  Gestalt  des  Helden  zu 
kräftig  scheinen  sollte  ffir  Menelaos^  der  halte  sich  nicht  an 
die  Charakteristik  desselben  bei  den  Tragikern,  sondern  bei 
Homer^  wo  er  nichts  weniger  als  ein  Feigling  ist.  Mit  die- 
sem Einwand  ist  es  übrigens  eine  eigene  Sache,  wir  besitzen 
zu  wenig  vergleichbare  Werke,  um  das  Maass  der  Kraft  be- 
stimmen zu  können,  die  man  den  verschiedenen  Helden 
beilegte. 

Die  Gruppe  ist  ein  wundervolles  Bild  antiker  Hölden- 
freundschaft,  sie  ist  schöner  als  die  homerische  Schilderung, 
weil  in  dieser  der  gewählte  herrliche  Moment  nirgends  be- 
sonders markirt  ist,  •  noch  die  edle  Empfindung  des  Mene- 
laos  so  ergreifend  ihren  Ausdruck  gefunden  hat.  Nach  des 
Kflnstlers  Absicht  sollen  wir  uns  denken,  dass  MeDelaos  dem 
Patroklus  gerade  im  Moment  des  Falles  zu  Hülfe  eilt,  dass  er 
ihn  auffängt  mit  Anspannung  aller  Kräfte,  während  zugleich 
der  tiefst»  Schmerz  sich  aus  seiner  Brust  emporringt. 

Zugleich  ist  die  Gruppe  so  charakteristiseh  für  das  Wesen 
griechischer  Helden.  Wilder,  trotziger,  thränenloser  sind  die 
Helden  des  Nordens,  weicher,  menschlicher,  natürlicher  die 
Hellenen.  Und  auch  den  Tod  des  Hellenen  stellt  die  grie- 
chische Kunst  elegischer,  wehmüthiger  dar,  als  den  des  Bar- 
haren.  Es  ist  als  ob  dem  Künstler  die  homerischen  Verse 
vorgeschwebt  hätten: 

U'r;ct)  <f  ix  ^e^ieov  nxafxht}  ^A'iöoqöe  ßeßi]xeL 
ov  noTfiov  yo6(oaa^  Xinoto'  aÖQOxflxa  xal  'tißtjv. 

Die  Composition  der  Gruppe  ist  von  der  höchsten  Schön- 
st; was  formell  wirksam  ist,  wirkt  doch  zugleich  für  den 
KMtten  Ausdruck.     Wie   schön   ist   an   dem  Todten,   dessen 
^       schlaffe  Glieder    in   wirkungsvollem   Gegensatz    zu    der   An- 

i^Piünmng  im  Köi-per  des  Menelaos  stelm,  der  hängende  Arm, 
^  formell  die  Gruppe  aufs  Beste  abschliesst  und  zugleich 
^cn  jfsoig  hinstreckenden"  Tod  so  eindringlich  macht!  Dass 
^^•troklns  nackt   dargestellt    ist,  wird    schwerlich    aus   dem 


250  Mythologische  Darstellungen. 

Homer  zu  erklären  sein,  wo  durch  den  Schlag  des  Apollo 
dem  Patroklus  die  Waffen  vom  Leibe  fallen,  vielmehr  ist  es 
die  gewöhnliche  Erscheinung  der  Heroen,  die  hier,  wo  es 
darauf  ankam,  einen  lebendigen  Eindruck  der  hinsterbenden 
Jugendschönheit  zu  geben,  doppelt  nothwendig  war.  Aach  in 
der  Tracht  des  Menelaos  erinnert  wohl  Helm  und  Schwert 
an  die  Situation,  im  Uebrigen  ist  sie  aber  ganz  frei  künst- 
lerisch behandelt,  das  Gewand  ist  nur  darum  da,  damit  sich 
die  nackten  Formen  des  Todten  besser  abheben.  An  dem 
Helm  ist  Herakles  im  Centaurenkampf  dargestellt,  wobei  wir 
dahin  gestellt  sein  lassen,  ob  irgend  eine  Beziehung  dieses 
Gegenstandes  auf  den  Träger,  die,  mag  man  ihn  für  Ajax  oder 
Menelaos  halten,  nicht  ohne  Eünstlichkeit  herausgebracht 
werden  kann,  obwaltet  oder  nicht.  Näher  liegt  jedenfalls  die 
Annahme,  dass  der  Künstler  zu  der  Wahl  dieser  Kampfscene 
—  denn  eine  Kampfscene  überhaupt  zu  wählen  zum  Schmuck 
eines  Helmes  ist  natürlich  —  veranlasst  sei  durch  die  Form 
des  zu  verzierenden  Baumes,  für  welchen  gerade  diese  Gruppe 
sehr  geeignet  ist.  Auch  in  den  übrigen  Verzierungen  des 
Helms,  —  am  Schirm  befindet  sich  ein  zu  einem  schlangen- 
schwänzigen  Adler  restaurirter  Greif,  und  über  den  Backen- 
klappen 'eine  nicht  recht  bestimmbare  Bestie  mit  einem  Vogel 
im  Maul  —  wird  schwerlich  eine  specielle  Beziehung  auf  den 
Träger  des  Helms  herausgefunden  werden  können.« 

Hinsichtlich  der  Zeitbestimmung  ist  klar,  dass  diese 
Gruppe  nicht  eher  entstehen  konnte,  als  die  Kunst  sich  an 
die  Darstellung  eines  mächtig  ergreifenden,  dramatischen  Pa- 
thos gewagt  hatte,  d.  h.  nicht  vor  dem  4.  Jahrhundert.  Aber 
ist  es  möglich,  sie  näher  zu  fixiren? 

Es  ist  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  die  Gruppe  dem 
Laokooh  verwandt  sei.  Schwerlich  mit  Recht.  Wir  wenig- 
stens können  nur  eine  äusserliche  Aehnlichkeit  bemerken, 
während  die  Pointe  beider  Darstellungen  ganz  verschieden  ist, 
denn  dort  handelt  es  sich  um  Darstellung  eines  rein  körper- 
lichen Schmerzes,  während  hier  der  tiefste  Seelenschmerz  zum 
Ausdruck  kommt.  Dagegen  scheint  uns  die  Niobegruppe  sehr 
verwandt  zu  sein,  wo  die  Mutter  um  ihre  sterbenden  Kinder 
klagt,  wie  hier  der  ältere  Freund  um  den  hingerafften  Jüng- 
ling. Der  Schmerz,  der  tiefste  Schmerz  um  geliebte  in 
blühender  Jugend  hinsterbende  Wesen  ist  die  Seele  beider 
Darstellungen  und  in  beiden  gleich  ergreifend  ohne  die  leiseste 
Zuthat  eines  falschen  Pathos  dargestellte    Und  betrachten  wir 


Mythologische  DarsteUung-en.  251 

nmi  die  grossartige  Anlage^  die  mächtigen  Formen  des  Mene- 
laos,  besonders  aber  die  noch  gut  erhaltene  rechte  Seite  des 
Pasquino^  wo  ein  so  polsirendes  und  schwellendes  Leben  be- 
merkbar ist;  wie  man  es  nur  an  griechischen  Werken  edeln 
Stils  bemerkt;  so  wird  die  Annahme  nicht  gewagt  erscheinen; 
der  Pasquino  stanmie  aus  derselben  Kunstrichtung;  aus  wel- 
cher die  Niobegruppe  und  die  Skulpturen  vom  Mausoleum 
hervorgegangen  sind.  Aus  den  Darstellungen  einer  unten  zu 
erwähnenden  Silberschaale  (n.  497)  werden  wir  einen  weiteren 
ßeweis  für  diesen  Ansatz  entnehmen. 

Bemini  erklärte  den  Pasquino  für  die  schönste  aller  zu 
seiner  Zeit  vorhandener  Antiken;  die  Vergleichung  des  zu- 
sammengesetzten Gypsabgusses  ist  sehr  geeignet;  seine  hohe 
Vortrefflichkeit  ins  rechte  Licht  zu  setzen.  Vernmthlich  ist 
er  ein  Originalwerk. 

Der  Pasquino  ist  al)g:.  bei  Visconti  Op.  var.  1.  tav.  15  p.  172  ff. 
Vgl  Pio-Clem.  VI  tav.  18.  19  p.  111  ff.  Scholl  Archaeol.  Mitth.  aus 
(iriechenland  p.  121.  ürliclis  in  den  Jahrb.  d.  Vereins  von  Alterthums- 
fremiden  im  Rheinland  1867  p.  224.  Die  weitere  Literatiu-  bei  Welcker 
i\kad.  Mus.  n.  135.  Der  im  Text  bestrittene  Zeitansatz  ist  von  Heibig 
Imllet.  1864  p.  66  Arch.  Anz.  64  p.  197  angenommen.  Ueber  den  zu- 
ttfflmengesetzten  Gypsabguss  vgl.  Kugler's  Museum  für  bild.  Kunst  V. 
p.  113  ff. 

432.  Amazone*;  Marmorfragment  im  Hof  von  Palast 
Borghese  in  Rom.  Der  am  Original  befindliche  rechte  Arm  ist 
nicht  antik  und  daher  auch  nicht  mit  abgeformt. 

Die  Figur  ist  von  ihrem  Pferd  herabgesunken  zu  denken; 
mit  der  Rechten  den  Zügel  noch  festhaltend;  so  dass  sie  also 
geschleift  wird.  Man  könnte  auch  daran  denken;  dass  sie 
nach  einem  in  Amazonenkämpfen  sehr  gewöhnlichen  Motiv 
von  einem  hinter  ihr  befindlichen  Krieger  am  Kopf  gefasst 
nnd  fortgerissen  würdC;  allein  dann  würde  sie;  was  hier  wegen 
des  Hehns  nicht  der  Fall  gewesen  sein  kanu;  am  Haar  ge- 
to  seiU;  auch  ist  dazu  die  ganze  Stellung  doch  zu  wider- 
standslos. 

Die  hellenische  Tracht  und  Bewaffnung  der  Amazone  ist 
die  in  der  Plastik  gewöhnlichere;  nur  reicht  das  Gewand  länger 
^b  als  sonst  üblich.  An  dem  breiten  von  der  rechten  Schulter 
2W  linken  Hüfte  laufenden  Bande  hing  das  Schwert;  dessen 
Eostenz  durch  eine  noch  erhaltene  Stütze  gesichert  ist. 


^  Im  Niabidensaal  n.  112. 


252  Mythologische  Darstellungen. 

Der  grossartige  Charakter  und  ergreifende  Ansdnick 
lassen  dieses  Werk  als  der  griechischen  Kunstblüthe  ange- 
hörig  erkennen^  doch  ist  die  Ausführung  nicht  sehr  sorgfältig. 
Der  am  Kücken  herabhängende  Mantel  fliesst  ununterschieden 
mit  den  Falten  des  Untergewandes  zusammen. 

V^l.  Welcker  A.  D.  5,  83.     Schulz  Amazonenvase  p.  4  (wo  aber 
das  Motiv  missverstanden). 

433.  Juno*,  Marmorkopf  in  Villa  Ludovisi.  Die  Nasen- 
spitze ist  ergänzt. 

Das  Einzelne  dieses  schon  von  Winckelmann  als  schönsten 
aller  Junoköpfe  gepriesenen  Werks  ist  schon  bei  der  Farnesischen 
Junobüste  (n.  89)  berührt.  Der  Unterschied  beider  Köpfe  liegt 
darin,  dass  jener  eine  herbe  Göttlichkeit  darstellt,  während  sich 
hier  Göttliches  und  Menschliches  wunderbar  mischt.  Die  Zeit  und 
der  Künstler,  der  jenen  geschaffen,  dachte  strenger  und  ernster 
von  den  Göttern,  als  der  Bildner  der  Ludovisischen  Göttin^ 
dem  die  menschliche  Schönheit  weniger  gleichgültig  war.  Jener 
steht  religiös  höher,  dieser  künstlerisch,  und  so-  sind  diese 
beiden  Köpfe  würdige  Repräsentanten  zweier  Perioden  sowohl 
der  Kunst-  als  Religionsgeschichte.  Wie  weit  entfernt  wir 
den  einen  vom  andern  anzusetzen  haben,  ist  freilich  schwer 
zu  sagen,  doch  muss  uns  der  Umstand,  dass  die  Juno  des 
Polyklet,  die,  mag  nun  die  Famesische  Büste  ihr  entsprechen 
oder  nicht,  jedenfalls  viel  strenger  war,  erst  in  den  letzten 
Decennien  des  5.  Jahrhunderts  entstanden,  bestinmien,  den 
Ludovisischen  Kopf  erst  dem  4.  Jahrhundert  zuzuschreiben. 
Letzterer  ist  aber  nicht  eine  blosse  Umbildung  des  älteren 
Typus  in  den  Stil  einer  späteren  Zeit,  sondern  eine  selbstftn- 
diffe  Schöpfung.  Unsere  Nachrichten  über  die  griechischen 
Kunstler  sind  zu  lückenhaft,  als  dass  wir  daran  denken 
könnten,  in  ihnen  den  Künstler  dieser  Juno  wiederzufinden, 
nur  das  wird  man  vermuthen  dürfen,  dass  der  Künstler  ein 
Athener  war.  Gerade  in  attischen  Werken  finden  wir  so  volle 
und  stolze  Formen  wieder,  wie  sie  dieser  Kopf  zeigt. 

Berühmt  sind  Schiller's  Worte  über  diesen  Kopf  im  fünf- 
zehnten Brief  über  die  ästhetische  Erziehung  des  Menschen- 
geschlechts: Es  ist  weder  Anmuth,  noch  ist  es  Würde,  was 
ans  dem  herrlichen  Kopf  einer  Juno  Ludovisi  zu  uns  spricM; 
es   ist   keines   von  beiden,   weil  es  beides  ist.     Indem  der 


*  Im  Niobidcnsaal  n.  39. 


Mytliologische  Darstellungen.  253 

weibliche  Gott  unsre  Anbetung  heischt^  entzündet  das  gott- 
gleiche Weib  unsere  Liebe,  aber  indem  wir  uns  der  himm- 
lischen Holdseligkeit  aufgelöst  hingeben,  schreckt  die  himm- 
lische Selbstgenügsamkeit  uns  zurück.  In  sich  selbst  ruht  und 
wohnt  die  ganze  Gestalt,  eine  völlig  geschlossene  Schöpfung 
nnd  als  wenn  sie  jenseits  des  Raumes  wäre,  ohne  Nachgeben, 
ohne  Widerstand:  da  ist  keine  Kraft,  die  mit  Kräften  kämpfte, 
keine  Blosse,  wo  die  Zeitlichkeit  einbrechen  könnte. 

Dass  der  Kopf  seinem  Stil  nacli  später  sei  als  Polyklet,  ist  schon 
von  Meyer  aiis  der  Vergleichung  der  Mattei'schen  Amazone  sehr  richtig 
geschlossen.  Meyer  z.  Winck.  p.  467  d.  Ausg.  v.  Eiselehi.  Die  übrige 
Literatur  bei  Kekule  Hebe  p.  68  ff.,  wo  auch  die  beste  Abbildung  ge- 
geben ist. 

434.  Junostatue*,  von  Marmor,  in  Ephesus  gefunden 
und  vor  etwa  40  Jahren  nach  Wien  gebracht,  wo  sie  sich 
in  der  Kunstakademie  befindet. 

Diese  Statue  ist  das  schönste  Exemplar  eines  oft  wieder- 
holten Junotypus,  der  sich  schon  durch  die  Stellung,  nament- 
lich durch  den  imponirend  ausgestreckten  rechten  Ann,  der 
em  Scepter  hielt,  während  für  die  Linke  eine  Schaale  voraus- 
zusetzen, zu  erkennen  giebt.  Der  Kopf  trug,  wie  aus  den 
besser  erhaltenen  Wiederholungen  hervorgeht,  eine  Stirn- 
krone, wodurch  die  Beziehung  der  Figur  auf  Juno  vollends 
gesichert  ist. 

Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  wir  in  dieser  Statue  ein 
Werk,  das  der  griechischen  Kunstblüthe  nahe  steht,  vor  uns 
haben.    Das  Nackte    der  Brust   ist    so    lebensvoll  behandelt 
tmd  das  leinene  Untergewand  hat  so  scharf  gebrochene  Falten, 
wie  es  in  der  besten  Zeit  üblich  war.     Trotzdem  muss  eine 
Eigenthümlichkeit  dieses  Untergewandes  uns  von  einem  allzu 
Mien  Ansatz  abhalten.     Es  liegt  nämlich  an  einigen  Stellen 
80  glatt  und  faltenlos  am  Körper,  dass  sogar  der  Nabel  durch- 
scheint Wir  fanden  diese  immer  etwas  raffinirte  Behandlimg 
des  Gewandes    zuerst    am    Fries    des   Erechtheums,   sie   ist 
tlhrigens  nicht  bei  allen  Figuren  gleichmässig  zur  Anwendung 
gekommen.   An  Darstellungen  der  Venus  und  an  Bacchantinnen 
Kt  sie  nicht  selten  und  leicht  verständlich,  während  ich  mich 
z-  B.  keiner  Pallas  mit  ähnlicher  Gewandung  erinnere. 

Vgl  Kunstblatt  1838  p.  137.  Welcker  Akad.  Mus.  p.  88  und  die 
FtTDesische  Junostatue  in  Neapel  bei  E.  Braun  Kunstmyth.  26  und  mus. 
••^n.  n,  61.    Eine  Publikation  dieses  Torso  bereitet  v.  Li'itzow  vor. 

^  Im  Griechischen  Saal  n.  224. 


254  Mythologische  Darstelhingen. 

435.  Zeus  von  Otricoli*,  Marmorkopf  im  Yatikan^ 
gefunden  bei  den  von  Pabst  Pius  VI.  in  den  letzten  Jahr- 
zehnden  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Otricoli  veranstalteten 
Ausgrabungen.  Alt  ist  nur  die  Maske  ^  und  daran  ist  nocb 
die  Nasenspitze  und  Einiges  an  den  untern  Theilen  des  Haupt- 
haares restaurirt. 

.Winckelmann  wünschte,  die  neuern  Künstler  hätten  Gott 
Vater,  statt  ihn  dem  Greisenalter  nahe  darzustellen,  in  blühen- 
der Mannesschönheit  wie  den  griechischen  Zeus  dargestellt.  Viel- 
mehr ist  es  der  christlichen  Anschauung  angemessen,  durch  das 
höhere  Alter  einmal  die  Vorstellung  des  Väterlichen  eindring- 
licher zu  betonen  und  sodann  von  den  beiden  im  Mannesalter 
verbundenen  Elementen,  der  Fülle  sinnlicher  Schönheit  und 
der  Tiefe  geistigen  Ausdrucks,  das  letztere  reiner  hervorzu- 
kehren. Das  Griechenthum  aber  stellt  alles  Göttliche  dar  in 
den  Jahren  sinnlicher  Schönheit,  es  giebt  keinen .  Greis  im 
Olymp. 

Die  Büste  ist  das  schönste  Bild  des  Zeus  unter  allen^ 
die  erhalten  sind.  Die  hohe  Stirn  erscheint  dadurch  noch 
höher,  dass  sich  die  Haare  in  einem  etwas  spitzen  Bogen 
darüber  zusammenschliessen.  Eine  runde  Begränzung  der 
Stirn  wirkt  in  mehr  anmuthiger  Weise,  während  der  spitz 
zulaufende  Bogen  die  Vertikalrichtung  betont  und  damit  den 
Eindruck  des  Erhabenen  verstärkt.  Beide  Theile  der  Stirn, 
der  obere  ebene,  den  wir  als  Sitz  des  Gedankens  fassen,  und 
der  untere  sich  vorwölbende,  in  dem  sich  Kraft  und  Energie 
ausdrückt,  sind  gleichmässig  entwickelt,  während  an  Herakles- 
köpfen der  letztere  einseitig  ausgebildet  ist.  Die  Höhenrichtung 
der  Stirn  \\ird  fortgesetzt  durch  das  Haar,  das  mähnenartig 
auf  dem  Scheitel  emporsteigt  und  dann  in  Wellenlinien  aber 
ohne  die  schlaffe  Weichheit  wie  an  Göttern  des  Wassers,  zu 
beiden  Seiten  herabfällt.  Gerade  das  Umgekehrte  charakteri- 
sirt  die  Köpfe  des  Unterweltsgottes,  dessen  Haare  nach  unten 
herabfallen  und  das  Gesicht  gleichsam  verschleiern.  Eine 
tiefe  Furche  trennt  das  Haar  vom  Gesicht,  die  das  Ganze 
höchst  wirksam  belebt  und  auch  die  reiche  Ueppigkeit  des 
wallenden  Haupthaares  anschaulich  macht.  Im  Gegensatz  zu 
den  Wellenlinien  des  Haupthaars  stehen  die  krausen  Locken 
des  Bartes,  reicher  und  üppiger  als  die  kleinen  störrigen 
Locken    der   Heraklesbärte.     Auch   theilt   sich    der  Bart   in 


*  Im  Saal  des  Barberinischeu  Fauns,  n.  19. 


Mythologische  Darstelliuigen.  255 

symmetrische  Mssseo;  die  dem  feierlichen  Eindruck  des  Zeus- 
kopfes entsprechen.  Blosse  Reihen  von  Locken  ohne  Gliede- 
nmg;  wie  an  Herakles^  oder  ein  etwas  wild  durcheinander 
geworfener  Bart^  wie  an  Poseidon,  wären  dem  Herrscher  des 
Olymps,  wenigstens  wenn  er  in  feierlicher  Ruhe  thronend  ge- 
dacht ist,  wie  hier  der  Fall  zu  sein  scheint,  nicht  angemessen. 
Und  die  durchfurchten  Wangen,  die  man  auch  an  dem  leiden- 
schaftlicheren Meergott  findet,  würden  die  Heiterkeit  des 
höchsten  Gottes  trühen. 

Früher  wurde  dieser  Kopf  als  eine  Copie  nach  dem 
olympischen  Zeus  des  Phidias  angesehen,  in  der  neuesten  Zeit 
ist  diese  Annahme  mehr  als  zweifelhaft  geworden.  Eine 
Münze  von  Elis,  die  nach  allem  Anschein  eine  Copie  vom 
Kopf  des  olympischen  Zeus  enthält,  lässt  für  das  Werk  des 
Phidias  einen  viel  strengeren  Stil  voraussetzen,  als  dieser  Kopf 
zeigt,  und  alle  aus  der  Zeit  des  Phidias  erhaltenen  Köpfe 
ftlhren  auf  denselben  Schluss.  Schon  oben  p.  165  machten 
wir  auf  den  Gegensatz  zwischen  dem  Zeuskopf  des  Parthenon- 
frieses und  dieser  Büste  aufmerksam,  es  fehlt  der  letzteren 
alles  StUisirte  und  Typische,  das  in  der  Zeit  des  Phidias 
noch  keineswegs  aufgegeben  war. 

Wir  glauben,  dass  der  Kopf  mit  seinem  vollen  üppigen 
Haar  und  mit  seinem  lebhaften  Ausdruck  mindestens  um  ein 
Jahrhundert  von  der  Zeit  des  Phidias  entfernt  ist.  Eine  so 
freie  Behandlung  des  Haars  widerspricht  der  Plastik  zur  Zeit 
•les  Phidias  ebenso  sehr,  wie  die  realistische  Ornamentik  der 
•Vrchitektur  jener  Zeit. 

Da  der  Kopf  in  carrarischem  Marmor  gearbeitet  ist,  so 
Üllt  seine  Ausführung  in  die  römische  Kaiserzeit,  gewiss  aber 
ins  erste  Jahrhundert. 

Abgr.  Visconti  mus.  Pio-Clem.  M,  1.  Müller -Wieseler  II,  1,  1. 
\?l  E.  Braun  Kunstmythol.  p.  7.  Ruinen  und  Museen  Roms  p.  414. 
leber  die  elische  Münze  und  ihr  Verhültniss  zum  Werk  des  Phidias, 
'»verbeck  in  d.  ßer.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss., 18(16  p.  173  ff.  Taf.  1. 

436.  Mars*,  Marmorstatue  in  Villa  Ludovisi.  Er- 
l?«nzt  sind  die  rechte  Hand,  der  rechte  Fuss  und  der  Schwert- 
?riff  des  Mars,  am  Eros  der  Kopf,  der  linke  Arm  mit  dem 
obem  Ende  des  Köchers,  der  rechte  Arm  zur  Htälfte  und  der 
rechte  Fuss. 


*  Der  Abguss  des  Neuen  Museums  ist   noch  nicht  aufgestellt,   ein 
^1*1  schönerer  und  vom  Original  abgenommener  befindet  sich  in  Tegel. 


256  Mythologische  Darstellungen. 

Ein  der  Figur  fremdes  Ueberbleibsel  •  auf  der  linken 
Schulter  und  der  Rest  einer  Stütze  an  derselben  Seite  weiter 
unten  zeigen,  dass  an  der  linken  Seite  des  Gottes  eine  zweite 
Figur  sich  befand,  die  wohl  niemand  anders  gewesen  sein 
kann  als  Aphrodite.  Sie  wird,  wie  es  scheint,  durch  die 
Situation  gefordert,  welche  diese  ist,  dass  Mars,  wie  das 
Schwert  in  seiner  Hand  annehmen  lässt,  in  Begriff  war,  in 
den  Kampf  zu  eilen  und  nun  sich  hat  bestimmen  lassen,  noch 
zu  verweilen  und  zu  zögern.  Der  Eros  zu  seinen  Füssen,  der 
schalkhaft  wie  in  einem  Versteck  liegt  und  von  dem  Grott 
nicht  beachtet  wird,  könnte  diese  Wirkung  nicht  motiviren, 
auch  ein  zweiter  Eros  —  wenn  wir  den  Rest  auf  der  Schulter 
von  einem  solchen  herleiten  wollten,  in  welchem  Fall  aber 
ein  bedeutenderes  Stück  von  ihm  übrig  geblieben  sein  müsste  — 
würde  das  nicht  vermögen,  sondern  nur  die  in  der  Sage  und 
Kunst  ihm  verbundene  Göttin.  Leise  wendet  der  Gott  den 
Kopf  nach  rechts,  von  der  überredenden  Göttin  hinweg,  aber 
das  ist  nur  ein  schwaches  Widerstreben,  er  ist  bereits  seiner 
eigenen  Natur  untreu  geworden,  hat  sich  niedergelassen  und 
im  Gefühl  der  Behaglichkeit  das  eine  Bein  hinaufgezogen  und 
mit  den  Händen  umfasst  —  zugleich  ein  Zug  von  üngenirt- 
heit,  der  gerade  für  Mars  sehr  angemessen  ist  —  und  ist  in 
Träumereien  versunken. 

Man  hat  mit  dieser  Statue  eine  der  Götterfiguren  an 
der  Ostseite  des  Parthenonfrieses  verglichen,  wir  bemerkten 
aber  schon  oben  p.  170,  dass  die  Aehnlichkeit  zufällig  sein 
könne.  Im  Stil  aber  ist  die  grösste  Uebereinstimmung  mit 
dem  Apoxyomenos  des  Lysippus  (n.  499),  und  namentlich  sind 
sich  die  Köpfe  der  beiden  Statuen  überraschend  ähnlich. 
Man  vergleiche  Form  und  Ausdruck  des  Kopfes  und  den 
freien  Wurf  des  Haares  und  man  wird  nicht  zweifeln,  dass 
auch  diese  Statue  aus  der  Werkstatt  oder  wenigstens  Schule 
des  Lysippus  hervorgegangen  ist.  Für  diese  Zeit  passt  auch 
die  ganze  Auffassung,  denn  die  Situation  des  Mars  ist  vom 
Standpunkt  der  frühem  Kunst  aus  nicht  mehr  ganz  würdig 
und  göttlich  zu  nennen. 

Zu  der  grossartigen,  kräftigen  Anlage  der  Figur  gesellt 
sich  eine  höchst  lebensvolle  Ausführung,  die  auf  ein  Original- 
werk schliessen  lässt. 

Abg.  Müller- Wieseler  II,  23,350.  E.  Brauns  Vorschule  der  Kunst- 
mythol.  86.  Overbeck  in  den  Verhandl.  d.  Philol.  in  Meissen  1864 
p.  221   glaubt  die  am  Mars  erhaltenen  Reste  auf  einen  zweiten  Eros 


.  ilikI  Ma»  (fi'lri'iiiilc  Figuren  uareli,  das  iu  fudi-iii  lur»  wiiiii 
iliH-h  g;ir  :iii  alisiin).  Vi'at  ilie  Ai'liulirlikcil  Aer  tlgur  niii  itein 
,-umeiiiis  bni'iffl,  ho  möi-lile  icli  hit'r  millliellcii,  dasK  kIi  tlk-  Slaiue 
rh  mit  mehreren  Biltlhaurrn  nun  t'i'flti'ii  Miilc  belrachieip,  iiud  daüs 
le  wie  Ulis  einem  Munde  iiameiillicEi  die  Aeliiiliilikeii  de»  Kopfes 
leni  des  Apnxyunieiios  llerviirliobeii.  Aui'li  Wekktr  isl  ilieetT 
ug  A.  D.  5,  «2. 

437,  Bacchus*,  Mannorforso,  mit  der  Farnesisehen 
ilimg  vou  Rom  nacli  Neapel  gekommen. 
Die  Formen  des  Körpers,  die  weichen  und  gelöst  herab- 
.den  Locken,  die  Spuren  der  hinten  herabhängenden 
binde  rechtfertigen  die  Benennung  Bacchus.  Die  Wen- 
nach rechts,  die  der  Kopf,  Rumpf  und  rechte  Ann 
en,  scheint  darauf  zu  führen,  dass  eine  zweite  Figur  an 
r  Stelle  stand,  doch  fehlt  eine  völlig  übereinstimmende 
pe,  nach  welcher  der  Torso  restaurirt  werden  könnte. 
Saiich  bemerkt  man  den  Ansatz  einer  Stütze,  die  wohl 
rechten  Arm  trug.  Die  Haut  ist  an  den  meisten  Stellen 
mehr  erhalten. 

Dieser  Torso  mit  seiner  schwellend  weichen  und  elasti- 
,  Darstellung  des  Fleisches  —  man  sehe  besonders  den 
rechten  Arm  gepressten  Theil  der  Brust  —  ist  gewiss 
>rigiiialncrk.  Die  Formen  spielen  etwas  ins  Weibliche 
ler,  doch  ohne  weichlich  zu  sein.  Es  wird  berichtet, 
Ponssin  nach  diesem  Werk  seinen  Stil  gebildet  habe. 
In  der  alten  Kunst  erfahrener  Mann,  Meyer,  der  Freund 


258  Mythologische  Darstellungen. 

Stil  vertritt,  die  weiche  Schwellung  des  Fleisches  mit  grosser 
Meisterschaft  dargestellt  wurde.  An  einen  früheren  Ansatz 
kann  nicht  gedacht  werden,  mit  späterer  Zeit  scheint  der  von 
Meyer  neben  dem  Weichen  hervorgehobene  grossartige  Cha- 
rakter der  Formen  nicht  recht  vereinbar. 

Abg.   Gerhard  Antike  ßildw.  Taf.   105,  6.     Mus.   borbon.  11,  60. 
Vgl.  Meyer  z.  Winckelnaann  V,  470  (Eiselein). 

438.    Bacchus*,   Büste  aus  Erz,  in  Herkulanom  am 
6.  Nov.  1753  gefunden  und  in  Neapel  befindlich. 

Dieser  Kopf,  den  Winckelmann  mit  Recht  als  ein  Wun- 
derwerk der  Kunst  preist,  ist  erst  in  neuester  Zeit  zh  seinem 
richtigen  Namen  gekommen.  Früher  glaubte  man  darin  das 
Porträt  eines  Weisen,  namentlich  des  Plato,  zu  erkennen. 
Allein  der  Ausdruck  sowie  die  Anordnung  des  Haars  wider- 
sprechen einem  Porträtkopf,  von  Plato's  Kopf  besitzen  wir 
zudem  mehrere,  ganz  abweichende  Darstellungen.  Es  ist 
vielmehr  ein  Kopf  des  Bacchus  nach  älterem  Typus,  wo  der 
Oott  gewöhnlich  vollständig  bekleidet  —  daher  auch  hier  der 
Ansatz  des  Gewandes  auf  der  Brust  —  und  im  reifem  Alter 
dargestellt  wird.  Statt  des  weich  schwärmerischen  Jünghngs 
tritt  uns  hier  eine  grossartige,  wenn  auch  leidende,  Knüft 
entgegen,  die  sich  besonders  in  der  mächtigen  Form  des 
Nackens  ausspricht.  Der  Ausdruck  des  Leidens  aber,  des 
Ueberwältigtseins,  äussert  sich  sehr  ergreifend  in  der  Neigung 
des  Kopfes  und  in  der  Linie  über  dem  Auge,  und  auch  in 
den  Backen  ist  deutlich  ein  Zustand  der  Erschlaffung  ausge- 
drückt. Wenn  in  der  Gestalt  des  jugendlichen  Bacchus  die 
Wirkung  des  Weins  dargestellt  wird,  so  sieht  man  ihn  gewöhn-  m 
lieh  wenn  auch  mit  einem  melancholischen  Zusatz,  doch  seinea  ^ 
Alter  entsprechend  in  einer  seligeren  Stinmumg,  hier  dagegen 
ist  der  Zug  der  Trauer  und  Ermattung  stärker  hervorgehoben. 

Den  Dionysos  charakterisirt  die  breite  Kopfbinde,  dis 
ihm  nebst  den  künstlichen  Locken,  die  besonders  gearbeitet 
und  dann  angelöthet  sind,  einen  weichlichem  Charakter  giett 
Das  Haar  ist  aufs  Strengste  stilisirt,  „in  Furchen  gezoga 
wie  man  mit  dem  feinsten  Kamm  machen  könnte.^  Jkt 
Bartausschnitt  über  dem  Kinn  findet  sich  nicht  selten  tt 
Köpfen  des  alterthümlichen  oder  wenigstens  strengen  Stil^ 
wie  schon  oben  (p.  77)  bemerkt  wurde. 


*  Im  Saal  der  Tliiere  und  Broncen  n.  239. 


Mythologische  Darstellungen.  259 

Die  strenge  Stilisirung;  die  dem  allerdings  bedenklichen 
Motiv  —  schon  im  Alterthum  nahm  man  Anstoss  an  der 
Darst^Uong  des  trunkenen  Dionysos  —  möglichst  entgegen- 
wirkt,  giebt  in  Verbindung  mit  dem  grossartigen  Charakter 
des  Ganzen  zugleich  Aufschluss  über  die  Entstehungszeit  des 
Werks.  Dass  es  ein  Originalw^rk  sei,  können  wir  nicht 
glauben,  schon  deswegen  nicht,  weil  der  Kopf  offenbar  nicht 
als  Kopf  concipirt,  sondern  nur  Theil  einer  ganzen  Statue  ist. 
Aber  es  ist  gewiss  eine  sehr  genaue  Copie  eines  griechischen 
Werks,  das  nicht  später  entstanden  sein  kann,  als  in  der 
Mitte  des  vierten  Jahrhunderts.  Bis  dahin  lässt  sich  nämlich 
im  Stil  der  Broncen  die  strenge  Stilisirung  des  Haars  ver- 
folgen, mit  Lysippus  aber,  zur  Zeit  Alexander's,  trat  ein  an- 
deres Princip  auf.  Da  nun  aber  der  pathetische  Ausdruck 
des  Kopfes  in  das  fünfte  Jahrhundert  zurückzugehen  verbietet, 
so  scheint  das  Original  desselben  in  die  Kunstrichtung  des 
Skopas  und  Praxiteles  hineinzugeboren,  die  eben  bald  in  einer 
mehr  grossartig  bewegten,  bald  in  zart  schwärmerischer  Weise 
die  Grestalten  des  Dionysos   und  seines  Gefolges  darstellten. 

Abg.  bronzi  d'Ercolano  I,  27.  28.     Mus.  borboii  I,  46.     \'gl.  Ar- 
chaeol.  Ztg.  1862  p.  229  ff. 

439.  Bacchantin*,  Marmorfigürchen,  in  Smynia  zum 
Torschein  gekommen,  früher  im  Besitz  des  Engländers  Mil- 
lingen,  in  wessen  Händen  es  sich  gegenwärtig  befindet,  ist 
ans  unbekannt.  • 

Die  Bewegung  und   der  Gesichtsausdruck,  die  hinten  an 
der  Grewandung  erhaltene  Löwentatze  und  endlich  eine  über- 
einstimmende Figur  einer  griechischen  Vase  lassen  nicht  zwei- 
feln,  dass   in  dieser  Figur   eine  Bacchantin   dargestellt  sei 
Denn  die  auf  dem  Gewände  zurückgebliebene  Löwentatze  kann 
wohl   nicht    anders    erklärt   werden,   als    dass   sie    dem  Fell 
eines  verfolgenden   Satyrs   angehörte.     Der   linke   Arm   der 
Bacchantin  war  ziemlich  horizontal  ausgestreckt,  während  der 
rechte  gesenkt  und  gewiss  von  dem  Satyr  gefasst  war. 

Man  hat  sich  nach  dieser  Bacchantin  die  berühmte  Mä- 
nade  des  Skopas  zu  vergegenwärtigen  gesucht,  die  auch  eine 
in  wilder  Raserei  dahinstürmende  Figur  war.  Von  einer 
Uebereinstimmung  im  Einzelnen  kann  freilich  nicht  die  Rede 
sein,  schon  deswegen  nicht,  weil  diese  Figur  wie  wir  sahen 


•  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  170. 

17* 


260  Mythologische  DarsteUnngen. 

ZU  einer  Gruppe  gehört,  aber  ihrer  Auffassung  nach  scheinen 
die  beiden  Werke  sich  nahe  zu  stehn.  Durch  zwei  an  den  äl- 
teren Darstellungen  der  Bacchantinnen  bemerkbare  Eigenschaften 
zeichnet  sich  wenigstens  auch  diese  Figur  aus,  zunächst  ist 
nämlich  bei  aller  Lebendigkeit  der  Bewegung  doch  eine  gewisse 
Strenge  gewahrt,  indem  z.  B.  die  Falten  über  dem  Oberkörper 
kaum  ihre  natürliche  Lage  verändert  haben.  Sodann  ist  die  Dar- 
stellung noch  vollkommen  keusch,  während  später  der  Körper 
der  Bachantinnen  mehr  oder  weniger  entblösst  oder  mit  durch- 
scheinenden Gewändern  bedeckt,  kurz  üppiger  und  raffinirter 
dargestellt  wird. 

Abg.  Arch.  Ztg  1849  Taf.  1.     Vgl.  Arch.  Aiiz.  1856  p.  193.    Ui- 
ichs,  Skopas  p.  62. 

440.  Jugendlicher  Satyr*,  Marmorstatue,  die  zu 
Antium  gefunden  sein  soll  und  mit  der  Chigi'schen  Sanmüong 
ins  Museum  zu  Dresden  gekommen  ist.  Ergänzt  ist  der 
rechte  Fuss. 

Das  Satyreske  ist  in  dieser  Statue  bis  zur  äussersten 
Grenze  des  Möglichen  unterdrückt,  es  beschränkt  sich  auf 
die  thierische  Bildung  der  Ohren  und  auf  die  gelinde  Strap- 
pigkeit  der  Haare.  Im  Uebrigen  ist  die  Figur  in  ihren  For- 
men und  in  ihrer  Bewegung  —  sie  schenkt  wie  die  graziösen 
Mundschenken  aus  der  Höhe  ein,  indem  in  der  Rechten  eine 
Kanne,  in  der  Linken  ein  Trinkhom  oder  Schaale  voraus- 
zusetzen —  von  grosser  Anmuth  und  der  angemessene  Mund- 
schenk für  den  jugendlich  schönen  Dionysos,  dessen  Abzeichen, 
die  breite  Binde,  auch  der  Satyr  trägt.  Doch  fragt  sich, 
ob  die  Statue  für  sich  gestanden  oder  zu  einer  Gruppe  ge- 
hört habe.  Die  mit  Dionysos  gruppirten  Satyrn  haben  in 
der  Regel  des  Contrastes  wegen  eine  m^hr  satyreske  Körper- 
bildung. 

Die  jugendlich  zarten  und  anmuthigen  Satyrgestalten  sind 
erst  Schöpfungen  der  attischen  Kunst  des  vierten  Jahrhun- 
derts, sie  sind  Umformungen  eines  älteren  und  mehr  thieri- 
schen  Typus,  und  folgen  in  dieser  Umwandlung  ihrem  Gotte, 
der  einen  ähnlichen  Verjüngungsprozess  erfährt.  Es  ist  nicht 
gewiss  zu  sagen,  ob  diese  Figur,  die  der  vielen  Wiederho- 
lungen wegen  im  Alterthum  beliebt  gewesen  sein  muss,  der 
Künstlergeneration  angehört,  von  welcher  diese  Umwandlimg 


*  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  12. 


i 


Mythologische  Darstellungen.  261 

ausging,  oder  erst  später  entstanden  ist;  wir  müssen  uns  be- 
gnOgen,  den  Aasgangspunkt  der  Kiclitung,  welcher  sie  ange- 
hört, bezeichnet  zu  haben. 

Abg.  Becker  Augusteum  Taf.  25.  26.    Vgl.  Hettner,  Kgl.  Jtntiken- 
sammlung  zu  Dresden  n.  210. 

441.  Sogenannter  Antinous  vom  Belvedere*,  ge- 
futden  nahe  bei  der  Kirche  S.  Martino  b!  Monti  in  Rom  and 
Ton  Leo  X.  oder  wahrscheinlicher  Paul  III.  im  Belvedere  des 
Vatikan  aufgestellt.  Das  rechte  Bein  war  unmittelbar  über 
dem  Knöchel  und  unter  der  Hüfte  gebrochen  und  ist  unge- 
schickt mit  dem  Fuss  zusammengefügt^  wodurch  der  Knöchel 
ein  etwas  unförmliches  Ansehn  erhalten  hat. 

Genau  übereinstimmende  und  besser  erhaltene  Wiederho- 
longen  zeigen,  dass  diese  unter  dem  Namen  des  Antinous  be- 
kannte Figur  einen  Hermes  vorstellt.  In  der  Linken  befand 
sich  das  Attribut  desselben,  der  Caduceus,  das  Gewand  hing 
bis  an  die  linke  Wade  herab,  wo  es  noch  Spur  hinterlassen 
hat,  and  die  Rechte  war  leicht  in  die  Hüfte  gestützt,  wo  man 
noch  die  Reste  von  zwei  Fingern  bemerkt. 

Es  ist  nicht  der  leichte,  schlanke  Götterbote,  der  uns  in 
dieser  Statue   entgegentritt,   sondern   der   kräftige   Gott   der 
Palästra   and   zwar   im  Zustand   lässiger  Ruhe.     Dem  Palm- 
stamm,  der   freilich   oft   ohne   alle  Bedeutung   nur   als   eine 
etwas  belebtere  Form  der  Stütze  zu  den  Figuren  hinzugesetzt 
wird,  dürfen  wir  bei  einer  so  vortrefflichen  Figur  eine  beson- 
dere Bedeutung  beilegen  und  zwar  ist  es  der  Siegesbaum  der 
Palästra,  der  neben  dem  Gott  der  Palästra  steht  und  ihn  als 
Herrn  auch  über  die  Siegeszeichen  bezeichnet.     Denn  überall 
erhielt   der  siegreiche  Athlet  ausser  dem  Kranze,  der  auch 
oft  aas   Palmenlaub   geflochten  war,   einen  Palmenzweig  als 
Siegeszeichen  in  seine  Rechte. 

Die  Art  wie  das  Gewand  zusammengerollt,  ist  für  den 
("'Ott  charakteristisch,  es  hindert  in  dieser  Form  am  allerwe- 
nigsten die  freie  Bewegung. 

Dass  diese  Statue  auf  ein  griechisches  Original  zurück- 
gehe, lehrt  die  gleich  folgende,  und  zwar  scheint  das  schwere 
Verhältniss  des  Oberkörpers  zum  Unterkörper  auf  die  Zeit 
^or  Lysippas  zu  deuten.  Andrerseits  ist  die  Figur  entschieden 
später  als  Phidias  und  Polyklet,  in  deren  Zeit  man  sie  hat 


•  Im  Treppenhaus  n.  131. 


rv. 


262  Mythologische  Darstelhing^en. 

hineinrücken  wollen.  Damals  bildete  man  den  Hermes  nnd 
die  Athleten  mit  kurz  geschnittenem  und  glatt  anliegendem 
Haar,  nicht  aber  mit  dem  Gekräusel  kleiner  Locken,  das  er 
hier  trägt,  auch  nst.  keine  Spur  von  der  Strenge  jener  Zeit 
mehr  zu  finden. 

Die  Figur,  so  schön  sie  auch  ist,  kann  doch  nicht  als 
ein  Originalwerk  betrachtet  werden.  Schon  die  spiegelblanke 
Politur,  die  dem  Marmor  dieser  und  andrer  gleichberühmter 
Antiken  z.  B.  dem  Apollo  vom  Belvedere,  gegeben  und  dem 
Eindruck  des  Werks  entschieden  nachtheilig  ist,  wird  nicht 
in  der  Bltithe  der  griechischen  Kunst  Sitte  gewesen  sein. 

Etwas  ganz  Singuläres  ist,  dass  an  dieser  Statue  der  die 
Brustwarze  umgebende  drüsige  Theil  durch  einen  Einschnitt 
bezeichnet  ist. 

Abg.  und  zuerst  richtig  erklärt  vou  Visconti  Pio-Clem.  I,  tav.  6 
p.  30  ff.,  der  auch  über  die  Fundnotiz  zu  vergleichen.  Von  Abmdsse- 
hing  ursprünglich  vorhandener  Fussflügel,  wodurch  man  den  Feliler  de» 
rechten  Knöchels  hat  erklären  wollen,  konnte  ich  nichts  entdecken,  die 
im  Text  ausgesprochene  Meimuig  ist  auch  die  des  Bildhauers  Stein- 
häuser. Der  Palmstamm  findet  sich  als  Stütze  bei  den  allerverschieden- 
sten  Statuen,  Porträten,  Satyrn  etc.,  und  eben  daraus  folgt,  dass  er  nicht 
immer  materielle  Beziehung  haben  kann,  lieber  die  Palme  als  Sieges- 
zeichen Paus.  8,  48,  1.  2.  E.  Braun  Ruinen  p.  300  versucht  die  Statue 
auf  Polyklet  ziurückzuführen.  Ueber  die  glänzende  Politur  urthdlt 
0.  Müller  Handb.  §  310,  3  ebenso.  Die  Markirung  der  Brustwarze  hebt 
Winckelmann  Kunstgesch.  5,  6,  9  tadelnd  hervor,  und  12,  1,  20  gicbt 
er  eine  schöne  Schildcmng  des  von  ihm  fiir  Meleager  gehaHeoea 
Werks,  wobei  auch  Meyer's  gute  Anm.  zu  vgl. 

442.  Hermes*,  im  Theater  von  Melos  gefunden,  früher 
im  Besitz  des  Architekten  Schaubert,  jetzt  im  Theseion  ia 
Athen. 

Der  Torso  stimmt  mit  dem  eben  besprochenen  Typus 
des  Hermes  überein.  Von  der  rechten  Hand  sind  an  der 
Hüfte  noch  einige  Finger  erhalten.  Die  Figur  gehört  noclü. 
der  guten  Zeit  an. 

Vgl.  Ross  Archaeol.  Aufs.  I  p.  4. 

443.  Statue  eines  Verstorbenen**,  1832  auf  der 
Insel  Andres  gefunden  und  zwar  in  einer  Grabkammer  zwl- 
gleich  mit  einer  weiblichen  Figur,  jetzt  in  Athen,  im  Theseioxi. 


*  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  n.  5. 
**  Im  Treppenhaus  n.  130. 


des  Verstorbeneil  zieren  sollte,  diesen  Hermeslypns 
Alfer  und  Stellung  passend  gefunden  und  daher  copirt. 
äenkuDg  des  Kopfes  gab  ihm  dabei  Gelegenheit,  den  in 
Darstellungen  der  Verstorbene)!  so  gewöhnlichen  Zug 
■  Traner  hervorzuheben.  Die  Schlange,  die  sich  nm  die 
e  der  Fignr  ringelt,  ist  wie  wir  sahen,  auf  griechischen 
monamenten  sehr  gewöhnlich  im  Sinne  eines  genitis  luci, 
Schtltzerin  des  Todten  vor  aller  Entweihung. 
Die  Statue  gehört  ihrem  Stil  nach  noch  in  gute  Zeit  der 
hifichen  Scnlptor,  doch  sind  wir  nicht  im  Stande,  ntlhere  ^ 
mmnngen  anzugehen. 

Lbg.  'B^^ß.  ä^x""»^-  1344  II.  91Ö.  Vgl.  RuBä  Iiia.lreiseii  I[, 
.  IT.  biilk'i.  1833  p.  ÜO. 

444.  Apollo*,  Marmorstatue,  1780  in  der  Umgegend 
s  in  Centocelle  entdeckt  und.  im  Vatikan  aufgestellt,  wo 
äch  noch  befindet.  Ergänzt  sind  die  Arme  von  der  Glitte 
Oberarms  an,  das  rechte  Bein  und  der  linke  Fuss. 

Früher  Adonis  benannt  und  darnach  ergänzt  —  das  At- 
it  der  Rechten  soll  einen  Wurfspeer  andeuten  — ,  ist  die 
IT  später  auf  Grund  Übereinstimmender  and  durch  Attri- 
:  bezeichneter  Apollostatnen    für  Apollo    erklärt   worden, 

gewiss  mit  Recht.  Zwar  ist  der  gesenkte  Kopf,  der 
drock  des  Gesichts  und  das  etwas  unordentliche  Haar 
n  gewöhnlich  an  Apollo,  aUein  es  gieht  doch  mehrere 
iflostatuen,  die  sich,  wie  diese,  durch  einen  eigcnthümlieh 
menlichcn  oder  wchmtithigen  Ausdruck  unterscheiden,  wor- 


264  Mythologische  Darstellungen. 

setzen,   von  welchem   diese  Statue  in   römischer  Zeit   copirt 
sein  wird. 

Abg.  Visconti  Pio-Cleni.  II,  31  und  Opere  varie  IV,  tav.  8j  (aus 
dem  mus6e  francais),  wo  die  Erklärung  auf  Apollo  aufgestellt  ist,  die 
wie  mir  scheint,  ohne  Grund  bestritten  ist,  vgl.  Welcker  Akad.  Mus. 
n.  32.  Der  Erklärung  Visconli's  stimmt  E.  Braun  bei,  Ruinen  p.  S7Ö 
und  erinnert  zJr  Motivinmg  der  Trauer  an  den  Tod  des  Hyacinthus. 
Ausser  dem  berühmten  Giustiniani'schen  Apollokopf  ist  auch  eine  Ber- 
liner Statue  (n.  82)  mit  einem  eigenthümlichen  Zug  der  Trauer  zu 
erwähnen. 

445.  Apollo  Sauroktonos*,  Erzstatue  in  Villa  Albanl 
Ergänzt  (nach  andern  Wiederholungen)  ist  der  Baumstamm 
mit  der  Eidechse. 

Pünius  berichtet,  Praxiteles  habe  einen  eben  erwachsenen 
Apollo  gebildet,  einer  herankriechenden  Eidechse  mit.  dem 
Pfeil  aus  der  Nähe  nachstellend.  Nach  diesen  Worten  be- 
sitzen wir  in  dem  vorliegenden  Werk  die  Nachbildung  einer 
praxitelischen  Figur.  Indessen  ist  die  Bedeutung  derselben 
noch  räthselhaft.  Gewöhnlich  nimmt  man  an,  dass  die 
Eidechse,  von  welcher  wir  allerdings  wissen,  dass  sie  in  irgend 
einem  Bezug  zur  Mantik  stand,  in  der  Weise  zur  Wahrsa- 
gung benufzt  wurde,  dass  man  sie  belauschte  und  durchspiesste, 
„wobei  es  vielleicht  darauf  eben  ankam,  ob  sie  willig,  etwa 
an  einen  geheiligten  Baum'  herankam  und  Stich  hielt  oder 
gefehlt,  oder  wie  sie  getroffen  wurde  u.  s.  w."  Und  diese 
Art  von  Weissagung  übe  hier  Apollo  aus,  von  dem  aUe  Arten 
der  Weissagung  abstammten.  Allein  einmal  ist  die  Durch- 
spiessung  der  Eidechse  eine  Annahme,  die  man  überhaupt 
und  namentlich  von  Apollo  gern  fern  hielte,  auch  lässt  sich 
schwerlich  aus  den  sonstigen  Ceremonien  der  griechischen 
Mantik  etwas  Analoges  anführen,  und  dann  führt  die  einzige 
uns  erhaltene  Nachricht  von  einer  der  Eidechse  beigelegten 
seherischen  Kraft  doch  auf  eine  ganz  andre  Vorstellung.  Es 
wird  uns  nämlich  von  der  Statue  eines  Sehers  berichtet,  an 
dessen  rechte  Schulter  eine  Eidechse  herankroch,  während  zu 
seinen  Füssen  ein  zerschnittenes  Opferthier  lag  mit  blossge- 
legter  Leber.  Das  Letztere  bezeichnete  den  Mann  als  kundig 
der  Eingeweideschau,  die  Eidechse  aber,  die  an  sein  Ohr  her- 
a,nkroch,  erscheint  als  Besitzerin  irgend  welcher  verborgenen 
Kunde,  die  sie  dem  Seher  mittheilen  wird.     In   sich   selbst 


Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  11. 


Mythologische    Darstellung^en.  265 

also  besitzt  sie  das  Mantische;  ähnlich  wie  die  Schlange^  und 
es  scheint  keiner  Durchapiessung  zu  bedürfen  um  ihr  ein 
Orakel  zu  entlocken. 

Aber   auch   der  .Charakter  der  Figur  >viderstrebt    einer 
solchen  Deutung.     Praxiteles   hat   den  Gott   aller  und  jeder 
Feierlichkeit  und  Würde  entkleidet,  so  dass  es  nicht  gerecht- 
fertigt erscheint;  eine  ernstere  oder  auch  nur  bedeutungsvolle 
Handlung  vorauszusetzen.     Wir  vermuthen,  es  handle  sich  um 
ein  blosses   Spiel.     Die   Eidechse   ist   besonders   interessant 
wegen  ihrer  ungemeinen  Schnelligkeit.     Dies  will  der  knaben- 
hafte Gott  erproben,   er  zückt  den  Pfeil  nach  ihr,  nur  um 
zu  probiren  ob  er  wohl  das  schnelle  Thier  trifft.     Die  Stel- 
Inng  des  Gottes,  von  welcher  mit  Recht  bemerkt  ist,  dass  er 
halb  versteckt  hinter  dem  Baum  wie  in  einem  Hinterhalt  stehe, 
das  knabenhafte  Alter  und  endlich  der  naiv  genreartige  Cha- 
rakter des  Ganzen  scheinen  diese  Auffassung  sehr  zu  empfehlen. 
Auch   ist   eine  Vase  bekannt,  worauf   ein  Knabe,   der  nach  . 
einer  Eidechse  sticht,  und  hier  wird  man  nicht  an  etwas  An- 
deres denken,  als  an  ein  Spiel,  „wozu  die  ausserordentliche 
tSchnelligkeit    und  Gewandtheit    des   schönen  Thierchens  An- 
lass  bot" 

Gegen  den  Einwand  aber,  dass  sich  ein  solches  Spiel 
wohl  für  einen  gewöhnlichen,  nicht  für  einen  göttlichen  Kna- 
ben schicke,  ist  eben  die  ungewöhnliche  Darstellungsweise  des 
Gottes  anzuführen.  Und  gerade  in  der  Zeit  des  Praxiteles 
beginnt  die  Richtung,  die  Götter  in  mehr  genreartiger  Weise 
darzustellen.  So  wie  wir  den  Dionysos  mit  dem  Panther 
spielen  sehn,  die  Aphrodite  an  ihrem  Haar  oder  Schmuck 
beschäftigt,  also  in  Aktionen,  welche  ohne  alle  tiefere  Bedeu- 
tong  sind,  ebenso  spielt  hier  Apollo  mit  der  Eidechse. 

Dies  Werk,  von  dem  nicht  wenige  Copien  auf  uns  ge- 
kommen   sind,    giebt    eine    deutliche    Vorstellung    von    einer 
iägenschaft  des  Praxiteles,  von  seiner  Grazie.     Die  Stellung 
des  Apollo   ist   nicht   nur   im  Alterthum  schon  copirt,   man 
findet  sie  auch  nicht  selten  in  den   lieblichsten  Reliefs  von 
Thorwaldsen.     Die  beste  unter  allen  Copien  ist  eine  Marmor- 
statue im  Vatikan,  deren  Kopf  und  Haar  noch  deutlich  jene 
stüisirende    Behandlungsweise    der    frühern    Kunst    erkennen 
lassen.    Dies  so  wie  die  Darstellung  in  Lebensgrösse,  welche 
^  Vatikanische  Exemplar  gewiss  vom  Original  beibehalten 
H  wirken  dem  Eindruck  einer  allzu  genrehaften  Natürlich- 


I 


266  Mythologisclie  Darstellungen. 

keit  und  Niedlichkeit  entgegen,  den  man  von  dieser  verklei- 
nerten Copie  leicht  erhält. 

Abg.  Clarac  miisee  de  sculptiire  pl.  486  A.  Vgl.  Winckelmann 
inoHum.  ined.  n.  40.  Visconti,  Pio-Clem.  I,  147.  Welcker  A.  D.  1, 
406  f.  Stephani  Compte-rendii  p.  I'annee  1862  p.  166  ff.  Revue  arch6o- 
logique  VI  p.  81.  288»  482.  Die  im  Text  gegebene  Erklärung  ist  schon 
von  Herrn  von  Ramdolur  aufgestellt,  vgl.  Becker's  Augusteum  II,  p.  32. 

446.  Apollino*;  früher  in  der  Villa  Medici  in  Rom, 
jetzt  in  Florenz,  in  den  Ufficien.     Ergänzt  sind  beide  Hände. 

Wir  besitzen  eine  nicht  kleine  Anzahl  von  Apollostataen, 
die  dasselbe  Motiv  zeigen,  unzweifelhaft  liegt  ihnen  allen  ein 
hochberühmtes  griechisches  Originalwerk  zu  Grunde,  vielleicht 
dasjenige,  welches  sich  in  einem  Gymnasium  zu  Athen  befand 
und  uns  folgendermaassen  beschrieben  wird:  „Der  Gott  lehnt 
sich  au  einen  Pfeiler,  die  Linke  hält  den  Bogen,  während  die 
Rechte  über  den  Kopf  gelegt  den  Gott  wie  von  grosser  An- 
strengung ausruhend  zeigt."  Nach  dieser  Statue,  die  für  ein 
Gymnasium  ausserordentlich  passend  war,  indem  sie  das  Bild 
süsser  Ruhe  als  Lohn  der  Mühe  vergegenwärtigte,  ist  jeden- 
falls die  unsrige  mit  dem  Bogen  zu  ergänzen,  während  in 
andern  Wiederholungen  eine  Leier  auf  dem  Pfeiler  oder 
Baumstamm  ruht,  wodurch  aber  der  Grundgedanke  der  Statae 
nicht  verändert  wird. 

Das  Original  der  Figur  kann  schwerlich  über  das  vierte 
Jahrhundert  hinausgehn,  denn  das  Schwelgen  in  süssen  Em- 
pfindungen, worin  das  Charakteristische  dieser  Figur,  die 
einem  oft  vorkommenden  Bacchustypus  sehr  ähnlich  ist,  besteht^ 
ist  nicht  vereinbar  mit  dem  göttlichen  Ernst,  in  dem  man 
früher  die  Götter  darstellte.  Es  spiegelt  sich  in  dieser  Fignr 
eine  Zeit,  die  mit  mehr  Phantasie  als  Glauben  begabt,  in 
ihren  Göttern  mehr  liebliche  poetische  Ideale  als  ernste 
Mächte  des  Lebens  anschaute  und  bildete. 

Indessen  war  das  Original  jedenfalls  weit  grossartiger 
als  diese  Copie,  die  als  eine  Uebertragung  ins  Anmuthige  und 
Zarte  zu  betrachten  ist.  Das  Original  war,  worauf  andre 
Wiederholungen  hinweisen^  colossal,  auch  die  zierliche  Frisur 
dieses  Exemplars,  die  in  einigen  andern  Wiederholungen  fehlt, 
verräth  einen  späteren  Geschmack.  Trotz  dem  aber  verdient 
die  Statue  wegen  ihrer  zarten  und  weichen  Anmuth  den  hohen 
Ruf,  in  dem  sie  steht. 


*  Im  Saal  des  Faniesischen  Stiers  ii.  7. 


Mythologische  Darstellungen.  267 

Von  den  zahlreichen  Abbildungen  genüge  es  die  bei  Müller-Wie- 
sder  II,  11,  126  zu  erwähnen.  Vgl.  Meyer  z.  Winckehimun  Gesch.  d. 
K.  V,  1,  11. 

447.  Sogenannter  Elgin'scher  Eros*,  Mannorstatue; 
von  Lord  Elgin  auf  der  Akropolis  von  Athen  entdeckt  und 
nach  England  gebracht^  wo  sie  sich  im  britischen  Museum 
befindet. 

Die  Figur   gilt   gewöhnlich  für  einen  Eros,    doch  steht 
die  FlQgellosigkeit  dieser  Deutung  entschieden  dagegen.     Man 
luit  daher  auch  an  Ikarus  gedacht,  an  dem  man  aber  auch 
die  Flügel   oder   wenigstens   das    zur   Befestigung   derselben 
nothwendige  Kreuzband  vermissen  würde.    Das  breite  Band, 
das  die  Brust   der  Figur  durchschneidet,   kann  nur  als  das 
Tragband  eines  Köchers  verstanden  werden,  und  da  wir  den 
£ros   ausschliessen  müssen,   so   dürfen  wir  an  einen  andern 
Köcherträger,  nämlich  an  Apollo  denken,  der  ja  im  ApoUino 
and  Sauroktonos  in  ähnlicher  Jugendlichkeit  und  Zartheit  der 
Formen  aufgefasst  ist.    Für  ihn  sind  auch  die  langherabhän- 
genden  Haare,   deren   Spuren   zurückgeblieben,   angemessen. 
Wie   aber   die  Arme  zu  ergänzen,    darüber  sind  wir  ausser 
Stande,  etwas  Näheres  anzugeben. 

Wir  dürfen  diese  feine  und  zarte  Figur  wohl  als  ein 
der  griechischen  Kunstblüthe  des  vierten  Jahrhunderts  ange- 
höriges Originalwerk  betrachten. 

Abg.  Marbles  of  the  british  museum  IX,  2.  3.  Vgl.  Ellis,  the 
Elgin  and  Phigaleian  marbles  II,  p.  70.  Vaux  handbook  to  the  brit. 
mos.  p.  115. 

448.  Amor**,  Marmorfigur,  von  dem  schottischen  Maler 
Gavin  Hamilton  in  Centocelle  in  der  nächsten  Umgegend 
Roms  an  der  via  Labicana  gefunden  und  an  Clemens  XIV. 
verkauft,  der  sie  im  Vatikan  aufstellte,  wo  sie  sich  noch  jetzt 
befindet. 

Die  am  Rücken  erhaltenen  Spuren  angesetzter  Flügel 
beweisen,  dass  die  Figur  einen  Amor  vorstellt.  Gewöhnlich 
nimmt  man  nun  an,  dass  Amor  in  der  träumerischen  Melan- 
cholie der  Liebe  dargestellt  sei,  dass  er  als  der  Gott  der 
Liebe  sein  eignes  Wesen  an  sich  selbst  erfahre.  Allein  ver- 
suchen wir  zunächst  die  Figur  zu  ergänzen,  was  mit  Hülfe 


•  Im  Griechischen  Saal  n.     42. 
**  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  n.  9. 


268  Mythologische  Darstellungen. 

von  zwei  tibereinstimmenden,  aber  besser  erhaltenen  Wieder- 
holungen, die  sich  im  Vatikan  und  in  Neapel  befinden,  ge- 
schehen kann.  Die  Linke  hielt  den  Bogen  und  an  derselben 
Seite  stand  eine  etwa  durch  ein  Gewand  und  durch  den  Kö- 
cher belebte  Stütze,  die  Rechte  dagegen  hielt  auf  einen  kleinen 
Altar  eine  gesenkte  Fackel  So  ergänzt  entspricht  die  Figur 
den  auf  römischen  Sarkophagen  einige  Male  dargestellten 
Amoren,  die  man  als  Todesgenien  zu  bezeichnen  pflegt  und 
sie  wird,  wenn  wir  nicht  irren,  nach  dieser  AufEassung  ver- 
ständlicher. Denn  nicht  Liebesmelancholie,  sondern  Trauer, 
tiefe  Trauer  ist  es,  die  sich  im  Einklang  mit  dem  Gestns  der 
gesenkten  Fackel,  in  der  Neigung  und  in  dem  Ausdruck  des 
Kopfes  ausspricht  und  wir  entgehn  auch  der  uns  bedenklich 
scheinenden  Annahme,  wonach  der  Gott  selbst  in  Liebesge- 
danken versunken,  also  nur  die  Personifikation  der  Liebes- 
sehnsucht sein  würde.  Vielmehr  ist  die  Figur  wie  jene  ent- 
sprechenden der  Sarkophage,  ein  Grabmonument,  und  Amor 
trauert  um  den  Gestorbenen  oder  genauer  um  die  ihm  ent- 
rissene Psyche  des  Gestorbenen. 

Gewöhnlich  wird  die  Figur  als  eine  Copie  nach  Praxi- 
teles angesehn,  eine  Annahme,  die  indess  nur  auf  einer  allge- 
meinen Vorstellung  von  der  Kunst  des  Praxiteles  beruht  und 
daher  sehr  unsicher  ist  Nach  unsrer  Erklärung  wird  sie 
noch  unsichrer,  da  der  am  Grabe  trauernde  Amor  uns  nur 
aus  römischen  Denkmälern  bekannt  ist  Ausserdem  entspricht 
die  Haartracht,  zunächst  der  gewöhnlich  als  Krobylos  bezeich- 
nete Haarknoten  und  dann  die  quer  über  den  Kopf  laufende 
Flechte,  die  man  häufig  an  Kindern  und  jugendlichen  Ge- 
stalten bemerkt,  keineswegs  einer  früheren  griechischen  Zeit 
und  ist  namentlich  für  Praxiteles  —  nach  der  knidischen 
Venus  und  dem  Sauroktonos  zu  schliessen  —  nicht  streng 
und  einfach  genug.  Doch  könnten  dies  allerdings  Zusätze  des 
Copisten  sein,  da  die  Figur  gewiss  kein  Originalwerk  ist. 
Denn  zu  dem  zarten,  innigen  und  gewiss  griechischen  Motiv 
passt  keineswegs  die  mangelhafte  Ausführung. 

Abg.  Visconti  mus  Pio-CIem.  I,  12.     Müller- Wieseler  I,  35,  144. 

Was  die  Ergänzung  betrifft,  so  lässt  sich  der  linke  Arm  aus  dem 
neapolitanischen  Exemplar  ergänzen,  an  welchem  ein  Stück  des  Dogens 
sich  erhalten  hat,  der  rechte  aus  dem  vatikanischen  (galeria  de'  cande- 
labri  n.  203,  abg.  bei  Gerhard  Ant.  Bildw.  Taf.  93,  2),  an  welchem  ein 
Stück  der  Fackel  übrig  geblieben  ist.  Für  einen  Todesgenius  hielt  auch 
Zoega  die  Figur.  Die  Angabe  der  Literatur  bei  Stark  Ber.  d.  sächs. 
Gesellsch.  der  Wiss.  1866,  p.  155. 


Mythologische  Darstellungen.  269 

449.  Badende  Venus*,  Marmorstatue;  im  Louvre  be- 
findlich. Ergänzt  sind  das  linke  Bein  vom  Knie  ab,  der  linke 
Arm  fast  ganz  und  die  rechte  Hand,  endlich  der  Kopf.  Die 
Richtung   der  ergänzten  Theile  ist  sicher  die   ursprüngliche. 

Die  Göttin  hockt  im  Bade  und  ist  bemüht,  mit  der  Lin- 
ken  die  dem  Rücken  nahe  liegenden  Körpertheile  zu  erreichen, 
wesswegen  sie  auch  den  rechten  Arm  emporhebt.  Offenbar 
hielt  sie  ein  Geräth  in  der  Linken,  einen  Schwamm  oder  ein 
Tuch  zum  Abtrocknen,  oder  was  nach  Analogie  einer  ähnli- 
chen Thonfigur  anzunehmen,  ein  Salbgefäss.  Die  Compositiou 
ist  von  grosser  Anmuth,  doch  ist  nicht  zu^läugnen,  dass'sie 
bereits  auf  sinnlichen  Reiz  gearbeitet  ist.  Die  ganze  Stellung, 
das  Zosammengeschmiegte  der  Glieder,  das  Herauspressen  ein- 
zehier  Theile,  wie  der  Brust  durch  die  Bewegung  des  Arms, 
wodurch  weich  elastische  Schwellungen  entstehn,  deutet  bereits 
auf  eine  etwas  raffinirte  Kunstrichtung. 

Von  einem  Künstler  des  vierten  Jahrhunderts,  Dädalus, 
ist  eine  badende  und  zwar  im  Bade  sitzende  Venus  bekannt 
und  es  ist  bemerkenswerth,  dass  schon  damals  Götterbilder 
verfertigt  wurden,  denen  der  religiöse  Charakter  bereits  völlig 
fehlte.  Ob  aber  unsre  Statue  als  eine  Copie  dieser  Venus 
des  Dädalus  anzusehn  ist,  muss  zweifelhaft  bleiben,  denn  es 
edstirt  ein  im  Ganzen  sehr  ähnlicher,  aber  in  der  Bewegung 
abweichender,  nämlich  einfacherer  Typus  der  badenden  Venus, 
der  dieselben  und  vielleicht  noch  mehr  Ansprüche  hat,  nach 
jener  Statue  copirt  zu  sein.  Jedenfalls  aber  ist  Dädalus  wenn 
nicht  der  unmittelbare,  so  doch  mittelbare  Urheber  unsrer  Figur. 

Die  Venus  des  Dädalus,   die  Plinius  in  Rom  sah,   war 
von  Marmor,  und  auf  Marmor  ist  die  ganze  Composition  be- 
rechnet, die  in  Erz  ihre  grössten  Schönheiten  verlieren  würde, 
^icht  so  gewiss  ist,   welche  Grösse  sie  hatte.    Die  meisten 
«ns  erhaltenen  Darstellungen   der  badenden  Venus   sind  wie 
das  vorliegende  Exemplar,  weit  unter  Lebensgrösse,  aber  es 
eristiren  auch  lebensgrösse  Copien.     Man  ist  daher  geneigt, 
die  ersteren  als  verkleinerte  Copien  anzusehn,  aber  doch  fragt 
sich,  ob  nicht  für  die  Darstellung  einer  badenden  Venus  die 
natürliche  Grösse    gleichsam   zu   anspruchsvoll,    das   kleinere 
lormat  dagegen  passender  und  daher  für  die  Originalgrösse 
'^^  halten  sei. 


*  Im  Niobideiisaal  n.  29. 


I 


270  Mythologische  Darstelhiiigen. 

Abg.  Clarac  musee  de  sculpt.  pl.  345.  Der  verwandte  Typus  ist 
der  bei  Visconti  Pio-Clem.  I,  10  abgebildete.  Die  Thonfigur,  auf  welche 
sich  der  Text  hinsichtlich  der  Ergänzung  beruft,  befindet  sich  im  briti- 
schen Museum,  vgl.  Arch.  Anz.  1855  p.  62.  Die  Stelle  des  Plinius 
über  die  Venus  des  Dädalus  hat  neuerdings  Stephan!  besprochen  im 
Compte-rendu  p.  l'annee  1859  p.  122. 

450.  451.  Kopf  und  Statue  des  Hypnos*,  ersterer 
ein  Broncewerk;  im  Jahre  1855  in  der  Umgegend  von  Perugia 
bei  Civitella  d'Arno  gefunden  und  zuerst  in  Perugia,  jetzt  in 
Neapel  im  Besitz  des  Kunsthändlers  Castellani  befindlich, 
letztere  ein  Marmorwerk  un  Museum  zu  Madrid,  wohin  es 
durch  die  Königin  Marie  Christine  gekommen. 

Der  Broncekopf  gehörte  zu  einem  mit  der  Marmorstatae 
übereinstimmenden  Werk,  das  wir  uns  nach  zahlreichen  Wieder- 
holungen in  kleinen  Broncen,  in  Reliefs  und  in  Gemmen  auf 
das  Genaueste  reconstruiren  können.  Im  linken  Artn  hielt 
die  Figur  einen  Mohnstengel,  das  Symbol  der  Einschläferang, 
in  der  Rechten  in  der  Geberde  des  Ausgiessens  ein  Hom,  in- 
dem der  Schlaf  wie  eine  über  die  Schlafenden  ausgegossene 
Flüssigkeit  gedacht  wurde.  Ein  stetiges  Attribut  sind  auch 
die  aus  den  Schläfen  herauswachsenden  Kopfflügel,  die  übri- 
gens noch  keine  genügende  Begründung  gefunden  haben. 

Die  Marmorstatue  hat  eine  Stütze,  woran  zwei  Eidechsen 
spielen,  die  man  so  oft  an  schlafenden  Figuren  dargestellt 
findet,  ohne  dass  wir  den  Sinn  dieses  Symbols  mit  Sicherheit 
anzugeben  wüssten.  Indessen  war  die  Stütze  in  dem  Original, 
das  wir  uns  nach  dem  ganzen  Arrangement  der  Figur  lieber 
von  Bronce  als  von  Marmor  denken,  nicht  da.  Der  Bronce- 
kopf steht  aber  nicht  allein  im  Material  dem  Original  näher, 
sondern  ist  auch  in  jeder  Hinsicht  feiner  und  geistvoller  als 
der  Kopf  der  Marmorstatue. 

Die  Poesie  der  Erfindung  —  der  Schlafgott  als  weicher 
Jüngling  mit  sanft  geneigtem  Haupt  über  die  Erde  schwebend 
—  lässt  sofort  an  griechischen  Ursprung  denken,  und  der 
Broncekopf  könnte  seinem  Stil  nach  sogar  noch  über  Alexander 
hinaus  in  die  Zeit  der  jüngeren  attischen  Schule  gesetzt 
werden.  Die  eigenthümliche  Frisur  —  ein  Haarwulst  zur 
Linken  und  Rechten  ist  unter  das  Kopfband  gesteckt  — 
wiederholt  sich  an  mehreren  Werken  aus  der  griechischen 
Blüthezeit. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  111  u.  110. 


Mylhologlsche  Darstellung'eQ.  271 

Der  Broucekopf  ist  abg.  in  Aniiali  1856  tav.  3,  richtig  erklärt  von 
Brunn  Arch.  Anz.  1863  p.  129,  die  Statue  in  der  Archaeol.  Ztg.  1862 
Taf.  157.  Vgl.  ü.  Jahn  Arch.  Ztg.  1860  p.  97  ff.  und  Benndorf  Arch. 
Anz.  1865  p.  73.  Zwei  Gemmen  der  hiesigen  Sammlung  Kl.  3,  Abthl.  2 
11.  890.  891,  die  Tölken  als  Merkm*  bezeichnet,  auf  den  man  früher  den 
Tji)U8  bezog,  gehören  ebenfalls  dahin,  lieber  die  Eidechse  bei  Schla- 
fenden hat  Kekule  Archaeol.  Ztg.  1862  p.  310  gesprochen,  ohne  ein 
für  mich  überzeugendes  Endresultat,  denn  wer  kann  das  Thierchen,  an 
dem  gerade  das  Rasche  und  Lebendige  das  Chai*akteristische  ist,  als 
Symbol  des  Winterschlafs  verstehen?  E.  Hübner,  Die  Antiken  in 
Spanien  p.  56  und  schwankend  auch  Gerhard  Arch.  Ztg.  1862  p.  220 
finden  etwas  Alterthiimliches  in  dem  Kopf  der  Marmorstatue,  irregeleitet 
durch  das  Lächeln,  das  wie  die  Vergleichung  der  Bronce  zeigt,  dem 
Copisteu  angehört,  der  den  Ausdnick  der  Freundlichkeit  verstärkte.  Die 
Frisur  des  Kopfes  findet  sich  am  Sauroktonos,  an  dem  herkulanischen 
Bacchiiskopf,  an  einer  Nike  von  der  Balustrade  des  Niketempels  (p.  193.) 
und  an  der  Nemesis  im  Römischen  Saal  n.  20. 

452.  Weiblicher  Kopf*,  von  Mannor,  in  Madrid 
befindlich. 

Der  Kopf  ist  jedenfalls  ein  Idealkopf,  doch  ist  es  uns 
nicht  möglich,  eine  genaue  Bestimmung  desselben  zu  geben, 
am  nächsten  steht  er  in  Formen  und  Ausdruck  den  Köpfen 
der  Aphrodite,  ohne  freilich  ihnen  völlig  zu  entsprechen.  Er 
macht  durchaus  den  Eindruck  eines  griechischen  Werks,  über 
dessen  genauere  Datirung  es  uns  aber  an  Anhaltspunkten 
fehlt.  Nur  das  bemerken  wir,  dass  er  nicht  über  das  vierte 
Jahrhundert  hinausreichen  kann,  weil  er  keine  Spuren  strenge- 
ren Stils  mehr  an  sich  trägt.  Auf  dem  Schädel  sind  die 
Haare  nicht  ausgearbeitet,  vermuthlich  weil  es  nach  der  ur- 
sprünglichen Aufstellung  überflüssig  gewesen  wäre,  oder  •auch 
weil  sie  ursprünglich  in  Farben  ausgeführt  waren. 

Abg.  Nuove  memorie  dell'  instituto   di   corrispond.   archeol.  tav.  3 
mit  der  Erklärung  von  Hühner  p.  34  ft'.,  der  ich  mich  aber  in  keinem 
einzigen  Pimkte  ans<'hliessen  kann.    Hübner  schliesst  besonders  aus  der 
Arbeil   der  Haare,    dass   der  Kopf  nach   Bronce   coplrt    sei,   über   das 
charakteristische  Merkmal,   die   drahtarti^-e  Ausarlieitung   im   (icgcnsatz 
lu  der  strickartigen  Behandhmg  des  Marmors,  felih.     Ferner  erkennt  H. 
an,  dass   il   lavoro   non  mostra  traccio  venma  di   rigidezza,   setzt  aber 
doch  den  Kopf  in  die  Zeit  des  Phidias,  was  ich  nicht  mit  einander  ver- 
einigen kann.     Hhisichtlich   der  Benennung   kann   ich   das  Gewicht   des 
negativen  Beweises,   dass   die   anderen  (jöttinnen   nicht   dargestellt  sein 
können  und   daher  nur  Minerva  übrig  bleibe,   nicht  hoch   anschlagen, 
weil  wir  zu  arm  sind  an   mustergültigen  Göttertypen   im  Vergleich  zu 
dem,  was  vorhanden  gewesen   sein   muss.     Gegen  Minerva  scheint  mir 
der  weiche  Charakter  des  Kopfes  durchaus  zu  sprechen  und  die  Frisur 


•  Im  Niobidensaal  n.  89. 


272  Mythologische  Darstellungen. 

ist  mindestens  ungewöhnlich  für  sie,  es  müssten  daher  starke  positive 
Gründe  für  diese  Erklärung  aufgestellt  werden.  In  seinem  Buch  über 
die  Antiken  in  Madrid  hebt  Hübner  dagegen  richtig  p.  247  die  Ver- 
wandtschaft mit  den  Aphroditeköpfen  hervor.  In  Betreff  der  oben  un- 
ausgearbeiteten  Haare  können  der  Kopf  des  Berliner  Musemns  n.  152 
und  von  früheren  griechischen  Monumenten  die  von  Conze  Arch.  Ztg. 
1864  p.  170  angeführten  Beispiele  verglichen  werden. 

453.  Männlicher  Kopf*,  auf  der  Pariser  Bibliothek 
1846  zum  Vorschein  gekommen  und  ebendaselbst  befindlich. 

Der  Kopf  ist  gewiss  ein  griechisches  Originalwerk  aus 
sehr  guter  Zeit,  wenn  er  freilich  auch  nicht,  wie  man  gemeint 
hat,  zu  den  Sculpturen  des  Parthenon  gehört.  Dagegen  spricht 
wohl  schon  die  Haartracht,  noch  mehr  die  vom  Weber'schen 
Kopf  ganz  abweichende,  viel  detaillirtere  Behandlung  des 
Haars,  endlich  auch  vielleicht  die  Angabe  des  Augensterns 
durch  einen  Einschnitt,  wofür  wenigstens  in  so  früher  Zeit 
kein  Beispiel  nachzuweisen. 

Abg.  Labordc,  Athenes  aux  XVe,  XVIe  et  XVIIe  siecles  I,  p.  157. 
Revue  archeol.  III,  1846  p.  336.  460  ff.  Vgl.  Welcker  A.  D.  I,  120 
Anm.     Conze  nuove  memorie  dell'  instituto  p.  411.* 

454.  Der  Flussgott  Inopus**,  Fragment  einer  Marmor- 
statue, auf  Dolos  gefunden  und  als  Ballast  nach  Marseille  mit- 
genommen, wo  ein  Künstler  Gibelin  es  erwarb  und  dann  dem 
Museum  des  Louvre  abtrat. 

Die  liegende  Stellung  und  die  fliessejiden  Haare  lassen 
auf  einen  Flussgott,  und  die  Jugendlichkeit  der  Figur  auf  den 
Gott  eines  kleinen  Stroms  schliessen,  man  hat  daher  mit  Rück- 
sicht auf  den  Fundort  der  Figur  den  Namen  des  delischen 
Flussgottes  Inopus  gegeben.  Die  Vermuthung,  es  sei  die  Eck- 
ligur  eines  Giebelfeldes  gewesen,  an  welcher  Stelle  wir  öfter 
Flussgötter  als  Theilnehmer  der  dargestellten  Handlung  finden^ 
ist  ansprechend,  doch  nicht  nothwendig.  Der  Stil  des  Frag- 
ments ist  höchst  grossartig,  die  volle  kräftige  Anlage  erinnert 
an  die  Sculpturen  vom  Parthenon,  doch  sind  die  Formen 
etwas .  weicher  und  ohne  allen  Rest  von  Alterthtimlichkeit^ 
so  dass  wir  das  Werk  lieber  dem  vierten  Jahrhundert  zu- 
schreiben. 

Abg.  Clarac  musee  de  sculpt.  pl.  751.  Vgl.  descript.  du  Louvre 
n.  98.  Die  Vermuthung,  dass  die  Figur  zu  einem  Giebelfeld  gehört 
habe,  ist  von  Welcker  A.  D.  I.  p.  14  aufgestellt. 


*  Im  (iricchischen  Saal  n.  22. 
**  Im  tirifcliisclu'ii  Saal  n.  252. 


Mythologische  Darstellungeii.  273 

455.  WeibHche  Colossalfigur*,  aus  Marmor,  im 
Jahre  1837  in  Athen  gefunden,  ebendaselbst  belindlich. 

Man  hat  vermuthet,  dass  diese  grossartige  Figur  eine 
Pallas  sei,  da  die  abgeschnittene  Kopffläche  auf  die  Hinzu- 
fögong  eines  broncenen  Helms  schliessen  lasse.  Auch  giebt 
es  allerdings  sehr  ähnliche  Pallasstatuen,  welche  die  Göttin  in 
den  Kampf  eilend  darstellen.  Indessen  würde  der  Mangel 
der  Aegis  und  noch  mehr  die  üppige  Fülle  des  Gesichts  an 
einer  Pallas  auffallend  sein.  Von  anderer  Seite  ist  die  Figur 
als  Niobe  erklärt,  und  so  sehr  diese  Benennung  den  Formen 
und  der  Bewegung,  die  ähnlich  ist,  me  an  der  Florentiner 
Statne,  entsprechen  würde,  so  steht  ihr  doch  der  schmerzlose 
Ausdruck  des  Gesichts  entgegen. 

Aber  dem  Stil  nach  ist  die  Vergleichung  mit  der  Niobe 
sebr  treffend  und  wir  zweifeln  nicht  an  der  Gleichzeitigkeit 
beider  Statuen. 

Abg.   Ross   Archaeol.  Aufs.  I  Taf.  12.  13  p.  149.     Vgl.  Stephaiii 
0»nipte-rendu  p.  rannee  1863  p.  170  Anm.  1. 

456.  Weiblicher  Torso**,  aus  Marmor,  von  Bröndsted 
auf  der  Insel  Keos  gefunden,  wo  er  sich  augenblicklich  befindet, 
wissen  wir  nicht. 

Die  Gewandung  ist  edel  und  stilvoll  behandelt  wie  in 
wenig  andern  Resten  der  alten  Sculptur.  Das  Werk  scheint 
aus  attischer  Schule  hervorgegangen  zu  sein. 

Abg.  Bröndsted,  Voyage  en  Grece  I  pl.  9  p.  21. 

457 — 475.  Reliefs  vom  Mausoleum***.    Die  Ueber- 
bleibsel  des  Mausoleums  in  Halikarnass,  welches  bis  ins  zwölfte 
Jährbundert  als  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  fortbestehend 
bezeugt,  nicht  viel  später  aber  durch  ein  Erdbeben,  wie  es 
sdidnt,  zerstört  ist,  wurden  zum  Theil  von  den  Johanniter- 
rittem,  die  im  Jahr  1402  von  Halikarnass  Besitz   nahmen, 
nun  Bau   ihres  Cästells   benutzt.     Zu  diesen  Trümmern  ge- 
hören die  hier  im  Abguss  vorhandenen  Reliefplatten,  welche 
sich  bis  1846    in   dem   Castell    der    Johanniterritter    einge- 
niauert  befanden,   dann   aber    durch   Viscount   Stratford    de 
Redcliffe,   den    damaligen   britischen   Gesandten    in  Constan- 


•  Im  Griechischen  Saal  n.  43. 
**  Im  Griechischen  Saal  n.  251. 
•••  Im  Treppenhaus  n.  56— G3,  90—97,  104—106. 

Friederiehs,  griech.  Plastik.  18 


274  Mythologische  Darstellungen. 

tinopel  ins  britische  Museum  versetzt  wurden.  Ihre  Zuge- 
hörigkeit zum  Mausoleum  konnte  nicht  bezweifelt  werden,  ist 
aber  durch  die  von  Newton  im  Jahre  1857  geleitete  Aus- 
grabung des  Mausoleums  zum  Ueberfluss  bestätigt.  Diese  Aus- 
grabung brachte  unter  andern  reichen  Ergebnissen  auch  vier 
Eeliefplatten  zum  Vorschein^  die  demselben  Fries  angehören, 
uns  aber  nebst  einem  ebenfalls  von  Newton  in  Gonstantinopel 
entdeckten  Fragment  und  mehreren  kleineren  durch  Biliotti 
und  Salzmann  erst  kürzlich  aufgefundenen  Bruchstücken,  die 
zum  Theil  mit  bereits  vorhandenen  Platten  verbunden  werden 
konnten,  noch  fehlen.  Dagegen  besitzen  wir  eine  früher  in 
Genua  in  Villa  di  Negro,  jetzt  auch  im  britischen  Museum 
befindliche  Platte*,  die  durch  Frau  Mertens-SchaflFhausen  be- 
kannt geworden  und  durch  die  Beamten  des  britischen  Mu- 
seums als  demselben  Fries  angehörig  erkannt  ist.  Wahr- 
scheinlich wurde  sie  durch  einen  der  Johanniterritter  nach 
Genua  gebracht. 

Die  Reliefs  vierten  den  äusseren  Fries  an  dem  Haupt- 
theil  des  Gebäudes,  nämlich  an  dem  im  jonischen  Stil  ge- 
bauten Tempel,  der  über  sich  die  von  einem  Viergespann  be- 
krönte Pyramide  hatte.  Sie  bilden  indess  nicht  eine  fort- 
laufende Reihe,  sondern  sind  nur  lückenhaft  auf  uns  gekommen. 
Auch  die  ursprünglichen  Farben  sind  verschwunden,  die,  wie 
sie  an  den  vier  von  Newton  entdeckten  Platten  sichtbar  waren, 
so  auch  hier  vorauszusetzen  sind.  Und  zwar  war  der  Grund 
dunkelblau  bemalt,  das  Nackte  der'  Figuren  dunkelroth,  die 
Gewänder  mit  Scharlach  und  anderen  Farben.  Die  Zügel  der 
Pferde  waren  von  Metall  angeheftet,  wovon  sich  die  Löcher 
erhalten  haben. 

Es  sind  im  Ganzen  neun  Stücke  —  alles  was  verbanden 
werden  kann  zu  je  einem  Stück  gerechnet**  — ,  die  hier  in 
Gyps  vorhanden  sind.  Ein  zehntes  Stück***,  das  unter  ihnen 
hängt,  sollte  getrennt  werden,  da  es  zwar  auch  dem  Mauso- 
leum, aber  emem  andern  Friese,  auf  dem  eine  Centauren- 
schlacht vorgestellt  war,  angehört.  Auch  von  diesem  Fries 
sind  zahlreiche  Bruchstücke  von  Newton  entdeckt.  Die  Platte 
ist  etwas  grösser  als  die  Amazonenreliefs,  auch  hat  sie  unten 


♦  n.  104r^l06. 
*•  Nr.  61  und  62  sollten  etwas  von" einander  getrennt  sein,   da  sie 
nicht  unmittelbar  anschliesscn,  ebenso  n.  60  und  59,  dagegen  sind  n.  90 
und  91  dicht  zusammenzurüekeu. 
♦♦♦  n.  97. 


Mythologische  Darstellungen.  275 

eine  andere  architektonische  Einfassung  und  der  Gegenstand 
ist  verschieden.  Die  fliehende  waffenlose  Figur  ist  keine 
Amazone,  sondern  eine  vor  einem  Centauren  flüchtende  wehr- 
lose Fran. 

So  zerstückt  der  Fries  mit  der  Amazonenschlacht  ist,  so 
genügen  doch  die  Brachstücke,  um  ans  eine  Vorstellung  von 
der  aasserordentlich  mannigfaltigen  Composition  zu  geben. 
Bald  sind  die  Kämpfer  paarweise  geordnet;  in  näherer  oder 
weiterer  Entfernung,  je  nach  der  Art  des  Kampfes,  bald 
bilden  sich  kleinere  dichtere "  Gruppen  von  mehr  als  zwei 
Personen,  bald  kämpfen  die  Amazonen  zu  Fuss,  bald  zu  Boss, 
and  in  den  Waffen  wie  im  Costüm  herrscht  die  reichste  Ab- 
wechslang, indem  ohne  alle  Rücksicht  auf  historische  Treue 
nur  nach  künstierischen  Anforderungen  verfahren  wird.  Die 
Amazonen  sind  die  leidenschaftlicheren,  aber  wie  es  im  weib- 
lichen Charakter  liegt,  treten  neben  wilder  entfesselter  Leiden- 
schaft auch  alle  Schwächen  der  Weiblichkeit  hervor.  Wir 
erblicken  sie  wild  im  Angriff  wie  Furien  und  zugleich  im 
Augenblick  drohender  Gefahr  zur  Bitte  ihre  Zuflucht  nehmend. 

Bestimmte  mythische  Figuren  sind  in  den  Kampfscenen 
nicht  zu  erkennen,  mit  Ausnahme  einer,  des  Herakles.  Dieser 
ist  anzweifelhaft  in  dem  kräftigen,  bärtigen,  mit  Keule,  Löwen- 
fell and  Köcher  bewaffiieten  Krieger  gemeint,  der  eine  Amazone 
am  Haar  gefasst  hat  und  im  Begriff  ist,  sie  niederzuschlagen'*'. 

Wenn  wir  diesen  Fries  vergleichen  mit  dem  um  fast  100 
Jahre  älteren  Fries  von  Phigalia,  der  denselben  Gegenstand 
darstellt,  so  finden  wir  in  Form  und  Ausdruck  erhebliche 
Verschiedenheiten,  abgesehen  davon,  dass  der  erstere  in  Hin- 
sicht auf  künstlerische  Ausführung  bedeutend  höher  steht  als 
letzterer.  Die  Gestalten  sind  an  den  halikarnassischen  Reliefs 
weit  schlanker,  manchmal  in  auffallender  Weise,  die  Gewänder 
haben  nicht  mehr  die  scharfkantig  gebrochenen  Falten,  die 
dort  noch  mehrfach  vorkommen,  sondern  fliessen  linder  und 
weicher,  und  statt  der  ziemlich  unbetheiligten  Köpfe  des  phi- 
gaUschen  Frieses  finden  wir  hier  —  es  sind  freilich  nur 
wenig  Köpfe  erhalten  —  einen  pathetisch  erregten  Ausdruck. 
Endlich  ist  ein  leises  Hervorheben  sinnlichen  Reizes  zu  be- 
merken und  es  ist  gewiss  nicht  zufallig,  dass  wir  das  in 
früheren  Darstellungen  der  Amazonen  sehr  seltene  aufge- 
schlitzte oder  an  der  einen  Seite  ungenähte  Gewand,  das  zwar 

♦  u.  63. 

18* 


276  Mythologische  Darstellungen. 

dem  Charakter  der  Amazonen  nicht  unangemessen  ist;  hier  mit 
Vorliebe  und  selbst  so  weit  angewandt  finden;  dass  sich  eine 
Hälfte  des  Körpers  ganz  entblösst  zeigt. 

Wir  besitzen  in  diesen  Reliefs  Werke  aus  der  Schule 
des  Skopas,  ja  vieDeicht  zum  Theil  von  Skopas  selbst.  New- 
ton, der  Entdecker  jener  vier  Platten,  die  an  der  Ostseite^ 
wo  Skopas  gearbeitet  haben  soll,  gefunden  wurden,  meint 
wenigstens  in  dreien  der  unsrigen,  namentlich  in  der  aller- 
dings sehr  schönen  Figur  einer  reitenden  Amazone*,  dieselbe 
Hand  zu  erkennen,  die  jene  gearbeitet.  Wir  sind  davon  nicht 
überzeugt,  da  uns  jene  vier  in  der  Relief  behandlung  verschieden, 
nämlich  etwas  flacher  gehalten  zu  sein  schienen.  Jedenfalls 
sind  mehre  Hände  zu  unterscheiden  und  nicht  Alles  ist  gleich 
meisterhaft.  Am  vorzüglichsten  scheint  die  Gruppe  einer  von 
zwei  Griechen  angegriffenen  Amazone**  und  das  Stück  von 
Genua***,  am  wenigsten  befriedigt  die  Platte  mit  der  langen 
in  den  Kampf  stürzenden  Kriegerfigur****  und  das  Stück  aus 
der  Centaurenschlachtf .  Auch  kommt  eine  Amazone  mit  völlig 
herumgedrehtem  Oberkörper  vorff. 

Zu  welchem  Zweck  der  Amazonenkampf  und  die  Cen- 
taurenschlacht, welcher  die  eine  Tafel  angehört,  am  Grabmal 
des  Mausolus  angebracht  waren,  ob  sie  nur  im  Allgemeinen 
ein  Bild  hellenischer  Gesittung  als  Ueberwinderin  wilder  und 
roher  Kraft  und  Leidenschaft  geben,  oder  bestimmter  auf  ge- 
wisse Thaten  des  Mausolus  vorbildlich  hindeuten  sollten,  kann 
nicht  gesagt  werden. 

Das  Hauptwerk  über  alles  das  Mausoleum  Betreffende  ist  Newton^ 
a  history  of  discoveries  at  Halicamassus,  Cnidus  and  Branchidae,  London 
1862  I,  wo  von  den  Reliefs  p.  234  ff.  gesprochen  wird.  Vgl.  des- 
selben Verf.  Travels  and  discoveries  in  tlie  Levaut.  London  1865  H 
p.  128,  wo  auch  eine  kleine  Abbildung  dieser  Tafeln  gegeben  ist.  Ausser- 
dem ist  das  Relief  aus  Genua  abg.  Monum. "  d.  Inst.  V,  1 — 3,  die  übrigen 
ebendas.  Taf.  18—21.  Vgl.  E.  Braun  in  Annali  1849  p.  74  ff.  1860 
p.  285  ff.,  der  mehrere  gute  Bemerkungen  nm'  in  einer  zu  breiten  und 
pomphaften  Weise  macht.  Ein  kleiner  Irrthum  Brami's,  sowie  üriichs' 
Archaeol.  Ztg.  1847  p.  169  ff.  bezieht  sich  auf  Taf.  19  n.  1,  wo  da» 
Motiv  des  Kriegers  miss  verstau  den,  der  nämlich  mit  der  Rechten  eine 
Amazone,  die  er  am  Haar  ergriffen,  vom  Pferd  herabzieht.   Der  Schwau 

♦  n.  58. 

••  n.  95. 

♦♦♦  n.  104—106. 

*••*  n.  59. 

t  n.  97. 

tt  n.  59. 


i 


Mythologische  Darstellungen.  277 

des  Pferdes  hat  sich  erhalten,  auch  der  Kopf  der  Amazone  ist  noch 
«rkennbar.  Diese  Platte  ist  ferner  mit  n.  2  zu  verbinden,  sowie  auf 
tav.  21  n.  12  mit  n.  13. 

476 — 492.  Reliefs  vom  Monument  des  Lysikrates*. 
Im  alten  Athen  gab  es  eine  Strasse^  welche  die  Dreifussstrasse 
genannt  wurde.  Bort  nämlich  waren  auf  Säulen  oder  tempel- 
artigem Unterbau  Dreifüsse  aufgestellt^  die  als  Siegespreise 
in  musikalischen  Wettkämpfen  gegeben  waren.  Die  Sieger^ 
d.  h.  diejenigen,  die  den  Chor  ausgerüstet  hatten,  hatten  das 
Recht,  sich  und  die  mitwirkenden  Personen  durch  eine  In- 
schrift daran  zu  verewigen.  Unter  dem  volksthümlichen  Namen 
,,Lateme  des  Demosthenes"  (welcher  nach  der  Fabel  in  diesem 
Ultemenartigen  Gebäude  studirt  haben  soll)  hat  sich  der  Unter- 
bau eines  solchen  Dreifusses  erhalten.  Er  hat  die  Form  eines 
nmden  geschlossenen  und  mit  Halbsäulen  verzierten  Gebäudes 
korinthischen  Stils.  Die  vorliegenden  Reliefs  bilden  den  Fries 
desselben,  das  Original  befindet  sich  noch  in  Athen  an  seiner 
nrsprOngUchen  Stelle. 

Die  Inschrift  nennt  als  Sieger  den  Lysikrates,  als  Ar- 
chonten  des  Siegsjahres  Euainetos,  das  Denkmal  ist  also  im 
Jahr  334  v.  Chr.  verfertigt.  Wir  dürfen  annehmen,  dass  das 
Fest,  bei  welchem  der  Sieg  errungen,  dem  Dionysos  heilig 
war,  hierauf  führt  wenigstens  die  Darstellung  des  Frieses,  die 
eine  Verherrlichung  dieses  Gottes  enthält. 

Es  ist  die  Bestrafung  der  tyrrhenischen  Seeräuber  dar- 
gestellt, welche  den  Dionysos  als  einen  schönen  Jüngling 
fingen  und  verkaufen  wollten,  bald  aber  seine  Göttlichkeit 
empfinden  mussten,  indem  sie  in  Delphine  verwandelt  wurden. 
Mit  den  literarischen  Berichten,  die  uns  erhalten  sind,  stimmt 
die  Darstellung  des  Ereignisses  auf  diesem  Relief  nicht  ganz 
flberein.  Jene  sprechen  nur  von  der  Hauptperson,  von  Dio- 
nysos, ohne  die  Begleitung  des  Gottes  und  ihr  Verhalten  zu 
den  Seeräubern  hineinzuziehen,  der  Künstler  aber  hatte  mehr 
Figuren  nöthig  und  so  hat  er  denn  eine  Menge  von  Satyrn 
eingeführt  und  in  charakteristischer  Weise  an  der  Bestrafung 
betheiligt  dargestellt.  Schon  im  Mythus  selbst  liegt  ein 
komischer  Zug,  der  Künstler  hat  ihn  im  Einklang  mit  der 
Natur  der  Satyrn  noch  drastischer  hervorgehoben. 

Die  Scene  geht  am  Ufer  des  Meeres  vor  sich.  Dionysos 
hatte  sich,  so  deutet  der  Künstler  an,  mit  seinen  Begleitern 


•  Im  Treppenhaus  n.  108 — 124. 


278  Mythologische  Darstellungen. 

zum  Gelage  niedergelassen^  als  die  Seeräuber  ihn  äberfolien. 
Aber  die  Satyrn  sind  nicht  feige,  wo  ihr  Gott  bedroht  ist 
Sie  können  freilich  nur  auf  menschliche  Weise  wirken;  wäh- 
rend von  jenem  die  nur  als  unsichtbare  Wirkung  aufzufassende 
Verwandlung  in  Delphine  ausgeht,  reissen  sie  Zweige  von  den 
Bäumen  oder  bedienen  sich  der  Fackeln  —  die  bei  den 
nächtlichen  Feiern  der  dionysischen  Feste  nothwendig  waren 
—  zur  Züchtigung  der  Räuber,  auch  die  Schlange,  die  wir 
regelmässig  in  den  dionysischen  Festen  finden,  beisst  einen 
der  Uebelthäter.  Es  wäre  des  Gottes  durchaus  unwürdig  ge- 
wesen, selbst  Hand  anzulegen,  der  Künstler  hat  ihn  in  wirk» 
samem  Contrast  zu  den  geschäftig  eilenden  Satyrn  durch  die 
unbekümmerte  Buhe,  die  er  ihm  gegeben,  recht  eindringlich 
in  seiner  göttlichen  Hoheit  charakterisirt. 

Dass  den  armen  Räubern  bevor  sie  verwandelt  wurden, 
erst  noch  eine  tüchtige  Tracht  Prügel  und  andere  Pein  zv 
Theil  wurde  —  einige  von  ihnen  sind  oder  werden  gebunden 
um  ihrer  ganz  sicher  zu  sein  — y  davon  meldet  die  literarische 
Ueberlieferung  nichts,  es  scheint  ein  origineller  Zug  des  Künst- 
lers zu  sein. 

Das  Ganze  ist  ausserordentlich  symmetrisch  componirt 
Die  Mittelgruppe,  die  durch  zwei  grosse  Mischkrüge  einge- 
fasst  ist,  enthält  fünf  Figuren,  deren  mittelste  der  Gott  ist^ 
der  gemüthlich  mit  seinem  Panther  tändelt,  dann  kommt 
links  und  rechts  ein  jugendlicher  behaglich  ruhender  Satyr 
und  wieder  je  einer  am  Kruge  beschäftigt,  der  eine  noch  im 
Begriff  zu  schöpfen,  der  andere  bereits  aus  der  Schöpfkanne 
in  die  Schaale  eingiessend.  Der  jugendliche  Dionysos  ist  nur 
von  jugendlichen  Satyrn  umgeben,  die  sich  wegen  ihrer  idet- 
leren  Gestalt  mehr  zu  unmittelbaren  Gespfelen  des  Gottes 
eignen,  während  die  altem  Satyrn,  die  Silene,  welche  die 
griechische  Kunst  meist  in  etwas  humoristischer  Weise  dar» 
stellt,  die  Execution  an  den  Räubern  vornehmen.  Von  der 
Mittelgruppe  macht  je  eine  noch  ruhigere  Silensgestalt  den 
XJebergang  zu  den  bewegteren  Flügeln.  Der  Silen  der  einen 
Seite  bietet  seinem  Nachbar  eine  Schaale  an,  aber  dieser 
hat  keine  Zeit  zu  trinken,  er  eilt  in  den  Kampf.  Und  nim 
folgOi  links  und  rechts  in  genauer  Responsion,  auch  i&it 
Wiederholung  einzelner  Motive,  die  höchst  lebendig  da^ 
gestellten  Gruppen  und  Einzelfiguren  der  Züchtigungsscene 
Die  Schlussgruppen  der  beiden  Hälften,  rechts  der  von  der 
Schlange  und  von  der  Fackel  des  Satyrn  bedrohte  Räuber, 


i 


Mythologische  Darstellungen.  279 

links  der  Silen^  der  seinen  vergebens  flehenden  Gegner  — 
keiner  der  Räuber  leistet  Widerstand,  was  für  den  beabsich- 
tigten komischen  Effekt  nothwendig  ist  —  am  Bein  ergriffen 
hat  und  ins  Meer  zu  zerren  sucht,  werden  durch  einen  halb- 
yerwandelten  Räuber  verbunden,  dem  kein  Gegenbild  ent- 
spricht. 

Verwandlungen  stellt  die  bildende  Kunst  in  allen  tragi- 
schen oder  überhaupt  in  alten  Darstellungen  höheren  Stils 
nur  indirekt  durch  Andeutungen  dar,  z.  B.  die  Verwandlung 
des  Aktaeon  durch  aufspriessendes  Hirschgeweih,  der  Daphne 
oder  der  Heliaden  durch  einen  danebenstehenden  Baum  oder 
durch  Zweiglein,  die  aus  Kopf  oder  Finger  hervorwachsen,  in 
komischen  Scenen  aber  wie  hier,  darf  sie  eine  Mischung  der 
Organismen  wagen.  Dass  die  Verwandlung  beim  Kopf  be- 
ginnt, steigert  den  komischen  Effekt  und  war  auch  vielleicht 
nothwendig,  um  einer  Verwechslung  der  verwandelten  See- 
rftaber  mit  tritonenartigen  Wesen  vorzubeugen.  Die  Bewegung 
der  Verwandelten  ist  übrigens  schon  ganz  delphinenartig. 

Das  Relief  ist  mit  geistreicher  Leichtigkeit  entworfen 
und  ansgeführt.  In  strengerem  Stile  würden  die  Figuren 
dichter  zusanmiengedrängt  und  besonders  die  leeren  Flächen 
über  mehreren  Figuren  vermieden  sein.  Der  Künstler  hat 
sich  zwar  meistens  durch  die  zurückflattemden  Felle  der 
Satyrn  geholfen,  aber  es  bleiben  doch  manche  Lücken  z.  B. 
über  zwei  verwandelten  Figuren,  welche  den  Zusammenhang 
lockern. 

Das  Werk  ist  unter  dem  Einfluss  der  jüngeren  attischen 
Schule  entstanden.  Darauf  deuten  die  schlanken  Verhältnisse 
der  Figuren  und  die  jugendlich  graziösen  Gestalten  des  Dio- 
nysos und  der  ihn  zunächst  umgebenden  Satyrn,  welche  von 
den  Häuptern  dieser  Schule  zuerst  in  dieser  Auffassungsweise 
dargestellt  zu  sein  scheinen. 

Abg.  Stuart  antiquities  of  Athens  I,  eh.  4.  Marbles  of  the  british 
mnseüm  IX,  pl.  24  ff.  Müller -Wieseler  I,  37.  Overbeck  Gesch.  d. 
Plastik  Fig.  72. 

493.  Die  Geburt  des  Erichthonius*,  Fragment  eines 
MarmorreliefS;  in  Hadrians  Villa  bei  Tivoli  gefunden  und  im 
Vatikan  befindlich. 

Durch   analoge  Vasenbilder   hat  der  Gegenstand  dieses 


Im  Treppenhans  n.  180. 


230  Mytholog^ische  Darstellungen. 

Fragments  bestimmt  werden  können.  Es  ist  die  Uebergabe 
des  erdgeborenen  Erichthonius  an  seine  Pflegerin  Athene, 
von  welcher  aber  nur  die  untere  Hälfte  erhalten  ist  Graea 
überreicht  ihn,  in  deren  Schooss  er  geworden  ist  Ihre 
Formen  und  die  üppige  Fülle  der  Haare  geben  den  Eindruck 
reicher  Mütterlichkeit,  und  da  sie  ähnlich  wie  die  Lokal- 
götter, nicht  frei  ist  von  ihrem  Element,  so  steht  sie  nicht 
frei  auf  dem  Boden,  sondern  ragt  nur,  als  hafte  sie  in  ihm, 
mit  halbem  Leibe  hervor.  BeY  hinter  ihr  erhaltene  Fuss  ist 
männlich,  jedoch  ist  der  Name  der  fehlenden  Figur  nicht  mit 
Sicherheit  zu  bestimmen. 

Das  Relief  ist  gewiss  attisch.  Die  Gewandung  der  Gaea 
ist  besonders  an  attischen  Monumenten  sehr  gewöhnlich.  Die 
flache  Behandlung  des  Reliefs,  der  grossartige  Charakter  der 
Formen  weisen  auf  die  edelste  Zeit  der  griechischen  Kunst 
Auch  die  oben  erwähnten  Vasenbilder  die  dem  Relief  ihrem 
ganzen  Charakter  Jiach  verwandt  sind,  gehören  der  Blüthe- 
zeit  an. 

Abgeb.  Mus.  Chiaramonti  I,  44.     Monum.  d.  inst.  I,  12,  2. 

Die  im  Text  gegebene  Erklärung  ist  von  Panofka  Annali  I,  p.  298  ff. 
aufgestellt,  auch  füi'  das  übereinstimmende  Pariser  £xeipplar.  Auf 
letzterem  ist  die  Figur,  von  welcher  hier  nur  ein  Fuss  vorhanden,  we- 
nigstens zur  Hälfte  erhalten.  Panofka  erklärte  sie  für  Hephäst,  was 
dahin  gestellt  sein  mag,  aber  männlich  —  was  von  anderer  Seite  be- 
stritten ist  —  scheint  sie  zu  sein,  der  am  vatikanischen  Exemplar  er- 
haltene Fuss  ist  es  gewiss. 

Die  Erklärung  Panofka's  ist  bestritten  von  E.  Braun  Ann.  1841 
p.  91  ff.  0.  Jahn  Archaeol.  Aufs.  p.  60  ff.  Wieseler  Text  zu  0.  Müller*» 
Denkm.  II  n.  400.  401.  Stephani,  Compte-reudu  poiur  l'annee  1859  p. 
68  ff.  Die  Veranlassung  ist  ein  Vasenbild,  das  den  Zeus  neben  der 
Scene  der  Uebergabe  anwesend  darstellt,  man  glaubt,  es  sei  hier  und 
ebenso  auf  den  Reliefs  die  Uebergabe  des  jungen  Dionysos  an  die 
Pallas  gemeint,  mit  Voraussetzimg  eines  in  unsern  Quellen  nicht  ge- 
gebenen Mytlms.  Mir  scheint  dies  Verfahren  nicht  methodisch.  Ein« 
der  Vasenbilder  stellt  unzweifelhaft  die  Geburt  des  Erichthonius  vor, 
nämlich  das  Monum.  d.  inst.  III,  30  publicirte,  und  wenn  nun  die  an- 
deren dieselbe  Hauptgruppe  wiedergeben,  so  dürfen  unvei*ständliche 
Nebenfiguren  die  Deutung  nicht  alteriren  und  am  allerwenigsten  zur  Sup- 
position  eines  andern  nicht  überlieferten  Mythus  Veranlassung  geben. 

494.  Medea  mit  den  Töchtern  des  Pelias*,  Mar- 
morreUef;  das  im  Jahre  1814  im  Hofe  der  alten  Amsösi- 
schen  Akademie  am  Corso  zu  Rom  bei  Legong  eines  neo^ 
Pflasters  ausgegraben  sein   soll;   aber   schon  im  siebzehnten 


*  Im  Niobidensaal  n.  46. 


I 


Mythölogbche  Darstellungen.  281 

Jahrhandert  bekannt  war.    Jetzt  befindet  es  sich  im  laterani- 
schen Museum. 

Dargestellt  ist  die  Vorbereitung  zur  Schlachtung  des 
Pelias,  die  Medea  den  Töchtern  desselben  angerathen  hatte, 
unter  dem  Vorgeben,  den  zersttickten  Körper  des  Greises  neu 
verjüngt  aus  dem  Kessel  hervorgehen  zu  lassen.  Medea  ist 
kenntlich  an  der  fremdländischen,  asiatischen  Tracht.  Sie 
trägt  eine  phrygische  Mütze  und  eine  Aermeljacke,  die  sich 
auch  sonst  findet  und  in  Persien  üblich  war.  Langsam  feier- 
lich, wie  es  die  Rolle  erforderte,  die  sie  zu  spielen  hatte, 
tritt  sie  mit  ihrem  Zauberkasten  heran  und  ist  nun  im  Begriff, 
den  Deckel  des  Kastens  zu  heben,  um  ihre  Zaubermittel  in 
den  Kochkessel  zu  werfen.  Die  Töchter  des  Pelias,  in  ein- 
fach griechischer  Mädchentracht  erscheinend,  sind  getheilt  in 
ihren  Empfindungen,  die  eine,  leichtbethörte,  stellt  bereits  den 
Kessel  zurecht,  während  die  andere,  die  das  Schwert  führt, 
in  trübes  Nachsinnen  versunken  scheint,  ob  wirklich  das  ent- 
setzliche Beginnen  den  Erfolg  haben  werde,  den  Medea  ver- 
spricht. 

Die  Composition  des  Reliefs  ist  von  der  höchsten  Schön- 
heit. Zwischen  den  ernsten  gradlinigen  Eckfiguren  bildet  die 
mittlere  mit  der  diagonalen  Richtung  ihres  Körpers  und  mit 
dem  belebteren  Faltenwurf  die  schönste  Vermittlung  und  Ab- 
wechslung. Aber  me  im  ächten  Kunstwerk  alles  formell  Ge- 
fallige doch  zugleich  dem  Charakter  der  Figuren  entsprechen 
muss,  so  spiegelt  sich  auch  in  der  bewegteren  und  zugleich 
etwas  freieren  Gewandung  der  Mittelfigur  das  leichtere,  schnell 
bethörte  Wesen  des  Mädchens. 

Die  Composition  ist,  wie  die  Bewegung  der  Eckfiguren 

zeigt,  in   sich   abgeschlossen.     Man   könnte  vermuthen,   die 

Platte  habe  einst  ein  Metopenfeld  ausgefüllt,  wenn  nicht  das 

Eelief  dazu  zu  flach  wäre.    Doch  lassen  die  streng  compo- 

lürten  Eckfiguren   immerhin   einen   andern   architektonischen 

Zusammenhang  walirscheinlich  erscheinen. 

Die  Reinheit  und  der  Adel  des  Stils  und  das  still  Aus- 
^cksvolle  in  der  Darstellung  der  Empfindung,  auch  die  Be- 
handlung des  Reliefs  versetzen  das  Werk  in  die  Blüthezeit 
griechischer  Kunst.  Doch  reicht  es  schwerlich  noch  in  das 
We  Jahrhundert  hinein.  Der  Kopf  des  en  face  gestellten 
Gehens  erinnert  an  die  volleren,  runderen  und  weicheren 
Formen,  die  man  namentlich  an  den  Köpfen  der  Bildwerke 
te  Mausoleums  bemerkt. 


282  Mythologische  Darstelhmgen. 

Das  Relief  ist  zuerst  publicirt  in  Spon's  Miscell.  sect.  3.  p.  118  lu  % 
dann  mit  richtiger  Erklärung  von  Hirt  in  Böttigers  Amalthea  I  Taf.  4 
p.  161  ff.  vgl.  den  Vorbericht  p.  XXXIII.  Böttiger  gab  dazu  einen  ge- 
lehrten Zusatz  über  das  Aermelkleid  der  Medea,  das  auch,  worauf  Weldier 
(akad.  Mus.  z.  Bonn  2.  Aufl.  n.  321  Anm.)  aufmerksam  machte,  auf 
dem  Wiener  Amazonensarkophag  vorkommt.  Auch  auf  der  Hawkin»'- 
schen  Bronce  findet  es  sich  mid  auf  der  Vase  in  Antiq.  du  Bosph. 
Cim.  pl.  4(3.  In  späteren  Besprechungen  des  Reliefs  (Welcker  a.  a.  0, 
n.  385  c.  Overbeck  Kunstarch.  Vorl.  n.  321)  wird  —  wohl  nur  aus  Ver- 
sehen —  die  Figur  mit  dem  Schwerte  als  Medea  bezeichnet. 

495.  Herakles(?)  und  Nike*,  Fragment  eines  Marmor- 
reliefs,  in  Athen. 

Von  den  drei  Figuren  ist  Nike  an  den  Flügeln  kennt- 
lich, deren  Detail  durch  Farbe  genauer  angegeben  war.  Sie 
setzt  einem  Jüngling  einen  Kranz  auf,  der  in  Metall  hinzu- 
gefügt zu  denken  ist,  man  sieht  deutlich  am  Hinterkopf  der 
Figur,  dass  dej:  Künstler  auf  einen  derartigen  Zusatz  rechnete»  ^ 
Der  Jüngling  könnte  Herakles  sein,  wenigstens  passt  die  Bil- 
dung des  Kopfes  und  das  kurze  krause  Haar.  Wer  die  von 
Nike  umfasste  reifere  Frauengestalt  sein  mag,  wissen  wir 
nicht  zu  sagen,  auch  ist  uns  der  Sinn  der  Handlung  dunkel 

Das  Relief  gehört  seinem  Stil  nach  jedenfalls  in  die  Zeit 
der  Kunstblüthe,  doch  nicht  vor  das  vierte  Jahrhundert. 

Das  von  Michaelis  Ann.  1862  tav.  d'agg.  N  publicirte  attische 
Relief  scheint  im  Stil  sehr  verwandt  zu  sein. 

496.  Pallas**,  fragmentirtes  Marmorrelief  in  Athen. 

Der  Helm  auf  dem  Schooss  der  Figur  wird  die  Be- 
nennung Pallas  rechtfertigen,  wenngleich  sonstige  Indiden 
fehlen.  Von  einer  zweiten  Figur  ist  nur  ein  Stück  der  Hand 
erhalten. 

Das  Relief  ist  sehr  fein  und  graziös. 

Abg.  Le  Bas  monum.  Fig.  pl.  35. 

497.  Silberbecher***,  seit  1848  im  Antiqnarium  m 
München,  früher  im  Besitz  eines  Glockengiessers  in  Ingol- 
stadt, bei  dem  er  nur  wie  durch  einen  Zufall  der  Zerstörung 
entging.  Der  Besitzer  hielt  nämlich  das  Gefäss  für  ein  Stflck 
Messing,  das  nur  noch  zum  Einschmelzen  brauchbar  sei  and 


•  Im  Griechischen  Saal  n.  255. 
*•  Im  Griechischen  Saal  n.  269. 
•**  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  390. 


Mythologische  Darstellungen.  28S 

übergab  es  seinem  Lehrling  zum  Zerschlagen.  Dieser  hatte 
auch  bereits  einige  Schläge  gethan  —  woher  die  Zerstörungen^ 
die  man  am  Gefäss  bemerkt  — y  als  er  sah;  dass  das  Gefäss 
von  Silber  sei.  Diese  Wahrnehmung  machte  weiter  auf  den 
Figiirenschmuck  aufmerksam  und  rettete  das  Gefäss  vor  dem 
Untergang. 

Es  ist  ein  einfacher  Trinkbecher^  rings  mit  Figuren  ge- 
schmückt, die  weder  gegossen  noch  getrieben ,  sondern  aus 
der  Masse  ausgeschnitten  sind;  wie  die  Figuren  eines  Cameo» 
Einzelne  starke  Erhebungen  des  Reliefs  waren  aber  der 
grösseren  Leichtigkeit  der  Arbeit  wegen  in  besondem  Stücken 
gearbeitet  und  dann  aufgelöthet.  Die  Figuren  sind  etwas  ab- 
gegriffen; aber  die  Darstellung  ist  doch  nicht  undeutlich  ge- 
worden. 

Sie  zerfällt  in  eine  breitere  Mittelgruppe  von  10  Figuren 
und  in  zwei  schmälere  Nebengruppen  von  je  6  Figuren.    Die 
Hauptperson  der  ersten  ist  ein  jugendlicher  Heros,  von  seinen 
Trabanten  umgeben,  deren  einer  seinen  Schild  trägt,  der  mit 
einer  offenbar  dem  Pasquino  (n.  430)  entnommenen  Gruppe  ver- 
ziert ist,  ausserdem  von  gebundenen  Gefangenen,  von  denen 
einer  bereits  den  Todesstreich  erwartet.   Aber  es  scheint,  dass 
die  Nähe  der  Pallas,   die   neben   dem   Jüngling   im   Hinter- 
grande steht  und  in  flachstem  Relief  angegeben  ist,  mildere 
Gesinnung  veranlasst,  denn  der  Jüngling  streckt  seine  Rechte 
gegen  den  zur  Tödtung  des  Gefangenen  bereiten  Krieger  aus, 
um  ihm  Einhalt  zu  gebieten.    Die  Seitengruppe  hinter  dieser 
Figur  besteht  zum  Theil  noch  aus  Gefangenen,  zum  grösseren 
Theil  aus  trauernden  Frauen,  von  denen  drei  so  sehr  in  ihre 
Trauer  versunken  sind,  dass  sie  nicht  einmal  auf  das  Eind- 
lein  achten,   das   nach   ihnen    verlangt,   während   die   vierte 
älteste   lebhaft   gestikulirt,   als  ob  sie  sagen  wolle,  nun  sei 
alles  verloren.    Diese  Scene   geht   in   einem  Zelt,   dem   des 
Siegers,  vor  sich,  wie  der  ausgespannte  Vorhang  und  der  auf- 
gehängte Schild  andeuten,   an   sie  schliesst  sich  die  andere 
^ebengruppe,    ebenfalls    aus   kriegsgefangenen   Weibern   be- 
stehend, die  um  ein  Tropaeum  versammelt  sind,  das  in  ganz 
flachem  Relief  hinter  der  ihr  Kind  stillenden  Frau  angegeben 
ist.    Wie  in  der  anderen  Gruppe  eine  der  Frauen  als  vor- 
zugsweise  betroffen   hervorgehoben  wird,   nämlich   diejenige, 
^  welche   sich   das   Kind   schmiegt,    während   die   anderen 
beiden,    mehr   mädchenhaften   Gestalten,    nicht   so    tief  und 
^unmittelbar  berührt  scheinen,  so  ist  auch  hier  die  am  Boden 


284  Mythologische  Darstellungen. 

sitzende  jungfräuliche  Gestalt  offenbar  die  am  tiefsten  Pe- 
troffenC;  um  welche  die  übrigen  Frauen  mehr  wie  theilneh- 
mende  Freundinnen,  denn  als  eigentliche  Unglücksgefilhrtinnen 
herumstehen.  Und  zwar  handelt  es  sich  hier  und  vielleicht 
auch  auf  der  anderen  Seite  um  eine  neue  Schreckensbotschaft. 
Denn  die  Alte  mit  vorgebeugtem  Leibe  und  ausgebreiteten 
Händen  sieht  aus,  als  habe  sie  so  eben  eine  schreckliche 
Neuigkeit  von  der  ihr  gegenüberstehenden  Frau  erfahren  und 
der  mit  dieser  Gruppe  verbundene  Krieger  ist  wohl  derjenige, 
der  sie  gebracht  hat. 

Höchst  wahrscheinlich  beziehen  sich  diese  Darstellnngen 
auf  Neoptolemos  als  Richter  und  Herrn  über  die  gefangenen 
Troer  und  Troerinnen.  Dass  Neoptolemos  auf  den  Gedanken 
kommen  konnte,  die  Gefangenen  zu  tödten,  liegt  wohl  in 
seinem  Charakter  begründet,  auch  der  grosse  Maler  Polygnot 
hatte  ihn  in  seiner  Zerstörung  Troja's  als  den  blutdürstigsten 
aller  Hellenen  charakterisirt.  In  der  Gruppe  zur  Linken 
wird  die  matronale,  edel  verhüllte  Hauptfigur  Andromache  zu 
nennen  sein  und  das  Kind  neben  ihr  Astyanax,  in  dem  eben 
erwähnten  Bilde  Polygnot's  waren  die  beiden,  wie  es  scheint^ 
zu  einer  ganz  ähnlichen  Gruppe  zusammengestellt  Und  was 
wird  die  Rede  der  gestikulirenden  Alten  Anderes  enthalten, 
als  den  bevorstehenden  Tod  des  Kindes  der  Andromache,  der 
nach  einer  besonderen  hier  vielleicht  befolgten  Sage  nicht 
von  der  Gesammtheit  der  -Hellenen,  sondern  speciell  von 
Neoptolemos  ausging.  In  der  trauernden  Jungfrau  der  andern 
Scene  dagegen  werden  wir  die  PoljTtena  erkennen  dürfen,  die 
am  Grabe  Achill's  geschlachtet  wurde,  wovon  eben  jetzt  die 
Kunde  zu  den  Frauen  gebracht  zu  sein  scheint 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  wir  in  diesem  Becher 
ein  Werk  der  edelsten  griechischen  Kunst  besitzen.  Die  Be- 
handlung des  Reliefs  ist  die  acht  griechische,  die  aus  dem 
Gefühl  hervorgeht,  dass  sich  das  Ornament  nicht  frei  los- 
lösen dürfe  von  der  Fläche,  wie  es  bei  Bechern  römischer 
Zeit  der  Fall  ist*  —  sondern  eben  seines  dekorativen  Cha- 
rakters wegen  gleichsam  bescheidener  auftreten  müsse,  damit 
es  in  harmonischer  Verbindung  mit  dem  Geräth  selbst  bleibe. 
Die  Zeichnung  ist  von  der  höchsten  Reinheit  und  besonders 
hervorzuheben  ist  der  stille  Adel,  der  über  die  trauernden 
Figuren   ausgebreitet  ist.     Jeder  leidenschaftliche   Ausbruch 


•  Vgl.  z,  B.  n.  60  und  62  im  Saal  der  Thiere  und  Broncen. 


Mythologische  Darstellungen.  285 

ist  fem  gehalten  und  wir  erhalten  einen  ähnlichen  Eindruck^ 
wie  von  so  manchen  schönen  Trauergruppen  attischer  Grab- 
steine und  Grabvasen.  Diese  Analogien  können  uns  in  der 
genaueren  Zeitbestinunung  des  Werks  leiten.  Dem  fünften 
Jahrhundert  wird  es  nicht*  mehr  angehören  wegen  gewisser 
Freiheiten^  die  wir  dieser  Zeit  noch  nicht  zuschreiben  können. 
An  den  meisten  der  gefangenen  Frauen  nämlich  ist  die  eine 
Schulter  oder  Brust  entblösst  und  so  passend  das  ist  für 
Trauernde^  die  gleichgültiger  sind  gegen  den  äusseren  An- 
stand^ so  bringt  es  doch  einen  Zug  leichterer  und  freierer 
Anmuth  hinein,  um  dessentwillen  wir  das  Werk  lieber  dem 
vierten  Jahrhundert  zuschreiben.  Zudem  ist  der  Pasquino, 
dessen  Existenz  dieser  Becher  voraussetzt,  schwerlich  vor  das 
Jahr  400  zu  setzen.  Eine  Zeitgrenze  aber  nach  vorwärts  ist 
mit  Alexander  gegeben,  über  den  ein  so  reiner,  stiller  und 
edler  Stil  nicht  hinausreichen  kann. 

Auch  die  Wahl  des  zierenden  Bildes  ist  im  Sinne  einer 
älteren  Zeit,  wo  es,  wie  ein  alter  Berichterstatter  sagt,  beliebt 
war,  mit  mythischen  Begebenheiten  die  Becher  zu  verzieren. 
Es  ist  eine  niedrigere,  wenngleich  sehr  gewöhnliche  Weise, 
einen  Trinkbecher  mit  bacchischen,  dem  Zweck  des  Geräths 
entsprechenden  Darstellungen  zu  verzieren,  höher  dagegen  ist 
die  hier  befolgte  Weise  gedacht,  edle  Gestalten  des  Mythus, 
die  zu    höheren  Gedaijken   und  Empfindungen   anregen,   mit 
dem  Becher   selbst   in   die  Fröhlichkeit   des  Gelages    einzu- 
führen.    In  der  altchristlichen  Zeit  finden  wir  Aehnliches,  es 
wurde  z.  B.  der  gute  Hirte  auf  den  Trinkbechern  dargestellt, 
im  Mittelalter   wurden  Oefen,    Truhen   und   anderes   Geräth 
mit  biblischen  Geschichten  überdeckt  und  die  reichsten  Ana- 
logien bieten  die  griechischen  Yasen,    die   in  ihrer  grossen 
Mehrzahl  mit  heiligen  Geschichten  d.  h.  Mythen  verziert  sind, 
obwohl  sie  den  verschiedensten  praktischen  Zwecken  dienten. 

Abg.  und  sehr  geistvoll  erläutert  von  Thierscli  in  den  Abhandl.  d. 
»mir.  Pikfid.  d.  Wissensch.  Bd.  5  Abthlg.  2  p.  107.  Mein  Text  lässt 
«Aeniien,  wo  ich  im  Einzelnen  von  Thiersch  abweiche. 

498.  Die  kalydonische  Eberjagd*,  Thonrelief,  von 
^of.  Ross  auf  Melos  gefunden  und  dem  Berliner  Maseam 
geschenkt. 

Die  Figur  mit  der  Doppelaxt,  welche  die  Hauptrolle  in 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  107. 


286  Genre  und  historische  Darstellungen. 

der  Bezwingung  des  Ebers  spielt,  ist  offenbar  Meleager, 
ausserdem  ist  Atalante  kenntlich ,  deren  gewöhnliche  Waffe, 
der  Bogen,  um  der  dichtgedrängten  Composition  willen  mit 
dem  Schwert  vertauscht  ist,  endlich  der  verwundete  Ankaeos, 
an  dem  der  Eber  vorbeirennt. 

Das   Belief  ist   fein   und   stilvoll   behandelt,    besonders 
ßchön  ist  die  Figur  des  Ankaeus. 


Abg.  0.  Jahn,  Berichte  der  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1848  p.  123. 
äres   über  dieses  Relief  wird  in   dei    ~  ~ 

des  hiesigen  Museums  gegeben  werden. 


Näheres  über  dieses  Relief  wird  in  der  Beschreibung  der  Terrakotten 


b)  Genre  und  historische  Darstellungen. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  in  diesem  Abschnitt  aufgeführten 
Werke  besteht  in  Porträtstatuen,  und  es  befinden  sich  auch 
solche  darunter,  die  wir  nicht  mit  voller  Sicherheit  dieser 
Periode  zutheilen  können.  Wir  glaubten  aber  auch  hier  das 
Oleichartige  nicht  trennen  zu  dürfen,  weil  damit  eine  äusserst 
instructive  Entwicklung  zerrissen  werden  würde.  Denn  nirgends 
Äcigt  sich  deutlicher  der  Uebergang  der  griechischen  Kunst 
vom  Idealismus  zum  Realismus  als  auf  dem  Gebiet  der  Por- 
trätbildnerei.  Der  Kopf  des  Perikles,  den  wir  im  vorigen 
Abschnitt  aufführten,  steht  dem  wirklichen  Leben  ungleich  fer- 
ner als  der  des  Demosthenes,  den  wir  im  Folgenden  kennen 
lernen  werden,  der  Blick  und  das  Interesse  für  die  wirkliche 
Welt  ninmit,  wie  auf  andern  Gebieten  der  griechischen  Cultur, 
«0  auch  in  der  Kunst  immer  mehr  zu,  und  man  scheut  sich 
sogar  nicht,  selbst  die  unschöne,  entstellte  Wirklichkeit  cha- 
rakteristisch wiederzugeben.  Dieser  bedeutsame  Wendepunkt 
in  der  Geschichte  der  griechischen  Kunst  fällt  in  die  Zeit 
Alexander's  des  Grossen  und  der  erste  und  vorzüglichste  Re- 
präsentant der  neuen  Richtung  ist  Lysippus.  Er  gehört  dem 
Peloponnes  an,  in  dessen  Schulen  schon  immer  eine  mehr  auf 
die  Wirklichkeit  des  Lebens  gerichtete  Kunst  geherrscht  hatte^ 
die  freilich  bis  dahin  durch  strenge  stilisirende  Behandlungs- 
iveise  gleichsam  in  Schranken  gehalten  worden  war. 

499.  Apoxyomenos*,  Marmorstatue,  von  Canina  im 
April  1849  in  Rom  in  Trastevere  gefunden,  seitdem  im  Va^ 
tikan  aufgestellt    Die  Statue  gehört  zu  den  am  besten  erhal- 


*  Im  Niobidensaal  n.  22. 


Genre  und  historische  Darstellung^eu.  287 

tenen,  restaarirt  sind  nur  (von  Tenerani  nach  einer  falsch 
yerstandenen  Stelle  des  Plinius)  die  Finger  der  linken  Hand 
mit  dem  Würfel 

Die  Figur  stellt  einen  Jüngling  dar^  der  sich  mit  dem 
Schabeisen  die  Haut  abreibt,  um  den  Schweiss  vom  Körper 
zu  entfernen.  Man  merkt  in  der  Stellung  und  Miene  des 
Jünglings  eine  gewisse  Behaglichkeit,  die  aus  dem  Gefühl 
überstandener  Mühe  hervorgeht. 

Die  Figur  ist  die  Copie  einer  berühmten  Statue  des 
Lysippus.  Wir  wissen,  dass  dieser  Künstler  einen  Apoxyome- 
nos  gemacht  hatte  und  finden  in  dieser  Copie  alle  Eigenthüm- 
lichkeiten  wieder,  die  an  den  Werken  des  Lysippus  hervor- 
gehoben werden.  Er  soll  die  Köpfe  kleiner,  die  Gestalten 
schlanker  gemacht  haben,  und  in  der  That  bildet  in  dieser 
Hinsicht  onsre  Statue,  die  noch  viel  schlanker  erscheint  als 
sie  wirklich  ist,  einen  entschiedenen  Gegensatz  zu  den  kräf- 
tiger gebauten  Gestalten  der  früheren  Kunst.  Die  Grazie  des 
schlanken  und  elastischen  Körpers,  an  welchem  alle  Glieder 
leicht  und  beweglich  in  ihrer  Fügung  spielen,  ist  bezeichnend 
für  eine  Zeit,  die  was  ihr  an  Ernst  und  Gediegenheit  abging, 
durch  feine,  geistreiche  Bildung  ersetzte.  Von  Lysippus  wird 
femer  berichtet,  dass  er  die  Natur  sich  zur  Lehrmeisterin 
nahm,  er  war,  wie  eben  diese  Statue  zeigt,  der  erste,  der  die 
stilistische  Strenge  abstreifte,  welche  die  ganze  frühere  Kunst 
beherrscht.  Formen  und  Bewegung  sind  frei  natürlich  und 
auch  das  Haar,  welches  früher  regelmässige,  parallele  Linien 
zeigte,  ist  ganz  zufällig  geworfen. 

Das  Original  war  von  Erz,  was  auch  aus  dieser  Copie 
hervorgeht  Denn  die  Stütze  des  ausgestreckten  Armes,  deren 
Ansätze  erhalten  sind,  ist  bei  einer  Copie,  wo  es  auf  Treue 
ankommt^  erträglich,  schwerlich  aber  würde  eine  Originalcom- 
position in  der  Art  angelegt  sein,  dass  sie  eine  solche  Stütze 
erforderte.  Ausserdem  denke  man  sich  im  Original  auch  den 
Stamm  auf  der  Basis  hinweg.  Die  detaillirte  Behandlung  des 
Haares  ist  ebenfalls  die  bei  Erzwerken  übliche. 

Das  Original  des  Lysippus  war  hochberühmt  in  Rom,  wo 
Agrippa  es  sehr  passend  vor  seinen  Thermen  aufgestellt  hatte. 
Tiberius  der  sehr  davon  entzückt  war,  nahm  es  in  seine  Ge- 
mächer, musste  es  aber  vom  Volke  gedrängt,  der  allgemeinen 
Bewunderung  zurückgeben. 

Die  Fundnotizen  giebt  Canina  im  bullet.  1849  p.  163  ff.      Derselbe 
schwankt,  ob   die  Statue  auf  den  Apoxyomenos  des  Lysippus  oder  auf 


288  Genre  und  historische  Darstelhmgen. 

eine  im  Gegenstand   übereinstimmende  Statue   des  Polyclet  zu  he 
sei.     Von  der  letzteren  spricht  Plinius  in  den  Worten  „fecit  et  d 
gentem   se   et  nudum  talo  incessentem"  und  Canina  meint,   diese 
Stelle  beziehe  sich  nur  auf  eine  Statue,   deren  Handhmg   eine  d( 
sei,  nämlich   die  Abreibung  und  zugleich  —  denn   so   versteht 
talo  incessentem  —  die  Auffordenmg  zum  Würfelspiel.    In  dieser 
könne  nun  auch  die  gefundene  Statue  gedacht  sein,  und  wiew 
selber  sich  mehr  dazu  neigt,   das  Werk  auf  Lysippus  zurückzui 
so  ist  doch   die  Restauration   der  Figur  leider  in   dieser  Weise 
führt.     Vgl.  Brunn  im  bullet.  1851  p.  91. 

Die  beste  Abbildung  ist  in  den  monum.  d.  inst.  V.  tav.  1 
E.  Braun  mit  einer  schönen  Erläutenuig  begleitet  hat.  Nur  kai 
dasjenige,  was  derselbe  über  die  Wirkung  der  palästrischen  Ein 
deren  Üeberschuss  nach  seiner  Ansicht  die  Striegel  entfernt  habe 
führt,  nicht  beurtheilen  und  muss  mich  begnügen,  fih'  den  Zweck 
Instruments  die  Stelle  des  Apulej.  Florid.  II,  9  p.  34  zu  citirei 
welcher  der  im  Text  angegebene  Gebrauch  folgt.  Vgl.  Becker 
3,  p.  109. 

500.  Diskobol*,  Marmorstatue  im  Vatikan,  ir 
zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  durch  den  schotti 
Maler  Gavin  Hamilton  in  den  Trümmern  eines  antiker 
bäudes  an  der  Via  Appia,  etwa  8  Miglien  von  Eom,  gefu 
Ergänzt  sind  ausser  unwesentlichen  Stücken  die  Fingei 
rechten  Hand,  doch  hat  der  Eestaurator  unzweifelhaft 
Richtige  getroffen. 

Der  Jüngling  ist  ganz  damit  beschäftigt,  einen  si 
Stand   zum  Abschleudern   des  Diskus,   den   er   noch   ii 
Linken  hält,  zu  gewinnen,  und  hebt  unwillkürlich  die  R 
zu  einer  seinen  Gedanken  entsprechenden  Geberde,  als 
er  sich  selbst  damit  zur  grössten  Aufmerksamkeit  erma 
Gerade  dieser  unwillkürliche,  sinnliche  Ausdruck  des  ih: 
schäftigenden  Gedankens,   dieser  unbewusste  Monolog, 
der  Statue  etwas  höchst  Naives  und  Einfältiges,  zugleic 
sie  so  anspruchslos,  ganz  in  ihre  Handlung  vertieft  und 
alle  Rücksicht  auf  den  Betrachtenden  gearbeitet. 

Göthe  bemerkt  von  dem  Abendmahl  von  Leonard 
Vinci,  dass  dies  Bild  mit  seiner  lebendigen  Geberdensp 
nur  von  einem  Italiener  habe  gemalt  werden  können, 
einem  Südländer,  dessen  Naturell  eine  lebendigere  Gesti 
tion  bedingt.  Dies  gilt  auch  für  die  griechische  Kunst 
unsre  Statue  ist  dafür  ein  sprechender  Beleg,  wie  siel 
lebhafteren  Völkern  die  innem  Empfindungen  sofort  äuss( 
durch  Geberden  ausdrücken. 


*  Im  Niobidensaal  n.  12. 


Geui*e  uud  historische  Dai*stelhingeii.  289 

Die  lebensvolle  Poesie  der  Situation,  die  hohe  Objectivi- 
tit  and  Anspruchslosigkeit,  endlich  die  Schönheit  und  Har- 
monie der  Formen  machen  es  wahrscheinlich,  dass  wir  ein 
griechisches  Werk  der  besten  Zeit  vor  uns  haben,  das  indess 
wegen  seiner  freien  Natürlichkeit  erst  dem  vierten  Jahrhun- 
dert oder  höchstens  dem  Schluss  des  fünften  angehören  dürfte. 
Es  scheint  attischen  Ursprungs  zu  sein,  der  Charakter  des 
Kopfes  ist  namentlich  den  attischen  Werken  sehr  verwandt. 
Die  Stützen  haben  die  Vermuthung  hervorgerufen,  dass 
ein  Original  von  Bronce  in  dieser  Figur  copirt  sei,  doch  ist 
von  anderer  Seite  dagegen  bemerkt,  dass  man  dieselben  als 
für  die  Marmortechnik  keineswegs  nothwendig,  nur  aus  Rück- 
sicht auf  den  Transport  einstweilen  habe  stehn  lassen,  später 
aber  versäumt  habe  sie  wegzunehmen. 

Das  Band  um  den  Kopf  ist  nicht  eine  Siegerbinde,  son- 
dern ein  Schmuck  wie  er  oft  in  verschiedensten  Situationen 
dch  findet  Eine  Siegerbinde  würde  in  den  Nacken  herab- 
hängende Zipfel  haben. 

Die  beste  Abbildung  in  der  Arch.  Ztf?  1806  Taf.  209,  1.  2.  Vg:!. 
Kekule  p.  169  ff.,  dem  ich  fibrij^ens  hinsichtlieh  seiner  Vermuthung, 
dns»  die  Statue  auf  Alkamenes  zuri'ickgehe,  nicht  folgen  kann,  da  wir 
doch  zu  wenig  au  Nachrichten  und  Werken  besitzen,  um  solche  Ver- 
muthungen  zu  begriinden.  Ein  treffendes  Btuspiel  für  die  im  Text  er- 
wähnte und  auf  die  alte  Kunst  ausgedehnte  Bemerkung  Göthe's  giebt 
auch  die  Rathsversammlung  auf  der  Dariusvase. 

501.  Dornauszieher*,  Broncestatue  im  Conservatoren- 
palast  auf  dem  Capitol  in  Rom.  Es  fehlen  nur  die  Augäpfel, 
die  aus  Edelstein  oder  Silber  eingesetzt  waren. 

Der  Knabe   ist   beschäftigt,   sich   einen  Dorn    aus    dem 
Fuss  zu  ziehn,  und  die  etwas  aufgeworfenen  Lippen  sind  cha- 
rakteristisch für  seine  gespannte  Aufmerksamkeit.    Die  Figur 
ist  mit  höchster  Objectivität  ohne  alle  Rücksicht  auf  den  Be- 
trachtenden dargestellt. 

Hinsichtlich  der  Zeitbestimmung  hat  man  dies  Werk  mit 
^er  der  alexandrinischen  Zeit  angehörenden  Gruppe  —  einem 
Knaben,  der  seine  Kräfte  an  einer  Gans  probirt  —  zusam- 
Joengestellt,  allein  mit  Unrecht.  Denn  die  Anordnung  der 
Haare  ist  noch  weit  entfernt  von  der  zufälligen  Natürlichkeit, 
<^c  nach  Alexander  üblich  war,  sie  stimmt  \ielmehr  mit  der 
«tilisirenden  Weise  der  früheren  Zeit.    Die  Figur  ist  vermuth- 


*  hn  Römischen  Saal  n.  15. 
Friederichs,  griech.  Plastik.  19 


290  Genre  und  historische  Darstellungen. 

lieh   ein   Originalwerk;   mehrere   Marmorkopien    sind    davon 
erhalten. 

Abg.  Righetti  il  museo  del  Campidoglio  II,  207.  Visconti  Op.  var» 
IV,  23,  n.  1. 

Brunn,  Künstlergesch.  I,  511,  Welcker  Akad.  Mus.  n.  81,  besonders 
aber  Overbeck  Gesch.  d.  gr.  PI.  II,  100  stellen  das  Werk  dem  Knaben 
mit  der  Gans  an  die  Seite.  Anders  urtheilte  dag'egen  Meyer  zu 
Wiuckelmanns  Kunstgesch.  7,  2,  §  18.  „Die  rührende  Einfalt  in  sei- 
nem ganzen  Wesen,  die  unschuldige,  reizende  Schönheit  aller  Formen,, 
der  Saum  um  die  Lippen  und  die  überaus  fleissig  und  zierlich  gearbei- 
teten Haar(?  scheinen  in  ihm  ein  griechisches  Werk  imd  zwar  aus  der 
besten  Zeit  anzuzeigen."  Der  Einschnitt  am  Lippenraude  entscheidet  frei- 
lich nicht,  man  findet  ihn  auch  an  römischen  Werken. 

Nach  der  Behandlung  des  Haai's  geht  diese  Bronce  dem  betenden 
Knaben,  der  in  dieser  Hinsicht  ganz  mit  dem  Apoxyomenos  überein- 
stimmt, der  Zeit  nach  voran. 

502.  Sogenannter  Phocion*,  Marmorstatue,  1737 
in  Bom,  bei  dem  Bau  von  Palast  Gentüi  am  Qnirinal  gefunden 
und  im  Vatikan  befindlich.  Neu  sind  an  der  rechten  Hand 
Daumen  und  Zeigefinger,  die  linke  Hand  ganz,  die  etwas  ge- 
halten zu  haben  scheint,  vielleicht  ein  Schwert,  ausserdem 
die  Schienbeine  ohne  das  Knie.  Die  Restauration  ist  von  Pa- 
cetti  besorgt 

Die  grosse  Einfachheit  dieser  Statue  ist  die  Veranlassung 
für  die  Benennung  Phocion  geworden,  die  iudessen  von  ihrem 
eignen  Urheber  zurückgezogen  ist,  weil  der  milde  Ausdruck 
des  Kopfes  nicht  mit  den  alten  Nachrichten  über  das  Aussehn 
des  Phocion  übereinstimme.  Aber  wäre  auch  dieser  Gegen- 
grund nicht  vorhanden,  so  können  doch  diese  und  andre  Be- 
nennungen immer  nur  mit  so  allgemeinen  Gründen  gestützt 
werden,  dass  sie  sehr  wenig  sicher  erscheinen.  Porträtstatuen 
ohne  besonders  signifikante  Merkmale  eiaen  Namen  zu  gebeify 
ist  unmöglich.  Aber  ein  Porträt,  woran  gezweifelt  ist,  haben 
wir  jedenfalls  vor  uns,  der  Kopf  hat  entschieden  individuelle 
Züge.  Indessen  ist  eben  dieser  Zweifel  charakteristisch,  denn 
gerade  darin  liegt  das  Merkwürdige  dieser  Figur,  dass  das 
Individuelle  möglichst  unterdrückt  ist.  Wie  verschieden  sind 
in  dieser  Beziehung  die  Statuen  des  Demosthenes,  des  Menan- 
der  und  Posidipp  im  Vatikan! 

Von  allen  im  Folgenden  aufgeführten  Porträtstatuen  steht 
diese  der  Porträtbildnerei  des  fünften  Jahrhunderts,  welche 
„edle  Männer   noch   edler   machte"  und   das  Individuelle  zu 


*  Im  Niobidensaal  n.  99. 


Genre  und  historische  Darstelhmgen.  291 

Gnnsten  eines  einfach  grossen  Ideals  beschränkte^  am  nächsten. 
Die  Statae  ist  ein  eben  durch  ihre  Einfachheit  unendlich  wir- 
kungsvolles und  grossartiges  Werk.  Der  Künstler  hat  seine 
Figur  nicht  in  der  Tracht  des  Lebens  dargestellt,  sondern  nur 
mit  dem  Beitermantel  bekleidet,  der  wie  der  Hehn,  den  Krieger 
charakterisirt,  durch  die  ruhige. Stellung  aber,  durch  die  un- 
thätig  herabhängenden  Arme,  durch  die  Sparsamkeit  der  Falten 
des  Mantels,  die  er  sich  dadurch  ermöglichte,  dass  er  einen 
dickeren  Stoff  als  gewöhnlich  annahm,  durch  alles  dieses  wird 
ein  völliger  Verzicht  auf  Geltendmachung  individuellen  Wesens 
ausgesprochen.  Was  an  Bewegung  in  der  Figur  vorhanden, 
ist  nur  das  zur  Vermeidung  von  Steifheit  und  Einförmigkeit 
absolut  Nothwendige.  Gewiss  dürfen  wir  diese  Anspruchslo- 
sigkeit dör  äussern  Erscheinung  auch  als  einen  Charakterzug 
des  Dargestellten  betrachten. 

Dass  diese  Figur  auch  schon  im  Alterthum  angesehn 
war,  geht  daraus  hervor,  dass  der  berühmteste  Steinschneider 
ZOT  Zeit  des  Augustus,  Dioscurides,  dieselbe  auf  einem  den 
Hermes  darstellenden  Stein  copirt  hat. 

Abg.  bei  Visconti  Pio-Clem.  II,  43,  vgl.  Op.  var.  4,  p.  152  tf. 
p.  313,  dessen  zweite  Vermuthung,  es  möge  Amphiaraus  oder  Adrastus 
dargestellt  sein,  schon  von  Gerhard  Beschreibung  Roms  II.  2.  242  als 
eine  schwach  begründete  bezeichnet  wird.  E.  Braun  bullet.  1853  p.  180 
ff.  und  Ruinen  p.  459  deutet  ausgeliend  von  dem  dicken  Stoff  des  Man- 
tels die  Figur  auf  Aristomenes,  dem  sein  Mantel  oft  als  Schild  und 
Schutz  gedient  habe.  Mir  scheint  der  dicke  Stoff  aus  künstlerischen 
Grün<len  gewählt  zu  sein,  wie  im  Text  erörtert.  In  der  Tracht  des 
Mantels,  auf  welche  Braun  für  seine  Ansicht  Gewicht  legt,  ist  nichts 
Singiiläres,  sie  ist  die  ganz  gewöhnliche. 

503.  Sophokles*,  Marmorstatue,  in  Terracina  im  Hofe 
eines  Privathauses,  wo  sie  unbeachtet  mit  der  Vorderseite 
nach  unten  lag,  von  Luigi  Vescovali  entdeckt  und  seit  dem 
Jahr  1839  in  dem  durch  Gregor  XVI.  begründeten  laterani- 
schen Museum  befindlich.  Ergänzt  sind  (von  Tenerani)  die 
linke  Hand,  beide  Füsse  und  die  Basis  mit  dem  Schriftkasten, 
dem  bei  Männern,  deren  Wirksamkeit  auf  geistigem  Gebiet 
liegt,  Dichtem,  Rednern,  Philosophen  gewöhnlichen  Attribut. 

Es  ist  die  ansprechende  Vermuthung  geäussert,  der  Dichter, 
dessen  Züge  aus  andern  mit  Inschriften  versehenen  Porträts 
bekannt  sind,  sei  hier  als  Sieger  über  die  beiden  andern 
grossen  Tragiker  aufgefasst,  tlber  welche  er  allerdings  viel- 


*  Im  Treppenhaus  n.  129. 

19* 


292  Genre  und  historische  DarsteUungen. 

fache  Siege  im  tragischen  Wettkampf  davontrug.  Darauf 
deute  die  den  Bildern  des  Sophokles  eigenthümliche  Tänie 
und  „der  natürlich  triumphirende  oder  doch  froh  bewusste 
Ausdruck,  der  sich  in  dem  Auftreten  und  in  der  Haltung  des 
linken  Arms  zu  erkennen  giebt."  Indessen  ist  das  Eopfband 
keine  Siegestänie  und  die  gg,nze  Erscheinung  der  Figur  wird 
wohl  richtiger  aus  dem  persönlichen  und  dichterischen  Cha- 
rakter des  Sophokles  abgeleitet. 

Schon  die  Wahl  des  Alters  ist  sehr  glücklich.  Einen 
Philosophen  denkt  man  sich  gern  in  höherem  Alter  darge- 
stellt, für  einen  Dichter  und  zumal  für  Sophokles  ist  die  Dar- 
stellung in  blühendem  Mannesalter  geeigneter.  Denn  im  Dichter 
und  zumal  in  Sophokles  erscheint  die  geistige  Kraft  nur  in 
innigster  Verbindung  mit  Grazie  der  Form.  Daher  schildert 
die  Figur  uns  einen  Mann,  der  nicht  gleichgültig  ist  gegen 
die  äussere  Erscheinung.  Die  Schönheit  des  Faltenvnirfs  wird 
besonders  deutlich  durch  die  Vergleichung  der  gegenüberste- 
henden Statue  des  Aeschines  (n.  515),  der  es  wegen  zu  vielen 
Details  an  einfachem  Adel  fehlt,  und  mit  dem  sorgfMtig  ge- 
ordneten, fast  zierlichen  Bart  vergleiche  man  etwa  den  sorglos 
durcheinander  geworfenen  Bart  des  Sokrates  in  der  schönen 
capitolinischen  Büste.  Die  feste  und  ruhige  Haltung  der 
Figur  aber  scheint  für  einen  Dichter  charakteristisch,  dessen 
dichterische  Kraft  nichts  Dämonisches,  nichts  von  „göttlichem 
Wahnsinn^^  an  sich  hatte,  vielmehr  mit  klarster  Besonnenheit 
vereinigt  war. 

Die  Behandlung  des  Haupthaars  lässt  auf  ein  Original 
aus  Erz  schliessen,  sie  ist  ähnlich  der  des  lysippischen  Apo- 
xyomenos  (n.  499).  Das  Werk  scheint  zur  Zeit  Alexanders 
entstanden  zu  sein,  es  hält  die  Mitte  zwischen  dem  einfache- 
ren, idealeren  Charakter  eines  Phocion  und  dem  individuelleren 
Gepräge,  das  der  Statue  des  Demosthenes  (n.  513)  und  Aeschi- 
nes eigen  ist. 

Abg.  Monum.  dell'  instit.  IV,  27.  Welcker  A.  D.  I  Taf.  5,  p.  456 
ft*.  V  p.  96.  Garucci  monum.  del.  mus.  Laterau.  tav.  4  p.  14.  E.  Braun 
Ami.  1849  j).  95,  Rniuen  und  Museen  p.  736.  Wie  eine  Preistuiüe  aus- 
sieht, kann  man  sehr  deutlich  sehn  auf  Taf.  51,  2.  52  der  Archaeol. 
Ztg  vom  J.  1853.  Sie  ist  sehr  verschieden  von  der  einfachen  Scluiui', 
die  Sophokles  trä{^t. 

504.  Doppelbüste  des  Sophokles  und  Euripides*, 
im  J.  1845  in  Rom  vor  Porta  S.  Lorenzo  gefunden  und  von 


*  Im  Niol)id»MisMal  ii.  G5. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  293 

Professor  Welcker  erworben,  der  sie  jetzt  dem  Museum  in 
Bonn  geschenkt  hat. 

Diese  Büste  des  Sophokles  steht  zu  dem  Kopf  der  eben 
betrachteten  Statue  in  dem  Verhältnisse  dass  dieser  treuer, 
jener  dagegen  idealer  ist,  indem  das  Profil  desselben  sich 
mehr  dem  Idealkopf  nähert.  Höchst  bezeichnend  ist  der  Ge- 
gensatz, den  dazu  der  durchaus  individuelle  Kopf  des  Euri- 
pides  bildet.  Die  magern  Backen  und  das  über  der  Stirn 
spärlichere,  an  den  Seiten  aber  lang  und  schlaff  herabfallende 
Haar  rufen  unwillkürlich  den  Eindruck  des  Matten  und  Lei- 
denden hervor,  während  Sophokles  wie  eine  feste  und  in  sich 
befriedigte  Natur  erscheint,  die  durch  den  hochgewölbten  Bo- 
gen der  Augenbrauen  zugleich  etwas  Grossartiges  erhält,  ohne 
aber  darum,  wie  der  sorgfältig  angeordnete  Bart  zeigt,  gegen 
die  Harmonie  der  äussern  Erscheinung  gleichgültig  zu  sein. 
Es  bedarf  nicht  der  Bemerkung,  dass  der  Künstler  dieser 
schönen  Doppelbüste  das  geistige  Wesen  beider  Dichter,  wie 
es  in  ihren  Werken  ausgesprochen  ist,  zur  Anschauung  hat 
bringen  wollen,  die  innere  Befriedigung  des  Einen  und  die 
am  Zweifel  leidende  Natur  des  Andern. 

Abg.  Annali  dell'  instit.  1846  tav.  iV^g^.   \^\.  Welckor  A.  D.  I,  457  . 

505.  Euripides*,  Mai'mor Statuette  im  Louvre,  ungefähr 
um's   Jahr    1760   in    einem   Trümmerhaufen   in  Villa  Albani 
aufgefunden;    ein  Stück  der  hinteren  Platte  befand  sich  im 
collegio    Romano    und   wurde    mit    dem   Uebrigen   vereinigt. 
Der  Kopf  ist  nach  einer  jetzt  in  Neapel  befindlichen  Herme 
des  Dichters  ergänzt,  auch  die  Arme  mit  den  Attributen  sind  neu. 
Auf  der  Basis  ist  der  Rest  eines  Stabes  zurückgeblieben, 
der  durch  Stützen,  von  denen  man  ebenfalls  noch  Spuren  sieht, 
mit  dem  Sessel  verbunden  war;   höchst  wahrscheinlich  hielt 
der  Dichter  einen  Thyrsus  in  der  Hand,  das  passendste  Ab- 
zeichen  eines  Dieners    des  Dionysos,   wie   es    der   tragische 
Dichter  war.    Die  Deutung  der  Figur  ist  sicher,  da  sich  am 
Fossgestell  die  Hälfte  des  Namens  Euripides  erhalten  und  an 
der  hintern  Platte  die  Titel  einer  grossen  Anzahl  euripidei- 
^her  Tragödien  eingegraben  sind,  welche  diese  Figur  für  die 
Literatargeschichte  werthvoll  machen.     "Eben  um  dieser  Titel 
^llen  wurde  die  Figur  wie  ein  Hautrelief   componirt.     Die 
Fifi[ur  ist    in   künstlerischer  Hinsicht   ziemlich  wertlilos   und 


*  Im  Niubidensaal  n.  73. 


294  Genre  und  historische  Darstellungen. 

gehört  auch^  wie  schon  die  Buchstabenformen  der  Inschrift  an- 
deuten, in  spätere  Zeit. 

Vgl.  Description  du  Louvre  n.  65.  •  Abg.  bei  Wiuckelmann  monum. 
ined.  n.  168.  Clarac  pl.  294.  Vgl.  Whickelmann's  Briefe  über  die 
neuesten  herkul.  Entdeckgen  §  36.  Zur  Rechtfertigung  des  Thjrrsus 
lässt  sich  auch  noch  die  den  Thyrsus  führende  Gestalt  der  Tragödie  auf 
der  Vase  bei  Müll  er- Wieseler  II,  46,  582.  anführen. 

506.  Angebliche  Büste  des  Aeschylus*,  im  capi- 
tolinischen  Museum  befindlich,  wo  sie  im  J.  1643  durch  den 
Vorsteher  der  Sammlung,  Melchiorri,  entdeckt  ist. 

Ausgehend  von  dem  Charakter  des  Kopfes  und  von  der  Glatze 
hat  man  in  ihm  ein  Porträt  des  Aeschylus  zu  finden  geglaubt, 
den  man  sich  kahlköpfig  denkt  nach  der  bekannten  ancli  auf 
einer  Gemme  dargestellten  Fabel  von  dem  Adler,  der  auf 
den  kahlen  Kopf  des  Dichters,  ihn  für  einen  Felsen  haltend^ 
eine  Schildkröte  geschleudert  und  dadurch  seinen  Tod  herbei- 
geführt haben  soll  Es  ist  indessen  klar,  dass  diese  Gründe 
nicht  ausreichen  zur  Benennung  der  Büste,  man  kann  nur  mit 
Bestimmtheit  sagen,  dass  sie  einen  Griechen,  nicht  einen  Rö- 
mer vorstelle.  Uebrigens  erhält  man  von  dem  Kopf  durchaus 
den  Eindruck  einer  grossartigen  und  bedeutenden  Persönlichkeit 

Abg.  Monum.  d.  inst.  V,  tav.  4.  Annali  1849  p.  94  ff.  bullet.  1848 
p.  73.  Vgl.  Welcker  A.  D.  5,  96.  2,  337. 

507.  508.  Homersköpfe**,  der  eine  aus  der  Sammlung 
Polignac  stammend  und  in  Potsdam  befindlich,  der  andere  in 
Buinen  auf  der  Stelle  des  alten  Bajae  1780  gefunden,  dann 
in  die  Townley'sche  Sammlung  und  mit  dieser  ins  britische 
Museum  übergegangen. 

Dass  die  Homersköpfe  rein  erdichtete  Schöpfungen  sind, 
geht  schon  daraus  hervor,  dass  sie  unter  sich  ganz  verschieden 
sind.  Es  giebt  zwei  Typen  derselben,  von  denen  derjenige, 
zu  welchem  diese  beiden  Büsten  gehören,  der  schönere  und 
charakteristischere  ist.  Schon  deswegen,  weil  hier  der  Dichter 
in  höherem  Alter  dargestellt  ist,  denn  für  einen  Griechen 
späterer  Zeit  war  es  gewiss  die  natürlichste  Auffassung,  sieh 
den  Homer,  den  Mann  der  grauen  Vorzeit  und  zugleich  den 
vielerfahrenen  Dichter,' dessen  Werke  als  Quelle  aller  Weisheit 
galten,  in  hohem  Greisenalter  mit  viel  durchfurchten  Zügen 


*  Im  Niobideusaal  n.  83. 
**  Ebcmlas.  n.  123  und  76. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  295 

2Q  denken.  Es  neichen  aber  die  einzelnen  Exemplare  dieses 
Typus  in  einem  nicht  unwichtigen  Pnnkt  von  einander  ab; 
insofern  der  Kopf  bald,  wie  an  der  englischen  Büste,  gerade 
aussieht,  bald,  wie  an  dem  schönsten  aller  Homersköpfe,  dem 
in  Potsdam  befindlichen,  eine  leise  Richtung  nach  oben  hat. 
Yermathlich  ist  dies  Motiv  von  den  Blinden  hergenommen, 
die,  wie  man  oft  bemerken  kann,  den  Kopf  etwas  nach  oben 
richten,  gleichsam  als  sehnten  sie  sich  nach  der  Quelle  des 
Lichts.  Aber  wenn  es  auch  von  einer  Erscheinung  der  Wirk- 
lichkeit genommen  sein  mag,  so  giebt  es  dem  Kopf  zugleich 
den  Ausdruck  seherischer  Begeisterung.  Der  Dichter  sieht 
wie  ein  Prophet  aus,  aber  freilich  ohne  alles  Dämonische, 
sondern  müd  und  freundlich. 

Auch  die  Blindheit  ist  an  der  englischen  Bttste  nicht 
recht  merklich,  während  man  an  d^r  andern  deutlich  fühlt, 
•dass  die  Sehkraft  des  Auges  erloschen  ist.  Um  so  tiefer 
wirkt  das  Motiv  des  erhobenen  Kopfes,  als  habe  der  Dichter 
in  seiner  innem  Welt  reichen  Ersatz  gefunden  für  den  Ver- 
lost der  äussern.  Endlich  liegt  darin  ein  bedeutender  Vorzug 
der  Potsdamer  Büste  vor  der  englischen,  dass  die  Furchen 
im  Gresicht  weniger  scharf  und  schneidend  markirt  sind.  Sie 
entspricht  mehr  dem  Bilde  eines  milden  Greisenalters,  unter 
dem  man  sich  Homer  denkt.: 

Die  in  Potsdam  befindliche  Büste  ist  noch  unedirt,  die  andere  ist 
abg.  Marbles  of  the  brit.  mus.  II,  pl.  25.  Vgl.  Vaux  Haudbook  to  the 
British  museum  p.  199. 

509. Doppelbüste  des  AristophanesundMenander*, 
in  Tusculum  gefunden  und  im  J.  1852  von  Prof.  Welcker  ge- 
kauft, der  sie  jetzt  dem  Museum  zu  Bonn  geschenkt  hat. 

In  dem  glattgeschorenen  Kopf  der  Doppelbüste  den  Me- 
nander  zu  erkennen,  war  mögUch,  da  uns  das  Porträt  dieses 
Dichters  mit  inschriftlicher  Beglaubigung  erhalten,  für  den 
andern  Kopf  fehlt  ein  solcher  Anhalt,  doch  genügt  gewiss  die 
Verbindung  mit  Menander,  um  den  ihm  gegebenen  Namen 
des  Aristophanes  zu  rechtfertigen.  Denn  es  ist  bei  mytholo- 
gischen wie  historischen  Doppelbüsten  durchaus  die  Regel, 
gleichartige  Personen  mit  einander  zu  verbinden,  gewiss  also 
haben  wir  in  dem  bärtigen  Kopf  einen  komischen  Dichter  vor- 
auszusetzen und  mit  wem  könnte  dann  Menander,  das  Haupt 


*  Im  Niobidensaal  n.  64. 


296  Genre  und  historische  DarsteUungen. 

der  neuern  Komödie,  treffender  verbunden  werden,  als  mit 
Aristophanes,  dem  Haupt  der  alten  Komödie?  Das  Band 
freilich,  das  den  Kopf  des  letztern  umgiebt,  können  wir  auch 
hier  nicht  als  Siegeszeichen  auffassen,  es  ist  eine  einfache 
Schnur,  die  man  unzählig  oft,  namentlich  in  den  Yasenge- 
mälden  findet,  ohne  dass  ihr  ein  anderer  Sinn  gegeben  werden 
könnte,  als  der,  ein  Schmuck  des  Kopfes  zu  sein.  Auch  ver- 
zichten wir  darauf,  in  den  Zügen  des  Gesichts  Verwandtschaft 
mit  dem  Charakter  des  Dichters,  wie  er  in  seinen  "Werken 
ausgeprägt,  zu  entdecken,  während  allerdings  das  feine  geist- 
reiche Gesicht  des  Menander  ganz  dem  Bilde  entspricht,  das 
wir  uns  nach   den   literarischen  Quellen  von  ihm  entwerfen* 

Der  Umstand,  dass  Aristophanes  eine  Glatze  hatte,  ist 
kein  Einwand  gegen  diese  Erklärung,  denn  gerade  oben  auf 
dem  Schädel  ist  die  Ausführung  weniger  sorgfaltig,  gewiss 
weil  der  Künstler  sich  zu  der  Annahme  berechtigt  glaubte^ 
dass  diese  Stelle  der  Betrachtung  entzogen  bleiben  würde. 

Der  glatte  Kopf  des  Menander  zeigt  in  Uebereinstim- 
mung  mit  schriftlichen  Zeugnissen,  dass  damals  bereits  die 
Sitte  aufgekommen,  den  Bart  abzuscheeren.  Demosthenes  und 
Aeschines  werden  noch  bärtig,  Aristoteles,  Posidipp,  Menander 
unbärtig  dargestellt.  Yermuthlich  ist  es  der  macedonische 
Hof,  von  dem  diese  Sitte  ausging,  die  Münzen  dieser  und  der 
folgenden  Zeit  zeigen  uns  durchgehend  die  Köpfe  der  Füi'sten 
ohne  Bart. 

Vgl.  Welcker  A.  Denkm.  V,  Taf.  3  p.  40  ff.,  dessen  Verdienst  e» 
ist,  die  Doppelbüste  richtig  bestimmt  zu  haben. 

510.  Sogenannte  Sappho  und  Corinna*,  Doppel- 
büste von  Marmor,  in  Madrid  befindlich. 

Die  Benennung  ist  durchaus  willkürlich,  denn  wir  besitzen 
zwar  Abbildungen  der  Sappho,  aber  nicht  solche,  vermittelst 
deren  wir  Büsten  bestimmen  könnten.  Zudem  ist  mir  mehr 
als  zweifelhaft,  ob  der  für  Corinna  ausgegebene  Kopf  über- 
haupt nur  weiblich  ist  Die  Haartracht  desselben  ist  ent- 
schieden männlich. 

Namentlich  der  letzterwähnte  Kopf  ist  von  der  höchsten 
Schönheit. 

Vgl.  Hübner  d.  ant.  ßildw.  in  Madrid  p.  100. 


*  Im  Niobidensaal  n.  84. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  297 

511.  Anakreon*,  Marmorstatue,  im  Jahre  1835  bei  den 
im  Sabinerlande  am  Monte  Calvo  veranstalteten  Ausgrabungen 
gefionden;  Ton  der  Familie  Borghese  gekauft  und  in  Villa 
Borghese  befindlich.  Die  Augen ,  die  vermuthlich  aus  Edel- 
stein eingesetzt  waren,  und  die  Nasenspitze  fehlen,  ergänzt  ist 
der  rechte  Arm  vom  Ellbogen  abwärts  mit  Ausnalime  der 
Hand,  an  welcher  nur  der  Daumen  neu  ist,  ausserdem  die 
Finger  der  Linken  und  die  Leier,  von  welcher  nur  die  An- 
sätze am  Bart  und  Gewände  sich  erhalten  hatten.  Die  Form, 
die  man  ihr  gegeben  bat,  entspricht  übrigens  nicht  der  in 
guter  griechischer  Zeit  üblichen. 

Die  Figur  hat  den  Namen  Anakreon  erhalten,  der  aller- 
dings durch  kein  äusseres  Zeugniss  zu  begründen  ist,  aber 
dem  Charakter  derselben  so  durchaus  entspricht,  dass  ei:, 
richtäg  zu  sein  scheint  Wir  besitzen  freilich  eine  ziemlich 
flbereinstimmende  Darstellung  des  Anakreon  auf  einer  Münze 
von  Teos,  der  Vaterstadt  des  Dichters,  auf  welcher  nämlich 
ein-  ältlicher  Mann  auf  einem  Stuhl  sitzend  mit  dem  Leier- 
q>iel  beschäftigt  vorgestellt  ist,  doch  ist  die  Uebereinstimmung 
nicht  so  schlagend,  dass  wir  die  Münzdarstellung  als  eine 
Gopie  i  unserer  Statue  oder  ihres  Originals  ansehen  dürften. 
Um  so  mehr  aber  empfiehlt  der  Charakter  der  Figur  die  an- 
gegebene Benennung. 

Dass  wir  zunächst  nicht  einen  Dichter  feierlichen  Clia- 
rakters  von  uns  haben,  lehrt  der  erste  Blick.    Schon  dass  er 
sitzt,  und  zwar  behaglich  mit  überschlagenen  Füssen  und  in 
einem  bequemen  Lehnstuhl,  giebt  das  Bild  eines  Dichters  der 
leichteren    Gattung   der   Poesie.     Die   Bewegung   des   Ober- 
körpers  aber   und  die  Haltung  des  rechten  Arms   und   der 
Hand,  worin  eine  gewisse  Erregung  leidenschaftlicherer  Art 
Milbar  ist,  sind  sprechend  für  einen  Dichter  sinnlich  erregter 
Poesie.   Doch  ist  dies  Leidenschaftliche  nur  eine  Zuthat,  nicht 
^e  eigentliche  Seele  seines  Gesanges,  der  Ausdruck  des  an- 
mnäiig  Behäbigen  überwiegt.    Denn  in  solchen  Formen  kann 
nicht  leidenschaftliche  verzehrende  Gluth  leben,  die  merkliche 
Corpulenz  deutet  vielmehr  auf  einen  dem  behaglichen  Genuss 
ergebenen  Mann.    Allerdings  ein  gefährlicher  Versuch,  einen 
Mann  in   höherem   Alter   von    dieser   Sinnesrichtung   darzu- 
stellen, aber  wie  schön  hat  der  Künstler  allem  Gemeinen  ent- 
gegengewirkt,   indem    er    den   Formen    etwas   Frisches   und 


*  Im  römischen  Saal  n.  105. 


298  Genre  und  historische  Darstellungen. 

Lebensvolles  gab,  was  statt  des  widerwärtigen  nur  an  Silenen 
erträglichen  Bildes  des  schlaffen  und  doch  noch  geniessenden 
Alters,  vielmehr  die  Vorstellung  eines  den  Genuss  beherr- 
schenden; geist-  und  lebensvollen  Mannes  henrormfL  Der 
Mantel;  der  aus  dickem  und  weichem  Stoff  besteht,  giebt 
ebenso  wie  die  zierlich  reichen  Sandalen,  den  Eindruck  des 
Behäbigen  und  ein  wenig  Weichlichen  und  Ueppigen,  wie  es 
dem  Charakter  der  Figur  entspricht. 

Man  hat  mit  Recht  eine  gewisse  Sorglosigkeit  in  der 
Ausführung  als  ein  Verdienst  der  Statue  hervorgehoben.  Die 
studirte  Präcision  und  Eleganz  römischer  Werke  fehle  ihr, 
sie  sei  darum  von  griechischer  Hand  ausgeführt  zu  denken. 
Diese  Art  der  Ausführung  ist  auch  mit  dem  naiven,  sorglosen 
(])harakter  der  Figur  in  schönstem  Einklang.  Schwerlich  aber 
dürfen  wir,  wie  von  derselben  Seite  bemerkt  ist,  ein  Original 
aus  der  Zeit  des  Perikles  für  die  Figur  voraussetzen.  Denn 
wie  uns  die  aus  jener  Zeit  erhaltenen  Werke  lehren,  herrschte 
damals  noch  eine  strenger  stilisirende  Kunstrichtung,  von 
welcher  unsere  Statue  in  ihrer  völlig  freien  Natürlichkeit 
mindestens  um  ein  Jahrhundert  entfernt  ist 

Abg.  Monumenti  dell'  instit.  VI,  tav.  25.  Die  Statue  ist  zugleich 
mit  tlcm  angeblichen  Pindar  (n.  512)  an  derselben  Stelle  gefunden,  wo 
fiuch  die  den  vatikanischen  entsprechenden  Musen  gefunden  sind,  vgl. 
Bullet.  1836  p.  9  tf. 

Mich  wundert,  dass  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  Roms  p.  543  und 
bullet.  1853  p.  19  und  Brimn  Annali  1859  p.  155  ff.  unsere  Statue 
identiflciren  mit  einer  in  mehreren  Epigrammen  (Anal.  I  p.  229  n.  37 
p.  230  n.  38,  II  p.  453)  beschriebenen  ganz  verschiedenen,  derselben, 
wie  es  scheint,  die  Paus.  1,  25,1  auf  der  Akropolis  von  Athen  sah. 
Eine  Verschiedenheit  hebt  Brunn  freilich  selbst  hervor,  die  Statue  der 
Epigramme  hatte  nämhch  einen  Schuh  im  Rausch  verloren,  er  glaubt 
aber,  das  sei  etwas  Untergeordnetes,  \md  der  Verfertiger  sei  auch  keio 
einfacher  Copist,  sondern  habe  sich  eine  gewisse  Freiheit  gewahrt.  Ab« 
ist  dieser  Zug  nicht  höchst  charakteristisch  und  wird  ein  geistreicher 
Künstler  in  seiner  wenn  auch  freien  Copie  wohl  einen  solchen  Zug  weg- 
lassen? Aber  es  weist  in  der  That  jedes  Wort  der  Epigramme  auf 
eine  ganz  andere  Statue  hin.  Gehen  wir  das  erste,  das  eingehendste, 
durch:  ÜQ^aßw  ^AvaxQelovra x^öav  osoakayfiivov  oiv<p  (diese  Worte 
wären  auf  unsere  Statue  angewandt,  eine  wunderliche  Hyperbel)  ^cü, 
6iva}T0v  axqenxbv  vnsQB'S  XIB'OV.  (B.  versteht  unter  dem  Sivanbg 
Xid-oq  den  Marmorsessel  der  Figur,  der  ja  hinten  rund  sei.  Aber  wer 
wird  sich  denn  so  ausdrücken  und  dazu  das  vneQd'eX  Vielmehr  ist 
luiter  dem  öivcttrbg  kld-og  nur  die  runde  Basis  der  Figur  zu  verstehen. 
Besonders  künstlich  deutet  B.  das  axQeTtzov  als  „verwickelt"  (intrec- 
ciato)  mit  Bezug  auf  die  Haltung  des  Obcrkörperb.  Nach  meiner  An- 
sicht bezieht  es  sich  auf  die  gewundene,  verdrehte  Stellung  eines 
trunken  hinschreitenden  Mannes     Denn  die  Figur  war  wie  das  Folgende 


Grenre  und  historische  Darstellungen.  299 

deutlich  zeigt,  stehend  oder  schreitend,  etwa  als  ein  Sänger  des  x(3fioq 
dahuischwärmend  gebildet).  ^Siq  6  yipcov  Xixvoioiv  i^^  öfifiaaiv  vy^a 
SsSoQXwg  &XQ^  ^^^  dat^aydlmv  sXxezai  d/iTtsxovav,  (Brunn:  rile- 
vano  poi  gli  epigrammi  come  uua  partieolarita  caratteristica  Tesser  tirato 
questo  manto  giü  fino  ai  talloni;  cio  che  si  verlfica  non  meno  nella 
nostra  statua,  sebbene  forse  al  primo  aspetto  non  ci  sembri  chiaro, 
come  una  tale  disposizione  dovoa  ravvisar  un  segno  di  noncuranza  e 
negligenza.  Ma  basta  di  abbandonar  Pidea  del  solito  manto  inngo 
deHJreci  e  di  ricordarsi,  che  quell'  abito  grossolano  al  solito  era  corta 
in  modo  da  scendere  appena  sotto  alle  ginocchia,  ed  allora  ci  convin- 
ceremo,  che  un  occhio  greco  nelP  accennata  disposizione  dovea  ravvisar 
im  segno  di  noncuranza  c  negligenza.  Abgesehen  davon ,  dass  ich 
die  Zeugnisse  dafür  vermisse,  dass  dieser  dickere  Mantel  gewöhnlich 
kurz  war,  so  ergiebt  eine  Vergleichung  anderer  Sitzbilder  und  zwai* 
von  ernstem  Charakter,  dass  in  diesem  Herabhängen  des  Gowandes  un- 
möglich etwas  Nachlässiges  gefunden  werden  konnte.  Vielmehr  Ana- 
kreon  steht  und  nachlässig  hängt  ihm  hinten  das  Gewand  herab,  er  ist 
ein  kXxsx^Twv  oder  hkxealnsTcXoq  und  darin  liegt  etwas  allerdings 
sehr  Oiarakteristisches).  Weiter:  Aiaaöiv  6*  aQßvXiöotv  rav  fisv 
/i/av,  ola  fied^vTtXfjSj  wksaev^  iv  6*  hx^Qo,  Qtxvbv  &QaQS  noöa. 
{Auch  dies  Verlieren  des  einen  Schuhes  weist  deutlich  auf  eine 
schreitende,  ttimkenen  Schrittes  schreitende  Figur,  es  wäre  unver- 
stindlieh  oder  ohne  Witz  bei  einer  sitzenden).  M^Xnet  ^  r^h  Bad-vllov 
ififis^cv  ^h  MsyiarSa  ai<oQ<3v  nceXccfia  rav  övq^Qmxa  x^^w-  (Das 
tuofoufv  naXdiiq  wäre  auf  unsere  Statue  angewandt,  ganz  unpassehd). 
^AXÜm  ndtSQ  Aiowoe^  tpvXaaai  fxLv.  ov  yaQ  hoixsv  ix  Baxxov  ninxBiv 
Baxxifxxbv  d-i^ana.  (Diese  Bemerkmig,  die  von  einer  in  einem  Lehn- 
sessel sitzenden  Figur  wohl  Niemandem  einfallen  könnte,  weist  wieder 
deatlich  auf  einen  trunken  Hiuschreit enden.) 

Die  Combinationen  Brunn's  über  den  Künstler  der  Statue  kann  ich 
für  meinen  Zweck  übergehen,  da  sie  sich  an  die  Notiz  des  Pausanias 
anknüpfen,  jiie  der  in  den  Epigrammen  beschriebenen  Statue  gilt.  Hin- 
sichtlich der  Zeitbestimmung  habe  ich  eine  andere  Vorstellung  von  der 
Kunst  des  perikleischen  Zeitalters  als  Brunn.  Die  Monumente  des- 
selben, sowohl  die  Sculpturen  vom  Parthenon  als  die  Amazonenstatuen 
stehen  noch  in  deutlichem  Zusammenhang  mit  dem  alterthümlichen  Stil, 
ist  es  nun  wohl  denkbar,  dass  einer  der  Künstler,  die  jene  Amazonen- 
statuen verfertigt  haben  —  \md  ein  solcher  war  Cresilas,  dem  B.  die 
Statue  des  Anakreon  vindicirt  —  zugleich  dies  völlig  frei  natürliche 
Werk  gearbeitet  habe? 

Was  die  Münze  betrifft,  so  ist  nur  eine  ganz  allgemeine  Aehnlit'h- 
keit  vorhanden,  der  Stuhl,  die  Gewandung,  die  Haltung  der  Figur  sind 
erheblich  abweichend.  Vgl.  0.  Jahn  Ber.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss. 
1861  p.  726,  mit  welchem  ich,  wie  ich  nachträglich  zu  meiner  Freude 
sehe,  in  der  Auffassung  der  Epigramme  völlig  übereingetroffen  bin. 

512.  Dichterstatue*,  zugleich  mit  der  eben  erwähnten 
Statae  des  Anakreon  gefunden  und  in  Villa  Borghese  aufge- 


Im  Niobidcnsaal  ii.  100. 


300  Genre  und  liistorische  Darstellungen. 

stellt.     Ergänzt  sind  beide  Arme  und   das  rechte  Knie  mit 
den  angränzenden  Theilen. 

Der  Ergänzer  hat  angenommen,  dass  die  Figur  in  der 
Linken  eine  Leier,  in  der  Rechten  das  Piektrum  hielt  und 
gewiss  mit  Recht.  Der  Dichter  ist  im  Begriff,  seine  Saiten 
zu  rühren.  Darauf  führt  der  Ansatz  der  Anne,  die  ausdrucks- 
volle Neigung  des  Kopfes,  wie  sie  sich  ganz  ähnlich  an  dem 
musicirenden  Apollo  findet,  und  der  Wurf  des  Gewandes,  dessen 
einer  Zipfel  über  die  rechte  Schulter  den  Rücken  hinab  ge- 
worfen ist,  damit  er  die  freie  Bewegung  des  rechten  Arms 
nicht  hindere.  An  einer  ebenfalls  im  Leierspiel  begriffenen. 
Muse,  die  zu  den  mit  aufgefundenen  Statuen  gehört  und  auch 
sonst  vorkommt,  bemerkt  man  dasselbe  Motiv. 

Es  ist  ein  griechischer  Lyriker  dargestellt,  und  da  die 
Zahl  derselben  begränzt  und  ihre  Charaktere  bestimmt  aus- 
geprägt sind,  so  sollte  man  glauben,  einen  dieser  Namen  auf 
die  Statue  anwenden  zu  können.  Und  doch  ist  dies  schwer- 
lich möglich,  wenigstens  befriedigen  die  gemachten  Vorschläge 
nicht.  Der  letzte  derselben,  nach  welchem  die  Statue  dea 
Pindar  darstellen  soll,  würde  zwar  dem  Ausdruck  derselben 
wohl  entsprechen,  denn  offenbar  ist  es  ein  feierlich  ernstes 
Lied,  das  der  Dichter  anstimmt  und  sehr  wahrscheinlich  ist, 
dass  ein  Gegensatz  zu  dem  mit  aufgefundenen  behaglich 
sitzenden  Anakreon  als  Vertreter  einer  leichteren  Gattung  der 
Lyrik  beabsichtigt  war,  allein  schon  der  Nacktheit  wegen,  die 
an  einem  Pindar  nicht  zu  motiviren  wäre,  aber  ihre  beson- 
deren Gründe  haben  muss,  weil  sie  bei  Dichtem  und  über- 
haupt bei  historischen  Figuren,  deren  Bedeutung  auf  geistigem 
Gebiete  liegt,  ungewöhnlich  ist,  können  wir  diesem  Vorschlage 
nicht  beitreten. 

Die  Augenhöhlen  waren  durch  Edelsteine  ausgefüllt,  wie 
wir  dies  bereits  bei  einem  Fragment  aus  dem  Parthenon 
(p.  149)  bemerkten;  das  Geschlechtsglied  ist  infibulirt,  was 
bei  gymnastischen  Kämpfern  zum  Schutz  des  Gliedes  geschah, 
hier  aber  gewiss  einen  besonderen  uns  unbekannten  Gnind 
hat.     Auffallend  sind  die  kurzen  Proportionen. 

Vermuthlich  stammt  die  Figur  von  einem  griechischen 
Original  ab,  ihre  Ausführung  fällt  wohl  erst  in  römische  Zeit. 

Die  Deutung  auf  Pindar  ist  von  Bnmn  aufgestellt,  aber  noch  nicht 
näher  ausgeführt.  Im  Uebrigen  vgl.  E.  Braun  bullet.  1853  p.  20  und 
i'iber  die  infibulatio  E.  Braun  Annali  1850  p.  268  fl*.  und  0.  Jahn 
fikorou.     Cista  p.  5. 


Geure  und  historische  Darstellungen.  3Q1 

513.  Demosthenes*,  Marmorstatue  im  Vatikan,  wohin 
sie  ans  Villa  Mondragone  gekommen  ist.  Ergänzt  sind  die 
Vorderarme  zur  Hälfte  und  mit  ihnen  die  Rolle. 

Von  mehreren  Seiten  ist  die  Richtigkeit  dieser  Ergän- 
zung angefochten  und  gemeint;  die  Figur  habe  die  Hände  in 
einwider  gelegt  gehabt,  wie  eine  bald  nach  dem  Tode  des 
Redners   von   dem   Ktinstler   Polyeuktos   verfertigte   Bronce- 
statae,  nach  welcher  das  vatikanische  Exemplar  copirt  sei. 
Allein  in  England  befindet  sich  eine  übereinstimmende  Wieder- 
holung, an  welcher  die  Hände  mit  der  Rolle,  die  hier  ergänzt 
sind,  sich  erhalten  haben,  wodurch  also  die  Restauration  ge- 
rechtfertigt wird.    Man   schliesse  aber  aus  der  Rolle   nicht, 
dass  der  Künstler  den  Demosthenes  habe  darstellen  wollen, 
eine  Rede  öffentlich  ablesend,   er   hat   ihn  wie   das  Rollen- 
Ustchen  an  seiner  Seite  deutlich  zeigt,  überhaupt  nicht  auf 
der  Rednerbühne  stehend,   sondern  ernst  meditirend  gedacht 
imd  darin  eine  für  Demosthenes  charakteristische  Seite  ge- 
troffen.   Man  könnte  wünschen,   dass   der  Künstler   ihm   in 
dieser  Situation  eine  etwas  behaglichere,  zwanglosere  Stellung 
gegeben  habe,  aber  gerade  die  feste  Stellung  ist  für  einen 
80  ernsten  und  charaktervollen  und  ganz  auf  die  Erreichung 
grosser  praktischer  Zwecke  gericliteten  Mann  bezeiclmend. 

Die  Statue  ist  höchst  lebendig  und  ausdrucksvoll  und  in 
dem  scharfgeschnittenen  und  durchfurchten  Gesicht  glaubt  man 
den  Charakter  und  die  Geschicke  des  Redners  zu  lesen.  Wir 
dürfen  ein  griechisches  Original  für  sie  voraussetzen,  das  uns 
im  Gegensatz  zu  dem  mehr  idealisirenden  Porträt,  wie  wir  es 
im  Perikles  und  Phocion  sahen,  eine  Probe  mehr  realistischer 
AuffEtssung  gewährt.  Die  Füsse  sind,  wie  mit  Recht  hervor- 
gehoben ist,  etwas  vernachlässigt   namentlich  der  linke. 

Abg.  Mus.  Chiaram.  II,  24.  Pistolosi  il  Vatin\no  IV,  11),  2.  V^l. 
die  Literatur  bei  Michaelis  in  der  Archaool.  Ztg.  1862  p.  231).  Die  He- 
merkiing  über  die  Füsse  der  Statue   macht   Brunn  Annali  1857  p    li)l. 

514.  Angeblicher  Demosthenes**,  Marmorstatue, 
früher  in  Villa  Montalto,  dann  im  Vatikan  befindlich,  dann 
nach  Paris  versetzt,  wo  sie  sich  noch  jetzt  im  Louvre  be- 
findet. Die  Arme  sind  ergänzt  und  der  Kopf,  der  allerdings 
antik  ist,  gehört  nicht  zur  Figur. 


•  Iiu  Ninhid»Misaal  n.  109. 
*•  Im  Römischen  Saal  n.  2G. 


302  Genre  und  liistorische  Dai^stellungen. 

Da  der  Eopf^  der  allerdings  den  Demosthenes  darstellt^ 
nicht  zur  Figur  gehört,  so  ist  die  Benennung  willkürlich.  Sie 
ist  aber  auch  unwahrscheinlich,  da  die  Redner  gewöhnlich 
nicht  sitzend  dargestellt  werden.  Verfolgt  man  die  Praxis 
des  Alterthums  in  diesem  Punkt,  so  werden  die  kriegerischen 
Männer  gewöhnlich  stehend  dargestellt  und  bei  ihnen  wftre 
das  Sitzen  unangemessen,  umgekehrt  sind  die  schönsten  Philo- 
sophenstatuen Sitzbilder  und  für  den  sinnenden  Denker  ist 
wieder  das  Sitzen  angemessener,  bei  den  Dichtem  schwankt 
es,  aber  man  wird  leicht  bemerken,  dass  je  idealer  die  Gat- 
tung oder  Auffassung,  um  so  mehr  dem  Standbild  vor  dem 
Sitzbild  der  Vorzug  gegeben  wird.  Für  die  vatikanische 
Statue  des  Menander  ist  das  behagliche  Sitzen  eben  so  noth- 
wendig,  wie  der  imponirende  Stand  für  den  Sophokles  im  La- 
teran. Bei  den  Rednern  endlich  musste  schon  der  Umstand 
dem  Standbild  den  Vorzug  geben,  dass  sie  die  Bedeutung,  um 
derentwillen  sie  verewigt  wurden,  ihrer  Thätigkeit  auf  der 
Rednerbtihne  verdankten.  Der  Rumpf  dieser  Figur  gehörte 
daher  schwerlich  einem  Redner,  gewiss  aber  einer  Portrftt- 
statue  an. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  III,  14.  Vgl.  Clarac  descriplion  du  Louvre  n.92. 

515.  Aeschines*,  Marmorstatue,  in  Herknlanum  ge- 
funden und  in  Neapel  befindlich. 

Die  richtige  Benennung  ist  dieser  Figur  durch  die  Ver- 
gleichung  der  im  Vatikan  befindlichen,  inschriftlich  beglaubigten 
Büste  des  Aeschines  zu  Theil  geworden,  früher  wurde  sie 
Aristides  genannt..  Den  robusten  Bau  freilich,  der  dem  Ae- 
schines nachgerühmt  wird  und  ihn  bestimmt  haben  soll,  Soldat 
zu  werden,  merkt  man  nicht,  dagegen  stimmt  die  Haltung  der 
Arme  mit  unseren  Nachrichten  überein.  Wir  wissen  nämlich, 
dass  die  ältere,  bescheidene  und  züchtige  Weise,  den  rechten 
Arm  unter  dem  Mantel  zu  tragen,  zwar  im  Allgemeinen  zur 
Zeit  des  Aeschines  abgekommen  war,  dass  dieser  selbst  aber 
sie  beibehielt.  Aeschines  scheint  auch  auf  der  Rednerbühne 
nichts  Freies  und  Ungebundenes  gehabt  zu  haben,  vielmehr 
um  eine  feinere  äussere  Erscheinung  besorgt  gewesen  zu  sein. 

Vergleicht  man  den  Aeschines  mit  dem  berühmten  So- 
phokles, wozu  die  Aehnlichkeit  des  Motivs  auffordert,  so  ver- 
liert freilich  ersterer  bedeutend.     Er  ist  dünn  und  schlank, 


*  Im  Treppenhaus  n.  132. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  303 

verglichen  mit  der  breiten  imponirenden  Gestalt  des  Sophokles^ 
imd  wä)u:end  dieser  aasgezeichnet  ist  durch  die  Einfachheit 
und  Sparsamkeit  des  Faltenwurfs^  geht  dem  Aeschines  durch 
die  vielen  kleinen  Falten  der  Charakter  des  Grossartigen 
völlig  verloren.  Die  Figur  ist  wohl  erst  in  römischer  Zeit 
entstanden. 

Abg.  Museo  borbnn.  I,  50.    Clarac  pl.  848.    Die  richtige  ßonennung 

gab  L.  Vesco^aii  in  der  dissertazione  sopra  uua  statua  antica  simile  al 

cocl  detto  Aristide  di  Napoli,  letta  nclia  pontißcia  Accudomia  romaua 

dl  archeologia  il  di  18  dicembrc  1834,  die  ich  übrigens  nur  aus  diMU 

AnsiDg  im  ballet,  d.  inst.  1835  p.  47  kenne. 

516.  Herodot  und  Thucydides*,  Doppelbtiste  von 
Mannor^  ans  der  Sammlung  des  Fulvius  Ursinus  in  den  Be- 
sitz der  Famese  und  mit  diesem  in  das  Museum  zu  l^eapel 
gekommen.  Erst  hier  sind  die  Köpfe  wieder  vereinigt  worden, 
die  froher  um  der  Aufstellung  willen,  die  man  ihnen  geben 
wollte,  auseinander  gesägt  waren. 

Von  dem  Aussehen  des  Thucydides  theilt  uns  sein  Bio- 
graph wenigstens  die  beiden  Züge  mit,  dass  er  nachdenklich 
ausgesehen  und  dass  sein  Kopf  eine  nach  oben  spitz  zu- 
laufende Form  gehabt  habe.  Letzteres  ist  an  »dieser  Büste 
nicht  zu  erkennen,  aber  ersteres  in  hohem  Grade,  und  der 
ernste,  sinnende  Ausdruck  des  Gesichts  wird  bedeutend  ge- 
hoben durch  den  fast  kahlen  Scheitel.  Ganz  anders  das  Ge- 
sicht des  Herodot,  das  übrigens  in  einer  Wiederholung  des 
.  hiesigen  Museums  noch  bedeutend  anmuthiger  und  freundlicher 
aassieht. 

Ohne  Zweifel  sind  diese  Köpfe  nach  griechischen  Origi- 
nalen copirt, 

Abg.  Vilbonti,  Iconogr.  gr.  I,  pl.  27  p.  315. 

517.  Diogenes**,  Marmorstatue  in  Villa  Albani.  Er- 
gänzt sind  beide  Arme  von  der  Mitte  des  015erarms  an,  das 
linke  Bein  fast  ganz,  das  rechte  vom  Knie  abwärts.  Auch  der 
Hund  nebst  dem  Stamm  ist  neu.  In  der  Ergänzung,  auch 
<ler  Attribute,  scheint  aber  das  Richtige  getroffen  zu  sein, 
wenigstens  der  Stab  war  gewiss  nothwendig  für  die  gobtickto 
Gestalt,  auch  ist  er  ein  sehr  passendes  Abzeichen,  da  An- 
tisthenes,  der  Lehrer  des  Diogenes,  ihn  eingeführt  haben  soll. 


*  Im  Niobidensanl  n.  101. 
**  Im  Ni(>bi<hMisai)l  n.  98. 


304  Genre  und  historische  Darätelluug^eu. 

Durch  Vergleichung  anderer  sicherer  Darstellungen  konnte 
in  dieser  Figur  Diogenes  erkannt  werden,  vielleicht  wftre  er 
auch  ohne  dieselben  erkannt,  da  die  Figur  sehr  treffend  ch&- 
rakterisirt  ist.  .  Sie  bietet  ein  gutes  Beispiel  dafür,  dass  die 
Griechen  sich  in  der  Darstellung  historischer  Persönlichkeiten 
durchaus  nicht  an  ihre  Erscheinung  im  Leben  banden.  Nor 
charakteristisch  darzustellen  war  ihr  Bestreben,  sie  liessen 
daher  sogar  das  Gewand  weg,  wenn  es  der  Charakter  der 
darzustellenden  Person  erforderte.  Diogenes  ist  ans  dem- 
selben Grunde  hier  nackt  dargestellt,  weswegen  er  von  einem 
römischen  Dichter  als  nudus  Cynicus  bezeichnet  wird,  es  soll 
der  Philosoph  dadurch  charakterisirt  werden,  der  den  Satz 
aufstellte,  es  sei  den  Göttern  eigenthünüich,  nichts  za  be- 
dürfen, und  den  den  Göttern  Aehnlichen,  wenig  zu  bedürfen. 
Charakteristisch  ist  auch  für  Diogenes  der  lange  nnd  unge- 
pflegte Bart. 

Die   Hässlichkeit   eines    alten   Körpers    nnverhüllt    dar- 
gestellt,  das   ist   eine  Aufgabe,   an   die   in   der   Bltlthe   der 
Kunst,   in  ideal  gestimmter  Zeit  schwerlich  gedacht  werden 
konnte.    Kur   als   das   historische   Interesse   an   der   Person 
überwog,  al»  um  den  Preis  charakteristischer  Darstellang  die 
reinere  Schönheit   geopfert  wurde,   da   konnten  solche  Dar- 
stellungen aufkommen.    Wir  müssten  daher  schon  aas  kflnst- 
lerischen  Gründen  diese  Darstellung  durch  diiB  Zeit  Alexanders 
begränzen,  über  welche  sie  wegen  der  Lebenszeit  des  Dio- 
genes, der  gleichzeitig  mit  Alexander  starb,  nicht  hinausgehen 
kann.     Andererseits  dürfen  wir  ihr  aber   einen  griechischen 
Ursprung  vindiciren,  da  sie  zu  sehr  noch  in  lebendigem  Be- 
wusstsein  von  der  Persönlichkeit  des  Diogenes  entstanden  za 
sein  scheint,  um  römischer  Zeit  angehören  zu  können. 

Abg-.  Winckehnanii  inonum.  ined.  n.  173.     Visconti  Iconogr.  gr.  I, 
pl.  22»-    Vgl.  E.  Braun  Ruinen  p.  674  ff. 

518.  Aesop*,  Fragment  einer  Statue  in  Villa  AlbanL 
Ergänzt  ist  die  rechte  Schulter. 

Auf  die  Frage,  ob  ein  Aesop  jemals  gelebt  habe,  brauchen 
wir  für  unsern  Zweck  nicht  näher  einzugehen,  für  den  viel- 
mehr die  Bemerkung  genügt,  dass  die  bildlichen  Darstellungen 
des  Fabeldichters  jedenfalls  wie  die  des  Homer,  freie  Er- 
findungen sind.    Eben  die  Verschiedenheit  unter  seinen  Dar- 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  7. 


Geure  und  historiBche  Darstellungen.  3()5 

«teUmigeii  —  wir  haben  die  Nachricht^  dass  er  auch  als 
Nei^  abgebildet  wurde  —  beweist^  dass  die  Künstler  nicht 
▼on  einer  kistorischen  Grundlage  aasgingen.  Wenn  sie  also 
gewisse  überlieferte  Züge  seiner  Persönlichkeit  beibehielten, 
so  thaten  sie  dies  nur  deswegen,  weil  sie  ihnen  für  das  Bild 
des  Fabeldichters  passend  erschienen.  Man  darf  daher  die 
Bilder  des  Aesop  als  Bilder  eines  Repräsentanten  der  grie- 
chischen Fabel  betrachten  und  analysiren. 

Das  Charakteristische   der  Büste'  liegt   darin,   dass  sie 
einen  hässlichen  Krüppel  darstellt,  der  aber  nicht  leidend  und 
gedrückt  ist,  sondern  dabei  frei  sein  kluges  Gesicht  empor- 
hebt.    ]>er  Fabeldichter,  zumal  der  griechische  Fabeldichter, 
konnte   nach   der   Natur   seiner  Dichtgattung  nicht  als   eine 
idealere   Gestalt   dargestellt  werden,   denn   es  sind  im  Ver- 
gleich  za   den   anderen  Dichtgattungen  niedrige  Dinge,   mit 
denen   er   sich   beschäftigt.     Ausserdem   ist   die   griechische 
Fabel  nicht  episch,  sondern  didaktisch,  und  zwar  spricht  sie 
ihre  Lehren  und  Warnungen  nicht  direkt  und  offen  aus,  son- 
dern unter  der  Form  von  witzigen  und  sinnigen  Erzählungen, 
es  fehlt  ihr  der  freie  männliche  Ton,  sie  sucht  es  vielmehr 
Ung,  ja   schlau   anzufangen,   um  ihren  Zweck   zu  erreichen. 
Gerade  diesem  Charakter  der  Fabel  entspricht  diese  Gestalt 
des  Fabeldichters.    Der  schwache  Krüppel  kann  nicht  kühn 
md  sicher  auftreten  für  seine  Zwecke,  dazu  fehlt  ihm  Kraft 
imd  Autorität,   aber  die  Klugheit,   die   so   oft  in  Krüppeln 
¥ohnt,  benutzt  er  sinnig  und  schlau  gegen  die  Ueberlegenheit 
der  Kraft  und  Macht. 

Der  Künstler,  indem  er  den  Krüppel  nackt  hinstellte, 
bat  sich  nicht  gescheut,  einen  durchaus  hässlichen  Eindruck 
bervorzurufeü,  und  wir  würden  die  Augen  abwenden,  wenn 
mcht  der  Kopf  mit  seiner  Haltung  und  mit  seinem  Ausdruck 
der  Hässlichkeit  des  Körpers  das  Gegengewicht  hielte. 

Die  Büste  ist  dem  oben  besprochenen  Diogenes  sehr 
verwandt  und  vielleicht  aus  derselben  Kunstrichtung  hervor- 
gegangen. 

Abg.  Visconti  Icon.  gr.  I,  12.    Monum.  d.  inst.  III,  14.    Vgl.  Auuali 
1^  p.  94.     £.  Braun  Ruinen  und  Museen  Rom's  p.  672. 

519.  Aristoteles*,  Marmorbüste,  im  Museum  zu  Madrid. 
Ke  Brost  mit  dem  Gewände  und  der  Inschrift  ist  neu. 


*  Im  Niobidensaal  n.  88. 
FriedericliB,  griecb.  Plastilc.  20 


I 


506  Genre  und  historische  Darstellungen. 

Die  Benenniing  ist  wohl  nicht  ganz  willkürlich^  der  Eo 
hat  einige  Aehnlichkeit  mit  der  schönen  Statue  des  Aristotel 
in  Palast  Spada^  die  aber  den  Philosophen  in  höherem  Alt 
mid  weit  ausdrucksvoller  und  charakteristischer  darstellt 

Vgl.  Hübner  Die  antiken  Bildwerke  in  Madrid  p.  101  n.  149. 

520.  Angeblicher  Bias"^;  Marmorbüste  im  Museum  i 
Madrid.  Die  Nasenspitze,  beide  Ohren,  die  Brust  mit  d< 
lüschrift  sind  neu. 

Die  Benennung  Bias  ist  unrichtig,  da  der  Kopf  mit  eine 
sicher  beglaubigten  Darstellung  dieses  Weisen  keine  Aehnlidi 
keit  hat.    Es  ist  übrigens  ein  unbedeutendes  Werk. 

Vgl.  Hübner  a.  a.  0.  p.  102  n.  151. 

521.  Angeblicher  Hippokrates**,  Marmorbüste  ii 
Museum  zu  Madrid.  Ergänzt  sind  die  Nase,  das  linke  Ob 
und  die  Brust  mit  der  Inschrift. 

Eine  höchst  unbedeutende  Büste  mit  eigenthümlich  dummen 
Ausdruck,  die  mit  Hippokrates  gar  nichts  zu  thun  hat 

Vgl.  Hübner  a.  a.  0.  p.  105  n.  164. 

522.  Solon***,  Marmorbüste  im  Museum  zu  Madrid. 
Die  Inschrift  scheint  alt  zu   sein,   oder   ist   wenigstem 

richtig  hinzugefügt,  denn  im  Vatican  befindet  sich  eine  dord 
Inschrift  beglaubigte  genau  übereinstimmende  Büste  des  SolOD 
Die  Büste  ist  übrigens  von  spätem  Stil. 

Vgl.  Hübner  a.  a.  0.  p.  109.  Die  im  Text  citirte  Büste  befinde 
sich  im  mus.  Chiaramonti  n.  733 ;  der  Kopf  derselben  ist  allerdings  auf 
gesetzt  (Gerhard  Beschreibung.  Rom's  II,  2  p.  87),  gehört  aber,  wem 
ich  mich  recht  entsinne,  zur  Herme. 

523.  Angeblicher  Posidonius****,  Marmorstatue  ii 
Louvre,  früher  in  Villa  Borghese.  Der  Kopf  gehört  nidi 
zur  Figur,  aber  ist  antik. 

Die  Benennung  ist  rein  willkürlich  und  passt  nicht  ein 
mal  für  den  Kopf,  der  mit  den  uns  sicher  bezeugten  Züge 
des  Posidonius  keine  Aehnlichkeit  hat.  Der  Rumpf  aber  h 
sicher  der  einer  Porträtstatue  und  vermuthlich  eines  Phile 
sophen,  für  welchen  der  lebendig  demonstrirende  Gestus  de 

*  Im  Niobideusaal  n.  87. 
**  Im  Niobidensaal  n.  90. 
***  Im  Niobidensaal  n.  85. 
****  Im  Römischen  Saal  n.  27. 


Genre  und  historische  Darsteiiungeu.  307 

linken  Hand  charakteristisch  wäre.    Die  Arbeit  ist  nicht  sehr 
bedeutend. 

Abg.   Clarac   pl.  327.     Vgl.   descr.    du   Louvre   n.  89.     Visconti 
Iconogf.  gr.  I,  pl.  24. 

524.  Alexander*;  Marmorbüste,  im  Jahre  1779  bei 
Tivoli  durch  den  Ritter  Azara  ausgegraben  und  dann  an 
Bonaparte  geschenkt^  jetzt  ün  Louvre.  Schultern,  Nase  und 
ein  Stück  der  Lippen  sind  neu,  die  ganze  Oberfläche  der 
Büste  ist  heruntergegangen. 

Es  ist  der  Hermenform  angemessen,  das  Porträt  treu 
und  monumental  zu  überliefern,  und  so  sehen  wir  auch 
hier  im  Gegensatz  zu  den  mehr  idealisirenden  Statuen  und 
Köpfen,  die  zu  Statuen  gehörten,  die  Züge  des  Alexander 
treuer  und  gleichsam  nüchterner  überliefert.  Und  zwar  geht 
die  Treue  so  weit,  dass  sogar  Unschönes  aufgenommen  ist» 
Y(m  competenter  Seite  ist  an  diesem  Kopf  nämlich  eine  bis  ins 
Kleinste  treue  Darstellung  der  tmter  dem  Namen  torticolis 
bekannten  £Int Stellung  nachgewiesen,  die  sich  namentlich  in 
der  Ungleichheit  der  Halsmuskeln,  wodurch  die  Wendung  des 
Kopfes  veranlasst  ist,  und  der  Gesichtshälften,  deren  eine,  die 
linke,  merklich  voller  und  runder  ist,  äussert.  Die  Büste  oder 
richtiger  ihr  Original,  da  sie  selbst  nach  den  Formen  der  In- 
schrift nicht  lange  vor  unserer  Zeitrechnung  entstanden  sein 
kann,  ist  daher  unzweifelhaft  nach  dem  Leben  gearbeitet. 
Auch  das  über  der  Stirn  aufsteigende  Haar  ist  also  nicht,  wie 
Wmckelmann  annahm,  eine  Erfindung  der  Künstler,  die  den  Kopf 
dadurch  dem  Zeus,  für  dessen  Sohn  Alexander  angesehen  sein 
wollte,  hätten  ähnlicher  machen  wollen,  sondern  es  war  ihm, 
wie  wir  übrigens  auch  schon  aus  einer  Nachricht  wissen, 
wirklich  eigen  und  dient  allerdings  dazu,  dem  Gesicht  einen 
Zug  der  Kühnheit  zu  geben.  Der  Einschnitt  in  den  Haaren 
setzt  ein  Diadem  voraus,  das  Alexander  zuerst  als  königliches 
Abzeichen  umlegte. 

Man  sollte  glauben,  dass  das  Original  dieser  Büste  von 
Lysippus  herrühre,  der  allein,  wie  berichtet  wird,  den  Ale- 
xander bilden  durfte,  und  gerade  die  grosse  Wahrheit  der 
Dttstellung  scheint  diese  Yermuthung  doppelt  zu  empfehlen. 
Allein  die  Büste  stimmt  nicht  völlig  mit  den  Berichten  der 
Alten  über  die  lysippischen  Alexanderköpfe  überein,  so  dass 
wir  die  Frage  unentschieden  lassen  müssen. 


*  Im  Niohideiisaal  11.  63. 

20' 


308  Genre  und  historische  Darstellungen. 

m 

Abg.  Visconti  Icouogr.  gr.  11  pl.  2,  n.  1.  2.  Vgl.  descript.  du 
Louvre  n.  132  und  namentlich  die  medicinische  Betrachtung  in  der 
Revue  archeol.  1852  IX  p.  422  ff.  pl.  197,  wo  nur  nicht  behauptet 
werdefi  durfte,  dass  die  Büste  den  Nachrichten  über  die  lysitoischoi 
Alexanderköpfe,  an  denen  die  dvdzaaig  zov  avx^vog  slq  S'dwwfiov 
iqovxrj  xsxXifiivov  von  Plutarch  Alex.  c.  4.  hervorgehoben  wird, 
entspreche. 

525.  Angeblicher  Perikles*,  Marmorkopf  im  Besitz 
des  Marquis  von  Pastoret  in  Paris. 

Wen  dieser  schöne  und  acht  griechische  Kopf  vorstellig 
wissen  wir  nicht  Man  hat  ihn  dem  Perikles  zugeschrieben, 
dessen  Büsten  aber  keine  Aehnlichkeit  mit  ihm  haben. 

Vgl.  Arch.  Anz.  1866  p.  285. 

526 — 567.  Friesreliefs  von  einem  Denkmal  in 
Xanthus**,  von  dem  Engländer  Fellows  im  Jahre  1838  ent- 
deckt und  fünf  Jahre  später  ins  britische  Museum  versetit 

Diese  Friese  gehörten  zu  einem  Denkmal^  welches  nach 
den  gefundenen  Resten  als  ein  auf  hohem  (Jnterbau  errichtetes 
von  freien  Säulen  umgebenes  tempelartiges  Gebäude  jonisch«! 
Stils  reconstruirt  werden  konnte.  Sie  waren  aber  nicht  m 
Gebäude  selbst^  sondern  am  Unterbau  angebracht  und  zwar 
so,  dass  der  breitere  Fries  unmittelbar  über  der  PlinthC;  der 
schmälere  dagegen  unmittelbar  unter  dem  bekrönenden  Ge- 
simse desselben  sich  befand. 

Der  erstere  ist  weniger  vollständig  erhalten,  als  der 
andere,  dem  nur  zwei  Platten  fehlen.  Es  sind  auch  im 
Uebrigen  die  grössten  Verschiedenheiten  zwischen  beiden, 
denn  während  der  schmälere  Fries  in  einer  an  griechischffli 
Beliefs  ganz  ungewöhnlichen  Weise  componirt  ist,  muss  jener 
als  ein  rein  griechisches  Werk  betrachtet  werden,  an  dem 
höchstens  die  geringe  Anzahl  nackter  Figuren  als  eine  Ab- 
weichung hervorgehoben  werden  kann.  An  einer  einzelnen 
Figur  dieses  Frieses  und  an  zweien  des  kleineren  ist  ausser- 
dem eine  kleine  Besonderheit  der  Bewaf&iung  zu  bemerken, 
die  sich  zwar  nicht  selten  auf  griechischen  Yasenbildem,  anf 
griechischen  Reliefs  aber  sonst  nicht  findet.  Am  Schild  der 
betreffenden  Figur  ist  nämlich  ein  Stück  Tuch  oder  Leder 
befestigt,  welches  den  Zweck  hat,  die  untere  Hälfte  des 
Mannes,  die  durch  den  kleinen  kreisrunden  Schild  —  denn 


*  Im  archaeologisclieu  Apparat  der  Kgl.  Universität. 
••  Im  Lycischeu  Hof  n.  211—252. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  309 

nur  mit  dieser  Foim  des  Schildes  findet  es  sich  verbnnden  — 
nicht  gedeckt  wird^  zu  schützen.  Es  ist  ein  Beweis  für  die 
kttnstlerische  Freiheit  der  Griechen  in  der  Behandlung  der 
Wirklichkeit,  dass  wir  dieses  schützende  Tuch,  das  bei  Homer 
und  gewiss  doch  auch  noch  später  etwas  liebliches  war^  so 
selten  dargestellt  finden. 

Der  Fries  enthält  einen  Kampf  von  Fussvolk  mit  Ein- 
mischung einzelner  Beiter,  die  wir  vielleicht  als  Befehlshaber 
zu  betrachten  haben.  Eigentliche  Griechen  können  in  keiner 
der  beiden  Parteien  gemeint  sein,  denn  das  Untergewand  der 
Kämpfer  ist  durchgehends  länger  als  nach  griechischer  Sitte 
der  Fall  war^  es  reicht  an  und  auch  wohl  über  das  Knie. 
Wir  nehmen  dies  als  einen  Beweis,  dass  asiatische  und  zwar 
jonische  Griechen,  die  längere  Kleider  trugen,  an  dem  Kampf 
betheiligt  sind.  Ausserdem  bemerkt  man  Aermelkleider  und 
phrygische  Mützen,  einmal  auch  eine  mit  Hosen  bekleidete 
Figor^  es  nahmen  also  auch  Perser  an  dem  Kampf  Theil, 
und  wenn  wir  das  charakteristische  Costüm  derselben  nicht 
öfttf  wiederholt  finden,  so  ist  dies  nicht  anders,  als  am 
Niketempel  oder  in  den  Amazonenkämpfen,  wo  auch  nicht 
bei  jeder  Figur  aUes  charakteristische  Detail  angegeben  ist. 
Aber  nicht  die  ganze  Gegenpartei  besteht  aus  Persern,  denn 
wir  finden  zwei.  Schwerbewafi&iete,  beide  bis  auf  die  Lauge 
des  Unterkleides  griechischer  Sitte  entsprechend,  mit  ein- 
ander in  Kampfl  Auf  der  Seite  der  Perser  kämpften  also 
auch  Griechen. 

Die  Darstellung  ist  reich  an  schönen  Gruppen,  aus  denen 
irir  nur  die  eine  hervorheben,  wo  ein  Krieger  dem  getroffe- 
nen Feind  seinen  Speer  aus  dem  Kopf  herauszieht,  nicht  ohne 
herzliche  Theilnahme  an  den  Schmerzen,  unter  denen  dieser 
sich  krümmt 

Die  Bewegungen  der  Figuren  sind  ausserordentlich  lebendig 
und  werden  in  ihrer  Wirkung  durch  die  leichte  Behandlung 
der  Qeinenen)  Gewänder  verstärkt,  deren  scharf  gebrochene 
Filten  der  besten  griechischen  Zeit  entsprechen.    Die  Pro- 
portionen der  Gestalten  haben  noch  nicht  die  spätere  Schlank- 
^,  der  Ausdruck  der  Köpfe  aber  ist  durchaus  pathetisch, 
&  Wuth  des  Angreifers  und  der  Schmerz  der  Verwundeten 
werden  gleich  ergreifend  geschildert.    Der  letztere  Umstand 
ist  ein  Beweis,  dass  wir  mit  der  Datirung  dieser  Eeliefs  nicht 
ftber  das  vierte  Jahrhundert  hinausgehen  dürfen,  wir  können 
^  aber  auch  nicht  viel  tiefer  herabdrücken,  weil  sie  ganz 


310  Genre  und  historische  Darstelhingen. 

im  Stil  der  besten  Zeit  gearbeitet  sind.  Aach  die  Behand- 
lung des  Keliefs  ist  ganz  dieselbe  wie  am  Farthenonfries  und 
durch  dieselben  Gründe  veranlasst.  Das  Relief  umgOrtet  eine 
Wand  and  daher  war  der  Künstler  bemüht^  durch  flftchen- 
artige  Behandlung  der  Figuren  seinen  Fries  gleichsam  der 
Wandfläche  anzubilden  und  anzuschmiegen. 

Der  kleinere  Fries  ist  wie  schon  bemerkt^  fast  voll- 
ständig erhalten ;  auch  ist  die  Yertheilung  desselben  auf  die 
vier  Seiten  des  Unterbaus  deutlich,  die  bei  dem  anderen 
nicht  näher  nachzuweisen,  aber  auch  von  geringerem  Interesse 
ist,  weil  er  nur  eine  Folge  von  Einzelkämpfen  darstellt.  Der 
kleinere  Fries  enthält  vier  verschiedene  Scenen,  die  indessen 
nicht  so  auf  einander  zu  folgen  scheinen,  dass  der  das  Monu- 
ment Umgehende  sie  in  ihrer  historischen  Folge  gesehen 
haben  würde,  denn  die  Darstellungen  der  beiden  Langseiten 
gehen  historisch  denen  der  Schmalseiten  voran. 

Die  eine  Langseite  enthält  einen  Kampf  zwischen  ganz 
gleich  ^ewaffiieten  Parteien,  die  wir  als  asiatische,  jonische 
Griechen  oder  auch  als  Lycier  bezeichnen  können.  An  dea 
Ecken  der  Darstellung  rücken  die  Massen  noch  geschlossen 
in  Reih  und  Glied  in  den  Kampf,  nach  der  Mitte  zu  lösen 
sie  sich  auf  in  Einzelkämpfe.  Hier  finden  wir  allerdings 
schöne  Gruppen,  z.  B.  wo  ein  Verwundeter  von  einem  Frennde 
aus  dem  Gefecht  geführt  wird,  auch  einzelne  nackte  Figuren, 
aber  ganz  abweichend  von  griechischer  Weise  sind  die  von 
den  Ecken  heranrückenden  in  Reih  und  Glied  aufgestellten 
Massen.  Das  griechische  Relief  kennt  nur  Einzelkämpfe  und 
vermeidet  eben  damit  die  Monotonie  der  Bewegung,  die  bei 
dem  feldmässigen  Aufmarschiren  der  Colonnen  nothwendig  ist, 
es  opfert  die  Wirklichkeit  der  künstlerischen  Rücksicht,  die 
Geschichte  der  Poesie.  Anders  dies  lycische  Relief  oder  da 
wir  auch  sonst  in  Lycien  Aehnliches  finden,  die  lycischen, 
die  einen  mehr  historischen  Charakter  festzuhalten  suchen, 
wie  die  Werke  der  Assyrier,  der  Römer  und  ja  auch  die 
unserer  modernen  Plastik.  Davon  legen  die  anderen  Abihei- 
lungen  dieses  Reliefs  noch  deutlicher  Zeugniss  ab. 

Während  wir  auf  der  einen  Langseite  eine  Schlacht  anf 
offenem  Felde  dargestellt  sehen,  ist  auf  der  andern  ein  Kampf 
unter  den  Mauern  einer  Stadt  entbrannt.  Eine  drei&che 
Mauer  schützt  die  Stadt  und  zwischen  den  Zinnen  sieht  man 
die  Köpfe  und  steinschleudemden  Arme  der  Belagerten  oder 
auch  jammernde  Weiber.    Von  links  kommt  der  Angri^  anf 


Genre  und  historische  Darstellungen.  3J^]! 

der  anderen  Seite  der  Stadt  aber  ist  ein  anderer  Vorgang 
dargestellt    Anf  dem  Fragment'^  das  an  der  äiissersten  Ecke 
erhalten,  ziehen  Männer  mit  allerlei  Dingen  beladen  —  deut- 
lich erkennt  man  nnr  einen  Sack  anf  der  Schalter  des  letz- 
ten —  eiligen  Schrittes  der  Stadt  zu.  Die  nun  folgende  Lücke 
wird  ähnliche  Figuren  enthalten  haben,  denn  noch  unmittelbar 
Yor  der  Stadt  ist  ein  Eseltreiber  sichtbar,  der  wie  jene  offen- 
iNur  in  die  Stadt  aufgenommen  zu  werden  wünscht.   Auch  Be- 
iraffiiete  ziehen   ein,  man    sieht    zwischen  dem   ersten  und 
zweiten   Thurm   eine   Schaar   derselben,    die    einem   Thurm- 
lichter  winken,  der  sich  zu  ihnen  herabneigt.    Yermuthlich 
änd  es  Hfilfstmppen,  begleitet  von  allerhand  Zuzüglern,  die 
WH  Lande  in  die  befestigte  Stadt  flüchten. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  Mauern  der  Stadt 
ii  dem  ursprünglichen  Zustande  des  Reliefs  nicht  so  kahle 
FUchen  dem  Anblick  darboten,  wie  es  jetzt  der  Fall  ist 
Uuweifeihaft  waren  sie  bemalt,  es  haben  sich  auch  einzelne 
Firbenspuren  auf  den  Reliefs  erhalten  und  manche  unaus- 
lefUirte  Theile  lassen  Bemalung  voraussetzen.  Auch  die  Waffen 
and  oft  gar  nicht  dargestellt,  sie  waren  entweder  von  MetaU 
lagefilgt  oder  gemalt 

Trotzdem  muss  die  Darstellung  der  Stadt  auf  diesem 
und  den  übrigen  Streifen  des  Reliefs  dem  an  griechische 
Konst  gewöhnten  Auge  fremdartig  vorkommen.  Die  ganze 
tosere,  leblose  Natur  wird  in  der  griechischen  Plastik  nur 
durch  Andeutungen  vergegenwärtigt,  nicht  aber  in  ihrer  vollen 
utflrlichen  Erscheinung.  Bei  den  Assyriern,  Römern  und 
och  anf  anderen  lycischen  Monumenten  dagegen  ist  ein  mehr 
reilistisches  Princip  befolgt.  Die  Denkungsart  dieser  Völker 
Tennochte  nicht,  wie  die  griechische,  das  Wirkliche  und  Ge- 
scbichthche  dem  poetischen  und  künstlerischen  Eindruck  zu 
opfern. 

Es  bleiben  noch  die  beiden  Schmalseiten  zu  betrachten 
ttbrig.  Auf  der  einen  ist  die  Erstürmung  eines  Thores  dar- 
gestellt, die  Sturmleiter  ist  bereits  angelegt  und  wird  durch 
zwei  anter  ihr  knieende  Soldaten  mit  Ketten  oder  Stricken 
(die  nach  der  Bewegung  der  Arme  vorauszusetzen)  auf  der 
Vaner  festgedrückt,  damit  die  Belagerten  sie  nicht  herab- 
werfen können.  Die  beiden  tragen  ein  Geräth  an  der  Seite, 
^  wir  nicht  näher  zu  bestimmen  im  Stande  sind.  Mehrere 
Krieger  steigen  die  Leiter  hinan,  andere  knieen  hinter  ihnen, 
ofenbar  um    sich  vor  den   Geschossen   der  Belagerten  zu 


3X2  Grenre  und  historische  Darstellungen. 

schützen^  eine  grosse  Schaar  folgt  hinterher  unter  dem  Zu* 
mf  der  Führer.  Am  Ende  des  Streifens  werden  waffenlose 
Gefangene  mit  gebundenen  Händen  davongefflhrt 

Den  Sdiluss  des  Ganzen  bildet  die  letzte  Schmalseite^ 
zur  Hälfte  ausgefüllt  von  der  Darstellung  der  Stadt,  die  aber 
öde  und  verlassen,  ihrer  Yertheidiger  beraubt  dasteht  Ein 
Denkmal,  von  einer  Sphinx  und  von  Löwengestalten  bekrönt^ 
vermuthlich  ein  Grabdenkmal,  ragt  hinter  der  Mauer  hervor» 
Gerade  im  Mittelpunkt  dieses  Streifens  thront  ein  vornehmer 
Heerführer  mit  der  persischen  Mütze  auf  dem  Kopf,  im 
Uebrigen  aber  von  hellenischem  Aussehen.  Ein  Sonnenschina 
wird  über  ihm  gehalten,  eine  Auszeichnung  höherer  Personen 
im  Orient,  die  wir  auch  an  dem  König  der  assyrischen  Eeliefis 
finden.  In  der  Rechten  hielt  er  vermuthlich  Lanze  oder 
Scepter.  Hinter  ihm  stehen  seine  Trabanten,  vor  ihm  aber 
sehen  wir  zwei  hellenisch  gekleidete  Greise  mit  erhobener 
Rechte,  wie  man  vor  einen  Gott  tritt,  herankommen.  Es  sind 
gewiss  Abgesandte,  die  sich  dem  Heerführer  unterworfen  md 
um  milde  Bedingungen  bitten  wollen,  aber  es  ist  uns  unklar, 
warum  sie  nicht  von  der  Stadtseite  herkommen,  und  femer, 
warum,  wenn  die  Stadt,  wie  der  Sturm  aufs  Thor  anzeigt, 
genommen  ist,  diese  Scene  nicht  in,  sondern  vor  der  Stadt 
vorgeht.  Auch  das  letzte  Stück  dieses  Streifens  ist  uns  u» 
deutlich,  auf  dem  eine  Scene  des  Krieges  dargestellt  ist,  die 
man  in  diesem  Zusammenhang  nicht  mehr  erwartet 

Der  letzte  Reliefstreifen  befand  sich  offenbar  an  der 
Frontseite  des  Gebäudes,  da  er  den  Schlusspunkt  der  ganzen 
Action  bezeichnet  und  den  siegreichen  Feldherm  selbst  aaf 
dem  Gipfel  seines  Sieges  darstellt  Dürfen  wir  nach  dieseit 
Fries  auf  die  Bedeutung  des  ganzen  Gebäudes  schliessen,  so 
war  es  diesem  Feldherm  zu  Ehren  errichtet 

Man  bezog  diese  Scenen  auf  die  Eroberung  der  Stadt 
Xanthus  durch  den  persischen  Feldherm  Harpagos  und  hielt 
demnach  den  ganzen  Bau  für  ein  diesem  Manne  errichtetes 
Grab-  oder  EhrendenkmaL  Dies  ist  freilich  bestimmt  irrige 
weil  das  Dargestellte  durchaus  nicht  mit  Herodots  Bericht 
über  das  Schicksal  der  Stadt  übereinstimmt^  eine  sichere  Be» 
Stimmung  der  dargestellten  Ereignisse  ist  aber  bis  Jetzt  nicht 
möglich  gewesen. 

Wenn  auch  die  Composition  wie  wir  sahen,  ein  US- 
griechisches  Element  in  sich  enthält,  so  ist  der  Stü  dagegen 
rein  griechisch  und  stimmt  mit  dem  des  anderen  Frieses  so 


Genre  und  historische  Darstellungen.  33^3 

durchans  überein^  dass  wir   dieselbe   Hand   dariu   erkennen 
möchten. 

Nor  der  kleinere  Fries  und  auch  dieser  noch  dürftig  ist  abg.  von 
Filkener  Im  Qaas.  mus.  I,  p.  284,  wo  zugleich  die  richtige  Vertheilung 
der  Platten  angegeben  ist.  Vgl.  Fellows,  an  account  of  the  Jonic 
Trophy  Monument  excavated  at  Xanthus  London  1848.  W.  W.  Lloyd, 
tKe  Nereid  monument,  London  1845.  Welcker  z.  0.  Müller's  Hand- 
bach §.  128*.  Overbeck  Gesch.  d.  gr.  Plastik  II  p.  106  ff.  ürlichs  in 
d.  Vhandl.  d.  19.  Philologenversammlung  p.  61  ff. 

568.  569.  Reliefs  einer  Statnenbasis^  von  Marmor^ 
nf  der  Akropolis  von  Athen  bei  den  von  Beul^  im  J.  1852 
ind  53  veranstalteten  Ausgrabungen  entdeckt,  in  Athen  be- 
indlich« 

Die  Inschrift  des  ersten,  einen  Waffentanz  vorstellenden 
BdiefB,  die  zwar  nicht  vollständig  erhalten,  aber  mit  Sicher- 
heit ergänzt  werden  kann,  lehrt,  dass  das  von  dieser  Basis 
getragene  Werk  ein  Weihgeschenk  war  und  wegen  eines  mit 
emem  Chor  von  Waffentänzern  erworbenen  Sieges  gestiftet 
nrde.  An  der  Basis  war  die  Veranlassung  der  Weihung 
durch  Schrift  und  Bild  ausgedrückt. 

Das  Relief  stellt  acht,  in  zwei  Gruppen  zu  je  vier  ge- 
theilte  Jflng^ge  dar,  die  mit  Helm  und  Schild  bewaffaet  im 
Begriff  sind,  jenen  namenüich  in  Sparta  beliebten  Waffentanz 
ansznführen,  der  ein  Bild  des  Krieges  geben  und  auf  diesen 
vorbereiten  sollte.  Das  Schwert,  das  die  Waffentänzer  auf 
andern  Darstellungen  in  der  Rechten  tragen,  wird  auch  hier 
nach  der  Bewegung  des  Arms  und  der  Hand  vorausgesetzt, 
ist  aher,  wie  so  oft,  als  etwas  Selbstverständliches  oder  leicht 
zn  Ergänzendes  weggelassen.  Die  langbekleidete  Figur  an 
der  linken  Seite  des  Reliefs  wird  als  der  Chormeister,  als  der 
Dirigent  aufzufassen  sein. 

Bei  einem  anspruchsvolleren  Werk  würde  der  Künstler 
^wahrscheinlich,  wie  es  bei  den  Kampfscenen  der  griechischen 
Konst  regehnässig  der  Fall  ist,  statt  gleichförmiger  Reihen 
von  Figuren  einzelne  Paare  gebildet  und  somit  die  monotone 
Wiederholung  derselben  Bewegung  vermieden  haben,  hier,  wo 
tt  nnr  darauf  ankam,  die  historische  Veranlassung  der  Wei- 
hoBg  bildlich  anzudeuten,  durften  künstlerische  Rücksichten 
«»er  Augen  gesetzt  werden.  Der  Bedeutung  des  Reliefs 
entsprechend  ist  auch  die  Ausführung  nur  skizzenhaft,  bemer* 


*  Im  Gnechischen  Saal  n.  319.  320. 


314  Genre  und  historisclie  Darstellungen. 

kenswerth  ist  aber  in  den  Formen  der  Jünglinge  eine  nicht 
geringe  Weichlichkeit. 

In  der  Inschrift  sind  die  Beste  eines  Archontennamens 
erhalten^  die  zuKephisodoros  oderEephisophon  ergänzt  werden 
müssen.  Welche  Lesart  man  aber  auch  vorziehn  mag,  die 
Zeit  der  Verfertigung  des  Reliefs  wird  dadurch  wenig  alterirt, 
«s  gehört  in  die  Mitte  oder  in  die  zweite  Hälfte  des  4.  Jahr- 
hunderts. 

Das  zweite  Relief  schmückte  die  Rückseite  desselben 
Piedestals  und  enthält  nach  den  Spuren  der  Inschrift  die 
Barstellung  eines  zweiten  Sieges  mit  einem  andern  Chor,  wie 
es  scheint;  einem  Sängerchor.  Auch  hier  dieselbe  Gleichför- 
migkeit unter  den  ChoreuteU;  nur  dass  sie  in  ungleiche  Hälf- 
ten zu  vier  und  drei  zerfallen,  denn  die  erste  in  Tracht  und 
Bewegung  abweichende  Figur  ist  auch  hier  wieder  sicherlich 
der  Chormeister.  Das  Aermelkleid,  das  diese  und  die  ent- 
sprechende Figur  des  andern  Reliefs  trägt,  war,  wie  schon 
aus  der  Darstellung  der  Musen  der  dramatischen  und  lyrischen 
Poesie  hervorgeht,  sowohl  bei  dramatischen  als  musikalischen 

und  orchestischen  Aufführungen  üblich. 

• 
Abg.  bei  Beule  Tacropole  d'Athenes  U,  Taf.  4.  Vgl.  p.  134  iL 
und  Michaelis  Ann.  1862  p.  209.  Die  Inschrift  des  ersten  Reliefs  er- 
gänzt Beul^  ffewiss  richtig  [7Cv^^i]XIi:TAI2:  NIKHUAS  ATAP- 
BOS  AY  [alov  nijXsiy  K)H^I[<j]0[S]£i[Q0g  ^();cev],  nur  kann  statt 
JdjtpiaodwQog  auch  Krj^iaotpcSv  gelesen  werden,  der  Archon  des  J.829. 
Der  erste  Kephisodorus  war  Archon  im  J.  366,  der  zweite  im  J.  323. 
Unsichrer  ist  die  Ergänzung  der  zweiten  Inschrift:  BiIKH  [aaq  xvxXixtS 
Xo]PSiI.  In  der  Hand  des  Chormeisters  auf  dem  zweiten  Relief  will  Beufe 
eine  Rolle  entdecken,  die  ich  nicht  bemerke. 

570.  Basis*;  von  Marmor^  im  Jahr  1838  östlich  vom 
Parthenon  gefunden,  in  Athen  befindlich. 

Die  Beliefs  führen  auf  die  Annahme^  dass  die  Basis 
irgend  ein  Siegesdenkmal  trug,  es  sind  nämlich  Siegesgöttinnen 
mit  Siegeszeichen  dargestellt.  Auf  der  Schmalseite  sind  zwei 
Göttinnen  beschäftigt^  einen  Dreifuss  aufzustellen,  auf  der  an- 
dern Seite  ist  in  der  Mitte  von  zwei  Viktorien  ein  Tropftnm 
errichtet,  an  dem  der  Schild  bereits  befestigt  ist,  während  die 
Figur  zur  Linken  den  Helm  darauf  zu  setzen  und  die  zur 
Hechten  ihn  etwa  mit  einem  Hammer  zu  befestigen  —  wie 
die  Viktoria   auf  späteren  Monumenten   öfter  vorkommt  — 


Im  Griechischen  Saal  n.  253. 


[Genre  und  historische  Darstellung^en.  315 

im  Begriff  ist.    Die  Scene  erinnert  sehr  an  die  Balustrade  des 
^iketempels(p.  190).  Ein  an  der  linken  Seite  zurückgebliebener 
I'Uigel  zeigt;  dass  sich  noch  eine  ähnliche  Scene  anschloss. 
Von  der  im  Abguss  undeutlichen  Inschrift  ist  wenigstens 

soviel  erhalten,  um  die  Bestimmung  der  Basis  ausser  Zweifel 

za  setzen.    Der  Stil  deutet  auf  gute  Zeit 

Abg.  ^E^ti/ji.  1842  n.  913,  aber  mit  falscher  Erklärung.     Vgl.  Mi- 
chielis  Archaeol.  Ztg  1862  p.  253. 

570.  Desgl.*,  von  Marmor,  in  Athen  befindlich. 

Auch  hier  sind  zwei  Viktorien  beschäftigt,  einen  Dreifuss 
anfzostellen,  zwei  andere  tragen  einen  Panzer  zur  Ausstattung 
eines  Tropäums.  Auch  dies  ist  nur  ein  Fragment,  und  hatte 
dieselbe  Bestimmung,  wie  das  vorhergehende. 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  254. 


[ 


VI.  Die  Nachbiüthe  der  griechischen  Kunst 


Dieser  Abschnitt  umfasst  die  drei  Jahrhunderte  zwisd 
Alexander  und  den  römischen  Kaisern^  eine  arme  nnd  st 
Zeit;  wenn  man  die  dürftigen  Nachrichten  über  die  künstle 
sehe  Thätigkeit  derselben  als  maassgebend  betrachten  wol 
eine  in  künstlerischen  Richtungen  und  Bestrebungen  rei< 
und  mannigfaltige  Zeit  aber^  wenn  man  die  erhaltenen  We: 
mustert,  welche  dieser  Periode  zugeschrieben  werden  müss 

Zwar  auf  dem  idealen  und  namentlich  religiösen  Gel 
ist  die  Kunst  dieser  Zeit  am  wenigsten  glücklich^  denn 
fehlte  ihr  der  Glaube  an  die  Bealität  des  Idealen  nnd 
sittliche  Ernst  in  der  Behandlung  des  Heiligen.  Sie  ht 
bereits  von  der  früheren  Periode  gewisse  sinnenreizende  D 
Stellungen  als  Erbschaft  überkommen  und  ging  nun  so  w 
sittlich  Anstössiges,  ja  Widerwärtiges  nicht  bloss  im  Mensch 
leben  sondern  sogar  unter  den  Göttern  darzustellen.  A 
auch  die  sittlich  tadellosen  Götterbilder  dienen  doch  ni 
mehr  dem  religiösen  Interesse,  die  Entwicklung  der  religio 
Kunst  ist  jetzt  dahin  gekommen,  dass  das  Element  der  i 
mellen  Schönheit  ausschliesslich  dominirt  und  keine  Rücksi 
mehr  auf  den  religiösen  Gehalt  genommen  wird.  Je  tic 
der  religiöse  Werth  des  Götterbildes  sank,  um  so  mehr  i? 
feinerte  sich  die  äussere  Form,  wie  auch  im  Leben  so 
innere  Werthlosigkeit  mit  äusserer  Eleganz  sich  verbin« 
Die  Künstler,  die  nicht  mehr  in  heiliger  Begeisterung  für  < 
Gegenstand  arbeiteten  und  sich  nicht  mehr  hingaben  an 
Sache,  mussten  nun  gleichsam  als  Ersatz  für  das  yerlor< 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  3]^  7 

saeküche  Interesse  nach  formellen  Reizen  suchen.  Daher 
kommt  eSy  dass  jetzt  ein  Zag  der  Eleganz  in  die  Eonst  ein- 
tritt;  fOr  den  die  frühere  Zeit  zu  einstig  war^  und  gerade 
das  Sinnlichste  und  Ueppigste  wird  mit  verführerischer  Grazie 
aasgestattet  Daher  ist  auch  der  Marmor  in  dieser  Periode 
wie  ftbr  jede  den  Sinnen  schmeichehide  Kunst^  das  beliebteste 
Material 

.  Aber  man  muss  den  Ettnstlem^  wenn  sie  auch  mehr  an 
sich  and  ihre  Virtuosität  als  an  die  Sache  dachten^  zugeben, 
dass  sie  eine  Fülle  vou  Greist  und  Anmuth  producirt  haben. 
£8  giebt  auch  unter  den  Götterbildern  dieser  Periode  höchst 
geistreiche  und  effectvoUe,  und  auf  dem  Gebiet  des  Naiven, 
Idyllischen  und  des  Schelmischen  und  Tändelnden  ist  sehr  Be- 
deutendes geschaffen.  Besondere  Auszeichnung  aber  verdienen 
die  plastischen  Gruppen  der  pergamenischen  Schule,  in  denen 
Dicht  mehr  Ideales,  sondern  Historisches  und  zwar  Selbster- 
lebt^  mit  der  ergreifenden  Kraft  und  Treue,  die  eben  der 
Barstellung  des  Selbsterlebten  eigen  zu  sein  pflegt,  vor  Augen 
gestellt  wurde.  Das  Historische  war  gerade  das  Gebiet,  das 
der  geistigen  Atmosphäre  der  Zeit  am  angemessensten  war. 
Wir  haben  die  grösseren  Gruppen,  die  zugleich  bestimm- 
ten Schulen  zugewiesen  werden  können,  vorangesteUt  und  uns 
im  üebrigen  von  der  Verwandtschaft  der  Werke  bei  der  An- 
ordnung leiten  lassen,  ohne  freilich  von  allen  mit  Bestimmt- 
heit behaupten  zu  wollen,  dass  sie  dieser  Zeit  angehören. 
Denn  die  Unterschiede  zwischen  dieser  Periode  und  der  rö- 
mischen Zeit  sind  keineswegs  so  klar,  dass  die  Scheidung  der 
ihnen  angehörigen  Werke  mit  Sicherheit  vollzogen  werden 
könnte.  Wir  kommen  darauf  in  der  Einleitung  zur  griechisch- 
römischen Zeit  zurück. 

571.  Farnesischer  Stier*,  Marmorgruppe,  im  Jahre 
1546  oder  1547  unter  Pabst  Paul  dem  Dritten  in  den  Ther- 
|Den  des  Caracalla  bei  Rom  gefunden  und  im  Palast  Famese 
in  Kom  aufgestellt,  1786  nach  Neapel  gebracht  und  nachdem 
sie  einige  Zeit  auf  dem  öffentlichen  Spaziergang  in  der  Villa 
^e  gestanden  hatte,  vor  etwa  30 — 40  Jahren  ins  museo 
^>rbonico  oder,  wie  es  jetzt  heisst,  nazionale  versetzt. 

Die  bedeutendsten  Ergänzungen  sind:  An  der  Dirke  der 
^rkörper  vom  Nabel   aufwärts   mitsammt   den  Armen;   an 


•  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  1. 


318  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

Amphioü  der  Eopf^  beide  Arme  mit  Ansnahme  der  Hinde^ 
beide  Beine  mit  Ausnahme  der  Füsse^  die  Extremitäten  der 
Draperie  und  der  obere  Theil  seiner  Leier;  an  Antiope  der 
Kopf  und  beide  Arme  mit  der  Lanze,  in  der  Gregend  der 
Wade  war  die  Statue  gebrochen;  am  Stier  die  Vorder-  und 
Hinterbeine,  mit  Ausnahme  der  Hufen  an  den  letzteren;  an 
Zethus  der  Kopf,  beide  Arme,  das  linke  Bein  mit  Ausnahme 
des  Fusses,  und  das  rechte;  am  Berggott  der  linke  Ann  und 
der  rechte  Unterarm;  der  Hund  endlich  ist  mit  Ausnahme  der 
Tatzen  ganz  neu.  Die  Restaurationeu  sind  wahrscheinlich  von 
Guglielmo  della  Porta  (sechzehntes  Jahrhundert)  ausgeführt 
und  zwar  scheint  er  in  dem  Kopf  des  Zethus  sich  das  Por- 
trät des  Caracalla  zum  Vorbild  genommen  zu  haben.  An  dem 
Stamm,  der  den  Stier  trägt,  befindet  sich  unten  ein  grossem 
durch  die  ganze  Basis  gehendes  Loch,  das  wahrscheinlich  aus 
neuem  Zeiten  herrührt,  wir  wissen  nämlich,  dass  auf  Michel- 
angelo's  Rath  das  Werk  zu  einem  Brunnenstück  für  den  Far- 
nesischen Palast  zugerichtet  wurde. 

Die  Restauration  hat  nicht  überall  das  Richtige  getroffen» 
Die  Dirke  steht  ausser  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Figu- 
ren, so  dass  man  sich  mit  Recht  gewundert  hat,  warum  sie 
nicht  davonlaufe.  Ihre  Stellung  ist  zudem  eine  solche,  die 
Niemand  von  selbst  einnimmt,  sondern  die  einen  auf  sie  aus- 
geübten Zwang  voraussetzt.  Nun  befindet  sich  in  Neapel  ein 
Cameo,  der  in  der  Anordnung  des  Stiers  und  des  Amphion 
so  genau  mit  der  Gruppe  übereinstimmt,  dass  er  .auch  im 
üebrigen  eine  genaue  Copie  zu  sein  scheint.  Danach  wäre 
die  Dirke  so  zu  restauriren,  dass  Zethus  mit  der  Linken  sie 
am  Haar  gewaltsam  zu  sich  zöge,  während  sie,  den  Ober- 
körper mehr  ins  Profil  stellend,  mit  der  Linken  Amphions 
Knie  umfassen  und  die  Rechte  klagend  und  abwehrend  em- 
porheben würde.  Mit  dem  Strick  ist  sie  nach  der  Autorität 
des  Cameo  bereits  unter  der  Brust  umschlungen  zu  denken, 
und  da  derselbe  auch  dem  Stier  schon  um  die  Homer  ge- 
wunden ist,  so  fehlt,  um  dem  Schrecklichen  seinen  Lauf  zu 
lassen,  nur  noch  dies,  dass  Dirke  von  Amphion  losgerissen 
wird.  Es  ist  klar,  dass  die  Grappe  in  dieser  Weise  restau- 
rirt  nicht  allein  formell  gewinnt,  sondem  auch  das  Pathos  der 
Handlung  wird  ungemein  gesteigert,  wenn  die  Dirke  von  Ze- 
thus in  so  unbarmherziger  Weise  fortgerissen  wird.  Dass 
dem  Zethus  aber  diese  RoUe  gegeben,  liegt  in  seinem  Cha- 
rakter begründet,  an  den  milderen  Amphion,  den  die  Leier 


Nachblüüie  der  griechischen  Kunst.  3]^  9 

ebankterisirt^   wendet   sich^    freilich   vergebens;   Dirke   mit 
ihrem  Flehen. 

Es  ist  nicht  zu  läugnen^  dass  diese  Gruppe  für  nnser 
und  fielleieht  auch  für  ein  edleres  antikes  Gefühl  etwas  Yer- 
tetzendes  hat  Wäre  es  ein  Gott;  wie  bei  Niobe  und  Laokoon; 
Ton  dem  die  Strafe  verhängt  wäre^  wir  würden  anders  em^ 
pfindeU;  jetzt  aber  sind  es  Menschen^  die  wenn  ihnen  auch 
ein  Strafamt  zukommt;  doch  nicht  so  strafen  sollten;  dass  die 
Strafe  wie  die  Befriedigung  wilder  Leidenschaft  erscheint^ 
inch  die  Erwägung;  dass  Dirke  der  Mutter  der  Jünglinge 
die  Marter  zugedacht  hattC;  die  sie  jetzt  selbst  leidet;  kann 
dies  GrefOhl  nicht  heben.  Die  Künstler  arbeiteten  nach  einer 
Tragödie  des  EuripideS;  in  welcher  wie  auch  in  andern  Stücken 
dieses  Dichters  gerechte  Vergeltung  mit  wilder  Leidenschaft 
80  vermischt  war;  dass  keine  tiefere  Befriedigung  entstehn 
konnte;  sie  hätten  sich  aber  diese  Scene  um  so  weniger  zum 
Vorwurf  nehmen  sollen;  als  die  sinnlich  darstellende  bildende 
Konst  das  Abstossende  des  Vorgangs  den  die  Poesie  nur  er- 
zählte; noch  steigert.  Aber  eben/  dass  die  Künstler  einen 
Moment  wählten;  der  ethisch  nicht  befriedigt;  wohl  aber  die 
Entwicklung  des  höchsten  leidenschaftlichsten  Pathos  möglich 
macht,  ist  charakteristisch  für  die  Zeit  in  der  sie  lebten.  Man 
gab  dem  Kühnen;  Ungewöhnlichen;  Erregten  den  Vorzug  vor 
dem  Einfachen,  StilleU;  Edlen. 

Aber  auch  für  das  Auge  wirkt  die  Gruppe,  deren  kühne 
Erfindung  und  Ausführung  nicht  verkannt  wird,  nicht  völlig 
befriedigend.     Sie  hat  etwas  Unruhiges  und  ist  fast  mehr  ma- 
lerisch als  plastisch.    Die  realistische  Darstellung  des  Schau- 
platzes der  Handlung,  die  freilich  dazu  dient,  das  Entsetzliche 
der  über  Dirke  verhängten  Strafe  vor   unsrer  Phantasie  zu 
steigern;  ist  in  der  ganzen  frühem  Plastik;  etwa  einen  leisen 
Anfang  in  der  Niobegruppe  ausgenommen,  unerhört,  die  Basis 
wurde  bis  dahin  eben  nur  als  Basis  betrachtet  und  in  höchster 
Einfachheit  gehalten.     Dazu  kommt  die  Fülle  des  Beiwerks, 
das  freilich  auch  zum  Theil  einen  für  den  pathetischen  Ein- 
druck wichtigen  Gedanken   involvirt.     Denn  die   geflochtene 
CistE;  die  bei  Bacchusfesten  üblich  war,  und  der  zerbrochene 
Thyrsus   sollen   nebst  dem  Epheukranz    und   Fell,   mit    dem 
Dirke  bekleidet  ist  (eine  Klaue  ist  alt  daran),  andeuten,  dass 
plötzlich  mitten  in  rauschender  Festlichkeit,  mitten  in  einer 
Bacchusfeier  auf  dem  Kithäron,  sowie  auch  Euripides  gedichtet 
hatte,  die  Katastrophe  eintrat. 


320  Naehblüthe  der  griechischen  Kunst. 

In  dem  an  der  rechten  Ecke  sitzenden  Knaben  Yemmthet 
man  mit  Wahrscheinlichkeit  den  Gott  des  Berges,  denn  aller- 
dings nnr  ein  solches  Wesen,  das  am  Boden  haftet,  wie  Flnss- 
tmd  Berggötter,  kann  bei  diesem  Schaaspiel  ruhig  dasitzen. 
Man  sieht  auch  an  seiner  Stellung,  dass  er  sich  nicht  vom 
Boden  erheben  kann,  sein  Gesicht  drückt  schmerzliche  Theil- 
nahme  aus,  Kranz  und  Rehfell  sind  auch  ihm  gegeben  als 
theilnehmend  am  Bacchusfeste.  Dass  er  als  Knabe  dargestellt, 
ist  wohl  geschehn,  um  ihm  die  bescheidnere  Grösse,  die  das 
Beiwerk  verlangt,  geben  zu  können.  Zu  ihm  gehört  auch 
die  Syrinx,  das  Hirteninstrument  Der  Hund  aber,  der  wohl 
dem  Zethus  angehört,  ist  zwar  formell  sehr  passend,  insofeni 
«r  eine  Einbiegung  der  an  den  übrigen  Seiten  in  gerader 
Linie  abschliessenden  Gruppe  verhindert,  allein  er  stört  etwas 
den  pathetischen  Charakter  des  Ganzen.  Mit  mehr  Recht 
haben  die  Künstler  in  den  Thiergruppen,  welche  die  übrigen 
Seiten  der  Basis  beleben,  ihrer  Laune  Spielraum  gegeben. 
Die  grosse  Schlange  übrigens,  die  sicl^  unter  dem  Stier  be- 
findet, ist  nicht  bloss  Staffage,  es  ist  eben  die  bei  dionysischer 
Feier  übliche,  die  aus  der  Cista  weggekrochen  ist. 

Noch  bleibt  die  letzte  Figur  übrig,  geyriss  Anüope,  die 
formell  für  den  viereckigen  Grundriss  der  Gruppe  nothwendig 
war  und  auch  für  den  Sinn  des  Ganzen  Bedeutung  hat,  denn 
um  der  Misshandlungen  willen,  die  sie  erlitten,  leidet  eben 
Dirke  diese  Strafe.  Leider  ist  es  nicht  möglich,  ihre  ur- 
sprüngliche Geberde  zu  bestimmen  ,^  es  wäre  am  natürlichsten 
sie  wie  auf  einem  pompejanischen  Gemälde,  Mitleid  äossem 
zu  sehn,  gewiss  aber  kann  sie  auf  keine  Weise  in  die  eng 
verbundene  Handlung  der  übrigen  Figuren  eingegriffen  haben; 
«ie  neigt  sich  nicht  wie  alle  übrigen  Figuren  nach  der  Mitte 
ÄU,  sondern  ist  völlig  isolirt. 

Die  Gruppe  war  ursprflnglich  gewiss  so  aufgestellt,  dass 
«ie  umgangen  werden  konnte,  indessen  ist  sie  doch  vorwiegend 
auf  einen  Anblick  berechnet,  nämlich  von  der  Dirke  aus. 

Sie  gilt  als  Originalwerk,  woran  man  indessen  in  Hin- 
blick auf  die  Arbeit  der  Gewänder  zweifehi  möchte.  An  der 
Antiope,  deren  Gürtung  und  eng  anliegendes  Untergewand  an 
die  Famesische  Flora*  erinnert,  fliesst  Ober-  und  Untergewand 
unterschiedslos  in  einander,  und  das  Gewand  der  Dirke,  in 
reichem  malerischem  Stil  behandelt,  ist  doch  in  der  Aosfilh- 


Im  Treppenhaus  n.  189. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  321 

rang  keineswegs  vorzüglich.  Mag  das  Werk  indessen  Gopie 
oder  Original  sein,  gewiss  ist  es  zu  identificiren  mit  einer 
Grappe,  die  Plinius  unter  den  von  Asinius  Pollio  gesammelten 
Werken  erwähnt  nnd  so  beschreibt:  Zethus,  Amphion,  Dirke, 
Stier  nnd  Strick  aus  einem  Stein,  von  Rhodus  hergeholte 
Werke  des  Apollonius  und  Tauriskus  (die  aus  Tralles  ge- 
bürtig waren).  Damit  ist  eine  Zeitgrenze  nach  vorwärts  gegeben, 
nach  rückwärts  aber  können  wir  die  Gruppe  mit  Sicherheit 
dnrch  die  Zeit  Alexanders  des  Grossen  begrenzen.  Denn  sie 
ist  eine  Weiterbildung  jener  Richtung  auf  das  Dramatische, 
welche  im  vierten  Jahrhundert  der  attischen  Kunst  eigen  war 
md  m  der  Niobegruppe  vor  unsem  Augen  steht.  Diesen 
dnmatischen  Zug  zum  hoch  Pathetischen  und  Effectvollen  zu 
steigern  blieb  der  im  dritten  Jahrhundert  blühenden  rhodischen 
Kunstschule  vorbehalten,  aus  welcher  höchst  wahrscheinlich 
dies  Werk  hervorgegangen  ist 

Die  Geschichte  der  Gruppe  ist  uaclizulesen  in  Heyne's  Aiitiq.  Aufs. 
2,  214  ff.  Winckelmann  giebt  in  der  Kunstgesciüchte  den  Buttista  Bi- 
am-hi  als  £rgänzer  au,  was  Heyne  widerlegt,  in  der  Abhandlung  über 
dieürazie  aber  (Ausgabe  v.  Eiselein  1,  224)  den  Guglielmo  della  Porta. 
WindLcImauns  Angaben  über  die  Restauration  (Bd.  6,  53.  7,  206)  sind 
äbrigeiis  ganz  im  Einklang  mit  den  neuesten  Berichten  bei  Welcker 
A.  D.  1,365  und  Finati  mus.  borb.  14,  zu  tav.  4.  5.,  und  sehie  Bemer- 
kung über  die  ergänzten  Köpfe  der  Söhne  stimmt  mit  der  gegenwärtig 
noch  vürhaiideuen  Restauration,  so  dass  an  eine  neue  in  Neapel  vor- 
genommene Restauration  wohl  nicht  zu  glauben  ist,  eine  Abraspelung 
«»H  indessen  nach  einer  von  W,  a.  a.  0.  mltgetheilten  Notiz  vorgenom- 
Dteu  sein.  Ich  selbst  wai*  zweifelhaft  in  Neapel,  ob  nicht  Antiope  von 
(Im  Waden  aufwärts  ganz  neu  sei,  mag  indessen  diesen  Zweifel  jenen 
Btrichten  gegenüber  nicht  geltend  machen. 

Zu  vergleichen  sind  Welcker  A.  D.   1,  352.     0.  Jahn  Arch.  Ztg. 
1853  p.  8b  f.     Brunu  Gesch.  d.  gr.  Künstler  1,  495.     0 verbeck  Gesch. 
«1.  gr.  Plaätik  2,  p.  200.     Besonderes  Verdienst  aber  hat  sich  Ü.  Müller 
Aiiuali  1839  p.  287  ff.   um  die  Gruppe  erworben,   indem  er  vermittelst 
dm  neapolitanischen   Cameo's   die  richtige  Ergänzung  nachwies.      War 
übrigens  die   Dirke,    wie   nach  dem   Stein   angenommen   werden  muss, 
M.huii  vom  Strick   umschlungen,  so   ist  mir  Jaliu's  Auffassung,   Zethus 
wolle  mit  der  Linken  die  Dirke  mit  einem  gewaltigen  Ruck  emporheben 
u.'id  „vollends"   an   den   Stier  fesseln,   nicht  klar.     Man  kann  nur,  wie 
luir  acUeint,  entweder  annehmen,  dass  nicht  ein  Strick  beide,  Dirke  und 
den   Stier  verband,   sondern    zwei,   die    eben    noch   zusammeuzuknoten 
waren,  oder  es   bleibt  die  im  Text  gegebene  gewiss  natürlichere  Auf- 
fassung, dass  die  Anbindung  vollendet  ist  und  es  nur  noch  darauf  an- 
kommt, die  Dirke  von  Amphion,  an  den  sie  sich  während  der  Fesselung 
gKwaudt  hat,   loszureissen.     In  Betreff  des  Gameo  übrigens  ist  die  am 
Stiel"   beündliche  Hand,    wie   ich  mu*  vor  dem   Original  gemerkt  habe, 
gcwiä»  die  der  Dirke.     Dass   sie   die  volle  innere  Fläche  zeigt,    woran 

Friederichs,  i^iecli.  i'laätik.  21 


322  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

Jahn  Anstoss  nimmt,   scheint   durch    den  Zwang  der  Schidit,  der  bei 
Cameen  so  manches  erklärt,  veranlasst  zu  sein. 

572 — 578.  Das  Weihgeschenk  des  Königs  Atta- 
lus  IT.  von  Pergamum  auf  der  Burg  von  Athen*. 

An  der  südlichen  Mauer  der  Akropolis  von  Athen  waren 
vier  grosse  Gruppen  aufgestellt,  nämlich  der  Kampf  der  Götter 
mit  den  Giganten,  der  Kampf  der  Athener  mit  den  Amazonen, 
die  marathonische  Schlacht  und  die  Vernichtung  der  Gallier 
in  Mysien  durch  den  König  Attalus.  Sie  waren  ein  Geschäik 
des  letzteren,  der  in  acht  griechischer  Weise  seinen  Sieg  an- 
knüpfte und  parallel  stellte  ähnlichen  nationalen  theüs  histo- 
rischen, theils  mythologischen  Grossthaten,  sowie,  um  nur  ein 
Beispiel  anzuführen,  in  der  bunten  Halle  in  Athen  zwei  histo- 
rische Kämpfe,  die  Schlachten  bei  Oenoe  und  Marathon  Or 
sammengestellt  waren  mit  den  heroischen  Kämpfen  gegen 
Troja  und  gegen  die  Amazonen.  Man  erkennt  in  dem  G^ 
schenk  des  Attalus  leicht  eine  nähere  Zusammengehörigkeit 
von  je  zwei  Gruppen,  es  entsprechen  sich  die  Perser  und  die 
Amazonen  und  andererseits  die  Giganten  und  die  Galater, 
Das  letztere  Paar  stimmt  überein  in  dem  Charakter  der  Wild- 
heit, auch  wird  es  vorwiegend  aus  nackten  Männern  bestanden 
haben,  während  wir  das  erstere  nach  unseren  Denkmälern  be- 
kleidet, zum  Theil  wohl  mit  der  charakteristischen  orientali- 
schen Tracht,  zu  denken  haben,  wodurch  also  alle  Einförmig- 
keit vermieden  wurde.  Denn  die  Gruppen  hatten  eine  grosse 
Anzahl  von  Figuren,  wir  wissen,  dass  sich  in  dem  Kampf  der 
Götter  und  Giganten  Dionysos  befand,  und  dürfen  darans 
schliessen,  dass  die  hervorragenderen  Götter  um  so  weniger  ge- 
fehlt haben  werden.  Auch  die  gleich*  zu  betrachtenden  Beste 
dieses  grossen  Weihgeschenks,  die  fast  alle  einer  dieser  vier 
Gruppen  angehören,  bestätigen  dies.  Das  Maass  der  einzelnen 
Figuren  wird  auf  drei  Fuss  angegeben,  dies  und  die  Ueber- 
einstimmung  des  Gegenstandes  und  der  Stil  waren  die  Mittel, 
die  vorliegenden  Statuen  mit  jenen  von  Attalus  geschenkten 
zu  identificiren. 

Es  sind  nun  aus  der  Gruppe  der  Gallierschlacht  zunächst 
drei  in  Venedig  befindliche  Figuren**  erhalten,  die  aus  Rom 
stammen   und   von   einem  Cardinal  Grimani   zu  Anfang  des 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  374r— 380. 
**  n.  374—376. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  323 

sechszehnten  Jahrhunderts  seiner  Vaterstadt  Venedig  vermacht 
sind.  Sie  stellen  sämmtlich  Gallier  dar,  wie  sich  aus  unzwei- 
deutigen Zeichen  ergiebt. 

Betrachten  wir  zunächst  den  sterbenden  Jüngling*,  der 
bis  auf  Nase,  Lippen  und  Kinn  antik  ist,  so  geben  hier  schon 
äussere  Kennzeichen  den  Gallier  zu  erkennen.  Der  sechs- 
eckige Schild  findet  sich  in  Darstellungen  der  Gallier,  und  be- 
sonders charakteristisch  ist  der  Gürtel  auf  nacktem  Leibe. 
Wir  wissen,  dass  die  Gallier  in  dem  Uebermaass  ihres  Muthes 
oft  nackt,  nur  mit  einem  Gürtel  umwunden  in  den  Kampf 
stürzten  und  es  haben  sich  solche  Gürtel,  genau  in  der  strick- 
artig gedrehten  Form  theils  in  natura,  theils  auf  bildlichen 
Darstellungen  erhalten.  Im  Uebrigen  aber  ist  in  dieser  Figur 
der  Typus  des  Barbaren  weniger  signifikant  ausgeprägt  als  in 
den  anderen,  der  Künstler  scheint  die  schöne  Absicht  gehabt 
zu  haben,  dem  sterbenden  Jüngling  einen  idealeren  Charakter 
zu  geben,  als  dem  wilderen  trotzigeren  Mann,  jedenfalls  ist 
diese  Figur  unter  allen  die  am  tiefsten  ergreifende.  Der 
Jüngling  ist  durch  drei  Wunden  gefallen,  eine  Schnittwunde 
und  zwei  Schusswunden,  die  von  einer  Schleuderkugel  oder, 
da  man  diese  Waffe  hier  schwerlich  wird  voraussetzen  können, 
von  Pfeilschüssen  herzurühren  scheinen,  denn  man  sieht  nicht 
ein,  wie  Schwert  oder  Lanze  solche  Wunden  veranlasst  haben 
könnten.  Auf  ihn  folgt  ein  bereits  ins  Knie  gesunkener 
Mann**,  der  aber  auch  in  dieser  Lage  den  Kampf  noch  fort- 
setzt Der  ganze  rechte  Arm  desselben  ist  neu,  aber  wohl 
richtig  restaurirt.  An  ihm  ist  der  Barbarencharakter  in  den 
Formen  des  Gesichts  und  in  dem  struppigen  Haar  deutlicher 
ausgeprägt,  auch  haben  die  über  der  linken  Schulter  ver- 
bundenen Gewandzipfel  keinen  ganz  griechischen  Schnitt.  Der 
folgende  Barbar***,  wieder  ein  Jüngling  und  besonders  schön 
im  Nackten,  ist  stärker  restaurirt.  Beide  Arme  sind  neu 
nebst  dem  die  rechte  Hand  umgebenden  Stück  der  Basis, 
dazu  das  linke  Unterbein.  Hier  hat  die  Restauration  schwer- 
lich das  Richtige  getroffen,  schon  die  Waffenlosigkeit  fällt  auf, 
und  der  pathetische  Gestus  der  Linken  ist  gewiss  nicht  an- 
gemessen. Wir  nehmen  vielmehr  an,  dass  er  in  der  Linken 
den  Schild,  in  der  Rechten  das  Schwert  hielt.     Seine  Lage 


*  n.  375. 

**  u.  374. 

***  n.  376. 

21 


324  Nachblüthe  der  griechisclieu  Kuust. 

ist  sehr  momentan  und  lebendig^   auch  in  ihm  ist  der  Bar- 
barentypus sehr  merklich. 

Zu  diesen  in  Venedig  belindlicheu  Galiiem  kommen  mm 
zwei   mit   dem   übrigen  Famesischen  Besitz   von  Rom  nach 
Neapel  versetzte  Figui'en*.   Man  könnte  den  einen  derselben 
für  einen  griechischen  oder  römischen  Krieger  halten,  da  die 
Form  seines  Helms  nichts  von  der  Sitte  der  classischen  Völker 
Abweichendes  hat^  allein  der  mit  den  übrigen  Statuen  stim- 
mende Typus  des  Gesichts,  ausserdem  aber  der  Bart  —  er 
hat  nur  einen  Schnurrbart  und  Backenbart,  das  Kinn  aber  ist 
glatt  geschoren  —  verrathen  den  Barbaren.   Er  liegt  sterbend 
da,  in  ganz  ähnlicher  Stellung,  wie  die  gleich  im  Folgenden 
(n.  579)   zu   besprechende  capitoliuische  Statue.     Die  zweite 
neapolitanische  Figur,  an  welcher  die  Hälfte  des  linken  Beins 
und  die  Hälfte  der  Finger  der  rechten  Hand  restaurirt  sind, 
hat  von  allen  den  ausgeprägtesten  Barbarentypus.    Das  Haar 
ist  von  üppiger  Wildheit,  die  Haare  auf  der  Brust  und  unter 
dem  Arm  sind  ausgedrückt,  wie  man  es  ausser  den  Barbaren- 
darstellungen nur  noch  an  gemeineren  Wesen  z.  B.  an  Mar- 
syas   hndet,   und   statt  des  Gewandes  hängt  ihm  ein  Thier- 
fell  über  dem  Arm.     Er  hat  bis  zum  letzten  Augenblick  ge- 
kämpft, der  rechte  Arm  hat  noch  die  Kampflage  festgehalten 
und  die  Hand  hält  noch  den  Schwertgriff  umfasst   Neben  ihm 
liegt  sein  Gürtel,  der  allerdings  nicht  von  Metall,  wie  de^ 
jenige  der  zuerst  erwähnten  Figur,  sondern  von  weichem  Ma- 
terial angenommen  ist,  vermuthlich  in  Einklang  mit  der  be- 
stehenden Sitte. 

Dies  sind  die  Reste  aus  der  Gruppe  der  Gallierschlacht^ 
von  den  Gegnern  der  Gallier  hat  sich  keiner  erhalten.  Es  ist 
wegen  der  liegenden  Figuren  nothwendig  anzunehmen,  dass 
die  Gruppe  niedrig  aufgestellt  war,  so  dass  der  Betrachtende 
auf  die  Leichen  herabsehen  konnte,  und  aus  demselben  Grande 
ist  wahrscheinlich,  dass  die  Kämpfer  nicht  alle  in  Paare  von 
je  zweien  abgetheilt  waren,  sondern  um  die  Gefallenen  mossten 
sich  kleinere  Gruppen  bilden,  welche  den  Raum  über  denselben 
ausfüllten,  der  sonst  eine  Lücke  gegeben  hätte. 

Auch  von  der  Perser-  und  Amazonenschlacht  ist  in  zwei 
ebenfalls  neapolitanischen  Figuren  je  eine  Figur  erhalten.  Hin- 
sichtlich des  Persers**   sind  wir  freilich  nicht  ganz  sicher. 


*  II.  377.  378. 
**  u.  379. 


Naohhlnthe  der  pfriechisrhen  Knnst.  325 

Seine  Kopfbedeckung  entspricht  nicht  ganz  der  persischen 
Motze.  Sie  hat  zwar  den  hinten  herabhängenden  Zipfel,  der 
hier  nur  zusammengerollt  ist,  aber  die  Seitenklappen  fehlen 
nnd  es  fehlt  femer  das  persische  Aermelkleid,  auch  der  Schild 
ist  nicht  persisch,  während  allerdings  das  Schwert  die  ge- 
krnmmte  Form  hat,  welche  die  classischen  Völker  nicht 
kennen,  die  aber  doch  nicht  ausschliesslich  persisch  ist.  Es 
kann  daher  fraglich  erscheinen,  ob  nicht  auch  diese  Figur 
vielmehr  einen  Gallier  darstelle,  die  ja  auch  Hosen  trugen 
mid  auch  wohl  eine  der  phrygischen  Mütze  ähnliche  Kopf- 
bedeckung getragen  haben  könnten,  gleichwie  die  Dacier  auf 
der  Trajanssäule. 

Endlich  die  Amazorfe*,  die  auf  dem  Speer  liegt,  der  ihr 
den  Tod  gebracht,  während  die  eigene  Waffe  zerbrochen  da- 
neben liegt.  Der  Charakter  der  kräftigen,  männlichen  Jung- 
frau ist  in  ihr  fast  zu  stark  ausgeprägt,  sie  gewährt  aber  von 
allen  das  friedlichste,  sanfteste  Bild  einer  Sterbenden. 

Es  fehlen  uns  noch  zwei  Figuren,  die  eine,  vatikanische, 
einen  Perser  darstellend,  die  andere  im  Louvre  befindliche, 
aaf  einen  Giganten  gedeutet. 

Wir  wissen  nicht,  ob  das  Weihgeschenk  des  Attalus  aus 
Bronce  oder  Marmor  bestand,  doch  ist  bei  der  grossen  An- 
zahl der  Statuen  das  letztere  wahrscheinlich.  Eine  so  figuron- 
reiche  Gruppe  in  Erz  wäre  unerhört  und,  wie  man  glauben 
sollte,  selbst  ftir  einen  Attalus  zu  kostbar. 

Die  vorhandenen  Figuren  scheinen  auch  durchaus  auf 
Marmor  berechnet  zu  sein.  Sie  machen  nach  ihrem  Stil  den 
Eindruck  von  Originalwerken,  auch  scheint  es  unwahrschein- 
h'ch,  dass  eine  so  figurenreiche  Gruppe  in  ihrem  vollständigen 
Bestände  —  den  wir  nach  der  Anzahl  der  uns  erhaltenen 
Gallier  vorauszusetzen  hätten  —  je  sollte  copirt  sein. 

Suchen  wir  endlich  das  Werk  nach  seiner  kunsthistori- 
schen Stellung  zu  bezeichnen,  so  finden  wir  darin  das  Pathos 
des  vierton  Jahrhunderts  verbunden  mit  völlig  frei  natura- 
listischer Darstellung.  Allerdings  ist  der  gegebene  Vorwurf 
der  Art,  dass  er  von  selbst .  auf  eine  solche  Darstellung 
führt,  denn  wie  der  griechische  Typus  zur  Idealisirung,  so 
reizt  der  barbarische  zur  Individualisirung,  und  so  besitzen 
wir  auch  schon  aus  früherer  Zeit  BarbarondarstcIIungen,  in 
denen  die  Darbaren  eben   so  treffend  charakterisirt  sind  wie 


326  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

hier*,  allein  die  Verbindung  des  Pathetischen  mit  dem  Natu- 
ralistischen ist  das  Neue  und  Charakteristische  und  Ergreifende 
an  diesen  Gruppen.  Von  allen  früheren  Werken  sind  die 
Skulpturen  des  Mausoleums  hinsichtlich  des  pathetischen  Aus- 
drucks am  nächsten  zu  vergleichen,  aber  es  fehlt  ihnen  das 
Realistische,  wobei  freilich  nicht  zu  übersehen  ist,  dass  durch 
die  Formen  der  griechischen  Physiognomie  die  Leidenschaft 
immer  bis  zu  einem  gewissen  Grade  gedämpft  erscheint  Erst 
jetzt  haben  wir  besonders  vor  den  Köpfen  der  beiden  noch 
fortkämpfenden  venetianischen  Figuren  den  Eindruck,  dass 
wir  uns  auf  dem  Boden  der  Realität  befinden.  Auf  den  Re- 
liefs der  Trajanssäule  ist  dieser  Charakter  der  Realität  noch 
weiter  getrieben,  da  fühlt  man,  dass  es  dem  Künstler  darauf 
ankam,  geschichtliche  Ereignisse  zu  verewigen,  während  wir 
hier  schon  durch  die  Nacktheit  der  Figuren,  die  dort  gänz- 
lich fehlt,  daran  erinnert  werden,  dass  wir  uns  noch  immer 
auf  dem  Gebiet  der  griechischen  Kunst  befinden,  welche  die 
geschichtliche  Treue  nur  so  weit  berücksichtigt,  als  der  ideale 
Charakter  ihrer  Darstellung  zulässt. 

Die  venetianischen  Figuren  sind  abgebildet  in  den  Antiche  statiu' 
che  neu'  antisala  della  libreria  di  S.  Marco  etc.  tav.  44 — 46,  die  nea- 
politanischen im  mus.  borbon.  VI,  24  und  7.  Vgl.  Clarac  pl.  8Ö8. 
858  B.  868.  871.  872.  810  A.  Die  Zusammengehörigkeit  der  drei  vene- 
tianischen und  zwei  neapolitanischen  Figuren  wurde  zuerst  von  E.  Wolff 
im  bull.  1835  p.  159  ausgesprochen,  die  Auffindung  der  übrigen,  die 
richtige  Erklärung  der  Darstellmig  und  die  Identiflcirung  mit  dem 
Weihgeschenk  des  Attalus  (Paus.  1,  25,  2.)  ist  das  Verdienst  von 
Brunn  (Arch.  Anz.  1865  p.  66.  67.),  der  seine  schöne  Entdeckung 
hoffentlich  bald  näher  ausfuhren  wird.  Vgl.  Overbeck  Gesch.  d.  gr. 
Plastik  II,  p.  146. 

Ueber  die  gallische  Bewaffnung  und  Tracht  vgl.  Longperier  im 
bulletin  archöolog.  de  l'Athönaeum  fran9ais  1856  p.  41  ff.  und  den 
Sarkophag  Amendola  mit  der  Erklärung  von  Blackie  in  Annali  d.  inst. 
III,  p.  287  ff. 

579.  Sterbender  Fechter**,  Marmorstatue,  im  sechs- 
zehnten Jahrhundert  in  Rom  gefunden  und  im  capitolinischeu 
Museum,  vorher  in  Villa  Ludovisi,  befindlich.  Ergänzt  sind 
(wie  man  sagt  von  Michelangelo)  der  rechte  Arm  von  der 
Schulter  an  und  das  Stück  der  Basis,  auf  welches  er  sich 


*  Schon   auf  einer  alten  Vase  aus  dem  Anfang  des  fünften  Jahr- 
hunderts  kommen    höchst   (tharakteristisch   aufgefasste    Aethiopen    vor, 
vgl.  Gerhard  Auserles.  Vasen  III,  207. 
**  Im  Niobidensaal  n.  19. 


NiLchblüthe  der  gricThisclien  Kunst  327 

sttttst,  also  auch  das  nach  seiner  Form  nicht  passende  aber 
sicher  ursprünglich  vorhandene  Schwert  und  das  eine  Ende 
des  HomS;  das  aber  in  ein  Mundstück  hätte  auslaufen  sollen; 
ausserdem  die  linke  Kniescheibe  nebst  den  Zehen  an  beiden 
Füssen. 

Man  hat  gemeint;  der  rechte  Arm  sei  nicht  richtig  er- 
gänzt, sondern  hätte  steifer  mit  auswärts  gekehrter  Hand  ge- 
bildet werden  müssen,  wodurch  der  Körper  eine  festere  Stütze 
erhielte  und  die  gleichförmigen  Linien  der  beiden  Arme  ver- 
mieden würden.  Allein  schon  die  gegebene  Distanz  wird  wohl 
nur  einen  geknickten  Arm  zugelassen  haben,  zudem  hat  der 
Krieger  offenbar  nicht  mehr  die  Kraft,  den  Arm  aufzu- 
stemmen und  es  würde  ihm  zugleich  die  grössten  Schmerzen 
machen,  denn  seine  ganze  Haltung  ist  einzig  durch  die 
Wunde  bestimmt,  er  liegt  so,  dass  alle  schmerzliche  Span- 
nung vermieden  wird,  daher  ist  der  Körper  nach  rechts  herum- 
gedreht, daher  die  Haltung  des  linken  Arms  und  des  rech- 
ten Beins. 

Der  sterbende  Krieger  ist  ein  Gallier,  wie  man  durch 
Vergleichung  alter  Nachrichten,  welche  eine  genaue  und  an- 
schauliche Beschreibung  der  gallischen  Tracht  geben,  erkannt 
hat.  Der  Schild  zwar  ist  nicht  specifisch  gallisch,  er  findet 
sich  z.  B.  auf  der  Trajanssäule  auch  am  Arm  römischer 
Krieger,  und  auch  das  Hörn,  wodurch  Winckelmann  zu  der 
wunderlichen  Erklärung  der  Figur  als  eines  Heroldes,  noch 
dazu  eines  griechischen  Heroldes  veranlasst  wurde,  kommt 
ähnlich  bei  Römern  vor.  Man  hat  dasselbe  zwar  für  den 
gallischen  Gürtel  erklären  wollen,  von  dem  so  eben  (zu  n.  572) 
die  Rede  war,  aber  es  kann  nichts  Anderes  gemeint  sein,  als 
ein  grosses  gebogenes  Hörn.  Denn  ^as  Geräth  ist  inwendig 
hohl,  hat  einen  trompetenförmigen  Abschluss  und  ist  mit  einem 
Tragbande  versehen,  lauter  Dinge,  die  an  einem  Gürtel  nicht 
verständlich  wären.  Am  Hals  aber  trägt  der  Krieger  einen 
specifisch  gallischen  Schmuck,  nämlich  die  schon  aus  der  Ge- 
schichte des  Manlius  Torquatus  bekannte  torques,  ein  ge- 
wundenes goldenes  Halsband,  dergleichen  sich  auch  vielfach 
erhalten  haben.  Auf  das  Deutlichste  bezeichnet  endlich  Bart 
und  Haar  die  gallische  Nationalität,  denn  die  den  classischen 
VölkeiTi  fremde  Sitte,  nur  den  Schnurrbart  zu  tragen,  war 
unter  den  Galliern  herrschend,  und  das  Haar  wurde  durch 
den  stetigen  Gebrauch  einer  besonderen  Salbe  so  dick,  „dass 
es  sich  in  nichts  von  den  Mähnen  der  Pferde  unterschied^', 


328  Nachblüthe  der  griechischen  Knnst. 

ausserdem  wurde  es  beständig  aus  der  Stirn  nach  hinten  ge- 
strichen^ so  dass  die  Leute  ;;den  Satjm  und  Panen  ähnlich 
wurden/^ 

Auch  die  Gestalt ^  so  schön  und  schlank  und  kräftig  sie 
ist,  verräth  doch  an  den  Extremitäten  deutlich  den  Barbaren. 
Die  Form  der  Hand  und  der  Füsse,  die  dicke  Haut,  die  sie 
bedeckt,  und  die  vielen  Falten  über  den  Knöcheln  der  Hand 
zeigen  uns  sogleich,  dass  wir  es  nicht  mit  den  Formen  der 
idealeren  griechischen  Schönheit  zu  thun  haben.  Hiefür  sind 
auch  noch  zwei  Einzelheiten  charakteristisch,  zuerst  die  pla- 
stische Angabe  der  Augenbrauen,  die  wir  gewöhnlich  an  den 
Barbarenköpfen  finden  und  die  zu  dem  wilderen  Aussehen 
derselben  nicht  unwesentlich  beiträgt,  sodann  die  Darstellung 
der  Falten  oder  Runzeln  an  den  Hoden,  die  ganz  nach  der 
Natur  wiedergegeben  sind.  Ich  erinnere  mich  nicht  an  irgend 
einer  Statue  etwas  Aehnliches  gesehen  zu  haben,  man  begnügt 
sich  sonst  damit,  nur  den  allgemeinen  Umriss  dieses  Gliedes 
nachzuahmen. 

Der  Krieger  hat  sich  unzweifelhaft  selbst  den  Tod  ge- 
geben, wie  uns  auch  von  dem  edlen  Barbarenstolz  der  Gallier 
berichtet  wird,  der  den  Tod  der  Knechtschaft  vorzog.  Er  hat 
nichts  von  seinen  WaflPen  und  sehiem  Schmuck  verloren,  er 
deckt  seinen  Schild  mit  seinem  Körper  und  hat  das  Hom 
vorher  zerbrochen,  ehe  es  des  Feindes  Beute  wird. 

Es  liegt  etwas  unendlich  Ergreifendes  in  dieser  zusammen- 
knickenden Heldengestalt,  die  doch  ganz  verschieden  ist  von 
einem  sterbenden  Hellenen.  Der  Gallier  stirbt  finster  und 
ohne  Klage,  er  giebt  auch  im  Tode  seinen  Trotz  nicht  auf, 
der  Hellene  aber  ist  weicher  geartet  und  die  Kunst  darf 
seinen  Tod  zarter  und  rührender,  mit  einer  mehr  elegischen 
Schönheit  darstellen. 

Es  ist  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  dieses  Werk, 
das  nach  aller  Wahrscheinlichkeit  ein  Original  ist,  zu  einer 
Giebelgi'uppe  als  deren  Eckfigur  gehört  habe.  Die  Figur  ist 
allerdings  ganz  so  componirt,  wie  es  die  Ecke  des  Giebels 
verlangt,  und  die  sorgfältige  Ausführung  des  Rückens  und  der 
auf  der  Basis  befindlichen  Gegenstände,  die  in  der  Höhe  nicht 
gesehen  werden  konnten,  steht  nicht  entgegen,  da  ja  der 
Künstler  wie  am  Parthenon  und  am  äginetischen  Tempel  aus 
reiner  Liebe  zu  seinem  Werk  diese  allseitige  Vollendung  er- 
streben konnte,  aber  die  Annahme  hat  auch  nichts  Zwingendes 
und  könnte  höchstens  für  ein  vorauszusetzendes  Original  richtig 


Nachblfithe  der  f?riechischeii  Kunst.  329 

sein,  da  diese  Figur,  wie  die  Form  der  Basis  zeigt,  für  sich 
gestanden  hat. 

Die  Entstehimgszeit  dieser  Statue  zn  bestimmen,  ist  sehr 
schwer,  nnr  eine  Zeitgränze  lässt  sich  mit  Sicherheit  an- 
geben. Nicht  eher  nämlich  wird  ein  griechischer  Ktinstlor 
eine  solche  Statne  haben  schaffen  können,  ehe  nicht  die  Gallier 
mit  seinem  Volk  in  Berührung  gekommen  waren,  mit  einem 
Wort  eine  historische  Veranlassung  hat  die  Statue  ins  Leben 
gerufen,  und  eine  solche  ist  vor  dem  3.  Jahrhundert  v.  Chr. 
nicht  anfznfinden.  Damals  aber,  als  die  Gallier  in  Griechen- 
land und  Kleinasien  einbrachen,  entstanden  Kunstwerke  zur 
Verewigung  ihrer  Niederlage.  Der  König  Attalus  von  Per- 
gannm,  der  sie  besiegt  hatte,  weihte  auf  die  Akropolis  von 
Athen  mit  anderen  grossen  Gruppen  auch  eine  Gallierschlacht, 
deren  Reste  wir  eben  besprochen  haben,  und  Hess  noch  eine 
andere  Gruppe  desselben  Gegenstandes  durch  mehrere  uns 
namhaft  gemachte  Ktlnstler  in  Bronce  ausführen.  Gewöhnlich 
wird  nun  der  sterbende  Fechter  als  ein  Ueberbleibsel  der  zu- 
letzt erwähnten  Gruppe  angesehen,  und  gewiss  ist  diese  Mei- 
nung sehr  ansprechend.  Nur  muss  die  Figur  dann  als  eine 
Copie  angesehen  werden,  da  Plinius  jene  Gnippe  unter  <len 
Erzarbeiten  aufführt,  und  zudem  scheint  uns  zwischen  den 
Ueberresten  aus  dem  Weihgeschenk  des  Attalus  und  dorn 
sterbenden  Fechter  nicht  die  Uebereinstimmnng  zu  sein,  die 
man  bei  Werken  derselben  Zeit  und  Schule  .erwarten  sollte. 
Eine  jener  Figuren  des  Attalus  ist  ihm  zwar  in  der  Stellung 
ähnlich,  aber  doch  nicht  so,  dass  ein  Einfluss  der  einen  auf 
die  andere  nothwendig  anzunehmen  wäre,  im  Allgemeinen  ist 
der  Fechter  charakteristischer  und  naturalistischer  gearbeitet, 
auch  scheinen  die  Proportionen  nicht  dieselben  zu  sein,  der  Kopf 
des  Fechters  hat,  wenn  ich  mich  nicht  iire,  ein  grösseres  Ver- 
hältniss  zum  Körper  als  bei  jenen.  Wir  können  daher  die  Mög- 
lichkeit einer  anderen  Zeitbestimmung,  wonach  der  Fechter  ein 
römisches  Werk  sein  soll,  nicht  entschieden  bestreiten.  Es  ist  klar, 
dass  die  Kämpfe  der  Römer  mit  den  Galliern  den  historischen 
Anlass  zu  solchen  Darstellungen  geben  konnten  und  die  erhalte- 
nen Werke  zeigen,  wie  vorzügliche  Darstellungen  von  Barbaren 
in  römischer  Zeit  gearbeitet  wurden.  Wir  erwähnen  nur  die  so- 
j?<»nannte  Thusnelda  in  Florenz,  eine  der  schönsten  Statuen  des 
Alterthums,  ausserdem  dieTrajanssäiüe  und  den  Sarkophag  Amen- 
dola  im  cnpitolinischen  Musenni,  auf  d(»m  v'm  Kani])f  zwischen 
Rönioni  und  Galliern  in  höchst  bedeutender  Weise  dargestellt  ist. 


330  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

Die  Abbildungen  und  Literatur  bei  Longperier  im  bulletin  archtol. 
de  l'Athenaeiun  fran9ais  1856  p.  41  ff.,  der  das  Hom,  dessen  beide 
Enden  er  für  antik  hält,  für  einen  Giirtel  erklärt.  Vgl.  0.  Müller  Handb. 
§.  157*,  2.     Bnmn  Gesch.  d.  gr.  Künstler  I,  444  ff. 

580.  Der  Gallier  und  sein  Weib*,  Marmorgrappe 
in  Villa  Ludovisi.  Ergänzt  sind  am  Mann  der  rechte  Arm 
mit  dem  Schwertgriff,  an  der  Frau  der  linke  Unterarm  und 
die  rechte  Hand. 

Ob  der  rechte  Arm  richtig  ergänzt  ist,  steht  nicht  ganz 
fest.  Man  hat  eine  andere  Haltung  der  Hand  vorgeschlagen, 
nämlich  so,  dass  der  Daumen  nach  oben  gekehrt  und  das 
Schwert  wie  ein  Dolch  gehalten  wäre.  Der  Stoss  sei  dann 
kräftiger  und  zugleich  würde  der  Ellbogen  sich  etwas  senken, 
wodurch  der  Kopf  für  die  Betrachtung  freier  würde.  Beides 
ist  gewiss  begründet,  doch  lässt  sich  für  die  vorhandene  Re- 
stauration dies  anführen,  dass  es  für  die  wilde  Leidensehalt 
des  Kriegers  natürlicher  ist,  wenn  er,  der  offenbar  so  eben 
noch  im  Kampf  mit  einem  Feinde  begriffen  war,  das  Schwert 
in  derselben  Haltung  wie  vorm  Feinde  gebraucht,  als  wenn 
er  darin  gewechselt  hätte,  wie  nach  jenem  Vorschlage  anzu- 
nehmen. Die  Handlung  des  Kampfes  und  des  Selbstmordes 
folgen  mit  Blitzesschnelle  auf  einander. 

Denn  offenbar  ist  die  Situation  diese,  dass  der  Krieger 
dem  verfolgenden  Feinde,  dem  das  trotzig  zurückgewandte 
Gesicht  gilt,  mit  starkem  Schritt  entronnen  ist,  sein  Weib 
getödtet  hat  und  nun  sich  selbst  den  Tod  giebt,  den  er  der 
Gefangenschaft  vorzieht.  Die  Gruppe  ist  die  schönste  Ver- 
herrlichung des  unbändigen,  aber  edlen  Freiheitsstolzes  eines 
Barbaren. 

Es  ist  klar,  dass  diese  Figur  derselben  Nationalität  und 
derselben  Schule  angehört,  wie  die  eben  besprochene.  Auch 
die  Schilde  stimmen  sogar  in  den  Verzienmgen  tiberein.  Der 
hinten  flatternde  Mantel  verstärkt  die  Leidenschaft  der  Situa- 
tion, die  Haare  unter  dem  Arm  sind  ausgedrückt  zur  wirk- 
sameren Charakteristik  des  Barbaren. 

Zu  der  wilden  Leidenschaft  des  Mannes  bildet  einen 
ergreifenden  Gegensatz  das  rührende  Bild  der  sterbenden 
Frau,  die  nach  der  Weise  barbarischer  Völker  ihrem  Manne 
in  den  Kampf  gefolgt  ist.  Auch  in  ihr  ist  der  Barbarentypus 
in  der  Tracht  und  in  den  Formen  sehr  signifikant  ausgedrückt 

♦  In  Tegel. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  331 

Das  Haar^  ohne  Band  und  irgend  welche  Frisur^  macht  den 
Eindnick  des  Uncultivirten  und  Verwilderten,  und  das  breite 
Gesicht  entfernt  sich  eben  so  sehr  vom  classischen  Typus. 
Der  mit  Franzen  besetzte  Mantel  ist  wohl  für  ein  Zeichen 
der  Vornehmheit  zu  halten,  es  ist  aber  bemerkenswerth,  dass 
die  beiden  Zipfel  des  Mäntelchens  nicht  wirklich,  sondern 
nnr  scheinbar  zusammentreffen.  Der  Künstler  hat  in  Eück- 
sicht  auf  die  nicht  in  die  Augen  fallende  Stelle  eine  genauere 
Darstellung  für  unnöthig  gehalten. 

Abfj.  bei  Piranesi  Stat.  28.  MaflFei  raciolta  60.  «1.  Müller-Wic- 
«Ipt  I,  48,  218.  Vgl.  E.  Braun  Ruinen  nnd  Museen  Roms  p.  565. 
Bnuin  Gesch.  d.  griech.  Künstler  I,  p.  444  ff. 

581.   Venus   von   Milo*,   Marmorstatue,    im   Februar 
1820  auf  der  Insel  Milo  von  einem  Bauern,  der  in  seinem 
Garten  arbeitete,  entdeckt  und  zwar  in  einer  Nische  an  den 
Mauern  der  alten  Stadt.    Der  französische  Gesandte,  Marquis 
de  Rivi^re,  kaufte  sie  und  schenkte  sie  dem  König  von  Frank- 
reich, der  sie  im  Louyre  aufstellte.   Zwei  Jahre  später  wurde 
nacli  den  fehlenden  Theilen  der  Figur  gesucht  und  man  fand 
ein  Stück  eines  linken  Oberarms  und  einer  linken  Hand,  einen 
Apfel  haltend.    Es  wird  versichert,  dass  diese  Fragmente  von 
demselben  Marmor  und  derselben  Hand  seien,  auch  fänden 
sich  auf  der  Hand  Abblätterungen  des  Marmors,  die  sich  in 
entsprechender  Richtung  auf  dem  Fragment  des  Arms  bis  zur 
Schalter  verfolgen   Hessen.     Das    letztere  Fragment  schliesst 
nicht  unmittelbar   an    die  Schulter    an    und  ist  darum  auch 
nicht  mit  ihr  verbunden.     Die  Statue  ist  aus  zwei  Blöcken 
gearbeitet,  deren  Fuge  eben  über  dem  Gewände  Hegt,  der 
linke  Arm  war  aus  einem  besonderen  Stück  angesetzt.    Re- 
staurirt  ist  in  neuer  Zeit  die  Nasenspitze  und  in  alter  der 
linke  Fuss,   soweit  er  aus  dem  Gewand  hervortritt,  aber  mit 
so  wenig  Geschick,  dass  er  wieder  abgenommen  ist.  Die  Ohren 
trugen  Ohrringe. 

Die  Ergänzung  der  Statue  und  somit  das  Motiv  der- 
selben ist  trotz  vieler  Untersuchungen  noch  nicht  mit  voUer 
Sicherheit  anzugeben.  Wenn  freilich  das  erwähnte  Fragment 
derj  Hand  wirkHch  zur  Figur  gehört,  so  ist  die  Frage  er- 
ledigt, die  Göttin  hielt  dann  wie  triumphirend  den  Apfel  des 
Paris  in  der  Linken  empor.    Aber  es  wird  von  anderer  Seite 


*  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  2, 


332  Nachblülhe  cl(»r  f^^iochischon  Kunst. 

bezweifelt,  dass  das  Fragment,  sei  es  in  der  Arbeit,  sei  es 
in  der  Grösse,  übereinstimmen,  auch  scheint  es,  dass  die 
beiden  Arme  eine  gemeinsame  Action  hatten,  man  hat  da- 
her vorgeschlagen,  von  dem  Fragment  ganz  abzusehen  und 
die  Göttin  nach  Anleitung  erhaltener  Darstellungen  mit'  Ares 
zu  gruppiren,  dem  sie  den  linken  Arm  über  die  Schulter  lege, 
während  ihre  Rechte  wie  bittend  sich  zu  ihm  wende.  Allein 
dann  mtisste  ihr  Kopf  mehr  ins  Profil  gestellt  sein,  auch  würde 
die  Biegung  des  Oberkörpers  nach  rechts  keine  Erklärung 
finden.  Am  allgemeinsten  ist  die  Annahme,  dass  die  Göttin 
den  Schild  des  Ares  in  beiden  Händen  gehalten,  ohne  sich 
freilich,  was  nach  der  Haltung  des  Kopfes  unmöglich  wäre, 
darin  zu  bespiegeln,  sondern  nur  wie  ein  Zeichen  des  Triumphs. 
Daraus  erklärt  man  die  Biegung  des  Oberkörpers  nach  rechts, 
indem  sich  die  Figur  der  Last  des  Schildes  leise  entgegen- 
stemmc,  und  unter  dem  linken  Fuss  supponirt  man  nach  ana- 
logen Statuen  einen  Helm,  der  dann  flach  auf  der  Seite  liegen 
mtisste.  Aber  auch  diese  Vermuthung  hat  keine  genau  über- 
einstimmende Wiederholung  für  sich  anzuführen  und  ist  nicht 
recht  verständlich.  Die  Bespiegelung  im  Schilde  ist  ein  wenn 
auch  spielendes,  doch  verständliches  Motiv,  aber  dass  die 
Göttin  den  Schild  mit  Anstrengung  seitwärts  hinhält,  ohne 
ihn  zu  einem  praktischen  Zweck  zu  benutzen,  hat  keine  rechte 
Pointe.  Auch  versichern  competente  Augenzeugen,  dass  das 
Fragment  des  Oberarms,  dessen  Zugehörigkeit  nicht  zu  be- 
zweifeln sei,  eine  nach  oben,  nicht  nach  unten  geöffnete  Hand 
voraussetze,  was  mit  dieser  Annahme  unvereinbar  wäre.  End- 
lich hat  man  auch  ganz  den  Gedanken  an  eine  Venus,  die 
doch  deutlich  genug  in  den  Formen  und  im  Auge  bezeichnet 
ist,  aufgegeben  und  eine  ungeflügelte  Victoria  mit  dem  Schild 
angenommen.  Indessen  unterscheiden  sich  die  analogen  Dar- 
stellungen der  auf  einen  Schild  schreibenden  Victoria  doch 
wieder  dadurch,  dass  sie  mehr  ins  Profil  gestellt  sind. 

Die  Schwierigkeit  der  Erkläning  nimmt  noch  zu  durch 
eine  Betrachtung  der  Basis.  Zugleich  mit  der  Statue  und  an 
demselben  Ort  wurde  nämlich  die  Ecke  einer  Basis  mit  einer 
Inschrift  darauf  gefunden,  die  wie  der  Bericht  angiebt  zwar 
von  anderem  Marmor  sei,  aber  mit  ihrer  Bruchfläche  so  genau 
an  den  Bruch  der  Statuenbasis  anpasse,  dass  ihre  Zugehörig- 
keit nicht  zu  bezweifeln  sei  und  die  Wahl  verschiedenen 
Marmors  dadurch  erklärt  werden  müsse,  dass  ein  Stück  dÄ 
urspi-ünglichen  Basis  verloren  gegangen  und  in  Ermangelung 


Nachblüüie  der  griechischeu  Kunst.  353 

gleichen  Marmors  durch  eiu  Stück  von  anderer  Qualität  er- 
setzt worden  seL    Dieses  Stück  ist   nun  im  Louvre,  wo  es 
sich  befand^  nicht  mehi'  aufzutindcu^  so  dass  eine  nochmalige 
Untersuchung  unmöglich  ist.     War  aber  das  Stück  wii'küch 
zugehörig;  so  muss  sich  rechts  neben    der  Figur   noch   em 
Pfeiler,  -eine  Herme  oder  etwas  Aehnliches  befunden  haben, 
da  die  Abbildung  auf  der  oberen  Fläclie  des  Stücks  ein  vier- 
eckiges Loch  verzeichnet  und  ausserdem  die  rechte  Seite  der 
Basis  weiter  vorspringt  als  die  linke.    Es  wäre  voreilig,  hier- 
von ausgehend  Vermuthungen  aufzustellen,  da  die  Verschieden- 
heit des  Marmors  immer  ein  gewichtiges  Bedenken  gegen  die 
nrsprüngliche  Zusammengehörigkeit  dieses  Stückesmit  der 
Basis  abgiebt.    Leider   ist   uns  wie  gesagt  eine   nochmalige 
Controle   versagt,    aber   das   wäre   wenigstens   möglich   und 
wünschenswerth,  dass  die  Fragmente  des  Arms  und  der  Hand 
noch  einmal   genau   untersucht   würden.     Einstweilen   bleibt 
nichts  Anderes  übrig,  als  sich  einer  bestimmten  Meinung  zu 
enthalten. 

Die  Inschrift  vnirde,  wenn  sie  zugehörig  ist,  einen  sonst 
nicht  bekannten  Alexandres,  des  Menides  Sohn  aus  Antiochia 
am  Mäander  als  Künstler  angeben  und  das  Werk  in  die  Zeit 
diesseits  Alexanders   hinabrücken.     Nach   dem   Stil   schliesst 
man  freilich  auf  eine  frühere  Entstehuugszeit.     Die  grossen 
stolzen   und   zugleich   lebensvollen  Formen   und   das  Scharf- 
kantige des  Gewandes  scheinen  darauf  zu  deuten,  dass  die 
Statue  nicht  sehr  fern  von  den  Parthenonstatuen  entstanden 
ist.     Aber  wir  sind  so  arm  an  griechischen  Originalwerken 
des  vierten  und  der  folgenden  Jahrhunderte,  dass  wir  auch 
hierin  uns  vor  zu  sicheren  Urtheilen  hüten  müssen.     Gewiss 
aber  ist  die  Statue  ein  griechisches  Originalwerk  und  so  frisch 
und    lebenswarm  wie   wenig   andere.     Die   Vergleichung   der 
gegenüberstehenden  Venus  von  Capua  (n.  582)   ist  sehr  ge- 
eignet, den  Unterschied  zwischen  schwellendem  Leben  —  man 
sehe  besonders  den  Druck  des  rechten  Arms  auf  den  Busen 
—  und  kalter  conventioneller  Behandlung  fühlbar  zu  machen. 
Der  Charakter  der  Formen  ist  im  Allgemeinen  den  älteren 
Venustypen  verwandt,  mehr  voll  und  kräftig  als  zart.     Auch 
die  einfache  Anordnung  des  Haars  erinnert  an  die  knidische 
Venus  des  Praxiteles. 

Zuerst  abgeb.  und  besprochen  von  Quatremere  de  Quincy,  Sur  la 
t»tatue  antique  de  Venus,  decouverte  dans  l'Ile  de  Milo  en  1820.  Paris 
1821,  der  sie  uiit  Mars  gruppiren  will.     Von  seinen   sonstigen  Bemer- 


334  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

kungen  ist  die  Hinweisung  auf  die  AehnUchkeit  des  Kopfes  der  Statue 
mit  dem  Kopf  der  knidischen  Venus  im  Vatikan  sehr  richtig  und  be- 
merkenswerth.  Unter  demselben  Titel  und  in  demselben  Jalir  ist  eine 
Abhandlung  von  Graf  Clarac  erschienen,  der  die  Zugehörigkeit  der 
Hand  mit  dem  Apfel  vertheidigt  und  ebenso  das  Fragment  der  Basis, 
das  er  allein  mit  hat  abbilden  lassen,  als  zugehörig  betrachtet.  Millin- 
gen  Anc.  unedit.  monum.  2  pl.  6  nimmt  an,  dass  sie  einen.  Schild  ge- 
halten, ebenso  Welcker  A.  D.  I,  437  ff.  Vgl.  Overbeck  Gesch.  d.  gr. 
Plastik  n,  p.  257  ff.  Ucber  das  Stück  der  Basis  mit  der  Insciu'ift  hat 
mir  Hr.  A.  de  Longperier  eine  gütige  Mittheilung  gemacht,  die  ich  mir 
im  Interesse  Vieler  zu  pubhcirjen   erlaube: 

Les  questions  relatives  a  la  Venus  de  Milo  ont  6te,  je  le  crois, 
compliquees .  bleu  inutilement,  parcequ'on  a  voulu  donner  artificiellement 
ä  cette  excellente  statue  une  importance  que  sa  beautö  suffisait  par- 
faitement  ä  lui  assurer.  D'abord,  lorsqu'elle  fut  decouverte  on  döcida 
qu'elle  avait  et6  faite  par  Praxitele.  Cela  fut  la  soiurce  d'une  foule 
d'erreurs.  J'ai  connu  des  gens  qui  malgre  la  publication  de  l'inscription 
donnöe  par  Clarac,  soutenaient  encore  vingt  ans  et  trente  aus  plus 
tard  que  la  statue  est  de  Praxitele. 

On  avait  dit  au  roi  Louis  XVHI  que  la  statue  dont  I'am- 
bassadeur  de  France  lui  faisait  present  etait  l'oeuvre  du  celöbre  sculp- 
teur  de  Phryne,  et  je  crois  que  ce  fut  la  cause  de  la  perte  de  l'in- 
scription. Dans  l'esp^rance  qu'on  se  serait  bornö  ä  cacher  la  portion 
du  marbre  qui  portait  cette  inscription,  j'ai  fait  faire,  il  y  a  dix  huit 
aus  de  grandes  recherches  daus  les  caves  du  Louvre.  J'ai  mdme  fait 
fouiller  des  inegalites  du  terrain  qui  pouvaient  reeller  des  fragments 
de  marbre,  mais  je  n'ai  rien  decouvert,  et  j'ai  maintenant  la  crainte 
que  le  marbre  ait  6te  attaque  ä  coups  de  ciseau.  ActueUement,  la 
partie  antique  de  la  basc  qui  entoure  les  pieds  est  encastr^e  dans  une 
plinthe  moderne  qui  ue  permet  pas  de  voir  en  quel  6tat  est  cette  base. 
Mais  je  connais  tres-bien  la  barbarie  avec  laquelle  on  traitait  les  mo- 
nument  antiques,  lorsque  MM.  Percier  et  Fontaine  avaient  la  haute  main 
sur  les  travaux  du  Louvre,  pour  croire  qu'on  se  serait  arr^tö  devant 
une  mutilatio«.  Quant  ä  la  maniere  dont  l'inscription  a  6i6  relevöe, 
j'en  tiens  le  recit  de  ceux  lä  möme  qui  y  ont  pris  part. 

Vous  savez  que  le  grand  peintre  Louis  David  avait  6i6  exiU  ä 
ßruxelles,  apres  le  retour  des  Bourbons.  Lorsqu'll  apprit  par  les  jour- 
naux  Parrivee  de  la  Venus  de  Milo  ä  Paris,  il  ecrivit  ä  son  616ve  le 
Baron  Gros  et  lui  dcmanda  un  dessin  du  marbre  grec.  Gros  chargea 
un  de  ses  jeunes  eleves,  Auguste  Debay,  ne  en  1804,  d'aller  au  Louvre 
fahre  le  dcsshi.  Le  jeune  homme  fut  accompagn^  par  son  pere  J.  B. 
Debay  qui  lui  \n6me  ötait  €\eve  de  David  et  camarade  de  Gros.  Ni 
le  pere,  ni  le  fils  ne  savaient  un  mot  de  grec.  Je  les  ai  assez  iuti- 
mement  connus  tous  les  deux  pour  pouvoir  vous  l'aifirmer.  Hs  n'onl 
donc  pas  pu  inventer  Tinscription.  Ils  m'ont  dit  plusieurs  fois  qu'elle 
avait  ete  copiee  trait  pour  trait  teile  qu'ils  la  voyaient  sur  la  base,  et 
sans  qu'ils  comprissent  le  sens  de  ce  texte.  Un  calque  du  dessiu  fiit 
envoye  ä  Bruxelles.  Le  dessin  rcsta  entre  les  mains  de  Debay  le  pere, 
et  c%;st  ainsi  que  M.  de  Clarac  put  en  obtenir  plus  tard  une  copie. 

Hr.  Longperier  hält  auch  die  beiden  Fragmente,  das  der  linken 
Hand  und  des  linken  Oberarms  für  bestimmt  zugehörig  und  bemerkt, 
dass  das  letztere  eine  nach  oben  geöffnete  Hand  voraussetze. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  335 

582.  Venus  von  Capua*,  Marmorstatue,  im  Amphi- 
theater zu  Capua  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ge- 
funden, zuerst  im  königlichen  Schloss  zu  Caserta,  später  im 
Moseum  zu  Neapel  aufgestellt.  Ergänzt  sind  die  Nase,  beide 
Anne,  das  über  den  linken  Oberschenkel  herabfallende  Ende 
des  Mantels  und  der  unter  dem  linken  Knie  herabhängende 
Zipfel  Die  Basis  ist  in  diesem  Abguss  nicht  vollständig,  der 
unterste  wulstartige  Theil  derselben  erstreckt  sich  am  Origi- 
nal noch  ziemlich  weit  nach  rechts,  so  dass  jedenfalls  noch 
eine  zweite  Figur  darauf  gestanden  hat.  In  Neapel  ist  die 
Statue  von  dem  Bildhauer  Angiolo  Brunelli  so  restaurirt,  dass 
sie  in  der  Linken  eine  Lanze  hält,  während  die  Rechte  hin- 
weist auf  die  nebenstehende  Figur,  einen  Amor  mit  Köcher 
md  Pfeil  in  den  Händen,  der  nebst  dem  obem  Theil  der 
Basis  in  Gyps  hinzugefügt  ist. 

Mit  Hülfe  eyier  Münze  kann  die  Statue  mit  Sicherheit 
ergänzt  werden.  Dort  ist  nämlich  Venus  in  derselben  Stel- 
long,  einen  Schild  in  dem  sie  sich  spiegelt  in  den  Armen 
Iwdtend,  dargestellt,  und  neben  ihr  ein  kleiner  Amor  mit  leb- 
hafter Geberde,  wie  jubelnd  über  den  Triumph  der  Mutter, 
die  dem  Ares  seinen  Schild  genommen  —  auch  sein  Helm 
liegt  unter  ihrem  Fuss  —  und  ihn  zum  Spiegel  ihrer  Schön- 
heit benutzt.  Nur  ein  kleiner  Unterschied  muss  in  der  Hal- 
tung des  Schildes  zwischen  der  Münze  und  der  Marmorgruppe 
angenommen  werden,  in  letzterer  wurde  der  Schild  nicht  frei 
gehalten,  sondern  die  eckig  gebrochene  Falte  über  dem  lin- 
ken Knie  führt  darauf,  dass  er  an  dieser  Stelle  aufruhte. 

Wie  das  Motiv  —  die  Spiegelung  im  Schilde  —  etwas 
Schwaches  und  Eitles  hat,  so  sind  auch  die  Formen  dieser 
Venus  von  unbestimmter,  verschwommener  Weichheit  im  Ge- 
gensatz zu  der  frischen  Kraft  der  Venus  von  Milo,  welcher 
sie  in  der  Composition  nahe  steht.     Die  Statue  scheint  ein 
römisches  Werk   zu   sein,   auf   spätere  Zeit  weist   auch    die 
plastische  Bezeichnung  des  Augapfels  und  die  Stirnkrone,  die 
den  frühem  mehr  einfach  weiblich  als  königlich  dargestellten 
Venusstatuen  fehlt.     Vermuthlich  stand  sie   in    einer  Nische 
des  Amphitheaters,  in  dem  sie  gefunden,  und  machte  nur  den 
Anspruch  eines  decorativen  Werks.     Ein  griechisches  Original 
liegt  ihr  aber  wahrscheinlich  zu  Grunde,  das  indessen  wegen 


*  Im  Saal  des  FariiesischtMi  Stiers  n.  3. 


336  Nachblüthe  der  gnecliisüheu  Kuust. 

des  etwas  tändelnden  Motivs  wohl  nicht  früher  als  in  alexan- 
drinischer  Zeit  entstanden  ist. 

Abg.  bei  Millingen  anc.  uued.  monum.  II,  5.  Mus.  borbon.  UI, 
54.  Gerhard  Aiit.  Bildw.  Taf.  10.  Ueber  den  Fundort  Winckelmanu 
Gesch.  d.  K.  12,  1.  §.  5.  Rucca,  Capua  vetere,  Napoli  1Ö28  p.  138. 
139.  Die  Münze  ist  abg.  bei  Vaillant,  uumismata  imperat.  in  colou. 
percussa  II,  51. 

J583.  Venus*,  Marmorstatue,  1776  von  Gavin  Hamilton 
in  Ostia  gefunden  und  mit  der  Townley'schen  Sammlung  ins 
Britische  Museum  übergegangen.  Ergänzt  sind  der  linke  Arm 
und  die  rechte  Hand. 

Leider  sind  wir  nicht  im  Stande,  die  richtige  Ergänzung 
und  damit  das  Motiv  dieser  Statue  anzugeben,  die  ihrer  gross- 
artigen Anlage  nach  gewiss  auf  ein  älteres  griechisches  Werk 
zurückgeht.  Dass  sie  selbst  aber  wohl  erst  in  römischer  Zeit 
entstanden,  geht  vielleicht  schon  aus  dem  Umstände  hervor, 
dass  der  Marmorblock  aus  dem  das  Nackte  gearbeitet,  von 
lichterem  Ton  ist  als  der  zur  Draperie  benutzte.  Dies  Ver-  . 
fahren  erinnert  wenigstens  an  die  römische  Weise,  verschie- 
denartige Marmorarten  zu  einer  und  derselben  Statue  zu  ver- 
wenden und  entspricht  gewiss  nicht  dem  edleren  griechischen 
Geschmack. 

Abg.  Specimens  of  anc.  sculpt.  I,  41.     VgH  Vaux  Uandbook  to  ihe 
brit.  ums.  p.  167.    Die  Figur  geht  übrigens  nicht,  wie  0*.  Müller  Handb..^ 
§  377,  5.  6.  bemerkt,  mit  der  Venus  von  Arles  auf  dasselbe  Ori^^l* 
zurück,  wenigstens  sind  erliebliche  Verschiedenheiten  zwischen  beiden.  . " 

584.  Venusbtiste**,   von  Marmor,  1823  im  Theater  ' 
von  Arles  gefunden  und  ebendaselbst  befindlich.     Die  Nase 
ist  ergänzt. 

Einer  der  schönsten  Venusköpfe  und  dem  Kopf  der  kni- 
dischen  Venus  des  Praxiteles  sehr  nahe  stehend. 

Vgl.  bull.  1835  p.  135  und  Wajigen  im  Arch.  Anz.  1856  p.  206. 
239.  Stark,  Städteleben,  Kunst  und  Alterthum  in  Südfrankreicli  p.  79- 
592.  vergleicht  diesen  Kopf  mit  der  Farnesischen  Flora,  der  aber  er- 
gänzt ist. 

585.  Venus  vom  Capitol***,  Marmörstatue,  in  Rom 
im  Thal  zwischen   dem  Quirinal  und  Viminal  gefunden,  und 


*  Ein  Bronceabguss  dieser  Figur  ist  im  Grieclüschen  Hof  u.  4 ,  ein 
Gypsabguss  im  Gewerbeinstitut. 
**  im  Gewerbehistitut. 
***  Im  liümischen  Saal  n.  112. 


Nachblüthe  der  griechischeu  Kunst.  337 

zwar  war  die  Figur  vermauert  wie  ein  Schatz  den  man  vor 
der  Zerstörung  retten  wollte.  Benedikt  XIV.  setzte  sie  in 
das  capitolinische  Museum.  Da  sie  vermauert  war^  so  ist  sie 
fast  unversehrt  erhalten,  restaurirt  sind  nur  die  Nasenspitze, 
der  linke  Zeigefinger  und  der  rechte  zur  Hälfte. 

Die  Göttin  hat  das  Gewand  auf  das  Wassergefäss  an 
ihrer  Seite  gelegt  und  ßteht  nun  völlig  nackt  zum  Bade  be- 
reit da.  Diese  Situation  ruft  unwillkürlich  in  der  edleren 
Weiblichkeit  das  Gefühl  der  Schaam  hervor,  durch  welches 
die  gebückte  und  zusammengeschmiegte  Stellung  und  die  Hal- 
tung der  Arme  veranlasst  ist.  Die  Formen  sind  viel  reifer 
und  frauenhafter  als  die  der  mediceischen  (n.  587)  und  wenn 
wir  das  jüngere  Alter  der  letzteren  der  angenommenen  Situa- 
tion entsprechender  finden,  so  ist  andrerseits  der  Ausdruck 
der  Schaam  in  der  capitolinischen  Venus  tiefer  und  wahrer. 

Dies  Werk  wird  mit  Recht  für  ein  Original  gehalten 
und,  dürfen  wir  hinzusetzen,  für  ein  griechisches.  Denn  das 
Lebensvolle  in  der  Bildung  des  Nackten,  das  diese  Figur  in 
ganz  besondrer  Weise  auszeichnet,  ist  noch  an  keinem  Werk 
römischer  Zeit  beobachtet  und  scheint  nur  der  griechischen 
Kunst,  die  der  Natur  näher  stand,  eigen  zu  sein.  Freilich 
ist  die  weiche  Elastizität  der  Muskeln  im  Gyps  weniger  fühl- 
bar als  im  Marmor,  es  giebt  wenig  Statuen,  die  so  sehr  durch 
den  GjHPsabguss  verlieren,  wie  die  capitolinische  Venus. 

Versuchen  wir  nun  eine  nähere  Zeitbestimmung,  so  giebt 
uns  zunächst  die  knidische  Venus  des  Praxiteles  eine  feste 
Grenze.  Von  dieser  ist  das  Motiv  entlehnt,  indem  in  der 
capitolinischen  nur  ein  weiter  vorgeschrittener  Punkt  fixirt 
ist,  denn  die  knidische  Venus  zögert  noch,  das  schützende 
Gewand  aus  der  Hand  gleiten  zu  lassen.  Aber  es  ist  doch 
auch  ein  etwas  verschiedener  Geschmack  in  beiden,  die  kni- 
dische Venus  gehört  einer  noch  einfacheren,  strengeren  Rich- 
tung der  Kunst  an,  die  capitolinische  ist  nicht  ohne  ein  ge- 
wisses Streben  nach  Eleganz  gearbeitet.  Bezeichnend  ist  das 
einfach  gescheitelte  Haar  der  ersteren  gegenüber  dem  reiche- 
ren anspruchsvolleren  Putz  der  letzteren,  bezeichnend  auch 
das  mit  Franzen  besetzte  Gewand  über  dem  Wassergefäss, 
dessen  schlanke  Form  übrigens  zwar  weniger  praktisch  ist 
als  das  Gefass  neben  der  knidischen,  aber  nothwendig  war 
um  sich  mit  der  Figur  zusammenzuschliessen.  Die  capitolini- 
sche Venus  wird  demnach  als  ein  griechisches  Werk  aus  der 
Periode  nach  Alexander  zu  betrachten  sein. 

Friedericbs.  grivcli.- Plastik.  22 


338  Nachblüthe  der  griechischen  Ruust. 

Abg.  Mus.  Capitol.  III,  19.  E.  Bmun  Vorschule  d.  Kunstmythol. 
81.  Müller -Wieseler  II,  26,  278.  Vgl.  E.  Briiuii  Ruinen  und  Museen 
Roni's  {).  220  ff. 

586.  Venustorso*,  in  Neapel  befindlich. 

Dieser  schöne  Torso  kann  nach  einer  in  mehreren  Exem- 
plaren erhaltenen  Glaspaste  restaurirt  werden,  es  ist  nämlich 
eine  Venus,  im  Begriff  ihr  Gewand  abzulegen,  um  ins  Bad 
zu  steigen.  Der  rechte  Arm  stützte  sich  auf  einen  Pfeiler, 
doch  so,  dass  die  Hand  zugleich  das  Gewand  hielt,  der  linke 
Arm  war  gekrümmt  und  die  fast  bis  zur  Höhe  der  Schulter 
erhobene  Hand  hielt  die  andere  Hälfte  des  Gewandes,  dessen 
Zipfel  auf  ein  neben  der  Figur  stehendes  Wasserbecken  her- 
abhing. Der  Moment  also  ist  der,  wo  die  Göttin  das  Gewand 
bereits  auseinandergeschlagen,  so  dass  es  sich  nun  ah  ihrem 
Kücken  als  ein  herrlicher  faltenreicher  Hintergrund  hinspannt, 
aber  noch  einen  Augenblick  zögert,  es  fallen  zu  lassen,  um 
ins  Bad  zu  steigen. 

Es  ist  nicht  zu  läugnen,  dass  das  Motiv  sehr  schön  und 
wirkungsvoll  ist,  nicht  geringere  Bewunderung  aber  verdienen 
die  Formen,  die  dem  Typus  der  knidischen  Venus  nahe  kom- 
men, von  welcher  ja  auch  das  allerdings  frei  und  selbststän- 
dig variirte  Motiv  abstammt.  Wir  müssen  diesem  Torso,  den 
wir  als  ein  Originalwerk  betrachten,  griechischen  Ursprung 
vindiciren  und  ihn  der  Zeit  nach  nicht  allzulange  nach  der 
knidischen  Venus  des  Praxiteles  ansetzen. 

Die  einzige  mir  bekannte  Abbildung  ist  auf  dem  Titelbild  vom 
Mus.  borbon.  IV.  Auch  die  ülaspaste,  vennittelst  deren  die  Figur  re- 
staurirt werden  kann,  ist  soviel  ich  weiss,  nirgend  abgebildet,  Bwei 
Exemplare  derselben  befinden  sich  im  hiesigen  Gemmeucabiuet,  sind 
aber  noch  nicht  catalogisirt. 

587.  Mediceische  Venus**,  Marmorstatue,  in  Rom  im 
Porticus  der  Octavia  gefunden,  früher  in  der  Villa  Medici  in 
Rom,  seit  1770  in  Florenz.  Die  Statue  ist  aus  elf  Stücken 
zusammengesetzt,  und  ergänzt  sind  der  rechte  Arm  ganz,  der 
linke  vom  Ellbogen  ab,  und  das  vordere  Stück  der  Basis, 
welches  die  Inschrift  trägt,  auch  am  Kinn  ist  ein  wenig  geflickt. 

Wie  wir  aus  dem  Delphin  neben  der  Figur  schliessen 
dürfen,  ist  die  Göttin  als  Anadyomene,  als  Meerentstiegene 
gedacht  und  aus  diesem  Grunde  ohne  Gewand.     Die  Besorg- 


*  Im  Römischen  Saal  n.  30. 
**  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  14 


Nacbblüthe  der  griechischen  Kunst.  339 

niss  überrascht  zu  werden,  veranlasst  die  Bewegung  des 
Kopfes  und  der  Arme,  aber  die  Schaam  ist  weniger  ernstlich 
gemeint,  als  in  der  knidischen  und  capitolinischen  Venus, 
deren  Stellung  viel  eindringlicher  das  Gefühl  der  Nacktheit 
und  die  Bitte  um  Schonung  ausspricht.  Die  Formen  sind 
sehr  zart  und  fein,  die  mediceische  Venus  ist  unter  allen 
nackten  Venusstatuen  die  jugendlichste,  bei  der  wir  aber  die 
Göttin  ganz  vergessen,  die  besser  durch  die  volleren  kräfti- 
geren Formen  der  früheren  Zeit  gewahrt  wurde.  Ueberhaupt 
hat  der  Künstler  Alles  was  ihr  etwas  Göttliches  geben  könnte, 
femgehalten;  während  die  früheren  Venusdarstellungen  über 
die  natürliche  Grösse  hinausgehn,  hält  sich  diese  innerhalb 
derselben  und  allerdings  ist  für  diese  Venus  das  colossale 
Maass  ebenso  eine  Unmöglichkeit,  wie  für  die  Venus  von 
Milo  eine  Nothwendigkeit.  Der  kleine  Kopf  hat  unläugbar 
einen  stark  sinnlichen  Ausdruck,  namentlich  in  den  Augen, 
an  denen  das  für  Venus  charakteristische  Heraufziehn  des 
ontem  Augenlids  stärker  ausgedrückt  ist  als  an  irgend  einer 
andern  Venus,  und  besonders  charakteristisch  ist  das  Grüb- 
chen im  Kinn,  das  der  höheren  Schönheit  als  etwas  Klein- 
liches und  Spielendes  fremd,  für  diese  mehr  reizende  Schön- 
heit aber  bezeichnend  ist.  Ebenso  sind  die  vergoldeten  Haare, 
das  Armband  und  die  Ohrringe  charakteristische  Zuthatcn. 
Es  fragt  sich  indess  ob  wir  dies  freilich  so  hochberühmte 
Werk  als  ein  eigentliches  Originalwerk  anzusehn  haben,  unter 
den  zahlreichen  Wiederholungen  dieses  Typus  sind  mehrere, 
die  einen  weniger  sinnlichen  Eindruck  machen. 

Dass  dieser  Typus  auch  als  religiöses  Bild  verehrt  wurde, 
geht  aus  antiken  Darstellungen  hervor,  man  begreift  freilich 
nicht,  wie  vor  einem  solchen  Götterbild  wirklich  religiöse 
Empfindungen  möglich  waren,  dieses  Exemplar  indessen  hat 
gewiss,  wie  der  Fundort  lehrt,  nui*  zur  Zierde  einer  öffent- 
lichen Halle  gedient. 

Wenn  wir  annehmen  dürfen,  dass  die  auf  dem  ergänzten 
Stück  der  Basis  befindliche  Inschrift  von  der  ächten  dahin 
übertragen,  so  ist  Kleomenes  des  Apollodorus  Sohn  aus  Athen 
als  der  Künstler  der  mediceischen  Venus  zu  betrachten,  der  nicht 
vor  dem  zweiten  oder  ersten  Jahrhundert  v.  Chr.  gelebt  hat. 

Abg.  Müller-Wieseh'r  I,  60,  224.  Vgl.  Winckehnauu  Vorläufige 
Ahliuiuliuug  §  G3.  Burckliardt,  der  Cicerone  p.  450.  E.  ßraiui  Kuiist- 
inythol.  p.  51.  Briuiii  (iescli.  d.  gr.  Künstler  I,  545.  562  f.  Für  die 
Bot  hu  111 II  ng   der  Lebenszeit  des  Kleomenes   sind  wir  wohl  nur  auf  die 

22* 


340  Nachblütlie  der  griechischen  Kunst. 

Buchstabenformeu  der  Inschrift,  corp.  inscr.  6157,  angewiesen,  i 
denen  aber  auch  nichts  Genaueres  zu  entnehmen  ist,  als  das  im  T« 
Bemerkte. 

588.  Venus*,  Marmorstatue,  aus  der  Sammlung  Albj 
ins  Museum  zu  Dresden  gekommen.  Der  obere  Theil  c 
Hinterkopfes  ist  ergänzt. 

Ein  ausgezeichnetes  Werk,  das  mit  der  mediceisch 
Venus  (n.  587),  der  es  entspricht,  wetteifern  kann.  Besc 
ders  schön,  frisch  und  schwellend  ist  die  Brust  Der  Ko 
ist  im  Verhältniss  etwas  grösser  und  von  edlerem  Charakti 
als  an  jener,  das  Grübchen  im  Kinn  fehlt.  Auch  die  Ol 
läppchen  sind  nicht  durchbohrt. 

Abg.  Becker  Augusteum  Taf.  27—30.     Vgl.  Hettner,  die  Bildw. 
Kgl.  Antikensammhmg  zu  Dresden  n.  383. 

589.  Venus**,  Marmorstatue,  im  Mai  1859  von  Gui 
in  Kom  gefunden  und  zwar  vor  Porta  Portese  im  Berei 
der  cäsarischen  Gärten  neben  den  Ruinen  eines  Tempe 
Ergänzt  sind  die  rechte  Hand,  die  Finger  der  Linken  (d 
durch  kleine  Stützen  am  Bein  festgehalten  waren)  und  d 
Nasenspitze.  Die  Statue  wurde  nach  Petersburg  verkauft,  ¥ 
sie  sich  jetzt  befindet. 

Diese  Venus  stimmt  bis  auf  die  Haltung  des  Kopfes  n 
mit  der  mediceischen  tiberein.  Sie  ist  schlichter  und  a 
spruchsloser,  aber  in  den  Formen  weit  kälter. 

Vgl.  Annali  1860  p.  418. 

590.  Venuskopf***,  von  Marmor,  im  Anfang  dies( 
Jahrhunderts  bei  den  Thermen  des  Diocletian  oder  CaracaU 
—  darüber  variiren  die  Nachrichten  —  gefunden,  im  Vatika 
befindlich.     Brust  und  Nase  sind  ergänzt. 

Sehr  elegant  und  graziös  gearbeitet,  aber  ohne  tiefer« 
Ausdruck.  Der  Kopf  kommt  dem  Typus  der  mediceischei 
Venus  am  nächsten. 

Abg.  Mus.  Chiaram.  tav.  27.  Sickler  u.  Reinhart  Almanach  au 
Rom  1811,  Taf.  10  p.  139.  In  der  Beschreibung  Roms  H.  2  p.  71  " 
511  heisst  es,  der  Kopf  sei  1805  bo'i  den  Thermen  des  Diocletian  g«" 
funden,  nach  E.  Braun  Ruinen  p.  277,  der  ihn  gut  charakterisirt,  l" 
er  1804  vor  dem  Hauptgebäude  der  Thermen  des  Caracalhi  aufgeiuiideu 


*  Im  Römischen  Saal  n.  10. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  107. 
***  Im  Niobidensaal  n.  41. 


Nachblüthc  der  griechischen  Kunst.  34I 

591.  Venus*,  Marmorstatue,  im  Jahre  1775  an  der 
Via  Appia  gefunden,  jetzt  im  Museum  zu  Stockholm.  Die 
Ergänzungen  sind  nicht  genauer  bekannt,  scheinen  indess  im 
Wesentlichen  richtig  zu  sein. 

Die  Idee  ist  dieselbe  wie  in  der  mediceischen  Venus 
(n.  587),  auch  die  Formen  sind  ziemlich  jugendlich,  doch  ist 
diese  Venus  etwas  weniger  kokett  und  die  Entblössung  ist 
etwas  anders  motivirt,  nämlich  wie  in  der  capitolinischen 
durch  das  Bad.  Uebrigens  steht  sie  der  mediceischen  an 
Schönheit  bedeutend  nach,  namentlich  ist  die  Linie  von  der 
rechten  Brust  zur  Hüfte  nicht  schön. 

Die  Fundnotiz  im  Archaeol.  Anz.  1853  p.  396  n.  154. 

592.  Venustorso**,  von  Marmor,  aus  Richmond Housc, 
seit  1821  im  britischen  Museum. 

Ein  sehr  schöner  Torso,  dessen  Ergänzung  wir  nicht 
anzugehen  vermögen. 

Abg.  Marbles  of  thc  brit.  mus.  XI,  35/  Ellis,  Townley  gallery  I,  268. 

593.  Venustorso***,  von  Marmor.  Wir  können  weder  an- 
geben, wo  sich  dieser  schöne  gewiss  griechische  Torso  befindet, 
noch  auch  wie  das  ursprüngliche  Motiv  gewesen  ist. 

594.  Venus****,  Marmorstatue  in  Syrakus,  wo  sie 
1804  von  Cav.  Landolina  in  einem  Garten,  genannt  di  Bonavia, 
gefunden  wiirde.  Die  Stützen  auf  der  Brust  dienten  dazu, 
den  rechten  Arm  zu  halten,  der  den  Busen  bedeckte. 

Die  frischen  lebensvollen  Formen  der  Figur  lassen  ein 
griechisches  Werk  erkennen  und  zwar  ist  es  dem  voller  ge- 
bildeten Venustypus  der  besseren  Zeit  verwandt.  Nur  hat 
üie  Anordnung  des  Gewandes  etwas  Absichtliches,  was  auf 
spätere  Zeit  deutet.  Es  ist  rein  formell  betrachtet  von 
grosser  Wirkung,  wie  sich  das  Gewand  der  Göttin  bläht  und 
deu  nackten  Formen  einen  reich  belebten  Hintergrund  bietet, 
aber  es  ist  eben  auch  nur  eine  rein  formelle  Zuthat,  die 
weder  aus  der  Situation  noch  aus  dem  Charakter  der  Figur 
folgt.  Und  so  schliesst  sich  denn  diese  Statue  den  zahlreichen 
Venusfiguren  an,  die,  zum  Theil  schon  in  der  Zeit  des  Praxi- 

*  Im  Römische»  Saal  11.  9. 
**  Im  Gewerbeinstitut. 
*•*  Im  Niübidensaal  n.  37. 
***•  Im  Römischen  Saal  11.  106. 


342  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

teles  entstanden,  auf  Darstellung  des  Göttlichen  ja  überhaupt 
tieferen  Ausdrucks  verzichten  und  nur  aus  der  Neigung  nach 

formeller  Anmuth  entstanden  sind. 

* 

Abg.  Serradifalco  antichita  di  Siciiia  IV.  Clarac  pl.  608.  Die 
Schrift  von  Politi  sul  simulacro  di  Venere  trov.  in  Siraciisa,  Palermo 
1826  ist  mir  nicht  bekannt  worden. 

595.  Venus*,  Marmorstatue,  1775  in  Ostia  und  zwar 
in  einem  antiken  Bade  gefunden,  in  die  Townle/sche  Samm- 
lung tibergegangen  und  mit  dieser  ins  britische  Museum.  Am 
Original  sind  beide  Arme  ergänzt,  G.  Hamilton,  unter  dessen 
Aufsicht  die  Ergänzung  ausgeführt  ist,  nahm  an,  dass  die 
Figur  in  der  Linken  einen  Spiegel  gehalten  und  mit  der 
Kechten  ihren  Schooss  bedeckt  habe.  Auf  der  rechten  Seite 
des  Kinns  ist  eine  kleine  Erhöhung,  die  wir  nicht  zu  erklären 
wissen. 

Das  Motiv  dieser  Figur  kann  leider  nicht  bestimmt  an- 
gegeben werden,  es  scheint,  als  ob  die  Göttin  ihr  Gewand 
sinken  lasse,  also  sich  etwa  ftir's  Bad  vorbereite.  Der  Werth 
der  Statue  ist  nicht  sehr  bedeutend,  interessant  aber  ist  der 
Fundort,  woraus  man  schliessen  mag,  dass  auch  manche  an- 
dere der  zahlreichen  uns  erhaltenen  nackten  Venusstatuen  zur 
Ausschmückung  von  Bädern  gedient  haben.  Es  lässt  sich 
nicht  läugnen,  dass  solche  Statuen  für  Frauenbäder  in  üppiger 
Zeit  gleichsam  als  Vorbilder  und  Ideale  der  Besucherinnen 
eine  passende  Verzierung  waren. 

Abg.  Marbies  of  the  brit.  mns.  II,  22.  Vaux  handbook  to  the  brit. 
museum  p.  203.     Ellis,  the  Townley  gallery  I,  p.  175. 


696.  Venus**,  Marmorstatue,  mit  der  Chigi  sehen  Samm- 
lung im  J.  1728  nach  Dresden  gekommen.  Ergänzt  sind  der 
rechte  Arm,  die  linke  Hand  mit  dem  Gefäss  und  der  Delphin. 

Das  Motiv  der  Statue  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  be- 
stimmen, die  Deutung  auf  Venus  wird  dadurch  empfohlen, 
dass  in  einer  Wiederholung  der  Figur  ein  Amor  auf  dem 
Delphin  reitet.  Vermuthlich  diente  diese  Figur,  wie  es  bei 
anderen  ganz  ähnlichen  noch  deutlich  sichtbar  ist,  als  Brun- 
nenverzierung, indem  der  Delphin  als  Wasserspeier  benutzt 
wurde. 


*  Im  Niobidensaal  n.  66.     Ein  Duplikat  dieser  Figur  aus  Brouce 
welches  die  Ergänzungen  mitgiebt,  befindet  sich  im  Griechischen  Hof. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  21. 


Nachblüthe  der  gnechischeii  Kunst.  343 

Die  weiche  Grazie  der  Bewegung  und  Formen  und  das 
zwar  hübsche^  aber  etwas  absichtliche  Gewandmotiv  verbieten, 
«las  Original  dieser  Figur  in  der  Zeit  vor  Alexander  zu  suchen. 

Abg.  Becker  Aiigiisteum  T.  104.  Vgl.  Hettiier  die  Antikensamm- 
liiiig  zu  Dresden  ii.  184.  An  das  Kredemnoii  der  Leukothea  kaini  bei 
dem  Kopfputz  der  Figiu",  der  ja  nicht  ans  einem  besonderen  Gewaud- 
Ntück  bestellt,  nicht  g-edacht  werden. 

597.  Venustorso*,  von  Marmor;  wo  das  Original  sich 
befindet,  wissen  wir  nicht. 

Nach  kleinen  Broncen  und  Gemmen  kann  dieser  Torso 
mit  Sicherheit  ergänzt  werden,  Venus  war  nämlich  an  ihrem 
Haar  beschäftigt  und  zwar  drückte  sie  die  Tropfen  des  Meeres 
iieraus,  wir  besitzen  in  dieser  oft  wiederholten  Figur  gewiss 
das  Motiv  der  berühmten  Anadyomene  des  Apelles.  Damit 
ist  auch  zugleich  eine  Zeitgrenze  gegeben,  die  Figur  ist  nicht 
eher  als  in  alexandrinischer  Zeit  entstanden.  Wahrscheinlich 
hatte  das  Original  dieselbe  Grösse,  es  entspricht  wenigstens 
solcher  genreartigen  und  graziösen  Auffassung  der  Gottheiten, 
die  dieser  Zeit  eigen  ist,  das  geringere  kaum  halbe  Lebens- 
grösse  überschreitende  Maass  der  Figuren. 

598.  Torso  einer  Venus**,  von  Marmor;  wo  das  Ori- 
ginal sich  befindet,  wissen  wir  nicht. 

In  diesem  Torso  ist  ein  namentlich  in  kleinen  Broncen 
(Vgl.  die  beiden  folgenden  Stücke)  sehr  häufig  wiederkehrender 
Venust}'pus  erhalten.  Die  Göttin  ist  an  der  Sandale  beschäf- 
tigt zu  denken,  sie  zieht  dieselbe  mit  der  Rechten  von  dem 
linken  Fuss,  während  der  linke  Arm  balancirend  erhoben  ist. 
Ein  Original  von  Erz  liegt  der  Figur  zu  Grunde,  denn  auf 
Erz  ist  die  ganze  Ausführung  berechnet.  Der  Block,  der 
hier  in  der  Marmorkopie  das  erhobene  linke  Bein  unter- 
stützt, beeinträchtigt  nicht  allein  aufs  Empfindlichste  die 
Grazie  des  Werks,  sondern  macht  auch  die  balancirendc  Ge- 
berde des  linken  Arms  überflüssig.  Keine  der  erhaltenen 
Cupien  reicht  über  halbe  Lebensgrösse  hinaus,  schwerlich 
wird  auch  das  Original  grösser  gewesen  sein,  dem  Charakter 
des  Werks  scheint  ein  geringeres  Maass  zu  entsprechen. 

Das  Original  dieser  frisch  und  lebensvoll,  gewiss  von 
griechischem  Meissel  gearbeiteten  Figur  scheint   in  die  Zeit 

*  Im  Niobidensaal  n.  38.     Ein  Duplikat  im  Römischen  Saal  n.  22. 
**  Im  Römischen  Siial  n.  65. 


344  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

des  Praxiteles  oder  seiner  Nachfolger  hinaufzureichen.  Denn 
schon  zur  Zeit  dieses  Künstlers  beginnt  die  Eichtung^  die 
Götter  in  rein  genreartigen  Situationen  darzustellen.  Nur 
auf  die  Grazie  der  Stellung  und  Formen  kam  es  dem  Künstler 
dieser  Venus  an,  etwas  Göttliches  darzustellen  war  nioht  mehr 
sein  Bestreben. 

599.  Venus*,  kleine  Broncefigur  im  Antiquarium  zu 
München. 

In  dieser  kleinen  Figur  ist  der  eben  besprochene  Typus 
der  ihre  Sandale  lösenden  Aphrodite  vollständig  erhalten. 
Nur  fragt  sich,  ob  gerade  dieses  Exemplar  antik  sei,  die  Per 
tina  des  Originals  sieht  verdächtig  aus. 

Abg.  von  Lützüw  Müuchener  Antiken  Taf.  4  (welches  Werk  mir 
leider  nicht  zugänglich  ist),  irrthümUch  aufgefasst  von  Stark  in  der  Eos 
I,  164.  Der  Typus  kommt  fast  in  jedem  Broncekabinet  vor,  am  grössteii 
in  Palast  Colonna,  dessen  Exemplar  fast  2'  hoch  ist. 

600.  Venus**,  kleine  Broncefigur  aus  Herkulanam,  in 
Neapel  befindlich. 

Nochmals  derselbe  Typus,  nur  ist  das  Attribut,  der  Del- 
phin, nicht  allein  tiberfltissig,  sofidem  auch  störend.  Das 
Original  hat  goldne  Bänder  an  Armen  und  Beinen,  der  letz- 
tere Schmuck  ist  an  Frauen  und  Kindern  namentlich  in  den 
pompejanischen  Kunstwerken  sehr  beliebt,  einzeln  sieht  man 
ihn  auch  an  Männern. 

Abg.  broiizi  d'  Ercolano  II,  15.  Vgl.  Winckelmaun  Seudschreibeit 
über  die  herkul.  Entdeckungen  §  56. 

601.  Venustorso***,  von  Marmor,  bei  dem  Bildhauer 
*  Cavaceppi  gekauft  und  mit  der  Townley'schen  Sammlung  ins 

britische  Museum  übergegangen. 

Der, Torso  ist  im  Motiv  den  eben  besprochenen  Venus- 
darstellungen  sehr  ähnlich  und  von  grosser  Schönheit. 

Abg.  Marjl)les  of  the   brit.   mus.   X,   20.     Ellis  Towuley  gallerj  I, 
p.  205. 

602.  Venus****,  kleine  Broncefigur,  im  Jahre  1863  m 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  202. 
**  Im  Saal    der  Thiere  und  'Broncen  n.  78,  wo  unter  u.  321  aucii 
noch  eine  kleine  in  Arolsen  befindliche  Bronce  ausgestellt  ist,  die  den- 
selben Typus  repräsentirt. 
***  Im  Gewerbeinstitut. 
****  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  223. 


Nachbluthe  der  griechischen  Kunst.  345 

Athen  in  einem  Brannen  gefanden  ^  und  vermuthlich  noch  in 
Athen  befindlich. 

Venus  ist  beschäftigt  sich  das  Busenband^  das  die  Stelle 
des  heutigen  Corset  vertrat,  umzulegen.  Die  Figur  ist  öfter 
wiederholt  und  geht  gewiss  auf  ein  grösseres  statuarisclies 
Werk  zurück;  das  aber  wegen  des  tändelnden,  genreartigeu 
Motivs  wohl  nicht  über  die  Zeit  Alexanders  hinüberreicht. 
Dies  Exemplar  ist  nicht  sehr  vorzüglich  ausgeführt,  der  Busen 
fehlt  fast  ganz. 

Abg.  Archaeol.  Ztg  1864  Taf.  183,  3  \).  147.  Vgl.  Aith.  Anz. 
18(>3  p.  119. 

603.  Venus*,  kleine^Broncefigur;  wo  das  Original  sich 
befindet,  wissen  wir  nicht. 

Das  Motiv  dieser  Statuette  ist  nicht  eben  anziehend,  die 
Göttin  ist  nämlich  beschäftigt,  sich  die  Nägel  an  den  Füssen 
zu  schneiden. 

Die  Figiu*  kommt  öfter  vor,  ich  erinnere  mich  sie  in  Wien,  Bo- 
logna und  noch  an  anderen  Orten  gesehen  zu  haben. 

604.  Venus  und  Anchises**,  Broncerelief,  in  Para- 
mjthia  in  Epirus  gefunden  und  1798  dort  von  Hawkins  ge- 
kauft, gegenwärtig  im  Eensiugton-Museum  in  London. 

Das  Relief  wird  mit  Recht  auf  den  Besuch  der  Venus 
bei  Anchises  gedeutet,  den  der  homerische  Hymnus  auf  Venus 
schildert,  und  zwar  scheint  der  Moment  gewählt  zu  sein,  wo 
sich  Venus  anschickt,  den  noch  ruhenden  und  in  ihren  An- 
blick versunkenen  Anchises  zu  verlassen. 

Das  Werk  gehört,  so  annmthig  es  ist,  nicht  der  Blütho 
der  griechischen  Kunst  an.  Schon  deswegen  nicht,  weil  das 
Relief  den  decorativen  Charakter  schon  aufgegeben  hat  und 
fast  rund  hervortritt.  Die  oben  besprochene  Silbervase  in 
München  (n.  497)  kann  im  Gegensatz  dazu  zeigen,  was  in  der 
besten  Zeit  der  Kunst  üblich  war.  Ausserdem  deutet  auch 
der  graziös  tändelnde  Charakter  der  Darstellung  auf  spätere 
Zeit,  die  Venus  erinnert  bereits  sehr  an  so  manche  Figuren 
auf  den  pompejanischen  Bildern. 

Abg.  b.  MilUngen  ane.  uned.  monnni.  11,  13.  Specimens  ol*  anci- 
put  sculpt.  II,  20.  Müller -Wieseler  II,  27,  293.  Vgl.  die  bei  Welcker 
Akad.  Mus.  z.  Bonn  n.  384  citirte  Literat  nr. 


*  Im  Saal  der  Thiere  nnd  ßroncen,  noch  ohne  Nummer. 
••  Im  Saal  der  Thiere  und  ßroncen  n.  251. 


346  Nachblüthc  der  griechischen  Kunst. 

605.  Venus  und  Adonis*,  von  Terrakotta,  in  einem 
Grabe  auf  der  Insel  Nisyros  gefunden,  früher  im  Besitz  von 
Thiersch,  jetzt  in  Carlsruhe. 

Der  Proportionsunterschied  der  beiden  Figuren  ist  nur 
durch  die  Composition  veranlasst,  denn  dasselbe  Gresetz,  das 
wir  öfter  für  den  Relief stil  geltend  machten,  dass  nämlich 
sitzende  und  stehende  Figuren  gleich  hoch  hinaufreichen,  also 
verschiedehe  Proportionen  haben  müssen,  ist  auch  in  manchen 
freien  Gruppen  beobachtet.  Es  wäre  auch  nothwendig  eine 
unschöne  Composition  entstanden,  wenn  der  stehende  Adonis  in 
gleichen  Proportionen  mit  der  sitzenden  Venus  gehalten  wäre. 

Die  Gruppe  ist  sehr  anmuthig  und  wird  der  alexandri* 
nischen  Zeit  zuzuschreiben  sein. 

Abg.  bei  Thiersch,  veterum  artificum  opera  veterum  poetamni  car- 
minibiis  opüme  expücari.  Gratulationsprogramm  von  München  1835. 
Taf.  5. 

606.  Venus  Kallipygos**,  Marmorstatue,  mit  der  Far- 
nesischen Sammlung  nach  Neapel  gekommen.     Ergänzt  und 
zwar  mangelhaft  ergänzt   sind  von  Albaccini  der  Kopf  und 
alles  Nackte  über  der  Gewandung,  der  linke  Arm  von  der 
Schulter  an  mit  dem  Gewand  stück,  das  er  hält,  und  das  rechte 
Bein  vom  Knie  abwärts.     Canova  lehnte  die  Ergänzung  ab, 
weil  er  nicht  mit  den  erhaltenen  Theilen  rivalisiren  zu  können 
glaubte. 

Die  Ergänzung  ist  im  Wesentlichen  richtig,  sie  kann 
durch  Wiederholungen  der  Figur  in  einer  kleinen  Bronce  und 
auf  Gemmen  controlirt  werden.  Die  Göttin  entblösst  den  in 
ihrem  Beinamen  bezeichneten  Körpertheil  und  sieht  sich  da- 
nach um,  als  ob  sie,  seiner  Schönheit  gewiss,  auf  ihn  die  Blicke 
der  Bewunderer  richten  wolle. 

Es  gab  nämlich  in  Syrakus  ein  Heiligthum  der  Venus 
Kallipygos,  von  ein  paar  armen  aber  schönen  Mädchen  ge- 
gründet, die  ihre  Schönheit  und  zwar  die  Schönheit  eines  ge- 
wissen Körpertheils  ebenso  wie  die  Statue  der  Kritik  expoiürt 
und  dadurch  die  Ehe  zweier  vornehmen  Jünglinge  gewonnen, 
dann  aber  aus  Dankbarkeit  die  Venus  Kallipygos  in  dieser 
an  die .  Veranlassung  ihres  Glticks  erinnernden  Stellung  ge- 
weiht hatten. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  ßronceu  n,  395. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  64. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  347 

So  widerwärtig  das  Motiv  der  Statue  und  seine  Veran- 
lassung uns  vorkommen  mag,  so  dürfen  wir  doch  die  Ver- 
schiedenheit griechischer  Sitte  und  Anschauung  nicht  vergessen. 
Dem  ästhetischen  Enthusiasmus  wurden  oft  die  ethischen  Rück- 
sichten geopfert,  wir  erinnern  nur  daran,  dass  schöne  Menschen 
nur  um  ihrer  Schönheit  willen  nach  dem  Tode  heroisirt  wur- 
den und  gottgleiche  Ehren  erhielten,  und  von  Einzelheiten  sei 
nnr  statt  vieler  anderen  die  bekannte  That  der  Phryne  er- 
wähnt, die  es  wagen  konnte,  sich  dem  versammelten  Volk  als 
Venus  Anadyomene  zu  zeigen,  weil  sie  gewiss  war,  Bewunde- 
rung und  nicht  Tadel  zu  ernten. 

Die  Statue  ist  trotz  ihrer  grossen  Schönheit  doch  schwer- 
lich in  der  Blüthe  der  griechischen  Kunst  entstanden.  Die 
entblössten  Venusstatuen  der  Blüthezeit  sind,  soweit  wir  sie 
kennen,  unschuldiger  und  weiblicher,  wir  sehen  die  Statue  als 
ein  Produkt  jener  raffinirten,  technisch  ungemein  bedeuten- 
den, aber  ethisch  bedenklichen  Kunstrichtung  an,  die  auf  die 
Schöpfungen  der  jüngeren  attischen  Schule  des  vierten  Jahr- 
hnnderts  gefolgt  zu  sein  scheint. 

Abg.  Müller -Wicseler  II,  25,  276.  Vgl.  die  T/iteratur  in  Miiller's 
Handb.  §  377,  2  wo  auch  die  in  Arolscn  befindliche  und  hier  im  Saal 
•ler  Tliiere  und  Broncen  unter  n.  328  im  Abguss  vorhandene  Bronee 
fiiirt  ist,  und  die  Gemme  bei  Tölken  :•.  2,  425. 

607.  Leda  mit  dem  Schwan*,  Marmorrelief,  von 
einem  Engländer  im  Jahre  1813  oder  1810  in  Argos  gekauft, 
jetzt  im  britischen  Museum. 

Es  ist  der  Moment  gewählt,  da  der  in  den  Schwan  ver- 
wandelte Gott  an  die  Leda  hinangeflogen  ist   und  sie  bereits 
«l^ffen   hat.     Die   majestätische    Grösse    des    Vogels,   dem 
gegenüber  Leda  klein  erscheint,  war  nothwendig  um  die  Ucber- 
wältignng   des  Mädchens  zu  motiviren.     Unwillkürlich  nimmt 
zwar  Leda  eine  Stellung  ein,  als  wolle  sie  sich  dem  Verlangen 
des  Schwans  nicht  fügen,  auch  der  schnell  und  straff  aus- 
gestreckte  Arm   will    entweder    das  herabgesunkene  Gewand 
heraufziehen   oder  in  anderer  Weise   der  Absicht  des  Gottes 
entgegenwirken,  aber  man  fühlt  zugleich  an  den  wollüstig  zu- 
sammengeschmiegten    Gliedern,    dass    der    Widerstand    nicht 
kräftig   und    nachhaltig   sein    wird,    sondern    nur   aus    einem 
augenblicklichen  weiblichen  Gefühl   hervorging,   dessen  Aus- 


Im  Gewerbeiuötitut. 


348  Nachblüthc  der  gricthischeii  Kunst. 

druck  indess  die  Gruppe  vor  der  Gefahr  offener  Gemein- 
heit schützt. 

Die  Gruppe  ist  höchst  merkwürdig  sowohl  in  religions- 
geschichtlicher als  in  künstlerischer  Beziehung.  Das  Erste, 
insofern  kein  anderes  Monument  so  sehr  die  Vernichtung  alles 
religiösen  Lehens  dokumentirt,  als  dieses,  welches  Zeus  selber 
biosstellt,  das  Andere,  weil  das  unsittliche  so  reizend  und  be- 
stechend vorgetragen  ist.  Die  Composition  ist  vorztlglich 
schön  und  besonders  anmuthig  die  Biegung  des  Schwanen- 
halses, der  seinen  Kopf  an  den  Nacken  der  Leda  schmiegt, 
die  Ausführung  ausserordentlich  lebensvoll. 

Wir  betrachten  das  Werk  als  ein  'Produkt  derselben 
Kunstrichtung,  aus  der  die  eben  besprochene  Venus  hervoi> 
gegangen. 

Abg.  bei  0.  Jahn  Archaeol,  Beitr.  Taf.  1  p.  6.  Vgl.  denselben 
in  d.  Archaeol.  Zt^.  1865  p.  49  ff.  Nur  kann  ich  an  dem  Gybsabgiifw 
nicht  bemerken,  dass  der  Schwan  Leda  in  den  Hals  beisse,  was  nach 
mein(T  Ansicht  auch  kein  glückliches  Motiv  sein  würde. 

608.  Amor  mit  dem  Bogen  des  Herakles*,  Mar- 
morstatue im  capitolinischen  Museum.  Ergänzt  sind  die  Arme 
mit  dem  Bogen  und  die  Beine. 

Das  Verständniss  dieser  sehr  häufig  wiederholten  Figur 
ist  in  Folge  des  trümmerhaften  Zustandes,  in  dem  sämmtliche 
Exemplare,  lauter  Marmorstatuen,  auf  uns  gekommen,  noch 
nicht  gesichert.  Doch  ist  es,  wie  wir  glauben,  möglich,  mit 
Hülfe  einer  Gemme  und  eines  verhältnissmässig  gut  erhaltenen 
Exemplars  die  richtige  Restauration  und  den  Gedanken  des 
Werks  zu  finden. 

Auf  einer  Gemme  der  hiesigen  Sammlung,  welche  eine 
Copie  der  Statue  giebt  und  vollständig  erhalten  ist,  sieht  nun 
nämlich,  dass  Amor  bemüht  war,  die  Sehne  an  den  Bogen  za 
spannen.     Dies  war   das  Motiv   der  Statue   im  Allgemeinen; 
auch  das  nähere  Detail  ergiebt  sich  zum  Theil  aus  der  Gemme, 
zum  Theil  aus  einem  in  Venedig  befindlichen  Exemplar.   An 
dieser  Figur  hat  sich  nämlich  an  der  rechten  Seite  des  Beins 
ziemlich  nach  hinten  unter  der  Wade  ein  Stück  des  Bogens 
erhalten,  und  zwar  die  äusserste  Spitze,  hübsch  in  einen  Vogel- 
kopf auslaufend.   Man  muss  daher  annehmen,  dass  der  Bogen 
nicht  wie  hier  in  der  Restauration  vorausgesetzt,  vom  sondern 
mehr  seitwärts,  an  der  rechten  Seite  gegen  das  Bein  gestemmt 


*  Im  Niobidensaal  n.  14. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  349 

wurde.  Und  zwar  thut  Amor  dies  mit  der  linken  Hand,  die 
den  Bogen  in  der  Mitte  fest  angefasst  hat,  während  die  Rechte 
nach  Angabe  der  Gemme  auf  dem  anderen  Ende  des  Bogens 
lag.  In  dieser  Hand  musste  er  zugleich  die  Sehne  halten,  die 
er  um  die  Spitze  des  Bogens  schlingen  will,  wir  haben  uns 
also  zu  denken,  dass  er  mit  den  Fingern  die  Sehne  hielt, 
während  er  mit  dem  Ballen  der  Hand  das  Hom  des  Bogens 
niederzudrücken  suchte,  um  es  der  Sehne  zu  nähern. 

Die  Procedur  bei  der  Anfügung  der  Sehne  war  diese: 
Nur  an  einem  Ende  des  Bogens  war  die  Sehne,  um  ihre 
Spannkraft  zu  erhalten,  dauernd  befestigt,  sie  hatte  aber 
nicht  eine  überschüssige  Länge,  so  dass  sie  mit  beliebigem 
Grade  der  Spannung  um  das  andere  Hom  hätte  gewickelt 
werden  können,  sondern  war  so  kurz,  dass  es  einer  bestimmten 
Krümmung  des  Bogens  bedurfte,  um  sie  aufzuspannen,  das 
aufzuspannende  Ende  aber  lief  in  eine  Schlinge  oder  Oese 
aus,  die  oben  über  das  Hom  des  Bogens  hinübergezogen 
werden  musste.  Dies  geht  schon  aus  der  Erzählung  von  den 
Freiem  im  Hause  des  Odysseus  hervor,  die  sich  j>  vergeblich 
bemühen,  die  Sehne  an  den  Bogen  zu  spannen,  während  sie 
vom  Meister  des  Bogens  selbst  ohne  Mühe  aufgezogen  wird. 

Wir  hätten  somit  in  unserer  Statue  einen  Amor  V4)r  uns, 
der  die  Sehne  an  seinen  Bogen  spannt,  wenn  nämlich  wirk- 
hch  der  Bogen  dem  Amor  angehört  und  nicht  etwa  einem 
Anderen.  Denn  es  fällt  einmal  auf,  dass  Amor  bei  der 
Spannung  des  eigenen  Bogens  so  gar  viel  Anstrengung 
nöthig  haben  sollte  und  femer,  dass  der  Bogen  so  gross  ist. 
Gewöhnlich  hat  er  einen  viel  kleineren  Bogen  und  vielleicht 
nicht  ohne  Grund.  Denn  wie  ein  griechischer  Dichter  die 
Kleinheit  seines  Bogens  betont  in  pikantem  Gegensatz  zu  der 
Grösse  der  Wirkung  desselben,  so  mochten  auch  griechische 
Künstler  denken.  Hier  zeigt  nun  wieder  nebst  anderen  Co- 
pien  das  venetianische  Exemplar  den  richtigen  Weg.  Der 
Baumstanun  nämlich,  welcher  in  der  hier  ausgestellten  Figur 
ergänzt  ist,  hat  sich  dort  erhalten,  aber  nicht  als  kahler 
StanuD;  sondern  eine  Keule  lehnt  daran  und  ein  Lowenfell  ist 
darüber  ausgebreitet.  Also  nicht  am  eigenen  Bogen  müht 
sich  Amor  ab,  sondem  am  Bogen  des  Herakles,  dem  er  ihn 
nebst  Keule  und  Löwenfell  geraubt  hat. 

Die  Statue  gewinnt  dadurch  eine  treffendere  Pointe  und 
schliesst  sich  einem  grossen  Kreise  ähnlicher  Vorstellungen 
an,  die  wir  besonders  in  pompejanischen  Werken  und  in  den 


350  Nachblüthe  der  giiechischen  Kunst. 

Gemmen  vertreten  finden.  Der  pikante  Gegensatz  zwischen 
dem  kleinen  Liebesgott  als  Sieger  und  dem  mächtigsten  aller 
Heroen  als  Besiegtem  ist  ein  Lieblingsthema  der  späteren 
Kunst,  das  in  mannigfachster  Weise  variirt  wird.  So  sehen 
wir  auf  einer  schönen  Gemme  den  Heros,  der  die  Last  des 
Atlas  zu  tragen  vermochte,  zusammenbrechen  unter  dem  kleinen 
Gott  auf  seiner  Schulter,  und  mit  den  Waffen  des  Herakles, 
namentlich  mit  seiner  mächtigen  Keule,  ist  oft  eine  ganze 
Schaar  von  Eroten  beschäftigt,  ihrer  Meister  zu  werden. 

Man  hat  diese  Statue  dem  Lysippus,  ja  sogar  dem  Praxi- 
teles zugeschrieben,  doch  ist  dies  nur  eine  ganz  unbestimmte 
Vermuthung,  denn  wir  wissen  nichts  Näheres  von  den  Statuen, 
auf  welche  man  sie  zurückführen  will.  Und  selbst  die  un- 
bestimmte Möglichkeit  ist  nicht  einmal  zuzugeben,  denn  die 
Statuen  jener  Künstler  waren  Tempelstatuen,  eine  solche  Be- 
stimmung aber,  im  Tempel  verehrt  zu  werden,  kann  doch 
diese  Figur  nach  ihrem  tändelnden  Charakter  schwerlich  ge- 
habt haben. 

Wir  gestehen,  dass  wir  nicht  einmal  die  Zeit  der  Statue, 
geschweige  den  Künstler  zu  fixiren  vermögen.  Zwar  ist  es 
uns  wahrscheinlich,  nämlich  wegen  gewisser  Parallelen  in  der 
Literat^r,  dass  die  Statue  eine  Schöpfung  der  in  geistreichen 
Tändeleien  so  fruchtbaren  alexandrinischen  Periode  ist,  aber 
wenn  Jemand  die  Figur  der  römischen  Kaiserzeit  zuschreiben 
wollte,  so  wäre  es  schwer,  den  Gegenbeweis  zu  führen.  Nur 
eine  Zeit  grenze  glauben  wir  mit  einiger  Bestimmtheit  an- 
geben zu  können,  nämlich  die,  dass  das  Werk  nicht  in  der 
Blüthezeit  der  griechischen  Kunst,  also  nicht  vor  Alexander 
entstanden  ist.  Einmal  des  Gedankens  wegen,  der  nicht  ein- 
fältig genug,  der  zu  pikant  ist  für  den  Charakter  der  classi- 
schen  Sculptur,  die  den  Eros  ernster  aufzufassen  pflegt  und 
auch  den  Herakles  und  überhaupt  die  Heroen  lieber  in  ihrer 
Kraft  als  in  ihrer  Schwäche  schildert.  Lysippus  scheint  der 
erste  gewesen  zu  sein,  der  hierin  eine  neue  Bahn  einschlug, 
es  wird  berichtet,  dass  er  einen  durch  Eros  seiner  Waffen 
beraubten  Herakles  gebildet  habe,  doch  ist  uns  nichts  Näheres 
bekannt.  Und  sodann  des  Stils  wegen.  Alle  Werke  des 
classischen  Stils  haben  bei  aller  natürlichen  Anmuth  immer 
noch  einen  leisen  Zusatz  der  Strenge,  der  Stilisirung,  selbst 
in  genreartigen  Darstellungen,  hiervon  aber  ist  an  dieser  Figur 
keine  Spur  mehr  zu  entdecken,  die  sich  viclmelir  in  völlig  freier 
Natürlichkeit  ohne  irgend  welche  Gebundenheit  präsentirt. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  351 

Abg.  Müller -Wioseler  II,  51,  631.  Die  bisherige  Erklärung  war 
die,  dass  Amor  seinen  Bogen  spanne  oder  prüfe.  Das  letzlere  sprach 
zumt  Meyer  z.  Winck.  V,  472  (Eiselein)  ans.  Derselbe  nahm  mit  Recht 
•'in  Original  von  Brouce  an.  Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  p.  13G 
iiiid  besonders  p.  276,  wo  nur  mit  zu  grosser  Bestimmtheit  die  Ver- 
amthuiig  ausgesprochen  wird,  dass  das  Origiuid  von  l^ysippus  her- 
rühre. Visconti,  der  Urheber  dieser  Meinung,  ist  reich  an  so  nube- 
»ieseuen  und  unbeweisbaren  Muthmassungen ,  namentlich  s(*ine  Icono- 
paphie  grecque  enthält  fast  in  jedem  Abschnitt  ein  Beispiel  und  seit 
dieser  Zeit  schleppt  sich  manches  Derartige  fort. 

Die  im  Text  erwähnte  Gemme  der  hiesigen  Siunmluug  geh(»rl  der 
noch  nicht  katalogisirten  Abtheilung  an.  Ehie  zweite  ziemlich  über- 
elDstimmeude  befindet  sich  in  Petersburg  (VI.  27.  n.  30  nach  der  Au- 
»rdnimg  der  im  hiesigen  Antiquarium  befindlichen  Gypsabgüsse  dieser 
Sammlung).  Auch  auf  Silbermünzen  von  Kydonia  ist  die  Procedur  des 
Bogenspannens  sehr  anschaulich  dargestellt,  am  deutlichsten  aber  auf 
dem  schönen  Goldgefass  aus  der  Krim  in  Antiq.  du  Bosph.  Cim.  pl.  33. 

609.  Centaur  mit  Amor*,  Mannorgruppe;  im  17.  Jahr- 
hondert  in  Rom  in  Villa  Fonseca  gefunden,  bis  1808  in  Villa 
Borghese  befindlich,  seitdem  in  Paris  im  Louvre.  Am  Amor 
sind  ergänzt  die  Fitigel,  Ftisse  und  Arme,  ausserdem  ist  der 
grösste  Theil  der  Stütze  neu. 

Die  Figur  gehörte  zu  einer  Gruppe,  deren  zweite  Hälfte 
nicht  erhalten  ist,  von  welcher  aber  andere,  vollständigere 
Wiederholungen  vorhanden  sind.  Es  waren  nämlich  zwei 
Centauren  einander  gegenübergestellt,  ein  älterer,  von  Amor 
gefesselter,  der  sich  bittend  nach  seinem  nicht  gekannten  und 
vennutheten  Peiniger  umsieht,  indess  dieser  schelmisch  sein 
Köpfchen  ihm  hinwendet,  um  ihm  das  kleine  Wesen  zu  prä- 
sentiren,  das  den  mächtigen  Centaur  bez\vungcn,  und  ein 
jüngerer,  der  triumphirend  heraneilt,  sich  der  eigenen  Frei- 
heit freuend  und  an  der  Noth  seines  Gefährten  weidend,  ohne 
freilich  zu  ahnen,  dass  auch  ihm  bereits  ein  kleiner  Liebes- 
gott auf  dem  Rücken  sitzt,  der  ihn  bald  in  denselben  kläg- 
üchen  Zustand  bringen  wird,  wie  den  älteren  Gefährten. 

Die  frühere  Kunst  schilderte  die  Centauren  in  grösstcr 
Wildheit,  als  Kämpfer  oder  Frauenräuber,  hier  erscheinen  sie 
wehr  passiv  als  aktiv.  Die  pikante  Verbindung  des  schelmi- 
schen Eros  mit  dem  wilden  Geschlecht  der  Centauren  ent- 
spricht dem  Charakter  der  alexandrinischen  Poesie,  die  sich 
Mi  Vorliebe  in  den  Schelmereien  des  Amor  ergeht,  und  ge- 
wiss ist  die   Gruppe  nicht  früher  entstanden.     Wir  besitzen 


Im  Ur>misch(>n  Saal  n.  73. 


352  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

eine  Copie  derselben  aus  der  Zeit  Hadrians  und  schon  früher 
auf  zwei  Silberbechem  aus  Pompeji*  sind  ähnliche  Figuren 
dargestellt. 

Die  Arme  des  Amor  —  er  macht  eine  balancirende  Be- 
wegung, wie  es  die  Situation  erfordert  —  scheinen  richtig 
ergänzt  zu  sein,  wenn  nicht  vielleicht,  worauf  die  Betrachtung 
des  Hinterkopfes  des  Centauren  führen  könnte,  die  linke  Hand 
des  kleinen  Siegers  den  Besiegten  am  Haar  zupfte.  Vielleicht 
wäre  dadurch  das  umsehen  des  Centauren  noch  treffender 
motivirt  und  die  ganze  Scene  noch  anmuthiger.  Das  Band 
um  Amor's  Leib  ist  wohl  als  ein  Köcherband  aufzufassen. 

Abg.  Clarftc  pl.  266  (vgl.  737—740).  Müller -Wieseler  II,  47,  597. 
Vgl.  Meyer  zu  Winckelmami  Buch  12,  Kap.  I,  §  14,  der  ViscoDÜ'« 
Bemerkungen  im  Pio-Clem.  I.  zu  tav.  51  richtig  kritisirt.  E.  Braim 
Ruinen  und  Museen  p.  181  ff.  hat  die  Pointe  der  Darstellung  nicht 
vollständig  getroffen ,  indem  er  p.  184  den  Eros  auf  deoi  Rücken  des 
jüngeren  Centaur  noch  bezweifelt,  den  er  freilich  p.  317  auf  der  Wie- 
derholung im  Vatikan  notirt.  Der  Kopf  im  mus.  Chiaramonti  n.  662, 
eine  WiedtTliolung  des  älteren  Centauren,  hat  einen  Kranz  von  "Weio- 
blättern,  es  soll  wohl  damit  der  Wein,  dem  die  Centaureu  ergeben 
sind,  als  die  Ursache  für  die  Liebeserregung  bezeichnet  werden.  Auch 
Eios  hat  in  dem  borghesischen  Exemplar  einen  Epheukrauz,  vermuth- 
lich  um  einen  ähnlichen  Gedanken,  die  im  Wein  wirkende  Kraft  «i 
bezeichnen.  Clarac  description  du  Louvre  n.  134  findet  in  dem  Kopf 
des  Centauren  und  in  der  Bewegung  seines  Oberkörpers  Aehnlidikeit 
mit  dem  Laokoon.  Ueber  die  Ergänzung  des  Amor  vgl.  Bursian,  Encfa 
u.  Gruber  82,  501. 

610.  Amor  und  Psyche**;  Mannorgruppe  im  capito- 
liuischen  Museum,  auf  dem  Aventin  gefunden.  Ergänzt  ist 
die  rechte  Hand  und  der  linke  Fuss  Amors. 

Es  sind  uns  mehrere  übereinstimmende  Gruppen  erhalten, 
die  sich  nur  durch  die  Beflügelung  beider  Figuren  von  diesem 
Exemplar  unterscheiden.  Gewiss  waren  die  Figuren  auch  im 
Original  geflügelt,  es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  die  Original- 
composition die  Umarmung  von  Amor  und  Psyche,  oder  ge- 
nauer die  Hingabe  der  Psyche  an  den  Amor  darstellte.  Denn 
es  ist  nicht  sowohl  eine  wechselseitige  Zärtlichkeit  ausgedrückt, 
sondern  Psyche  giebt  sich,  wie  es  auch  in  ihrem  mythologi- 
schen oder  ideellen  Verhältniss  zu  Amor  begründet  liegt,  an 
den  beseligenden  Gott  hin,  der  sie  seinerseits  innig  heran- 
zieht. Man  hat  mit  Recht  darauf  aufmerksam  gemacht^  dass 
(lor   Künstler   bemüht    gewesen,    jeden   Gedanken    sinnlicher 


*  Im  Saal  der  Tlii«Te  und  Broncen  n.  öO.  G2. 
**  Im  Gewerbeinstitut. 


Nachblüihe  der  griechischen  Kunst.  353 

Leidenschaft  fernzuhalten^  theils  durch  die  Stellungen^  theils 

dadurch,  dass  er  die  Figuren  ÜEUst  noch  auf  der  Grenze  des 

Kindesalters  hielt 

Der  Kflnstler  dieser  Gruppe  hat  aber^  da  er  die  Flügel 

weggelassen  hat^  an  denen  Amor  und  Psyche  kenntlich  sind; 

ik  Qriginalcomposition  nur  benutzt,  um  einen  andern  Sinn 
tineinzolegen.  Er  wollte  offenbar  nur  eine  Umarmung  irdischer 
Kiader  darstellen,  und  sein  Werk  hat  vielleicht  zum  Schmuck 
änes  Grabes  früh  gestorbener  Kinder  gedient,  deren  gegen- 
satiges  Yerhältniss  in  dem  Marmor  ausgedrückt  werden  sollte. 
Dass  die  Gruppe  Gopie  ist,  geht  schon  aus  dem  Mangel 
der  Flügel  hervor.  Das  Original  ist  seines  idyllischen  Cha- 
nkters  wegen  der  alexandrinischen  Zeit  zugewiesen  und  ge- 
wiss nicht  früher  entstanden. 

Abg.  Mus.  Capitol.  m,  22.  Vgl.  0.  Jahn  Archaeol.  Beitr.  p.  162  ff. 
Kl  Braun  Ruinen  u.  Museen  p.  218  ff.  Conze  de  Psyches  imaginibus 
fubosdam  Berol.  1855  p.  1  ff. 

611.   Psyche  von  Capua*,  Marmorstatue,  im  Amphi- 
tkeater  von  Capua  zugleich  ,mit  der  Venus  (n.  582)  gefunden 
>Bd  in  Neapel  befindlich.    Die  glatt  abgeschnittenen  Flächen 
tt  Kopf  und  Armen  zeigen,  dass  dies  Fragment  schon  im 
Alterthum  für  eine  Restauration  zugerichtet  war.    Der  linke 
Ann,  soviel  davon  erhalten,  ist  auch  bereits  angesetzt..  Äusser- 
em aber  ist  eine  rücksichtslose  Ueberarbeitung  wenigstens 
des  Rumpfes  der  Figur  vorgenommen  worden,  indem  die  be- 
schädigten Theile  statt  ausgebessert  zu  werden,  einfach  ab- 
^eisselt  wurden.    Die  Brust,  namentlich  die  rechte,  ist  da- 
durch ganz  flach  geworden,  auch  die  rechte  Hilfte  und  das 
Gewand  sind  nicht  unberührt  geblieben. 

Die  Benennung  Psyche  ist  theils  veranlasst  durch  eine 
an  der  rechten  Schulter  befindliche  Vertiefung  mit  zwei 
Löchern  darin,  woraus  man  auf  eingesetzte  Flttgel  schloss, 
theils  durch  den  melancholischen  Charakter  des  Ganzen.  Ein 
Versuch,  das  ursprüngliche  Motiv  zu  reconstruiren,  ist  kürz- 
lich gemacht,  man  denkt  sich  nämlich  die  Figur  nach  Ana- 
logie von  Gemmenbildem  als  eine  trauernde  von  Amor  ge- 
fesselte Psyche  mit  auf  den  Rücken  zusammengebundenen 
Armen.  Allein  dies  ist  wegen  der  Richtung  der  Arme,  na- 
mentlich des  linken,   schwerlich   möglich.    Auch   ist  es  uns 


*  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  n.  11. 
Friaderiehc,  griech.  Plastik.  23 


354  Nachblüthe  der  griechischen  KunBt. 

fraglich;  ob  die  Figur  nicht  zu  ernst  ist^  um  mit  jenen 
Gemmen  oder  ihrem  Original^  das  vermnthlich  einen  etwas 
spielenden  Charakter  hatte,  verglichen  zu  werden. '  Ja  es  ist 
Grund,  überhaupt  an  der  Benennung  „Psyche^^  zu  zweifeln^ 
weil  die  Figur  für  Psyche,  die  doch  immer  etwas  jugendlicher 
ist,  zu  reif  entwickelt  scheint.  Man  hat  darum  auch  mit  Be- 
streitung einstmaliger  Beflügelung  an  eine  Venus  gedacht, 
ohne  freilich  das  Motiv  der  Figur  in  überzeugender  Weise 
zu  erklären. 

Früher  galt  dies  Fragment  als  ein  Werk  ersten  Ranges, 
dessen  Urheber  man  unter  den  Meistern  des  schönen  Stils 
suchte.  Allein  schon  der  Fundort,  der  es  doch  wahrschein- 
lich macht,  dass  das  Werk  als  architektonische  Dekoration 
benutzt  ist,  macht  jene  Annahme  bedenklich.  Später  ist  man 
auch  auf  die  weich  verschwommene  Ausführung  des  Kopfes 
aufmerksam  geworden,  die  auf  spätere  Zeiten  deutet,  wenn 
es  auch  möglich  ist,  dass  ein  schönes  griechisches  Original 
zu  Grunde  liegt. 

Abg.  bei  Gerhard  Aiit.  Bildw.  Taf.  62,  1  und  Milliugeu  ancient 
unedited  mouuments  II,  8,  wo  die  Statue  als  ein  Werk  ersten  Ranges 
gepriesen  und  dem  Praxiteles  zugeschrieben  wird.  Dagegen  zeigte  der 
Bildhauer  Emil  Wolff  im  bullet.  1833  p.  132  ff.  dass  die  Figur  kein 
Originalwerk  sei  und  ausserdem  durch  Ueberarbeitung  sehr  gelitten 
habe.  Als  gefesselte  Psyche  sucht  Kekule  die  Figur  zu  erklären  in 
Annali  1864,  p.  144  ff. 

612.  Ganymed*,  Marmortorso  des  Museums  in  Berlin» 
Der  Torso  ist  im  Original  als  Ganymed  restaurirt,  was 
allerdings  theils  wegen  anderer  ähnlicher  Figuren,  theils 
wegen  der  weichen  und  für  Ganymed  sehr  passenden  Formen 
wahrscheinlich  ist.  Aber  das  richtige  Motiv  hat  der  Restan- 
rator  schwerlich  getroffen,  indem  er  einen  alleinstehenden  und 
nach  dem  Adler  ausschauenden  Ganymed  annahm.  Vielmehr 
statt  den  Adler  in  der  Phantasie  supplircn  zu  müssen,  nehmen 
wir  lieber  nach  Analogie  einiger  besser  erhaltenen  Ähn- 
lichen Gruppen  an,  dass  der  Adler  auf  einem  Pfeiler  an 
der  linken  Seite  des  Ganymed  sass,  und  von  diesem  mj.t  dem 
linken  Arm  umfasst  wurde.  Der  Kopf  des  Knaben  sah  zum 
Adler  hinauf,  die  Rechte  hielt,  wie  auch  der  Restaurator  an- 
genommen, den  Hirtenstab.  Die  Gruppe  stellte  also  den 
Ganymed  dar  in  traulichem  Beisammensein  mit  seinem  Spiel- 


*  Im  Niobidensaal  n.  35. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst»  -  355 

kameraden,  dem  Adler  des  Zeus^  und  ist  in  den  Formen  mid 
in  der  Composition  gleich  anmuthig. 

Abg.  mit  aiidi'cr  Restauration  bei  Glarac  410,  700.  Vgl.  nament- 
lich die  Grappe  in  Neapel  bei  Clarac  408,  689  und  die  andern  Gruppen, 
die  Welcker  Ann.  1856  p.  94  ff.  erläutert.  Unter  den  Gemmen  ist  na- 
mentlich eine  noch  nicht  catalogisirte  Paste  des  hiesigen  Museums  zu 
vergleichen. 

613.  Angeblicher  Ganymed*,  in  der  ersten  Hälfte 
des  sechszehnten  Jahrhunderts  aus  Palestrina  an  den  Gross- 
herzog  von  Toskana  zum  Geschenk  gegeben,  noch  in  Florenz 
befindlich.  Ergänzt  sind  von  Benvenuto  Cellini  Kopf,  Arme 
and  Fttsse  des  Ganymed  nebst  der  Basis  und  dem  Adler. 

Die  Statue  ist  an  sich  nicht  ohne  Werth,  zugleich  aber 
interessant  als  Dokument  für  die  naive  Weise,  in  der  man 
ZOT  Zeit  Benvenuto  Cellini's  die  Trümmer  des  Alterthums  be- 
Iwmdelte.    Es  ist  eben  die,  von  welcher  Benvenuto  Cellini  in 
semer  Lebensbeschreibung  so  viel  erzählt,  die  ihm  nament- 
lich Veranlassung  gab  zu  einem  sehr  giftigen  Streit  mit  Ban- 
dinellL    Hören  wir  darüber  ihn  selbst:  „Eines  Sonntags  ging 
ich  nach  der  Tafel  in  den  Palast,  und  als  ich  in  den  Saal 
der  Uhr  kam,  sah  ich  die  Garderobenthür  offen  und  als  ich 
miih  sehen  liess,   rief  der  Herzog  und  sagte  mir  auf  eine 
sehr  freundliche  Weise:   Du  bist  willkommen!   siehe,   dieses 
Kästchen  hat  mir  Herr  Stephan  von  Palestrina  zum  Geschenke 
geschickt,  eröffne  es  und  lass  uns  sehen,  was  es  enthält.   Als 
ich  das  Kästchen  sogleich  eröffnet  hatte,  sagte  ich  zum  Her- 
«)g:  Gnädiger  Herr,    das   ist    eine  Figur  von   griechischem 
Marmor,  die  Gestalt  eines  Kindes,  wundersam  gearbeitet,  ich 
erinnere  mich  nicht,  unter  den  Alterthümern  ein  so  schönes 
Werk  und  von  so  vollkommener  Manier  gesehen  zu  hallen, 
deswegen  biete  ich  mich  an,  zu  dieser  verstümmelten  Figur 
den  Kopf,  die  Arme  und  die  Füsse  zu  machen  und  ich  will 
einen  Adler  dazu  verfertigen,  damit  man  das  Bild  einen  Gany- 
med nennen  kann/'   Und  so  geschah  es  denn  auch,  man  liess 
sich  damals  —  wie  leider  zum  Theil  noch  heutigen  Tages  — 
die  Restauration  alter  Trümmer  noch  nicht  viel  Kopfbrechens 
kosten. 

Es  bedarf  keiner  Bemerkung,  dass  die  Ergänzung  nicht 
allein  materiell  willkürlich,  sondern  auch  völlig  stillos  ist. 
Schon  Goethe  nennt  sie  manierirt.     Wir  sind  aber  nicht  im 


Im  Rönii>(hLMi  Saal  ii.  60. 

23 


356  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

Stande^  an  ihre  Stelle  das  Kichtige  zu  setzen ,   und  müssen 
auch  die  Benennung  der  Figur  ungewiss  lassen. 

Abg.  Zannoni  Galeria  di  Firenze  Ser.  IV,  Vol.  II,  108.  Vgl.  Gö- 
the's  Benvenuto  Cellini  Buch  4,  Kap.  5  und  im  Anhang  XIV,  3.,  anoh 
Visconti  Pio-Clem.  2,  224. 

614.  Hermaphrodit*;  Marmorstatue^  im  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  in  Born;  nahe  den  Thermen  des  Diokletian 
gefunden;  zuerst  im  Borghesischen  Besitz ^  seit  1808  im 
Louvre.  Ergänzt  ist  von  Bemini  die  Matratze  (unzweifelhaft 
nach  dem  Vorbild  antiker  Wiederholungen,  in  denen  eine 
ganz  ähnliche  Unterlage  sich  erhalten  hat)^.  der  linke  Foss, 
die  Finger  der  linken  Hand,  die  Spitze  des  Geschlechtsgliedes 
und  Einiges  an  der  Draperie. 

Aus  der  Stellung  und  andern  Anzeichen,  die  wir  dem 
Betrachtenden  selbst  zu  finden  überlassen,  geht  hervor,  dass 
der  Hermaphrodit  wollüstig  träumend  gedacht  ist  Der  wider- 
wärtige Gedanke  des  Werks  aber  ist  mit  seltener  Grazie  dar- 
gestellt Die  Formen,  in  denen  das  Weibliche  weit  mehr 
hervorgehoben  ist  als  das  Männliche,  um  den  sinnlich  schmei- 
chelnden Eindruck  möglichst  zu  verstärken,  auch  die  geschwim- 
gene  Linie  des  Kückens,  sind  von  höchstem  Reiz,  so  dass 
Winckelmann  sagte,  in  der  Wahl  der  schönsten  Theile  aus 
alten  Statuen  würde  man  einen  weiblichen  Rücken  von  ihm 
zu  nehmen  haben.  Auch  das  Haar  ist  mit  der  grössten  Ele- 
ganz gearbeitet  Die  quer  über  den  Kopf  laufende  Flechte 
ist  ein  bei  jugendlichen  Figuren  beliebtes  Motiv  der  spätem 
Kunst.  lieber  derselben  bemerkt  man  eine  kleine  runde 
Vertiefung,  die  eine  schmückende  Gemme  darstellen  oder  auf- 
nehmen sollte. 

Aber  gerade  darin,  dass  ein  widerwärtiger  Gedanke  in 
allen  Reizen  der  Form  dargestellt  ist,  liegt  das  Raffinirte 
des  Werks.  Es  ist  das  verführerischeste  unter  allen  Werken 
des  Alterthums  und  gehört  der  oben  (zu  n.  606)  erwähnten 
Kunstrichtung  an,  die  im  Besitz  der  höchsten  formellen  Mei- 
sterschaft sich  nicht  scheute,  selbst  das  Sinnenkitzelnde  dem 
Auge  einzuschmeicheln.  Der  Hermaphrodit  ist  übrigens  eine 
späte  Kunstschöpfung,  schwerlich  älter  als  die  Zeit  Alexanders 
des  Grossen,  diese  üppigste  Auffassung  des  Hermaphroditen 
wird  aber  schwerlich  die  älteste  sein. 


Im  Römischen  Saal  ii.  77. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  357 

£8  ist  Yielfach  die  Meinung  ausgesproclien  ^  dass  die 
Figur  eine  Copie  des  von  Plinius  erwähnten  „berühmten  Her- 
nu^iiroditen  des  Polykles/'  eines  Künstlers  aus  dem  2.  Jahr- 
hondert  yor  unsrer  Zeitrechnung  sei.  Allein  diese  Meinung 
ist  nicht  bloss  ohne  allen  Anhalt  —  sie  stammt  aus  einer 
Zeit,  als  es  sehr  beliebt  war^  berühmte  erhaltene  Statuen  mit 
schriftstellerisch  nur  erwähnten  nicht  näher  beschriebenen  zu 
identificiren  — ^  sondern  es  steht  ihr  auch  das  entgegen^  dass 
dieser  Hermaphrodit  schwerlich  auf  ein  Original  von  Bronce, 
wie  die  Figur  des  Polykles  es  war,  zurückgeführt  werden 
kann.  Er  ist  ganz  auf  Marmor  berechnet,  seine  schmeichelnde 
Weichheit  würde  in  Erz  bedeutend  an  Wirkung  verlieren, 
wie  überhaupt  eine  Kunstrichtung,  die  auf  Sinnenreiz  arbeitet, 
lieber  in  Marmor  arbeiten  wird,  als  in  dem  ernsteren  Erz. 

Ob  das  Werk  Original  ist  oder  nicht,  lassen  wir  dahin- 
gestellt. Meyer  bemerkt  davon:  „Ungeachtet  der  vortrefflichen 
Eigenschaften  der  Arbeit  bemerkt  man  doch  um  den  Mund, 
um  die  Augen  und  an  andern  bedeutenden  Stellen  einen  ge- 
wissen Mangel  von  Geist,  von  lebendigem  Ausdruck,  der  kei- 
nem eigentlichen  Originalwerke,  am  wenigsten  einem  so  voll- 
endet ansgedachten  fehlen  kann.'' 

1^  Abg.  Visconti  monum.  scelti  Borghesiani  I,  26.  Müller -Wiesel er 
II,  56,  712.  Vffl.  Clarac  descr.  du  Louvre  n.  527.,  besonders  Meyer 
in  Winckelmanirs  Gesch.  d.  K.  4,  2,  §  39.  Winckelmaim  und  Visconti 
identificirten  die  Statue  mit  dem  Werk  des  Polykles.  Osann  (in  Bötti- 
ger's  Amalthea  I,  347  ff.)  führt  einen  andern  öegengrund  als  den  im 
Text  gegebenen  gegen  die  Zurückführung  auf  Polykles  an,  der  mir 
nicht  einleuchtet.  Böttiger  hat  übrigens  (Ebendas.  p.  359)  nicht  jj^e- 
meint,  wie  Welcker  (Akad.  Mus.  n.  41)  und  Overbeck  (Kunstarchaeol. 
Vorle».  n.  216)  angeben,  dass  dieser  Hermaphrodit  zu  einer  Gruppe 
gehört  habe.  Er  sagt  geradezu,  der  Borghesische  Hermaphrodit  sei  ein 
in  sich  geschlossenes,  einer  Seitenfigur  nicht  mehr  bedürftiges  Bild- 
werk. Mir  scheint  auch  eine  Gruppirung  etwa  in  der  Art  wie  bei 
Zo§ga  bassiril.  2,  72  (wo  der  Hermaphrodit  wesentlich  verschieden  ist) 
nicht  wahrscheinlich,  dazu  ist  die  Figur  nicht  passiv  genug. 

615.  Hermaphrodit*,  Marmortorso.  Es  ist  uns  un- 
bekannt, wo  sich  das  Original  befindet,  auch  wissen  wir  nicht 
anzugeben  wie  dieser  schöne  Torso  zu  ergänzen  ist.  Jeden- 
falls war  das  Motiv,  wie  die  Formen  des  Körpers,  weniger 
üppig  nnd  sinnlich,  als  das  der  eben  besprochenen  Figur. 

616.  Hermaphrodit  und  angebliche  Muse*,  Mar- 


*  im  Niobidensaal  n.  36. 
**  Im  Niobidensaal  n.  58. 


358  Nachblüthe  der  g^riechischen  Kunst. 

morrelief;  in  Cor!  gefanden  und  im  Capitolinischen  Mosenm 
befindlich. 

Der  Sinn  dieses  Keliefs  ist  uns  vollkommen  dunkel,  auch 
die  Bezeichnung  der  Frau  als  Muse  durch  die  Leier,  die  sie 
berührt,  noch  nicht  gerechtfertigt.  Sehr  schön  ist  (üe  Figur 
des  Hermaphroditen,  und  sehr  charakteristisch  seine  Stellung, 
die  öfter  an  solchen  Wesen  vorkommt.  Die  Statue  an  welche 
er  sich  lehnt,  wird  wohl  mit  Recht  für  ein  Idol  des  jugend- 
lichen Bacchus  erklärt. 

A.bg,  Mus.  Capitol.  IV,  38.     Vgl.  Beschreibung  Roms  III,  1,  206. 

617.  Weiblicher  Torso*,  im  J.  1807  von  Athen 
nach  Rom  gebracht  und  dort  von  W.  v.  Humboldt  erworben,  in 
dessen  Schloss  Tegel  er  sich  jetzt  befindet. 

Man  denkt  bei  dem  Torso  zunächst  an  eine  Venus,  doch 
ist  die  geringere  Fülle  in  Hüfte  und  Bauch  dieser  Annahme 
entgegen,  und  da  nun  an  beiden  Seiten  der  Figur  Sttttzen 
zurückgeblieben  sind,  die  auf  verbundene  Figuren  schliessen 
lassen,  so  ist  die  Yermuthung  sehr  ansprechend,  der  Torso 
gehöre  einer  Grazie  an  und  zwar  der  Mittelfigur  in  einer 
Gruppe  der  drei  Grazien.  Das  Werk  ist  von  der  höchsten 
Schönheit,  die  völlige  Nacktheit  aber  erlaubt  uns  nicht,  zn 
hoch  in  der  Zeitbestimmung  hinaufzugehn.  Denn  die  Nackt- 
heit der  Venus  ist  erst  im  vierten  Jahrhundert  üblich  ge- 
worden und  die  der  Grazien  gewiss  noch  später. 

Vgl.  Welcker  Akad.  Mus.  zu  Bona  u.  63.  Waagen  das^Schlo» 
Tegel  und  seine  Kunstwerke  p.  7  glaubt,  dass  ein  zweiter  ebendaselbst 
befindlicher  Torso  zu  derselben  Gruppe  gehört  habe,  was  ich  entschie- 
den bestreiten  muss.  Dieser  zweite  Torso  Jscheint  mir  zu  üppig  i&r 
eine  Grazie. 

618.  Farnesische  Flora'^'*',  Marmorstatue,  gefunden 
in  den  Bädern  des  Caracalla  bei  Born,  als  man  unter  Pabst 
Paul  in.  aus  dem  Haus  Famese  daselbst  Ausgrabungen  an- 
stellte, bis  zum  Jahre  1790  im  Palast  Famese  zu  Rom  be- 
findlich und  dann  mit  den  übrigen  Famesischen  Schatten 
nach  Neapel  versetzt,  wo  sie  sich  noch  jetzt  befindet  Es  fehlten  an 
ihr  der  Kopf,  die  Vorderarme  und  die  Füsse,  Guglielmo  della 
Porta  (16.  Jahrh.)  restaurirte  sie  zuerst  als  Flora,  seine  £^ 
gänzungen  wurden  aber  abgenommen,  die  jetzige  Bestauration 


•  *  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  ii.  14. 
**  Im  Treppenhaus  n.  189. 


Nachblüthe  der  griechischen  KunsU  359 

4ie  gleich&lls  eine  Flora  voraussetzt,  ist  im  Jahr  1796  von 
zwei  KflnsÜem  besorgt,  von  Filippo  Tagliolini,  der  den  Kopf 
«nd  Carlo  Albaccini,  der  die  andern  Extremitäten  verfertigte. 
Winckelmann  glaubte^  die  Figar  stelle   eine  Mose  vor 
md  zwar,  da  sie  nach  Art  tanzender  Mädchen  mit  der  Kech- 
ten  ihr  Kleid  in  die  Höhe  hebe,  entweder  Erato  oder  Terpsi- 
diore,  denen   die   Tänze   geweiht   seien.     An   einer   andern 
Stelle  nennt  er  sie  eine  Höre.  Gegen  eine  Muse  spricht  haupt- 
sächlich das  völlige  Durchscheinen  des  Nackten  durch  das  Ge- 
wand, das  sich  in  diesem  Grade  doch  nur  bei  Wesen,  denen  ein 
sinnlieherer  Charakter  eigen  ist,  z.  B.  an  Bacchantinnen  und 
u  Venus  findet,  fOr  eine  Muse  aber  unschicklich  wäre.    Nach 
einer  andern  Meinung  ist  die  Statue  genreartig  als  Tänzerin 
ao&n&ssen,  aber  das  Aufheben  des  Gewandes  ist  bei  dem 
Stande  der  Figur  nicht  durch  eine  Tanzbewegung  zu  motivi- 
len,  sondern  charakterisirt  nur  ein  leichtes,   graziöses  Fort- 
sdireiten.     Ausserdem  würde  man  das  colossale  Maass  anf- 
allend finden,  da  sich  die  Genrefiguren,  wie  es  ihrem  We- 
sen natürlich  ist,  meistens  in  der  Sphäre  der  Lebensgrösse 
halten.    Nach  der  neuesten  Vermuthung  hielt   die  Figur   in 
der  Linken  eine  Schaale  und  stand  dem  Famesischen  Herakles, 
der  gleichfalls  in   den  Bädern  des  Caracalla  gefunden,  als 
Hebe,  die  dem  müden  Heros  den  Labetrank  reicht,  gegenüber. 
Aber  die  üppigen  Formen  der  Figur  eignen  sich  wenig  für 
Hebe,  die  dasAlterthum  sich  zarter  und  mädchenhafter  dachte, 
und  bei    der    vermutheten    Zusanmienstellung   mit    Herakles 
wflrde  man  erwarten,  dass  Hebe  nicht  grösser,  sondern  kleiner 
sei  als  Herakles. 

Dagegen   hat  man  mit  Eecht  aufmerksam  gemacht  auf 

die  Aehnlichkeit  dieser  Figur  mit  einem  alterthümlichen  Typus 

der  Venus,   nicht  im  Stil,   aber  in  der  Composition.    Diese 

Venus   hebt   auch  mit  der  Rechten  ihr  Unterkleid  etwas  in 

die  Höhe  und   hält  in  der  Linken  eine  Blüthe,   es  ist  der 

Typus  den  die  Eömer  Spes  nannten,  den  auch  Thorwaldsen 

nach;  oder  viehnehr  umgebildet  hat.    Von  einer  solchen  Um- 

bildimg  einer  alterthümlichen  Figur  in  einen  viel  freiem  Stil 

sind  auch  aus  dem  Alterthum  Beispiele  bekannt,  sie  scheint 

auch   hier   stattgefunden   zu  haben,  für  eine  Venus  ist  das 

ganze  Anssehn  der  Figur  durchaus  angemessen.     Doch  lässt 

sich   die  Bezeichnung   der  Figur  als  Höre  oder  Flora  auch 

nicht  durchaus  in  Abrede  stellen,  freilich  auch  nicht  begründen. 

Die  Statue  ist  ein  schönes  Beispiel,  wie  sich  Grazie  ver- 

4 


3ßQ  Nachblüthe  der  griechischen  Knnst. 

binden  kann  selbst  mit  colossalen  Formen.  Und  zwar  hat 
der  Künstler  nach  dem  Aasdmck  einer  gewissen  nachlässigen 
Grazie  gestrebt;  indem  er  das  Gewand  auf  den  rechten  Arm 
nnd  .  den  Gürtel  so  tief  auf  die  Hüften  herabgleiten  liess. 
Eine  gewisse  feinere  raffinirte  Sinnlichkeit  ist  aber  an  der  • 
Statae  unverkennbar.  Die  griechische  Kunst  wenigstens  in 
ihrer  Blüthe  war  ftlr  ein  so  sinnenreizendes  Durchscheinen 
des  Nackten  zu  keusch^  das  dagegen  dem  Geschmack^  wie  er 
in  den  Malereien  von  Herkulanum  und  Pompeji  herrscht^ 
durchaus  entsprechend  ist. 

Damit  ist  auch  schon  eine  Andeutung  über  die  Entste- 
hungszeit des  Werks  gegeben.  Dass  die  Figur  nicht  zur  Zeit 
des  Caracalla  entstanden^  bedarf  keines  Beweises;  sie  gehört 
entweder  der  besten  römischen  Zeit  an  oder  noch  den  letzten 
Jahrhunderten  der  griechischen  Kunst. 

Abg.  Mus.  borbon.  II,  tav.  26  Clarac  pl.  438  B.  Vgl.  Winckel» 
mann  Kuustgesch.  5,  2  §  17,  6,  1,  §  23  und  Fea  zu  Winck.  12,  3  §  3- 
Visconti  Pio-Clem.  IV,  p.  55  A.  1.  Gerhard  und  Panofka  Neapels  An- 
tiken p.  63.    Welcker  A.  D.  1,  452  ff. 

619.  Bacchus  als  Kind'*';  Marmorgruppe  im  capitoli- 
nischen  Museum.  Ergänzt  sind  die  Beine  vom  Knie  abwärts- 
und  der  rechte  Arm. 

Nicht  selten  finden  wir  auf  antiken  Monumenten  Kinder^, 
namentlich  AmoreU;  mit  grossen  Masken  spielend ,  in  welche 
sie  ihren  kleinen  Kopf  hineinstecken^  um  ihre  Kameraden  zn 
erschrecken  u.  s.  w.  Die  edelste  Darstellung  dieser  Art  ist 
die  vorliegende,  in  welcher  das  Bacchuskind  selbst  in  kind- 
lieber  Lust  eine  grosse  kahlköpfige  Silensmaske  au&nsetzen 
im  Begriff  ist.  Zwar  gehört  auch  dieser  Marmor  jeden£Edl8 
schon  einer  Kunstrichtung  an,  die  mit  den  Götteridealen  tän- 
delte, aber  das  darf  uns  nicht  hindern  Stellung  und  Wendung 
der  Figur  und  das  Weiche  in  den  Formen  des  Kinderkörpers 
aufs  Höchste  zu  bewundem.  Die  Gruppe  scheint  griechisch 
zu  sein  oder  wenigstens  auf  ein  griechisches  Original  zurück- 
zugehen. 

Abg.  Mus.  Gapitol  III,  40.  Clarac  pl.  540.  Vgl.  Meyer  zu  Winek. 
Kunstgesch.  VHI,  2,  §  28  (wo  nur  das  Motiv  mlssverstanden)  und  E. 
Braun  Ruinen  u.  Museen  p.  191  (der  die  Gruppe  etwas  zu  hochtrabend 
auffasst.) 


"*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  5. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  3g X 

620.  Knabentorso*;  von  Marmor;  1808  in  der  Nähe 
Rom  bei  der  Station  la  Storta  gefunden  und  in  der  Hom- 
t'schen  Sammlang  in  Tegel  befindlich. 

Der  Torso  wird  einem  Amor  zugeschrieben;  was  aber 
li  den  Mangel  der  Flügel  bestimmt  widerlegt  wird.  Eher 
3  sich  an  ein  Bacchnskind  denken.  Er  ist  von  der  höch- 
Schönheit;  die  Stellung  ist  etwa  die  eines  Angreifenden^ 
n  der  linke  Arm  vor;  der  rechte  zurück  ging.  Wir  wissen 
;  das  ursprüngliche  Motiv  anzugeben.  Gewiss  ein  grie- 
ihes  Werk. 

Me    Deutung   als    Amor    bei   Welcker    Akacl.   Mus.  n.  23.     Vgl. 
^n,  Das  Schloss  Tegel  p.  8. 

621.  Silen  mit  dem  Bacchnskind'''^  Marmorgruppe^ 
.  1838  in  der  Nähe  des  athenischen  Bacchustheaters  ge- 
mj  in  Athen  befindlich. 

Auf  den  ersten  Blick  scheint  ein  blosses  Spiel  dargestellt 
ein;  wie  man  so  oft  in  bacchischen  Darstellungen  das 
huskind  auf  den  Schultern  von  Satyrn  oder  Silenen  ju- 
l  einhergetragen  sieht.  Aber  die  ruhigC;  gleichsam  re- 
mtirende  Stellung  des  Silen  unTi  die  Tracht  beider  Figu- 
machen  einen  monumentalen  Zweck  der  Gruppe  wahr- 
nlicher;  etwa  wie  man  vermuthet  hat;  die  Gruppe  möchte 
inem  wegen  eines  theatralischen  Sieges  gestifteten  Denk- 
gehören. Das  rauhhaarige  Gewand;  das  der  Silen  trägt; 
das  Theaterkostttm  der  SilenC;  und  der  kleine  Gott  ist 
1  die  tragische  Maske  in  seiner  Hechten  als  Gott  des 
ters  b^eichnet. 

Die  Gruppe  gehört  nach  ihrem  Stil  noch  guter  griechi- 
*  Zeit  an. 

ibg.  "Efprifi.  CLQX.    1839  n.  325.     Scholl  Archaeol.  Mitth.  Tai*.  6, 
111.     Le    Bas  mouum.    flg.  pl.  27.     Wieseler   Theatergebäude 
>,  6. 

622.  Bacchus  in  der  Wiege***;  Terrakottarelief;  aus 
rAwnlev'sp.hpTi  SamTnliinff  ins  hrit.isp.he  Miisfinm  firekommen. 


362  Nachblüthe  der  gricchischeu  Kuust. 

Abg.  reiTacottas  of  the  brit.  mus.  fig.  44.  EUis  the  Townley  gal- 
lery  I,  125.  Vgl.  Welcker  Akadem.  Mus.  n.  353  i.  An  irgend  einen 
verborgenen  Sinn  der  Darstellung  zu  denken,  fehlt,  soviel  ich  sehe, 
jeder  Anltiss,  auch  würde  die  Anmuth  der  Composition  sehr  dadurch 
verlieren,  deren  Pointe  doch  eben  nur  in  dem  Jubel  über  das  neu- 
geborene Kind  liegt.  Wie  die  Amphidromien  ausgedrückt  sein  können, 
verstehe  ich  nicht  Die  Art  wie  die  Mänade  ihre  Fackel  hält,  ist 
sichtlich  nur  durch  die  Composition  veranlasst,  und  kann  ebensowemg 
etwas  Besonderes  ausdrücken,  wie  die  übereinstimmende  Haltung  des 
Thyrsus  an  der  streng  symmetrisch  componirten  Satyrfignr.  Vgl.  Wie- 
seler z.  Müllers  Deukra.  II,  35,  414. 

623.  Das  Bacchuskind'*';  Marmorstatue.  Wo  das 
Original  sich  befindet,  wissen  wir  nicht. 

Ein  sehr  anmuthiges  Werk,  dessen  Motiv  uns  aber  nicht 
klar  ist. 

624.  Bacchus  und  Satyrn**,  Marmorgruppe,  1826  in 
Tusculum  gefunden,  im  Berliner  Museum  befindlich.  Alt  sind 
nur  die  Torsen  des  Bacchus  und  des  Satyrs  an  seiner  Rechten 
vom  Hals  bis  zu  den  Knien,  vom  zweiten  Satyr  ist  nur  die 
rechte,  den  Bacchus  stützende  Hand  alt.  Der  nur  in  Gyps 
ausgeführte  Restaurationsentwurf  ist  von  E.  Wolff. 

Ob  die  Restauration  das  Richtige  getroffen,  ist  zweifel- 
haft, man  hat  nach  Analogie  von  zwei  ähnlichen  kleineren 
Gruppen  wohl  nicht  mit  Unrecht  vermuthet,  dass  die  Figur 
zur  Linken  des  Bacchus,  von  welcher  nur  eine  Hand  übrig 
geblieben,  nicht  ein  Satyr,  sondern  ein  Pan  gewesen  seL 

Zwischen  Bacchus  und  seinen  Begleitern  herrscht  der 
schärfste  Gegensatz,  sowohl  in  der  Bewegung  als  in  den  For^ 
men.  Diese  kennen  nur  die  wilde  Lust  und  wollen  den  halb 
trunkenen  Gott  mit  hineinziehn  in  ihre  Sprünge,  während  je- 
ner schwärmen  und  träumen  möchte,  und  ebenso  stehn  die 
weichen  und  fliessenden  Formen  des  Bacchus  im  Gegensatz 
zu  dem  unedleren  Satyrkörper. 

Diese  Gruppe  ist  unzweifelhaft  ein  griechisches  Weik. 
Die  elastische  und  lebensvolle  Schwellung  der  Muskeln  kenn- 
zeichnet sie  als  solches.     Eine  gen9,uere  Datirung  derselben 

aber  vermögen  wir  nicht  zu  geben. 

Abg.  Caniua,  Tusculo  tav.  33.  34.  Vgl.  Monum.  d.  inst  IV,  tav.  85. 
Annali  1846  p.  218.  tav.  K.  Bullet.  1846  p.  93.  Annali  1866  p.  114. 
Vgl.  das  Relief  im  Saal  der  Thiere  und  Broucen  n.  110  (aus  dem  I^raeos). 

625.  Bacchus***,  Marmorstatue  in  Madrid.  Ergänzt  sind 


*  Im  Niobidensaal  n.  97. 
**  Im  Saal  des  Barberinischeu  Fauns  n«  10. 
***  Im  Römischen  Saal  n.  113. 


Nrnddrinthe  der  griechisdioii  Kunst.  ^3 

der  rechte  Arm,  der  linke  Unterarm  und  das  linke  Bein  vom 
Knie  bis  znm  Knöchel.  Die  Ergänzung  ist  gewiss  falsch,  wir 
▼ermögen  aber  nicht  das  nichtige  anzugeben. 

Die  Statue  repräsentirt  einen  oft  wiederholten  Bacchus- 
ijpxuSf  dessen  schönstes  Exemplar  sich  im  Louvre  befindet 
Es  ist  eine  der  weichsten  und  üppigsten  Darstellungen  des 
^ttes,  sowohl  wenn  man  die  Stellung,  als  wenn  man  die 
Formen  betrachtet.  Der  Gott  ist  ganz  in  halbtrunkene 
Tr&unereien  verloren.  Er  stützt  sich  auf  eine  Herme  des 
b&rtigen  Bacchus. 

Wir  bezweifeln,  dass .  dieser  Typus  in  der  Blüthe  der 
griechischen  Kunst  erfunden  sei,  er  scheint  uns  zu  weich- 
lich dazu. 

Schlecht  abg.  bei  Clarac  musee  pl.  690  B,  1598  A.     Vg^l.  Hübiier 
Die  antiken  Bildw.  in  Madrid  p.  48  u.  18. 

626.  Bacchus*,  Marmorstatue  in  der  Humboldt'schen 
Sammlung  in  Tegel  Ergänzt  sind  unter  Rauch's  Leitung  der 
Kopf,  beide  Arme,  die  untere  Hälfte  des  rechten  Beins  und 
düe  Stütze. 

Wir  sind  nicht  im  Stande,  die  richtige  Ergänzung  und 
damit  das  Motiv  der  Statue  anzugeben.     Die    Stellung  und 
die  Formen  sind  schön  und  für  Bacchus  charakteristisch. 
Abg.  Clarac  pl.  690  B. 

627.  Bacchus**,  Marmorstatue,  in  Tarragona  gefunden 
imd  ebendaselbst  befindlich. 

Der  Achte  Arm  lag  ausruhend  über  dem  Kopf,  die  Statue 
repräsentirt  einen  ungemein  häufig  wiederholten  Bacchustypus, 
der  gewiss  in  griechischer  Zeit  erfunden  ist.  Der  Fundort 
beweist,  dass  die  übrigens  gut  gearbeitete  Statue  in  römischer 
Zeit  entstanden  ist. 

Abg.  Laborde  voyage  pittoresque  de  l'Espagne,  Paris  1806  Taf.  69. 
Vgl.  Hübner  Die  antiken  Bildw.  in  Madrid  p.  285. 

628.  Bacchuskopf***,  von  Marmor,  im  capitolinischen 
Museum.  Ergänzt  sind  die  Nasenspitze  ^  die  Unterlippe  und 
die  Bfiste. 


*  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  9. 
**  Im  Niobidensaal  n.  59. 
*♦♦  Im  Niobidensaal  n.  43. 


564  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

Man  schwankt;  ob  dieser  Kopf;  der  gewiss  zu  einer  Stata^ 
gehörte^  männlich  oder  weiblich  sei^  ob  er  einem  Bacchus  oder 
einer  Ariadne  angehöre.  Uns  scheint  nach  den  Formen  imd 
nach  der  Anordnung  des  Haares  nur  die  erstere  Annahme 
möglich.  Die  Formen  sind  für  Ariadne  zu  üppig  und  die^ 
künstlich  gedrehten  steif  herabhängenden  Locken  sind  gerade 
eine  charakteristische  Tracht  des  Bacchus^  dem  dadurch  ein 
etwas  weibisches  Ansehen  gegeben  werden  sollte. 

Man  will  diesen  Eopf^  in  welchem  die  süsse  Träumerei,, 
die  dem  jugendlichen  Bacchus  so  eigenthümlich  ist,  ihr^ 
schönsten  Ausdruck  gefunden  hat;  der  Zeit  des  Praxiteles 
zuschreiben ;  und  allerdings  sind  damals  Bacchusstatnen  von 
ganz  ähnlichem  Ausdruck  geschaffen.  Wenn  wir  aber  die 
von  Praxiteles  erha-ltenen  Werke  vergleichen,  so  müssen  wir 
für  ihn  einen  strengeren  Stil  voraussetzen,  als  dieser  Kopf  zeigt. 

Abg.  Winckelmann  monum.  ined.  55.  Müller- Wieseler  II,  38,  376^ 
Vgl.  Meyer  z.  Winck.  Gesch.  d.  K.  V,  1  §  24.  Welcker  Akad.  Mob. 
z.  Bonn  p.  73  findet  in  dem  Kopf  eine  Andentung  der  Stierhömer, 
wonach  ich  vergebens  suche.  Vielleicht  sind  die  beiden  Tranben  über 
der  Stirn  so  aufgefasst,  als  sollten  sie  aufspriessende  Hörnchen  v«^ 
decken,  aber  dann  hätte  fast  jeder  Bacchus  Hörner,  weil  ein  derartiger 
Schmuck  sehr  gewöhnlich  ist.  —  Die  künstlich  gedrehten  Locken  trägt 
auch  schon  der  indische  Bacchus  vgl.  Archaeol.  Ztg.  1862  p.  229.  — 
Die  Vergleichung  des  capitolinischen  Ariadnekopfes  (E.  Braun  Ruinen 
und  Museen  p.  195)  ist  sehr  geeignet,  die  Beziehung  dieses  Kopfes  auf 
Ariadne  zu  widerlegen. 

629.  Bacchushüste%  von  Marmor^  zu  einer  Statu» 
gehörig^  die  sich  vermuthlich  in  München  befindet. 

Der  rechte  Arm  war  wahrscheinlich  über  den  Kopf  ge- 
legt; so  dass  die  Statue  einen  lässig  ruhenden  Bacchus  dar- 
stellen würde.    Die  Büste  ist  nicht  bedeutend. 

Vermuthlich  ist  diese  Büste  von  der  in  der  Glyptothek  zu  Müncheiii 
unter  n.  103  verzeichneten  Statue  genommen. 

630.  Bacchus  und  Viktoria**,  an  einer  Dreifuss- 
basis  von  Marmor,  1853  in  Athen  gefunden  und  zwar  bei 
einem  Hausbau  zwischen  dem  Bacchustheater  und  dem  Monu- 
ment des  Lysikrates  auf  dem  Terrain  der  alten  TripodeiK 
Strasse,  die  ihren  Namen  von  den  dort  aufgestellten,  wegen 


*  Im  Römischen  Saal  n.  126. 
*♦  Im  Griechischen  Saal  n.  366. 


Nachbluthe  der  griechischen  Kunst.  365 

theatralischer  und  musischer  Siege  geweihten  Dreifassen  hatte. 
Das  Monument  befindet  sich  noch  in  Athen. 

Wie  der  Fnndoijt;  besonders  aber  die  architektonische 
Form  andeuten;  ist  das  Werk  die  Basis  eines  Dreifusses. 
Die  Form  desselben  —  die  Seiten  sind  geschweift;  die  Ecken 
abgekantet  —  ist  nämlich  einem  dreiseitigen;  eben  für  die 
Aufnahme  eines  Dreifusses  gebildeten;  korinthischen  Säulen- 
kapitftl  nachgeahmt.  Nach  den  Reliefs  dürfen  wir  voraussetzen; 
dass  der  Dreifuss;  den  diese  Basis  trug;  ein  in  einem  Bacchus* 
fest  gewonnener  Siegespreis  war. 

Die  Hauptfigur  ist  der  jugendliche  BacchuS;  kenntlich  an 
seinem  Becher  und  an  dem  Thyrsus;  der  etwas  verletzt;  doch 
aber  nicht  undeutlich  geworden  ist.  Es  ist  der  nach  früherer 
Weise  nur  mit  Epheublättem  umwickelte;  nicht  von  einem 
Pinienzapfen  bekrönte  Stab.  Gewöhnlich  sieht  man  diesen 
jugendlichen  Bacchus  nackt;  allein  hier  in  einem  Weihgeschenk 
ist  die  emsterC;  feierlichere  Auffassung;  die  sich  in  der  langen 
und  reichen  Bekleidung  ausspricht;  durchaus  gerechtfertigt. 
Der  Künstler  hat  überhaupt  darnach  gestrebt;  seinen  Ge- 
stalten etwas  Strenges  und  Feierliches  zu  geben;  die  lang 
herabhängenden  Locken  des  Bacchus  erinnern  sehr  an  die 
Weise  der  alterthümlichen  Kunst. 

An  den  Gott  tritt  eine  Viktoria  heran  mit  einer  Kanne 
in  der  Hand;  offenbar  um  ihm  einzuschenken.  Hierin  liegt 
<ier  Gedanke  ausgedrückt;  dass  der  Sieger  dem  Bacchus  ein 
Siegesopfer  bringt;  das  Relief  spricht  also  den  Dank  des 
Siegers  gegen  den  Gott  aus,  der  den  Sieg  verliehen.  In  einer 
früher  besprochenen  Klasse  anathematischer  Reliefs  (n.  70  ff.) 
fanden  wir  denselben  Gedanken  auf  dieselbe  Weise  ausgedrückt 

Die  dritte  Figur,  welche  eine  Schaale  in  der  Hand  hält; 
hat  man  für  eine  zweite  Nike  gehalten;  die  dann  auch  als 
zu  einer  Spende  herantretend  gedacht  werden  müsste.  Allein 
dies  wäre  ein  doppelter  Ausdruck  für  denselben  Gedanken 
und  das  Attribut  der  Schaale  deutet  eher  auf  ein  Empfangen 
als  auf  ein  Austheilen.  Ausserdem  würde  man  erwarten;  sie 
in  derselben  Richtung  heranschreiten  zu  sehen  wie  die  erstere, 
und  endlich  ist  ihr  Aussehen  doch  zu  verschieden.  Die  langen 
starren  Locken  und  der  schwere;  einförmige  Faltenwurf  con- 
trastiren sehr  mit  der  leichten;  graziöseren  Erscheinung  der  an- 
deren Figur.  Man  wird  vielmehr  die  Figur  als  eine  dem  Bacchus 
beigesellte  göttliche  oder  dämonische  Person  zu  betrachten  habeU; 
die  auch  von  der  Nike  eine  Weinspende  erhalten  wird.   Einen 


566  Nachblüthe  der  griechischcu  Kirnst. 

Namen  zu  geben  ist  nnthnnlich;  jedenfalls  ist  es  eine  an  der 
Siegesfeier^  welche  dieses  Monument  verewigt^  betheiligte  GröttiiL. 
Eigenthümlich  sind  die  vorspringenden  Basen  der  Figuren. 
Während  sonst  die  Bildfläche  vertieft  wird  und  die  Figuren 
auf  dem  unteren  Rande  derselben  stehen^  sehen  sie  hier  wie 
angeklebt  aus  und  es  fehlt  die  nothwendige  Verbindung  zwi- 
schen dem  Geräth  und  seinem  Ornament.  Die  Ausführung  ist 
nicht  &ei  von  Oberflächlichkeit^  aber  doch  erkennt  man  im 
Fall  der  feineren  Untergewänder  und  des  Mantels  noch  den 
edlen  Stil  der  attischen  Kunst.  Jedenfalls  aber  beweisen  die 
unschön  und  stillos  vorspringenden  Basen^  dass  das  Werk  nicht 
mehr  in  der  Zeit  der  Blüthe  entstanden  ist. 

Abg.  Aunali  d.  inst.  1861  tav.  d'agg.  G.  mit  der  Erklärung  von 
Pervanoglu,  dessen  Meinung  über  den  Gedanken  des  Reliefs ,  die  wohl 
veranlasst  ist  durch  Welcker's  Erklärung  der  sog.  pythischen  RelieÜB, 
ich  übrigens  durchaus  nicht  theilen  kann.  P.  nimmt  Anstoss  an  der 
Unbärtigkeit  des  Dionysos  und  meint,  es  sei  liier  der  Sieger  unter  dem 
Bilde  des  Gottes  vorgestellt,  der  einen  Trank  und  vermuthlich  eine  Binde 
(von  welcher,  wenn  sie  vorhanden  war,  wohl  Spuren  nachgeblieben 
wären)  von  der  Viktoria  erhalte.  Mir  ist  durchaus  unklar,  warum  der 
Sieger  in  der  Gestalt  des  Gottes  erscheinen  soll.  In  Betreff  der  Tracht 
übrigens,  die  der  jugendliche  Dionysos  trägt,  lässt  sich,  wenn  Beispiele 
nöthig  sind,  z.  B.  die  Statue  von  dem  Monument  des  Thrasyllos  ver- 
gleichen, die  zu  Stuart's  Zeit  noch  ihren  unbärtigen  Kopf  hatte.  Mit 
Recht  aber  bestreitet  P.  den  Namen  Nike  für  die  zweite  Figur,  die  er 
Telete  nennt,  was  mir  unwahrscheinlich  scheint,  weil  die  sicheren  Dar- 
stellungen der  Telete  nicht  mit  dem  Aussehen  dieser  Figur  überein- 
stimmen. 

631.  Bacchisches  Relief*,  von  Marmor,  vor  einigen 
Jahren  bei  den  Ausgrabungen  im  Dionysostheater  zu  Athen 
gefunden,  in  Athen  befindlich. 

Der  Sinn  der  Darstellung  ist  nicht  mehr  zu  verstehen. 
Die  Figur  zur  Rechten  scheint  trotz  der  etwas  weiblichen 
Brust  der  jugendliche  Bacchus  zu  sein,  die  vor  ihm  stehende 
Frau  hält  eine  Weihrauchbüchse  und  legt  ein  Weihrauchkom 
auf  einen  nur  theilweiäe  erhaltenen  aber  doch  noch  kennt- 
lichen Räucheraltar.    Die  Arbeit  ist  roh. 

Vgl.  Bötticher  im  Nachtrag  zmn  Catalog  des  Neuen  Museums  p.  78. 

632.  Bacchischer  Zug**,  Marmorrelief,  mit  den  Far- 
nesischen Schätzen  nach  Neapel  gekommen. 


*  Im  Niobidensaal  n.  82. 
**  Im  Niobidensaal  n.  50. 


Nachblüthe  der  g^riechischen  Kunst.  357 

Grosser  Jubel  über  den  neugewonnenen  Wein,  den  ein 
mit  einem  Fell  umschürzter  Satyr  in  einem  grossen  Krug 
Yorantrftgt  Ihm  folgt  in  rauschender  Lustigkeit  Gross  und 
Kldn  unter  Musik  von  Becken  und  Flöten,  nur  Dionysos 
selber  in  trunkene  Träumereien  versunken,  folgt  nicht  dem 
Drängen  und  Zerren  des  Satyrn  und  des  kleinen  Pan.  Wäh- 
rmd  diesen  nur  die  lustige  Ausgelassenheit  und  die  Hingabe 
an  den  Moment  natürlich  ist,  versinkt  der  Gott  in  melancho- 
lische Stimmungen,  als  fühle  er  keine  Befriedigung  in  einer 
Freude,  die  mit  Ermattung  endet. 

Griechische  Motive  liegen  diesem  Relief  offenbar  zu 
Grunde,  der  hervorgehobene  Gegensatz  zwischen  Dionysos 
mid  seinem  Gefolge  ist  in  den  schönsten  griechischen  Werken 
mr  Anschauung  gebracht  (vgl.  n.  624).  Ob  das  Relief  selbst 
aber  griechisch  ist,  bezi^'eifeln  wir,  die  übermässige  Schlank- 
bwt  der  Figuren,  namentlich  der  beckenschlagenden  Bacchantin, 
führt  jedenfalls  in  spätere  Zeit. 

Abg.  bei  Winckclmann  Vign.  zu  mon.  ined.  n.  4.  Mus.  borbon.  III,  40. 

633.  Bacchus  und  Ariadne*,  Marmorrelief  im  Vatikan. 
Am  Bacchus  ist  die  obere  Hälfte  mit  den  Armen  neu,  ebenso 
an  dem  Silen,  an  der  Ariadne  der  Kopf  und  beide  Arme. 
Die  ursprünglichen  Motive  scheinen  aber  trotz  der  starken 
Restauration  richtig  getroffen  zu  sein. 

Das  Lager,  auf  dem  die  Liebenden  zärtlich  in  einander 
versunken  liegen,  ist  nicht  ganz  leicht  zu  bestimmen,  ver- 
nmthlich  ist  es  der  Rest  eines  Wagens  und  das  Relief  könnte 
Ton  einer  grösseren  öfter  vorkommenden  Darstellung  übrig- 
geblieben sein,  der  den  Vermählungszug  von  Bacchus  und 
Ariadne  vorstellte.  Die  Erfindung  ist  acht  griechisch  und 
schon  in  Xenophon's  Gastmahl  .wird  eine  ganz  ähnliche,  mi- 
Dusch  dargestellte  Gruppe  des  jugendlichen  Bacchus  und  der 
Ariadne  beschrieben.  Auch  der  Stil,  namentlich  die  scharf- 
K^rochenen  Falten  im  Gewand  der  Ariadne  lassen  ein  grie- 
chisches Vorbild  annehmen. 

Abg.  Pistolesi,  il  Vaticano  iilusü-ato  V,  39,  1.  Vgl.  E.  Braun 
Rttinen  und  Museen  p.  332.  Aehnliche  Darstellungen  sind  angeführt 
und  abgebildet  Arcli.  Ztg.  1859  zu  Taf.  130. 

634.   Schlafende  Ariadne**,  Marmorstxitue,  seit  Ju- 

*  Im  Römischen  Saal  n.  72. 
**  Im  Niobidensaal  n.  96. 


368  Nachblüthc  der  griechischen  Kunst. 

lius  n.  im  Vatikan  befindlich.  Ergänzt  sind  die  Nase,  die 
Oberlippe^  einige  Finger  der  linken  und  die  rechte  Hand* 

Vor  Winckelmann^  als  man  noch  die  griechischen  Eimst- 
werke  ans  der  römischen  Geschichte  erklärte^  wurde  diese 
Figur  als  Cleopatra  bezeichnet.  Man  nahm  das  in  Form 
einer  Schlange  gebildete  Armband  für  eine  wirkliche  Schlange. 
Jetzt  ist  kein  Zweifel  darüber^  dass  die  schlafende  Ariadne 
dargestellt  sei  und  zwar  ist  es  kein  friedlicher  Schlaf,  den 
sie  schläft,  sondern  wie  die  Stellung,  die  gelöste  Spange  and 
das  etwas  in  Unordnung  gerathene  Gewand  andeuten,  em 
von  unruhigen  Träumen  bewegter.  Es  ist  der  verhängniss- 
volle Schlaf  der  Ariadne  auf  Naxos  gemeint,  während  dessen 
Theseus  sie  verliess.  Das  pathetisch  Bewegte  der  Figur  hat 
der  Künstler  besonders  dadurch  erreicht,  dass  er  die  (kundr 
fläche  nicht  eben,  sondern  nach  der  Mitte  zu  sich  yertiefeiid 
annahm,  man  vergleiche,  um  sich  des  Gegensatzes  eines  firied- 
lichen  und  ruhigen  Schlafes  bewusst  zu  werden,  die  berflhmfce 
Statue  der  schlafenden  Königin  Luise  von  RanclL  Diese 
pathetische  Bewegung  und  dazu  der  Mangel  charakteristischer 
Attribute  lassen  auch  die  von  anderer  Seite  vorgeschlagene 
Deutung  der  Figur  als  schlafende  Nymphe  unzulässig  er- 
scheinen, zudem  findet  sich  auf  vielen  Monumenten  eine  über- 
einstimmende Figur,  welche  durch  die  Umgebung  deutlich  als 
Ariadne  bezeichnet  ist.  Es  ist  sehr  interessant,  diese  beson- 
ders auf  römischen  Wandgemälden  und  Sarkophagen  häufig 
vorkonmienden  Wiederholungen  zu  vergleichen,  sie  unter- 
scheiden sich  besonders  dadurch,  dass  sie  gewisse  weichliche 
und  sinnliche  Züge  hinzufügen,  die  dem  grossartigen  Charakter 
dieser  Figur  fremd  sind.  Diese  ist  ihrem  Original  treuer  ge- 
blieben, während  jene  einem  weichlicheren  Geschmack  nach- 
geben. Eine  Copie  nämlich,  ist  auch  diese  Figur  gewiss, 
Winckelmann  tadelte  mit  Recht,  dass  das  Gesicht  schief  sei 
und  ebenso  richtig  ist  bemerkt,  dass  gleich  hinter  den  Füssen 
das  Ober-  und  Untergewand  auf  eine  nicht  zu  rechtfertigende 
Weise  in  einander  übergehn.  Dieser  Fehler  verschwindet 
freilich  für  das  Auge,  wenn  die  Figur,  worauf  die  nur  flüchtig 
behandelte  Rückseite  deutet,  an  eine  Wand  gestellt  wird. 
Endlich  mögen  auch  die  Franzen  des  Gewandes,  die  an  einer 
Yenus  ihre  Berechtigung  haben,  nur  der  Copie  angehören. 

Das  Original  dieser  Figur  müssen  wir  in  griechischer  Zeit 
suchen,  wir  haben  Nachricht  von  einem  in  Athen  befindlichen 
Gemälde,  das  die  schlafende  Ariadne  und  den  sie  verlassenden 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  359 

Theseos  darstellte,  und  auch  andere  Spuren  führen  auf  ein 

griechisches  OriginaL   Wie  dieses  Original  freilich  heschaffen 

lar,  ob  es  nur  die  eine  Figur  der  Ariadne  oder  noch  andere 

Figuren  enthielt,  etwa  Dionysos  mit  seinem  Schwann  der  Yer- 

kssenen  nahen(^.  der  in  mehreren  Darstellungen  mit  ihr  grup- 

^  ist,  ja  ob  das  Original  ein  Gemälde  oder  ein  plastisches 

Werk  war,  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein,  nur  das  scheint 

uns  unwahrscheinlich,  dass  diese  vorliegende  Gopie  nur  ein 

Theil  einer  grösseren  Gruppe  gewesen  sei.    Es  ist  wenigstens 

schwer,  namentlich  wenn  die  Figur  an  einer  Wand  gestanden 

hat,  sich  eine  befriedigende  Gruppe  auszudenken. 

Hinsichtlich  der  Zeitbestimmung  des  Originals  kann  man 
wegen  des  pathetischen  Charakters  der  Figur  nicht  höher  als 
Ins  zor  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  hinaufgehen. 

Es  ist  die  Meinung  geäussert,  die  Statue  möge  als 
Onbdenkmal'  einer  unter  dem  Bilde  der  Ariadne  dargestellten 
Sterblichen  gedient  liaben.  Auf  den  römischen  Sarkophagen 
wird  allerdings  die  Figur  der  Ariadne  in  der  Weise  gebraucht, 
di88  sie  zum  idealen  Bilde  einer  entschlafenen  Sterblichen 
wird,  und  es  spricht  sich  diese  Absicht  besonders  deutlich 
dadoorch  aus,  dass  zuweilen  der  Ariadne  ein  Porträtkopf  auf- 
gesetzt ist  Nur  fragt  sich,  ob  das  Bild  einer  unruhig 
Schlafenden  für  diesen  Zweck  angemessen  ist,  auch  steht  ja 
nicht  wie  auf  den  Sarkophagen  der  Gott  Dionysos  neben  ihr, 
der  ihr  nach  ängstlichen  Träumen  ein  seliges  Erwachen  be- 
reiten wird. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  II.  pl.  44.  Miillor-Wioseler  II,  35,  418. 
Vgl  Visfonti  Opere  varic  IV,  p.  90  ff.  Jacobs  Verm.  Sdir.  IV,  407  ff. 
ßeschreibg.  Rom's  II,  2,  175.  0.  Jalm,  Archaeol.  ßeitr.  p.  296.  Per- 
vmjiiglu,  die  ürabsteine  der  alten  Gr.  p.  27. 

635.  Verlassene  Ariadne*,  Marmorstatue,  mit  der 
Chigi'schen  Sammlung  1728  nach  Dresden  gekommen.  Er- 
gänzt sind  die  rechte  Brust,  der  rechte  Arm  und  die  linke 
Hand.  Der  an  Nase  und  Lippen  ergänzte  Kopf  ist  aufgesetzt, 
aber  zugehörig,  doch  hat  er  bei  der  Zusammenfügung  eine  etwas 
zu  starke  Richtung  nach  oben  und  nach  der  Seite  erhalten. 
Wie  die  linke  Hand  zu  denken,  ob  sie  ruhig  herabhing,  oder 
etwas  hielt,  ist  nicht  auszumachen. 

Die  Figur  scheint  Ariadne  vorzustellen,  mit  wehmüthigen 
Gedanken  dem  forteilenden  Theseus  nachblickend.     Diese  Er- 

*  Im  Niul)ideiisaal  u.  18. 
Fritfderichs,  griech.  Plastik.  24 


370  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

klärung  stützt  sich  besonders  auf  ein  in  Salzburg  ausgegra- 
benes; jetzt  in  Laxenburg  bei  Wien  befindliches  Mosaik;  aof 
welchem  in  einem  Cyklus  von  Darstellungen  aus  dem  Mythus 
des  Theseus  und  der  Ariadne  eine  dieser  Statue  in  allem 
Wesentlichen  ähnliche  Figur  vorkommt,  welche  die  Ariadne 
in  der  angegebenen  Situation  darstellt.  Der  Charakter  der 
Figur  ist  mit  dieser  Benennung  im  besten  Einklang.  Die 
Haltung  der  Beine,  die  unter  andern  Verhältnissen  etwas 
Rücksichtsloses  hätte,  ist  für  eine  in  Gedanken  Verlorene  be- 
zeichnend. Auch  die  halbe  Entblössung  der  Figur  ist  glück- 
lich gewählt.  Sie  wäre  nicht  so  angemessen  für  die  ebenbe- 
sprochene Figur  der  Ariadne,  deren  grossartig  pathetischen 
Charakter  dieser  Zusatz  sinnlichen  Reizes  beeinträchtigen 
würde,  aber  bei  dieser  Ariadne,  deren  Charakter  elegisch  und 
zart  und  weich  ist,  ist  sie  dem  beabsichtigten  Eindruck  förder- 
lich. Interessant  ist  die  Vergleichung  gewisser  römischer 
Wandgemälde,  auf  denen  Ariadne  in  ähnlicher  Situation,  aber 
nicht  ohne  Beimischung  einer  gewissen  Sentimentalität  darge- 
stellt ist,  während  sie  hier  als  eine  zwar  weiche,  aber  doch 
auch  edel  geartete,  den  Schmerz  beherrschende  Jungfrau 
erscheint. 

Ein  Originalwerk  ist  die  Figur  gewiss  nicht,  einzelne 
Theile,  z.  B.  die  Ohren,  sind  auffallend  nachlässig  gearbeitet. 
Aber  ein  griechisches  Original  liegt  ihr  gewiss  zu  Grunde. 
Der  Kopf,  an  welchem  ausser  der  nicht  ganz  glücklichen  Re- 
stauration die  etwas  zu  kurze  rechte  Hälfte  der  Mundspalte 
auffällt,  ist  im  Uebrigen  von  grosser  Schönheit  und  erinnert 
in  seiner  Form  und  in  der  Behandlung  des  Haares  an  meh- 
rere schöne  Venusköpfe.  Zu  einer  genaueren  Zeitbestimmung 
fehlen  uns  die  Anhaltspunkte,  dass  das  Original  nicht  über 
die  Zeit  des  Praxiteles  hinausgerückt  werden  kann,  ist  selbst- 
verständlich. 

Abg.  Becker,  Augiisteum  Taf.  17.  Vg^l.  Hettner  Bildw.  der  Kgl 
Antikensammlung  in  Dresden  n.  386.  0.  Jahn  Arcliaeol.  Beitr.  p.  282 
ff.  E.  Bmun  im  Archaeol.  Anz.  1853  p.  326.  Auf  dem  von  Michaelis 
Monum  d.  inst.  1858  tav.  18  herausgegebenen  Sarkophag  ist  die  links 
neben  Apollo  befindliche  Figur  eine  Copie  dieser  Statue. 

636.  637.    Zwei   bacchische   Figuren*,   im   Abgnss 
getrennt,   im  Original  auf  einer  Platte  befindlich  nebst  dem 


Im  Niobidensaal  n.  46  a.  b. 


«*  %x 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  37 X 

Rest  einer  dritten  Figur,  einem  bekleideten  Arm,  welcher 
einen  Krug  ausgiesst.  Das  Relief  ist  in  der  Villa  Palombara 
auf  dem  Esquiün  gefunden  und  befindet  sich  jetzt  im  Vatikan. 
Ergänzt  sind  (im  Gyps)  Kopf  und  Füsse  des  Mannes. 

Es  scheint  dass  die  grössere  Composition,  zu  welcher 
diese  Figuren  gehörten,  eine  bacchische  Prozession  oder  etwas 
dem  Aehnliches  darstellte.  Die  Hand  mit  dem  Ki*uge  und 
der  Aasdruck  in  den  Augen  der  Frau,  der  ähnlich  an  Bac- 
chantinnen vorkommt,  führen  darauf.  Man  hat  in  Rücksicht 
aof  die  maassvollen  Bewegungen  den  Namen  Thyiaden  vor- 
geschlagen. 

Die  feine,  elegante  Ausführung  der  Gewänder  lässt  an 
griechischen  Ursprung  denken,  was  durch  den  Umstand  un- 
terstützt wird,  dass  jüngst  im  athenischen  Theater  eine  mit 
der  Frau  übereinstimmende  Figur  gefunden  worden  ist. 

Abg.  Museo  Chiaramonti  I,  44.  Vgl.  ßoschreilig"  Roms  II,  2,80  und 
E.  Braun  Ruinen  und  Museen  p.  280,  wo  übrigen»  beide  Figuren  als 
weiblich  angesehn  wertleu.  Das  athenisclie  Relief  ist  in  der  'E(pi]/i. 
1862  Taf.  27  publicirt. 

638.  Candelaberbasis*,  von  Marmor,  im  capitolinischen 
[     Museum. 

Die  drei  Figuren   an  den  Seiten  dieser  Basis  sind  ein 
'      tanzender  und  Flöte  blasender  Satyr,  sodann  eine  halb   cnt- 
blösste  Bacchantin  in  voller  Extase  das  Tambourin  schlagend 
nnd  ein  zweiter  Satyi',  bereits  halb  taumelnd,  mit  gesenktem 
Kopfe.    Diese  Figuren  wiederholen  sich  nicht  selten  in  bac- 
I       cbischen  Darstellungen   und   sind  schwerlich  für  diese  Basis 
erfanden,  sondern  gewiss  für  einen  fortlaufenden  Fries,  sowie 
?       sie  auch   anderswo  vorkommen.     Einem   solchen  Raum  ent- 
;       spricht  die  fortschreitende  Bewegung  der  Figm^en,  auch  die 
,        Gestikulation  des  zweiten  Satyrs  ist  dann  besser  motivirt  und 
ausserdem  erwartet  man  hinter  der  den  Zug  eröffnenden  Mu- 
sik noch  eine  grössere  Zahl  von  Theilnehmcrn. 

Der  Stil  ist  weich  und  schön  und  könnte  für  griechisch 

gelten,  auch  ist  das  Ornament  zwischen  den  Greifen  von  alt- 

•.^     griechischer  Art,  aber  wie  sich  z.  B.  an  pompejanischen  Can- 

f       delabem  Motive   altetruskischer   Candelaber   wiederholen,  so 

5       kann  auch   dies  Oniament   nach   älteren  Mustern  wiederholt 

sein.   Em  bestimmtes  Indicium  späterer  Zeit  liefert   die  ar- 


•  Im  Griechischen  Saal  11.  368. 

24* 


372  Nachblüthe  der  griecliischeii  Kunst. 

chitektonische   Form   der  Basis  ^   nämlich   die   ausgeschweifte 
Linie  des  untern  Bandes. 

Man  wird  im  Allgemeinen  den  Grundsatz  festhalten  dürfen, 
aus  dem  Ornament  und  Bilderschmuck  eines  Geräthes  auf 
den  Zweck  desselben  zurückzuschliesseu;  und  danach  annehmen 
können,  dass  diese  Basis  mit  ihrem  Candelaber  entweder  fOr 
ein  Heiligthum  des  Bacchus  oder  etwa  auch  f(ir  einen  Ban- 
kettsaal, um  nach  unsrer  Weise  zu  reden,  bestimmt  war. 

Abg".  Righetti,  il  museo  del  Campidoglio  11,  310. 

Die  drei  Figuren  wiederholen  sich  auf  dem  Krater  des  Salpion  und 
sonst,  vgl.  Welcker  Ztsehr.  f.  a.  K.  p.  512  ff.  E.  Braun  Ruinen  p.  144. 
Bötticher  im  Nachtrag  zum  Catalog  des  N.  Mus.  p.  51  meint,  dass  der 
untere  Theil  ursprünglich  nicht  zu  dem  Werke  gehörte ,  was  wohl  je- 
mand gelegentlich  am  Original  \mtersucht. 

639.  Bacchantin*,  Marmorrelief,  das  seiner  Form 
nach  eine  der  drei  Seiten  einer  Candelaberbasis  ausgefüllt  za 
haben  scheint.  Im  britischen  Museum  befindlich,  wohin  es 
mit  der  Townley'schen  Sammlung  gekommen  ist 

Die  Figur  hat  ein  Stück  einer  in  der  Wuth  getödteten 
Ziege  in  der  Hand  und  wurde  aus  diesem  Grunde  mit  der 
Mänade  des  Skopas,  die  dasselbe  Attribut  hatte,  in  Zusam- 
menhang gebracht.  Allein  es  ist  in  der  That  nur  diese  äusser- 
liche  Aehnlichkeit  vorhanden,  im  Uebrigen  ist  sie  gänzlich 
abweichend.  Die  Figur  des  Skopas  war  gewiss  nicht  in  so 
üppigem  und  raffinirtem  Stil  gehalten.  (Vgl.  n.  439.) 

Abg.  marblcs  of  tlie  british  muscum  X,  35.  Vaux  handbook  tu 
the  Brit.  mus.  p.  185. 

640.  Bacchantin**,  Marmorrelief  im  Louvre,  früher 
in  Villa  Borghese. 

Dies  Relief  hat  mit  dem  vorhergehenden  ein  und  dasselbe 
Original,  ist  aber  in  höherem  Relief  gearbeitet  und  schoa 
darum  von  mehr  malerischer,  bewegter  Art,  aber  anch 
im  Stil  vorzüglicher  und  wohl  als  das  schönste  Exemplar 
dieses  oft  vorkommenden  T}Tpus  zu  betrachten. 

Abg.  Clai-ac  musee  desculpt.pl.  135.    Vgl.  descript.  duLüu\Te  n.283. 

641.  Bacchisches  Relief***,  an  einer  Marmorvase,  die 


*  Im  Niol)idensiial  n.  45. 
**  Im  Niobidensaal  n.  53b. 
***  Im  Saal  des  farnesischeu  Stiers  n.  16. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  373 

aus  der  Townle/schen  Sammlnng  ins  britische  Museum  ge- 
kommen ist.  Die  Vase  selbst  ist  fast  ganz  nen  und  auch  von 
den  übriggebliebenen  vier  Figuren  des  Reliefs  ist  der  becken- 
schlagende Satyr  bis  auf  die  untere  Hälfte  der  Beine  neu. 

Ein  dekoratives  Werk,  dessen  einzelne  Figuren  wenig- 
stens znm  Theil  nicht  originelle  Erfindungen  des  Künstlers 
shid.  Der  Flöte  blasende  Satyr  und  die  Bacchantin  sind  be- 
Uebte  Figoren  in  bacchischen  Darstellungen.  Wie  man  aus 
der  Gomposition  sieht;  die  nach  rechts  und  links  auseinander 
geht,  gehören  die  erhaltenen  Figuren  der  hintern  Seite  der 
Vase  an. 

Abg.  Marbles  of  the  brit.  Mus.  I,  9.    Ellis  the  Townley  gallery  II 
215.    Vaux  handbook  p.  256. 

642.  Satyr  und  Korybanten*,  Fragment  einer  Mar- 
morvase,  im  Vatikan  (galeria  de'  candelabri)  befindlich  und 
dort  zu  einem  Ganzen  restaurirt. 

Es  ist  der  Rest  einer  bacchischen  Darstellung,  nämlich 
ein  Satyr  von  zwei  Korybanten  in  der  Stellung  von  Waffen- 
tibizem  nmgeben.    Die  Korybanten  haben  freilich  mythologisch 
mit  Bacchus  nichts  zu  thun,   allein  wir  sehn  in  den  Kunst- 
werken sehr  deutlich,  wie  sich  allmählich  mythologisch  fremde, 
aber  doch  ihrem  Innern  Wesen  nach  verwandte  Gestalten  dem 
bacchischen   Zuge    anschliessen.      Die    Korybanten    gehörten 
einem  Culte  an,  dem  der  grossen  Göttermutter,  der  auch  die 
schwärmerische  Extase,   wie    sie  dem  bacchischen  eigen  ist, 
begünstigte,  und  eben  darum  waren  sie  passende  Kameraden 
der  Satyrn.     Ohnehin  kam  es  bei  dekorativen  Werken  dieser 
Art  viel  weniger  auf  mythologische  Genauigkeit  an,  als  auf 
formelle  Angemessenheit  und  Anmuth,  unter  diesem  Gesichts- 
punkt aber  waren  die  jugendlich  schönen  Gestalten  der  tan- 
zenden Korybanten  eine  werthvoUe  Bereicherung.     Uebrigens 
sind  weder  der  Satyr  noch  die  Waffentänzer  originell  erfun- 
dene Figuren,  wir  haben  es  mit  einem  dekorativen  Werk  rö- 
inischer  Zeit    zu    thun,    dessen   Darstellungen   blosse   Imita- 
tionen sind. 

Abg.  Gerhard  Ant.  Bildw.  Taf.  CVI,  4. 

643.  Silen   und   Amor**,   Terrakottarelief,  mit   der 
Townley'schen  Sammlung  ins  britische  Museum  gekommen. 


V  *  Im  Römischen   Saal  n.  49,    ein  Duplikat  von    zwei   der  darge- 

*^llten  Figuren  ist  unter  n.  74.  75  verzeichnet. 
*^  Im  Gewerbeinstitut. 


374  Nachblüthe  der  griecliischeu  Kuiist 

Eine  der  anmutliigsten  griechischen  Compositionen.  Die 
fröhliche  Jugend;  eine  das  Tambourin  schlagende  Bacchantin 
und  Amor  geben  sich  Mühe;  den  angetrunkenen  Alten  neu  zu 
beleben.  Aber  es  wird  schwerlich  gelingen,  denn  Silen  ist; 
wie  die  Bewegung  seiner  Rechten  vermuthen  lässt,  seiner  nicht 
mehr  mächtig. 

Auf  sorgfältige  Ausführung  machen  diese  Terrakottareliefs, 
die  einen  dekorativen  Zweck  hatten ;  nämlich  zum  Schmuck 
von  Friesen  dienten ;  keinen  Anspruch.  Das  rechte  Bein 
Amors  ist  völlig  weggelassen. 

Abg-.  Terraeottas  of  tlio  brit.  miis.  pl.  5  u.  6.  Ellis  the  Towiiley 
galleiy  I  p.  87.  V^l.  das  übereinstimmende  von  Zoega  bassiril.  II,  79 
erklärte  Relief. 

644.  Mänade  mit  einem  Idol"^;  Marmorrelief  im 
Louvre. 

Die  höchste  Extase  einer  Bacchantin,  treflFend  dadurch 
versinnlicht,  dass  sie  auf  den  Altar  des  Pan  —  denn  diesem 
gleicht  der  Kopf  der  Herme  am  nächsten  —  hinstürzt.  Das 
Götterbild;  das  sie  in  den  Händen  schwingt,  wird  jedenfalls 
ein  der  bacchischen  Raserei  verwandtes  Wesen  bezeichnen; 
man  ist  aber  über  die  genauere  Bezeichnung  desselben  noch 
nicht  emig. 

Abg.  Clarac  pl.  135.  Müller- Wieseler  II,  45,  568.  Vgl.  Wclcker 
Akad.  Mus.  n.  361  \i.  Wieseler  a.  a.  0. 

645.  Satyr  und  Bacchantin**;  Marmorrelief  in  Villa 
Albani.  Ergänzt  ist  die  Bacchantin  von  der  Hüfte  abwärts 
und  der  unter  ihrem  linken  Arm  hängende  Gewandzipfel,  am 
Satyr  das  linke  Bein  vom  Knie  abwärtS;  am  Panther  die  Beine. 

Die  Bacchantin;  mit  einem  feinen  durchsichtigen  Gewände 
bekleidet;  wie  es  diesen  Gestalten  in  der  späteren  Kunst  eigen 
ist;  und  an  den  Armen  von  Schlangen  umringelt,  ist  im  Zu- 
stand höchster  leidenschaftlicher  Extase.  Mehr  lustig  dagegen 
als  leidenschaftlich  ist  der  ihr  folgende  SatyX;  der  am  Zeige- 
finger; wie  man  so  oft  auf  Vasengemälden  sieht;  seine  Schaalft 
hält  und  in  der  andern  Hand  einen  Schellenstock  führt,  ein- 

*  Im  Niobidensaal  n.  55. 
**  Ebendas.  n.  53».     Wo  sich  das  Original   des  fast  ganz  überein — 
stimmenden  mit  n.  53  bezeichneten  Abgusses  befindet ,   weiss  ich  nicht  ^ 
vielleiclit  aber  ist  der  Abguss  von  demselben  Original  genommen  untl. 
mir  etwas  anders  restam'irt. 


'iNachblüthe  der  griechischen  Kunst.  375 

nnserm  Halbmond  zn  vergleichendes  Geräth;  das  im  den  obem 
drei  Abtheilnngen  mit  Glöckchen  besetzt  war^  auf  deren  genaae 
Angabe  es  dem  Künstler  hier  nicht  ankam.  Es  war  ein  In- 
strument sinnlich  aufregender  Art  wie  die  Becken  ^  die  eben 
auch  in  der  bacchischen  Feier  sehr  gewöhnlich  sind.  Gehörnt 
wie  der  unsrige,  werden  die  Satyrn  in  älterer  Zeit  nicht  dar- 
gestellty  dass  der  Homer  drei  und  nicht  zwei  sind;  ist  ver- 
mnthlich  ohne  weitere  Nebenbeziehung.  Ein  naives  Motiv  ist^ 
dass  dem  Panther  vor  der  wilden  Bewegung  des  Satyrs  offen- 
bar bange  wird. 

Die  obere  Einfassung  dqs  Reliefs  mit  Stierschädeln  — 
ein  Unheil  abwehrendes  Symbol  — y  Rosetten,  die  nur  oma- 
mentale Bedeutung  haben,  und  Opferschaalen  scheint  auf  eine 
friesartige  Verwendung  des  Reliefs,  das  sich  vielleicht  noch 
fortsetzte    oder   auch   einen   metopenartigen  Raum    ausftlllen 
konnte,   hinzudeuten.     Und   zwar   führen   die   Opferschaalen, 
aach  die  Stierköpfe,  die  man  so  oft  an  den  Friesen  von  Hei- 
Ugthümem  findet,  darauf,  dass  das  Relief  am  Fries  eines  Hei- 
ügthoms,  vermuthlich  des  Dionysos,  angebracht  war. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  dieses  so  geist- 
md  lebensvoll  componirte  Relief  auf  ein  griechisches  Original 
zurückgeht,  freilich  nicht  auf  ein  Original  der  Blüthezeit. 
Dazu  sind  die  Bewegungen  bereits  zu  excentrisch,  das  Pathos 
zu  gesteigert. 

Abg.  bei  Winckelmanu  nioiinm.  ined.  60.  Zoega  bassiril.  II,  82 
p.  174.  Müller- Wieseler  II,  43,  544.  Vgl.  Wieseler  a.  a.  0.  und  0. 
Jahn  Aniiali  1857  p.  226  Anm. 

646.  Satyr*,  Fragment  eines  Marmorreliefs,  das  1862 
im  Dionysostheater  zu  Athen  gefunden  ist  und  sich  noch  in 
Athen  befindet. 

Die  Darstellung  ist  ihres  fragmentirten  Zustandes  wegen 
iiicht  näher  zu  bestimmen.  Eine  Hand  fasst  den  Satyr  am 
Kinn,  hinter  ihm  befindet  sich  der  Rest  eines  Hahns.  Unbe- 
deutende Arbeit. 

Abg^.  'E(pYiyL.  äQxaiol,  1862  Taf.  29  p.  214. 

647.  Trunkener  Silen**,  Marmorrelief,  aus  dem  Be- 
sitz der  Barberini  an  den  Bildhauer  Cavaceppi  und  durch 
<Wesen  in  den  Vatikan  gekommen. 

*  Im  (jriechischen  Saal  n.  336  e. 
**  Im  Niübideusaal  u.  118. 


i 


376  (Nachblüthe  der  griechischen  KuiiA 

Silen  ist  nicht  mehr  im  Stande  sich  anfrecht  zu  erhalten^ 
ein  Satyr;  der  nm  der  komischen  Wirkung  willen  in  bedeutend 
kleineren  Proportionen  gehalten  ist^  stützt  ihn  mit  Aufbietung 
aller  Kräfte^  während  ein  zweiter  sich  den  Spass  macht^  ge- 
wisse Theile  der  Ungeheuern  Fettmasse  in  ihrer  natürlichen 
Erscheinung  zu  betrachten. 

Wir  lassen  es  unbestimmt^  ob  die  Gomposition  griechisch 
oder  römisch  ist;  gewiss  ist  sie  geistreich  und  lebendig. 

Abg.  bei  Visconti  Pio-Clem.  IV,  28  wo  aber  das  Motiv  des  zweiten 
Satyrs  missverstanden  ist.  Richtig  Conze  in  der  Besprecliung  der  eng- 
lischen Replik  im  Archaeol.  Anz.  1864  p.  213. 

648.  Faun  mit  dem  Flecken*,  Marmorkopf,  nahe 
bei  dem  Grabmal  der  Cäcilia  Metella  gefunden,  früher  in  Bo- 
logna, dann  in  Villa  Albani,  jetzt  in  der  Glypthothek  zu  Mün- 
chen. Ein  grüner  Fleck  auf  der  rechten  Seite  des  Gesichts 
hat  den  Namen  fauno  colla  macchia,  faune  ä  la  tache  ver- 
anlasst.   Die  Brust  ist  neu. 

Winckelmann  hat  diesen  Satyrkopf  als  „einen  der  schön- 
sten Köpfe  aus  dem  Alterthum,  in  Absicht  der  Ausarbeitung^ 
gepriesen,  während  v.  Humohr  ihn  schwerlich  mit  Recht  f&r 
ein  modernes  Werk  erklärte.  Der  Typus  ist  jedenfalls  alt^ 
da  mehrere  Exemplare  desselben  existiren.  Das  Original  ist 
sehr  stark  polirt  und  aus  diesem  Grunde  wohl  erst  späterer 
Zeit  zuzuschreiben,  wenn  es  auch  auf  ein  griechisches  Vorbild 
znrückgehn  mag. 

Abg.  Müller-Wieseler  II,  39, 454.  Vgl.  Schorn  Catalog  z.  Glypthotek 
n.  102.  Winckelmann  Gesch.  d.  K.  V,  1,  6  mit  Meyer's  Note.  SchöU  im 
Philologus  1863,  XX  p.  413.  Bei  dem  Kunsthändler  Luigi  Abbate  in 
Rom  sah  ich  im  J.  1866  den  Abdruck  eines  mit  dem  Namen  des  Dies- 
curides  bezeichneten  Steins,  auf  dem  derselbe  Kopf  dargestellt  war. 

649.  Satyr**,  Erzbüste  aus  Villa  Albani,  jetzt  in  der 
Glyptothek  in  München.  Die  Büste  ist  neu.  Die  Augen  wa- 
ren aus  Silber  oder  Steinen  eingesetzt 

Einer  der  lebensvollsten  Satyrköpfe,  die  uns  erhalten 
sind,  sehr  jugendlich  und  von  naiver  Fröhlichkeit  und  Sinn- 
lichkeit. Gewiss  griechisch,  wenn  auch  nicht  aus  der  Zeit 
vor  Lysippus. 

Abg.  Müller- Wieseler  II,  39, 456.  Vgl.  Schorn,  Catalog  z.  Glyptothek 
n.  296.     Winckelmann  Gesch.  d.  K.  VII,  1,  21. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  125. 
**  Ebendas.  n.  124. 


it^l^achblüthe  der  griechischen  Kunst  377 

660.  651.  Flötende  Satyrknaben *^  Itturmorstatnen, 
firflher  in  Villa  Borghese^  seit  1808  im  Louvre.  Ergänzt  ist 
nur  Unbedeutendes. 

Der  Typus  eines  in  behäbiger  Ruhe  die  Querflöte  bla- 
senden Satyrknaben  ist  hier  durch  zwei  Wiederholungen  un- 
gleichen Werths  repräsentirt  Weit  vorzüglicher  ist  die  an  den 
Pfeiler  gelehnte  Figur;  zunächst  hinsichtlich  der  Stellung^  in- 
sofern sie  sich  behaglicher  anlehnt  als  die  andre;  und  dann 
in  den  Formen;  die  weicher  und  harmonischer  verschmolzen 
sind.  Dagegen  ist  der  Künstler  in  Betreff  des  Pfeilers  wohl 
schwerlich  seinem  Original  treu  geblieben.  Der  Baumstamm; 
auf  welchen  sich  die  andre  Figur  stützt;  passt  wenigstens 
besser  zur  Situation,  da  er  den  Satyr  in  seinen  Wald  versetzt. 
An  einem  Exemplar  im  Gapitol  liegt  unten  am  Stamm  noch 
ein  kleines  Rind;  wodurch  die  ganze  Scene  noch  idyllischer 
wird.  Man  sieht  zugleich  aus  diesem  Beispiele;  wie  frei  die 
Copisten  hinsichtlich  des  Beiwerks  verfuhren. 

Dieser  Typus  ist  sehr  verwandt  dem  gewöhnlich  auf  Pra- 
xiteles zurückgeführten  ebenfalls  an  einen  Baumstamm  ge- 
lehnten SatjT;  von  dem  auch  das  hiesige  Museum  zwei  Exem- 
plare besitzt.  Nur  hat  jene  praxitelische  Figur  einen  hohem 
Charakter;  eine  idealere  dem  Dionysos  ähnliche  Schönheit 
und  Anmuth;  während  hier  schon  wegen  der  Verschiedenheit 
des  Alters  das  naiv  Idyllische  vorwiegt.  Wenn  nun  wirklich 
jene  reifere  Satyrgestalt  dem  Praxiteles  zugeschrieben  werden 
darf  —  wofür  besonders  die  grosse  Aehnlichkeit  derselben 
mit  dem  wirklich  von  Praxiteles  herrührenden  Sauroctonos  in 
der  Stellung  und  überhaupt  im  Geschmack  angeführt  werden 
kann  — ^  so  möchte  die  Figur  des  SatyrknabeU;  die  von  jener 
nnläagbar  abhängig  ist;  von  einem  Schüler  des  Praxiteles 
herrühren.  Sie  würde  dann  ungefähr  in  die  Zeit  fallen;  als 
die  bukolische  Poesie  blühte;  und  einer  solchen  Geschmacks- 
richtung; die  auf  dem  Gebiet  der  Poesie  das  Idyll  hervor- 
brachte; entspricht  die  Statue  aufs  Genaueste. 

Abg.  Clarac  pl.  296.  Die  Meinung,  dass  diese  Statue  nach  dem 
Satyr  des  Protogenes  copirt  sei,  ist  von  Welcker  Akad.  Mus.  zu  Bonn 
2.  Aufl.  p.  26  Aum.  28  mit  einleuchtenden  Gründen  bestritten.  In  der 
description  du  Louvre  n.  146  wird  der  Gestus  des  Knaben  unrichtig 
aufgefasst  wegen  der  irrthümlichen  Meinung,  dass  die  Alten  keine  Quer- 
flöten nach  unsrer  Weise  gekannt  hätten.     Vgl.  z.  B.  das  Berliner  Mo- 


•  Im  RomlschtMi  Saal  n.  12  u.  62. 


378  Nachblüthe  der  griechischen  Künste  j 

saik  mit  der  Darstellung  einer  ägyptischen  Landschaft,  die  Copie  des 
pränestinischen. 

652.  Pansweibchen*,  Marmorstatue  in  Villa  AlbanL 
Ergänzt  sind  beide  Ftisse,  die  rechte  Hand  mit  der  Flöte  und 
Einiges  an  der  Linken,  doch  ist  das  Motiv  der  Figur  gesichert 

Diese  allerliebste  kleine  Statue  gewährt  uns  das  seltene 
Schauspiel  eines  weiblichen  Pan,  aber  in  zarterer  und  edlerer 
Auffassung  als  je  ein  männlicher  Pan  dargestellt  wird.  Ge- 
wiss haben  wir  das  Werk  in  der  Originalgrösse  vor  uns,  denn 
es  verliert  bedeutend,  wenn  man  es  sich  vergrössert  denkt 

Die  Statue  könnte  mit  den  eben  erwähnten  flötenden 
Satyrknaben,  denen  sie  sehr  ähnlich  ist,  derselben  Periode  zu- 
geschrieben werden  und  dass  sie  nicht  früher  als  in  alexan- 
drinischer  Zeit  entstanden,  ist  freilich  gewiss.  Sie  wird  für 
einen  Garten  oder  für  ländliche  Umgebung  bestimmt  gewesen 
sein,  wie  sich  in  Pompeji  ein  hübsches  Beispiel  eines  von 
kleineren  Satyrn  und  Panen  belebten  Gartens  erhalten  hat 

« 

Abg.  bei  Clarac  musee  de  sculpt.  pl.  727.     Vgl.  E.  Braun  Ruinen 
u.  Museen  Roms  p.  656. 

653.  Satyr  mit  einem  Böckchen**,  Marmorstatoe 
in  Madrid.  Ergänzt  sind  Kopf  und  Füsse  der  Ziege,  am  Sa- 
tyr beide  Arme  und  das  linke  Bein  vom  Knie  abwärts. 

Composition  und  Stil  dieser  Gruppe  sind  gleich  vortreff- 
lich. Das  trauliche  Verhältniss  zwischen  dem  Satyr  und  sei- 
nem Thier  ist  äusserst  anziehend,  der  Stil  sehr  lebensvoll 
Das  Werk  scheint  griechisch  und  dilrfte  dann  so  manchen 
idyllischen  Darstellungen  aus  der  spätem  Zeit  der  griechischen 
Kunst  zuzurechnen  sein.  Der  Fichtenkranz  und  die  Syrinx 
die  am  Stamm  hängt,  sind  nicht  ausgeführt,  und  am  Kinn  des 
Satyrs  ist  ein  Messpunkt  stehn  geblieben. 

Abg.    Clarac   pl.    726   E.      Vgl.    Hübner   die    Antiken    in    Madrid 
p.  66  n.  59. 

654.  Pan  und  Olympus***,  Broncegruppe  aus  Pompeji, 
im  Antikenkabinet  zu  Arolsen  befindlich. 

Diese  Gruppe  ist  die  verkleinerte  Copie  einer  schönen 


*  Im  Römischen  Saal  n.  13. 
**  Ebendas.  n.  11. 
***  Im  Saal  der  Tliiere  mid  Broncen  n.  344. 


.Nachblüthe  der  griechi»clien  Kunsk  579 

in  mehreren  Exemplaren;  deren  schönstes  sich  za  Neapel  be- 
findet;  erhaltenen  lebensgrossen  Gruppe.  Plinius  erzählt  von 
einer  sehr  geschätzten  Marmorgruppe  des  Pan  und  Olympus, 
die  sich  zu  seiner  Zeit  in  Rom  befand  und  gewiss  von  Grie- 
chenland herübergeholt  war,  worauf  schon  der  Umstand  deutet, 
dass  man  den  Künstler  dieses  Werkes  nicht  mehr  anzugeben 
WQsste.  An  demselben  Ort  war  auch  eine  Gruppe  des  Chiron 
und  AchiU  aufgestellt,  gewiss  übereinstimmend  mit  der  in  so 
vielen  Gopien  erhaltenen  Darstellung,  in  welcher  der  Centaur 
den  jungen  Helden  auf  der  Leier  unterrichtet,  man  hat  daher 
vermuthet,  Pan  und  Olymp  möchten  als  ein  Seitenstück  zu 
dieser  Gruppe  componirt  gewesen  und  also  mit  der  uns  er- 
haltenen Gruppe  zu  identificiren  sein. 

Diese  Vermuthung  ist  sehr  ansprechend,  nur  die  Musik 
konnte  Pan  und  Oljrmp  —  letzterer  ist  ja  auch,  wenngleich 
auf  der  Flöte  ein  berühmter  Virtuose  —  zusammenführen  und 
es  war  dann  natürlicli,  dass  der  Gott  den  Knaben  auf  seinem 
Instrument,  der  Syrinx,  unterrichtete. 

Die  Gruppe  wäre  höchst  anziehend  und  ein  reizendes 
plastisches  Idyll  zu  nennen,  wenn  nicht  die  Lüsternheit  des 
(rottes  störend  dazwischen  träte.  Denn  in  Pan  erwachen  bei 
dem  Anblick  des  schönen  Knaben  thierische  Begierden,  denen 
€r  Ausdruck  zu  geben  im  Begriff  ist. 

Wir  können  nicht  läugnen,  dass  dies  Motiv  den  Reiz  der 
Gruppe  vernichtet  und  den  Eindruck  des  Widerwärtigen  her- 
vorruft, die  Gruppe  ist  ein  signifikantes  Beispiel  für  die  Aus- 
artung der  Kunst  ins  Schlüpfrige.  Wir  werden  das  Original 
derselben,  das  gewiss  griechisch  war,  in  der  Zeit  nach  Ale- 
xander aufzusuchen  haben. 

Vgl  Gädecheiis,  Die  Antiken  des  Fürstlicli  Waldeckischen  Museums 
zu  Arolsen  n.  120.  Stephani  im  Compte-rendu  pour  l'annee  1862  p.  98  stellt 
eine  ^anz  neue  Erklärung  dieser  Gruppe  auf,  indem  er  die  Zurück- 
fuhrung derselben  auf  die  von  Plinius  erwähnte  Gruppe  bestreitet,  in 
welcher  vielmehr  der  Berichterstatter  statt  eines  Marsyas  einen  Pan  zu 
sehen  geglaubt  habe.  Das  ist  eine  etwas  starke  Zumuthung,  da  Plinius 
viiu  einer  allgemein  bekaimten  und  beriihraten  Gruppe  spricht,  die  er 
ebendeswegen  nicht  anders  bezeichnet  haben  wird,  als  wie  sie  im  Pu- 
blikum bekannt  war.  Es  ist  gewiss  richtig,  dass  Olympus  sonst  nichts 
mit  der  Syrinx  zu  thun  hat,  aber  in  seiner  Verbindung  mit  Pan,  die 
wir  nach  der  Stelle  des  Plinius  anzunehmen  haben,  ist  es  doch  sehr 
natürlich.  Was  aber  die  neue  Erklärung  betrifft,  dass  vielmehr  Pan 
und  Daphnis  dargestellt  seien,  so  bezweifle  ich,  ob  ein  Künstler  den 
Daphnis,  welchen  sich  das  Alterthum  g^ewiss  wie  Theokrit  als  eine  Ge- 
stah  elegischer  Art  dachte,  der  Lüsternheit  des  Pan  exponirt  haben 
würde. 


380  ^Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

655.  Pan*,  Marmorstatue,  1840  im  Piräus  gefanden,  in 
Athen,  im  Thesemn  befindlich. 

Der  Pfeiler,  an  dem  die  Figur  steht,  und  die  oben  auf 
demselben  eingeschnittene  Vertiefung  zeigen,  dass  das  Werk 
zu  einem  grösseren  architektonischen  Ganzen,  wahrscheinlich 
zu  einer  Balustrade  gehörte.  In  Cambridge  befindet  sich  eine 
ganz  übereinstimmende  Figur  und  andere  Beispiele  dafftr, 
dass  man  die  Pfeiler  eines  Geländers  mit  Hermenköpfen  oder 
auch  mit  angelehnten  Figuren  verzierte,  sind'  nicht  selten. 
Die  architektonische  Verwendung  erklärt  die  ruhige  Stellung 
der  Figur,  und  auch  wohl  die  bei  Pan  nicht  gewöhnliche  Be- 
kleidung, durch  welche  der  Umriss  der  Figur  der  Form  des 
Pfeilers  sich  besser  anpasst.  In  der  herabhängenden  Linken 
hält  er  die  Syrinx. 

Die  Figur  war  bemalt,  man  bemerkte  bei  der  Ausgrabung 
Spuren  von  rother  Farbe  im  Gesicht. 

Abg.  Scholl  Archaeol.  Mitth.  Taf.  5,  9  p.  94.  Le  Bas  monmn.  flg. 
pl.  30.  Müller-Wieseler  II,  43,  532.  Vgl.  Curtius  im  bull.  1840  p.  136. 
Michaelis  Aunali  1863  p.  310. 

656.  Der  barberinische  Faun**,  Marmorstatue,  ge- 
funden unter  dem  Papst  Urban  VIII.  in  dem  das  Grabdenkmal 
Hadrians,  das  jetzige  Castell  St.  Angelo  umgebenden  Graben^ 
weswegen  Winckelmann  vermuthete,  sie  habe  zu  den  Statuen 
gehört,  die  bei  der  Belagerung  dieses  CasteUs  durch  die 
Gothen  zur  Zeit  Justinians  von  den  Belagerten  auf  die  Feinde 
herabgestürzt  wurden.  Die  Statue  kam  zuerst  in  den  Besitz 
der  Barberini  und  von  da  in  die  Glyptothek  in  München,  wo 
sie  sich  uoch  befindet.  Ergänzt  sind  das  rechte  Bein  fast 
ganz,  auch  das  linke  bis  auf  kleinere  Stücke,  der  linke  Vorder- 
arm, der  rechte  Ellbogen,  die  Finger  der  rechten  Hand. 

Die  Statue  stellt  einen  seinen  Bausch  ausschlafenden 
Satyr  vor,  in  unedler  aber  für  ihn  und  seinen  Zustand  cha- 
rakteristischer Haltung.  Sie  ist  gewiss  als  ein  griechisches 
Originalwerk  zu  betrachten,  theils  weil  sie  in  einem  Grade 
lebensvoll  ist,  wie  wenig  andere  Antiken,  theils  weil  derselbe 
Gegenstand  auf  einem  kleineren  griechischen  Kunstwerk  er- 
wähnt wird,  das  nicht  als  Vorläufer,  sondern  nur  als  Nach- 
folger eines  grösseren  statuarischen  Werks  betrachtet  werden 


•  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  13. 
••  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  n.  13. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  381 

kann.  Der  Künstler  desselben  lebte  jedenfalls  vor  Pompejos, 
womit  wir  demnach  auch  für  die  Marmorstatne  eine  Zeit- 
grenze gewinnen.  Als  Grenzpunkt  nach  rückwärts  dagegen 
betrachten  wir  die  Zeit  Alexanders^  denn  bei  aller  Grossartig- 
keit der  Anlage  ist  doch  das  Ganze  so  naturalistisch,  dass 
es  der  vorlysippischen  Kunst  nicht  zugeschrieben  werden  kann. 
Winckelmann  sagte,  der  Satyr  sei  ,,kein  Ideal,  sondern  ein 
Bild  der  sich  selbst  gelassenen  einfältigen  Natur."     , 

Abg.  Müller-Wieseler  II,  40,  470.  Vgl.  Winckelmann's  Kunstgesch. 
Xn,  3  §  6  u.  V,  1,  §  6.  Schorn's  Catalog  z.  Glyptothek  n.  98,  nament- 
lich aber  v.  Lützow  in  d.  Vhandl.  d.  21.  Philologenvsaminlg.  in  Augs- 
burg p.  71.  Nur  bezweifle  ich  das  Wolfsfell  und  die^  daraus  gezogene 
Folgerang  ohne  freilich  selber  das  Fell  genauer  bestimmen  zu  können. 
Ueber  das  im  Text  erwähnte  Werk  des  Antipater  vgl.  Plin.  33,  135. 

657.  Tanzender  Silen*,  Marmorstatue,  1824  im  Sa- 
binerlande  am  Monte  Calvo  gefanden.  Von  der  Familie 
Borghese  gekauft  und  in  Villa  Borghese  befindlich.  Ergänzt 
(in  Gyps)  sind  die  Arme,  ausserdem  ein  Theil  des  linken 
Schenkels  und  der  grössere  Theil  des  Fells  und  des  Stammes. 

Die  Ergänzung,  wiewohl  unter  der  Leitung  von  Thor- 
waldsen  ausgeführt,  scheint  nicht  richtig  zu  sein.  Mehrfache 
Wiederholungen  der  Figur  auf  Reliefs  beweisen  vielmehr,  dass 
der  Satyr  nicht  die  Becken  schlug,  sondern  eine  Doppelfiöte 
im  Munde  hatte.  Zum  Beckenschlagen  gehört  auch  eine  etwas 
lebhaftere  Aktion,  das  ruhige  Herumdrehen  im  Kreise,  wie  es 
hier  ausgedrückt  ist,  verlangt  eine  andere  Musik.  Endlich 
scheinen  auch  die  aufgeblähten  Backen  einen  Flötenbläser 
anzudeuten,  ja  man  glaubt  es  dem  Munde  anzusehen,  dass 
sich  in  jedem  Winkel  desselben  eine  Flöte  befand. 

Es  ist  nicht  ein  lustiger  Tanz,  den  der  Satyr  tanzt,  son- 
dern —  und  hierin  liegt  die  komische  Pointe  der  Figur  — 
der  Satyr  sucht  in  Bewegung  und  Mienen  die  grösste  Feier- 
lichkeit und  Würde  zur  Schau  zu  stellen.  Die  ganze  Figur 
reckt  und  streckt  sich  um  einen  möglichst  imponirenden  Ein- 
druck zu  machen.  Aber  das  Feierliche  gelingt  ihm  nicht 
recht,  den  linken  Fuss  setzt  er  über  den  rechten  und  be- 
sonders komisch  ungraziös  ist  die  Art,  wie  er  den  Fuss  setzt, 
nämlich  quer,  so  dass  die  Seitenfläche  des  Fusses  nach  aussen 
gewandt  ist. 

Hinsichtlich    der  Zeitbestimmung   ist   die  Meinung   aus- 


im  Niobidensaal  n.  79. 


382  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

gesprochen  worden,  die  Figur  habe  myronischen  Charakter. 
Das  ist  aber  schwerlich  möglich.  Man  vergleiche  nur  den 
Kopf  des  myronischen  Marsyas  (n.  100),  um  einen  Unter- 
schied von  Jahrhunderten  zu  empfinden.  Dort  überall  stili- 
stische Strenge,  hier  der  freieste  und  üppigste  Realismus, 
Auch  konnte  eine  solche  Statue  wohl  nicht  eher  entstehen^ 
ehe  die  Künstler  gelehrte  Studien  der  Anatomie  machten.  Es 
tritt  zwar  in  der  wundervoll  durchgeführten  Biegung  und 
Dehnung  des  Körpers  durchaus  keine  Prätension  hervor,  da 
Alles  aus  dem  Grundmotiv  folgt,  allein  die  Statue  setzt  doch 
eine  gelehrte  und  studirte  Richtung  der  Kunst  voraus,  und 
kann  eben  deswegen  schwerlich  vor  der  alexandrinischen  Zeit 
entstanden  sein. 

Abg.  Moimm.  d.  inst.  III,  59.  Vgl.  Wiese  in  Annali  1843  p.  266  tf. 
Die  richtige  Ergänzung  ist  von  Brunn  im  Rliein.  Mus.  1846  p.  468  ff. 
nachgewiesen,  der  auch  auf  die  Uebereinstimmung  dieses  Satyrs  mit 
Callistratus  stat.  1  aufmerksam  macht.  Braun  Ruinen  und  Museen 
p.  555  bestreitet  die  Ergänzung  zum  Flötenbläser,  aber  wie  mir  scheint, 
mit  unzureichenden  Gründen. 

658.  Ausschauender  Satyr*,  Marmorstatue,  aus  La- 
mia  in  Thessalien,  jet^t  in  Athen. 

Die  Ergänzung  der  Figur  kann  theils  nach  vorhandenen 
Wiederholungen,  theils  nach  den  in  den  erhaltenen  Theilen 
gegebenen  Andeutungen  mit  Sicherheit  bestimmt  werden.  Es 
ist  ein  in  die  Ferne  hinausspähender  Satyr,  der  eben  des- 
wegen auf  den  Fussspitzen  steht  und  mit  der  Rechten  die 
Augen  bedeckte.  Die  Stellung  ist  für  den  neugierigen  mit 
lüsternen  Augen  überall  hinspähenden  Dämon  höchst  cha- 
rakteristisch. 

Das  Motiv  ist  dem  der  eben  besprochenen  Statue  sehr 
ähnlich,  es  ist  auch  eine  auf  den  Fussspitzen  stehende  sich 
ausreckende  Figur.  Die  Formen  sind  freilich  sehr  verschie- 
den, hier  tritt  uns  ein  weicherer  Satyrtypus  entgegen.  In- 
dessen kommen  doch  auch  übereinstimmende  Satyrgestalten  von 
strafferer  Bildung  vor**,  wodurch  denn  die  Aehnlichkeit  noch 
grösser  wird. 

Der  Maler  Antiphilus,  der  nicht  früher  als  unter  dem 
ersten  Ptolemäer  lebte,  malte  einen  sehr  berühmten  Satyr  mit 
dem  Pantherfell,  der  den  Namen  Aposcopeuon  führte.   Damit 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  44. 
**  Vgl.  z.  B.  eine  schöne  Broncestatuette  im  hiesigen  Antiqiiarium. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  383 

ist  genau  die  Stellang  dieser  Figur  bezeichnet  und  ohne  be- 
haupten zu  wollen^  dass  sie  von  dem  Gemälde  des  Antiphilus 
copirt  sei;  glauben  wir  doch  dies  daraus  entnehmen  zu  können; 
dass  ihre  Auffassung  der  Zeit  des  Malers  entspricht.  Ausser- 
dem bestimmt  uns  die  Aehnlichkeit  mit  dem  eben  besproche- 
nen Werk  auch  diese  Figur  der  alexandrinischen  Periode  zu- 
zuweisen. 

Abg.  Scholl  Archaeol.  Mitth.  Taf.  5,  n.  11.  Vgl.  ii.  68  p.  93 
und  p.  111.  Eine  sehr  ähnliche  Figur  in  Pompeji  bei  Overbeck,  Poni- 
ptji  n,  Fig.  300a. 

659.  Marsyas*;  MarmortorsO;  bei  den  im  Jahre  1844 
von  L.  Vescovali  auf  dem  Palatin  veranstalteten  Ausgrabungen 
gefunden  und  im  Berliner  Museum  befindlich. 

Die  Ergänzung  kann  nach  den  IndicieU;  die  der  Torso 
selbst  bietet;  und  nach  den  zahlreichen  Wiederholungen  mit 
Sicherheit  angegeben  werden.   Der  Körper  des  Marsyas  hing 
nämlich  von  einem  Baum;  der  an  der  Rückseite   der  Figur 
noch  Spuren  hinterlassen  hat,  herab,  indem  beide  Arme  über 
dem  Kopf  befestigt  waren;  der  Kopf  hing  betrübt  nach  unten. 
Die  Statue ;   entweder  sie  selbst  oder  ihr  Original;  war 
ein   Theil   einer  Gruppe;   in   welcher   die    Vorbereitung   zur 
Schindung  des  Marsyas  —  die  Strafe  für  seine  Ueberhebuug, 
die  ihn  einen  Wettkampf  mit  Apollo  eingehen  liess  —  dar- 
gestellt war.     Die  Zahl   der  Figuren,   welche    diese  Gruppe 
bildeten;  lässt  sich  nicht  ganz  genau  bestimmen,  doch  waren 
mindestens  drei  nothwendig;  Apollo,  der  das  Messer  zur  Schin- 
dung schleifende  Barbar  (n.  660)  und  Marsyas. 

Unter  den  vielen  Wiederholungen  dieser  Figur  ist  die 
Mesige  gewiss  die  schönste.  Das  Frische  und  Schwellende  in 
der  Behandlung  des  Nackten  lässt  in  ihr  ein  griechisches 
Werk  und  zwar  ein  Originalwerk  voraussetzen.  Auch  das 
Satyreske  des  Marsyas  ist  in  den  Formen  und  im  Haarwuchs 
cbarakteristisch  dargestellt.  Die  Haare  auf  der  Brust  und 
^ter  den  Armen  charakterisiren  gemeinere  Naturen  und  auch 
die  Schamhaare  werden  an  edleren  Wesen  viel  bescheidener 
angegeben. 

Indessen  ist  das  Werk  schwerlich  früher  entstanden  als 
in  der  Periode  nach  Alexander.  Zunächst  ist  schon  der 
^genstand  wenig  erfreulich.  Die  Strafe  der  Schindung  hat 
schon  an  sich  —  mag  es  auch  durchaus  gerecht  sein,  dass 


*  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  10. 


334  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

Marsyas  überhaupt  bestraft  wird  —  etwas  Widerwärtiges, 
ausserdem  aber  veranlasst  der  für  die  Gruppe  gewählte  Mo- 
ment, die  Schleifung  des  Messers,  die  peinlich  hülflose  Lage 
des  armen  Satyrs,  gerade  an  dies  Widerwärtige  zu  denken. 
Eine  idealer  gestimmte  Zeit  hätte  schwerlich  den  Gegenstand 
in  dieser  Weise  aufgefasst.  Aber  die  Absicht  des  Künstlers 
ging  auch  nicht  dahin,  durch  Darstellung  von  etwas  ethisch 
Ergreifendem  zu  wirken,  sondern  vielmehr  an  dem  herab- 
hängenden Körper  des  Marsyas  eine  Probe  seiner  Kenntniss 
des  Nacktea  und  seiner  Virtuosität  in  der  Darstellung  abzu- 
legen. Die  Statue  ist  dem  borghesischen  Fechter  und  dem 
borghesischen  Satyr  (n.  657)  verwandt  und  aus  einer  Kunst- 
richtung hervorgegangen,  der  das  Einfache  und  Natürliche 
nicht  pikant  genug  war,  die  im  Bewusstsein  ihrer  Virtuosität 
schwierige  Aufgaben  suchte  und  glänzend  löste. 

Die  Fundnotiz  im  bullet.  1851  p.  17.  Vgl.  Michaelis  Ann.  1858 
p.  320  ff.,  der  die  Gruppe  als  aus  drei  Personen,  Marsyas,  Apollo  und 
dem  Schleifer  bestehend  zu  reconstruiren  sucht  und  mit  Brunn  (Ann. 
1857  p.  129)  einen  sitzenden  Apoll  dem  Marsyas  gegenüber  an- 
nimmt. Mir  scheint  diese  Annahme  etwas  bedenklich,  einmal  weil  der 
aufrechten  Figm*  des  Marsyas  besser  ein  stehender  Apoll  entsprechen 
würde  und  sodann  wegen  sehr  vieler  Gemmen,  die  in  dieser  letzteren 
Weise  componirt  sind. 

660.  Schleifer  von  Florenz*,  berühmte  Marmorstatue, 
deren  Ergänzung  unbedeutend  ist,  sie  betrifft  hauptsächlich 
die  drei  ersten  Finger  der  linken  Hand. 

Die  Statue  oder  wenigstens  der  von  ihr  repräsentirte 
Typus  war  ein  Bestandtheil  derselben  Gruppe,  welcher  die 
eben  besprochene  Figur  des  Marsyas  angehörte.  Sie  stellt 
den  Barbaren  dar,  der  mit  grinsendem  Blick  auf  sein  Opfer 
gerichtet,  das  Messer  schleift,  mit  dem  die  Execution  voll- 
zogen werden  soll.  Wahrscheinlich  nahm  diese  Figur  die 
Mitte  der  Gruppe  ein. 

Der  Künstler  hat  die  Execution  einem  Barbaren  über- 
tragen im  Anschluss  an  den  Mythus,  denn  in  Athen,  wo  der 
Mythus  hauptsächlich  seine  Ausbildung  erhalten,  wurde  das 
Schergenamt  von  Barbarensklaven  versehen.  Zudem  erforderte 
die  Handlung  selbst  eine  gemeinere  Natur.  Diese  gemeine 
Barbarennatur  ist  nun  in  allem  Einzelnen,  in  der  Stellung,  in 
dem  lederartigen  Gewand,  in  der  engen  Brust,  in  der  Schädel- 


*  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  8. 


I 


Nachblüthe  der  gpriechischen  Kunst  385 

bildong^  die  nach  Blomenbach  kosakenähnlich  ist;  in  dem  Bart 
und  unordentlichem  Haupthaar  sehr  charakteristisch  und  leben- 
dig wiedergegeben.  Auch  treten  wie  am  sterbenden  Fechter 
die  Haatfalten  über  den  Knöcheln  der  Hände  und  die  Adern 
stärker  hervor  als  an  idealen  Gestalten  üblich  ist. 

Die  Gruppe  gehört,  wie  schon  beim  Marsyas  bemerkt, 
der  griechischen  Kunst  nach  Alexander  an,  als  nicht  mehr 
allein  ideale  Schönheit,  sondern  auch  das  Hässliche  in  seinen 
duLtaktenstischen  Erscheinungen  von  den  Künstlern  zum  Vor- 
^rf  genommen  wurde. 

Zur  Charakteristik  einer  früheren  Erklärungsweise  be- 
merken wir,  dass  diese  Figur,  ehe  sie  ihren  richtigen  Namen 
erhielt,  für  den  Barbier  erklärt  wurde,  der  dem  Cäsar  die  Ver- 
schwörung des  Achillas  und  Pothinus  entdeckte. 

Abg.  Müller  -  Wieseler  II,  14,  155.  Vgl.  0.  Mttller's  Handbuch 
|.  862,  4  uiid  namentlich  Meyer  Amalthea  I,  286  ff.  und  zu  Winck. 
Kunsigesch.  11,  1  §  10,  wo  auch  die  Ergänzungen  genau  angegeben. 
Im  Zusammenhang  mit  anderen  Darstellungen  der  Marsyasmythe  neuer- 
«iings  besprochen  von  Michaelis  Ann.  1858  p.  298  f.  und  Stephani  Compte- 
"^wdn  1862,  134. 

661.  Junokopf*,  von  Marmor,  in  Villa  Ludovisi.  Die 
Nasenspitze  und  Unbedeutendes  am  Halse  ist  ergänzt. 

Wenn  auch  im  Leben,  wie  wir  aus  Homer  sowohl  als 
^  aas  den  attischen  Grabsteinen  sehen,  die  Verschleierung  des 
Kopfes  in  gleicher  Weise  bei  Jungfrauen  wie  bei  Matronen 
üblich  war,  so  finden  wir  doch,  dass  die  Kunst  wenigstens  in 
ihrer  vollendeten  Zeit  unter  den  göttlichen  Frauen  in  dieser 
Beziehung  unterscheidet.  Artemis  z.  B.,  die  im  älteren  Stil 
vohl  mit  einem  Schleier  vorkommt,  verliert  ihn  später,  als 
eigenthümlich  kann  die  Verhtillung  des  Kopfes  nur  an  Juno, 
Ceres  und  HesMa  betrachtet  werden,  kurzum  an  Göttinnen, 
in  deren  Charakter  etwas  Ernstes,  Feierliches  und  Würde- 
volles liegt,  das  eben  durch  die  Verhtillung  verstärkt  wer- 
•len  soll. 

Der  Ausdruck  dieses  Kopfes  ist  tiberwiegend  milde.  Ver- 
gleichen wir  den  Farnesischen  Kopf  (n.  89),  die  Ludovisische 
Colossalbüste  (n.  433)  und  diesen,  so  sehen  wir  stufenweise 
Jen  junonischen  Ernst  und  ebenso  die  Strenge  des  Stils  sich 
Diüdem.    Letzterer  ist  daher  nothwendigerweise  der  späteste, 

•  Im  Saal  des  Barherinisclien  Fanns  n.  21. 
frwdericlLB,  griech.  riastik.  25 


386  Nachblütlie  der  griechischen  Kunst. 

wir  vermögen  aber  nicht  eine  genauere  Zeitbestimmung  an- 
zugeben. 

Vgl.  Meyer  z.  Winck.  Kuristgesch.  V,  2  §.  7.  0.  Müller  Hainlb. 
§.  352,  4  leitet  den  Schleier  der  Juno  von  ihrer  Eigenschaft  als  Braut 
des  Zeus  ab,  aber  sollte  er  nicht  dieselbe  Veranlassung  haben,  wie  der 
Schleier  der  Demeter  und  Hestia? 

662.  Junokopf*,  von  Marmor,  früher  in  Palast  Pen- 
tini,  im  Jahre  1838  dem  Papst  geschenkt  und  seitdem  im 
Vatikan.  Ergänzt  sind  Hals  und  Brust  mit  dem  unteren  Theil 
der  Locken,  Nase  und  Oberlippe. 

Die  Göttin  hat  wie  die  Juno  Ludovisi  eine  mit  Blumen 
geschmückte  und  nach  der  Mitte  zu  anschwellende  Stirnkrone. 
Es  ist  aber  sowohl  in  der  Bewegung  als  in  den  Formen  und 
im  Ausdruck  des  Kopfes  bereits  alle  Strenge,  die  den  früher 
betrachteten  Junoköpfen  eigen  war,  verschwunden.  Man  würde 
ohne  die  äusseren  Zeichen  der  Stirnkrone  und  der  herab- 
hängenden Locken  die  Königin  des  Olymps  schwerlich  er- 
kennen. 

Abg.  Monum.  d.  inst.  II,  52.  Annali  1838  p.  21  ff.  Vgl.  Kekule 
Hebe  p.  70  f. 

663.  Vatikanischer  Apollo**,  Marmorstatue,  am  Ende 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  in  der  Nähe  von  Antium  (Capo 
d'Anzo),  einem  Lustort  der  römischen  Kaiser,  gefunden.  Ju- 
lius II.  kaufte  sie  noch  als  Cardinal,  und  Hess  sie  als  Papst 
durch  Michelangelo  im  Belvedere  des  Vatikans  aufstellen. 
Ergänzt  sind  durch  Montorsoli,  den  Schüler  Michelangelo's, 
die  linke  Hand  und  die  Finger  der  Rechten.  Ob  der  Mar- 
mor griechisch  oder  cararisch  ist,  darüber  hat  man  viel  ge- 
stritten, die  bedeutendsten  Autoritäten  entscheiden  sich  för 
das  Letztere. 

Das  ursprüngliche  Motiv  der  Figur  ist  erst  in  der  neuesten 
Zeit  erkannt.  Man  nahm  früher  mit  dem  Ergänzer  an,  dass 
der  Gott  in  der  Linken  den  Bogen  gehalten  und  schwankte 
nur  über  das  Ziel  seines  Schusses,  kürzlich  aber  ist  in  Peters- 
burg eine  kleine  in  allem  Wesentlichen  übereinstimmende 
Statue  zum  Vorschein  gekommen,  in  welcher  die  linke  Hand 
erhalten  ist  und  zwar  nicht  den  Bogen,  sondern   die  Aegis 


*  Im  Saal  des  ßarberinisclien  Fauns  n.  16. 
**  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  11. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  337 

haltend;  die  demnach  auch  für  diese  Statue  vorauszusetzen  ist. 
Der  Gott  war  dargestellt,  wie  er  durch  die  mit  dem  Medusen- 
kopf geschmückte  Aegis,  das  Symbol  der  Furcht  und  des 
Schreckens;  einen  Feind  hinwegscheucht.  Wer  dieser  Feind 
sei;  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  sageu;  man  denkt  zunächst  an 
die  Scene  der  Ilias,  in  welcher  Apollo ;  den  Trojanern  bei- 
stehend; die  Griechen  durch  die  Aegis  i^^  die  Flucht  treibt, 
aber  es  verdient  auch  eine  geistreiche  Vermuthung  erwähnt 
zu  werden;  nach  welcher  die  Gallier,  die  das  delphische  Heilig- 
thum  im  Jahre  278  anzugreifen  wagten ;  dem  erzürnten  Gott 
gegenüber  zu  denken  seien.  Es  ging  die  Sage,  dass  der  Gott 
ihnen  als  ein  Jüngling  von  überirdischer  Schönheit  unter 
Sturm  und  Ungewitter  erschienen  und  sie  vom  Pamass  herab- 
gestürzt habe,  und  in  der  That  würde  diese  Sage  ihre  pla- 
stische Darstellung  nicht  treffender  haben  finden  können,  als 
in  dieser  Statue,  die  den  Gott  im  höchsten  Glänze  der  Jugend- 
schönheit mit  dem  Schreckbild  der  Aegis  an  seinen  Feinden 
vorüberwandelnd  darstellt.  Denn  dies  ist  der  glücklich  ge- 
wählte Moment,  der  Gott  stellt  sich  nicht  den  Galliern  ent- 
gegen, wie  ein  Krieger  dem  andern,  sondern  nur  hinwandehid 
wie  eine  glänzende  Erscheinung  scheucht  er  leicht  die  Feinde 
zurück. 

Der  Apoll  von  Belvedere  ist  kein  Originalwerk,  denn  es 
ist  kürzlich  in  Rom  ein  genau  auch  in  den  Maassen  überein- 
stimmender Marmorkopf  zum  Vorschein  gekommen,  der  durch 
seinen  strengeren  und  einfacheren  Stil  jenem  gegenüber  wie 
ein  Originalwerk  aussieht.  Aber  auch  wenn  dieser  Kopf  nicht 
das  Original  sein  sollte,  würden  wir  doch  nicht  die  Meinung 
für  richtig  halten  können,  dass  dem  belvederischen  Apollo  ein 
Original  von  Bronce  zu  Grunde  liege.  Gerade  an  dieser  Statue 
empfand  Goethe  die  Schönheit  und  Wirkung  des  Marmors, 
das  Glänzende  und  Prächtige  der  Figur  würde  zum  grossen 
Theil  seine  Wirkung  verlieren. 

Wenn  wir  annehmen,  dass  der  Gott  den  Galliern  gegen- 
überstehend gedacht  ist,  so  ist  damit  schon  eine  Zeitgrenzc 
gegeben.  Man  war  aber  auch  schon  immer  aus  der  Betrach- 
tung des  Werks  selbst  zu  der  Ansicht  gekommen,  dass  es 
nicht  in  der  Bltithezeit  der  griechischen  Kunst  entstanden 
soin  könne.  Winckelmann  zwar  preist  diesen  Apoll  als  das 
höchste  Werk  der  alten  Kunst,  allein  abgesehen  von  den  Ent- 
deckungen nach  Winckelmann,  die  auf  das  künstlerische  Ur- 
theil  nicht  ohne  Einfluss  waren,  so  ist  Winckelmanns  Hvmnus 

25* 


388  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst 

mit   seinen   eigenen   kunsthistorischen   Principien   jin   Wi 
Spruch,   namentlich   mit   dem,   was   er  über   die  Grazie 
hohen  und  schönen  Stils  sagt.     Denn  nach  diesen  Princi 
gemessen,  yrtirde  der  Apollo  nicht  so  hoch  zu  schätzen  i 
aber  Winckelmann  vergass  sich  selbst,  hingerissen  durch 
Poesie  der  Erfindung  und  die  Schönheit  der  Ausführung, 
wer  könnte  die  Pc^sie  dieses  „geistreichsten"  antiken  We 
läugnen?     Aber   andererseits   ist   eben  so   gewiss,   dass 
Statue  nicht  Stich  hält,  wenn  sie  nach  jenem  von  Winc 
mann  in  den  Bemerkungen  über  die  Grazie  gegebenen  Ma 
Stabe  gemessen  wird.    Sie  wirkt  zu  plötzlich  und  überrascl 
und  hat  nicht  die  Einfalt  und  Würde  der  früheren  Zeit, 
Künstler  hat  nicht  mehr  an  seinen  Gott  geglaubt,    son< 
ihn  wie  ein  glänzendes,  entzückendes  Bild  seiner  Phani 
vor  sich  gesehen.    Daher  auch  die  Zierde,  ja  Eleganz, 
der  er  ihn  ausgestattet,    die  reich  verzierten  Sandalen, 
sorgfaltig   angeordnete  und  mit  Salben  bereitete  Haar, 
für  diese  Auffassung  eben  so  angemessen  ist,   wie    es 
Standpunkt  der  früheren  Zeit  aus  künstlich  und  geziert 
scheinen  würde. 

Die  Petersburger  ßronce  ist  von  Stephani,  Apollon  Boedromios 
herausgegeben.  Der  neugefundene  im  Besitz  des  Bildhauei*s  Steinlii 
befindliche  Kopf  ist  neben  dem  der  vatikanischen  Statue  in  dopp 
photographischer  Abbildung  in  den  Monum.  d.  inst.  1867  publicirt 
von  Kekule  in  den  Annali  1867  p.  124  tf.  in  überzeugender  \^ 
charakterisirt.     Dort  ist  auch  die  neueste  Literatur  angeführt. 

664.  Apollo  mit  seinem  Greif*,  Marmorrelief, 
J.  1805  bei  den  im  Colosseum  veranstalteten  Ausgraboi 
gefunden  und  im  Vatikan  befindlich. 

Das  grössere  Ganze,  zu  dem  dieses  Fragment  gel 
ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  bestimmen,  erhalten  ist  nur 
Figur  des  Apollo,  der  seinen  linken  Arm,  wie  es  scheint, 
die  Leier  stützte,  von  welcher  ein  Stück  zurückgeblie 
während  rechts  von  ihm  der  grösstentheils  erhaltene  G 
steht.  Das  Relief  ist  von  sehr  gutem  Stil  und  könnte  ^ 
chisch  sein. 

Das  Werk  befindet  sich  im  museo  Chiaramonti  miter  n.  2. 

665.  Artemis  von  Versailles**,  Marmorstatue, 
Heinrich  IV.  oder  Franz  I.  in  Frankreich,  an  verschiede 


*  Im  Treppenhaus  n.  30. 
•*  Im  Saal  des  Famesischen  Stiers  n.  13. 


Nachbiüthe  der  griechischen  Kunst.  339 

Orten^  befindlich^  seit  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts  im  Louvre. 
Ergänzt  ist  durch  Barth^lemy  Prieur  der  linke  Arm. 

Wir  sehen  in  dieser  Statue  die  Artemis  als  rüstige  Jäge- 
rin, wie  sie  mit  ihrer  Hirschkuh  dahineilt,  und  von  dem  Ge- 
räusch eines  aufspringenden  Thieres  getroffen,  sich  umsieht 
und  sogleich  nach  dem  Köcher  greift,  um  einen  Pfeil  heraus- 
zonehmen.  Die  Hindin  neben  ihr  hat  man  wohl,  weil  ihr 
gegen  die  Natur  ein  Geweih  gegeben  ist,  für  das  berühmte 
goldgehömte  Thier  erklärt,  welches  Herakles  verfolgte,  und 
demgemäss  das  Motiv  der  Figur  anders  gedeutet,  allein  auch 
andere  Hindinnen  hat  die  Kunst  der  Schönheit  wegen  mit  Ge- 
weih aasgestattet,  es  ist  hier  offenbar  keine  bestimmte  Hindin 
gemeint,  sondern  das  Thier  ist  die  Begleiterin  der  Artemis, 
wie  Apollo  seinen  Greif  neben  sich  hat.  Schon  auf  den 
ältesten  Monumenten  ist  es  in  diesem  Sinne  der  Göttin  bei- 
gegeben. 

Die  Darstellung  der  kurz  bekleideten  Artemis  scheint  der 
griechischen  Kunstblüthe  fremd  und  erst  aufgekommen  zu  sein, 
äIs  man  die  Göttin  einseitig  unter  dem  Bilde  einer  schlanken 
Jägerin  auffasste,  sowie  sie  uns  hier  entgegentritt.  Die  schlanke 
«nd  hohe  Gestalt,  die  schon  Homer  an  der  Artemis  hervor- 
l»ebt,  ist  hier  durch  die  Verkleinerung  des  Oberkörpers  und 
namentUch  des  Kopfes  im  Vergleich  zu  den  Beinen  noch  be- 
sonders betont. 

Die  Statue  ist  mit  höchster  Eleganz  gearbeitet,  sie  gleicht 
tan  und  in  allem  Uebrigen  so  sehr  dem  Apoll  von  Belvedere, 
dass  sie  gewiss  mit  Recht  derselben  Zeit,  ja  demselben  Künstler 
Zügeschrieben  wird. 

Ein  griechisches  Original  späterer  Zeit  scheint  dieser 
Fignr  zu  Grunde  zu  liegen,  wenigstens  wird  uns  von  einer 
finstatue  in  Phelloe  in  Achaja  berichtet,  in  welcher  Artemis 
in  dem  Moment  dargestellt  war,  wie  sie  den  Pfeil  aus  dem 
Köcher  nahm.  Unsere  Figur  aber  werden  wir,  wie  den  Apoll 
^om  Belvedere,  als  eine  Copie  betrachten  dürfen. 

Vjjrl,  die  Literatur  und  Abbild,  in  0.  Miiller's  Handbuch  §.  364,  1. 
^Ti|it.  du  Louvr^^n.  178.  M.  Wagner  in  den  Annali  1830  p.  163. 
^'•••«'ker  Akad.  Mus.  z.  Bonn  n.  65. 

666.  Sogenannter  Jason*,  Marmorstatue,  in  der  Villa 
^drian's   bei    Tivoli   gefunden,   aus    dem   Besitz    des   Duca 

*  Im  Niobidensaal  n.  25. 


390  Nachblüthe  der  griechischen  Kirnst. 

Braschi  zu  Rom  an  deu  König  Max  Joseph  von  Baiern  ver- 
kauft und  durch  König  Ludwig  für  die  Glyptothek  in  München 
erworben.  Der  Kopf  ist  antik,  aber  nicht  zugehörig,  ebenso 
der  linke  Schenkel;  beide  sind  von  anderem  Marmor  als  das 
Uebrige.  Ergänzt  sind  beide  Arme,  das  rechte  Bein  und  der 
rechte  Vorderfuss.     Die  Ergänzung  ist  aber  richtig. 

Die  Statue  ist  unter  der  ihr  von  Winckelmann  in  etwas 
naiver  Weise  gegebenen  Benennung  „Jason"  bekannt.  Es 
sei,  meinte  Winckelmann,  Jason,  der  zum  Pelias  gerufen,  nur 
am  rechten  Fuss  beschuht  herankam,  weil  er  in  der  Eile 
vergessen,  auch  den  linken  Fuss  mit  dem  Schuh  zu  bekleiden. 
Winckelmann  tibersah,  dass  der  Jüngling  den  zweiten  neben 
ihm  stehenden  Schuh  auch  wohl  anlegen  wird,  wenn  er  mit 
dem  anderen  fertig  geworden. 

Es  ist  uns  aus  dem  Alterthum  die  Beschreibung  einer 
Hermesstatue  erhalten,  die  in  der  Stellung  genau  mit  diesem 
„Jason"  tibereinstimmt.  Der  Blick  des  Hermes  war  nach 
oben  gerichtet,  als  ob  er  „lausche  auf  die  Befehle  des  Vaters." 
Auch  eine  Münze,  auf  welcher  Hermes  durch  seinen  Stab 
bezeichnet  ist,  stimmt  bis  auf  die  Richtung  des  Kopfes  mit 
der  Statue 

Es  ist  also  Hermes  dargestellt  und  zwar  in  seiner  Eigen- 
schaft als  Götterbote.  Wie  wir  bei  Homer  lesen,  wenn  ein 
Gott  sich  auf  die  Reise  macht,  dass  er  zunächst  die  schönen 
Sandalen  anlegt,  so  hier.  Und  um  die  Eilfertigkeit  des 
Götterboten  zu  charakterisiren,  ist  er  bereits  mit  den  Schuhen 
beschäftigt,  während  er  noch  den  Auftrag  erhält,  und  hält 
nur  inne,  um  seine  Aufmerksamkeit  ganz  dem  Auftraggeber 
zu  widmen.  So  sind  in  einem  prägnanten  Moment  die  beiden 
Eigenschaften  eines  guten  Boten,  das  aufmerksame  Erfassen 
des  Auftrags  und  die  rasche  Bereitschaft  zur  Ausführung, 
glücklich  vereinigt,  dass  er  aber  schnell  und  gewandt  seinen 
Auftrag  ausführen  wird,  dafür  bürgt  die  Schlankheit  und 
Elastizität  seiner  Glieder.  Auch  die  Stellung  ist  sprechend, 
nicht  ruhig  behaglich,  sondern  rasch  und  belebt,  man  ver- 
gleiche zwei  ziemlich  übereinstimmende  Figuren  am  westlichen 
Fries  des  Parthenon*,  um  den  Unterschied  dieser  bewegteren 
Stellung  von  einer  mehr  ruhigen  und  spannungslosen  zu  em- 
pfinden. 

Das  Original  dieser  Statue  denkt  man  sich  lieber  in  Erz 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  209.  218. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  391 

als  in  Marmor  ausgeführt,  weil  das  in  ersterem  Fall  mög- 
liche Fehlen  der  Stütze  die  Leichtigkeit  der  Figur  nicht 
wenig  heben  würde;  die  jetzt  verdeckte  Gewandung  würde 
dann  die  Glieder  der  Figur  zusammenschliessen.  Es  scheint 
übrigens  nicht  der  Blüthezeit  der  Kunst  anzugehören,  denn 
der  Charakter  des  Hermes  ist  mehr  genreartig  anmuthig,  als 
von  göttlichem  Ernst  erfüllt,  und  die  schlanke  Grazie  der 
Figur  setzt  die  von  Lysippus  vertretene  Kunstrichtung  voraus. 

Vgl.  Schom  im  Catalog  d.  Olyptothek  n.  152.  Die  richtige  Be- 
neiuinng  gab  0.  Müller  im  Handbuch  §.  380,  7  vgl.  §.  157,  3  u.  412,4. 
Im  Uebrigen  kann  ich  auf  Lambeck:  de  Mercurii  statua  vulgo  Jasonis 
habita  1860  verweisen.  Unter  den  Repliken  hat  die  im  Hause  Lands- 
duwu  euien  unzweifelhaft  antiken  und  zugehörigen  Kopf.  Derselbe 
stimmt  im  Ausdnick  nicht  mit  dem  gcwöhnliehen  Typus  des  Merkur 
und  hat  auch  nicht  die  krauslockigen  Haare. 

667.  Hermes*,  Marmorstatue  in  Florenz.  Ergänzt  sind 
beide  Vorderarme  und  der  Hut.  Im  Original  stützt  sich  die 
Figur  nicht  auf  einen  Knotenstock,  sondern  auf  einen  Stamm, 
über  dem  ein  Widderfell  hängt. 

Die  Benennung  der  Figur  ist  durch  eine  in  Trier  be- 
findliche übereinstimmende  Broncestatuette  mit  unzweideutigen 
Attributen  des  Hermes  gesichert.  Vielleicht  würde  dieselbe 
auch  über  das  Motiv  der  Figur,  das  uns  unklar  ist,  Auskunft 
geben,  sie  ist  aber  leider  noch  nicht  näher  bekannt.  Das 
Widderfell,  das  den  Stamm  belebt,  kommt  dem  Hermes  als 
Heerdengott  zu. 

Die  graziöse  Statue  ist,  wie  schon  die  Aushöhlung  des 
Augensterns  zeigt,  erst  in  römischer  Zeit  entstanden,  es  wäre 
aber  nicht  unmöglich,  dass  sie  von  einem  griechischen  Ori- 
ginal abstanunte.  Nur  dürfen  wir  dies  Original  schwerlich  in 
der  Blüthe  der  Kunst  suchen,  für  welche  die  ganze  Auffassung 
der  Statue  etwas  zu  leicht  scheint. 

Abg.  Zannoni  galeria  di  Firenze  Ser.  IV,  t.  130.  Müller-Wieseler 
11,  311.  Vgl.  Wieseler  a.  a.  0.,  zu  dessen  Bemerkungen  ich  noch 
hinzufüge,  dass  die  spitzen  Ohren,  die  Thiersch  an  der  Statue  entdeckt 
haix'ii  will,  nicht  vorhanden  sind. 

668.  Kopf  des  Hephästus**,  von  Marmor,  vor  etwa 
zehn  Jahren  auf  Piazza  di  Spagna  in  Rom  gefunden  und  im 
Vatikan  befindlich. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  8. 
**  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  n.  15. 


392  Nachblüthe  der  griechischen  Kuiist. 

In  den  kräftigen  und  breiten  Formen  dieses  gut  ge- 
arbeiteten Kopfes  ist  der  tüchtige  und  thätige  Arbeiter  ge- 
schildert, zugleich  aber  hat  der  Kopf  etwas  Bürgerliches  und 
Prosaisches,  etwas  Leidenschaftsloses  aber  auch  Schwungloses, 
was  ebenso  charakteristisch  ist  für  den  Charakter  des  Hephäst. 
Die  eiförmige  Mütze  war  die  Tracht  des  niederen  Volkes,  der 
Handwerker  und  Schiffer. 

Abg.  Monum.  d.  inst.  VI.  VII,  tav.  81,  geistreich  erklärt  von  Brunn 
Annali  1863  p.  421  ff. 

669.  Nemesis*,  Marmorstatue,  in  der  Villa  Hadrians 
bei  Tivoli  gefunden  und  im  Vatikan  befindlich.  Ergänzt  ist 
der  rechte  Arm,  der  ursprünglich  vielleicht  ein  charakterisi- 
rendes  Attribut  hielt. 

Den  Gestus  des  linken  Arms  deutet  man  gewöhnlich 
nach  dem  Vorgang  einiger  griechischer  Epigramme  so,  dass 
Nemesis  den  Unterarm  (welcher  der  Länge  der  griechischen 
Elle  entspricht)  hervorkehre,  um  damit  zunächst  sinnlich,  dann 
aber  in  symbolischem  Sinn  auf  das  Maass  hinzudeuten,  dessen 
Beobachtung  sie  fordert.  Aber  wir  gestehen,  diese  Erklärung 
nur  für  eine  witzige  epigrammatische  Pointe  ansehen  zu 
können,  der  ursprüngliche  Sinn  dieses  Gestus  ist  gewiss  ein 
anderer.  Denn  warum  sollte  er  hier  nicht  dasselbe  bedeuten, 
was  er  so  oft  und  so  natürlich  ausdrückt,  nämlich  die  züch- 
tige Verschämtheit,  zumal  da  die  Senkung  des  Kopfes  aus 
demselben  Gefühl  entspringt,  nämlich  auch  nur  der  Ausdruck 
der  Scheu  {atdcog)  und  Sittsamkeit  ist?  Und  wie  könnte 
man  schöner  die  Nemesis  charakterisiren,  als  durch  das 
Bild  einer  züchtig  verschämten  Jungfrau,  die  durch  ihren 
ganzen  Habitus  den  sittlichen  Begriff  der  aidcog  ausdrückt? 
Denn  auch  die  Gewandung  ist  so  wunderbar  einfach  und  an- 
spruchslos, wie  es  zur  Darstellung  eines  so  reinen  und  ernsten 
Begriffs  nothwendig  ist. 

Unzweifelhaft  ist  diese  Figur,  von  welcher  auch  eine 
Wiederholung  im  Lateran  existirt,  eine  acht  griechische  Er- 
findung, es  ist  uns  aber  nicht  möglich,  eine  nähere  Zeit- 
bestimmung des  Originals  zu  geben. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  II,  13.  Vgl.  0.  Müller  Handb.  §.  898,  4 
Sittsame,  verschämte  Jungfrauen,  z.  B.  Bräute,  werden  sehr  oft  mit 
demselben  Gestus  dargestellt,  den  diese  Nemesis  macht. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  20. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  393 

670.  671.  Viktoria,  einen  Stier  opfernd*,  zwei 
Marmorgrappen^  1773  von  Gavin  Hamilton  in  der  Villa  des 
Antoninos  Pius  in  Lannvinm  gefunden,  dann  in  die  Townley'sche 
Sammlung  mid  mit  dieser  ins  britische  Museum  übergegangen. 
An  beiden  sind  die  Flügel  und  der  rechte  Arm  der  Nike 
ergänzt. 

Die  Gruppe,  die  mit  leisen  Verschiedenheiten  in  allen 
Denkmälergattungen  unzählige  Male  wiederkehrt,  stellt  ein 
für  einen  Sieg  dargebrachtes  Opfer  dar,  und  zwar  ein  Stier- 
opfer, welches  als  das  feierlichste  galt.  Der  Künstler  hat 
nicht  den  wirklichen  Vorgang  bei  der  Tödtung  des  Opfer- 
thiers  nachgeahmt,  sondern '  ein  belebteres  und  poetischeres 
Bild  erfunden,  indem  er  den  Stier  als  fliehend  und  erreicht 
von  seiner  Verfolgerin  darstellte.  Vielleicht  sind  diese  beiden 
Gruppen  zur  Verewigung  eines  Sieges  aufgestellt,  doch  ist  die 
Darstellung  oft  auch  nur  als  beliebte  Dekoration  ohne  Be- 
ziehung auf  ein  bestimmtes  Faktum  wiederholt  worden. 

Die  Composition  ist  gewiss  griechisch  und  findet  sich 
schon  in  der  Vasenmalerei.  Die  Nacktheit  der  Viktoria  und 
der  pathetische  Charakter  des  Ganzen  erlauben  uns  aber  nicht, 
das  Original  über  die  Zeit  Alexander's  hinaus  zu  datiren. 

Abg.  marbles  of  the  brit.  mus.  X,  25.  26.  Vj^^l.  Zoega  zu  bassiril. 
II,  tav.  60.  Ellis  the  Townh'y  gallery  I  p.  289  und  dio  iintcritalische 
Vase  im  bullet,  napolet.  VI  tav.  2,  n.  3.  4.  Jahn  Archacol.  Ztg.  VIII, 
207  fuhrt  diesen  Typus  auf  Myron  oder  Metiaeelunus  von  Sicyon  als 
Urheber  zmück;  mir  selieint,  dass  an  den  ersteren  nach  dem  ganzen 
Cliarakter  der  Gnippe  nicht  zu  denken  ist.  An  den  letzteren  denkt 
auch  Brunn  Gesch.  d.  p:r.  K.  I,  418. 

672.  Medusen  köpf**,  Hautrelief  von  Marmor,  früher 
im  Palast  Rondanini  in  Rom,  seit  1808  in  der  Glyptothek 
zu  München.  Ergänzt  ist  die  Nasenspitze  und  Unbedeutendes 
am  Haar  und  an  den  Schlangen. 

Das  Haupt  der  Meduse,  von  den  griechischen  Dichtem 
als  ein  Aeusserstes  von  Schrecken  und  Grauen  bezeichnet, 
wm-de  seit  den  ältesten  Zeiten  als  ein  abwehrendes  Symbol, 
als  ein  Apotropäon,  in  der  bildenden  Kunst  dargestellt.  Auf 
Schilden    und    Panzern,    Thürfltigeln    und    den    verschieden- 

*  Im  Saal  der  Tliiere  und  Bronceu  n.  15.  16.  In  demselben  Saal 
befindet  sich  unter  n.  266  ein  in  München  befindliches  fragmentirtes 
Thonrelief  mit  derselben  Vorstellung. 


•• 


Im  Treppenhaus  n-.  133.     Duplikat  unter  n.  158. 


394  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

artigsten  Geräthen  finden  wir  es  nicht  selten^  die  Vasenbilder 
gewähren  dafür  namentlich  viele  Beispiele.  Dieser  Zweck^ 
verbunden  mit  einer  gewissen  phantastischen  Neigung  der 
ältesten  Kunst,  erklärt  es,  dass  wir  in  der  früheren  Zeit  das 
Medusenhaupt  immer  wild  und  abschreckend  hässlich  vor- 
gestellt finden  (vgl.  n.  12).  Später  dagegen,  als  die  Kunst 
mehr  darnach  strebte,  die  Vorgänge  des  inneren  Lebens  dar- 
zustellen, betrachtete  man  das  Medusenhaupt  nicht  mehr  allein 
als  ein  Symbol  des  Schreckens,  sondern  auch  als  ein  abge- 
schlagenes Haupt,  dessen  psychologischer  Ausdruck  ent- 
sprechend wiedergegeben  werden  müsse,  und  man  ging  sogar 
so  weit,  den  Kopf  im  Profil  darzustellen,  womit  nothwendiger- 
weise  auf  den  Zweck  des  Apotropäon  verzichtet  wurde.  Dieses 
Bestreben,  Interesse,  ja  Mitleid  für  das  sterbende  Haupt  zu 
erwecken,  führte  dazu,  das  Wilde  und  Hässliche  der  früheren 
Zeit  mehr  und  mehr  zu  dämpfen.  Eine  abweichende  Sagen- 
form, welche  der  Meduse  hohe  Schönheit  zuschreibt  und  zu- 
erst von  Pindar  angedeutet  wird,  der  von  der  „schönwangigen*' 
Meduse  spricht,  kann  auch  zu  jener  Umänderung  beigetragen 
haben. 

Der  vorliegende  berühmte  Kopf  ist  im  Moment  des  Er- 
starrens  dargestellt,  aber  nicht  in  so  weich  rührender  Auf- 
fassung, wie  namentlich  auf  einigen  späteren  Gemmen.  Wie 
überall  in  der  älteren  Kunst,  ist  es  eine  Maske  ohne  Hals, 
und  an  den  früheren  Typus,  der  im  Allgemeinen  freilich  der 
höchsten  Schönheit  hat  weichen  müssen,  erinnern  noch  die 
Breite  in  den  Backen  und  die  im  Munde  sichtbaren  Zähne. 
Die  Flügel  am  Kopf  sind  von  der  ganzen  Gestalt  der  Meduse, 
die  in  der  Kunst  nach  dem  Vorgang  des  Aeschylus  geflügelt 
dargestellt  wurde,  auf  die  Maske  übertragen,  sie  scheinen 
durch  ihre  Stellung  anzudeuten,  dass  die  Maske  nicht  für  ein 
Rund,  sowie  sie  hier  eingelassen  ist,  componirt  war.  Ob  der 
Kopf  an  dem  das  Schreckende  so  sehr  zurücktritt,  als  Apo- 
tropäon dienen  sollte,  ist  uns  zweifelhaft.  Hinsichtlich  der 
Zeitbestimmung  des  Werkes  können  wir  nur  dies  behaupten, 
dass  die  freiere  Behandlung  des  Haares  nicht  über  Alexander 
.  hinauszugehen  erlaubt. 

Vgl.  Lcvezow  lieber  die  Entwiekhmg  des  (lorgonen  -  Ideals  in  der 
Poesie  nnd  bildenden  Kunst  der  Alten,  Berlin  1833  (Aus  den  Schriften 
der  Kgl.  Akademie),  wo  auf  Taf.  5  n.  50  eine  Abbildung  gegeben  ist; 
Sehorn's  Catalog  zur  Glyptothek  n.  134.  Meyer  z.  Winck.  Kunstgesch. 
V,  2.  20  und  Feuerbach  Vatik.  Ap.  p.  61. 


Machblüthe  der  griechischen  Kunst.  395 

673.  Nackter  Jüngling*,  Marmorstatue  im  Palast 
Rnspigliosi  zu  Rom.  Ergänzt  sind  der  rechte  Arm  ohne  die 
Hand  und  der  linke  Arm  vom  Ellbogen  bis  ans  Handgelenk. 

Es  hat  sich  eine  grosse  Anzahl  von  Wiederholungen 
dieses  anziehenden  Typus  erhalten,  an  welchem  das  Müde, 
Matte  und  Trauernde  charakteristisch  ist,  aber  eine  treffende 
Erklärung  ist  noch  nicht  gefunden.  Eine  in  Neapel  befind- 
liche Copie,  die  in  der  Rechten  eine  der  Granate  ähnliche 
Frucht  hält  und  sich  mit  der  Linken  auf  einen  Pfeiler  stützt, 
an  den  ein  kleines  Idol  lehnt  von  der  Art  wie  sie  gewöhnlich 
auf  Persephone  bezogen  werden,  hat  die  Vermuthung  hervor- 
gerufen, dass  die  Figur  in  den  Kreis  der  Todesgottheiten 
gehöre. 

Abg.  Moniim.  d.  inst.  1856  tav.  21.   Vgl.  Archaeol.  Ztg  1862  p.  305. 

674.  Allegorische  Figuren**, Marmorrelief,  inThyrea 
(Astro)  entdeckt,  dann  ins  Museum  auf  Aegina  versetzt,  jetzt 
vermuthlich  in  Athen  befindlich. 

Die  Inschriften  lehren  uns  eine  Telete  (die  mystische 
Feier),  Euthenia  (Ueberfluss)  und  Epiktesis  (Erwerb)  kennen, 
es  ist  uns  aber  nicht  möglich,  sie  auf  die  einzelnen  Figuren 
zu  vertheilen  und  noch  weniger  den  Sinn  der  Darstellung  an- 
zugeben. Das  Idol  auf  dem  Baum  sieht  wie  eine  Artemis 
aus.  Schnitzbilder  in  den  Zweigen  eines  Baums  aufzustellen, 
war  im  Alterthum  zu  allen  Zeiten  gebräuchlich. 

Nach  den  Formen  der  Inschrift  ist  das  Relief  nicht  vor 
dem  ersten  vorchristlichen  Jahrhundert  entstanden. 

Abg.  Annali  1829  tav.  C,  1.  p.  132.  Vgl.  Ann.  1837,  p.  117. 
O.  Müller  erklärt  das  Idol  für  eine  Artemis,  Handbuch  §  52,  2.  Welcker 
Griech.  Götterl.  III  p.  232  meint  dass  das  Relief  unvollständig  sei  und 
bezieht  den  Namen  Telete  anf  die  sitzende  Figur,  die  er  aber  knrz  zu- 
vor (p.  137)  Epiktesis  genannt  hatte. 

675.  Farnesischer  Herakles***,  Marmorstatue,  1540 
in  den  Thermen  des  Caracalla  gefunden,  seit  1790  in  Neapel. 
Ergänzt  sind  die  Nasenspitze,  die  Hälfte  des  linken  Unterarms 
nebst  der  Hand  und  vielleicht  auch  die  rechte  Hand  mit  den 
Aepfeln.     Die  Aepfel  waren  aber  ursprünglich  da,  sie  sind 


*  Im  Niobidensaal  n.  69. 
**  Im  Treppenhans  n.  179. 
••♦  Ebendas.  n.  190.^ 


396  Nachblüthe  der  i^riechischeii  Kunst. 

wenigstens  in  einer  Wiederholung  der  Figur  in  Palast  Spada 
zum  Theil  erhalten. 

Der  Heros  steht  da  am  Ende  seiner  Mühen,  denn  er 
hat  die  Hesperidenäpfel,  den  letzten  Siegespreis,  in  Händen, 
aber  nicht  siegesfroh,  sondern  inatt  und  gebeugt  von  der  Last 
seines  mühevollen  Lebens.  Seine  ganze  Erscheinung,  die  auf- 
getriebenen Adern,  die  geschwollenen  Muskeln,  drücken  Mühe 
und  Arbeit  aus,  und  auch  seine  Gedanken  sind  nur  rückwärts 
und  nicht  vorwärts  gerichtet.  Diese  Auffassung  des  Herakles 
ist  der  älteren  griechischen  Kunst,  welche  die  Heroen  voll 
Feuer  und  Thatenlust  darzustellen  pflegt,  fremd,  Lysippas 
war,  wie  es  scheint,  der  erste,  der  einen  trauernden  Herakles 
darstellte. 

Gewöhnlich  wird  nun  auch  diese  Statue  au^  ein  Original 
des  Lysippus  zurückgeführt,  da  sich  eine  übrigens  unbedeu- 
tende Copie  des  Herakles  erhalten  hat,  die  inschriftlich  als 
Werk  des  Lysippus  bezeichnet  ist.  Aber  die  Aechtheit  der 
Inschrift  ist  angefochten,  und  wenn  wir  sie  auch  gelten  lassen 
wollten,  so  müssten  wir  das  Lysippische  der  Farnesischen  Sta- 
tue doch  nur  auf  das  Motiv  beschränken,  da  die  übertriebe- 
nen Formen  schwerlich  diesem  Künstler  zugeschrieben  werden 
können.  Das  Motiv  ist  allerdings  entweder  von  Lysippus 
oder  nicht  lange  nach  ihm  erfunden,  die  Ausführung  der 
Figur  aber  fällt  erst  in  spätere  römische  Zeit.  Man  hat  dies 
mit  Recht  schon  daraus  geschlossen,  dass  der  Augenstern  aus- 
gehöhlt ist,  eine  Weise  der  Darstellung,  die  erst  um  die  Mitte 
des  zweiten  christlichen  Jahrhunderts  üblich  wurde. 

Die  Inschrift  an  dem  Fels  nennt  als  Verfertiger  den 
Glykon  von  Athen.  Aus  den  Buchstabenformen  geht  nur 
dies  hervor,  dass  Glykon  nicht  vor  dem  ersten  Jahrhundert 
V.  Chr.  gelebt  hat. 

Abg.  Müller- Wieseler  I,  38,  152.  Vgl.  namentlich  Stephaui,  der 
ausruhende  Herakles  p.  162  ff.,  ausserdem  Brunn  Gesch.  d.  gr.  Künstler 
I  p.  549  ff.     Overbeck  Gesch.  d.  gr.  Fl.  II  p.  244  ff. 

676.  Der  Torso  vom  Belvedere*,  unter  Julius  dem 
Zweiten  in  der  Nähe  des  Theaters  des  Pompejus  gefunden, 
seitdem  im  Belvedere  des  Vatikan.  Schon  im  Alterthum  ver- 
suchte man  ihn  zu  restauriren,  wie  man  an  den  Hinterbacken 


Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  5. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  397 

bemerkt,  in  denen  sich  auch  noch  Reste  von  Eisen  zur  Be- 
festigung des  Neuen  befinden. 

Wie  der  Torso  zu  ergänzen,  darüber  ist  viel  gestritten, 
es  fehlt  eben  an  einer  besser  erhaltenen  Wiederholung,  die 
das  Räthsel  sogleich  lösen  würde.  Eine  Zeit  lang  glaubte 
man,  dass  eine  Hebe  an  der  linken  Seite  des  Heros  gestanden 
habe,  bis  Versuche  von  Bildhauern  die  Unmöglichkeit  einer 
solchen  Gruppirung  darlegten,  jetzt  ist  man  wieder  zu  Winckel- 
mann's  und  Heyne's  Annahme  eines  einsam  sitzenden  Herakles 
zurückgekehrt  und  geneigt,  den  Torso  nach  dem  Vorbild  einer 
Lysippischen  Statue  zu  ergänzen,  welche  in  der  Linken  die 
Keule,  in  der  Rechten  den  Becher  hielt  und  den  Kopf  etwas 
nach  oben  richtete.  Das  am  linken  Knie  zurückgebliebene 
Bruchstück  würde  dann  von  der  Keule  herrühren. 

Wie  man  aber  auch  die  Figur  restauriren  mag,  unzwei- 
felhaft ist  Herakles  im  Zustande  der  Vergötterung  vorgestellt^ 
wie  Winckebnann  sah,  dessen  begeisterte  Beschreibung  zu- 
gleich, das  Treffendste  von  Allem  bleibt,  was  über  diesen 
Torso  geurtheilt  ist.  Er  stellte  diesen  aderlosen,  weichen  und 
gleichsam  verklärten  Körper  dem  Farnesischen  Herakles  (n.  675) 
als  einem  Bilde  irdischer  Mühseligkeit  gegenüber.  Damit 
stimmt  Danneckers  Urtheil,  indem  er  sagte,  der  Torso  sei 
Fleisch,  der  Laokoon  Marmor. 

Den  Unterschied  aber  zwischen  diesem  Torso  und  den 
Sculpturen  des  Parthenon,  in  denen  svir  jetzt  die  höchste 
Schönheit  des  Nackten  bewundern,  deutet  ein  Wort  Thorwald- 
sen's  an,  der  ein  leises  Raffinement  in  dem  Torso  zu  empfin- 
den glaubte.  Dürfen  wir  uns  in  dieser  Frage  eine  Meinung 
auszusprechen  erlauben,  so  scheint  uns  das  Nackte  an  den 
Sculpturen  des  Parthenon  frischer  und  elastischer,  weicher 
und  gleichsam  empfindender  am  Torso. 

Winckelmann  behauptete  dass  die  griechischen  Künstler 
die  göttlichen  Wesen  um  ihnen  gleichsam  einen  verklärten 
I^ib  zu  geben,  ohne  Adern  dargestellt  hätten,  die  Sculpturen 
vom  Parthenon,  die  er  noch  nicht  kannte,  haben  uns  aber 
gelehrt,  dass  die  Aderlosigkeit  an  göttlichen  Wesen  nur  ein 
Raffinement  späterer  Künstler  war,  die  durch  Veränderung 
der  gegebenen  Naturformen  Wirkung  zu  machen  suchten. 
Auch  der  Künstler  des  Torso,  Apollonius  des  Nestor  Sohn 
aus  Athen,  der  sich  vom  am  Sitz  der  Figur  eingeschrieben 
hat,   kann   nicht   vor   der  Zeit   des  Pompejus  gelebt  haben. 


398  Nachblüthe  der  griechisclien  Kunst. 

Der  Fundort  der  Statue  scheint  die  Annahme  zu  empfehlen, 
dass  dieselbe  einst  zum  Schmuck  des  Theaters  des  Pompejus 
gedient  habe. 

Vgl.  die  ältere  Literatur  bei  0.  Müller  Haudb.  §  160,  5.  411,  3., 
ausserdem  Michaelis  bull.  1860  p.  122  ff.  Overbeck  Gesch.  d.  gr.  PI. 
IT  p.  230  ff.  Brunn  Gesch.  d.  gr.  Künstl.  I,  542  ff.  Stephani  Ausnili. 
Herakles  p.  149  ff. 

677.  Nessus  und  Dejanira(?)*,  Marmorrelief,  früher  in 
Palast  Verospi  in  Rom,  jetzt  im  britischen  Museum.  Das 
Relief  macht  auf  den  ersten  Anblick  einen  modernen  Eindruck, 
der  aber  nur  durch  die  Restaurationen  Cavaceppi's  hervor- 
gerufen wird.  Alt  sind  nämlich  nur  die  beiden  Figuren  mit 
Ausnahme  der  Beine  und  des  Schwanzes  am  Centauren  und 
beider  Vorderarme  der  Dejanira,  ausserdem  die  Vase  und  der 
obere  Theil  des  Baums.     Alles  Uebrige  ist  neu. 

Die  gewöhnliche  Erklärung  ist  nicht  hinlänglich  begrün- 
det, es  muss  nicht  gerade  Nessus  und  Dejanira,  sondern  kann 
ebensowohl  irgend  ein  frauenraubender  Centaur  sein,  wie  wir 
sie  am  Parthenon  und  am  phigalischen  Fries  dargestellt  fan- 
den. Ja  die  Art  wie  der  Centaur  die  Frau  fasst,  empfiehlt 
geradezu  die  Annahme  eines  gewaltsamen  Raubes  und  wäre 
aus  der  Geschichte  von  Nessus  und  Dejanira  nicht  recht 
verständlich. 

Die  Gruppe  ist  höchst  geistvoll  und  lebendig  componirt 
und  entweder  selbst  griechisch  oder  Copie  eines  griechischen 
Originals.  Vergleicht  man  sie  mit  den  entsprechenden  Scenen 
am  Parthenon  oder  phigalischen  Fries,  so  empfindet  man 
einen  Unterschied  von  Jahrhunderten.  Eine  so  malerische 
und  bewegte  Composition  konnte  nicht  vor  dem  dritten  Jahr- 
hundert entstehn. 

Die  Vase  auf  der  Säule  ist  Andeutung  eines  Grabmals, 
wir  bezweifeln  aber  dass  sie  irgend  eine  materielle  Bedentang 
für  das  Bild  habe. 

Vielleicht  ist  das  Relief  nur  ein  Fragment  einer  grösse- 
ren Composition. 

Abg.  Marbles  of  the  british  museum  II  pl.  15. 

678.  Perseus  und  Andromeda**,  Marmorrelief,  m 
Rom  unter  Palast  Muti  bei  SS.  Apostoli  gefanden,  dann  im 
Besitz  der  Pamphili,  jetzt  im  capitolinischen  Museum. 


*  Im  Gewerbeinstitut. 
**  Ebendas. 


Nachblüthe  der  griecliischen  Kunst.  399 

Das  Meemngeheuer  liegt  getödtet  da  und  Andromeda 
steigt  eiligen  Schritts  von  dem  Felsen,  an  dem  sie  angeschmie- 
det war,  herab,  unterstützt  von  Perseus,  dessen  Linke  das 
versteinernde  Medusenhaupt  sorgfältig  hinter  dem  Rücken 
verbirgt.  Die  ganze  Haltung  des  Mädchens  ist  zunächst  nur 
durch  die  Rücksicht  auf  ein  vorsichtiges  Herabsteigen  veran- 
lasst, aber  drückt  doch  auch  ihre  innere  Stimmung  aus.  We- 
nigstens ist  der  jungMulich  gesenkte  Kopf  so  charakteristisch, 
und  das  flatternde  Gewand  deutet  die  freudige  Eile  an,  mit 
der  sie  ihrem  Erretter  entgegengeht. 

Die  Composition  dieses  Reliefs  ist  gewiss  griechisch, 
wenn  auch  nicht  aus  früherer  Zeit.  Dazu  ist  das  Ganze  zu 
malerisch,  und  in  der  Art  wie  das  Gewand  der  Andromeda 
die  Eörperformen  ausdrückt,  ist  ein  leises  sinnliches  Raffine- 
ment nicht  zu  verkennen. 

Abg.  E.  Braun   Zwölf  Basreliefs  griech.  Erfindung  Ttif.  10.     Vgl. 
Braun  Ruinen  und  Museen  Roms  p.  164. 

679.  Paris  und  Helena*,  Marmorrelief,  früher  in  der 
Sammlung  des  Herzogs  von  Noja,  jetzt  in  Neapel.  Das  Ge- 
sicht der  Venus  ist  ergänzt. 

Es  ist  die  üeherredung  von  Paris  und  Helena  zum  Lie- 
besbunde, als  Werk  von  Aphrodite  und  Eros  dargestellt. 
Noch  zögern  beide,  Helena  senkt  auf  die  Zurede  der  Aphro- 
dite, die  ihren  Arm  um  ihren  Hals  geschlungen,  das  Haupt 
nnd  erhebt  die  Rechte  in  leiser  Geberde  der  Abwehr;  Paris 
weist  dem  Eros  gegenüber,  der  sich  vertraulich  an  ihn  ge- 
schmiegt hat,  mit  der  Linken  nach  oben,  offenbar  zu  den 
Göttern,  welche  die  Verletzung  des  Gastrechts  ahnden  würden. 
Die  Scene  ist  in  der  Behausung  der  Helena  vorgehend  zu 
denken  und  die  hohen  Stiefel  sollen  den  Paris  als  von  der 
Reise  einkehrend  bezeichnen.  Eigenthümlich  ist  die  kleine 
Figur  oben  auf  dem  Pfeiler,  die  durch  die  Inschrift  als  Pei- 
tho  bezeichnet  ist.  Nicht  eine  Statue  derselben  kann  gemeint 
sein  wegen  der  Art  wie  sie  sich  niedergelassen  hat,  sondeni 
eben  dies  und  die  Kleinheit  ihrer  Figur  führen  darauf,  dass 
sie  in  ähnlicher  Weise  an  der  Handlung  betheiligt  zu  denken 
ist,  wie  eine  Lokalgottheit.  Ihr  numen  waltet  an  diesem  Ort, 
sie  ist  unsichtbar  gegenwärtig  und  versichert  den  Betrachten- 
den über  den  günstigen  Erfolg  von  Aphrodite's  Bemühungen, 


Im  Niobideusaal  n.  54a. 


400  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

den  die  zwar  nicht  heftig  abweisende  aber  doch  zögernde 
Haltung  von  Paris  und  Helena  in  Frage  zu  stellen  scheint. 
Der  Vogel  in  ihrer  Rechten  soll  wohl  der  üeberredungsvogel, 
die  Jynx,  sein,  der  korbähnliche  Aufsatz  auf  ihrem  Kopf 
scheint  einen  Fruchtkorb  vorzustellen,  er  ist  ein  Symbol  Frucht- 
barkeit spendender  Gottheiten  und  in  diesem  Sinne  auch  hier 
zu  fassen. 

Es  sind  mehrere  Wiederholungen  dieses  Reliefs  vorhan- 
den, von  denen  übrigens  wohl  keine  das  Originalwerk  ist 
Dass  das  Original  guter  griechischer  Zeit  angehört,  ist  nach 
der  Zartheit  der  Composition,  der  Grazie  der  Gestalten  und 
der  immer  noch  flächenartigen  Behandlung  des  Reliefs  gewiss 
anzunehmen.  Doch  reicht  es  schwerlich  über  die  Mitte  des 
vierten  Jahrhunderts  zurück,  denn  derartige  zarte  Liebessce- 
nen  scheinen  früher  nicht  Gegenstand  der  Kunst  gewesen  zu 
sein.  Auch  der  Stil  scheint  die  Kunstrichtung  des  Praxiteles 
bereits  vorauszusetzen,  die  Gestalt  des  Eros  hat  namentlich 
etwas  sehr  Weiches. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dass  den  Figuren  mit  Ausnahme 
des  leicht  kenntlichen  Eros  die  Namen  beigeschrieben  sind. 
In  der  Blüthe  und  besonders  in  der  älteren  Zeit  der  griechi- 
schen Kunst  war  die  Hinzufügung  der  Namen,  wie  wir  aus 
manchen  Nachrichten  und  unter  den  erhaltenen  Werken  be- 
sonders aus  den  Vasen  und  Gemmen  ersehn,  sehr  gewöhnlich, 
während  sie  in  den  späteren  Perioden  seltener  wird.  In  alter 
Zeit  schrieb  man  sogar  ganze  Sprüche  hinzu,  wie  auch  in 
der  altem  Zeit  der  modernen  Plastik  und  Malerei  geschah, 
und  eben  dies  beweist,  dass  die  Inschriften  nicht  bloss  den 
Zweck  hatten  einer  mangelhaften  Charakteristik  der  Personen 
zu  Hülfe  zu  kommen,  sondern  auch  das  Interesse  am  Stoff 
beleben  sollten.  Das  Interesse  am  Stoff  des  Kunstwerks  tritt 
aber  in  der  spätem  Zeit  immer  mehr  zurück  hinter  dem  In- 
teresse an  der  Form. 

Abg.  Winckelmann  monum.  iued.  115.  Mus.  borbon.  3,  40.  Millin 
üal.  mythol.  173,  540.  E.  Braun,  Zwölf  Reliefs,  Vign.  2  zu  Taf.  8.  Overbeck 
Galerie  heroischer  Bildw.  Taf.  13,  2,  (der  übrigens  p.  268  die  Geberden 
von  Helena  und  Paris  missversteht.)  Vgl.  0.  Jahn  Peitho  p.  19  und 
Stephani  Compte-rendu  pour  l'annee  1861  p.  121  und  1863  p.  72. 

680.  Pelops  und  Hippodamia*,  Thonrelief,  im  bri- 
tischen Museum  befindlich. 


*  Im  Treppenhaus  n.  172.'    Duplikat  unter  n.  181. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  401 

Dieses  in  mehreren  Exemplaren  erhaltene  Relief  wurde 
firfther  auf  die  Entführong  der  Helena  durch  Paris  gedeutet^ 
jetzt  dagegen  glaubt  man  gewöhnlich  den  Wettkampf  des 
Pelops  darin  zu  erkennen^  indem  man  sich  auf  den  Mythus 
bezieht,  dass  Oenomaus,  der  Vater  der  Hippodamia^  den  Freiem, 
die  mit  ihm  den  Wettkampf  eingehen  wollten,  die  Tochter 
in  ihren  Wagen  mitgab,  damit  sie  mit  ihr  beschäftigt  nicht 
Acht  gäben  auf  die  Pferde  und  um  so  leichter  von  ihm  be- 
siegt würden.  Man  muss  gestehn,  die  Darstellung  passt  auf 
beide  Begebenheiten  und  der  phrygische  Jüngling  kann  eben- 
sowohl Paris  wie  Pelops,  die  bräutlich  verschleierte  Frau  so 
gut  Helena  wie  Hippodamia  sein.  Was  uns  bestimmt,  der 
letztem  Deutung  den  Vorzug  zu  geben,  ist  dies,  dass  wir  auf 
Vasenbildem  ganz  ähnliche  und  zwar  unzweifelhaft  auf  Pelops 
bezügliche  Gruppen  wiederfinden.  Allerdings  besitzen  wir 
dann  in  dem  Relief  nur  ein  Stück  der  ursprünglichen  Com- 
position,  in  welcher  der  Wagen  des  verfolgenden  Oenomaus 
nicht  fehlen  konnte,  aber  eine  solche  Herausnahme  einer  ein- 
zelnen Gruppe  aus  einer  grösseren  Composition  ist  besonders 
bei  diesen  Thonreliefs,  die  nur  als  architektonische  Dekoration 
dienten,  leicht  denkbar. 

Die  Originalcomposition  scheint  guter  griechischer  Zeit 
anzugehören. 

Die  alte  Erklärunjj  bei  Winck.  moiiuni.  iiit'd.  117  ist  neuerdiiig^s 
wietler  aufgenommen  von  Stephani,  Compte-rendu  p.  Tannee  18G1  p. 
139.  Die  andere  Erklärung  ist  zuerst  von  Welcker  zu  Philostr.  p.  309 
aufgestellt.  Vgl.  Archaeol.  Ztg.  1853  p.  55.  Ueber  den  im  Text  be- 
rührten Mythus  vgl.  Ritschi,  Ann.  1840  p.  173  Anm.  1. 

681.  Borghesischer  Fechter*,  Marmorstatue,  im 
Anfang  des  17.  Jahrhunderts  in  Capo  d'Anzo,  dem  alten  An- 
tium  gefunden,  zuerst  in  Borghesischem  Besitz  und  seit  1808 
im  Lou\Te.  Restaurirt  sind  der  rechte  Arm  und  das  rechte  Ohr. 

Der  am  linken  Arm  sichtbare  ringförmige  Gegenstand 
ist  die  Handhabe  eines  Schildes  und  zwar  die  mittlere  Hand- 
habe desselben,  die  gerade  an  dieser  Stelle  getragen  wurde. 
Die  Finger  der  Iniken  Hand  sind  so  gekrümmt,  wie  es  erfor- 
derlich wäre,  wenn  die  Hand  in  die  zweite  am  Rande  des 
Schildes  befindliche  Handhabe  hineingriffe.  Man  könnte  glau- 
ben,  dass  die   erhaltene  Handhabe   nur  der  Rest  eines   ur- 


*  Im  Niobidensaal  n.  21. 
Friedericlis,  griech.  Plastik.  26 


402  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

sprünglich  vorhandenen  ganzen  Schildes  sei;  indess  würden^ 
wenn  man  ihn  von  Marmor  denkt;  Spuren  eines  Braches  und 
wenn  man  Bronce  annimmt,  die  zur  Befestigung  nothwendigen 
Löcher  auf  der  ganz  unbearbeitet  gelassenen  Oberfläche  der 
Handhabe  zurückgeblieben  sein.  Offenbar  wollte  sich  der 
Künstler  nur  mit  der  in  der  Handhabe  gegebenen  Andeutung 
eines  Schildes  begnügen,  er  bedurfte  auch,  wie  wir  sehen 
werden,  nicht  mehr. 

Es  ist  ein  Krieger  oder  richtiger  Fechter  vorgestellt^ 
der  sich  mit  dem  Schilde  am  linken  Arm  gegen  einen  höher 
stehenden  Feind,  etwa  einen  Reiter,  den  er  scharf  im  Auge 
hat,  zu  decken  sucht.  Aber  nicht  bloss  zu  decken^  denn  die 
Figur  hat  bereits  die  Stellung  det  Parade,  in  welcher  sie  den 
linken  Fuss  vor,  den  rechten  zurück  setzen  würde,  verlassen 
und  ist  im  Ausfall  selbst  begriffen,  es  wird  im  Augenblick 
der  entscheidende  Stoss  mit  dem  in  der  Rechten  vorauszu- 
setzenden Schwert  erfolgen.  Dieser  Moment  erklärt  den  Aus- 
druck der  höchsten  Spannung,  den  das  Gesicht  zeigt. 

Es  ist  schwer  zu  verstelm,  wie  man  bei  dieser  Figur  an 
eine  Gestalt  der  Heroenwelt  hat  denken  können,  noch  schwe- 
rer dass  man  ihr  die  Namen  eines  Achill  oder  Theseus  ge- 
geben hat.  Vielmehr  ist  das  Profil  und  der  ganze  Kopf  der 
grade  Gegensatz  eines  idealen  Typus  und  offenbar  aus  der 
gemeinen  Natur  entlehnt.  Für  die  Intentionen  des  Künstlers 
war  aber  dieser  gemeinere  Typus  gerade  am  passendsten. 

Denn  die  Statue  hat  gewiss  allein  gestanden  und  der 
Gegner,  zu  dem  der  Fechter  hinaufblickt,  ist  nur  supponirt 
Einmal  hat  man  dies  mit  Recht  aus  der  Künstlerinschrift  am 
Stamm  geschlossen,  die,  wenn  das  Werk  nur  die  Hälfte  einer 
Gruppe  wäre,  gewiss  an  einer  andern  Stelle  stände,  und  so- 
dann ist  es  wohl  nicht  möglich,  einen  höher  stehenden  Feind 
mit  dieser  Figur  zu  einer  irgend  erträglichen  Gruppe  zusam- 
menzustellen. Der  Künstler  hat  uns  also-  nicht  einen  wirk- 
lichen Kämpfer,  sondern  eine  Kampfstellung,  eine  interessante 
Fechterstellung,  zeigen  wollen  und  zu  solchem  Zweck  wäre 
der  Typus  edler  Heroen  unpassend  gewesen.  Er  beantwortet 
uns  nicht  die  Frage,  gegen  wen  der  Kampf  gerichtet  ist  und 
um  was  es  sich  handelt,  er  hat  vielmehr  absichtlich  alles 
sachliche  Interesse  beseitigt,  um  alle  Aufmerksamkeit  auf  seine 
Kunst  zu  concentnren.  Zu  diesem  Zweck  hat  er  die  Stellung 
so  gewählt,  dass  das  reichste  anatomische  Detail  zur  Entfal- 
tung kommt,  und  die  Darstellung  desselben  ist  so   vollendet, 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  403 

dass  die  Statne  als  Muster  zum  Stndimn  der  plastischen  Ana- 
tomie berühmt  ist  Wir  sind  nicht  im  Stande,  über  die  Vor- 
züge nach  dieser  Seite  hin  ein  competentes  Urtheil  abzugeben, 
doch  sind  sie  jedenfalls  nicht  geeignet,  ein  tieferes  Interesse 
an  dem  Werk  hervorzurufen. 

Bei  dieser  Auffassung  versteht  man,  dass  der  Künstler 
Alles  fernhielt,  was  den  Gedanken  an  eine  bestimmte  Situation, 
sei  es  des  Mythus  oder  des  Lebens  erwecken  könnte.  Der 
Krieger  hat  keinen  Helm  und  vom  Schild  ist  nur  eine  An- 
deutung gegeben.  Der  wirklich  dargestellte  Schild  würde  üb- 
rigens auch  dem  auf  allseitige  Betrachtung  angelegten  Werk 
hinderlich  geworden  sein. 

Es  ist  schon  hiemach  klar,  dass  wir.  uns  mit  diesem 
Werk  nicht  mehr  in  der  Blüthe  der  Kunst  befinden,  deren 
Künstler  von  einer  bestimmten  Thatsache  des  Mythus  oder 
des  Lebens  ausgingen  und  ein  sachliches  Interesse  bean- 
spruchten. Hier  dagegen  liegt  die  Pointe  in  dem  formellen 
Können,  das  sich  absichtlich  eine  schwierige  Stellung  sucht, 
um  sie  desto  glänzender  zu  überwinden.  In  dieser  Beziehung 
glauben  wir  die  Statue  mit  dem  Borghesischen  Satyr  (n.  657) 
und  dem  Marsyas  (n.  659)  zusammenstellen  zu  können. 

Auch  die  schlanke,  mehr  von  Gewandheit  als  von  Kraft 
zeugende  Gestalt  und  der  sehr  kleine  Kopf  deuten  auf  spä- 
tere Entstehung.  Und  dies  wird  endlich  bestätigt  durch  die 
Inschrift,  die  uns  den  Agasias,  des  Dositheos  Sohn  aus  Ephe- 
sos  als  Verfertiger  kennen  lehrt.  Wir  besitzen  keine  weiteren 
Nachrichten  über  diesen  Künstler,  nur  können  wir  aus  der 
Form  der  Buchstaben  schliessen,  dass  die  Statue  nicht  vor 
Sulla  entstanden  ist.  Wie  lange  nachher  sie  aber  entstanden, 
ist  nicht  sicher  zu  bestimmen,  nur  scheint  sie  sich  besser  fiir 
«las  Ende  der  eigentlich  griechischen  Kunstentwicklung  als  für 
die  römische  Zeit  der  Kunst  zu  eignen. 

Vgl.  Descript.  du  LomTe  ii.  202.  Die  Literatur  bei  Welckcr  Akad. 
Mii».  2.  Aufl.  n.  35  und  0.  Müller  Haudb.  S  157,  3.  Winckelmaim 
hatte  ribi%eii8  den  mehr  plebejischen  Charakter  des  Kriegers»  richtig  er- 
kannt. Vgl.  namenü.  Kunstgesch.  Buch  11.  Kap.  3.  §  12  mit  Meyer's 
fbfiifall»  sehr  guter  Note.  Die  Annahme  eines  Ballonschlägers  wird  üb- 
rigens M'hon  durch  die  Handhabe  widerlegt,  die,  wenn  sie  zu  irgend 
firiem  Gebrauch  beim  Ballspiel  gedient  haben  sollte,  doch  mindestens 
auf  ihrer  Oberfläche  nicht  vollkommen  roh  gelassen  wäre.  Vgl.  ausser- 
d»-ni  Overbeck  Kunstarchaeol.  Vorles.  p.  164.  Gesch.  d.  gr.  Plast.  II, 
252.  und  Brunn  Gesch.  d.  griech.  Künstl.  I  p.  577  ff. 

26* 


,404  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

682.  Eingergruppe "^^  aus  Marmor^  an  derselben  Stelle 
und  in  demselben  Jahre  mit  der  Niobegruppe  (n.  412)  ge- 
funden, zuerst  in  Villa  Medici  in  Rom  aufgestellt,  seit  1677 
in  Florenz.  Ergänzt  sind  die  Unterbeine,  der  rechte  Arm 
des  Siegers  und  die  linke  Hand  des  Besiegten.  Die  Köpfe 
—  offenbar  Niobidenköpfe  —  sind  antik  aber  aufgesetzt,  weil 
man  die  Figuren  als  zur  Niobegruppe  gehörig  betrachtete. 

Der  rechte  Arm  des  Siegers  ist  schwerlich  richtig  er- 
gänzt, er  macht  eine  Geberde,  als  ob  er  dem  Anderen  einen 
Faustschlag  versetzen  wollte,  es  handelt  sich  aber  nicht  um 
einen  Faust-,  sondern  um  einen  Kingkampf,  und  zwar  um  die  Art 
des  Ringkampfs,  bei  der  auf  der  Erde  so  lange  fortgekämpft 
wurde,  bis  sich  Einer  für  besiegt  erklärte.  Man  sieht  deutr 
lieh,  wie  der  Besiegte  sich  mit  aller  Kraft  wieder  zu  erheben 
sucht,  während  der  Sieger  ihn  mit  grösserer  Kraft  niederhält. 

Dass  diese  Gruppe,  deren  Figuren  nur  mit  sich  beschäf- 
tigt sind,  ein  Ganzes  für  sich  bilde  und  nicht  etwa  zur  Niobe- 
gruppe gehöre,  ist  jetzt  allgemein  anerkannt.  Die  Gruppe 
ist  auch  ihrem  ganzen  Charakter  nach  verschieden.  Der 
Künstler  derselben  strebte  nicht  nach  irgend  welchem  höheren 
Ausdruck,  sondern  war  nur  auf  die  Darstellung  des  Körper- 
lichen gerichtet  und  zwar  suchte  er,  indem  er  Fleisch  auf 
Fleisch  legte  und  drücken  liess,  die  Schwellung  der  Muskeln 
so  weich  und  elastisch  wie  möglich  darzustellen. 

Wir  haben  Nachricht  von  einer  Gruppe  des  Kephissodöt, 
des  Sohnes  des  Praxiteles,   die   aus   einer  ähnlichen  Kunst- 
richtung hervorgegangen  zu  sein  scheint.    Es  war  ein,  sei  es 
erotisches,    sei    es    athletisches    Symplegma,    von    so   weich 
elastischem  Fleisch,   dass  Plinius  davon  sagen  konnte:   digiti 
corpori  verius  quam  marmori  impressi.     Es  ist  nicht  daran 
zu  denken,  die  Florentmische  Gruppe  mit  diesem  Werke  des 
Kephissodöt  zu  identificiren,   denn  der  Ausdruck  des  Plinins, 
der  ein  Eindrücken  der  Finger  ins  weiche  Fleisch  andeutet, 
würde   auf  erstere   nicht    passen,    aber  die   Tendenz  beider 
Werke  scheint  ähnlich  gewesen  zu  sein  und  ist  bezeichnend     j 
für  eine  auf  sinnliches  Raffinement  arbeitende  Kunst. 

Abg.  Müller-Wieseler  I,  36,  149.  Vgl.  Stark  'Niobe  p.  259  ff.  na- 
mentlich aber  Meyer's  vortreffliche  Note  zu  Wiiickelmanu  Kunstgcsoh- 
IX,  3  §  19,  der  auch  gegen  die  Identität  der  Grnppe  mit  dem  Werk 
des  Kephissodöt  schon  dasselbe  Bedenken  äussert,  das  später  von  0. 


Im  Niobidensaal  n.  62. 


.Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  405 

Jahn  Ztschr.  f.  AU.  1841  p.  754  Aiim.  gehend  gemacht  ist.  Die  Res- 
tauration der  rechten  Hand  des  Siegers  tadelt  mit  Recht  Wolft"  im  Ar- 
chaeol  Anz.  1864,  206,  aber  sein  eigner  Vorschlag  ist  wohl  nicht  mög- 
lich. Die  Richtung  des  ergänzten  rechten  Arms  konnte  wohl  keine 
andre  »ein,  als  der  Ergänzer  angenommen  hat.  Wie  die  Geberde  der 
Hand  zu  denken,  ist  mir  unklar. 

683.  Ruhender  Krieger*;  Marmorstatue  in  Villa  Lu- 
dovisL  Der  Kopf  gehört  nicht  zur  Statte,  er  ist  von  an- 
derem Marmor;  neu  sind  der  linke  Unterarm,  die  Finger  der 
rechten  Hand  mit  dem  Schwertgriff  und  beide  Füj^se. 

Da  der  Kopf  fehlt,  so  ist  schwer  zu  sagen,  ob  eine 
ideale^*  etwa  heroische  Gestalt,  oder  eine  der  Wirklichkeit 
angehörende  Figur  dargestellt  sei.  Es  darf  als  wahrschein- 
lich angenommen  werden,  dass  die  Figur  zu  einem  grösseren 
Ganzen  gehört  hat,  zu  einer  Kampfscene.  Der  Krieger  hat 
sich  niedergesetzt,  um  auszuruhen  von  den  Anstrengungen  des 
Kampfes. 

Die  Figur  macht  entschieden  den  Eindruck  eines  grie- 
chischen Werks. 

Geistreiche,  aber  für  mich  unwahrscheinliche  Vermuthungfn  über 
diese  Figur  bei  E.  Braun  Ruinen  p.  569,  der  auch  die  Zugehörigkeit 
des  Kopfes  irrthümlich  voraussetzt. 

684.  Sogenannte  Diana  von  Gabii**,  Marmorstatue, 
1792  in  der  Umgegend  von  Gabii  gefunden,  zuerst  in  Borghe- 
bischem  Besitz,  seit  1808  im  Louvre.  Ergänzt  sind  die  rechte 
Hand  und  die  untere  Hälfte  des  linken  Beins. 

Die  Statue  wurde  wegen  des  aufgeschtirzten  Unter- 
gewandes  und  wegen  einer  leisen  Aehnlichkeit  ihres  Kopfes 
mit  dem  der  Diana  von  Versailles  (n.  665)  für  eine  Diana 
erklärt,  die  sich  zur  Jagd  rüste.  Aber  ohne  Bogen  und 
Köcher  wäre  diese  Intention  wohl  nicht  verständlich.  Von 
anderer  Seite  wird  die  Figur  für  eine  Nymphe  der  Diana  er- 
klärt, wozu  wir  aber  keinen  Anlass  linden.  Wir  können  nur 
^  ein  Genrebild  denken,  der  Künstler  beabsichtigte  nichts 
heiter,  als  ein  graziöses  Mädchen  im  Moment  des  Ankleidens 
Zustellen. 

Wenige  Werke  des  Alterthums  stehen   dieser  Statue  an 
Dmuth  gleich,  doch  dürfen  wir  sie  wegen  der  vollkommen 

*  Im  Romischen  Kiippelsaal  ii.  14. 

**  Brouceabguss  im  Griechischen  Hof  n.  2,  ein  Gypsabgu^s  im  Ge- 
>eiIl^tilul. 


406  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst, 

freien    Natürlichkeit    der    Darstellung    nicht    über   Lysippus 
hinaus  datiren. 

Abg.  Visconti  monum.  Gabini  u.  32.  Clarac  musee  de  sculpt.  pl. 
285.  Vgl.  Visconti  Op.  var.  IV,  75  ff.  und  die  übrige  Literatur  bei 
Panofka  im  Programm  zum  elften  Berliner  Winckelmanusfest  p.  7,  der 
die  Statue  übrigens  ganz  willkürlich  Atalante  nennt. 

685.  Wasse»holendes  Mädchen*,  Marmorstatue,  in 
der  Nähe  von  Rom  vor  Ponte  molle  bei  der  Osteria  la 
Finocchia  gefunden,  von  W.  v.  Humboldt  angekauft,  auf 
dessen  Schloss  Tegel  bei  Berlin  sie  sich  noch  jetzt  befindet. 
Ergänzt  ist  (vermuthlich  von  Thorwaldsen)  der  Kopf,  der  linke 
Arm  mit  dem  Krug,  der  rechte  mit  einem  Sttlck  des  Gewandes, 
und  der  rechte  Fuss. 

Von  den  zahlreichen  Wiederholungen  dieser  Figur  ist 
keine,  wie  es  scheint,  vollständig  erhalten,  doch  ist  die  Er- 
gänzung der  Figur  gewiss  richtig.  Es  ist  ein  Mädchen  dar- 
gestellt, das  zur  Quelle  herabsteigt,  um  Wasser  zu  schöpfen 
und  mit  grosser  Anmuth  das  Gewand,  um  es  nicht  zu  be- 
netzen, mit  der  Rechten  in  die  Höhe  zieht 

An  eine  mythologische  Darstellung,  etwa  eine  Nymphe, 
zu  denken,  verbietet  die  Tracht  des  Mädchens.  Es  ist  ge- 
wiss ein  Genrebild,  die  Figur  sieht  ganz  wie  aus  dem  Leben 
genommen  aus.  W.  v.  Humboldt,  der  die  Figur  täglich  vor 
Augen  hatte,  hat  sie  in  einem  Sonett  gefeiert  und  die  unbe- 
wusste  natürliche  Anmuth  als  besondere  Schönheit  an  ihr 
hervorgehoben.  Sie  gehört  auch  gewiss  zu  den  anmuthigsten 
Statuen  der  alten  Kunst. 

Unter  den  vorhandenen  Wiederholungen  ist  keine  künst- 
lerisch so  werthvoll  wie  diese,  die  sich  auch  im  Maass  von 
den  übrigen  in  Lebensgrösse  ausgeführten  unterscheidet.  Doch 
fragt  sich,  ob  sie  die  Originalgrösse  bewahrt  habe.  Das  kleine 
Format  scheint  zwar  dem  graziösen  Charakter  des  Werks  ent- 
sprechender, indessen  hat  im  Allgemeinen  unter  Copien  ver- 
schiedener Grösse  die  grössere  Copie  die  Wahrscheinlichkeit 
für  sich,  der  Originalgrösse  näher  zu  stehen.  Denn  für  ver- 
kleinerte Copien  ist  im  Leben  weit  mehr  Veranlassung  ge- 
geben, als  für  vergrösserte. 

Hinsichtlich  der  Zeitbestimmung  kann  nur  dies  mit  einiger 
Sicherheit  behauptet  werden,   dass    das  Werk   nicht  in   der 


*  Im  Niobidensaal  n.  28. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  407 

classischen  Zeit  der  griechischen  Kunst^  also  nicht  vor  Ale- 
xander entstanden  sein  kann.  Eine  Elgenthümlichkeit  der 
Gewandung^  die  sich  in  classischer  Zeit  nicht  findet;  scheint 
dies  zu  beweisen^  die  Falten  des  Untergewandes  sind  nämlich 
unter  dem  Obergewand  sichtbar  ^  in  ähnlicher  Weise  wie  an 
der  sogenannten  Ceres  (n.  686)  und  an  der  berühmten  durch 
das  Berliner  Exemplar  am  würdigsten  vertretenen  Statue  der 
Polyhymnia,  deren  üeberwurf  freilich  noch  weit  feiner  und 
florartiger  angenommen  ist.  Von  einem  gewissen  Raffinement 
lässt  sich  diese  Behandlung  des  Gewandes  schwerlich  frei- 
sprecheu;  und  eben  darum  mag  sie  der  früheren  Zeit  fremd 
sein,  denn  im  Leben  kannte  man  die  durchscheinenden  Ge- 
wänder auch  schon  damals.  Man  sieht  aber  an  den  erwähnten 
Statuen,  wie  allmählich  der  raffiniite  Luxus  des  Lebens  auch 
in  die  Kunst  eintritt.. 

Wenn  aber  auch  nicht  in  der  Blüthe  der  Kunst  ent- 
standen, so  ist  die  Statue  doch  ihrer  grossen  Anmuth  wegen 
für  ein  griechisches  Werk  zu  halten  und  dieser  Periode  zu- 
2uschreiben. 

Die  Inschrift  Anehyrrhoe  auf  dem  Bluudcirschen  Exemi)lar  hat  das 
richtige  Verständniss  der  Figur  verhindert,  sie  ist  jetzt  als  modern  er- 
kannt. Vgl.  Conze  Arch.  Anz.  1864  p.  221.  Das  Sonett  v.  W.  v. 
Humboldt  steht  in  den  Gesamm.  W.  III  p.  400  n.  17. 

686.  Angebliche  Ceres*,  Marmorstatue,  aus  dem  Be- 
sitz der  Familie  Mattei  von  Clemens  XIY.  für  den  Vatikan 
angekauft,  wo  sie  sich*noch  befindet.  Ergänzt  ist  die  linke' 
Hand  mit  den  Aehren.  Der  Kopf  ist  aufgesetzt  und  seine 
Zugehörigkeit  zur  Figur  nicht  sicher. 

Die  Ergänzung  der  Aehren  ist  rein  willkürlich,  zur  An- 
nahme einer  Ceres  ist  'durchaus  keine  Veranlassung,  um  so 
weniger,  wenn  der  Kopf  zur  Figur  gehören  sollte,  der  für 
Ceres  zu  jugendlich  ist.  Man  könnte  ihn  wegen  der  Frisur 
für  einen  Porträtkopf  halten,  aber  auch  an  Idealköpfen  findet 
sich  dieselbe  Anordnung  des  Haars  und  die  Formen  ent- 
sprechen einigermaassen  den  Venusköpfen.  Er  hat  aber  ent- 
schieden griechischen  Charakter,  was  der  gleich  im  Folgenden 
zu  erwähnende  Kopf  noch  deutlicher  zeigt. 

Auch  die  höchst  elegante  Gewandung   ist   von   griechi- 


*  Im  Xiobidensaal  n.  68.     Ein  Duplikat  dieser  Fl^r  in  Bronce  be- 
findet »ich  im  Griechischen  Hof  n.  8. 


408  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

schem  Stil.  Wie  an  der  Nymphe  von  Tegel  (n.  685)  und  der 
Polyhymnia  des  hiesigen  Museums  lässt  das  Obergewand  die 
Falten  des  Untergewandes  durchscheinen. 

Visconti  Pio-Clem.  I  zu  tav.  40,  Gerhard  Beschreibg  Roms  II,  2, 
276  und  E.  Braun  Ruinen  p.  508  halten  sämmtlich  den  Kopf  für  zuge- 
hörig  und  meinen,  es  sei  eine  Muse  dargestellt,  letzterer  übrigens  nicht 
ohne  auf  einige  individuelle  Züge  aufmerksam  zn  machen,  zu  denen 
freilich  das  Achselband  nicht  gehört,  das  sich  ebenso  gut  an  idealen 
Gestalten  z.  B.  am  östlichen  Giebel  des  Parthenon  findet.  Mir  schien 
vor  dem  Original  der  Kopf  durchaus  nicht  zugehörig. 

687.  Frauenbtiste*,  von  Marmor,  in  der  Glyptothek 
zu  München  befindlich  und  gewiss  aus  Griechenland  stammend. 

Der  Eopf  stimmt  mit  dem  der  ebenerwähnten  Figur 
überein,  nur  dass  er  weit  schöner  und  gewiss  ein  griechisches 
Originalwerk  ist.  ^ 

Zu  bemerken  ist,  dass  der  Kopf  nicht  die  Form  einer 
Herme,  sondern  einer  Büste  hat.  Die  älteste,  einfachste, 
strengste  und  am  meisten  monumentale  Form  der  Verewigung 
ist  zwar  die  Herme,  aber  es  scheint  doch  schon  in  guter 
griechischer  Zeit  der  Kunst  die  belebtere  Büste  daneben 
aufgekommen  zu  sein.  Die  Basis  ist  modern,  aber  gewiss  im 
Sinne  des  Ursprünglichen  ergänzt,  der  attische  Säulenfuss  gab 
das  Motiv  für  die  Basen  der  Statuen  und  Büsten. 

Vgl.  Schorn's  Catalog  d.  Glyptothek  n.  83.  Ein  anderes  Beispiel 
einer  griechischen  Büste  ist  der  Zeuskopf  des  hiesigen  Museums  u.  142. 

688.  Mädchen  mit  der  Muschel**,  Marmorstatoe  im 
Louvre,  früher  in  Villa  Borghese.  Ergänzt  sind  der  linke 
Unterarm  und  der  ganze  rechte  Arm  mit  der  Schulter. 

Auf  der  Basis  der  Figur  sind  Muscheln  angedeutet^  das 
Mädchen  ist  also  am  Strand  eines  Flusses  liegend  zu  denken, 
und  der  Gedanke  des  Restaurators,  dass  sie  eine  Muschel  in  der 
Rechten  gehabt  und  wasserschöpfend  dargestellt  sei,  ist  mehr 
als  wahrscheinlich.  An  eine  Nymphe  aber,  die  Wasser  spendet 
und  nicht  schöpft,  ist  nicht  zu  denken,  sondern  es  ist  eine 
Figur  des  Lebens,  die  in  reizend  mädchenhafter  Stellung  hin- 
gelagert ist.  Sie  ist  der  oben  erwähnten  Statue  in  Tegel 
(n.  685)  zu  vergleichen. 

Dieselbe  Figur  nur  mit  verändertem  Motiv   und   Alter 


*  Im  NiobidiÄRal  n.  89. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  31. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  409 

findet  sich  sehr  oft  wiederholt^  danmter  auch  in  einem  Exem- 
plar griechischen  Stils.  Ein  griechisches  Original  ist  daher 
jedenfalls  vorauszosetzen.  Auch  die  Gewandung  des  Mäd- 
chens, das  nur  an  einer  Seite  zusammengenähte  Unterkleid, 
entspricht  griechischer  Sitte,  und  die  den  griechischen  Werken 
so  sehr  eigene,  präcise  Unterscheidung  des  Stoffes  am  Oher- 
und  Untergewand  ist,  wenn  auch  getrübt,  doch  noch  er- 
kennbar. 

Wir  werden  das  Original  dieser  Figur  etwa  gleichzeitig 
mit  der  Statue  von  Tegel  ansetzen  dürfen. 

Abg.  Clarac  pl.  323.     Monum.  scelti  Borghesiani  I,  32.    Vgl.  des- 
cription  du  Louvre  n.  686  und  die  folg.  Statue. 

689.  Knöchelspielerin*,  Marmorstatue,  um  1730  auf 
dem  Caelius  gefunden,  aus  der  Sammlung  Polignac  in  das 
Berliner  Museum  übergegangen.  Ergänzt  sind  der  rechte 
Vorderarm,  die  rechte  Schulter  und  der  Hals 

Diese  Statue  geht  mit  der  eben  betrachteten  offenbar 
auf  dasselbe  Original  zurück.  Nur  ist  das  Motiv  verschieden 
und  im  Einklang  damit  auch  das  Alter,  da  das  Knöchelspiel 
vorwiegend  eine  Belustigung  des  jüngeren  Alters  war.  Auch 
die  Gewandung  stimmt  nicht  ganz  überein,  das  dort  aufge- 
schlitzte Untergewand  ist  hier  geschlossen,  wie  es  für  diese 
Statue,  deren  Kopf  offenbar  Porträt  ist,  angemessener  war. 

Es  ist  schwer  zu  sagen,  in  welcher  Figur  das  Original- 
motiv beibehalten  ist.  Die  Composition  selbst  giebt  darüber 
keinen  Aufschluss,  nur  der  Umstand,  dass  in  mehreren  Wie- 
derholungen dieses  Typus,  darunter  in  der  schönsten  von 
allen,  das  Motiv  des  Knöchelspiels  wiederkehrt,  ist  der 
Annahme  günstig,  dass  die  Berliner  Figur  ^  dem  Original 
näher  stehe. 

Man  hat  bemerkt,  dass  das  Knöchelspiel  eigentlich  ein 
Paar  von  Spielern  erfordere,  und  dass  daher  die  Figur  oder 
vielmehr  ihr  Original  wohl  nur  die  Hälfte  einer  Gruppe  sei. 
Allerdings  sieht  man  auf  den  Monumenten  immer  nur  Paare 
von  Spielern  und  wenn  es  auch  denkbar  ist,  dass  ein  Ein-» 
zelner  sich  mit  dem  Knöchelspiel  belustigte,  zumal  da  nicht 
alle  Arten  dieses  Spiels  Gewinnspiele  waren,  so  ist  doch 
das  paarweise  Spiel  entschieden  natürlicher.  Es  kommt  noch 
hinzu,  dass  das  Mädchen  mit  der  Linken  eine  Anzahl  Knöchel 

*  Im  Römischen  Saal  n.  28. 


410  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

bedeckt;  die  wenn  es  sich  nicht  um  ein  Gewinnspiel  handelte, 
überflüssig  wären.  Wir  müssen  daher  die  Vermuthung,  dass 
die  Figur  nur  eine  aus  einer  Gruppe  herausgenommene  Einzel- 
figur sei,  die  man  ihrer  besonderen  Anmuth  wegen  einzeln 
wiederholte,  für  sehr  wahrscheinlich  halten. 

Was  das  Spiel  selbst  betrifft,  so  hatten  die  Astragalen, 
die  ursprünglich  aus  Thierknöcheln  gefertigt  und  dann  in 
anderem  Material  nachgeahmt  wurden,  nicht  wie  die  Würfel, 
Augen  oder  sonstige  Zeichen  auf  ihren  einzelnen  Seiten,  die 
bei  der  Ungleichheit  der  Seiten  des  Astragais  überflüssig  ge- 
wesen wären,  im  Uebrigen  war  das  Spiel  dem  Würfelspiel 
gleich  und  die  verschiedenen  Würfe  hatten  auch  verschiedenen 
Zahlenwerth. 

Abg.  Visconti  Op.  var.  IV,  tav.  24  p.  169  ff.  Vgl.  Wolff  in  den 
Nuove  mem.  d.  inst.  p.  333  ff.  dessen  Bemerkung  über  die  Zugehörig- 
keit der  Figur  zu  einer  Gruppe  ich  mir  aneigne,  ohne  seinen  weiteren 
Vermuthungen  folgen  zu  können. 

In  Betreff  des  Spiels  nimmt  man  gewöhnlich  (Becker  Gallus  III 
p.  326  ff.  u.  A.)  an,  dass  die  Astinigalen  wie  die  Würfel  mit  Augen 
bezeichnet  gewesen  seien.  Aber  zunächst  hat  keiner  der  erhaltenen  oder 
abgebildeten  Astragale,  soviel  ich  weiss,  Augen,  sodann  wären  wie  schon 
im  Text  angedeutet,  die  Augen,  die  bei  den  gleichen  Seiten  der  Würfel 
nothwendig  sind,  bei  den  ungleichen  Seiten  des  Astragais  überflüssig, 
endlich  spricht  dafür  die  Stelle  des  Pollux  IX,  99  rb  ox^f^KX  zov  xtaä 
rbv  äoxQayaXov  nxmfitxxoq  d^id^fiov  So^av  eixsv.  Vgl.  Lueian 
Amor.  16. 

690.  Sogenannter  Alcibia'des  unter  Hetären*, 
Marmorrelief,  aus  Famesischem  Besitz,  1790  nach  Neapel 
versetzt.  Ergänzt  sind  der  Kopf  des  Jünglings  und  der  Frau 
mit  der  (bis  auf  das  unterste  Stück  neuen)  Leier,  an*  ihrer 
Nachbarin  der  linke  Arm. 

Die  hergebrachte  Bezeichnung  dieses  Reliefs  als  Alcibiades 
unter  Hetären  ist  zwar  unbegründet,  geht  indessen  doch  von 
dem  richtigen  Gefühl  aus,  dass  das  Werk  uns  in  das  grie- 
chische Privatleben  hineinführe.  Denn  es  ist  nicht  daran  zu 
denken,  dass  Bacchus  mit  den  Grazien  —  die  Cymbeln  in 
der  Hand  des  bekleideten  Mädchens  haben  den  Gedanken 
%.n  Bacchus  veranlasst,  die  indessen  auch  bei  nicht  religiösen 
Feiern  üblich  waren  —  oder  gar  Apollo  mit  Musen  oder 
Grazien  dargestellt  sei.  Schon  das  Lager  führt  in  eine  ganz 
andere  Sphäre,  ausserdem  aber  die  ganze  Handlung,  die  sich 
sichtlich  um  die  Verführung  eines  Jünglings  dreht 


*  Im  Niobidensaal  n.  117. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  411 

In  der  Gestalt  des  Jünglings  ^  in  der  angelehnten  Hal- 
tung;  in  dem  herabgleitenden  Gewand  ist  treffend  ausge- 
sprochen; dass  er  in  weiche  und  tippige  Träumereien  ver- 
sunken ist  Das  Mädchen  neben  ihm^  mit  einem  knapp  an- 
anliegenden nichts  verhüllenden  Gewand  bekleidet,  scheint  mit 
ihren  Cymbeln  die  Sinne  des  Jünglings  aufregen  zu  wollen, 
die  beiden  anderen  sind  offenbar  in  heimlicher  Unterredung 
begriffen  über  das  gegen  den  Jüngling  einzuschlagende  Ver- 
fahren. Die  eine  leise  herabsteigend  vom  Lager  fasst  an  die 
Kithar  des  Jünglings,  um  sie  ihm,  wie  es  scheint,  unvermerkt 
zu  entziehen,  die  andere  zupft  an  seinem  Gewände.  Es  hat 
den  Anschein,  als  ob  diese  ebenso  graziösen  wie  leichtfertigen 
Frauen  den  Jüngling  aus  seiner  noch  etwas  zu  idealen,  durch 
die  Kithar  träumerisch  erregten  Stimmung  herausreissen  und 
auf  reellere  ihren  Wünschen  entsprechende  Zwecke  richten 
möchten. 

Das  Relief  ist  also  ein  Genrestück,  für  die  Sitten- 
geschichte interessant,  insofern  es  eine  lebendige  Vorstellung 
von  der  verführerischen  Grazie  griechischer  Hetären  giebt 
und  nicht  minder  für  die  Kunstgeschichte  als  charakteristi- 
sches Beispiel  einer  raffinirten  Kunstrichtung,  die  sittlich  an- 
stössige  Gegenstände  durch  die  Grazie  der  Form  dem  Auge 
einzuschmeicheln  sucht.  Dass  es  griechischen  Ursprungs  ist, 
wird  nicht  bezweifelt  werden  können,  ja  man  möchte  es  wegen 
der  grossen  Grazie  als  attisch  bezeichnen.  Vor  dem  Schluss 
des  vierten  Jahrhunderts  aber  ist  es  wohl  nicht  entstanden, 
denn  nicht  eher  scheint  jene  Richtung  aufgetreten  zu  sein, 
die  sich  zur  Sklavin  feinerer  Sinnenlust  machte.  Auch  die 
nicht  seltenen  ähnlichen  Scenen  der  Vasenbilder  sind  schwer- 
Uch  älter. 

Hinsichtlich  des  Reliefs  ist  zu  bemerken,  dass  der  vor- 
tretende Fuss  des  Jünglings  etwas  empfindlich  die  Grenze  der 
übrigen  Figuren  überschreitet.  Das  Lager  tritt  schjäg  aus 
dem  Grunde  hervor,  um  die  neben  demselben  stehenden  Fi- 
guren in  gleicher  Rdiefhöhe  mit  den  auf  demselben  befind- 
lichen halten  zu  können. 

Vgl.  Finati  il  museo  borbon.  n.  283.    Gerhard  u.  Panofka  Nea])els 
Antiken  n.  283. 

691.   Zwei  Frauen  neben  einem  Idol*,  Terrakotta- 

*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  396. 


412  Nachblüthe  .der  griechischen  Kunst. 

relief  aus  Athen^  das  zuerst  Stackelberg^  dann  Thiersch  be- 
sass  und  sich  jetzt  im  Museum  zu  Carlsruhe  befindet 

Eine  Deutung  dieses  Reliefs  vermögen  wir  nicht  zu 
geben,  die  beiden  Frauen,  von  denen  die  eine  einen  Spiegel 
hält,  gehören  vermuthlich  in  die  Sphäre  des  menschlichen 
Lebens;  das  kleine  Idol  legt  die  rechte  Hand  auf  die  Brost- 
und  hat  den  Typus,  den  nian  gewöhnlich  auf  die  Proserpiiia 
bezieht. 

Der  Stil  ist  weich  und  schön,  aber  nicht  aus  der  besten 
Zeit,  wie  man  schon  aus  den  glatt  anliegenden  Gewändern 
abnehmen  kann. 

Abg.  Stackeiberg,  Gräber  der  Hellenen  Taf.  69,  dessen  Deutung  üb- 
rigens auf  sich  beruhen  mag. 

692.  Sterbender  Alexander*,  Marmorkopf  im  Mu- 
seum zu  Florenz. 

Die  Aehnlichkeit  des  Kopfes  mit  der  Büste  des  Alexander 
im  capitolinischen  Museum  rechtfertigt  die  gegebene  Bezeich- 
nung, und  der  Gedanke,  dass  ein  Künstler  den  in  der  Jugend 
hinsterbenden  Helden  im  Todesschmerz  ringend  dal'gestellt 
habe,  erscheint  uns  nicht  unpassend. 

Der  Kopf  ist  eins  der  kostbarsten  Stücke,  die  uns  ans 
dem  Alterthum  erhalten,  aufs  Tiefste  ergreifend  und  von  voll- 
endeter, messender  und  weicher  Ausführung,  gewiss  ein  Ori- 
ginalwerk. Wir  möchten  ihn  mit  einiger  Bestimmtheit  in  die 
Zeit  der  Diadochen  setzen,  weil  er  den  Köpfen  auf  den 
Münzen  der  Diadochen  seinem  ganzen  Charakter  nach  über- 
raschend ähnlich  ist.  Gerade  damals  und  erst  damals  trat 
ein  freieres,  von  aller  Stilisirung  emancipirtes  Pathos  in  die 
Kunst  ein,  dessen  schönster  Repräsentant  eben  dieser  Kopf 
ist.  Man  vergleiche,  um  sich  des  Gegensatzes  zur  früheren 
Zeit  bewusst  zu  werden,  den  pathetischen  aber  streng  stili- 
sirten  Kopf  des  herkulanischeu  Dionysos  n.  438. 

Abg.  Müller -Wieseler  1,  39,  160.  Dass  Overbeck  Kunstarchaeol. 
Vorles.  [).  137  diesen  weichen  luid  unbärtigen  Kopf  auf  den  wilden  Ka- 
paneus  bezieht,  ist  mir  durchaus  unverständlich.  Meyer  z.  Winck.  V, 
469  (Eiselein)  und  Brunn  Gesch.  d.  gr.  Künstl.  I,  438  setzen  das  Werk 
in  eine  etwas  frühere  Zeit. 

693.  Sogenannter    Germanikus**,     Marmorstatue, 


*  Im  archaeologischen  Apparat  der  Kgl.  Universität. 
**  Im  Niobidensaal  n.  61. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  413 

unter  Ludwig  XIV.  in  Rom,  wo  sie  sich  in  den  Gärten  von 
Sixtus  y.  auf  dem  Esqnilin  befand;  angekauft  und  in  der 
Galerie  von  Versailles  aufgestellt,  jetzt  im  Louvre.  Nur  Dau- 
men und  Zeigefinger  der  linken  Hand  sind  ergänzt 

Die  Bezeichnung  der  Figur  als  Germanikus  rührt  daher, 
weil  man  im  Gesicht  die  Züge  dieses  Römers  zu  erkennen 
glaubte.  Dies  ist  freilich  ein  Irrthum^  aber  Porträt  ist  das 
Gesicht  jedenfalls  und  zwar  wie  Schnitt  und  Anordnung  des 
Haars  zeigen,  das  Porträt  eines  Römers. 

Die  Figur  ist  mit  Ausnahme  des  Kopfes  die  Copie  eines 
schönen  Hermestypus,  den  uns  eine  Statue  in  Villa  Ludovisi 
auch  mit  dem  Hermes  eigenthümlichen  Kopfe  kennen  lehrt. 
Diesen  Typus  benutzte  der  Künstler  um  einen  Römer  unter 
dem  Bilde  des  Hermes  darzustellen.  Denn  dass  dies  seine 
Absicht  war,  beweist  die  Schildkröte,  ein  Attribut,  das  nur 
dem  Hermes,  der  die  Schildkröte  zur  Construktion  der  Leier 
benatzt  hatte,  zukommt.  Auch  hielt  die  Figur  gewiss  den 
Stab  des  Hermes  in  der  Linken  und  zwar  so,  dass  das  Ge- 
wand, welches  jetzt  in  räthselhafter  Weise  an  dem  Arm  fest- 
geklebt scheint,  dadurch  gehalten  wurde.  Der  Mann,  dem 
diese  Statue  gesetzt  ist,  war  unzweifelhaft  in  der  Beredtsam- 
keit  ausgezeichnet,  denn  der  hier  benutzte  Typus  stellt  den 
Hermes  gerade  in  seiner  Eigenschaft  als  Gott  der  Rede  dar. 

Die  ganze  Stellung  nämlich  drückt  die  schärfste  Concen- 
trirung  der  Gedanken  aus.  Darum  der  feste  Stand  auf  der 
Sohle  beider  Füsse,  darum  die  leise  Senkung  des  Hauptes, 
wie  Homer  es  von  Odysseus,  dem  klugen  Redner  berichtet, 
dass  er  zu  Boden  sah,  wenn  er  redete,  um  ganz  in  sich  ge- 
sammelt und  den  Eindrücken  der  Aussenwelt  entrückt  zu  sein. 
Dies  Versunkensein  in  geistige  Thätigkeit  wird  auch  durch 
das  Gewand  angedeutet,  das  unvermerkt  von  der  Schulter 
herabgeglitten  ist  und  nur  noch  von  dem  Caduceus  gehalten 
wird.  Der  demonstrirende  Gestus  der  Rechten  aber  zeigt, 
dass  der  Redner  gerade  im  Begriff  ist,  seine  Gedanken  dar 
zulegen  *. 

Der  Hermestypus,  den  der  Künstler  benutzt  hat,  gehört 
gewiss  der  edelsten  Zeit  der  griechischen  Kunst  an.  Dies 
ergiebt  sich  deutlich  aus  der  Statue  in  Villa  Ludovisi,  deren 
Kopf  noch  die  entschiedensten  Merkmale  des  strengen  Stils 


*  Die  beiden  ersten  Finger  der  rechten  Hand  sind  durch  eine  klehie 
Stütze  mit  einander  verbunden. 


414  Nachblüthe  der  griechischen  Kunst. 

der  Kunst  an  sich  trägt.  Auch  ist  der  Charakter  der  Figur 
80  grossartig  ernst;  man  vergleiche  nur,  um  sich  dessen  be- 
wusst  zu  werden,  die  unter  dem  Namen  des  Jason  bekannte 
Hermesstatue  (n,  666),  in  welcher  der  Gott  viel  unbedeuten- 
der, nur  als  der  schlanke  und  graziöse  Götterbote  erscheint 

An  der  Statue  in  Villa  Ludovisi  ist  der  rechte  Arm 
falsch  ergänzt,  nämlich  ausgestreckt,  weit  abspringend  vom 
Körper.  Dadurch  wird  das  Geschlossene,  das  so  wesentlich 
ist  für  den  Ausdruck  innerlicher  Concentrirung,  aufgehoben 
und  es  kommt  ein  pathetischer  Zug  hinein,  der  mit  der  son- 
stigen Erscheinung  der  Figur  nicht  übereinstinunt  In  den 
Formen  scheint  der  Germanikus  etwas  reifer  und  kräftiger  zu 
sein,  als  die  Ludovisische  Statue,  was  vermuthlich  wegen  des 
Porträtkopfes  geschehen  ist,  der  ein  höheres  Alter  hat,  als 
es  dem  Hermes  zukommt.  Den  Eindruck  eines  idealen  Wesens 
erhält  man  überhaupt  nicht,  der  Künstler  war  genöthigt,  mit 
dem  Porträtkopf  auch  den  Charakter  des  übrigen  Körpers  in 
Einklang  zu  setzen.  Sonst  aber  wird  die  Figur  mit  Recht 
als  eine  Normalfigur  bewundert  und  von  den  Künstlern  studirt 

Die  Statue  ist  von  Kleomenes,  dem  Sohn  des  Kleomenes, 
aus  Athen,  verfertigt,  wie  die  auf  der  Schildkröte  angebrachte 
Inschrift  angiebt.  Nach  den  Buchstabenformen  derselben  lebte 
der  Künstler  nicht  vor  dem  Untergänge  der  römischen  Republik. 

Vgl  namentlich  Visconti  Op.  Var.  4,  zu  Tafel  33.  Den  Gestus  der 
rechten  Hand  aber  hat  Welcker  Akad.  Mus.  2.  Aufl.  p.  50  richtiger  ge- 
deutet. Hinsichtlich  der  Gewandung  bemerkt  Visconti  1.  c.  p.  241.  242 
Anm.  1 :  l'agencement  imite  un  de  ces  effets  momentanes  et  fugitifs  que 
leb  artistes  cherchent  quelquefois  ä  saisir,  pour  mettre  de  la  varietö  o« 
de  la  nouveaute  dans  leurs  compositions.  Diese  Meinung  hat  vielfach 
Zustimmung  gefunden,  aber  gewiss  richtiger  ist  die  im  Text  befolgte 
von  Clarac  description  du  Louvre  n.  712.  899  und  siu*  la  statue  antique 
de  Venus  Victrix  p.  58.  (Die  Vermuthung  Clarac's  übrigens,  es  sei  M. 
Marius  Gratidianus  vorgestellt,  wird  wohl  allgemein  als  eine  sehr  un- 
glückliche angesehn).  Denn  etwas  gehalten  hat  die  linke  Hand,  dass 
dies  aber  ein  Caduceus  war,  wird  dadurch  sehr  wahrscheinlich,  weil  sich 
ganz  dieselbe  Haltung  der  Fmger  an  vielen  kleinen  Broncen  findet,  ia 
denen  Hermes  mit  seinem  Stabe  dargestellt  ist.  Die  beiden  an  der 
Statue  restaurirten  Finger  liegen  in  den  Broncen  ausgestreckt  am  Stabe 
an,  die  Restauration  ist  im  Wesentlichen  übereinstimmend.  Overbeck 
Gesch.  d.  griech.  Plastik  2,  240  denkt  an  einen  gesenkt  gehaltenen 
Caduceus,  den  ich  schon  um  desswillen  bestreiten  muss,  weil  er  sehr 
unangenehm  vorspringen  und  den  Ernst  und  die  Ruhe  des  Werks  stö- 
ren wiu*de.  Die  Annahme  eines  unnatürlichen  Gewandmotivs  muss  ich 
übrigens  auch  aus  kunsthistorischen  Gründen  bestreiten,  weil  nämlich 
das  Original  dieser  Statue,  wie  der  Kopf  der  Ludovisischen  Figur  zeigt, 
in  eine  für  derartige  Effekthascherei  viel  zu  frühe  Zeit  föllt.  Die  Figur 
in  Villa  Ludovisi  ist  genauer  besprochen  von  Kekule  Annali  1865  p.  66. 


Nachblüthe  der  griechischen  Kunst.  415 

694.  Weiblicher  Torso*,  vou  Marmor,  am  Posilipp 
gefunden  und  in  Neapel  befindlich. 

Die  Arbeit  ist  schön  und  gewiss  griechisch,  der  Gegen- 
stand nicht  zn  bestimmen. 
Vgl.  Arch.  Ztg.  1844  p.  212. 

695.  Weiblicher  Kopf**,  von  Marmor,  dessen  Aug- 
äpfel eingesetzt  waren.  Wir  sind  nicht  im  Stande,  eine  ge- 
nauere Deutung  dieses  schönen  Kopfes  zu  geben  und  wissen 
auch  nicht,  wo  sich  derselbe  befindet. 

696.  Weiblicher  Kopf***,  mit  etwas  schmerzlichem 
Ausdruck.  Wo  sich  der  Kopf  befindet,  ist  uns  unbekannt, 
auch  können  wir  keine  Deutung  desselben  geben.  Die  Haare 
sind  drahtartig,  wie  nach  Bronce  gearbeitet. 

697.  Kleiner  männlicher  Torso****,  von  schöner 
griechischer  Arbeit.    Das  Motiv  ist  uns  nicht  klar. 

Früher  im  Besitz  von  Thiersch,  jetzt  im  Museum  zu  Carlsruhe. 


*  Im  Niobidensaal  n.  67. 
♦♦  Ebendas.  n.  42. 
♦♦♦  Ebendas.  n.  44. 
♦***  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  392. 


VII.  Die  griechische  Kunst  unter  Barbaren. 


Ehe  wir  zur  griechisch-römischen  Kunst  übergehn,  wird 
es  angemessen  sein^  die  Denkmäler  der  Krim  und  Moldau, 
die  zum  Theil  in  reinstem  griechischen  Stil  gearbeitet  sind, 
aufzuführen.  Freilich  sind  sie  nur  zum  Theil,  zum  kleineren 
Theil  rein  griechisch,  die  grosse  Menge  derselben  ist  mehr 
kunsthistorisch  interessant  als  künstlerisch  schön^  insofern  sie 
die  Barbarisirung  griechischer  Vorbilder  in  sehr  anschaulicher 
Weise  zeigt,  aber  alle  diese  Denkmäler  stehn  doch  sichtlich 
mit  der  griechischen  Kunst  in  lebendigem  Zusammenhang, 
wesswegen  wir  sie  der  griechisch-römischen  Kunst  voran- 
schicken zu  müssen  glaubten. 

Sämmtliche  hier  aufgeführte  Gegenstände,  zum  grössten 
Theil  goldne  und  silberne  Geräthe,  befinden  sich  in  Petersburg; 
fast  alle  stammen  aus  der  Umgegend  von  Kertsch,  namentlich 
aus  dem  1831  geöffiieten  Grabhügel  eines  scythischen  Königs 
und  seiner  Gemahlin,  dem  sog.  Koul-Oba. 

Wir  werden  die  bedeutenderen  Sachen  etwas  näher  be- 
sprechen, die  unbedeutenden  dagegen  nur  kurz  namhaft  machen. 

698 — 700.  Drei  Armbänder  von  Gold*,  aus  dem 
Koul-Oba.  Das  erste  wurde  neben  dem  Skelett  des  Königs 
und  zwar  am  rechten  Arm  über  dem  Ellbogen  gefunden,  die 
andern  beiden  sind  paarweise  vorhanden  und  wurden  ebenfalls 


♦  Im  Saal  der  Thiere  und  Bronceii  n.  142.  140.  182. 


Griechische  Kunst  unter  Barbaren.  417 

neben  den  Skeletten  gefanden,  n.  699  neben  dem  der  Eöni- 
gin^  and  das  andre  neben  dem  des  Königs  nnd  zwar  an  der 
Handwurzel. 

Das  an  erster  Stelle  erwähnte  Armband  ist  mit  Reliefs 
von  getriebener  Arbeit  bedeckt,  welche  abwechselnd  den  Raab 
des  GepUälas  darch  Aarora  and  die  Bezwingang  der  Thetis 
darch  Peleas  darstellen.  Der  Löwe  in  der  letzteren  Gruppe 
deatet  eine  der  Verwandlangen  an,  durch  welche  Thetis  sich 
dem  sterblichen  Mann  zu  entziehen  suchte.  Die  beiden  Lie- 
bessc^en  entsprechen  sich  dem  Gedanken  nach  und  sind 
passend  f&r  ein  Schmuckgeräth,  aber  die  Ungleichheit  ihrer 
räomlichen  Ausdehnung  ist  nicht  schön.  Ausserdem  fällt 
auf,  dass  die  Rosettenpaare  welche  die  Scenen  trennen,  ein- 
zelne Theile  der  Figuren  verdecken,  besonders  aber  dies, 
dass  von  der  Figur  des  Peleus  nur  die  obere  Hälfte  sichtbar 
ist  Offenbar  sind  diese  Gruppen,  die  sich  aucli  auf  andern 
Denkmälern  ähnlich  wiederholen,  nicht  für  das  Armband-  com- 
ponirt,  sondern  nur  anderswoher  genommen  und  für  die  neue 
Verwendung  nicht  gerade  sehr  hübsch  zugerichtet.  Der  Stil 
der  Figuren  ist  noch  alterthümlich  und  dem  fünften  Jahrhun- 
dert angehörig,  aber  diese  Zeitbestimmung  bezieht  sich  nur 
auf  das  Original  der  Reliefs,  das  ja  später  copirt  werden 
konnte.  Für  die  Datirung  des  Grabes  besitzen  wir  keinen 
andern  Anhaltspunkt,  als  eine  darin  gefundene  Inschrift  die 
nicht  jünger  sein  kann  als  das  dritte  Jahrhundert  v.  Chr. 

Das  Armband  der  Königin  ist  doppelt  so  breit  als  das 
eben  betrachtete.  Jede  Hälfte  desselben  ist  mit  ganz  über- 
einstimmenden Reliefs  verziert,  in  denen  beliebte  Thiergruppen, 
Hirsche  von  Greifen  angefallen,  dargestellt  sind.  Die  Aus- 
führung ist  wie  bei  dem  vorhergehenden  Stück  sauber,  aber 
doch  ist  ein  gewisser  Zusatz  von  Ungeschicklichkeit  nicht  zu 
verkennen,  der  uns  freilich  an  andern  Denkmälern  noch  stärker 
aafiiallen  wird.  Hauptsächlich  zeugt  die  Breite  des  Bandes 
von  barbarischem  Geschmack.  Es  ist  für  jeden  ungebildeten 
oder  verbildeten  Geschmack  charakteristisch,  dass  er  am 
Schmuck  vornehmlich  Masse  und  Gewicht  schätzt,  die  der  ed- 
lere Geschmack  gerade  zurücktreten  lässt. 

Das  dritte  Armband,  strickartig  gewunden,  macht  den 
reinsten  Eindruck  griechischer  Kunst.  Die  Sphinxe  haben 
schwerlich  irgend  eine  Bedeutung,  sondern  sind  rein  ornamen- 
tal; in  ihren  Händen  halten  sie  einen  Knoten  von  Golddraht, 
womit  das  Schloss,  die  Verbindung  der  beiden  Arme  ange- 

Friedflrichs.  griech.  Plastik.  27 


418  Griechische  Kunst  unter  Barbaren. 

deutet  werden  soll.  Sehr  fein  ist  die  Filigranarbeit  an  dem 
den  Leib  der  Sphinx  umgürtenden  Bande^  das  von  einem 
blau  emaillirten  Eierstab  eingefasst  ist. 

Abg.   Antiquites    du  Bosphore  Cimmerien    pl.   13,    1 — 3  Tome  1, 
p.  85  ff.  u.  Introduction  p.  XL VII.     Vgl.  Archaeol.  Ztg.  1857  p.  94. 

701.  702.  Goldene  Medaillons*;  aus  dem  Koul-Oba^ 
Theil  eines  Schmuckes  der  Königin  und  an  ihrem  Skelett  in 
der  Mitte  des  Körpers  gefunden.  An  diesen  Medaillons  hängt 
im  Original  und  zwar  unter  den  die  Anfügung  maskirenden 
Rosetten  ihrer  Ränder  eine  reiche  Anzahl  von  Schnüren,  die 
unter  einander  verknüpft  sind  und  am  untern  Ende  Bommeln 
in  Form  von  Eicheln  tragen,  ausserdem  aber  durch  zwei  quer- 
laufende ebenfalls  mit  Bommeln  behangene  Reihen  von  Ver- 
zierungen unterbrochen  werden.  Der  Fundort  und  der  Um- 
stand, dass  diese  Verzierungen  paarweise  erhalten  sind,  haben 
veranlasst,  sie  für  ein  Ornament  der  Brüste  zu  erklären,  ohne 
dass  sich  indess  eine  klare  Anschauung  davon  geben  Hesse, 
wie  dieselben  angebracht  waren.  Oben  am  Medaillon  (d.  h. 
am  Original)  befindet  sich  ein  Ring  zum  Einhaken.  Die 
Epheublätter  der  Einfassung  sind  blau  emaillirt. 

Der  Kopf  der  Minerva,  den  das  Relief  darstellt,  ist  über- 
reich verziert.  Der  dreifache  Helmbusch  wird  von  einer 
Sphinx  und  je  einem  Pegasus  gestützt,  Greifenköpfe  ragen 
über  dem  Stimschirm  hervor  und  auf  den  Backenklappen 
sind  ebenfalls  Greife  dargestellt.  Die  Göttin  selbst  ist  mit 
Ohrringen  und  einem  reichen  Halsband  geschmückt,  links  und 
rechts  windet  sich  eine  Schlange  von  der  Aegis  empor,  und 
der  rechts  entstehende  leere  Raum  ist  noch  durch  das  Käuz- 
lein ausgefüllt. 

Diese  Medaillons  sind  sehr  instructiv,  um  die  Mischung 
eines  rein  griechischen  und  eines  barbarischen  Elements  zu- 
verfolgen.  Die  üeberfüllung  mit  Zierrath,  die  hier  allerdings 
sehr  weit  geht,  ist  es  für  sich  allein  nicht,  was  den  Eindruck 
des  Ungriechischen  hervorruft,  denn  wir  finden  auf  unzweifel- 
haft griechischen  Werken  etwas  Aehnliches,  sondern  es  ist 
vornehmlich  der  merkwürdige  Widerspruch  zwischen  der 
Sauberkeit  der  Ausführung  und  dem  Mangelhaften  des  eigent- 
lich Künstlerischen,  denn  dem  Gesicht  der  Göttin  fehlt  jede 
Spur  eines  edleren  Charakters.    Das  rein  Technische  gelang 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  185.  187. 


Griechische  Kunst  unter  Barbaren.  419 

dem  Künstler^  aber  nicht  das  Schwierigere;  der  Ausdrack  des 
Charakters.  Und  endlich^  was  besonders  sprechend  ist;  es 
ist  in  der  Anordnung  der  Backenklappen  des  Helms  ein  Fehler 
gemacht;  die  nämlich;  wenn  sie  aufgeklappt  sind;  nicht  ab- 
stehn;  sondern  am  Kopf  anliegen  müssen.  Es  war  offenbar 
bei  der  Facestellung  des  Kopfes  dem  Künstler  schwierig;  sie 
in  die  richtige  Position  zu  bringen. 

Es  ist  sehr  instructiV;  einen  berühmten  und  durch  Ab- 
güsse sehr  bekannten  Stein  der  Wiener  Sammlung  zu  verglei- 
eheU;  den  Minervenkopf  des'AspasioS;  der  in  demselben  rei- 
chen Stil  gearbeitet  ist  aber  ohne  allen  Zusatz  eines  barba- 
rischen Elements. 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  19,  1  Tom.  I  p.  138. 

703.  Runde  Goldplatte*;  aus  dem  Koul-Oba;  wahr- 
scheinlich von  dem  Schilde  des  KönigS;  und  zwar  vom  Mittel- 
stück oder  Nabel  desselben.  Der  Schild  war  von  geringerem 
Metall  oder  Leder  und  diese  Groldplatte  die  Verzierung  des- 
selben. Zur  Befestigung  dienten  zwei  am  Rande  befindliche 
Oehrchen.  Die  Vertiefung  in  der  Mitte  war  ursprünglich  ge- 
wiss durch  irgend  eine  Verzierung  ausgefüllt. 

Die  Reliefs  sind  radienförmig  angeordnet,  ganz  ähnlich 
wie  bei  einer  häufig  in  Terrakotta  vorkommenden  Classe  von 
Schaalen. «  Medusenköpfe  mit  phantastischen  Verzierungen 
über  dem  Kopf  wechseln  mit  Scythenköpfen,  und  die  Winkel 
unten  und  oben  sind  durch  Köpfe  von  Ebern  und  Panthern 
ausgefüllt.  Die  Wahl  dieser  Verzierungen  ist  gewiss  durch 
das  Bestreben  veranlasst;  dem  Kriegsgeräth  ein  möglichst 
schreckendes  Ansehn  zu  geben.  Unmittelbar  um  den  Mittel- 
punkt läuft  ein  mit  Fischen  verziertes  Band. 

Auch  in  diesem  Werk  ist  die  Technik  sehr  auerkennens- 
werth;  der  Geschmack  aber  halb  barbarisch.  Schon  die 
grosse  Buntheit  des  Ganzen;  die  Ausfüllung  auch  des  gering- 
sten Raumes  ist  der  Weise  griechischer  Kunst  nicht  gemäss. 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  25.     Vgl.  T.  1  p.  171. 

704.  Goldplatte**;  aus  dem  Koul-Oba,  von  getriebe- 
ner Arbeit  und  in  durchaus  phantastischer  Weise  verziert. 
Man  unterscheidet  eine  niederkniende  Hirschkuh;  unter  deren 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Bronceii  ii.  18(> 
*♦  Ebenda»,  n.  189. 

27 


420  Griechische  Kunst  unter  Barbaren. 

Hals  ein  Hund;  und  an  derem  Leib  ein  Löwe;  Hase  und 
Greif  angebracht  sind.  Den  anf  ihrem  Rücken  befindlichen 
Gegenstand  vermögen  wir  bis  auf  den  Widderkopf  an  der 
einen  Seite  nicht  zu  bestimmen^  auch  der  Zweck  des  Ganzen 
ist  uns  unklar.  Nur  glauben  wir  wegen  des  völlig  barbari- 
schen Stils,  dass  irgend  welche  tiefere  Intentionen  von  dem 
Verfertiger  nicht  beabsichtigt  sind.  Die  Thiere  an  dem  Leib 
der  Hirschkuh  sind  sichtlich  nur  der  Buntheit  zu  Liebe  an- 
gebracht. 

Die  wenigen  griechischen  Buchstaben  am  Halse  der  Hin- 
din lassen  keine  sichre  Ergänzung  zu. 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  26,  1.     Vgl.  I  p.  175. 

705.  Goldplatte*,  aus  dem  Koul-Oba,  von  getriebener 
Arbeit,  wahrscheinlich  von  einem  Bogenbehälter,  wie  die  Scy- 
then  ihn  trugen  (vgl.  n.  706). 

Der  längere  Streifen  ist  mit  Thierkämpfen  verziert;  ein 
Hirsch  wird  von  einem  Löwen  und  Greif,  eine  Gazelle  oder 
ein  ihr  ähnliches  Thier  von  einem  Leoparden  angefallen.  Da- 
rüber das  Bild  eines  Seepferdes. 

Dies  Stück  ist  sehr  charakteristisch  für  barbarische  Kunst. 
Die  griechischen  Vorbilder  sind  im  Allgemeinen  treu  befolgt, 
auch  die  Technik  ist  wenigstens  fleissig,  aber  es  fehlt  alles 
Verständuiss  für  den  Körperbau.  Man  beachte  nur^  wie  die 
Rippen  und  die  Gelenke  angegeben  sind.  Das  Seepferd  ist 
übrigens  weit  besser  ausgeführt  als  das  Uebrige. 

In  der  Ecke  ist  mit  griechischen  Buchstaben  ein  barba- 
rischer Name  Pornachos  eingeschrieben,  der  vielleicht  den 
Künstler  bezeichnet.  Jedenfalls  ist  das  Werk  von  barbari- 
scher Hand  gearbeitet. 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  26,  2.     Vgl.  I,  p.  177. 

706.  Becher  von  Weissgold  (Elektrum)**,  aus  dem 
Koul-Oba,  mit  Reliefs  von  getriebener  Arbeit  verziert. 

Die  erste  Gruppe  stellt  einen  durch  das  Diadem  ausge- 
zeichneten scythischen  Fürsten  dar  in  Gespräch  mit  einem  an- 
dern Scythen.  Es  handelt  sich,  wie  aus  der  übrigen  Dar- 
stellung hervorgeht,  um  kriegerische  Angelegenheiten.  Denn 
neben   der  Gruppe   ist   bereits    ein  Krieger   beschäftigt;   die 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  201. 
*♦  Ebendas.  n.  131. 


Griechische  Kunst  unter  Barbaren.  421 

Sehne  an  den  Bogen  zu  spannen  ^  sodann  folgen  zwei  andre 
Scythen^  von  denen  einer  dem  andern  einen  Zahn  ausznziehn 
scheint,  wenn  man  nicht  lieber  irgend  eme  Verwundung  am 
Mmide  annehmen  wiU,  die  von  dem  Gefährten  untersucht  wird, 
endlich  wird  ein  am  Bein  Verwundeter  verbunden. 

Der  Schmerz  der  Verwundeten  ist  vortrefflich  ausgedrückt, 
und  die  barbarische  Nationalität  höchst  charakteristisch  dar- 
gestellt Die  Tracht  der  Scythen  ist  noch  jetzt  im  südlichen 
Russland  üblich. 

Das  Greföss  ist  von  rein  griechischem  Stil« 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  33.  p.  223  ff.,  aber  vgl.  die  Erkh'inmg  in  der 
Archaeol.  Ztg  1844  p.  316. 

707.  Silbervase*,  aus  dem  Koul-Oba,  mit  Thierkämpfen 
verziert.  Die  Figuren  treten  vergoldet  aus  mattem  Silber 
hervor. 

Auch  dieser  Becher  ist  rein  griechisch,  wenn  auch  nicht 
so  schön  wie  der  vorhergehende.  Die  Schlankheit  des  Ge- 
&sse$  wird  dadurch  etwas  beeinträchtigt,  dass  die  Ornamen- 
tirong  der  untern  Hälfte  nicht  vertikal,  wie  bei  jenem,  son- 
dern horizontal,  ringförmig  angebracht  ist. 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  34,  3.  4.  p.  229,  wo  mir  nur  die  allegorische 
Deutung  der  Thierkämpfe  nicht  zusagt,  denn  die  Thiere,  die  hier  unter- 
liegen, sind  immer  und  überall  die  unterliegenden. 

708.  Silberbecher**,  aus  dem  Koul-Oba,  in  Form 
und  Stil  dem  vorhergehenden  ähnlich.  Vögel,  etwa  wilde  En- 
ten, nach  kleinen  Fischen  schnappend  sind  darauf  vorgestellt. 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  35.  5.  6.  p.  233  f. 

709.  Silbernes  Trinkhorn***,  aus  dem  Koul-Oba, 
in  Form  eines  Stierkopfes,  unten  durchbohrt.  Es  gab  näm- 
lich zwei  Arten  von  Trinkhörnern,  je  nachdem  man  aus  der 
obem  breiten  Mündung  oder  aus  der  untern  durchbohrten 
Spitze  trinken  wollte. 

Das  Relief  bezieht  sich  auf  den  Mythus  des  Telephus, 
der  bei  Agamemnon  Heilung  sucmte  und  sie  dadurch  erzwang, 
dass  er  den  Sohn  Agamemnons  zu  tödten  drohte.  Telephus 
ist  mit  eüenden  Schritten  an  ein  kleines  Heiligthum  geflohen 


•  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  127. 
••  Ebendas.  n.  133. 
♦••  Ebendas.  n.  172. 


422  Ghriechische  Kunst  unter  Barbaren. 

das  einen  Altar  vorstellen  soU^  er  hat  das  Schwert  gezückt 
und  den  jammernden  Orest  im  Arm.  Ihm  folgt  in  der  Ge- 
berde des  Entsetzens  eine  Schwester  des  Orest.  Auf  der  an- 
dern Seite  des  Altars  wird  Agamemnon  noch  unwillig  von 
Frau  und  Tochter  hinweggeführt,  damit  er  •nicht  durch  ein 
gewaltsames  Verfahren  gegen  Telephus  das  Leben  des  Orest 
gefährde. 

Das  Relief  ist  von  ganz  barbarischem  Stil.  >  Alles  Tech- 
nische, Lembare  ist  sehr  sauber  ausgeführt,  aber  das  Vermö- 
gen künstlerischer  Gestaltung  fehlte.  Die  Köpfe  sind  na- 
mentlich ganz  unverhältnissmässig  gross.  Durch  die  gesträub- 
ten Haare  des  Telephus  und  Agamemnon  soll  vermuthlich  die 
gegenseitige  Wildheit  der  beiden  Krieger  ausgedrückt  werden. 

Abg.   a.  a.  0.  pl.  36,   1.  2.  p.  239.     Archaeol.  Ztg  1857  Taf.  106, 
p.  91  ff.,  wo  0.  Jahn   die  richtige  Erklärung  des  Reliefs  gegeben  hat. 

710.  Kugelförmiges  Silbergefäss  *,  mit  Amoren 
verziert,  die  Laubgewinde  auf  der  Schulter  tragen.  Von  den 
beiden  Amoren  der  Vorderseite  hält  der  eine  einen  Schmet- 
terling, das  Bild  der  Psyche,  der  andere  eine  Fackel,  mit 
der  er  den  Schmetterling  brennen  möchte,  die  beiden  der 
Rückseite  haben  Kränze  in  den  Händen.  Zwischen  den  Amo- 
ren sind  Medusenköpfe  angebracht,  vielleicht  im  Sinn  eines 
Apotropaion  oder  auch  nur  rein  omamental. 

Die  ganze  Darstellung  hat  auf  römischen  Monumenten 
sehr  viele  Analogien,  auch  der  Stil  hat  nichts  Barbarisches^ 
die  Ausführung  ist  spät  und  flüchtig. 

Abg.  a.  a.  0.  p.  37,  6  p.  249. 

711.  Silbernes  Gefäss**,  mit  Spuren  von  Vergol- 
dung. Die  Vase  diente  zu  einem  unsem  Theekannen  ähn- 
lichen Zweck,  denn  in  der  durch  eine  komische  Maske  ge- 
bildeten Oeffiiung  befindet  sich  ein  durchlöchertes  Blech,  das 
nur  Flüssiges  durchliess.  Auch  unter  den  Thonvasen  haben 
sich  ähnliche  erhalten.  Man  sollte  erwarten,  dass  der  Henkel 
sich  dem  Ausguss  gegenübd§  befände,  was  aber  nicht  der 
Fall  ist.  Auch  hat  die  Vase  nicht  einen  oder  allenfalls  drei 
Henkel,  wie  man  ebenfalls  voraussetzt,  sondern  zwei,  die  als 
Figuren  gestaltet  sind  nach  einem  besonders  in  etmscischer 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  126. 
•*  Ebendas.  n.  174. 


Griechische  Kunst  uuter  Barbaren.  423 

Knnst  sehr  beliebten  Motiv.  Es  sind  Satjmi;  mit  einem  Schur? 
von  Blättern  bekleidet  nnd  mit  einer  Syrinx  am  Munde.  Die 
TüUe  wird  wie  gesagt  durch  eine  komische  Maske  gebildet^ 
da  es  in  der  ganzen  antiken  Geräthwelt  Sitte  ist,  den  Ausguss 
irgend  einer  Flüssigkeit  durch  eine  Maske  von  Mensch  oder 
Thier  zu  bezeichnen.  Unter  der  komischen  Maske^  die  ihres 
Zweckes  w^egen  weiter  vortreten  musste,  ist  eine  tragische 
Maske  als  Stütze  angebracht.  Auch  der  Körper  des  Gefässes 
ist  mit  einem*  bacchischen  Symbol,  einem  Kranz  von  Weinlaub 
verziert  und  über  dem  Ausguss,  ihn  gleichsam  in  seinen  Hän- 
den haltend,  befindet  sich  ein  Amor,  dem  ein  zweiter  auf  der 
andern  Seite  correspondirt. 

Der  Stil  ist  zwar  nicht  barbarisch,  aber  auch  nicht  fein. 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  37,  5  p.  251. 

712.  Silberrelief*,  mit  Vergoldung,  aus  dem  Innern 
einer  Trinkschaale. 

Dargestellt  ist  in  nicht  sehr  feinem  Stil  Helios,  sein 
Viergespann  antreibend.  Auch  die  Form  der  Schaale  zu  der 
das  Relief  gehört,  ist  eine  spätere  im  unteritalischen  Vasen- 
stil gewöhnliche.  Sie  hat  die  geschweiften,  oben  umgekrümm- 
ten Henkel,  die  der  frühere,  strengere  Vasenstil  nicht  kennt. 

Abg.  a.  a.  0.  p.  38,  6  p.  257. 

713.  Silberner  Eimer**,   in  der  Moldau  gefunden. 
Die  Reliefs  sind  erotischen  Inhalts  und  zerfallen  in  drei 

Scenen,  deren  eine  an  Ausdehnung  den  beiden  andern  ent- 
spricht. Dies  ist  die  Darstellung  des  Hylas,  der  auf  seinen 
Krug  gelehnt,  mit  dem  er  Wasser  schöpfen  wollte,  ruhig,  nur 
mit  erhobener  Rechten  seinen  Schmerz  ausdrückend,  unter 
den  N}Tnphen  dasteht.  Nur  eine  von  diesen  bekümmert  sich 
am  ihn,  die  andern  sind  im  Begriff  sich  zu  waschen.  Die 
Darstellung  ist  sehr  wunderlich  und  hölzern. 

Nicht  viel  mehr  ist  die  zweite  Scene  zu  loben,  die  Ver- 
folgung der  Daphne,  die  mit  ihrem  Krug  zu  einer  Quellnymphe 
gegangen  und  den  Apoll,  der  übrigens  gar  nicht  wie  ein 
leidenschaftlicher  Liebhaber  aussieht ,  zurückzuhalten  sucht. 
Hinter  dem  Gott  fliegt  ein  kleiner  Eros. 

Am  besten  ist  die  dritte  Scene,  Leda  mit  dem  Schwan, 


•  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  184. 
•♦  Ebendas.  n.  124. 


424  .Griechische  Kunst  unter  Barbaren. 

namentlich  ist  der  Gedanke  originell^  dass  der  Schwan  vod 
einem  Eros  getragen  herankommt.  Der  kleine  Gott  ist  nnter 
seiner  Last  zusammengeknickt  ^  hietet  aher  noch  schelmisch 
der  Leda  einen  Spielball  an. 

Die  üppigen  Darstellongen  sind  bei  den  unschönen,  halb 
barbarischen,  wenn  auch  nach  classischen  Mustern  copirten 
Formen  besonders  unangenehm.  Charakteristisch  ist  auch  die 
Rücksichtslosigkeit,  mit  der  die  Henkelbefestigung  in  die  Dar- 
stellung eingreift 

Abg.  a.  a.  0.  pl.  39  p.  261  ff.,  wo  auch  die  iibrige  Literatur  citirt 
ist.  Nur  glaube  ich  dem  Herausgeber  nicht  das  über  den  Lorbeerzweig 
des  Apoll  und  der  Nymphe  Bemerkte,  der  vielmehr  ein  einfaches  At- 
tribut der  betreffenden  Figuren  ist. 

714.  Grostee  silberne  Vase*,  zum  Theil  vergoldet, 
zugleich  und  an  derselben  Stelle  mit  dem  eben  besprochenen 
Gefäss  gefunden. 

Die  Vase  hat  nur  in  dem  oben  befindlichen  Cylinder  eine 
Oeffaung,  es  ist  uns  unklar  wozu  sie  gedient  hat.  Die  Hen- 
kel werden  durch  zwei  Krüge  tragende  Centauren  gebildet, 
in  einer  stilistisch  allerdings  nicht  sehr  schönen  Weise. 

Das  Keüef  am  Hals  stellt  einerseits  eine  Eberjagd,  aa^ 
drerseits  eine  Hirschjagd  dar.  Die  beiden  Hirsche  werden 
in  aufgestellte  Netze  hineingetrieben,  die  ein  mit  einer  Ka- 
puze bekleideter  Junge  bewacht.  Am  Bauch  ist  eine  Ama- 
zonenschlacht, in  welcher  aber  keine  individuelle  heroische 
Figur  hervorgehoben  ist,  und  am  Fuss  sind  Nereiden  auf 
Seethieren  dargestellt. 

Der  Stil  dieses  Gefilsses  ist  dem  des  vorhergehenden 
verwandt,  nur  noch  barbarischer.  Wie  natürlich,  ist  nament- 
lich das  Nackte  verunglückt.  Auch  die  Fülle  der  Darstellun- 
gen verräth  keinen  edleren  Geschmack  und  innerhalb  der  ein- 
zelnen Reliefs,  namentlich  im  Amazonenkampf  contrastirt  der 
Reichthum  der  Verzierungen  an  Pferden  und  Menschen  selt- 
sam, aber  in  einer  für  barbarische  Entstehung  charakteristi- 
schen Weise  mit  der  unorganischen  Bildung  der  Körper.  Es 
versteht  sich  übrigens  von  selbst,  dass  auch  in  der  Entstellung 
die  .griechischen  Vorbilder  noch  überall  kenntlich  sind. 

Abg.  a.  a.  Ö.  pl.  40—42  p.  267. 

Aum.  Ausser  diesen  bedeutenderen  Werken  ist  hier  noch  eine  grosse 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  111. 


Griechische  Kunst  unter  Barbaren.  425 

Anzahl  kleinerer  Metallarbeiten,  meist  Göldverzierungen,  im  Abguss  vor- 
handen. Ein  bedeutender  Theil  derselben  ist  auch  im  Koul-Oba  am 
Boden  des  Grabgemaches  gefunden,  und  man  vermuthet,  dass  sie  zum 
Schmuck  von  Gewändern  bestimmt  waren,  ohne  freilich  im  Einzelnen 
nähere  Auskunft  geben  zu  können.  Auch  sie  sind  hauptsächlich  wegen 
der  Mischung  des  Barbarischen  und  Griechischen  interessant.  Im  Koul- 
Oba  sind  gefunden  n.  146  (eine  Scythenfigur  von  barbarischem  Stil) 
n.  153.  154.  (zwei  Scythen,  den  Bogen  spannend,  sehr  lebendig)  155, 
157  (ein  feiner  ausgefiihrtes  Seeungethüm)  161  (zwei  Scythen,  traulich 
aus  einem  Hom  trinkend)  162  (Doppelsphinx  mit  einem  Kopf,  wie 
Aehnliches  oft  auf  attischen  Monumenten  vorkommt,  hier  aber  ganz 
barbarisirt)  177.  181  (zwei  hübsche  Tänzerinnen).  Die  genannten  Ver- 
zierungen sind  abg.  a.  a.  0.  pl.  32,  1.  20,  1.  4.  6.  21,  10.  32,  10.  22, 
11.  20,  14.  8.  5. 

Aus  andern  Fundorten  stammen  n.  136  (Pfeilerchen  von  Bronce 
mit  einer  Bacchusfigur,  wahrscheinlich  Verzierung  eines  Geräthes,  abg. 
a.  a.  0.  pl.  44,  16)  145.  147  (abg.  a.  a.  0.  pl.  19,  3).  148.  149.  150. 
151.  152.  156  (abg.  a.  a.  0.  pl.  15,  15)  159.  163  (abg.  a.  a.  0.  pl.  20, 
11)  179.  183.  (abg.  a.  a.  0.  pl.  21,  11). 

Schliesslich  machen  wir  noch  auf  die  in  der  Krim  gefundenen  mit 
n.  115 — 119  und  144  bezeichneten  Thonflguren  aufmerksam,  von  denen 
n.  117.  118.  119  scythische  Krieger,  den  letzten  auf  der  Hasenjagd, 
darstellen,  n.  116,  eine  Frauenstatuette,  ist  durch  grosse  Anmuth  be- 
merkenswerth ;  n.  115  ist  eine  Venus  mit  dem  Apfel,  als  Zeugungsgöttin 
mit  einer  Herme  des  Priap  verbunden,  an  deren  Fuss  Eros  liegt.  Aehn- 
lifhe  Statuetten  haben  sich  mehrere  gefunden.  144  endlich  ist  ein  an- 
muthiger  Apollokopf.     Abg.  a.  a.  0.  pl.  64.  2.  3.  65.  5.  68,  1    3.  4. 


VIII.   Die  griechisch-römische  Kunst. 


Schon  in  der  Einleitung  zum  sechsten  Abschnitt  wurde 
bemerkt,  dass  der  Unterschied  der  griechisch-römischen  Kunst 
von  der  alexandrinischen  noch  keineswegs  klar  sei.  Es  wird 
noch  fortwährend  gestritten,  ob  der  Laokoon  der  einen  oder 
der  andern  Zeit  angehöre  und  auch  bei  andern  Statuen  z.  R 
beim  Nil  erhebt  sich  dieselbe  Frage,  ohne  dass  wir  im  Stande 
wären,  sie  mit  Sicherheit  zu  beantworten.  Die  Einen  sprechen 
der  römischen  Zeit  alle  und  jede  Productivität  wenigstens  auf 
dem  Gebiet  des  Idealen  ab  und  meinen,  dass  sie  nur  von  der 
griechischen  Erbschaft  gezehrt  habe,  die  Andern  geben  ihr 
den  Vorzug  vor  der  zunächst  vorangehenden  Periode  und  re- 
den sogar  von  einer  Restauration  der  Kunst  unter  den  rö- 
mischen Kaisem.  Wir  halten  die  erstere  Meinung  insoweit 
für  wahrscheinlich,  als  sie  sich  auf  die  religiöse  Kunst  be- 
zieht, denn  um  auf  diesem  Gebiet  wirklich  Bedeutendes  zu 
leisten,  dazu  fehlten  der  Kaiserzeit  die  innem  Bedingungen, 
wir  können  aber  nicht  so  weit  gehn,  dass  wir  die  gesammte 
Thätigkeit  der  Römer  auf  dem  Gebiet  des  Idealen  als  eine 
unselbständige  und  unbedeutende  betrachten.  Denn  wo  Sta- 
tuen wie  die  sogenannte  Thusnelda  in  Florenz,  wie  der  Au- 
gustus  in  Berlin  und  die  Agrippina  in  Neapel  entstanden 
sind,  da  kann  auch  das  auf  andern  Gebieten  der  profanen 
Kunst  Geschaffene  nicht  völlig  werthlos  gewesen  sein.  Wir 
läugnen  damit  nicht,  dass  das  Historische  die  Sphäre  war, 
für  welche  der  römische  Sinn  seit  alter  Zeit  am  besten  be- 
fähigt war,  aber  es  scheint  uns  andrerseits  nicht  richtig,  jede 


..  I 


GriechischTömische  Kunst.  427 

schöne  Idealschöpfdng  der  römischen  Zeit;  wie  z.  B.  die 
Gruppe  Elektra  und  Orest  in  Villa  Ludovisi,  ohne  besondre 
Gründe  für  die  Copie  eines  griechischen  Werks  zu  erklären. 

Dass  die  grosse  Masse  der  römischen  Kunstwerke  relativ 
unbedeutend  ist,  wird  Jeder  zugeben,  der  die  ungeheuren  An- 
forderungen bedenkt,  die  der  römische  Luxus  an  die  Kunst 
stellte,  aber  es  wäre  bei  der  Fülle  der  Aufgaben,  bei  dem 
Reichthum  an  schönsten  griechischen  Vorbildern,  bei  dem  Vor- 
handensein bedeutender  künstlerischer  Kräfte,  die  wir  eben 
nach  den  Leistungen  auf  dem  historischen  Gebiet  voraus- 
setzen müssen,  geradezu  auffallend,  wenn  nicht  auch  auf  dem 
idealen  Gebiet  unter  vielem  Unbedeutendem  einzelnes  wahr- 
haft Bedeutende  geschaffen  wäre. 

Wir  trennen  auch  in  diesem  Abschnitt  die  mythologischen 
Darstellungen  von  dem  Genre  und  der  historischen  Kunst. 
Als  dritte  Abtheilung  werden  die  pompejanischen  und  herku- 
lanischen  Kunstwerke  aufgeführt,  die  ein  besondres  Interesse 
dadurch  haben,  dass  sie  uns  die  Verbindung  von  Kunst  und 
Leben  veranschaulichen,  die  wir  sonst  so  selten  verfolgen 
können.  Eben  dies  Interesse  und  die  Gemeinsamkeit  von 
Zeit  und  Ort  liess  es  wünschenswerth  erscheinen,  sie  in  einem 
besondem  Abschnitt  aufzuführen.  Auf  sie  folgen  endlich  vier- 
tens die  Thierdarstellungen  nebst  einigen  Miscellaneen,  die  wir 
den  andern  Abtheilungen  nicht  zutheilen  konnten. 


a)  Mythologische  Darstellungen. 

715.  Orest  und  Elektra*,  Marmorgruppe  in  Villa 
Ludovisi.  Ergänzt  ist  der  rechte  Arm  des  Orest  und  die 
linke  Hand  der  Elektra. 

Die  Gruppe  ist  sehr  verschieden  erklärt,  nach  unsrer 
Meinung  hat  Winckelmann  das  Richtige  getroffen,  indem  er 
sie  auf  das  Wiedersehn  von  Orest  und  Elektra  bezog.  Nur 
dürfen  wir  darin  nicht  die  Erkennungsscene  der  sophokleischen 
Elektra  wiederfinden  wollen,  denn  es  giebt  keinen  Moment  in 
der  Schilderung  des  Dichters,  der  diesem  Bilde  entspräche. 
Bei  Sophokles  ist  Elektra  leidenschaftlich  in  der  Klage  und 

•  In  Tegel. 


428  Mythologische  Darstellungen. 

ebenso  leidenschaftlich  in  der  Freude,  sie  jauchzt^und  jubelt 
in  den  bewegtesten  Rhythmen  ohne  auf  die  beschwichtigenden 
Worte  des  ruhigeren  Bruders  zu  hören,  ohne  die  Gefahr  zu 
achten,  in  welcher  sie  selber  und  der  Plan  der  Rache  schwe- 
ben. Und  wie  wäre  es  anders  möglich,  nachdem  wir  erfahren, 
wie  gross  und  wie  lange  der  Druck  war,  unter  dem  Elektra 
lebte.  Der  Künstler  aber  hat  keinen  Zug  der  Leidenschaft 
in  seine  Darstellung  aufgenommen,  sondern  nur  die  Empfin- 
dung ruhiger  und  inniger  Freude  dargestellt,  die  sich  beson- 
ders schön  in  der  Haltung  der  Köpfe  an  beiden  Figuren 
ausspricht.  Er  mochte  vielleicht  diese  Auffassung  den  Bedin- 
gungen der  plastischen  Kunst  angemessener  finden,  doch  lässt 
sich  wohl  nicht  bestreiten,  dass  wenn  nicht  andre  Zeichen  uns 
andeuteten,  was  für  ein  Wiedersehn  gemeint  sei,  aus  der 
Handlung  selbst  der  Gegenstand  schwerlich  erkannt  werden 
würde. 

Diese  andeutenden  Zeichen  sind  zunächst  die  Grösse  der 
Elektra  im  Vergleich  zum  Orest.  Nach  der  sophokleischen 
Dichtung  ist  Elektra  die  eigentliche  Urheberin  der  Rache  an 
der  Mutter,  und  Orest,  den  sie  selber  aufgezogen,  erscheint 
wie  ihr  Werkzeug.  Dieses  Verhältniss  konnte  der  Künstler 
nur  dadurch  ausdrücken,  dass  er  den  Orest  fast  wie  einen 
Knaben,  als  welchen  ihn  auch  seine  Schwester  bei  Sophokles 
bezeichnet,  der  heroischen  Jungfrau  gegenüberstellte.  Ausser- 
dem bezeichnen  die  kurzgeschorenen  Haare  der  letzteren  die 
Trauer  um  den  Vater  Agamemnon  und  ^endlich,  worauf  der 
Künstler  gewiss  rechnete  und  rechnen  durfte,  war  das  Wie- 
dersehn von  Orest  und  Elektra  vor  allen  andern  ähnlichen 
Scenen  berühmt. 

Die  Inschrift  nennt  als  Verfertiger  den  Menelaos,  des 
Stephanos  Schüler,  einen  Künstler  des  ersten  christlichen  Jahr- 
hunderts. Wir  zweifeln  nicht  dass  die  Gruppe  ein  Original- 
werk dieses  Künstlers  ist,  denn  die  Vermuthung,  dass  er  ein 
Original  der  rhodischen  Schule  copirt  habe,  ist  bei  dem  pa- 
thetischen Charakter  tlen  die  Werke  jener  Schule  gehabt  zu 
haben  scheinen,  dieses  Werk  aber  gerade  nicht  hat,  unwahr- 
scheinlich. Zudem  glauben  wir  in  der  schweren  und  den  Un- 
terkörper mehr  als  bei  den  Griechen  üblich,  verhüllenden  Ge- 
wandung der  Elektra  einen  specifisch  römischen  Zug  zu  er- 
kennen, und  in  ihrem  Gesicht  fällt  das  grosse  Kinn  und  die 
kurze  Oberlippe  auf,  eine  Eigenthümlichkeit  der  altgriechisdien 
Kunst,  die  sich  auch  in  der  oben  (n.  92)  beschriebenen  Fi- 


Mythologische  Darstellungen.  429 

gor  des  Stephanos,  den  Menelaos  als  seinen  Lehrer  bezeich- 
net^ findet  und  wohl  am  natttriichsten  durch  die  in  römischer 
Zeit  auch .  sonst  merkliche  Hinneigung  zum  altgriechischen 
Stil  erklärt  wird. 

Die  Literatur  ist  verzeichnet  bei  0.  Jahn  ArchaeoL  Ztg  1854  p.  233 
if.,  der  selbst  eine  neue  Erklärung  aufstellt,  die  wie  ich  gestehe  mir 
nicht  wahrscheinlich  scheint.  Denn  die  Wiedererkennung  von  Merope 
und  Cresphontes,  die  Jahn  in  der  Gruppe  dargestellt  glaubt,  ist  doch 
nicht  ein  blosses  Wiedersehn  trauernder  Personen,  sondern  die  Pointe 
derselben  liegt  gerade  darin,  dass  die  Mutter  den  als  Sohn  wiedererkennt, 
gegen  den  sie  so  eben  das  Mordbeil  geschwungen  hatte.  Diese  Pointe 
aber  müsste  der  Künstler  ganz  übersehn  haben,  wiewohl  er  sie  doch  so 
leicht,  z.  B.  durch  das  weggeworfene  Beil,  andeuten  konnte. 

716.  Gruppe  des  Laokoon*,  im  Jahr  1506  unter 
Papst  Julius  n.  in  der  Nähe  der  Thermen  des  Titus  entdeckt 
und  im  Vatikan  aufgestellt 

Den  rechten  Arm  des  Vaters  versuchte  Michelangelo  zu 
ergänzen,  liess  aber  das  Werk  unvollendet  liegen,  später  un- 
ter Clemens  VIL  wagte  sich  Montorsoli  daran,  seine  Ergän- 
zung wurde  aber  wieder  abgenommen  und  durch  die  jetzt  am 
Original  befindliche,  von  Comachini  einem  Bildhauer  des  17. 
Jahrhunderts  übrigens  nur  in  Stuck  ausgeführte  ersetzt  Diese 
Ergänzung  ist  aber  falsch,  der  Arm  war  nicht  in  gerader 
Linie  ausgestreckt,  sondern  wie  eine  Copie  der  Gruppe  in 
Neapel  beweist,  gekrümmt,  so  dass  die  Hand  nahe  am  Hin- 
terkopfe lag.  Auch  in  Michelangelo's  Entwurf  ist  der  Arm 
weit  mehr  gekrümmt,  als  in  der  gegenwärtigen  Restauration, 
die  Gruppe  gewinnt  dadurch  ungemein,  indem  sie  dann  pyra- 
midalisch  zuläuft  und  im  Kopfe  des  Vaters  ihre  Spitze  findet 

Auch  der  rechte  Arm  des  jüngeren  und  die  rechte  Hand 
des  älteren  Sohnes  sind  von  demselben  Künstler  in  Stuck  er- 
gänzt, die  übrigen  Restaurationen  sind  unbedeutend. 

Bei  einem  Opfer,  so  heisst  es,  das  der  Priester  Laokoon 
brachte,  wurden  er  und  seine  Kinder  von  zwei  Schlangen,  die 
als  Vollstrecker  göttlicher  Strafe  gesandt  waren,  erwürgt. 
Wir  sehen  daher  den  als  Priester  bekränzten  Vater  und  die 
Söhne,  die  ihm  als  Opferknaben  zur  Seite  standen,  um  einen 
Altar  gruppirt,  der  für  die  Phantasie  die  Vorstellung  des 
Schrecklichen  steigert  und  für  die  Gomposition  von  der  höch- 
sten Bedeutung  ist,   indem   dadurch   erst  die   dem  Laokoon 


Im  Cabinet  des  Laokoon  n.  1. 


430  Mythologische  DarstelluEgeu. 

gegebene  Stellang  nnd  dadurch  anch  die  gleiche  |Höhe  der 
Knaben,  die  für  die  Symmetrie  nothwendig  war,  möglich 
wurde.  Die  Söhne  sind  übrigens  im  Verhältniss  -zum  Vater 
sehr  klein,  was  ähnlich  wie  in  der  Niobegruppe  nothwendig 
war  um  die  Hauptfigur  als  solche  hervorzuheben. 

Die  drei  S^guren  stellen  drei  verschiedene  Momente, 
gleichsam  die  drei  Akte  der  Katastrophe  dar.  Der  ältere 
Sohn  ist  noch  unverletzt,  ja  es  ist  für  ihn  die  Möglichkeit 
des  Entrinnens  da,  es  wäre  allerdings  zuviel  des  Schreckens 
gewesen,  wenn  auch  er  schon  hof&iungslos  umstrickt  wäre. 
Aber  nicht  bloss  in  dieser  Möglichkeit  des  Entrinnens,  son- 
dern darin  dass  wir  den  Sohn  in  diesem  Moment  des  Schreckens 
weniger  mit  sich  als  mit  dem  Vater,  zu  dem  seine  klagende 
Geberde  und  Miene  hinaufgerichtet  ist,  beschäftigt  sehn, 
liegt  eine  wunderbare  Milderung  des  Grässlichen.  Das  Motiv 
bringt  einen  Zug  der  Liebe  und  des  kindlichen  Mitleids  in 
das  Uebermaass  des  Schrecklichen  hinein,  der  ähnlich  wirkt 
wie  die  Liebesgruppen  einzelner  Kinder  in  der  Niobegruppe, 
hier  aber  wo  das  Grässliche  unendlich  gesteigerter  ist,  um  so 
nothwendiger  war.  In  Laokoon  selber  sehn  wir  die  höchste 
krampfhafte  Anspannung  aller  Kräfte,  um  sich  aus  der  Um- 
strickung der  Schlangen  zu  befreien,  die  sich  durch  die  Art 
wie  sie  ihre  Opfer  zuerst  umstricken  und  fesseln,  dann  durch 
ihren  Biss  vernichten,  als  solche,  „die  wissen  was  sie  wollen", 
als  Werkzeuge  in  einer  hohem  Hand  zu  erkennen  geben. 
Die  Umstrickung  der  Beine  hat  den  Laokoon  auf  den  Altar 
niedergedrückt,  aber  man  sieht  in  den  Beinen  den  freilich 
vergeblichen  Widerstand,  den  krampfhaften  Versuch  den  Kör- 
per wieder  zu  heben.  Die  Brust  ist  in  äusserster  iinspannung 
aufgetrieben,  die  Arme  sind  bemüht,  die  zweite  Schlange  vom 
Körper  fernzuhalten  und  das  Haupt,  wie  es  durch  die  Stellung 
der  Brust  bedingt  ist,  gewaltsam  hintenübergeworfen.  Auch 
das  Gesicht  ist  „klagend,  aber  nicht  schreiend  und  unter  der 
Stirn  ist  der  Streit  zwischen  Schmerz  und  Widerstand,  wie 
in  einem  Punkte  vereinigt,  mit  grosser  Weisheit  gebildet: 
denn  indem  der  Schmerz  die  Augenbrauen  in  die  Höhe  trei- 
bet, so  drücket  das  Sträuben  wider  denselben  das  obere  Au- 
genfleisch niederwärts  und  gegen  das  obere  Augenlid  zu,  so 
dass  dasselbe  durch  das  übergetretene  Fleisch  beinahe  ganz 
verdecket  wird." 

Der  Kampf  und  das  Ringen  des  Vaters  wird  recht  ein- 
dringlich durch  den  Gegensatz  des  jüngsten  Sohnes,  dessen 


^ 


Mythologische  Darstellungen.  43 } 

Widerstand  gebrochen  ist.  Seine  Beine  geben  nach^  sein 
Kopf  ist  hülfeflehend  zum  Vater  hinanfgewandt  nnd  sein  Be- 
mühen; den  Biss  der  Schlange  abzuwehren  ^  ist  matt  und  er- 
folglos. Wenn  uns  der  Anblick  des  Vaters,  seiner  heldenmü- 
thigen  Anstrengung,  vorwiegend  BewunderuBf  erweckt,  so  giebt 
dagegen  dieser  Knabe  das  Bild  reiner,  ungftaischter  Rührung. 
Als  Künstler  dieses  Werks  werden  von  Fthiius  die  Khodier 
Agesander,  Athenodorus  und  Polydorus  genannt.  Ihre  Lebens- 
zeit wird  nicht  ausdrücklich  angegeben  und  eben  darüber  ist 
nun  seit  Winckehnann's  und  Lessing's  Zeit  ein  lebhafter  Streit 
entstanden,  der  noch  heute  fortdauert.  Von  der  einen  Seite 
nämlich  wird  der  Laakoon  als  ein  Werk  der  rhodischen 
Schule  angesehn,  die  in  den  nächsten  Jahrhunderten  nach 
Alexander  blühte,  und  es  ist  namentlich  die  Entwicklung  der 
ganzen  griechischen  Kunst,  worauf  sich  die  Vertreter  dieser 
Ansicht  berufen,  von  der  andern  Seite  wird  ebenfalls  mit 
kunsthistorischeu  Argumenten  gekämpft,  aber  auch  mit  einer 
Stelle  des  Plinius,  die  eine  bestimmte  Andeutung  enthalte,  dass 
das  Werk  erst  unter  Titus  entstanden  sei.  Wir  müssen  uns 
dieser  letzteren  Ansicht  anschliessen.  Plinius  nachdem  er  er- 
wähnt, dass  sich  das  Werk  im  Hause  des  Kaisers  Titus  be- 
finde, fährt  fort,  die  Künstler  hätten  aus  einem  Block  (was 
übrigens  ein  Irrthum  ist)  den  Vater  und  die  Kinder  und  die 
wunderbaren  Verschlingungen  der  Schlangen  d^-consili  senten- 
tia  gearbeitet.  Uebersetzt  man  diese  Worte,  wie  es  die  Ver- 
treter der  entgegengesetzten  Ansicht  wollen,  „nach  der  Ent- 
scheidung ihrer  Ueberlegung^'  so  würde  der  Zusatz  etwas 
ganz  Selbstverständliches  ausdrücken,  was  eben  darum  Nie- 
mandem einfallen  würde  hinzuzufügen.  Nach  der  andern  An- 
sicht aber,  die  wir  für  die  richtige  halten,  bezeichnen  die 
Worte  das  Gutachten  des  Rathes,  der  nach  dem  Zusammen- 
hang kein  andrer  sein  kann,  als  der  des  Kaisers  Titus.  Die- 
ser kaiserliche  Rath,  das  ist  die  Meinung  des  Plinius,  hatte 
die  drei  Künstler  ausgewählt  als  die  tüchtigsten,  denen  das 
zum  Schmuck  der  kaiserlichen  Wohnung  bestimmte  Werk 
übertragen  werden  sollte.  Kunsthistorisch  steht  dieser  Zeit- 
bestimmung, wie  wir  glauben,  nichts  im  Wege.  Denn  der 
römischen  Kaiserzeit  die  Fähigkeit  zu  solchen  Schöpfungen 
abzusprechen,  scheint  uns,  wie  wir  schon  oben  andeuteten,  im 
Hinblick  auf  so  manche  bedeutende  Werke  dieser  Zeit,  nicht 
gerechtfertigt.  Jüan  verweist  femer  auf  die  Verwandtschaft 
des  Laokoon  mit  dem  vermuthlich  der  rhodischen  Schule  an- 


ä 


432  Mythologisclie  Darstellungen. 

gehörenden  Famesischen  Stier  ^  um  daraus  den  Schluss  zu 
ziehn,  dass  zwei  so  verwandte  Werke  auch  ihrer  Entstehungs- 
zeit nach  nahe  zusammengerückt  werden  mussten.  Wir  ge- 
stehn,  dass  wir  statt  dieser  Verwandtschaft  viehnehr  nur  Ver- 
schiedenheiten fiudflin  und  aus  denselben  den  entgegengesetzten 
Schluss  ziehen.  Denn  während  wir  im  Famesischen  Stier 
einen  grossen  Rdchthum  des  Beiwerks  finden,  welcher  der 
Gruppe  einen  malerischen  Charakter  verleiht,  herrscht  im 
Laokoon  die  grösste  Sparsamkeit,  die  Beschränkung  auf  das 
durchaus  Nothwendige,  während  dort  die  Composition  wegen 
der  locker  hinzugefügten  Gestalt  der  Antiope  nicht  völlig  be- 
friedigt, greift  hier  alles  streng  und  nothwendig  in  einander, 
während  der  Stier  als  ^in  Werk  einer  ktlhneren  aber  auch 
wilderen  und  regelloseren  Phantasie  betrachtet  werden  muss, 
ist  der  Laokoon  ein  Werk  der  tiefsten  Weisheit,  der  durch- 
dringendsten Berechnung.  Endlich  begründet  auch  dies  einen 
erheblichen  Unterschied  zwischen  den  beiden  Gruppen,  dass 
dort  ein  Moment  vor  der  Katastrophe,  hier  die  Katastrophe 
selbst  dargestellt  ist,  dass  daher  dort  ein  psychologisches  In- 
teresse an  der  Angst  und  andrerseits  an  der  ünerbittlichkeit 
der  Betheiligten  in  Anspruch  genommen  wird,  während  hier 
das  körperliche  Leiden,  das  sinnlich  Grässliche,  dag  dort  nur 
bevorstehend  ist,  mit  aller  Herbheit  als  gegenwärtig  hinge- 
stellt wird.  Der  Laokoon  steht  dem  Geist  griechischer  Kunst 
viel  ferner  als  der  Famesische  Stier,  ja  es  giebt  kein  einzi- 
ges Werk  der  griechischen  Kunst,  das  auch  nur  annähernd 
eine  ähnliche  Tendenz  zum  sinnlich  Grässlichen  verriethe. 
Dies  fühlte  Dannecker,  von  dem  der  Ausspruch  bekannt  ist, 
er  habe  den  Lg-okoon  nie  lange  ansehn  können;  es  ist  daher 
auch  mit  vollem  Recht  bemerkt  worden,  dass  der  Laokoon 
dem  Geschmack  eines  Volkes  entspreche,  das  an  wilden  Thier- 
gefechten  seine  Freude  hatte. 

Wenn  also  die  Gruppe  unter  Titus  entstanden  ist,  so 
haben  die  Künstler  gewiss  die  Schilderung  Virgil's  von  dem 
Untergange  des  Laokoon  gekannt,  und  die  geistvollen  Bemer- 
kungen Lessing's  über  den  Unterschied  der  Composition  bei 
dem  Dichter  und  Bildhauer  können  als  den  Intentionen  der 
Künstler  entsprechend  angesehen  werden.  Einen  sehr  wich- 
tigen Unterschied  aber  hat  Lessing  nicht  erwähnt,  nämlich 
den,  dass  beim  Dichter  beide  Knaben  vor  dem  Vater  ge- 
tödtet  werden,  der  Waffen  zu  ihrem  Beistand  holt  und  dann 
erst  selber  fällt 


Mythologische  Darstellungen.  433 

Der  Künstler  wasste^  dass  das  Grässliche^  wenn  es  ge- 
lesen oder  gehört  wird,  anders  wirkt  als  wenn  es  sinnlich 
sichtbar  vor  uns  steht,  er  hat  darum  zur  Milderung  des 
Grässlichen  für  den  einen  Knaben  noch  Hoffnung  gelassen 
und  den  schon  erwähnten  schönen  Zug  derXi^be  hinzugefügt 

Als  Vertreter  von  Winckelmann's  Ansicht  Imr  das  Zeitalter  der 
Laokoongruppe  nennen  wir  0.  Müller  Handb.  §  166.  Welcker  A.  D. 
I,  p.  322.  Brunn  Gesch.  d.  gr.  K.  I,  p.  475.  Overbeck  Gesch.  d.  gr. 
PI.  II,  p.  162.  Auf  Lessing's  Seite  stehen  Visconti  Op.  var.  IV,  137  ff. 
Thiersch  Epochen  p.  318.  Stephan!  bulletin  hist.-phil.  de  l'acad.  des 
sciences  de  St.  Petersbourg  18 i9  p.  1.  Lachmann  Archaeol.  Ztg  1848 
p.  237.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  Roms  p.  302.  Vgl.  ausserdem 
die  geistvolle  Schrift  von  Henke,  die  Gnippe  des  Laokoon  1862. 

717.  Kopf  des  Laokoon*,  von  Marmor,  im  Besitz 
des  Herzogs  von  Ahremberg  in  Brüssel. 

Die  Verschiedenheit  dieses  Kopfes  vom  vatikanischen 
Laokoon,  mit  dem  er  nach  der  Messung  Danneckers  (Beselben 
Proportionen  hat,  liegt  darin,  dass  derselbe  nur  den  Ausdruck 
des  Leidens  und  zwar  des  kläglichen  Leidens  hat,  während 
sich  im  vatikanischen  Kopf  der  Schmerz  viel  heroischer,  nicht 
ohne  den  Versuch  des  Widerstandes  äussert.  Der  Kopf  wird 
von  einer  Seite  für  ein  römisches  Werk  späterer  Zeit,  von 
andrer  aber  für  ein  Werk  des  sechzehnten  Jahrhunderts  ge- 
halten und  wir  gestehen,  dass  uns  nach  dem  überaus  kläglichen 
Ausdruck  des  Kopfes  die  letztere  Meinung  nicht  ganz  un- 
wahrscheinlich vorkommt.  Indessen  kann  eine  Entscheidung 
immer  nur  vor  dem  Original  selbst,  das  wir  nicht  kennen, 
getroffen  werden. 

Abg.  Müiium.  d.  iiisl.  U,  41,  6.  Vgl.  Schom  in  den  Annali  1837 
p.  153.  Die  Meinung,  dass  der  Kopf  dem  sechzehnten  Jahrhundert  an- 
gehöre, ist  von  Welcker  Akad.  Mus.  z.  Bonn,  2.  Aufl.  p.  14  aus- 
gcsprocheu. 

718.  Laokoon**,  Marmorrelief,  im  J.  1862  in  der 
Nähe  Roms  gefunden  und  im  Besitz  des  Malers  Wittmer  be- 
findlich. 

Die  Aechtheit  dieses  Reliefs  wird  nicht  allgemein  aner- 
kannt. Auffallend  ist  allerdings,  dass  hier  vier  Schlangen 
den  Laokoon  und  seine  Söhne  tiWten,  da  der  Mythus  nur 
zwei  kennt,  auffallend  ist  auch  die  querovale  Form  des  Reliefs, 

*  Im  Cabinet  des  Laokoon  n    2. 
**  Ebendas.  n.  8. 

Priedenchs,  griech.  Plastik.     •  28 


434  Mythologische  Darstellungen. 

die  in  Cameen  zwar  sehr  häufig,  in  grösseren  [Reliefs  aber 
sehr  selten  oder  gar  beispiellos  ist.  Andrerseits  ist  ein  ähn- 
liches Relief  in  Madrid ,  das  für  antik  angesehen  wird,  anch 
för  dieses  eine  Stütze  und  dann  entspricht  die  Arbeit  der 
Haare,  die  durch  blosse  Bohrlöcher  gegliedert  sind,  ganz  der 
römischen  Sitte  spftterer  Zeit,  so  dass  wir  geneigt  sind,  das 
Werk  für  antik  zu  halten. 

Es  ist  indessen  wenig  bedeutend  und  besonders  unschön 
ist  die  Figur  des  Vaters,  in  welcher  der  Künstler  sichtlich 
abhängig  ist  von  der  vatikanischen  Gruppe,  aber  die  Um- 
schnürung der  Beine,  durch  welche  die  ganze  Stellung  der 
Figur  bedingt  ist,  aufgegeben  hat.  Der  Sohn  an  seiner  Rech- 
ten ist  die  schönste  Figur,  stimmt  aber  mit  dem  herabstür- 
zenden Phaeton  auf  Sarkophagen  überein  und  ist  daher 
schwerlich  originell  erfunden. 

Abg.W^rcliaeol.  Ztg  1863  Taf.  178  p.  89  ff.     Vgl.  bull.  1862  p.  50. 
1863  p.  11. 

719.  Der  Nil*,  Marmorstatue,  gefunden  unter  Leo  X. 
nahe  bei  der  Kirche  Santa  Maria  sopra  Minerva.  An  der- 
selben Stelle  sind  zu  verschiedenen  Zeiten  noch  mehrere  an- 
dere Darstellungen  ägyptischer  Gegenstände  und  ägyptischen 
oder  ägyptisirenden  Stils  gefunden,  woraus  man  mit  Recht 
folgert,  dass  dort  der  Isistempel  gestanden  habe.  Die  Statue 
wurde  unter  Clemens  XIV.  in  den  Vatikan  gesetzt  und  bald 
darauf  Von  Caspar  Sibilla  restaurirt.  Die  Ergänzungen  am 
Nil  selbst  sind  unbedeutend,  wir  heben  nur  die  Finger  der 
rechten  Hand  mit  den  herabhängenden  Aehren,  deren  Spitzen 
aber  alt  sind,  hervor,  um  so  bedeutender  aber  sind  die  an  den 
Kindern,  deren  Oberkörper  durchgängig  neu  ist,  zum  Theil 
aber  noch  mehr.  Die  genaue  Betrachtung  des  Gypsabgusses 
lässt  an  der  Verschiedenheit  der  Oberfläche  die  restaurirten 
Theile  deutlich  erkennen,  wess wegen  wir  nicht  näher  ins  De- 
tail eingehen.  Die  Richtigkeit  der  Restauration  ist  im  Ein- 
zelnen nicht  zu  garantiren,  doch  sind  die  Motive,  die  den 
Kindern  gegeben,  nicht  ohne  Anmuth. 

Der  Flussgott,  der  nach  der  Grösse  und  Bedeutung  des 
Stromes,  den  er  vertritt,  nur  in  mächtigen  Formen  dargestellt 
werden  konnte,  lehnt  sich  an  eine  Sphinx,  das  Symbol  Aegyp- 
tens.     In  der  Linken  hält  er  ein  mit  Blumen  und  Früchten 


Am  Eingang  zum  Treppenhaus  aufgestellt. 


Mythologische  Dai'stellungen.  435 

gefälltes  Füllhorn;  in  der  Rechten  die  Aehren^  die  Gaben 
seines  fruchtbaren  Wassers.  An  dem  spitzen  Ende  des  Füll- 
horns sprudelt  unter  dem  Gewand  hervor  —  eine  Anspielung 
auf  den  verborgenen  Ursprung  der  Nilquellen  —  sein  Wasser 
und  ergiesst  sich  über  die  ganze  Basis.  In  den  Kindern,  die 
ihn  umgeben,  haben  wir  nach  Berichten  der  Alten  die  Ellen 
seines  Wachsthums  zu  erkennen,  der  Künstler  hat  dies  auch 
dadurch  anzudeuten  gesucht,  dass  die  Kleinen  in  allmählichem 
Hinaufsteigen  dargestellt  sind.  Ihre  Zahl  16  bezeichnet  die 
höchste  Steigung  des  Nils,  ihre  Anordnung  war  von  selbst 
durch  die  Lage  des  Flussgottes  auf  seiner  viereckigen  Basis 
gegeben.  In  den  leer  gelassenen  Winkeln  zur  Rechten  und 
Linken  mussten  sich  dichtere  Gruppen  von  Kindern  bilden, 
die  zur  Rechten  sich  an  der  Sphinx  und  dem  Füllhorn  hin- 
aufziehen bis  zu  jenem  oben  im  Füllhorn  befindlichen,  der 
nach  der  jedenfalls  hübschen  Idee  des  Restaurators  in  der 
ruhigen  Zuversicht,  den  höchsten  Platz  erreicht  zu  haben,  auf 
die  übrigen  hinabsieht.  Die  Kindergruppe  links  spielt  mit 
einem  Krokodil,  die  mittlere  aus  zweien  bestehende  mit  einem 
Ichneumon,  das  Miene  macht,  seine  Feindschaft  gegen  das 
Krokodil  zu  bethätigen,  und  am  rechten  Arm  und  Bein  stei- 
gen die  übrigen  hinauf,  so  dass  die  ganze  colossale  Gestalt 
rings  von  lustigem  Leben  eingeschlossen  ist,  das  aber  nur 
wie  leichte  Wellen  den  gewaltigen  Gott  umspielt  ohne  seine 
majestätische  Wirkung  zu  beeinträchtigen. 

Die  Statue  war  so  aufgestellt,  dass  sie  umgangen  werden 
konnte.  Das  zeigt  die  Basis,  die  an  drei  Seiten  mit  Reliefs 
verziert  ist,  welche  das  in  der  Statue  Angedeutete  gleichsam 
ergänzen,  indem  sie  die  räthselhaften  Bewohner  des  Nils  in 
anschaulicher  Weise  schildern.  Nur  die  Vorderseite  enthält, 
ähnlich  wie  am  Farnesischen  Stier,  keinen  erheblichen  Relief- 
schmuck, der  hier  nicht  zur  Geltung  gekommen  sein  würde. 

Von  der  linken  Seite  herumgehend  erblicken  wir  in  meh- 
reren Gruppen  den  Kampf  des  Nilpferdes  mit  dem  Krokodil, 
dazwischen  die  storchähnliche  Gestalt  des  Ibis,  dann  in  Bar- 
ken das  zwergenhafte  komische  Geschlecht  der  Pygmäen  und 
endlich  an  der  rechten  Ecke,  als  friedlichen  Schluss  nach  den 
Schrecken  und  Ungethümen,  die  dei^  Fluss  in  sich  birgt,  ru- 
hig am  Ufer  weidende  Kühe. 

Es  ist  das  schönste  Bild  eines  Flussgottes  das  uns  aus 
dem  Alterthum  erhalten,  und  daher  vorzüglich  geeignet,  die 
künstlerische  Auffassung    dieser  Wesen   zu  vergegenwärtigen 

28* 


436  Mythologische  Darstellungen. 

die  überall  davon  ausgeht,  dass  der  Flussgott  nicht  als  ein 
von  seinem  Element  freies,  sondern  an  ihm  haftendes  Wesen 
gedacht  wurde.  Daher  die  gleichsam  matt  und  schwer  gela- 
gerte Stellung,  der  man  die  Unmöglichkeit  des  Aufstehen» 
ansieht;  daher  die  weichen  Formen,  das  fliessende  Haar  und 
ein  gewisser  sehnsüchtiger  Ausdruck  im  Gesicht,  eine  eigen- 
thümlich  weiche  Stimmung,  der  unstäten  Bewegung  der  Flu- 
then  entsprechend. 

Zusammen  mit  dieser  Statue  wurde  eine  in  den  Maassen^ 
im  Marmor,  in  der  Composition  und  im  Stil  durchaus  über- 
einstimmende Statue  des  Tiberstromes  aufgefunden,  die  dem 
Nil  gegenüber,  etwa  am  Eingang  des  Heiligthums,  aufgestellt 
gewesen  sein  wird.  Die  alte  und  neue  Heimath  der  Isis  war 
in  ihnen  angedeutet. 

In  der  Zeitbestimmung  der  Statue  wird  man  nur  zwischen 
zwei  Perioden  schwanken  können,  zwischen  der  alexandrini- 
schen  und  besten  römischen  Zeit,  und  in  der  That  haben  beide 
Ansichten  ihre  Vertreter  gefunden.  Uns  veranlasst  die  grosse 
Uebereinstimmung  mit  dem  jedenfalls  römischen  Tiber  eine 
gleichzeitige  Entstehung  beider  für  das  Wahrscheinlichere 
zu  halten. 

Abg.  bei  Visconti  Pio-Clem.  I,  37.  Vgl.  tav.  38  u.  p.  222  ff.,  wo 
übrigens  die  pyramidenähnliche  Frucht,  von  der  ich  freilich  nicht  nähere 
Hechenschaft  geben  kann,  für  eine  Pflugschaar  erklärt  wird.  Sie  findet 
sich  nicht  selten  unter  den  Opfergaben,  z.  B.  Mus.  borb.  13,  tav.  10. 
Monum.  d.  inst.  VI  tav.  37.  Vgl.  ferner  E.  Braun  Ruinen  u.  Museen 
p.  259  und  wegen  der  späteren  Ausgrabinigen  an  dem  Fundort  des 
Nils  bullet.  1856  p.  180. 

720.  Mars*,  Marmorstatue,  aus  Borghesischem  Besitz 
1808  in  den  Louvre  übergegangen.  Ergänzt  sind  der  linke 
Unterarm,  der  gewiss  den  Speer  hielt,  und  die  Finger  der 
rechten  Hand. 

In  einer  Venus  und  Mars  vorstellenden  Gruppe  finden 
wir  eine  mit  dieser  Statue  völlig  übereinstimmende  Figur,  an 
deren  Deutung  auf  Mars  übrigens  schon  die  Betrachtung  der 
schweren  ja  derben  Körperformen  keinen  Zweifel  aufkommen 
lässt.  Auch  sind  die  am  Helm  als  Verzierung  angebrachten 
Wölfe  —  ein  dem  Mars  vheiliges  Thier  —  wohl  mit  Absicht 
gewählt. 

In  welcher  Situation  wir  den  Eriegsgott  denken  sollen, 


*  Im  Niobideneaal  n.  23. 


Mythologische  Darstellungen.  437 

das  giebt  der  Ring  über  dem  Knöchel  des  rechten  Fasses 
an,  der  eben  weil  er  etwas  sehr  Auffallendes  ist,  nicht  eine 
gleichgültige  Beziehung,  die  auch  fehlen  könnte,  sondern  viel- 
mehr einen  für  die  Auffassung  der  ganzen  Statue  wichtigen 
Gedanken  enthalten  wird.  Der  Ring  ist  genau  wie  eine  Fuss- 
schelle  gebildet  und  äfcrch  nur  als  Andeutung  einer  Fesselung 
zu  verstehen.  So  aufgefasst  aber  steht  er  in  innigstem  Zu- 
sammenhang mit  der  fast  traurigen  Haltung  der  Figur,  er 
^iebt  uns  das  Motiv  derselben  an.  Es  ist  der  Mars,  den 
Hephästus  fesselte,  als  er  ihn  mit  der  Venus  antraf,  und  der 
nun  beschämt  mit  gesenktem  Kopf  dasteht. 

Andre  erklären  die  Figur  für  Achill,  ohne  aber  wie  uns 
scheint,  sich  des  Achill  der  griechischen  Poesie  zu  erinnern. 
Denn  wie  sollte  wohl  der  schnellfüssige,  jugendliche  Held  in 
dieser  schweren  Gestalt  erkannt  werden  können?  Und  vollends 
unmöglich  scheint  uns  die  Situation  in  der  man  sich  den 
Achill  denkt,  nämlich  der  Thetis  gegenüber,  „die  Waffen  zur 
Rache  des  Patroklos  brachte,  wozu  auch  noch  der  Getödtete 
selbst  und  andre  Figuren,  Nereiden  und  Achäer  gehören 
konnten^^.  Wie  verschieden  wäre  ein  solcher  Achill  von  dem 
homerischen  Achill,  der  beim  Anblick  der  Waffen  in  die  wil- 
deste Kampfgier  geräth,  der  nur  von  dem  einen  Gedanken 
der  Rache  erfüllt,  je  eher  je  lieber  in  den  Kampf  eilen  möchte  1 

Die  Figur  ist  erst  römischen  Ursprungs,  das  beweisen 
die  Wölfe  am  Helm,  die  nur  ein  Symbol  des  römischen  Mars 
sind.  Auch  sind  die  Proportionen,  die  kurzen  Beine,  in  rö- 
mischen Werken  sehr  gewöhnlich.  Ob  ein  griechisches  Ori- 
ginal zu  Grunde  liegt,  ist  nicht  gewiss  zu  sagen,  jedenfalls 
kein  sein*  frühes,  weil  der  Gedanke  des  Werks,  den  mächtigen 
Kriegsgott  in  der  Fessel  des  Hephäst  darzustellen,  zu  pikant 
ist  für  frühere  Zeit. 

Abg.  Clarac  pl.  263.  E.  Braun  Kuustmythol.  Taf.  85.  Vgl.  Welcker 
Akad.  Mus.  n.  34.  Dass  der  Ring  eine  Andeutung  der  Beinrüstung  sei, 
scheint  mir  schon  deswegen  unwahrscheinlich,  weil  er  dann  ein  für 
den  (jedanken  der  Statue  ganz  müssiger  Zusatz  wäre.  Die  fragmentirte 
Wiederholung  der  Figur  in  Dresden  (August.  II,  35)  hat  ein  von  der 
linken  Schulter  herabgehendes  Wehrgehenk,  das  Schwert  hing  also  nach 
römischer  Sitte  an  der  rechten  Seite,  worin  ein  sichres  Zeichen  fiir  den 
römischen  Ursprmig  der  Statue  gegeben  ist. 

721.    Mars*,  Marmorbüste,  früher  in  Villa  Albani,  jetzt 


*  Im  Niobidensaal  n.  120. 


438  Mytholog^che  Darstellungen. 

in   der  Glypthothek   zu  München.     Ergänzt   sind  der  Helm- 
bnsch  und  die  Sphinx^  die  ihn  trägt. 

Der  Kopf  ist  eine  schönere  Wiederholung  des  eben  be- 
sprochenen Marstypus. 

Abgebildet  Mus.  Napol.  II,  59.     Vgl.  Schorn  Catalog  zur  Glyptho- 
thek n.  91. 

722.  Endymion*,  Marmorst|i,tue;  im  Jahr  1783  in  der 
tiburtinischen  Villa  Hadrians  gefunden;  zuerst  im  Besitz  de& 
Grafen  Marefoschi  in  Korn,  dann  an  Gustav  III.  von  Schwe- 
den verkauft  und  jetzt  im  Museum  zu  Stockholm.  Ergänzt 
sind  von  Giovanni  Grossi  die  rechte  Wade  und  rechte  Hand^ 
der  linke  Fuss,  die  linke  Wange,  das  Kinn,  die  Lippen  und 
die  Nasenspitze.    Auch  soll  die  Statue  überarbeitet  sein. 

Nach  ähnlichen  zahlreichen  Darstellungen  auf  Reliefs  und 
Gemälden  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  wir  den  schönen 
Schläfer  Endymion  vor  uns  haben,  der  hier  so  sanft  hinge- 
streckt ist  wie  in  keiner  andern  Darstellung,  so  dass  die 
Vorstellung  des  stillen  friedlichen  Schlummers  besonders  ein- 
dringUch  wird. 

Da  die  Figur  des  Endymion  auf  manchen  Sarkophagen 
als  Bild  des  sanften  Todesschlummers  dargestellt  ist,  so  wäre 
möglich,  dass  auch  diese  Figur  in  demselben  Sinn  ein  Grab 
geschmückt  hätte,  nur  scheint  der  Fundort  nicht  recht  mit 
dieser  Annahme  zu  stimmen. 

Die  Composition  ist  jedenfalls  älter  als  Hadrian,  sie  fin- 
det sich  schon  ähnUch  auf  pompejanischen  Gemälden,  und  in 
der  Ausführung  der  Statue  ist  wenigstens  keine  Spur  von  der 
kleinlichen  Zierlichkeit  und  Eleganz  zu  bemerken,  welche  viele 
Werke  der  Hadrianischen  Zeit  kennzeichnet,  so  dass  wir  sie 
vielleicht  einer  frühem  Zeit  zuschreiben  müssen,  ohne  freilich 
Genaueres  angeben  zu  können. 

Abg.  Clarac  pl.  586.     Vgl.  Heydemann  im  Archaeol.  Anz.   1865 
p.  147  ff. 

723.  Melpomene**,  colossale  Marmorstatue,  höchst 
wahrscheinlich  aus  den  Buinen  des  Theaters  des  Pompejus 
hervorgezogen,  von  Pius  VI.  im  Vatikan  aufgestellt,  seit  Na- 


*  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  4. 
**  Im  Saal  des  Barbexinischen  Fauns  n.  8 


Mythologische  Darstellungen.  439 

poleon  im  Louvre.  Ergänzt  sind  der  rechte  Unterann  mit 
der  Maske  und  die  Finger  der  linken  Hand. 

Die  Ergänzung  der  rechten  Hand  ist  nach  ähnlichen 
besser  erhaltenen  Statuen  sehr  wahrscheinlich,  die  linke  lag, 
wie  wir  nach  derselben  Autorität  annehmen,  auf  einer  Keule. 
Melpomene,  deren  Charakteristik  dem  Inhalt  und  Charakter 
der  von  ihr  vertretenen  Dichtgattung  entsprechen  musste, 
trägt  die  Maske  und  Waffe  desjenigen  Heros,  durch  den  die 
griechische  Tragödie  als  Dichtung  von  den  Thaten  und  Leiden 
der  Heroen  am  treffendsten  repräsentirt  wird.  Das  schwere 
Aermelkleid  und  der  breite  hochsitzende  Gürtel  gehören  zur 
theatralischen  Tracht. 

Das  Werk  ist  römischen  Ursprungs,  wie  die  schwere 
Faltenmasse  zwischen  den  Beinen  anzeigt,  die  sich  nur  an  rö- 
mischen Werken  findet.    Der  Kopf  ist  von  grosser  Anmuth. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  II,  26.     Clarac  pl.  315.     Vgl.  Visconti  op. 
var.  IV,  p.  40  ff.     0.  Müller  Handb.  p.  631. 

724.  Minerva  Ergane*,  Erzstatue,  1834  in  Vulci  zu- 
sammen mit  einem  Helm  gefunden.  Der  rechte  Arm  war  ge- 
trennt, der  Kopf  ist  restaurirt,  und  zwar  von  Thorwaldsen. 
Sie  kam  1836  in  das  museo  Gregoriano  des  Vatikan,  ging 
aber  bald  an  ihren  Finder  Campanari  zurück  und  wurde  dann 
nach  München  verkauft,  wo  sie  sich  jetzt  in  der  Glyptothek 
befindet. 

Die  Haltung  der  Arme  und  Finger  deutet  entschieden 
auf  eine  Spinnerin.  In  der  linken  Hand  hielt  sie  den  Spinn- 
rocken, während  die  Rechte  am  Faden  drehte. 

Man  hat  der  Figur  den  Namen  der  Minerva  Ergane  ge- 
geben, der  Erfinderin  und  Lehrerin  weiblicher  Arbeiten,  in 
welcher  Eigenschaft  die  Göttin  auch  am  Forum  des  Domitian 
vorgestellt  ist.  Der  zugleich  mit  der  Statue  geftmdene  Helm 
würde  diese  Vermuthung  unterstützen,  auch  sind  einige  Ein- 
zelheiten der  Tracht,  die  beim  ersten  Anblick  auf  eine  Figur 
des  wirklichen  Lebens  schliessen  lassen,  wohl  damit  vereinbar. 

Sowohl  die  Schuhe  nämlich  finden  sich  auch  an  idealen 
Wesen,  z.  B.  an  den  Musen,  als  auch  die  Ringe,  von  denen 
Plinius  ausdrücklich  berichtet,  dass  man  sie  auch  den  Statuen 
der  Götter  angesteckt  habe.     Demselben  Gewährsmann  ver- 

*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  312. 


440  Mythologische  Darstellungen. 

danken  wir  auch  die  durch  viele  erhaltene  Monumente  bestä- 
tigte Nachricht,  dass  man  nicht  bloss  am  untersten  Gliede 
des  Fingers ;  sondern  auch  an  den  oberen  dünneren  kleinere 
Ringe  getragen  habe,  wie  wir  es  ebenfalls  an  dieser  Statue 
sehen. 

Wenn  demnach  der  Deutung  auf  Minerva  Ergane  nichts 
im  Wege  steht  —  die  Aegis  fehlt  auch  an  andern  Darstel- 
lungen und  gerade  in  dieser  Bedeutung  als  Ergane  ist  ihr 
Fehlen  ain  leichtesten  begreiflich  — ,  so  kann  andrerseits  doch 
auch  die  Möglichkeit  nicht  bestritten  werden,  dass  eine  Porträtfigur 
unter  dem  Bilde  der  Ergane  dargestellt  sei.  Die  Voraus- 
setzung des  Restaurators,  welcher  der  Figur  einen  Junokopf 
aufgesetzt  hat,  entbehrt  jedenfalls  aller  Begründung. 

Die  Statue  ist  römischen  Ursprungs,  wie  schon  die  er- 
wähnte Sitte  des  Ringtragens  beweist,  die  kein  griechisches 
Mo.nument  bezeugt.  Auch  der  Stil  weist  auf  die  Zeit  der 
römischen  Kaiser.  Denn  bei  aller  Schönheit  im  Einzelnen  ist 
doch  in  dem  mehr  verhüllenden  als  bedeckenden  Gewände 
der  römische  Geschmack,  wie  er  an  so  vielen  römischen 
Porträtstatuen  hervortritt,  unverkennbar. 

,5.^  Fundnotiz  Bullet,  d.  i.   1835  p.   11.   120  cf.   bullet.   1836  p.  170. 

1837  p.  5  u.  153.  Die  Erklärung  als  Minerva  Ergane  ist  von  Capranesl 
aufgestellt  bullet.  1836  p.  145  ff.  Abg.  und  als  Livia  erklärt  im  mus. 
Chiaramonti  II,  tav.  A.     Vgl.  E.  Braun  im  Kunstblatt  1838  n.  86. 

726.  Pallas  Giustiniani*,  Marmorstatue,  bei  der 
Kirche  S.  Maria  sopra  Minerva  in  Rom  gefunden,  die  wie 
der  Name  sagt,  über  einem  Minerventempel  erbaut  ist.  Die 
Statue  war  schon  im  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  im  Besitz 
der  Familie  Giustiniani,  sie  gelangte  später  in  den  Besitz 
Lucian's  Bonapärte,  von  welchem  sie  Pius  VII.  für  das  vati- 
kanische Museum  kaufte,  wo  sie  sich  noch  jetzt  befindet. 
Ergänzt  sind  nur  die  rechte  Hand  mit  dem  Theil  des  Speeres 
den  sie  hält,  dessen  unterstes  Stück  aber  auf  dem  Boden  zu- 
rückgeblieben, und  Einiges  an  den  Fingern  der  linken.  Auch 
die  Sphinx  auf  der  Helmspitze  ist  bis  auf  die  Vorderfüsse 
ergänzt.  Das  Gewand  hat  an  einigen  Stellen  durch  üeberar- 
beitung  gelitten. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  wir  in  dieser  Statue  das 
Götterbild  jenes  oben  erwähnten  Tempels,  bei  dem  sie  gefan- 


*  Im  Römischen  Saal  u.  6. 


Mythologische  Darstellungen.  441 

den  wurde,  besitzen.  Wenigstens  ist  die  Rohe  und  Geschlos- 
senheit in  der  ganzen  Anlage  der  Statue  für  ein  Tempelbild 
sehr  passend.  Der  Künstler  hat  nicht  ein  Bild  der  streitba- 
ren, sondern  der  ernsten,  leidenschaftslosen  Göttin  aufstellen 
wollen,  an  welcher  schon  im  Homer  die  Selbstbeherrschung 
als  ein  wesentlicher  Zug  des  Charakters  hervortritt. 

Der  Werth  dieser  Statue  wird  sehr  verschieden  beur- 
theilt.  Von  einer  Seite  hoch  gepriesen,  ist  sie  von  Andern 
namentlich  von  Zoega  sehr  hart  beurtheilt.  Wir  stimmen 
dem  Letzteren  wenigstens  darin  bei,  dass  das  Gewand  mit 
Falten  und  Fältchen  überladen,  und  dass  die  Bewegung  der 
linken  Hand  die  mit  dem  Rande  des  Peplos  zu  spielen  scheint, 
nicht  wohl  gewählt  sei. 

Es  kann  fraglich  erscheinen,  ob  dieser  in  mehreren  Co- 
pien  erhaltenen  Statue  nicht  ein  griechisches  Original  zu 
Grunde  liege.  Wir  glauben  nicht.  Die  Bewegung  der  linken 
Hand,  die  namentlich  an  einer  Göttin  unbedeutend  und  aus- 
druckslos ist,  findet  sich  nicht  selten  an  römischen  Porträt- 
statuen und  die  Anlage  des  Gewandes  ist  ebenfalls  römisch. 
Nur  in  einigen  Attributen  hat  sich  der  Künstler  an  griechische 
Vorbilder  angeschlossen.  Zunächst  ist  die  Schlange,  welche 
(da  sie  auch  ein  Attribut  des  Gottes  der  Heilkunst  ist)  dieser 
Statue  den  Namen  der  Minerva  Medica  verschafft  hat,  gewiss 
von  der  Parthenos  des  Phidias  entlehnt,  aber  anders  angeord- 
net, indem  sie  gleichsam  schmeichelnd  die  Göttin  umgiebt. 
Sodann  ist  die  Sphinx  auf  der  Helmspitze  ebendaher  entlehnt. 

Die  Widderköpfe  am  Helm,  eine  öfter  vorkommende 
Verzierung,  werden  von  den  Widderköpfen  der  Belagerungs- 
maschine herzuleiten  und  daher  als  ein  Symbol  des  Kriegs 
aufzufassen  sein. 

Abg.  Galleria  Giustiiiiani  i,  tav.  3.  Müller -Wieseler  II,  19,  205. 
Vgl.  Beschreibg  von  Rom  II,  2,91.  Weicker  Akadem.  Mus.  z.  Bonn 
p.  G8.     Griech.  Götterl.  II,  295. 

726.  Apollo*,  Marmorstatue,  aus  dem  Palast  Ottoboni 
in  den  Vatikan  gekommen.  Die  Ergänzung  hat  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  der  Figur  völlig  unkenntlich  gemacht.  Zu- 
nächst ist  nämlich  ein  zwar  antiker,  aber  der  Figur  fremder 
Kopf  hinzugefügt,  sodann  ist  an  der  linken  Seite  ein  grosses 
unmittelbar  unter  der  Schulter,  die  noch  alt  ist,  beginnendes 

* 

*  Im  Römischen  Saal  n.  3. 


442  Mythologische  Darstellungen. 

und  bis  über  die  Hüfte  hinabreichendes  Stück  eingesetzt,  und 
diesem  Zusatz  gehört  die  wunderliche  kleine  weibliche  Brust 
an  und  die  ebenso  wunderlichen  sie  umgebenden  kleinen 
Falten.  Für  die  erstere  lässt  sich  kein  Grund  finden,  da  die 
rechte  Brust  eine  männliche  Figur  andeutet,  vielleicht  war  es 
nur  das  Gewand,  welches  den  Restaurator  verführte,  für  die 
letzteren  ist  wenigstens  in  so  weit  eine  Begründung  vorhan- 
den, als  aus  den  untern,  antiken  Falten  des  Obergewandes 
hervorgeht,  dass  an  der  linken  Seite  in  der  Höhe  der  Brust 
irgend  ein  Gegenstand  anlag,  durch  den  das  Gewand  etwas 
in  die  Höhe  gezogen  wurde.  Endlich  ist  der  rechte  Arm  zu 
zwei  Dritteln  ergänzt  und  der  Hand  ist  ein  Helm  gegeben, 
der  hier  neben  der  Figur  liegt,  der  linke  Arm  ist  fast  ganz 
neu,  und  die  Hand  hält  im  Original  einen  Oelzweig.  Auf 
Grund  dieser  Ergänzungen  ist  die  Figur  dann  Minerva  Paci- 
fera  genannt. 

Aber  gewiss  stellt  die  Figur  einen  Apollo  in  der  langen 
Tracht  des  Kitharöden  dar.  In  dem  linken  Arm  hielt  er  die 
Leier  und  das  Anliegen  derselben  am  Gewände  wird  die  im 
Vorhergehenden  erwähnte  Faltenbewegung  veranlasst  haben, 
in  der  ausgestreckten  Rechten  gewiss  die  Schaale.  Es  ist 
ein  ganz  ähnlicher  nur  in  freierem  Stil  gehaltener  Apollo^ 
wie  der  auf  mehreren  archaistischen  Reliefs  (n.  70  ff.)  vor- 
koäimende. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  III,  37.  Das  Verdienst,  die  richtige  Be- 
deutung dieser  Figur  erkannt  zu  haben,  gebührt  E.  Braun  Ruinen  u. 
Museen  Roms  p.  331. 

727.  Meergott*,  Marmorherme,  in  Terra  di  Lavoro 
nahe  bei  Pozzuoli  gefunden,  von  G.  Hamilton  erworben  und 
an  Clemens  XIV.  verkauft,  der  sie  im  Vatikan  aufstellte. 

Die  Delphine  im  Bart  und  die  Fischschuppen  im  Gesicht 
und  an  der  Brust  bezeichnen  ein  Wesen  des  Meers,  auch  die 
Homer,  wodurch  sonst  freilich  die  Flussgötter  charakterisirt 
werden,  könnten  hier  in  demselben  Sinn,  wie  sie  letzteren  zu- 
kommen, die  dadurch  Stieren  an  Fruchtbarkeit  und  Wildheit 
verglichen  werden,  hinzugefügt  sein.  Der  Traubenkranz  kann 
wohl  nur  auf  den  Weinreichthum  der  umgebenden  Ufer  ge- 
deutet werden,  es  ist  deswegen  wahrscheinlich,  dass  nicht 
das  Meer  als  solches,  sondern  nur  ein  besondrer  Theil  des- 


*  Im  Römischen  Saal  n.  109. 


(Mythologische  Darstellungen.  '443 

selben^  oder  richtiger  ausgedrückt  das  Meer  von  einer  be- 
stimmten Oertlichkeit  ans  betrachtet  in  diesem  Kopf  darge- 
stellt sei.  Wir  halten  daher  unter  den  zahlreichen  Benen- 
nungen dieses  Kopfes  diejenige  für  die  treffendste,  wonach 
er  das  mittelländische  Meer  oder  auch  die  Seeküste  von  Poz- 
zuoli  repräsentirt. 

Von  dem  weichen,  sehnsüchtigen  Ausdruck  der  Wasser- 
gottheiten war  schon  oben  beim  Nil  (n.  719)  die  Bede.  Der 
Kopf  scheint  in  guter  römischer  Zeit  verfertigt  zu  sein. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  VI,  5.     Vgl.  Opere  var.  IV  p.  338.     Be- 

schreibg  Roms  II,  2,  p.  225.     0.  Müller  Handb.   §  403,  3.     £.  Braun 

Ruinen  u.  Museen  Roms  p.  419.  Bötticher  im  Nachtrsig  zum  Catalog 
des  Neu«n  Museums  p.  108. 

728.  Herme*,  im  Jahr  1775  in  der  Nähe  von  Tivoli 
auf  der  Strasse  nach  Praeneste  gefunden;  in  die  Townley'sche 
Sammlung  und  mit  dieser  ins  britische  Museum  übergegangen.  ' 

Die  Figur  ist  für  weiblich  gehalten,  aber  offenbar  männ- 
lich, sie  würde  einen  jugendlichen  krausgelockten  Herkules 
darstellen  können,  wenn  statt  des  Gewandes  ein  Löwenfell 
vorhanden  wäre.  Wir  verzichten  auf  eine  Deutung  der  Herme 
die  übrigens  von  einem  Original  guter  Zeit  abstammen  muss, 
da  sich  auch  in  Pompeji  ein  Exemplar  derselben  gefunden  hat. 

Abg.  specim.  of  ancient  sculp.  I,  58.  Clarac  pl.  591.     Vgl.  Over- 
beck  Pompeji  I,   104.     Die  eigenthümliche  dem  Jupiter  Terminalis  ge- 
weihte Herme  (Annali  1847  tav.  S)  stimmt  bis  auf  die  Andeutimg  des  * 
Doppelgeschlechts  überein. 

729.  Arm  einer  Colossalstatue**,  von  Bronce,  im 
Hafen  von  Civita  yecchia  in  der  Mitte  der  dreissiger  Jahre 
aus  dem  Meer  aufgefischt  und  im  museo  Gregoriano  des  Va- 
tikans befindlich. 

Die  mitaufgefundenen  Reste  eines  Scepters  und  eines 
Delphinschwanzes  deuten  darauf  hin,  dass  der  Arm  einer  Sta- 
tue des  Poseidon  angehörte.  Das  Fragment  ist  von  grosser 
Schönheit. 

Vgl.  £.  Braun  Ruinen  und  Museen  Roms  p.  805.  und  bullet.  1851 
pag.  30. 

730.  Fragment  einer  Nymphe***,  von  Marmor,  au^ 


*  Im  Niobidensaal  n.  31. 
**  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  3. 
**•  Im  Römischen  Saal  n.  29. 


444  Mythologische  Darstellungen. 

der  Chigischen  Sammlung  in  das  Museum  zu  Dresden  über- 
gegangen. 

Das  Fragment  gehört  wohl  nicht,  wie  man  gemeint  hat, 
zu  einer  Wiederholung  der  vatikanischen  Ariadne  (n.  634), 
sondern  zu  einer  minder  bewegten,  ruhiger  liegenden  Figur, 
höchst  wahrscheinlich  zu  der  Figur  einer  auf  ihre  Urne  ge- 
stützten Quellnymphe,  die  als  Brunnenverzierung  gebraucht 
sein  mochte.    Die  Arbeit  ist  aus  guter  Zeit. 

Abg.  Le  Plat,  recueil  des  marbres  antiques  T.  116.     Vgl.  Hettner, 
d.  Bildw.  d.  Kgl.  Antikensammlg  zu  Dresden  n.  302. 

731.  Sogenannter  Hektor  und  Troilus*,  Elfenbein- 
gruppe, im  Jahre  1842  auf  dem  Hundsrück  beim  Rümpfen 
Thurm  an  der  Stelle  des  alten  Belginum  gefunden,  jetzt  im 
Besitz  des  Herrn  Suermondt  in  Aachen.  Ergänzt  sind  von 
dem  Bildhauer  Cauer  (dem  Vater)  in  Creuznach  der  rechte 
Fuss  und  das  linke  Bein  (vom  Knie  abwärts)  der  tragenden 
Figur.  Am  Rücken  bemerkt  man  ein  paar  schon  in  alter 
Zeit  eingesetzte  Stücke. 

So  einfach  das  Motiv  ist  —  ein  verwundeter  Jüngling 
von  einem  älteren  Freunde  fortgetragen  — ,  so  schwer  ist  es 
den  Figuren  Namen  zu  geben.  Sie  sind  Hektor  und  Troilus 
genannt,  aber  es  ist  nicht  eine  Leiche,  die  hier  fortgetragen 
wird,  sondern  ein  Verwundeter,  der  krampfhaft  mit  der 
Rechten  nach  dem  Kopf  greift;  ausserdem  ist  der  angebliche 
^  Hektor  zu  jung  für  seinen  Namen,  da  Hektor,  wie  man  nach 
Homer  auch  nicht  anders  denken  kann,  als  reiferer  Mann 
dargestellt  wird.  Es  fragt  sich  überhaupt,  ob  eine  bestimmte 
Situation  gemeint  oder  ob  wir  nicht  vielleicht  die  Gruppe 
nur  als  eine  Studie  anzusehen  haben,  denn  es  fehlt  jede  In- 
dividualisirung  der  Situation,  die  Figuren  haben  nicht  einmal 
Waffen. 

Die  Composition  ist  sehr  gelungen,  die  Formen  sehr 
naturwahr,  wenn  auch  vielleicht  nicht  ganz  so  edel,  und 
sehr  schön  ist  der  Schmerzensausdruck  in  der  Haltung  des 
Verwundeten  und  die  freundliche  Theilnahme  des  Anderen. 
Der  Fundort  lässt  auf  römischen  Ursprung  schliessen,  gewiss 
aber  gehört  die  Gruppe  guter  Zeit  an.  Soweit  wir  wissen, 
ist  in  den  Rheingegenden  kein  zweites  Werk  von  gleichen 
künstlerischen  Verdiensten  gefunden  worden. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  228. 


Mythologische  Darstellungen.  445 

Abg.  (aber  ungenügend)  in  der  Schrift  des  früheren  Besitzers  Knebel 
de  signo  eburneo  nuper  effosso,  Programm  von  Duisburg  1844 ,  der 
auch  genauere  Fundnotizen  giebt.  Der  antike  Ursprung  der  Gruppe 
wurde  in  der  Archaeol.  Gesellschaft  (vgl.  Archaeol.  Anz.  1866  p.  216) 
bezweifelt,  doch  war  der  Zweifel  zu  wenig  motivirt,  als  dass  ich  darauf 
hier  hätte  eingehen  können."  Der  Fundort  und  die  Umstände  des  Fundes, 
die  äussere  Beschaffenheit  des  Originals  und  der  Stil  lassen  nach  meiner 
Ansicht  keinen  Zweifel  übrig,  dass  die  Gruppe  wirklich  antik  ist. 

732 — 735.  Römische  Karyatiden*,  Marmorstatuen.  Die 
erste  derselben  befindet  sich  im  Vatikan,  früher  in  Villa  Ne- 
groni;  der  Hinterkopf  ist  ergänzt,  das  Andere  etwas  über- 
arbeitet. Die  zweite  ist  1766  an  der  via  Appia  nicht  weit 
vom  Grabmal  der  Cäcilia  Metella  gefunden  und  befindet  sich 
in  Villa  Albani;  ergänzt  sind  der  rechte  Arm  und  der  linke 
Unterarm  (schwerlich  richtig)  mit  dem  Thyrsus.  Auch  die 
dritte  und  vierte  befinden  sich  in  Villa  Albani,  letztere  ist 
sehr  stark  restaurirt,  das  ganze  Stück  vom  Busen  bis  zum 
Knie  und  fast  beide  Arme  sind  neu,  man  sieht  aber,  dass  die 
Richtung  der  ergänzten  Arme  die  ursprüngliche  ist. 

Die  vier  Statuen  sind  sämmtlich  für  korinthischen  Stil 
berechnet,  wie  die  Form  der  Körbe  auf  ihren  Köpfen  zeigt, 
die  dem  korinthischen  Kapital  entspricht.  Zwei  derselben 
haben  unter  dem  Korb  ein  Polster,  wie  man  auch  jetzt  noch 
an  Leuten  sieht,  die  Lasten  auf  dem  Kopf  zu  tragen  haben. 
Die  Figuren  waren  ursprünglich  ähnlich  aufgestellt,  wie  hier, 
nicht  frei  von  allen  Seiten  sichtbar,  sondern  wie  Hautreliefs. 
Vergleicht  man  diese  römischen  Karyatiden  mit  den 
griechischen  vom  Erechtheum  (n.  324),  so  fällt  zunächst  der 
Unterschied  auf,  dass  die  architektonische  Strenge  der  letz- 
teren einer  freieren  Behandlung  gewichen  ist.  Namentlich  an 
der  ersten  und  dritten,  die  mit  leisen  Verschiedenheiten  den- 
selben Typus  wiedergeben,  ist  durch  den  Wurf  der  Gewan- 
dung die  Markirung  der  senkrechten  Linie,  auf  welcher  eben 
die  architektonische  Strenge  beruht,  unmöglich  geworden.  Am 
nächsten  steht  den  griechischen  Werken  in  dieser  Beziehung 
die  zweite,  aber  auch  hier  hat  der  Künstler  durch  das  über- 
j^elegte  Fell,  wodurch  er  vielleicht  der  Bedeutung  des  zuge- 


*  Diese  vier  Statuen  sind  an  den  Thüren  des  Niobidensaals  als 
(iesimsträger  aufgestellt,  wir  bezeichnen  als  die  erste  diejenige,  welche 
dem  vom  Saal  des  Barberinischen  Fauns  Kommenden  zur  Linken  steht, 
ihre  Nachbarin  als  die  zweite  und  die  ihr  gerade  gegenüber  an  der 
anderen  Thür  stehende  als  die  dritte. 


446  Mythologische  Darstellungen. 

hörigen  Gebäudes  entsprechend  eine  Bacchantin  charakterisiren 
wollte,  eine  Abwechslung  durch  diagonale  Linien  hervor- 
gebracht Dies  Aufgeben  der  architektonischen  Strenge  ist 
gewiss  zum  Theil  durch  die  Verschiedenheit  des  künstlerischen 
Geschmacks  bedingt,  zum  Theil  mag  es  auch  durch  die  Ver- 
schiedenheit des  Zwecks  veranlasst  sein,  die  Karyatide  an 
einem  Privathause  oder  an  einer  Villa  braucht  nicht  so  streng 
componirt  zu  sein,  wie  diejenige  eines  Tempels.  Jedenfalls 
aber  ist  es  vornehmlich  diesem  Unterschiede  zuzuschreiben, 
dass  diese  römischen  Karyatiden  nicht  mehr  den  Eindruck 
des  Einfachen,  Anspruchslosen,  Mädchenhaften  machen,  wie 
die  griechischen. 

Die  zweite  Karyatide  ist  ein  Werk  des  Kriton  und  Niko- 
laos  von  Athen,  die  sich  hinter  dem  Korbe  derselben  einge- 
schrieben haben.  Wenn  wir  diese  Figur  nach  ihrer  ganzen 
Anlage  für  den  architektonischen  Zweck  geeigneter  fanden, 
so  ist  das  vielleicht  durch  den  Einfluss  der  Vorbilder  veran- 
lasst, welche  die  Künstler  in  ihrer  Heimat  sahen,  aber  die 
Formen  derselben  sind  im  geraden  Gegensatz  zu  den  Karya- 
tiden des  Erechtheums  etwas  stumpf  und  rundlich.  Die 
Künstler  können  nicht  vor  dem  ersten  vorchristlichen  Jahr- 
hundert gelebt  haben. 

Die  erste,  die  im  braccio  nuovo  des  Vatikans  n.  47  steht,  ist  abg. 
bei  Clarac  pl.  444,  814;  die  zweite  bei  Gerhard  Ant.  Bildw.  Taf.  94. 
Clarac  444,  814».  Vgl.  Winckelmann  Gesch.  d.  K.  XI,  1  §.  14.  E.  Braun 
Ruinen  und  Museen  Roms  p.  10.  Brunn  Gesch.  d.  gr.  Künstler  I  p.  569; 
die  dritte  ist  abg.  Clarac  442,  die  vierte  ebendas.  pl.  444,  814^-  Vgl. 
E.  Braun  a.  a.  0.  p.  705. 

736.  Apotheose  Homers*,  in  der  Mitte  des  17.  Jahr- 
hunderts an  der  Via  Appia  auf  der  Stelle  des  alten  Bovillae 
(alle  Frattocchie)  gefunden,  bis  zum  Jahr  1819  in  Palast  Co- 
lonna  in  Rom,  seitdem  im  britischen  Museum.  Ergänzt  sind 
die  beiden  oberen  Ecken  nebst  dem  vorstehenden  Arm  und 
Gewandzipfel  der  Figur  zur  Rechten,  in  der  dritten  Reihe 
sämmtliche  Köpfe  mit  Ausnahme  des  dritten  von  links,  in 
der  untersten  der  Kopf  der  äussersten  kleineren  Figur  zur 
Rechten. 

Der  unterste  Streifen  stellt  die  Adoration  Homers  dar. 
Er  selbst  sitzt  majestätisch  thronend  da  in  einer  mehr  idealen, 


*  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  18. 


Mythologische  Darstellungen.  447 

jagendlichen  Erscheinung^  ganz  abweichend  von  dem  indivi- 
duelleren Ausdruck,  den  ihm  die  erhaltenen  Büsten  geben. 
Die  Rolle  charakterisirt  ihn  als  Dichter,  das  Scepter  als 
einen  König  in  seinem  Gebiet.  Hinter  ihm  stehen  durch 
Beischriften,  die  bei  keiner  Figur  dieses  Streifens  fehlen, 
verdeutlicht,  Chronos  und  Oikumene.  Der  erstere,  beflügelt, 
um  den  schnellen  Verlauf  der  Zeit  anzudeuten,  hält  in  jeder 
Hand  eine  Rolle,  gewiss  die  beiden  Gedichte  Homers,  die 
dadurch  als  unvergänglich  bezeichnet  werden.  Neben  ihm 
steht  Oikumene,  wie  die  Erdgottheiten  mit  dem  Modius  be- 
krönt, der  freilich  ihr,  die  nicht  den  zeugenden  Erdboden, 
sondern  das  auf  der  Erde  wohnende  Menschengeschlecht  ver- 
tritt, nicht  eigentlich  zukommt.  Sie  bekränzt  den  Homer,  in 
ihrer  Person  huldigt  der  ganze  bewohnte  Erdball  dem  Dichter, 
sein  Ruhm  ist  weder  durch  Raum  noch  Zeit  begrenzt.  An 
dem  Stuhl  des  Dichters  hocken  seine  Kinder,  seine  Werke, 
vorn  die  Ilias,  nach  ihrem  kriegerischen  Inhalt  durch  ein 
Schwert  charakterisirt,  hinten  die  Odyssee,  ein  gleichfalls  be- 
zeichnendes Attribut,  eine  Verziening  des  Schiffshintertheils 
in  der  Hand  haltend.  Am  Schemel  endlich  bemerkt  man 
einen  Frosch  und  eine  Maus,  eine  Anspielung  auf  den  Frosch- 
mäusekrieg. 

Die  adorirenden  Figuren  müssen  sämmtlich  als  Wesen 
betrachtet  werden,  die  dem  Dichter  sich  verpflichtet  fühlen 
und  ihren  Dank  in  der  Form  freudiger  Anbetung  —  wie  der 
Gestus,  die  Erhebung  der  Rechten  anzeigt  —  darbringen. 
Sie  zerfallen  in  zwei  Gruppen  von  je  4  Frauen,  deren  jede 
durch  eine  kleinere  Figur  eingeleitet  wird.  Zunächst  dem 
Dichter  steht  ein  Knabe,  der  Mythus,  dessen  kindlicher  naiver 
Charakter  durch  die  Knabengestalt  bezeichnet  werden  soll. 
Als  Knabe  eignet  er  sich  zugleich  zu  dem  ihm  übertragenen 
Amt  eines  Opferdieners,  er  hält  Schaale  und  Kanne  zur  Spende 
bereit.  Neben  dem  brennenden  Altar  steht  der  Opferstier, 
der  einen  eigenthümlichen  Höcker  am  Nacken  hat,  wie  es  ver- 
muthlich  der  Künstler  in  seiner  Heimat  sah,  wenigstens  wissen 
wir,  dass  in  dem  der  Heimat  des  Künstlers  benachbarten 
Karlen  solche  Ochsen  existirten.  Hinter  dem  Altar,  bereit 
ein  Weihrauchkorn  als  Einleitung  des  Opfers  in  die  Flamme 
zu  werfen,  steht  die  Geschichte,  nicht  weniger  als  der  Mythus 
dem  Homer  verpflichtet,  der  für  beide  als  Quelle  galt  An 
sie  schliesst  sich  die  epische  Poesie,  die,  auch  noch  mit  beim 
Opfer  beschäftigt  ist,  indem  sie  die  zum  Anzünden  desselben 


448  '      Mythologische  Darstellungen. 

nothwendigen  Fackeln  hoch  erhoben,  wie  in  begeisterter  Ver- 
ehrung hält. 

Es  folgen  die  Tragödie  und  Komödie,  die  Homers  Dich- 
tungen so  viel  Stoff  und  Anregung  für  ihre  eigene  Gattung 
verdankten.  Sie  tragen  beide  das  Aermelkleid  der  Bühne, 
die  Tragödie  aber  ist  eine  höhere  heroische  Gestalt  und  trägt 
den  Kothurn  und  den  Onkos,  die  mit  Haaren  besetzte  Er- 
höhung der  Stirn. 

Die  zweite  Gruppe,  die  mehr  in  einander  gedrängt  ist, 
um  der  gleichfalls  gedrängteren  Gruppe  an  der  linken  Ecke 
das  Gleichgewicht  zu  halten,  wird  eingeleitet  durch  eine  kleine 
Mädchengestalt,  Physis  —  denn  dass  diese  Figur  weiblich  zu 
nehmen,  empfiehlt  sowohl  die  Kleidung,  als  auch  das  sprach- 
liche Geschlecht  ihres  Namens  — ,  die  sich  mit  kindlicher 
Geberde  an  eine  der  Frauengestalten  schmiegt.  Es  ist  die 
personificirte  Naturanlage,  die  schöpferische  Kraft,  die  durch 
Homer  die  tiefste  Anregung  erfährt.  Dass  sie  so  klein  ge- 
bildet ist,  soll  offenbar  ähnlich  wie  bei  Telesphorus,  das  Keim- 
artige, Entwicklungsfähige  bezeichnen.  Es  folgt  Arete,  die 
ihre  Rechte  adorirend  erhebt,  übrigens  aber  ohne  nähere 
Charakteristik  ist,  sie  stellt  die  Mannhaftigkeit  dar  oder  auch 
vielleicht  in  allgemeinerem  Sinne  die  Rechtschaffenheit,  da 
Homer  als  ein  Lehrer  der  Tugend  galt.  Dann  bleiben  noch 
die  Namen  der  Mneme,  Pistis  und  Sophia,  letztere  unzweifel- 
haft die  ihr  Kinn  wie  sinnend  stützende  kleinere  Figur,  deren 
Kleinheit  nur  dadurch  veranlasst  scheint,  dass  die  hinteren 
Figuren  sichtbar  gemacht  werden  mussten.  Dagegen  ist  über 
die  Vertheilung  der  Inschriften  Mneme  und  Pistis  auf  die 
beiden  noch  übrigen  Figuren  Zweifel  entstanden.  Uns  scheint 
für  erstere  der  Gestus  der  kleineren  Figur,  der  ein  Sich- 
besinnen ausdrückt,  geeigneter  zu  sein,  so  dass  für  Pistis,  die 
Treue  und  Wahrhaftigkeit,  die  höhere  Figur  in  der  Ecke 
übrig  bliebe.  Uebrigens  ist  an  der  Figur,  die  wir  für  Mneme, 
die  Personifikation  der  die  Vergangenheit  festhaltenden  Er- 
innerung, halten,  die  linke  Hand  mit  der  Rolle  neu.  Alle 
Figuren  der  zweiten  Gruppe  repräsentiren  allgemeinere  Eigen- 
schaften, die  in  Homer  nach  antiker  Anschauung  in  höchstem 
Maasse  vereinigt  waren  und  daher  auch  durch  ihn  aufs  Wirk- 
samste gebildet  und  angeregt  Tviirden. 

Die  ganze  heilige  Handlung  findet  übrigens  nicht  im 
Freien  statt,  sondern  in  einem  durch  Vorhänge  abgegrenzten 
Raum. 


Mythologische  Darstelhmgen.  449 

Ueber  dieser  Scene  befinden  sich  die  Gestalten  des 
Apollo  und  der  Musen.  Der  erstere  musste  in  diesem  Zu- 
sammenhang nothwendig  m  der  Tracht  des  Kitharöden  vor- 
gestellt werden,  er  steht  in  einer  Grotte,  bei  welcher  der 
Künstler  gewiss  an  die  Grotte  des  Parnass,  an  die  Korykische 
Grotte  gedacht  hat.  Zu  näherer  Charakteristik  liegen  noch 
der  berühmte  delphische  kegelförmige  Stein,  der  als  Erdnabel 
angesehen  wurde,  und  Bogen  und  Köcher  neben  ihm.  Die 
kleinere  Figur  an  seiner  Linken,  die  mit  ihm  in  der  Höhle 
steht,  ist  unzweifelhaft  eine  Priesterin,  da  sie  ihm  eine  Schaale 
reicht  Von  den  Musen  ist  Polyhymnia,  die  schwärmerischste 
von  allen,  der  die  dichterische  Erfindung  zugeschrieben  wurde, 
mit  Apollo  verbunden,  als  lausche  sie  den  Klängen,  die  aus 
seiner  Grotte  zu  ihr  dringen.  Die  übrigen  sind  paarweise 
gruppirt  und  man  merkt  das  Bestreben,  die  ihrem  Begriff 
nach  verwandten  Musen  zusammenzustellen.  Zunächst  Urania 
auf  ihren  Globus  weisend,  und  neben  ihr  Terpsichore,  die 
Muse  der  höheren  Lyrik,  die  ein  grösseres  Saiteninstrument 
trägt  als  die  ihr  verwandte  Erato,  von  der  sie  oft  schwer  zu 
unterscheiden  ist.  Es  folgen  links  in  der  zweiten  Reihe  Kal- 
liope  mit  ihren  Täfelchen,  nach  dem  Gestus  der  linken  Hand 
in  Begriff,  etwas  zu  deklamiren,  neben  ihr  Klio  mit  der  Rolle. 
Sodann  zwei  Musen,  deren  Blicke  nach  oben,  wie  es  scheint 
zum  Zeus  gerichtet  sind,  links  Erato  mit  einem  kleinen  leier- 
ähnlichen Instrument,  rechts  Euterpe  mit  ihren  Flöten.  End- 
lich Thalia  und  Melpomene,  erstere  in  leichter  Tanzbewegung, 
letztere  gross  und  majestätisch  mit  Zeus  gruppiit,  der  die 
Spitze  des  Berges  einnimmt.  Die  Leier  zu  den  Füssen  der 
Melpomene  wird  doch  wohl  der  Thalia  angehören,  die  sonst 
freilich  andere  Attribute  hat. 

Und  welcher  Zusammenhang  besteht  zwischen  den  unteren 
und  den  oberen  Reihen?  Wir  glauben,  dass  die  Götter  nur 
zur  Verherrlichung  der  Feier  da  sind,  deren  Mittelpunkt 
Homer  ist.  Am  Fuss  des  Musenberges  findet  die  Feier  statt, 
die  alle  dem  Dichter  freundlichen  Gottheiten  durch  ihre  Gegen- 
wart ehren. 

Noch  bleibt  übrig  die  vor  einem  Dreifuss  stehende  Statue, 
nach  der  Rolle  in  ihrer  Hand  die  Statue  eines  Dichters  oder 
eines  geistigen  Interessen  ergebenen  Mannes.  Diese  Figur 
ist  nach  unserer  Ansicht  nur  von  Goethe,  der  einige  kurze 
Bemerkungen  über  dies  Relief  geschrieben,  richtig  aufgefasst, 
alle  übrigen  Erklärer  sind  im  In^thum,  indem  sie  die  Figur 

Friederichg,  griech.  Plastik.  29 


450  Mythologische  Darstellungen. 

in  eine  materielle  Verknüpfung  mit  Homer  bringen,  welcher 
die  Composition  widerstrebt.  Denn  die  Figur  steht  völlig 
isolirt  und  giebt  sich  dadurch  als  bloss  äusserlich  mit  dem 
Uebrigen  zusammenhängend  zu  erkennen.  Goethe  schreibt 
(Bd.  31,  399)  ,;Wir  behaupten,  es  sei  die  Abbildung  eines 
Dichters,  der  sich  einen  Dreifuss,  durch  ein  Werk,  wahr- 
scheinlich zu  Ehren  Homer's,  gewonnen  und  zum  Andenken 
dieser  für  ihn  so  wichtigen  Begebenheit  sich  hier  als  den 
Widmenden  vorstellen  lasse.^^  lieber  die  Veranlassung  der 
Widmung  kann  man  verschieden  denken,  nur  dass  sie  zu 
Homer  in  irgend  einer  Beziehung  stehen  muss,  aber  hinsicht- 
lich des  Dreifusses  und  der  Statue  scheint  es  uns  sehr  an- 
sprechend, den  ersteren  als  einen  Siegespreis,  die  letztere 
als  Abbildung,  genauer  als  Siegerstatue  des  Weihenden  auf- 
zufassen. 

Die  Inschrift,  die  ganz  nach  Art  römischer  Votivtäfelchen 
umrahmt  ist,  nennt  den  Archelaos  des  Apollonios  Sohn  aus 
Prione  als  Verfertiger.  Die  Zeit  desselben  ist  unbekannt, 
doch  lässt  sich  aus  den  stilistischen  Eigenthümlichkeiten  des 
Reliefs  approximativ  ein  Schluss  ziehen. 

Zunächst  gehört  der  Künstler  nicht  mehr  der  Zeit  der 
eigentlich  schöpferischen  Kunst  an,  denn  es  finden  sich  offen- 
bare Entlehnungen  in  seinem  Werk,  namentlich  ist  Poly- 
hymnia,  auch  Apollo  nach  einem  viel  verbreiteten  statuari- 
schen Typus  copirt.  Derartige  einzelne  Entlehnungen  finden 
sich  allerdings  auch  in  der  besten  Zeit,  es  kommt  aber  hier 
noch  etwas  Anderes  hinzu.  Das  Relief  hat  unläugbar  etwas 
Reflectirtes,  einen  üeberschuss  des  Gedankens  über  die  künst- 
lerische Form,  der  Künstler  hat  nicht  vermocht,  seine  alle- 
gorischen Gestalten,  die  ohne  Beischriften  gar  nicht  verständ- 
lich wären,  durch  die  Form  zu  charakterisiren.  Auch  künst- 
lerisch wäre  manches  anders  zu  wünschen,  eine  gewisse 
Stellung,  die  der  Tragödie  und  Komödie,  wiederholt  sich  in 
ermüdender  Weise,  und  ein  specifisch  römisches  Gewandmotiv, 
die  dicke  schwere  Faltenmasse  zwischen  den  Beinen,  wieder- 
holt sich  ebenso.  Auch  die  Behandlung  des  Reliefs  entfernt 
sich  von  griechischer  Sitte,  denn  das  griechische  Relief  pflegt 
eine  Ebene  als  Hintergrund  zu  haben  und  enthält  sich  der 
genauen  Wiedergabe  bestimmter  Lokalitäten,  während  wir  in 
römischen  Reliefs  so  wie  hier  Berge,  Flüsse  etc.  in  einer 
mehr  malerischen  als  plastischen  Weise  dargestellt  finden. 


Mythologische  Darstellungen.^  451 

Aus  diesen  Gründen  ist  das  Werk  schwerlich  früher  ent- 
standen^ als  am  Anfang  der  römischen  Eaiserzeit. 

Vgl.  die  Literatur  bei  A.  Kortegarn,  de  tabula  Archelai,  Bonnae 
1862.  E.  Braun,  der  zuerst  ein  genaueres  Studium  dieses  interessanten 
Werkes  angeregt  hat,  spricht  den  geistreichen  aber  schwerlich  haltbaren 
Gedanken  aus  (bullet.  1844  p.  200  ff.),  dass  sich  das  Relief  nicht  allein 
auf  Homer  beziehe,  sondern  auf  die  gesammte  griechische  Poesie,  auf 
den  griechischen  Parnass,  der  durch  Apoll  und  die  Musen  repräsentirt 
werde,  Homer  sei  nur  dargestellt  als  das  Fundament,  als  die  Wurzel, 
aus  dem  sich  der  ganze  Baum  der  griechischen  Poesie  entwickelt  habe. 
Ich  kann  dies  nicht  aus  den  Figuren  der  Musen  herauslesen,  so  wenig 
wie  ich  den  von  Braun  angenommenen  Parallelismus  zwischen  den 
Musen  und  den  um  den  homerischen  Altar  versammelten  Figuren  er- 
kennen kann. 

737.  Vase  des  Sosibios*,  von  Marmor,  im  Louvre, 
früher  in  Villa  Borghese,  befindlich. 

So  deutlich  die  einzelnen  Figuren  sind,  ebenso  unklar 
ist  der  Sinn  des  Ganzen.  Den  Mittelpunkt  der  Handlung 
nimmt  ein  flammender  Altar  ein,  an  dessen  linker  Seite  Ar- 
temis steht,  während  von  der  anderen  Seite  Hermes  heran- 
koDMnt.  Die  erstere  ist  gefolgt  von  zwei  Bacchantinnen  und 
einem  Satyr,  der  letztere  von  zwei  Bacchantinnen  und  einem 
Korybanten,  den  wir  schon  früher  in  bacchischen  Darstellungen 
fanden.  Von  dem  Gefolge  der  Götter  ist  aber  je  eine  Figur 
zu  emer  besonderen  Gruppe  zusammengestellt,  offenbar  aus 
Gründen  der  Composition,  um  auch  auf  der  Rückseite  einen 
Mittelpunkt  zu  markiren. 

Es  ist  kaum  eine  Figur  dieser  Vase  eine  originelle  Er- 
findung. Die  bacchischen  Gestalten  sind  Wiederholungen  sehr 
beliebter  Typen  der  späteren  Kunst,  die  beiden  Götter  nach 
Vorbildern  des  altgriechischen  Stils  copirt.  Diese  Stilmischung 
ist  gewiss  kein  Zeichen  eines  reinen  Geschmacks.  Der  Künstler, 
der  sich  auf  dem  Altar  eingeschrieben,  ist  Sosibios  von  Athen 
und  kann  nicht  vor  dem  letzten  vorchristlichen  Jahrhundert 
gelebt  haben. 

Abg.  Mus.  Napoleon  II,  22.  Müller -Wieseler  II,  48,  ß02.  Mau 
hält  die  hinter  Artemis  befindliche  Figur  gewöhnlich  für  Apollo,  aber 
die  Figur  ist  weiblich.  Auch  wäre  für  Apoll  der  Platz  hinter  Artemis 
auffallend  und  die  Figur  würde,  wenn  sie  eine  Gottheit  vorstellte,  ver- 
muthlich  auch  in  alterthümlichem  Stil  gehalten  sein. 


*  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  15. 

29* 


\ 


452  Mythologische  Dai-stellungen. 

738.  Zeus  und  Thetis*,  Marmorrelief,  aus  Rom  nach 
Turin  und  dann  durch  Napoleon  nach  Paris  gebracht,  wo  es 
sich  noch  jetzt  im  Louvre  befindet.  Ergänzt  ist  die  linke 
Hand  der  Thetis. 

Das  Relief  stellt  eine  Scene  aus  dem  ersten  Buch  der 
llias  dar,  die  Bitte  der  Thetis  an  den  Zeus.  Die  erstere,  in 
einer  der  Meergöttin  entsprechenden  Tracht,  lehnt  sich  ver- 
traulich an  Zeus  und  trägt  ihm  ihre  Bitte  vor,  welcher  jener 
freundlich  sein  Ohr  leiht.  Ungesehen  und  unbeachtet  von 
beiden,  wie  bei  Homer,  ist  Hera  gegenwärtig,  durch  eine 
feierliche  Tracht  als  Götterkönigin  charakterisirt. 

Das  Werk  schliesst  sich  nicht  ganz  genau  an  Homer  an. 
Zwar  dass  der  Künstler  die  Lokalität  nicht  genau  wieder- 
gegeben —  bei  Homer  geht  die  Scene  auf  einem  Gipfel  des 
Olymps  vor  sich,  hier  dagegen  deutet  der  Pfeiler  zur  Linken 
die  Thür  des  olympischen  Palastes  an,  vor  welcher  nach 
heroischer  Sitte  der  behauene  Stein  als  Sitz  liegt  — ,  ist  ganz 
im  Geiste  des  griechischen  Reliefs,  welches  landschaftliche 
Charakteristik  vermeidet,  aber  bezeichnend  für  ihn  und  seine 
Zeit  ist  die  Aenderung  im  Benehmen  der  Personen.  Wie  innig 
und  dringend  ist  die  Bitte  der  homerischen  Thetis,  die  des 
Zeus  Knie  umfasst  und  nicht  eher  loslässt,  als  bis  er  ihr  Ge- 
währung verheissen!  Hier  dagegen  haben  wir  das  Bild  einer 
vertraulichen  Unterhaltung  und  das  Bestreben  des  Künstlers 
ist  nicht  dies  gewesen,  den  Sinn  des  Dichters  zu  erschöpfen, 
als  vielmehr  eine  anmuthige  und  gefällige  Gruppe  zusammen- 
zustellen. Denn  nur  die  Zusammenstellung  scheint  des  Künst- 
lers Verdienst  zu  sein,  nicht  die  Erfindung  der  Figuren.  Die 
Thetis  ist  wenigstens  auch  aus  anderen  Compositionen  be- 
kannt und  die  Juno,  die  etwas  ausdruckslos  dasteht,  ist  nach 
einem  Vorbild  des  strengen  griechischen  Stils  componirt. 

Diese  Stilmischung,  die  wir  noch  entschiedener  an  der 
Vase  des  Sosibios  (n.  737)  fanden,  weist  auf  römische  Zeit,  und 
eine  Bestätigung  dafür  ist  die  lateinische  Künstlerinschrift  des 
Diadumenos,  die  sich  am  Sitz  des  Zeus  befindet.  Auch  dass 
der  Künstler  sich  im  blossen  Genitiv  aufgeschrieben  hat,  ist 
römische  Sitte.  Doch  ist  das  Werk  nicht  ohne  Grazie  und 
gehört  gewiss  guter  römischer  Zeit  an. 

Abg.  bei  Visconti  Opere  Varie  IV  tav.  1,  der  diese  Erklärung  zu- 
erst aufgestellt  hat.     Vgl.   Welcker  Akad.   Mus.   n.   339.     0.  Jahn  Ar- 


Im  Niobidensaal  n.  54. 


* 


Mytholog^ische  Darstellungen.  45B 

chaeol.  Ztg.  VIII,  208.  Die  Figiir  der  Thetis  wiederholt  sich  auf  dem 
Sarkophag  mit  der  Erziehung  des  kleinen  Bacchus  im  Mus.  Capitol.  IV, 
60  und  auf  dem  Albani'schen  Horenrelief  bei  Zoega  bassiril.  II,  96. 

739 — 744.  Sechs  Götter*,  Marmorreliefs,  je  drei  und 
drei  an  der  Basis  grosser  im  reichsten  korinthischen  Stil  ge- 
arbeiteter Candelaber"  befindlich,  welche  im  17.  Jahrhundert 
von  Bulgarini  in  der  Villa  Hadrian's  bei  Tivoli  in  der  Nähe 
«ines  Rundtempels  gefunden  sind.  Der  Cardinal  Barberini 
erwarb  sie,  und  in  seinem  Palast  blieben  sie  über  100  Jahre, 
bis  sie  in  den  Vatikan  kamen.  Die  Candelaber  haben,  wor- 
auf ihre  Grösse  und  die  an  der  Basis  befindlichen  Reliefs 
hindeuten,  wahrscheinlich  zum  Cultus  gedient,  und  diese  Be- 
stimmung erklärt  auch,  warum  der  Künstler  seinen  Figuren 
zwar  weniger  in  den  Formen  als  in  Gewandung,  Haar  und 
Stellung  einen  leisen  Zusatz  von  der  Feierlichkeit  des  alter- 
thümlichen  Stils  gegeben  hat. 

An  dem  einen  Candelaber  sind  Zeus,  Hera  und  Hermes, 
an  dem  anderen  Pallas,  Ares  und  Aphrodite  dargestellt,  zum 
Theil  auf  Basen,  so  dass  es  scheint,  als  wären  Statuen  copirt. 
Indess  ist  der  Grund  wohl  nur  der,  die  durch  die  Verschie- 
denheit des  Charakters  nothwendigen  Grössenunterschiede 
durch  die  Basen  auszugleichen.  Es  wäre  bei  diesen  als  archi- 
tektonische Dekoration  dienenden  Figuren  unschön  gewesen, 
wenn  die  Symmetrie  durch  fühlbare  Grössenunterschiede  ver- 
letzt wäre. 

Wie  die  Figur  des  Hermes  zu  verstehen  sei,  ist  zweifel- 
haft. Man  hat  geglaubt,  dass  er  in  einer  besonderen  Funk- 
tion, als  Einrichter  der  Opfergebräuche  dargestellt  sei,  indem 
er  den  Widder  zum  Opfer  heranfahre  und  die  Schaale  zur 
Spende  emporhebe,  aber  es  wäre  doch  auch  möglich,  die 
Figur  ebenso  wie  alle  übrigen  nur  ruhig  repräsentirend  auf- 
zufassen. Die  trauliche  Verbindung  des  Gottes  mit  seinem 
Thier  ist  ganz  im  Charakter  der  alterthümlichen  Kunst,  an 
welche  sich,  wie  gesagt,  der  Künstler  anlehnte  (vgl.  den  Her- 
mes auf  n.  69),  und  die  Schaale  könnte  statt  zum  Ausgiessen, 
vielmehr  zum  Empfangen  der  Spende  bestimmt  sein.  Ares 
ist  gut  charakterisirt  durch  den  in  die  Hüfte  gestemmten 
Arm,  der  ihm  etwas  Zuversichtliches  giebt  Unter  den  Göt- 
tinnen ist  Hera  augenfällig  durch  die  reichere   und  weitere 


*   Im   Römischen    Saal   n.  66 — 71.    Abgüsse  der  Candelaber  im 
iiewerbeinstitut. 


454  Mythologische  Darstellungen.  " 

Gewandung  von  den  beiden  knapper  gekleideten  jungfräulichen 
Göttinnen,  Pallas  und  Aphrodite,  unterschieden.  Die  erstere 
ist  beschäftigt;  die  grosse  Schlange  zu  tränken,  die  nach  dem 
Vorgange  des  Phidias  die  Begleiterin  mehrerer  erhaltener 
PaUasdarstellungen  ist,  es  scheint  kein  tieferer  Sinn  in  der 
Handlung  zu  liegen,  sondern  sich  nur  um  einen  gemüthlichen 
Verkehr  der  Göttin  mit  ihrem  Thier  zu  handehi.  Eine  sehr 
graziöse  Figur  ist  endlich  Aphrodite  mit  ihrer  Blüthe,  die  sie 
in  etwas  alterthttmlicher  Weise  ausgestreckt  hält.  Eigen- 
thümlich  ist  aber  das  nach  hinten  flatternde  Gewandstück,  das 
bei  einer  ruhig  stehenden  Figur  nicht  recht  motivirt  ist. 

Der  Künstler  hat  nach  grosser  Eleganz  und  Zierlichkeit 
gestrebt.  Die  Helme  von  Ares  und  Pallas  sind  so  fein  ver- 
ziert, dass  man  an  die  Eleganz  geschnittener  Steine  erinnert 
wird.  An  jenem  sind  ein  Greif  und  zwei  Löwen  angebracht^ 
Symbole  der  Streitbarkeit  und  des  Muthes,  an  diesem  in  der 
Mitte  eine  Sphinx,  wie  an  der  berühmten  Statue  des  Phidias, 
und  zu  jeder  Seite  ein  Pegasus,  der  vielleicht  auf  die  Zäh- 
mung des  Pegasus  durch  Pallas  anspielt. 

Die  beiden  Gandelaber,  deren  Schaft  aus  Akanthuskelchen 
besteht,  die  sich  einer  aus  dem  anderen  entwickeln,  gehören 
nach  der  Zeichnung  und  üppig  schwellenden  Bildung  der 
Blätter,  worin  der  zweite  den  ersten  noch  übertrifft,  in  rö- 
mische Zeit.  Ob  sie  erst  für  die  kaiserliche  Villa,  in  der 
sie  gefunden,  gearbeitet,  oder  schon  früher  entstanden  sind, 
mögen  wir  nicht  entscheiden.  \ 

t  Abg.  Visconti  Pio-Clem.  IV,  tav.  1 — 8.  Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und 
Museen  Roms  p.  346  ff. 

745.  Götterversammlung*,  Marmorrelief,  von  einem 
viereckigen  Altar,  der  sich  jetzt  im  capitolinischen  Museum, 
früher  in  Albano,  in  der  Villa  Savelli-Paolucci  befand.  Es 
ist  hier  nur  die  obere  Hälfte  einer  Seite  im  Abguss  vorhanden, 
das  untere  durch  einen  Bruch  von  dem  anderen  getrennte 
Stück  ist  weniger  gut  erhalten. 

Die  Seite,  von  welcher  dies  Kelief  entnonmien,  war  jeden- 
falls die  Hauptseite  des  Altars,  ihr  Bild  ist  der  Schlussstein 
in  der  Erzählung  von  den  Schicksalen  des  Zeus,  die  an  dem 
Altar  dargestellt  sind  und  ihn  deutlich  als  Altar  des  Zeus 
charakterisiren.    An  den  übrigen  Seiten,  soweit  sie  erhalten, 


*  Im  Römischen  Saal  n.  47. 


■■t: 


;   Mythologische  Darstellungen.  455 

sind  Dämlich  die  Gefahren  dargestellt^  die  den  Zeus  in  seinen 
ersten  Jahren  bedrohten ,  unsere  Seite  dagegen  zeigt  ihn  in 
aller  Fülle  seiner  Macht,  als  Haupt-  und  Mittelpunkt  der 
olympischen  Gottheiten.  Eine  bestimmte  Scene  ist  offenbar 
nicht  dargestellt,  sondern  es  soll  nur  die  Majestät  des  Zeus 
verherrlicht  werden.  Er  ist  die  allein  und  im  Mittelpunkt 
sitzende  Figur  und  auch  das  Relief  derselben  springt  bedeutend 
vor  den  übrigen  hervor.  An  seiner  Rechten  steht  Minerva, 
hinter  ihm  sind  Mars  und  Yulcan  kenntlich,  vor  ihm  an  dem 
Diadem  und  der  stolzen  Haltung  Juno  und  neben  ihr  der  ge- 
lockte Apollo.  Die  übrigen  Köpfe  sind  nicht  mit  voller 
Sicherheit  zu  vertheilen,  an  der  linken  verstümmelten  Seite 
sind  Neptun  und  Mars  hinzuzudenken,  welche  die  Zwölfzahl 
der  Götter  vollmachten  und  dem  Vulkan  und  Merkur  auf  der 
rechten  Seiten  symmetrisch  gegenüberstanden. 

Das  Relief  ist  sehr  schön  und  mit  einer  gewissen,  dem 
Gegenstande  entsprechenden  Strenge  componirt,  indessen  un- 
zweifelhaft römisch.  Schon  die  Stellung  der  Minerva  zur 
Rechten  des  Zeus  lässt  römischen  Ursprung  vermuthen. 

Abg.    Mus.    Capitol.  IV,    5  —  8.     E.  Braun  Kunstmythol.    Taf.  5. 
Miliin  Gal.  myth.  5,  19. 

746.  Die  Parzen*,  Marmorrelief,  um's  Jahr  1770  in 
Villa  Palombara  in  Rom  gefunden  und  von  dem  Besitzer 
Principe  Massimi  im  Jahre  1810  an  W.  v.  Humboldt  ver- 
kauft, in  dessen  Schloss  Tegel  es  sich' befindet.  Zuerst  fehlte 
das  Obertheil  der  Figur  zur  Linken,  es  wurde  aber,  als  be- 
reits Thorwaldsen  und  Rauch  die  Restauration  beendigt  hatten, 
in  der  Werkstätte  des  Bildhauers  Malatesta  in  Rom  aufge- 
funden und  dem  üebrigen  hinzugefügt.  Neu  sind  an  dieser 
Figur  der  Leib  und  der  rechte  Arm,  an  ihrer  Nachbarin  eben- 
falls der  rechte  Arm  und  an  der  dritten  Figur  die  linke  Hand 
und' die  Finger  der  rechten  nebst  Rolle,  Globus  und  Pfeiler. 

Die  sitzende  Klotho  spinnt  den  Lebensfaden,  die  mittlere, 
Lachesis,  zieht  mit  abgewandtem  Kopf  aus  einem  Bündel  von 
drei  Loostäf eichen  eins  heraus,  die  letzte,  Atropos,  deutet 
(wenn  die  Restauration  richtig  ist)  auf  das  in  der  Rolle  des 
Schicksals  Geschriebene  und  hat  neben  sich  auf  einem  Pfeiler 
den  vom  Thierkreis  umwundenen  Globus,  in  dessen  Gestirnen 
sie   das  Loos   des  Einzelnen  liest.    Es  ist  ein  stetiger  Fort- 


*  Im  Cabinet  des  Laokoon  n   3. 


456  Mythologische  Darstelluug-en. 

gang  des  Gedankens  in  den  drei  Figuren  ausgedrückt:  dem 
Leben,  das  Klotho  anspinnt,  zieht  Lachesis  sein  Schicksals- 
loos,  Atropos  aber  bezeichnet  dies  Loos  als  unveränderlich 
fest,  als  geschrieben  in  den  Gestirnen  und  in  der  Rolle  des 
Schicksals. 

Das  Relief  ist  gewiss  nur  Fragment,  die  Atropos  weist 
deutlich  auf  nachfolgende  Figuren  hin,  sie  würde  eine  andere 
Stellung  erhalten  haben,  wenn  das  Relief  vollständig  wäre. 
Man  denkt  zunächst,  es  sei  ein  Stück  einer  Sarkophagplatte, 
allein  dem  widerspricht,  dass  ein  paar  Löcher  unten  an  der 
Platte  die  Anfügung  an  eine  Wand  voraussetzen  lassen,  auch 
ist  die  Anordnung  der  Figuren  nicht  so  gedrängt,  wie  sie  auf 
den  Sarkophagen  zu  sein  pflegt. 

Das  Werk  ist  römischen  Ursprungs,  denn  die  Handlung 
der  mittleren  Parze  entspricht  einer  specifisch  italischen  Sitte. 
Das  Loosorakel  im  Allgemeinen  ist  freilich  auch  den  Griechen 
nicht  fremd,  aber  in  dieser  Form  doch  nur  aus  Italien  be- 
kannt. Es  haben  sich  kleine  Loostäfelchen  von  Bronce  mit 
lateinischen  Inschriften  (sortes)  erhalten,  die  den  hier  dar- 
gestellten fast  in  allen  Punkten  entsprechen. 

Die  Parzen  werden  in  der  alten  Kunst  immer  jung  dar- 
gestellt, während  einige  alte  Dichter  und  neuere  Künstler  sie 
als  Greisinnen  schildern.  Das  Greisenalter  war  von  der  künst- 
lerisch dargestellten  Götterwelt  der  Griechen  ausgeschlossen. 

Abg.  bei  Welcker  Ztschr.  f.  alte  Kunst  Taf.  3,  10  vgl.  p.  197  ff., 
wo  auch  p.  232  die  Notiz  über  das  neu  gefundene  Stück  der  Klotho 
gegeben,  ausserdem  bei  Müller -Wieseler  Denkm.  II,  72,  922.  Das 
Verdienst,  die  Lachesis  richtig  erklärt  zu  haben,  gebührt  E.  Braun  bull. 
1849  p.  99. 

747.  Amoren  am  Thron  des  Neptun*,  Marmorrelief 
in  San  Vitale  zu  Ravenna. 

In  römischer  Zeit  wurden  die  Amoren  in  allen  möglichen 
Verrichtungen  des  Menschenlebens  dargestellt,  besonders  auch 
in  solchen,  die  für  ihr  Alter  nicht  recht  geeignet  waren,  worin 
eben  der  pikante  Reiz  solcher  Darstellungen  lag.  Hier  sehen 
wir  sie  gewissermaassen  als  Tempeldiener  sich  abmühen  mit 
den  colossalen  Insignien  des  Poseidon,  mit  denen  sie,  wie  es 
scheint,  den  Thronsessel  ausstatten  wollen.  Die  Muschel  ist 
ans  als  Attribut  des  Poseidon  selbst  sonst  nicht  bekannt,  aber 


Im  Niobidensaal  n.  125. 


Mythologische  Darstellungen.  457 

den  Meerwesen,  den  Tritonen  eigen,  die  sich  ihrer  als  Trom- 
pete bedienen. 

Das  Relief  gewährt  uns  einen  Blick  in  ein  Heiligthom 
des  Poseidon,  auf  die  Rückwand  desselben,  deren  Fries  mit 
Symbolen  des  Gottes  verziert  ist.  In  der  Mitte  derselben 
steht  der  Thronsessel,  vor  welchem  ein  phantastisches  'See- 
ungethüm,  auch  ein  Symbol  des  Poseidon,  liegt  Ein  Götter- 
bild ist  nicht  vorhanden,  es  scheint  nach  einigen  bildlichen 
Darstellungen,  dass  auch  ein  blosser  Thronsessel  mit  den  At- 
tributen des  Gottes  verziert,  die  Stelle  des  Bildes  vertreten 
konnte. 

Das  Relief  ist  von  gutem  Stil. 

Abg.  Miüin  Gal.  mythol.  73,  295.  Vgl.  Müller  Handb.  p.  624. 
Bötticher  Baumcultus  der  Hellenen  IV,  §.  4.^IX,  §.  4. 

748.  Amor  mit  dem  Blitz  des  Zeus*;  wo  das  Ori- 
ginal sich  befindet,  wissen  wir  nicht. 

Das  Relief  ist  nur  ein  Fragment  und  gehörte  gewiss  zu 
«iner  ähnlichen  Vorstellung,  wie  sie  eben  erwähnt  ist. 

749.  Amor  im  Circus**,  Marmorrelief  im  Vatikan. 
Amor  als  Besieger  und  Bändiger  alles  Wildesten  und  Stärksten 
im  Reiche  der  Thiere  und  Menschen  ist  ein  beliebtes  Thema 
der  späteren  Kunst,  das  namentlich  auf  den  römischen  Wand- 
gemälden und  Gemmen  in  unerschöpflicher  Mannigfaltigkeit 
variirt  wird.  In  unserem  Fall  sind  es  ein  Paar  Eber,  mit 
denen  er  im  Circus  herumgaloppirt.  Denn  der  Altar,  der 
hier  offenbar  wie  eine  Zielsäule  den  Punkt  bezeichnet,  um 
welchen  Amor  umbiegen  wird,  muss  als  eine  Andeutung  des 
Circus  gefasst  werden,  an  dessen  unterem  Ende  sich  in  der 
That  ein  Altar  befand.  Das  Relief  scheint  noch  guter  römi- 
scher Zeit  anzugehören. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  IV,  12  p.  88,  wo  nur  die  Verzierungen 
des  Altars  falsch  verstanden  sind.  Einen  bestimmten  Altar  hat  der 
Künstler  nicht  darstellen  wollen,  und  es  kam  ja  auch  darauf  nicht  an. 
üeber  den  Altar  am  unteren  Ende  des  Circus  vgl.  Preller  Rom.  Mythol. 
!>.  420.  421. 

750.  Stadtgöttinnen***,    Marmorrelief,   an   der  via 


*  Im  Niobidensaal  n.  126. 
**  In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  u.  17. 


««« 


Im  Niobidensaal  n.  48. 


458  Mythologische  Darstellungen. 

Appia  in  der  Nähe  Korns  gefanden,  früher  in  Villa  Borghese^ 
jetzt  im  Louvre.  Ergänzt  ist  die  Vase  in  der  Hand  der 
dritten  Figur. 

Die  Stadtgöttinnen  werden  durch  die  Mauerkrone  cha- 
rakterisirt,  ein  Attribut,  das  man  sinnig  aus  dichterischen 
Ausdrücken,  in  denen  die  Mauerzinnen  mit  einem  zierenden 
Kopf  bände  verglichen  werden,  hergeleitet  hat.  Von  charak- 
terisirenden  Attributen  ist  nichts  da  ausser  dem  Zweig  in  der 
Hand  der  mittleren,  der  zu  einer  Benennung  nicht  ausreicht. 

Nach  vorhandenen  Analogien  und  nach  der  oberen  Ein- 
fassung der  Platte  möchte  man  vermuthen,  dass  das  Relief 
sich  an  einer  Basis  befunden,  die  ein  von  den  repräsentirten 
Städten  errichtetes  Standbild  getragen  habe. 

Der  Stil  ist  vortrefflich,  wenn  auch  etwas  raffinirt. 

Abg.  bei  Visconti,  scult.  del  palazzo  della  [villa^'Borghese ,  st.  2 
n.  17.  Momim.  scelti  Borghesiani  tav.  32.  Clarac  pl.  222.  Für  die 
Vermuthnng,  dass  die  Mauerkrone  aus  dem  Orient  stamme  (Jahn  Ar- 
chaeol.  Ztg.  1864  p.  174  Anm.  3)  ist  wie  mir  scheint,  noch  kein  durch- 
schlagender Grund  angeführt.^ 

751.  Vulkan*,  auf  einem  in  Ostia  gefundenen,  im  Va- 
tikan befindlichen  Relieffragment.  An  Vulkan,  der  durch  die 
Zange  bezeichnet  ist,  sind  Kopf,  Brust,  rechte  Schulter  und 
die  ersten  drei  Finger  der  erhobenen  Hand  neu,  an  der 
zweiten  Figur  das  Gesicht  von  der  Nase  abwärts  nebst  Hals 
und  Schultern,  an  der  dritten  die  linke  Schulter  mit  dem  Arm 
und  der  untere  Theil  vom  Gürtel  abwärts. 

Dass  die  Composition  nicht  vollständig  ist,  zeigt  der  Rest 
eines  Geräths,  wahrscheinlich  eines  Dreizacks,  an  der  rechten 
Seite.  Von  den  Erklärungen  führen  wir  nur  die  eine  an, 
nach  welcher  die  Scene  der  IKas  dargestellt  ist,  in  welcher 
Thetis  zum  Hephäst  kommt,  ihn  um  Waffen  für  Achill  zu 
bitten.  Es  würde  dann  der  Moment  gemeint  sein,  in  welchen 
Hephäst  die  Versicherung  abgiebt,  die  Bitte  der  Thetis  zu 
erfüllen.  Die  mit  Aehren  und  Lotus  bekränzte  Figur,  von 
welcher  nur  der  Kopf  erhalten,  wird  für  eine  der  goldenen 
Mägde  erklärt,  die  den  Hephäst  begleiteten  und  stützten,  denn 
gewiss  ist  es  eine  Statue,  da  der  Gott  seinen  Arm  auf  ihren 
Kopf  legt  Unerklärt  bleibt  nur  der  auffallende  Grössen- 
unterschied  zwischen  Thetis  und  Vulkan  und  die  Bekränzung 


*  Im  Römischen  Saal  n.  34. 


Mythologische  Darstellungen.  459 

der  Figur  in  der  Mitte.    Dem  Stil  nach  gehört  das  Eelief 
gnter  Zeit  an. 

Abg.  bei  Visconti  Pio-Clem.  IV,  11.  Monum.  d.  inst.  I,  12.  Im 
Text  angeführt  ist  nur  die  Erklärung  von  Zoega  in  Welcker's  Ztschr. 
f.  a.  K.  p  365  f.  Die  übrigen,  die  man  bei  Welcker  Akad.  Mus.  n.  380 
citirt  findet,  scheitern,  wie  mir  scheint,  schon  daran,  dass  die  mittlere 
Figur  ja  offenbar  eine  Statue  ist. 

752.  Zeus  und  Vulkan*,  Marmorrelief,  dessen  Figuren 
getrennt  gefunden  und  leider  auch  getrennt  geblieben  sind, 
indem  der  Kestaurator  jede  Figur  besonders  umrahmt  hat 
Ausserdem  sind  neu  die  rechte  Hand  Vulkans,  der  linke  Vorder- 
arm und  das  linke  Bein  des  Zeus.  Das  Eelief  stammt  aus  dem 
Besitz  des  Marchese  Rondinini  und  ist  von  W.  v.  Humboldt  er- 
worben, auf  dessen  Schloss  Tegel  es  sich  befindet. 

Es  ist  nur  ein  Bruchstück  einer,  grösseren  Composition, 
welche  die  Geburt  der  Minerva  aus  dem  Haupte  des  Zeus 
darstellte.  Und  zwar  nicht  in  der  Weise  der  Vasenbilder, 
welche  den  Moment  fixiren,  in  welchem  die  Pallas  als  kleines 
Püppchen  aus  dem  Haupte  d8s  Zeus  hervorgeht,  sondern  wie 
wir  es  für  das  östliche  Giebelfeld  des  Parthenon  voraus- 
setzten, war  Pallas  unzweifelhaft  in  voller  Grösse  dargestellt. 
Vulkan  hat  den  Hammerschlag  gethan  und  scheint  sich  er- 
staunt oder  halb  erschrocken  über  die  wunderbare  Erschei- 
nung der  Pallas  unwillkürlich  ein  wenig  zu  entfernen.  Das 
jugendliche  Aussehen  des  Feuergottes  ist  zwar  ein  Zeichen 
späterer  Entstehungszeit,  allein  das  Werk  hat  immer  den  Werth 
einer  guten  römischen  Sculptur,  der  vielleicht  auch  ein  grie- 
chisches Original  zu  Grunde  liegt. 

Abg.  bei  Winckelmann  Vignette  zu  den  monum.  ined.  n.  14.  Gal. 
mythol.  36,  125.  Vgl.  Winck.  Gesch.  d.  K.  5,  3  §.  8.  Monum.  inedi 
3  n.  5.     Welcker  A.  D.  1,  89. 

753.  Antinous**,  Marmorstatue,  in  Hadrian's  tiburti- 
nischer  Villa,  wo  überhaupt  mehrere  Darstellungen  des  Anti- 
nous zum  Vorschein  gekommen  sind,  gefunden  und  im  capi- 
tolinischen  Museum,  vorher  in  Villa  Albani,  befindlich. 

Ergänzt  ist  der  grösste  Theil  beider  Arme,  und  der 
moderne  Gestus  der  linken  Hand  gehört  ganz  dem  Ergänzer, 


*  Im  Niobidensaal  n.  46  c.  d. 
**  Im  Treppenhaus    n.  26.     Ein  Duplikat   der   Figur    ebendaselbst 
unter  n.  27. 


460  Mythologische  Darstellungen.         . 

während  von  der  rechten  nur  die  beiden  ersten  Finger  neu 
sind,  so  dass  wenigstens  ein  Theil  des  Stabes  alt  ist.  Ausser- 
dem ist  das  linke  Bein  vom  Knie  abwärts  ergänzt. 

Die  Figur,  namentlich  der  Kopf,  erinnert  so  entschieden 
an  die  Darstellungen  des  Antinous,  dass  einzelne  Abweichungen 
von  dem  gewöhnlichen  Typus  desselben  eine  andere  Deutung 
nicht  begründen  können.  Auch  die  Neigung  des  Kopfes  ist 
den  Antinousbildem  eigen,  indem  man  dadurch  diesen  früh- 
gestorbenen Jüngling  wie  in  sehwermüthige  Träumereien  ver- 
sunken, gleichsam  sein  eigenes  Geschick  vorahnend,  vorstellen 
wollte.  Vielleicht  ist  sie  hier  ein  wenig  stärker  als  gewöhn- 
lich hervorgehoben,  woraus  man  aber  nicht  schliessen  darf, 
dass  Antinous  in  einer  bestimmten  Situation,  etwa  in  sein 
Wellengrab  blickend,  dargestellt  seL  Verschieden  sind  die 
Haare  von  den  sonstigen  Darstellungen,  nämlich  kürzer  und 
krauser,  und  dies  hat  wahrscheinlich  seinen  Grund  in  der  be- 
sonderen Form  der  Apotheose,  unter  welcher  der  bithynische 
Jüngling  hier  erscheint.  Denn  schon  die  Nacktheit  zeigt,  dass 
er  hier  in  idealer  Auffassung  dargestellt  ist,  wir  besitzen  über- 
haupt keine  einzige  Statue  des  Antinous,  die  von  historischem 
Charakter  wäre.  Am  häufigsten  wurde  er  als  Bacchus  vor- 
gestellt, ausserdem  aber  auch  als  Merkur  und  in  dieser  letz- 
teren Form  scheint  er  hier  gedacht  zu  sein.  Der  Stab,  den 
er  in  der  Rechten  trägt,  könnte  ein  Merkurstab  gewesen  sein 
und  seine  Haare  wären  den  kurzen  krausen  Locken  des  Mer- 
kur angeähnelt,  wie  sie  am  Antinous  als  Bacchus  in  der  den 
Bacchusköpfen  entsprechenden  Weise  gebildet  werden.  Viel- 
leicht hielt  auch  die  Linke  noch  ein  für  Merkur  charakteri- 
stisches Attribut. 

Die  grosse  Bewunderung,  die  man  früher  dieser  Statue 
zollte,  wird  jetzt,  da  man  die  lebensvolle  Frische  griechischer 
Marmorwerke  kennt,  nicht  mehr  getheilt.  Die  Haare  sind  in 
der  kleinlich  detaillirten  Weise  gearbeitet,  wie  man  sie  in 
hadrianischer  Zeit  öfter  bemerkt.  Auch  die  Augenbrauen 
plastisch  darzustellen,  war  damals  Sitte. 

Abg.  Mus.  Capitol.  lü,  56.  Levezow  Antinous  Taf.  3  u.  4.  p.  68. 
Vgl.  Welcker  Akad.  Mus.  n.  51.  Wieseler  Narkissos  p.  48  ff.  Archaeol. 
Anz.  1858  p.  138.  Die  neapolitanische  Figur  (mus.  borb.  VI,  58)  stimmt 
bis  auf  das  Haar  überein. 

754.    Todesweihe    des    Antinous*,    Marmorgruppe, 


*  Im  Römischen  Saal  n.  19. 


^> 


Mythologische  Darstellungen.  461 

früher  im  Besitz  der  Königin  von  Schweden ,  seit  mehr  als 
100  Jahren  auf  dem  Schloss  St,  Ildefonso  bei  Madrid.  Die 
Berichterstatter  stimmen  in  Betreff  der  Ergänzungen  nicht  mit 
einander  überein,  jedenfalls  sind  sie  nach  den  Angaben  der 
zuverlässigeren  unter  ihnen  nicht  sehr  erheblich,  die  bedeu- 
tendste aber  nicht  allgemein  zugegebene  ist  die  des  rechten 
Arms  an  der  Figur  zur  Linken. 

Für  die  Erklärung  kommt  Alles  darauf  an,  ob  man  die 
von  einigen  genauen  Beobachtern  in  dem  Kopf  der  Figur  zur 
Linken  bemerkte  Aehnlichkeit  mit  Antinous  anerkennt  oder 
nicht.  Uns  erscheint  sie  unverkennbar,  das  Profil  dieses 
Kopfes  ist  offenbar  kein  Idealprofil,  dessen  Charakteristisches 
ja  darin  besteht,  dass  Nase  und  Stirn  in  ununterbrochenem 
Zusammenhange  stehen,  sondern  die  Nase  (die  zwar  ergänzt  ist, 
aber  ursprünglich  keine  andere  Richtung  haben  konnte)  bildet 
mit  der  Stirn  einen  bestimmten  Winkel  und  zwar  denselben 
Winkel,  wie  an  den  Antinousköpfen  (vgl.  namentlich  die 
albanische  Relief büste  n.  758).  Ebenso  sind  der  Zug  der 
Augenbrauen,  die  von  den  Haaren  beschattete  Stirn  und  die 
Haare   selbst  genau  so,  wie  an  den  Porträten  des  Antinous. 

Der  Begleiter  des  Antinous  ist  nicht  so  sicher  zu  be- 
stimmen. Er  ist  bei  einem  Opfer  beschäftigt,  darum  auch 
wie  sein  Gefährte  bekränzt,  und  zündet  die  Flamme  des  Altars 
mit  der  Fackel  an,  wodurch  der  Beginn  des  Opfems  bezeichnet 
wird.  Dass  er  noch  eine  zweite  Fackel,  von  welcher  wenig- 
stens ein  Stück  alt  ist,  in  der  Linken  hat,  kann  auffallen, 
(loch  mag  es  einer  feierlicheren  Ceremonie  entsprochen  haben, 
wie  wir  auch  auf  der  Apotheose  Homers  (n.  735)  eine  beim 
Opfer  beschäftigte  Figur  mit  zwei  Fackeln  finden.  Wem  aber 
gilt  das  Opfer,  das  er  bringen  wird?  Offenbar  der  kleinen 
Göttin  neben  ihm,  die  wie  der  Altar,  als  Beiwerk  in  kleinen 
Proportionen  gehalten  oder  vielmehr,  da  diese  alterthümlichen 
Idole  wirklich  so  puppenhaft  aussahen,  so  niedrig  aufgestellt 
ist.  Diese  Göttin  wird  mit  Recht  Persephone  genannt  wegen 
des  Modius  auf  dem  Kopfe  und  des  Attributs  in  der  Hand, 
«las  ein  Granatapfel  zu  sein  scheint.  Der  Unterweltsgöttin 
also  bringt  der  Fackelträger,  in  dem  wir  nach  seinem  Aus- 
sehen jedenfalls  eine  dämonische  oder  allegorische  Gestalt  zu 
erkennen  haben,  ein  Opfer,  und  das  Opferthier  ist  Niemand 
anderes  als  Antinous,  der  in  der  Stellung  schmerzlicher  Hin- 
-gabe  sich  an  den  Anderen  lehnt.  Bedenken  wir  nun,  dass 
die  bestbeglaubigte  Tradition   über   das  Ende   des  Antinous 


462  Mythologische  Darstellungen. 

diese  ist,  dass  er  sich  freiwiUig  in  den  Tod  gegeben,  um  da- 
durch das  Leben  seines  Gönners  Hadrian  zu  verlängern,  so 
lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  die  Gruppe  diese  Thatsache 
treffend  ausdrückt:  Antinous  ergiebt  sich  dem  Dämon,  der  im 
Begriff  ist,  ihn  der  Unterweltsgöttin  zu  opfern.  Wenn  der 
rechte  Arm  des  Antinous  und  die  Schaale  in  seiner  Hand 
alt  sein  sollte,  was  Tvir  dahin  gestellt  sein  lassen,  so  würde 
die  Bedeutung  der  Gruppe  nur  wenig  modificirt,  Antinous 
wäre  dann  nicht  nur  rein  passiv,  sondern  nähme  selber  Theil 
an  dem  dargebrachten  Opfer. 

Die  Composition  der  Gruppe  ist  sehr  schön,  sie  beruht 
auf  einem  durchgeführten  Gegensatz  in  der  Stellung  der  Fi- 
guren, die  nach  entgegengesetzten  Seiten  ausgebogen  sich  da- 
durch zur  Einheit  zusammenschliessen,  und  in  ihren  Formen, 
die  an  dem  Einen  weich,  an  dem  Anderen  härter  und  magrer 
sind,  sowie  auch  jener  längere  und  weichere  Locken,  dieser 
kurzgeschnittene  Haare  trägt. 

Die  Gruppe  gehört  nach  ihrer  Darstellung  in  die  Zeit 
Hadrians,  sie  ist  a|)er  nicht  als  Originalschöpfung  zu  betrach- 
ten, wenigstens  ist  die  Gestalt  des  Antinous  offenbar  dem 
Sauroktonos  des  Praxiteles  (n.  445)  nachgebildet. 

Abg.  Winckelmann  monum.  ined.  n.  6.  Müller- Wieseler  II,  70, 879. 
Vgl.  die  Literatur  bei  Welcker  A..  D.  I,  375  f.  Wieseler  Narkissos  p. 
60  ff.  Hübner  Ant.  Bildw.  in  Madrid  p.  73  ff.  Ich  gestehe,  dass 
Welcker's  Erklärung  mir  ganz  unverständlich  ist,  denn  wer  würde  wohl 
bei  der  Figur  mit  der  Fackel  an  ein  „Anzünden  des  Scheiterhaufens  mit 
abgewandtem  Gesicht"  denken  können?  Die  Althäa  auf  den  Meleager- 
sarkophagen  würde  zeigen  können,  wie  eine  solche  Handlung  ausge- 
drückt sein  müsste.  Die  Aehnlichkeit  der  anderen  Figur  mit  Antinous 
ist  nach  Visconti  Op.  Var.  I,  160  senza  verun  equivoco,  ebenso  urtheilt 
V.  Fahrenheid  Arch.  Anz.  1861  p.  162. 

755.  Büste  des  Antinous*,  von  der  Colossalstatue, 
die  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  von  dem  Maler  Ga- 
vin  Hamilton  in  Palästrina  gefunden  wurde  und  sich  zuerst 
im  Palast  des  Herzogs  Braschi  dem  Pius  VI.  sie  geschenkt 
hatte,  darauf  in  dem  lateranischen  Museum  befand,  von  wo 
sie  seit  Kurzem  in  den  Vatikan  versetzt  ist. 

Die  Statue  wurde  ohne  Gewand  aufgefunden,  doch  da 
das  Nackte  an  den  jetzt  vom  Gewand  bedeckten  Stellen  nur 
angelegt  war,  auch  Spuren  von  Bronce  bemerkt  wurden,  so 
wurde  dier  Statue  ein  Gewand  umgelegt,  das  aber  richtiger  in 


*  In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Euppelsaal  n.  41. 


^. 


Mythologische  Darstellungeu.  463 

Bronce  als  in  Marmor  ausgeführt  wäre.  Auch  kann  man 
zweifeln ;  ob  nicht  statt  des  Gewandes  ursprünglich  eine 
Nebris  vorhanden  war.  Eine  starke  Vertiefung  auf  dem 
Scheitel  gab  femer  Veranlassung  zu  der  Ergänzung  des  Pi- 
nienzapfens und  in  die  Linke  wurde  der  Statue  ein  Thyrsus 
gegeben,  worauf  die  Erhebung  des  Arms  deutlich  hinwies. 

Antinous  ist,  wie  schon  aus  dem  Epheukranz  hervorgeht, 
als  Bacchus  dargestellt,  und  hat  darum  auch  die  lang  herab- 
hängenden Locken  des  Bacchus.  Der  Kopf  gehört  zu  den 
schönsten  Antinousköpfen,  und  mit  besonderer  Virtuosität  ist 
der  Kranz  gearbeitet,  ganz  abweichend  freilich  von  der  be- 
scheidneren Weise  der  griechischen  Kunstblüthe,  wo  man  die 
Blätter  des  Kranzes  glatt  und  flach  um  den  Kopf  legte. 

Auch  die  Verbindung  von  Marmor  und  Bronce  ist  in 
diesem  Umfang  der  griechischen  Zeit  fremd.  Dass  einzelne 
Attribute,  Waffen,  Kränze,  Pferdegeschirr,  in  Bronce  hinzu- 
gefügt wurden,  war  allerdings  üblich,  aber  ein  broncenes  Ge- 
wand über  einem  Körper  aus  Marmor  entspricht  erst  dem 
späteren  römischen  Geschmack,  der  auch  an  der  bunten  Zu- 
sammenfügung verschiedenfarbiger  Steinarten  seine  Freude  fand. 

Abg.   bei   Garrucci   Museo   lat.   tav.  5  p.  15   und  Levezow  Taf.  8 
p.  85.     Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  p.  729. 

756.  Kolossalbüste  des  Antinous*,  von  Marmor, 
gefunden  bei  Frascati,  zuerst  in  Villa  Mondragone  bei  Rom, 
dann  in  Palast  Borghese,  seit  1808  im  Louvre. 

Diese  berühmteste  Antinousbüste  ist  in  der  Fülle  der 
Formen  dem  Bacchus  verwandt.  Auch  war  der  Kopf  ur- 
sprünglich von  einem  Epheu-  oder  Weinkranz  umgeben,  denn 
es  haben  sich  an  dem  jetzt  blätterlosen  Stengel  Löcher  er- 
balten, welche  auf  Anfügung  broncener  Blätter  deuten.  Auch 
oben  auf  dem  Kopf  hat  sich  ein  Loch  gefunden  zur  An- 
fügung einer  ähnlichen  Verzierung,  wie  an  dem  eben  er- 
wähnten Antinous. 

Sehr  eigenthümlich  sind  die  Haare  angeordnet,  indem 
sie  wellenförmig  auf  die  Stirn  und  tiefer  über  den  Ohren 
herabhängen,  ein  Büschel  derselben  aber  jederseits  durch  das 
Band,  das  unter  dem  Kranz  liegt,  hindurchgesteckt  ist.  Grie- 
chische Monumente  z.  B.  der  Sauroktonos  (n.  445)  und  der  Dio- 
nysoskopf aus  Herkulanum  (n.  438)  sind  hierin  das  Vorbild 


*  In  den  Durchgängen  des  Römischen  Kuppelsaal  n.  23. 


464  Mythologische  Darstellungen. 

gewesen,  das  freilich  weit  einfacher  und  anspruchsloser  aus- 
sieht.  An  den  Seiten  hängen  kleinere  und  zwei  lange  Locken 
herab;  wie  sich  beides  an  Köpfen  des  Dionysos  findet.  In 
den  leeren  Höhlen  des  Augensterns  befanden  sich  ursprüng- 
lich wohl  Edelsteine,  der  übrige  Theil  des  Auges  war  mit 
einem  Metallblättchen  —  Silber  oder  Kupfer  —  belegt. 

Der  Kopf  ist  namentlich  von  Winckelmann  mit  den 
höchsten  Lobsprtichen  tiberhäuft  und  nimmt  gewiss  unter  den 
Darstellungen  des  Antinous  einen  hohen  Rang  ein.  Dass  wir 
uns  indess  in  der  Periode  der  Künstelei  befinden,  beweist  die 
Anordnung  des  Haars,  die  dem  tieferen  Eindruck  des  Kopfes 
nachtheilig  ist. 

Abg.  bei  Winckelmann  monum.  ined.  179.  Vgl.  Kunstgesch.  XII, 
1, 17.  Levezow  Antinous  Taf.  10  p.  89.  Vgl.  Zoega  bei  Welcker  Akad. 
Mus.  n.  143  Anm.  124 

757.  Kopf  des  Antinous-Bacchus*,  von  Marmor, 
1770  in  der  Nähe  von  Villa  Pamfili  gefunden  und  mit  der 
Townley'schen  Sammlung  ins  britische  Museum  gekommen. 

Der  Kopf  gehörte  zu  einer  Statue,  von  welcher  auch 
noch  einige  Stücke  entdeckt  wurden,  an  Schönheit  steht  er 
dem  vorher  erwähnten  nach. 

Abg.  Marbles  of  the  brit.  mus.  XI,  25.  Ellis  the  Townley  galery 
II,  p.  41.     Levezow  Antinous  Tafel  9. 

758.  Büste  des  Antinous**,  Marmorrelief,  in  der 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Hadrians  tibuilinischer 
Villa  gefunden  und  in  Villa  Albani  befindlich. 

Es  ist  im  Original  noch  etwas  mehr  erhalten,  als  der 
Gyps  wiedergiebt,  doch  sieht  man  auch  hier  an  dem  Rest  der 
Gewandung,  dass  Antinous  nicht  als  Bacchus,  dem  dieser 
Gewandwurf  nicht  eigen,  dargestellt  ist.  Auch  würde  er  in 
diesem  Fall  einen  anderen  Kranz  tragen.  Vermuthlich  ist  er 
hier  überhaupt  nicht  in  dem  Typus  einer  Gottheit  dargestellt. 

In  der  linken  Hand  hat  er  wahrscheinlich  einen  Kranz 
getragen,  wie  auch  in  dem  (hier  nicht  vorhandenen)  ergänzten 
Stück  des  Reliefs  vorausgesetzt  ist,  denn  es  ist  wenigstens 
ein  Stück  eines  Bandes  erhalten,  an  welchem  die  Blumen  und 
Blätter  des  Kranzes  befestigt  wurden.    Was  aber  die  Hand 


*  Im  Niobidensaal  n.  77. 
**  In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  n.  19. 


Mythologische  Darstellungen.  465 

mit  dem  Attribut  ausdrücke  ist  um  so  schwerer  zu  sagen^  als 
dies  Relief  nur  der  Rest  einer  grösseren  Vorstellung  zu  sein 
scheint. 

Jedenfalls  ist  der  eigen thümliche  Charakter  dieses  Lieb- 
lings des  Hadrians  sehr  gut  ausgedrückt.  Die  breite  Brust, 
der  melancholische  Ausdruck  des  Gesichts,  verstärkt  durch 
die  in  die  Stirn  herabhängenden  Haare,  sind  stets  wieder- 
kehrende Züge  desselben. 

Abg.  Whickelmann  mon.  ined.  tav.  180.  Levezow  Antinous  Taf.  5 
p.  62  ff.  und  mit  Angabe  der  Ergänzungen  bei  Zoega  bassiril.  II,  116, 
wo  im  Text  die  Annahme  Winckelmanns  Kunstgesch.  XII,  1  §.  16,  das» 
Antinous  als  Wagenlenker,  nänqlich  zum  Olymp  aufsteigend,  dargestellt 
sei,  gebilligt  wird,  eine  Annahme,  die  mit  der  Stellung  der  Figur  nicht 
vereinbar  unA  auch  von  Levezow  mit  Recht  bestritten  ist. 

759.  Büste  des  Serapis*,  von  Marmor,  nicht  weit 
von  Rom  an  der  Via  Appia  nahe  dem  alten  Bovillae  gefunden 
und  im  Vatikan  befindlich. 

Der  alexandrinische  Gott  Serapis  ist  nicht  eine  reine, 
einfache  Götteridee,  sondern  eine  Mischung  mehrerer.  Der 
Zeustypus  liegt  seinem  Kopf  zu  Grunde,  aber  gemischt  mit 
eigenthtimlicher  Milde  und  fast  Schwermuth,  ohne  die  Kraft 
des  Zeus.  Ganz  verschieden  aber  sind  die  Haare,  die  statt 
über  der  Stirn  aufzusteigen,  sie  vielmehr  wie  ein  Schleier  be- 
decken und  den  Eindruck  des  Ernsten  und  Geheimnissvollen 
hervorrufen.  Dies  ist  ein  vom  griechischen  Unterweltsgott 
entlehnter  Zug,  von  welchem  er  auch  den  Modius,  das  den 
Erdgöttern  eigenthümliche  Fruchtmaass,  entlehnt  hat.  Man 
sieht  nur  noch  den  unteren  Theil  desselben.  Dem  Unterwelts- 
gott entspricht  er  auch  hinsichtlich  der  Bekleidung  des  Ober- 
körpers, den  Zeus  nackt  trägt.  In  dem  Bande,  welches  den 
Kopf  umgiebt,  sind  die  Spuren  von  sieben  eingelassenen 
Sonnenstrahlen  von  vergoldetem  Metall  zurückgeblieben,  da 
Serapis  auch  den  Begriff  des  Helios  in  sich  schloss  und  mit 
diesem  Namen  oft  bezeichnet  wurde. 

Wegen  der  kleinlich  detaillirten  Arbeit  des  Haares  ist 
der  Kopf  schwerlich  vor  der  Zeit  Hadrians  entstanden.  Auch 
hätte  man  die  in  die  Stirn  herabhängenden  Haare  früher  wohl 
nicht  unterhöhlt,  sondern  einfach  und  natürlich  an  der  Stirn 
anliegend  gebildet. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  VI,  15.     Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Mu- 
seen p.  421.     Preller  Rom.  Mythol.  p.  726. 

*  Im  Saal  des  Barberinischeu  Fauns  n.  18. 
Friederichs,  griech.  Plastik«  30 


466  Mythologische  Darstellungen. 

760.  Satyr*,  von  rothem  Marmor  (rosso  antico);  im 
capitolinischen  Museum,  gefunden  in  Hadrian's  tiburtinischer 
Villa.  Ergänzt  sind  beide  Beine  mit  Ausnahme  der  Füsse^ 
der  Stamm,  der  rechte  Arm,  die  linke  Hand  mit  dem  Stab 
und  der  herabhängende  Theil  des  Ziegenfells.  Die  Augen- 
höhlen sind  am  Original  leer,  sie  waren  mit  durchsichtigem 
Stein  oder  Glas  ausgefüllt. 

Der  Eindruck  der  Figur  ist  nicht  sehr  erfreulich.  Zu- 
nächst ist  eine  gewisse  Ueberladung  mit  Attributen  störend; 
der  Traubenkorb,  dessen  Inhalt  uns  durch  die  Bewegung  der 
Ziege  verrathen  wird,  die  Ziege  und  der  Stamm  beeinträchtigen 
die  Wirkung  der  Hauptfigur.  Sodann  wäre  es  hübscher,  wenn 
der  Satyr,  statt  ruhig  zu  stehen,  etwas  lebendiger  und  glück- 
licher wäre  über  seine  schöne  Traube,  so  wie  wir  es  an  einem 
ganz  ähnlichen,  nur  durch  die  lebhafte  Bewegung  unterschie- 
denen Satyrtypus  sehen.  Wir  bezweifeln  daher,  ob  die  Figur 
auf  ein  griechisches  Original  zurückgeht. 

Dieses  Exemplar  ist  sicher  römisch  und  zwar  erst  aus 
der  Zeit  Hadrians.  Denn  einmal  ist  mit  Recht  bemerkt 
worden,  dass  der  rothe  Marmor  wohl  erst  zur  Zeit  Hadrians, 
als  überhaupt  die  Neigung  zu  buntfarbiger  Sculptur  und  der 
Prunk  mit  kostbaren  und  seltenen  Steinarten  begann,  in  Auf- 
nahme gekommen  sei.  Wir  kennen  wenigstens  kein  aus  diesem 
Material  gearbeitetes  W^erk,  das  sich  mit  Sicherheit  einer 
früheren  Zeit  zuschreiben  liesse,  gerade  aus  Hadrian's  Villa 
ist  aber  eine  grosse  Anzahl  solcher  Werke  hervorgezogen. 
Ausserdem  aber  deutet  die  kleinlich  detaillirte  und  mühsame 
Ausarbeitung  des  Haares  auf  die  Periode  des  Hadrian,  die 
Figur  gehört  der  Kunstrichtung  an,  die  in  noch  extremerer 
Weise  durch  die  berühmten  capitolinischen  Centauren  ver- 
treten wird. 

Abg.  mus.  Capitol.  III,  34.  Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen 
p.  189.  Visconti  Pio-Clem.  I,  84.85.  Meyer  z.  Winckelmann's  Kunstgesch. 
VII,  1  §.  29. 

761.  Dädalus  und  Ikarus**,  Relief  aus  rosso  antico 
in  Villa  Albani.  Ergänzt  sind  die  Hälfte  des  Flügels  an  dem 
Dädalus  arbeitet,  die  rechte  Hand  und  der  Kopf  des  Ikarus 
und  die  Spitze  des  zweiten  Flügels. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  1. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  42. 


k 


Mytliülogische  Darstellungen.  467 

Das  Relief  ist,  wie  sich  aus  der  Vergleichung  eines  eben- 
falls in  Villa  Albani  befindlichen  Reliefs  und  auch  aus  der 
Composition  selbst  ergiebt,  nicht  ganz  richtig  ergänzt.  Der 
in  der  Ergänzung  leere  Raum  über  ftarus  war  ursprünglich 
ausgefüllt  mit  den  bereits  an  den  Schulterbändern  befestigten 
Flügeln  des  Ikarus,  so  dass  der  auf  der  Erde  stehende  Flügel 
und  der  andere,  an  welchem  noch  gearbeitet  wird,  die  für 
Dädalus  bestimmten  sind.  Das  Relief  stammt  vielleicht  von 
einem  griechischen  Vorbild  ab,  diese  Copie  ist  indessen  nicht 
bedeutend  und  schon  das  3Iaterial  deutet  wie  eben  (zu  n.  760) 
bemerkt  wurde,  auf  spätere  römische  Zeit. 

Abg.  Zoega  bassiril.  I,  44.     Vgl.   das   andere  Relief  bei  Winckel- 
mann  momim.  ined.  95  und  E.  Braun  Zwölf  Basreliefs  T.  12. 

762.  Dionysos  und  die  Rebe*,  Marmorgruppe,  1772 
in  der  Nähe  von  La  Storta,  einer  etwa  acht  Miglien  nördlich 
von  Rom  auf  der  Strasse  nach  Florenz  gelegenen  Station  ge- 
funden, für  die  Townley'sche  Sammlung  angekauft  und  mit 
dieser  ins  britische  Museum  tibergegangen.  Ergänzt  ist  der 
rechte  Arm  des  Dionysos,  und  es  ist  nicht  gewiss,  ob  die 
Hand  den  Becher  gehalten  habe. 

Die  eigenthtiraliche  Figur,  auf  welche  der  Gott  sich  lehnt, 
ist  die  personifizirte  Rebe.  Irrthümlich  hat  man  gemeint,  es 
sei  hier  die  Verwandlung  des  Ampelos,  eines  schönen,  von 
Dionysos  geliebten  Jünglings,  in  eine  Rebe  dargestellt,  wobei 
doch  wohl  der  Jüngling  nicht  so  ruhig  bleiben  könnte.  Auch 
ist  die  Figur  nicht  männlich,  sondern  weiblich.  Vielmehr  ist 
eine  Personification  des  Weinstocks  beabsichtigt,  die  wie  das 
sprachliche  Geschlecht  des  entsprechenden  griechischen  Aus- 
drucks weiblich  sein  musste,  weil  die  griechische  Anschauung 
die  Bäume  mit  weiblichen  Dämonen  beseelt.  Die  Figur  ist 
gewissermaassen  nur  eine  lebendig  gewordene  Stütze. 

Für  Dionysos  ist  allerdings  die  angelehnte  Stellung  mit 
weich  ausgebogener  Hüfte  charakteristisch,  doch  hat  sie  hier 
etwas  besonders  Weichliches.  Ueberhaupt  ist  die  Gruppe 
nicht  sehr  erfreulich.  Die  Vermischung  des  Menschlichen  und 
Vegetabilischen,  wenn  auch  nicht  ohne  Geschick  gemacht,  hat 
doch  nur  den  Reiz  einer  Spielerei,  aus  griechischer  Kunst  ist 
auch  nichts  Aehnliches  anzuführen. 


*   Im  Kömihtheii  Saal  n.  16. 

30' 


468  Mythologische  Darstellungen.       P? 

Abg.  marbles  of  the  brit.  mus.  III,  11.  Müller- Wieseler  II,  32, 
371.     Vgl.  0.  Jahn  Die  Lauersforter  Phalerä,  Bonn  1860  p.  12  Anm.  47. 

763.  Perseus  und  Andromeda*,  Marmorgruppe;  im 
Jahr  1760  zu  Rom  in  der  Nähe  der  Kirche  di  Santa  Croce 
im  sogenannten  Amphitheatrum  castrense  gefunden  und  in  die 
Gräfl.  Wallmoden'sche  Sammlung  übergegangen,  jetzt  im  Ca- 
sino  des  Kgl.  Georgengartens  bei  Hannover.  Ergänzt  sind 
von  dem  Bildhauer  Cavaceppi  der  linke  Arm  der  Andromeda 
und  der  Kopf  des  Perseus. 

Das  Meerungeheuer ;  dem  Andromeda  geopfert  werden 
sollte,  liegt  todt  hingestreckt  auf  der  Basis  und  das  Mädchen 
ist  im  Begriff,  von  Perseus  unterstützt  von  dem  Felsen  her- 
abzusteigen, auf  dem  sie  ausgesetzt  war. 

Vergleichen  wir  diese  Gruppe  mit  dem  oben  (n.  678)  er- 
wähnten Andromedarelief,  so  finden  wir  die  Andromeda  we- 
sentlich verschieden  aufgefasst,  während  das  Motiv  des  Per- 
seus in  beiden  Werken  ziemlich  übereinstimmt.  Die  Andro- 
meda des  Reliefs  ist  ganz  Freude  und  Glück  über  die  unver- 
hoffte Errettung,  die  der  Gruppe  dagegen  wird  von  dem  Ge- 
fühl jungfräulicher  Schüchternheit  und  Zurückhaltung  dem 
Perseus  gegenüber  beherrscht,  wie  in  ihrer  Haltung  treffend 
ausgedrückt  ist  Wir  finden  das  Motiv  des  Reliefs  ungleich 
natürlicher  und  schöner,  aber  auch  diese  Composition  muss 
im  Alterthum  beliebt  gewesen  sein,  da  sie  auf  pompejanischen 
Wandgemälden  mehrfach  wiederholt  ist.  Die  Gruppe  ist  üb- 
rigens nur  eine  Copie  von  massigem  Verdienst  und  besonders 
die  Gestalt  des  Perseus  ist  wenig  anziehend.  Er  steht  plump 
und  starr  da  und  ah  seinem  Körper  ist  alles  Detail  bis  auf  die 
Adern  mit  unangenehmer  Härte  ausgedrückt.  Ob  ein  grie- 
chisches Original  copirt  ist,  wagen  wir  nicht  zu  bestimmen, 
jedenfalls  gehört  das  Original,  wie  die  Nachahmungen  auf 
pompejanischen  Büdem  beweisen,  immer  noch  guter  Zeit  an. 

Abg.  bei  K.  F.  Hermann:  Perseus  und  Andromeda,  Programm  des 
archaeologisch-numismatischen  Instituts  in  Göttingen  zum  Winckelmanns- 
tage  1861.  Vgl.  Fedde  de  Perseo  et  Andromeda,  Berolini  1860  p.  69. 
76..  Hermann  stellt  die  Vermuthung  auf,  dass  das  nicht  näher  bekannte 
Bild  des  Nicias  das  Original  der  Gruppe  sei,  er  scheidet  aber  nicht  zwi- 
schen dieser  i^id  der  so  ganz  verschiedenen  besonders  durch  das  capi- 
tolinische  Relief  repräsentirten  Darstellung,  auch  fehlt  ein  näheres  Ein- 
gehen auf  die  Gruppe. 


Im  Römischen  Saal  n.  108. 


Mythologische  Darstellungen.  469 

764.  Amor  mit  Delphin*,  Marmorgruppe;  mit  der 
Famesischen  Sammlung  nach  !Keapel  gekommen.  Ergänzt 
(von  Solari)  sind  der  (hübsche)  Kopf  des  Amor,  seine  Füsse 
und  die  Finger  der  linken  Hand,  vom  Delphin  der  Schwanz. 

Dies  Werk  hat  unverdienten  Tadel  gefunden,  weil  man 
seine  ursprüngliche  Bestimmung  verkannte.  Es  war  für  ein 
Bassin  bestimmt,  man  denke  sich  die  Gruppe  mitten  im  Was- 
ser stehend  und  der  Eindruck  des  Seltsamen  wird  schwinden. 
Wie  man  die  Rasenfläche  im  Garten  —  in  Pompeji  ist  es 
noch  zu  sehen  —  mit  kleinen  der  Ijokalität  entsprechenden 
Figuren  belebte,  ebenso  die  Fläche  eines  Bassins.  Amor  ver- 
gnügt sich  mit  einem  Delphin,  der  den  kleinen  Liebesgott 
fest  umschlungen  hat  und  nun,  ganz  wie  Delphine  zu  thun 
pflegen,  kopfüber  mit  ihm  ins  Wasser  schiessst. 

Abg.  Clarac  pl.  646.  Vgl.  Gerhard  und  Panofka,  Neapels  Antiken 
n.  428.  Die  im  Text  gegebene  Auffassung  möchte  ich  rechtfertig(Mi 
durch  die  Hinweisuug  auf  ein  paar  allerdings  moderne  Arrangements. 
Im  Casino  des  vatikanischen  Gartens  ist  ein  Bassin  und  darin  zwei  Del- 
phine, gleichfalls  mit  dem  Schwanz  nach  oben  gerichtet,  auf  jedem  rei- 
tet ein  Amor.  Und  in  einem  Ort  zwischen  Neapel  und  Pompeji,  dessen 
Name  mir  entfallen,  ist  eine  Copie  unserer  Gruppe  in  eben  derselben 
Weise  aufgestellt,  wie  ich  sie  im  Text  vorgeschlagen.  Burckhardt,  der 
Cicerone  p.  536  Anm.  nennt  die  Gruppe  eins  der  wenigen  absurda  der 
antiken  Kunst. 

765.  766.  Nereiden  auf  Seepferden**,  Marmorgrup- 
pen, von  denen  die  eine,  deren  Brust  mit  einer  Kette  verziert 
ist,  sich  im  Vatikan  befindet,  über  das  Original  der  andern 
vermögen  wir  keine  nähere  Auskunft  zu  geben.  Ergänzt  sind 
an  dem  Thier  der  ersten  die  beiden  Vorderbeine,  an  der  Ne- 
reide der  grösste  Theil  des  rechten  Arms,  und  der  Kopf  soll 
nicht  zugehörig  sein. 

Diese  Figuren  sind  wahrscheinlich  zur  Belebung  eines 
Wasserbassins  benutzt  worden,  sie  sind  übrigens  in  der  Er- 
findung und  Ausführung  leblos  und  unbedeutend. 

Die  erste  ist  abg.  Clarac  musee  de  sciüpt.  pl.  747,  1805. 

767.  Torso  einer  Nymphe***,  von  Marmor,  wahrschein- 
lich in  Athen  befindlich. 

Die  Figur   hielt  mit  beiden  Händen  eine  noch  erkenn- 

*  Im  Römischen  Saal  n.  7. 
**  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  17.  18. 
***  Im  Griechiö<rhen  Saal  n.  45. 


470  Mythologische  Darstellungen. 

bare  Muschel,  das  Attribut  der  wasserspendenden  Najaden. 
Sie  ist  die  Wiederholung  eines  in  Relief  und  Rundwerk  un- 
gemein häufigen  Typus,  der  auch  oft  zu  Brunnenstatuen  be- 
nutzt wurde,  wie  man  an  manchen  Exemplaren  aus  der  Durch- 
bohrung der  Muschel  abnehmen  kann.  Der  Typus  ist  übri- 
gens nicht  sehr  früh,  denn  die  Najaden  wurden  in  älterer 
Zeit,  wie  viele  ihnen  geweihte  Votivreliefs  zeigen,  ganz  be- 
kleidet dargestellt,  während  wir  in  römischen  Votivreliefs  die- 
selbe Tracht  finden,  wie  an  dieser  Statue.  Der  Kunstwerth 
dieses  Exemplars  ist  massig. 

Vgl.  Visconti  Pio-CIem.  I  zu  tav.  35. 

768.  Jugendlicher  Satyr*,  Marmorstatue  in  Villa 
Albani.  Ergänzt  sind  beide  Beine  des  Satyrs  und  die  Oeff- 
nung  des  Schlauches. 

Der  kloine  Satyr  ist  offenbar,  wie  sein  Gang  und  der 
Ausdruck  seines  Gesichts  anzeigen,  betrunken  und  eben  die 
Betrunkenheit  war  nothwendig  um  das  Auslaufen  des  Schlauchs 
zu  motiviren. 

Gewiss  war  die  Figur  zum  Schmuck  eines  Bassins  be- 
stimmt und  zwar  so,  dass  das  Wasser  aus  dem  durchbohrten 
Schlauch  herausfloss.  Bei  der  jetzigen  Aufstellung  des  Origi- 
nals ist  es  leider  nicht  möglich,  darüber  zur  Gewissheit  zu 
kommen,  aber  es  haben  sich  zahlreiche  ähnliche  Figuren  er- 
halten, die  sicher  für  solchen  Zweck  verwendet  wurden  und 
für  unser  Exemplar  auf  eine  gleiche  Verwendung  schliessen 
lassen. 

Abg.  Clarac  pl.  704  C.      Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  Roms 
pag.  640. 

769.  Minerva**,  Marmorstatue  des  Vatikans,  in  der 
sogenannten  Villa  des  Cassius  bei  Tivoli,  einer  reichen  durch 
Pius  VI.  ausgebeuteten  Fundgrube  antiker  Denkmäler,  ent- 
deckt und  zwar  zusammen  in  einem  Saal  mit  sieben  Musen- 
statuen und  einem  kitharspielenden  Apollo,  woraus  zu  schlies- 
sen ist,  dass  hier  Minerva  als  eine  den  Musen  verwandte 
Göttin  aufgestellt  war,  wie  oft  auf  römischen  Sarkophagen 
diese  beiden  Gottheiten  mit  den  Musen  vereinigt  sind.  Er- 
gänzt sind  der  Helmbusch,  die  Nasenspitze  und  beide  Arme. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  18. 
*♦  Ebendas.  n.  25. 


Mythologische  Darstellungen.  471 

Der  rechte,  der  den  Speer  hält,  ist  gewiss  richtig  ergänzt, 
schwerlich  aber  der  linke.  Er  springt  unangenehm  vor,  und 
für  eine  ruhig  stehende  Figur  ist  eine  solche  Haltung  des 
Schildes  nicht  natürlich.  An  einer  Wiederholung  dieser  Fi- 
gur, die  sich  gleichfalls  im  Vatikan  befindet,  ist  der  linke 
Arm  gewiss  richtiger  ruhig  herabhängend  restaurirt. 

Nicht  allein  die  Ausführung,  sondern  auch  die  Erfindung 
dieser  Figur  ist  unbedeutend.  Es  ist  ein  römisches  Werk, 
wie  aus  der  Gewandung,  besonders  aus  der  schweren  Falten- 
masse zwischen  den  Beinen  hervorgeht.  Dass  das  Obergewand, 
an  welchem  man  auch  über  dem  Schooss  einen  ganz  unnatür- 
lichen Faltenwurf  bemerkt,  unter  den  Gürtel*  gesteckt  ist,  ist 
ein  nai8entlich  für  Minerva  unpassendes,  gesuchtes  Motiv. 
Auffallend  sind  auch  die  ungleichen  Hälften  der  Aegis.  Yon 
dem  Charakter  der  griechischen  Pallas  ist  wenig  zurückge- 
blieben. 

Die  Statue  steht  im  gabinetto  delle  maschere  n.  438,  die  zweite  in 
der  sala  rotonda  n.  533.  Abg.  bei  Visconti  Pio-Clem.  I,  tav.  8,  welcher 
p.  47  ff.  die  Auffindung  beschreibt. 

770.  Sogenannte  Urania*,  Marmorstatue  im  Louvre, 
früher  in  Versailles.  Ergänzt  sind  (von  Girardon)  der  Kopf 
mit  dem  Stemenkranz,  der  linke  Arm,  die  rechte  Hand  mit 
der  Rolle.  Die  Restauration  ist  ganz  willkürlich  und  der 
Sternenkranz  unantik. 

Die  Hebung  des  Gewandes  durch  die  linke  Hand  hat 
Veranlassung  gegeben,  die  Figur  für  eine  Spes  zu  erklären, 
die  aber  doch  gewöhnlich  in  andrer,  dem  altgriechischen  Stil 
nachgeahmter  Gewandung  dargestellt  wird.  Wir  wissen  keine 
bestimmte  Deutung  vorzuschlagen,  der  Stil  ist  römisch,  was 
schon  aus  der  Häufung  der  Falten  hervorgeht. 

Abg.  Clarac  musee  de  sculpt.  pl.  339.  Vgl.  descript.  du  Louvre 
n.  321.     Visconti  Op.  var.  IV,  p.  513. 

771.  Bacchus**,  Marmorstatue,  mit  der  Chigi'schen 
Sammlung  nach  Dresden  gekommen.  Ergänzt  sind  die  Maske, 
beide  Arme  und  Beine. 

Wir  wissen  die  richtige  Ergänzung  nicht  anzugeben,  die 
Statue  ist  übrigens  unbedeutend***. 

Abg.  Becker  Augusteum  t.  74. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  1. 
**  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  10. 


Vgl.  n.  14  im  Römischen  Saal,  welche  Statue  wir  für  ein  Dupli- 


472  Mythologische  Darstellungen. 

772.  Torso  der  Diana*,  von  Marmor,  im  Vatikan 
befindlich. 

Es  ist  uns  nicht  gelungen,  diesen  Typus  der  Diana  ir- 
gendwo vollständig  erhalten  aufzufinden,  so  dass  wir  die  rich- 
tige Restauration  desselben  nicht  anzugeben  vermögen.  Be- 
deutend ist  er  übrigens  nicht  und  schon  die  Entblössung  der 
rechten  Brust  ist  ein  Zeichen,  dass  er  erst  späterer  Zeit  an- 
gehört. Der  linke  Arm  war,  wie  es  scheint,  aufgestützt,  an 
dem  rechten  Oberschenkel  ist  eine  Stütze,  vermuthlich  zum 
Halt  des  rechten  Arms,  bemerkbar,  auf  dem  Rücken  sieht 
man  dqitliche  Spuren  dass  ein  Köcher  da  war. 

Im  museo  Chiaramonti  des  Vatikan  n.  652  nach  der  indicazione  an- 
tiquaria  vom  Jahr  1856.  In  der  Beschreibung  Roms  II,  2,  €1  n.  650 
heisst  es,  die  Figur  sei  eher  eine  Amazone  als  eine  Diana,  was  schon 
deswegen  unrichtig  ist,  weil  sie  den  Köcher  auf  dem  Rücken,  nicht  an 
der  Seite  ti*ägt. 

773.  Meduse**,  colossale  Marmormaske  im  Museum  zu 
Cöln.  Die  Spitzen  der  Locken  fehlten  und  sind  wunderlicher 
Weise  wie  die  Zipfel  eines  Bandes  ergänzt. 

Die.  Maske  entspricht  im  Allgemeinen  der  Rondaninischen 
Meduse  (n.  672),  steht  ihr  aber  an  Schönheit  weit  nach. 

774.  Eumusia***,  Marmorstatue,  mit  der  Townley'schen 
Sammlung  ins  britische  Museum  übergegangen.  Der  Kopf^ 
der  grösste  Theil  der  Arme  und  die  Leier  sind  neu. 

Die  Ergänzung  der  Leier  ist  nach  der  Bedeutung  der 
Statue  und  nach  ähnlichen  Musenstatuen  wahrscheinlich.  Die 
Inschrift,  Eumusia,  bezeichnet  die  Figur  nämlich  als  Per- 
sonification  feiner  musischer  Bildung.  Aus  späterer  römi- 
scher Zeit. 

Abg.  marbles  of  the  brit.  mus.  X,  41  n.  2.  Müller- Wieseler  II,  58, 
744.     Vgl.  Vaux  handbook  to  the  brit.  mus.  p.  221. 

775.  Hekate*,  Statuette  von  Bronce,  früher  in  Palast 
Ghigi,  jetzt  im  capitolinischen  Museum. 


kat  halten  würden,  wenn  nicht  hier  an  das  Rehfell  ein  uns  unverständ- 
licher Schurz,  welcher  die  Geschlechtstheile  verdeckt,  angeknüpft  wäre. 
Wir  wissen  über  diese  Statue  nichts  Näheres  anzugeben,  die  Ergänzun- 
gen scheinen  dieselben  wie  an  der  andern  zu  sein. 
*  Im  Niobidensaal  n.  33. 
•♦  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  n.  20. 
•*♦  Im  Niobidensaal  n.  72. 
♦♦♦♦  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  141. 


Mythologische  Darstellungen.  473 

Die  Figur  repräsentirt  nicht  eine  reine,  einfache  Götter- 
idee, sondern  beruht  auf  der  Vermischung  mehrerer,  zum 
Theil  fremdländischer  Vorstellungen,  wie  es  dem  Geist  des 
untergehenden  Heidenthums  in  den  ersten  christlichen  Jahr- 
hunderten entsprach.  Hekate  scheint  als  eine  das  ganze  All 
durchdringende  Göttin  aufgefasst  zu  sein.  Die  eine  der  drei 
Gestalten,  die  eine  mit  Strahlen  besetzte  phrygische  Mütze 
trägt,  scheint  die  Sonne  zu  repräsentiren,  denn  die  Strahlen 
können  nur  vom  Helios  entlehnt  sein  und  die  phrygische 
Mütze  wird  wohl  mit  Recht  vom  Mithras  abgeleitet.  Zu  er- 
klären bleiben  noch  ihre  Attribute,  der  Schlangenschwanz  und 
das  Messer  (von  dem  allein  der  Griff  erhalten).  Die  zweite, 
Fackeln  haltende  und  mit  der  Mondsichel  geschmückte  Figur 
,  stellt  den  Mond  dar,  die  Lotosblume  die  sie  über  der  Sichel 
trägt,  wird  von  Isis,  die  mit  Selene  identificirt  wurde,  herge- 
leitet. Die  dritte  Figur  hält  Schlüssel  und  Strick,  beide,  wie 
es  scheint,  denselben  Gedanken  ausdrückend,  da  der  Strick 
oft  den  Schlüssel  ersetzte,  es  sind  wahrscheinlich  die  Attribute 
der  Hekate  als  Pförtnerin  des  Hades. 

Die  Figur  hat  mehr  mythologisches  oder  religionsge- 
schichtliches als  kunsthistorisches  Interesse. 

Abg.  Müller  Denkm.  II,  71,  891.  Vgl.  Welcker  Gr.  üötterl.  U, 
406  ff.  Stephan!  Nimbus  und  Strahlenkranz  p.  59  ff.  E.  Braun  Ruinen 
u.  Museen  p.  138  ö'. 

776.  Tiresias  undOdysseus*,  Marmorrelief  im  Louvre, 
früher  in  Villa  Albani.  Ergänzt  sind  am  Odysseus  der  Kopf, 
der  rechte  Vorderarm  mit  dem  Schwert  und  das  rechte  Un- 
terbein. 

Der  den  Odysseus  charakterisirende  Schifferhut  ist  zwar 
ergänzt,  aber  die  Scene  konnte  nicht  zweifelhaft  sein,  denn 
Tiresias  ist  deutlich  durch  die  geschlossenen  Augen,  durch 
die  den  Schatten  eigenthümliche  Verschleierung  und  durch 
das  Scepter  charakterisirt.  Auch  die  Situation  ist  unverkenn- 
bar. Zwischen  den  beiden  Figuren  ist  eine  Vertiefung,  welche 
die  Grube  andeutet,  aus  welcher  die  herankommenden  Schatten 
Blut  tranken,  und  Odysseus  steht  noch  da  mit  dem  zur  Schlach- 
tung der  Opferthiere  gezogenen  Schwert  (das  durch  die  in 
der  Linken  erhaltene  Scheide  nothwendig  gefordert  war).    Er 


*  Im  Niübidensaal  n.  47 


474  Mythologische  Darstellungen. 

horcht  den  Worten  des  Sehers  und  eme  gewisse  Muthlosig- 
keit  ist  in  der  Haltung  des  Körpers  zu  erkennen. 

Das  Relief  ist  römischen  Ursprungs,  was  wohl  schon 
aus  der  Verschleierung  des  Tiresias  hervorgeht,  denn  die  ver- 
schleierten Schatten  kennen  wir  nur  aus  römischen  Monumen- 
ten. Ob  ein  griechisches  Original  copirt  ist,  wissen  wir  nicht, 
die  Ausführung  des  Reliefs  ist  massig. 

Vgl.  (lescript.  du  Louvre  n.  298.  Abg.  Winckelmann  monum.  ined. 
n.  157.  Clarac  pl.  223  Die  andern  Citate  bei  0 verbeck  Gall.  her.  Bild, 
p.  789  n.  62. 

777.  Juno  und  Thetis(?)*,  Marraorrelief  im  Vatikan. 
Ergänzt  sind  Kopf  und  rechter  Arm  der  Juno,  Kopf  und  lin- 
ker Arm  der  Thetis. 

Die  Ergänzung  und  in  Folge  dessen  die  Erklärung  die- 
ses Reliefs  ist  nichts  weniger  als  sicher.  Man  nimmt  nämlich 
an,  dass  Juno  der  bräutlich  verschleierten  Thetis  —  von  dem 
Schleier  ist  ein  Stück  alt  — ,  die  offenbar  den  Eindruck  einer 
Trauernden  macht,  init  freundlicher  Geberde  zurede,  sich  in 
ihre  von  den  Göttern  beschlossene  Vermählung  mit  dem  sterb- 
lichen Manne,  Peleus,  zu  finden. 

Das  Relief  ist  mit  geringer  Sorgfalt  ausgeführt  und  ge- 
hört römischer  Zeit  an. 

Abg.  Museo  Chiaram.  I,  8.     Vgl.  Bschreibg.  v.  Rom  II,  2,  80. 

778.  Mediceische  Marmorvase**,  in  Florenz  befind- 
lich. Vielfach  ergänzt,  namehtlich  ist  an  der  verhüllten  Figur 
der  hinteren  Seite  der  Oberkörper  neu  und  an  ihrem  Nach- 
bar zur  Linken  ist  überhaupt  nur  wenig  alt. 

Grosse  Vasen  von  Marmor  zum  Schmuck  von  glänzenden 
Anlagen  aufzustellen,  war  in  der  prachtliebenden  römischen 
Kaiserzeit  sehr  gewöhnlich.  Manchmal  mochten  sie  zugleich 
praktische  Zwecke  erfüllen,  wie  die  grossen  mehr  beckenför- 
mig  gestalteten  Schaalen,  die  einer  Fontaine  als  Becken  dien- 
ten, aber  die,  wie  die  unsrige,  in  Form  von  grossen  Misch- 
krügen gebildeten  können  nur  omamentale  Bedeutung  gehabt 
haben. 

Das  Relief  der  Vase  ist  früher  auf  den  Mythus  der  Iphi- 
genie  erklärt  und  wir  glauben  dass  diese  Deutung  noch  im- 


•  Im  Niobidensaal  n.  49. 
**Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  7. 


Mythologische  Darstellungen.  475 

mer  sehr  wahrscheinlich  ist,  wenn  wir  auch  nicht  im  Stande 
sind;  eine  ganz  entsprechende  Scene  in  unsern  schriftlichen 
Quellen  nachzuweisen. 

Im  Mittelpunkt  der  Composition;  neben  einem  Bilde  der 
Artemis,  sehen  wir  eine  halbentblösste  Jungfrau  in  tiefe  Tra»er 
versunken,  in  der  rechten  Hand  einen  Zweig  haltend;  durch 
den  sie  als  eine  Schutzflehende  charakterisirt  wird.  Man  hat 
die  Haltung  dieser  Figur  unpassend  für  Iphigenie  gefunden 
und  allerdings  benimmt  sie  sich  auf  feineren  Denkmälern  ed- 
ler und  gefasster;  aber  was  stand  einem  späteren  Künstler  im 
WegC;  die  Höhe  ihres  Charakters  etwas  herabzustinunen;  so 
wie  es  auch  auf  einem  pompejanischen  Bilde  geschehen  ist? 
Auch  dass  sie  einen  Zweig  in  die  Hand  genommen,  um  durch 
dies  Zeichen  des  Schutzflehenden  noch  mehr  zur  Milde  zu 
stimmen;  ist  doch  nicht  auffallend  und  findet  sich  auch  auf 
einer  Gemme,  welche  die  Iphigenie  trauernd  am  Altar  ste- 
hend darstellt. 

Die  umstehenden  Helden  sind  offenbar  rathloS;  sie  blicken 
auf  das  Mädchen  und  Keiner  ist  zu  irgend  einer  Hülfe  oder 
zu  einem  Rath  oder  auch  nur  zu  einer  Veränderung  der  Si- 
tuation aufgelegt,  was  Alles  sehr  gut  auf  die  griechischen 
Helden  passen  würde,  die  bei  dem  ergreifenden  Anblick  des 
Mädchens  nicht  wagen,  den  Beschluss  zu  ihrer  Opferung  zu 
fassen.  Nur  einer,  die  zweite  Figur  zur  Linken,  kommt  mit 
schnellen  Schritten  heran,  offenbar  um  irgend  ein,e  Entschei- 
dung zu  veranlassen.  Wenn  das  Mädchen  Iphigenie  ist,  so 
dürfte  diese  Figur  vielleicht  Odysseus  genannt  werden,  der 
nach  Euripides  das  Opfer  der  Iphigenie  besonders  eifrig  be- 
trieb. Für  ihn  wäre  auch  das  ganze  Aussehen  der  Figur  sehr 
passend. 

Allerdings  fehlt  jede  Andeutung  eines  Opfers,  sogar  der 
Priester  wird  schwerlich  in  einer  der  sieben  Figuren  erkannt 
werden  können.  Aber  vielleicht  ist  eine  andre,  uns  nicht 
überlieferte  Situation,  etwa  dass  Iphigenie  in  die  Berathung 
der  Helden  als  Schutzflehende  sich  hineinbegeben  hat,  hier 
dargestellt.  Jedenfalls  ist  es  natürlich,  bei  der  Darstellung 
einer  neben  einem  Artemisbilde  trauernden  und  von  Kriegs- 
helden umgebenen  Jungfrau  den  Gedanken  an  Iphigenie  fest- 
zuhalten, weil  kein  andrer  griechischer  Mythus  eine  solche 
Gestalt  kennt. 

Die  Ausführung  ist  mittelmässig,  decorativ. 


476  Mythologische  Darstellungen. 

Abg.  Miliin  Gal.  myth.  155,  572.  Vgl.  die  Literatur  bei  Jahn  Ar- 
chaeol.  Beitr.  p.  388  ff.  Der  Text  sucht  die  Bedenken  zu  heben,  die 
Jahn  aufstellt.  Jahn's  eigne  Vermuthung  scheint  mir  unwalirscheinlich, 
nicht  bloss  wegen  der  Annahme  der  Verwechslung  des  Götterbildes,  son- 
dern weil  Ajas  in  irgend  einer  Weise  hervortreten  und  von  den  An- 
dern beachtet  sein  müsste,  während  hier  das  Mädchen  der  alleinige  Ge- 
geOßtand  des  Interesses  ist,  nicht  aber  zugleich  irgend  einer  der  völlig 
coordinirten  Helden.  Die  Vermuthung  Panofka's  (Arch.  Anz.  1848 
p.  74)  hat  die  abstrakte  Möglichkeit  für  sich,  aber  auch  nur  diese.  Die 
Gemme,  auf  welche  im  Text  Bezug  genommen,  ist  die  bei  Müller-Wie- 
seler n,  16,  172  abgebildete,  die  gewiss  nicht  eine  Artemis  darstellt, 
denn  einmal  fehlen  die  Attribute  der  Artemis  und  dann  stimmt  die 
Gemme  fast  in  allen  Punkten  mit  einer  andern  unzweifelhaft  auf  Iphige- 
nie  bezüglichen  (Tölken  Kl.  4  n.  396)  überein. 

779.  Candelaberbasis*,  in  Ruinen  an  der  Via  Appia 
gefunden  und  aus  der  Townley'schen  Sammlung  ins  britische 
Museum  übergegangen.  Ergänzt  sind  zwei  Sphinxköpfe  und 
der  untere  Theil  der  Widderköpfe. 

An  den  drei  Seiten  dieser  Basis  sind  Amoren  darge- 
stellt;  dahinschwebend  mit  Helm,  Schild  und  Schwert  Es 
sind  die  Diener  der  Aphrodite,  die  dem  liebebezwungenen 
Kriegsgott  seine  Waffen  geraubt  haben.  Man  hat  gemeint 
diQ  Basis  habe  einen  dem  Mars  geweihten  Candelaber  getra- 
gen, man  könnte  aber  ebensogut  an  eine  Widmung  für  Aphro- 
dite denken,  wenn  nicht  vielmehr  die  häufige  Wiederholung 
dieser  Basis  wahrscheinlich  machte,  dass  sie  nur  ihrer  An- 
muth  wegen,  und  nicht  wegen  der  Angemessenheit  zu  be- 
stimmten religiösen  Zwecken  beliebt  war.  Auch  wissen  wir 
nicht,  ob  die  Eroten  ursprünglich  für  eine  solche  Basis  com- 
ponirt  waren. 

Die  Sphinxe  und  Widderköpfe  sind  ein  sehr  beliebtes 
Ornament  und  vermuthlich  ohne  alle  materielle  Bedeutung 
nur  um  ihrer  tektonischen  Angemessenheit  willen  angefügt. 
Nach  der  Meinung  Anderer  hatten  sie  die  Bedeutung  eines 
Apotropaion. 

Am  obem  Rande  läuft  ein  flaches,  in  griechischem  Stil 
gehaltenes  Ornament  herum,  unter  den  Reliefs  mussten  die 
Blätterverzierungen  voller,  realistischer,  in  römischer  Weise 
dargestellt  werden. 

Die  architektonische  Form  der  Basis,  die  Ausschweifung 
der  untern  Seiten,  erlaubt  keinen  zu  frühen  Zeitansatz. 


Im  Römischen  Saal  n.  50. 


Mythologische  Darstellungen.  477 

Abg.  Marbles  of  the  brit.  mns.  I,  6.     Vgl.  EUis,  Townley  gallery 
II  p.  81.     Visconti  Op.  var.  IV  n.  63.    Meyer  in  d.  Amalthea  I  p.  283. 

780 — 782.  Reliefs  eines  vierseitigen  kleinen  Al- 
tars*; in  Villa  Negroni  aufgefunden  und  in  den  Vatikan 
übergegangen,  wo  das  Werk  aber  seit  ziemlich  langer  Zeit 
unsichtbar  geworden  ist. 

Es  ist  ein  niedriges ,  rechteckiges  Geräth,  dessen  Lang- 
seiten etwa  doppelt  so  lang  sind  als  die  Schmalseiten ,  das 
wir  ohne  von  der  Richtigkeit  dieser  Benennung  überzeugt  zu 
sein,  einen  Altar  genannt  haben.  Die  Füsse  werden  durch 
phantastische  Thiergestalten  gebildet,  von  denen  eine  auch  im 
Gyps  sichtbar  ist. 

Die  Betrachtung  der  Reliefs,  mit  denen  die  vier  Seiten 
geschmückt  sind,  beginnt  mit  der  Darstellung,  die  gewöhnlich 
auf  den  Besuch  des  Dionysos  bei  Ikarios  gedeutet  wird  und 
gewiss  die  Hauptseite  des  Gerätlies  bezeichnet.  Doch  erklärt 
die  vorgeschlagene  Deutung  nicht  die  Schwierigkeiten  des 
Bildes,  für  welches  überhaupt  eine  befriedigende  Erklärung 
noch  nicht  gefunden  ist.  Die  Handlung  ist  diese,  dass  Dio- 
nysos von  Silen  und  Satjm  gefolgt  in  die  durch  einen  Vor- 
hang bezeichnete  Wohnung  eines  Sterblichen  tritt,  der  mit 
einer  Frau  beim  Mahle  liegt,  an  welchem  der  Gott  selbst 
Theil  nehmen  wird.  Denn  auf  die  Theilnahme  des  Gottes 
ist  daraus  zu  schliessen,  dass  ein  Satyr  bereits  im  Begriff  ist, 
ihm  die  Schuhe  abzuziehen,  die  beim  Mahle  abgelegt  wurden. 
^Man  begreift  bei  jener  erwähnten  Deutung  nicht,  warum  Ika- 
rios den  Gott  in  dieser  auffallenden  Situation  empfangen  sollte. 

Leichter  verständlich  sind  die  Schmalseiten,  an  deren 
einer  ein  Hirt  und  eine  Hirtin  mit  dem  Melken  einer  Ziege 
beschäftigt  sind,  während  an  der  andern  ein  Satyr  und  eine 
Nymphe  einer  ihr  Junges  stillenden  Hindin  zusehen.  Dort  ist 
ein  Idol  der  Spes,  imi  deren  Beistand  vorzugsweise  die  Land- 
leute baten,  hier  eins  des  Herkules  aufgestellt,  der  in  diesem 
Zusammenhang  als  Hercules  rusticus,  als  der  mit  Silvanus 
und  den  Nymphen  verbundene  Schützer  ländlichen  Gedeihens 
aufzufassen  ist. 

Die  Rückseite,  sehr  symmetrisch  componirt,  zeigt  in  der 
Mitte  zwei  Eroten,  die  einen  Schmetterling  über  der  Flamme 
ihrer  an  ein  Feuerbecken  gelehnten  Fackeln  verbrennen.  Es 
sind  die  Qualen,  welche  die  Seele  durch  Eros  zu  leiden  hat. 


Im  Römischen  Saal  n.  37 — 39. 


478  Mythologische  Dai'stellungen. 

der  aber  hier  nicht  übermüthig;  sondern  theibiehmend,  wei- 
nend über  die  Qual,  die  er  selber  der  Psyche  bereiten  muss, 
dargestellt  ist.  Dass  es  zwei  Eroten  sind;  scheint  uns  für 
die  Bedeutung  der  Scene  ganz  irrelevant,  und  nur  durch  die 
Symmetrie  der  Composition  veranlasst  zu  sein.  Die  Mittel- 
gruppe ist  links  von  einer  Centaurin,  von  deren  Rücken  eine 
Bacchantin  im  Begriff  ist  herunterzusteigen,  rechts  von  einem 
Centauren  eingeschlossen,  dem  ein  leierspielender  Satyr  auf 
dem  Rücken  sitzt. 

Es  kann  nicht  bezweifelt  werden,  dass  die  Darstellungen 
der  vier  Seiten  mit  einander  in  Zusammenhang  stehn,  aber 
den  verbindenden  Gedanken,  der  vielleicht  durch  die  prakti- 
sche Bestimmung  des  Geräths,  die  wir  nicht  kennen,  veran- 
lasst ist,  haben  weder  die  früheren  Erklärer  gefunden,  noch 
ist  es  uns  gelungen,  zu  einem  befriedigenden  Resultat  zu 
kommen. 

Das  Werk  ist  offenbar  römischen  Ursprungs,  schon  die 
Statuen  der  Spes  und  des  Herkules  zeigen  es,  die  in  dieser 
Verwendung  nur  römischer  Sitte  entsprechen,  auch  ist  die 
Zeichnung  nichts  weniger  als  mustergültig  und  besonders 
%  unförmlich  sind  die  Körper  der  Centauren.  Aber  ebenso  klar 
ist,  dass  schöne  Vorbilder  in  diesen  Reliefs  nachgeahmt  sind, 
namentlich  das  Relief  der  Vorderseite  ist  in  vielen  Exempla- 
ren erhalten,  unter  denen  mehrere  das  unsrige  an  Schönheit 
bedeutend  übertreffen.* 

Abg.  Viscouti  Pio-Clem.  IV,  25  a — c.      Vgl.  0.  Jahn   Arch.  Beitr. 
p.  152  ff.     Wieseler  zu  MüUer's  Deukra.  II,  624. 


783 — 789.    Reliefs   von   Sarkophagen. 

783.  Amazonensarkophag**,  aus  griechischem  Fund- 
ort, in  Wien  im  Museum  des  Belvedere  befindlich,  früher  im 
Besitz  eines  Grafen  Fugger,  der  ihn  mit  nach  Deutschland 
gebracht  hat. 

Der  Sarkophag  gehört  zu  den  selteneren  Denkmälern 
dieser  Gattung,  die  an  allen  vier  Seiten  mit  bildnerischem 
Schmuck  ausgestattet  sind.     Doch   wiederholen    sich   an  den 


*  Vgl.  den  Gypsabguss  des  im  britischen  Museums  befindlichen  Exem- 
plars, der  sich  im  Gewerbeinstitut  befindet. 
**  Im^Treppenhaus  n.  98—103.  107. 


Mythologische  Darstelhingen.  479 

Lang-  und  Schmalseiten  dieselben  Gruppen;  nur  in  der  Be- 
waffnung sind  leise  Verschiedenheiten  wahrnehmbar.  An  künst- 
lerischem Werth  sind  sich  aber  die  correspondirenden  Seiten 
nicht  gleich;  die  weniger  gut  erhaltene  Langseite  steht  der 
anderen  besser  erhaltenen,  welche  gewiss  bei  der  ursprüng- 
lichen Aufstellung  die  vornehmste  war,  nach. 

Die  Motive  der  Composition  sind  durchgängig  sehr  schön, 
namentlich  die  Mittelgruppe  der  LAngseite,  wo  ein  Freund 
dem  anderen  beisteht.  Doch  sind  sie  schwerlich  überall  neu, 
die  Gruppe  der  linken  Seite,  in  welcher  eine  Amazone  an 
den  Haaren  vom  Pferde  gerissen  wird,  kehrt  auch  in  früheren 
Werken  ähnlich  wieder.  Bemerkens  werth  ist  die  Tracht  einer 
Amazone  in  der  Mitte  der  Langseite,  die  ausser  den  Hosen 
und  dem  Aermelkleid  auch  noch  einen  hinten  flatternden, 
ebenfalls  mit  Aermeln  versehenen  Ueberrock  trägt.  Wir 
fanden  dasselbe  Kleidungsstück  schon  bei  Medea  (n.  494)  und 
Anchises  (n.  604). 

Bildnerisch  verzierte  Marmorsarkophage  aus  Griechen- 
land sind  selten,  doch  ist  weder  von  diesem  noch  von  irgend 
einem  anderen  der  bis  jetzt  bekannten  mit  Sicherheit  nach- 
gewiesen, dass  sie  der  Blüthezeit  der  griechischen  Kunst  auch 
nur  nahe  stehen.  Es  kann  daher  die  Möglichkeit  nicht  be- 
stritten werden,  dass  die  Sitte  der  bildnerischen  Ausstattung 
der  Sarkophage  erst  der  römischen  Zeit  angehöre,  wiewohl 
andererseits  gegen  die  Priorität  der  Griechen  kein  entschei- 
dendes Argument  vorgebracht  werden  kann.  Dass  aber  dieser 
Sarkophag  nicht  einer  früheren  griechischen  Kunstzeit  ange- 
höre, zeigt  die  Vergleichung  desselben  mit  den  Reliefs  von 
Halikamass  (n.  457).  Die  Figuren  sind  im  Allgemeinen  zu 
lang  und  schmächtig,  die  Gewänder  zu  reich  an  Detail  und 
die  Wiederholung  derselben  Gruppen  auf  den  correspondiren- 
den Seiten  legt  kein  günstiges  Zeugniss  ab  für  die  Origina- 
lität des  Künstlers,  der  gewiss  nur  copirte. 

Unter  den  Darstellungen  der  Sarkophage  nimmt  dieses 
Relief  aber  jedenfalls  einen  hervorragenden  Platz  ein.  Es 
ist  ganz  verschieden  von  der  unruhigen  Weise  so  vieler  rö- 
mischer Sarkophage,  auf  denen  zwei  Reihen  von  Figuren 
hinter  einander  gestellt  werden  und  das  Relief  seinen  orna- 
mentalen Charakter  ganz  verloren  hat.  Freilich  ist  der 
Künstler  wohl  eben  durch  das  flachere  Relief  zu  einem  kleinen 
Fehler  veranlasst,  indem  nämlich  auf  den  Langseiten  die  Beine 


480  Mythologische  Darstellungen. 

der  ausgestreckt  liegenden  Amazone  vom  Knie  abwärts  ganz 
verschwinden. 

Welchen  Bezug  das  Relief  auf  den  in  dem  Sarkophag 
Begrabenen  hatte,  lässt  sich  nicht  angeben. 

Abg.  Bouillon  musee  des  Ant.  II,  83.  Vgl.  v.  Sacken  und  Kenner, 
Die  Antiken  des  K.  K.  Münzcabinets  p.  41  n.  167.  Nur  muss  ich,  wie 
der  Text  zeigt,  die  Annahme,  dass  das  Werk  bald  nach  Phidias  oder 
auch  aus  der  Zeit  des  Scopas  (Steiner,  Amazonenmythus  p.  112)  sei, 
entschieden  bestreiten. 

784.  Niobidensarkophag*,  gefunden  im  vorigen  Jahr- 
hundert in  der  Nähe  Roms,  vor  Porta  S.  Sebastiano  in  einer 
Vigna  der  Familie  Casali,  vom  Cardinal  Casali  an  Papst  Pius  YI. 
geschenkt  und  von  diesem  im  Vatikan  aufgestellt.  Ergänzt 
sind  der  linke  Arm  Apollo's  mit  dem  Bogen  und  der  rechte 
Arm  Diana's  mit  dem  Pfeil. 

Das  Relief  des  Sarkophags  ist  reich  an  schönen  Motiven, 
die  der  Verfertiger  aber  schwerlich  selbst  erfunden  hat  Die 
rechte  Hälfte  wird  durch  die  Söhne  eingenommen,  die  linke 
durch  die  Töchter,  unter  letzteren  befindet  sich  die  Mutter, 
,  ein  getödtetes  Mädchen  im  Arm  haltend.  Links  und  rechts 
*  schliesst  sich  eine  Seitenfläche  an,  hier  mit  der  Darstellung 
von  zwei  Söhnen,  dort  von  zwei  Töchtern.  Die  Söhne  waren, 
wie  das  Pferd  und  die  Speere  in  der  Hand  eines  derselben 
andeuten,  ausser  dem  Hause  mit  Jagd  und  gymnastischen 
Uebungen  beschäftigt,  als  das  Verderben  sie  traf,  sie  eilen 
nun  zur  Mutter,  die  wir  im  Innern  des  Hauses  unter  den 
Töchtern  befindlich  zu  denken  haben. 

Unter  den  Kindern  der  Niobe  befinden  sich  auch  eine 
Amme  und  ein  Pädagog.  Die  erste  ist  jene  alte,  herzlich  sich 
um  ein  getroffenes  Mädchen  bemühende  Frau,  zu  dem  anderen 
eilt  der  jtingste  Sohn.  Wie  man  im  Leben  zu  solchen  Aem- 
tem  Sklaven  oder  Leute  niederen  Standes  nahm,  so  erscheinen 
sie  auch  in  der  Kunst  mit  unedlen  Gesichtszügen  und  in 
plebejischer  Tracht.  Das  Fell  des  Pädagogen  ist  ein  an 
Hirten  und  Leuten  ähnlicher  Sphäre  öfter  vorkommendes 
Kleidungsstück. 

Der  wichtigste  Unterschied  in  der  Gruppirung  dieses  Re- 
liefs und  der  Florentinischen  Gruppe,  zu  deren  Yergleichung 
die  Zusammenstellung  der  Gjrpsabgüsse  auffordert,  liegt  darin, 
dass  die  Mutter  weder  durch  Grösse  noch  durch  ihre  Stellung 


*  Im  Niobidensaal  n.  71. 


Mythologische  Darstellungen.  431 

in  der  Mitte  hervorgehoben  ist.  Dies  ist  überhaupt  auf  kei- 
nem der  erhaltenen  Niobidensarkophage  der  Fall  und  kann 
nicht  aus  formellen  Gründen,  sondern  nur  aus  dem  Zweck 
dieser  Sarkophagdarstellungen  abgeleitet  werden.  Nicht  der 
Mythus  als  solcher  sollte  zur  Darstellung  gebracht  werden, 
sondern  nur  als  ideales  Analogon  eines  wirklichen  Vorgangs. 
An  den  Särgen  früh  gestorbener  Jünglinge  und  Mädchen 
stellte  man  solche  Mythen  dar,  die  den  Gedanken  eines 
frühen,  in  Jugend  und  Schönheit  erfolgten  Todes  in  sich 
schliessen,  z.  B.  den  Mythus  von  Meleager  und  Adonis,  den 
Raub  der  Leukippiden  und  der  Persephone,  und  in  diesem 
Sinn  ist  auch  der  Mythus  der  Niobiden  benutzt.  Die  Kinder 
und  ihr  Geschick  sind  demnach  die  Pointe  des  Ganzen,  nicht 
die  Mutter,  dieser  konnte  daher  nicht  die  hervorragende 
Stellung  gegeben  werden,  die  sie  in  der  Florentinischen 
Gruppe  hat. 

In  der  Vortragsweise  tritt  an.  dem  Sarkophag  ein  weit 
leidenschaftlicherer  Charakter  hervor,  es  sind  stärkere  Farben 
aufgetragen.  Die  Gewänder  flattern  heftiger,  die  Stellungen 
sind  meist  gewaltsamer,  wenn  auch  nicht  ohne  Schönheit 
Besonders  hervorzuheben  ist  die  im  Rücken  getroffene,  vor 
Schmerz  sich  zurückbiegende  Tochter  und  der  neben  ihr 
knieende  Sohn,  der  sein  Gesicht  hinter  dem  Arm  birgt,  als 
könne  er  den  schrecklichen  Anblick  nicht  ertragen.  Mit  die- 
sem unruhigeren  Charakter  der  Darstellung  steht  die  Art  des 
Reliefstils  in  Einklang.  Die  Gestalten  lösen  sich  fast  zu 
freien  Figuren  ab  und  der  dekorative  Charakter  der  Figuren- 
reihe ist  aufgehoben.  Der  realistischeren,  derb  effektvollen 
Tendenz  der  römischen  Kunst  ist  dies  Relief  ebenso  ange- 
messen, wie  das  flächenartige  Relief  dem  keuschen,  maass- 
vollen Charakter  der*  griechischen  Kunst.  An  den  Seiten  des 
Sarkophags  ist  es  übrigens  flacher,  da  suchte  der  Künstler 
schneller  fertig  zu  werden,  es  ist  eine  an  den  Sarkophagen 
häufig  wiederkehrende  Erscheinung,  dass  die  weniger  zur 
Schau  kommenden  Seitenflächen  flüchtiger  ausgeführt  sind  als 
die  Vorderseite. 

Die  Figuren  von  Artemis  und  Apollo  sind  Wieder- 
holungen bekannter  Typen,  die  Gruppe  der  beiden  Söhne  an 
der  Seitenfläche  findet  sich  anderswo  als  Orest  und  Pylades 
benutzt,  ohne  dass  sich  entscheiden  liesse,  welcher  Sinn  ur- 
sprünglich beabsichtigt  war.  Jedenfalls  wird  man  auch  auf 
diesen  Künstler  die  für  die  Sarkophage  im  Allgemeinen  geltende 

Friederichs,  griech.  Plastik.  31 


482  Mythologische  Darstellungen. 

Regel  anwenden  dürfen,  dass  die  Figuren  und  ihre  Motive 
nicht  frei  erfunden,  sondern  anderswoher  entlehnt  sind.  Ganz 
unselbstständig  freilich  hat  man  nicht  copirt,  es  kann  nach  dem 
was  uns  erhalten  ist,  nur  höchst  selten  vorgekommen  sein, 
dass  Verfertiger  von  Sarkophagen  bis  in  alle  Einzelheiten 
genau  copirten.  Wir  sehen  auch  hier,  wie  in  allen  Klassen 
der  alten  Denkmäler,  dass  der  einzelne  Arbeiter  nicht  ein 
bloss  mechanisch  arbeitendes  Werkzeug  war,  sondern  sich 
eine  gewisse  Freiheit  wahrte,  die,  so  beschränkt  sie  war,  doch 
anregend  und  belebend  auf  seine  Arbeit  wirkte. 

Am  Deckel  des  Sarkophags  sind  die  Leichen  der  Kinder 
dargestellt,  auch  hier  nach  den  Geschlechtem  getrennt.  Die 
Söhne  liegen  im  Freien,  wo  sie  ereilt  wurden,  die  Töchter 
im  Innern  des  Hauses.  Dies  bedeutet  nämlich  der  hinter 
ihnen  ausgespannte  Vorhang,  der  auf  den  Sarkophagen  häufig 
nur  zur  Belebung  der  Fläche  zu  dienen  scheint,  hier  aber 
einen  bestimmten  Sinn  hati  Man  hat  sich  darunter  eine  unsem 
Wandschirmen  ähnliche  Vorrichtung  des  antiken  Hauses  zu 
denken,  die  nur  viel  künstlerischer  angeordnet  ist,  als  bei  uns, 
wo  die  Befestigung  des  Tuchs  an  einem  oberen  und  unteren 
Stabe  alle  Freiheit  und  Schönheit  des  Faltenwurfs  unmöglich 
macht.  Hier  und  ebenso  in  der  unteren  Gruppe  bemerkt 
man  an  den  Figuren  der  Mädchen  etwas  mehr  Nacktheit  als 
in  der  Florentinischen  Statuengruppe.  Auch  Artemis  hat  nach 
späterem  Geschmack  die  eine  Brust  entblösst. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  IV,  17.     Vgl.  Stark  Niobe  p.  179  ff. 

785.  Ba'cchussarkophag*,  1746  aus  der  Kirche  zu 
Nepi  in  das  Capitolinische  Museum  gebracht.  Die  Ergänzungen 
sind  im  Ganzen  gering  und  nirgend  verfehlt. 

In  der  Scene  zur  Rechten  ist  die  Pflege  des  kleinen 
Bacchus,  nämlich  das  Bad  durch  die  Nymphen  dargestellt 
Die  eine  wäscht  ihn,  während  die  andere  Wasser  ins  Becken 
giesst,  hinter  dem  Sessel  der  ersten  steht  eine  Bacchantin, 
die  mit  dem  Klang  der  Becken  den  jungen  Gott  begrüsst. 
Nicht  ganz  klar  ist  die  Geberde  der  beiden  letzten  Nymphen, 
die  in  der  erhobenen  Rechten  dem  Kind  etwas  hinzuhalten 
scheinen,  sowie  zu  ihren  Füssen  von  zwei  Frauen,  die  weder 
nach  ihrer  Tracht  noch  nach  ihrem  Benehmen  Nymphen  sein 
können,  sondern  wohl  Sterbliche  sind,  dem  göttlichen  Kinde 


In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  n.  21. 


Mythologische  Darstellungen.  483 

bereits  Gaben  dargebracht  werden.  Die  Nymphen  sind  unter- 
schieden durch  die  für  sie  charakteristische  halbe  Entblös- 
sung;  an  der  sitzenden  bemerkt  man  sehr  deutlich  den  Brust- 
gtirtel,  den  man  zum  Halt  der  Brust  trug. 

In  der  Seene  zur  Linken  ist  ein  etwas  späterer  Moment 
im  Leben  des  Bacchus  vorgeführt.  Er  befindet  sich  bereits 
unter  seinen  Satyrn,  Silenen  und  Bacchen,  die  im  Begriff  sind, 
den  kleinen  Gott  mit  seiner  charakteristischen  Tracht  auszu- 
statten. Denn  man  sieht  schon  aus  der  Stellung  des  Bacchus, 
der  sich  mit  beiden  Händen  stützt,  dass  ihm  von  dem  an 
seinem  Fuss  beschäftigten  Satyrn  die  hochhinaufreichenden 
Stiefel,  die  so  gewöhnlich  sind  an  den  Bildern  des  Gottes,  ange- 
zogen werden,  indess  die  an  der  linken  Ecke  stehende  Bac- 
chantin beschäftigt  ist  ihm  einen  Kranz  oder  wohl  richtiger 
die  breite  bacchische  Binde  umzulegen. 

Eigenthümlich  ist  die  kleine  Mittelscene,  wo  Silen  eine 
Execution  an  einem  Satyrknaben  vollzieht,  während  im  Hinter- 
grund ein  älterer  Satyr  Wein  schlürft.  Wir  verstehen  nicht 
recht  den  Sinn  dieses  komischen  Intennezzo,  jedenfalls  scheint 
es  uns  zum  Schmuck  eines  Sarkophags  wenig  angemessen. 
Denn  der  Zweck  solcher  Geräthe  führt  nothwendig  auf  einen 
ernsteren  Stil  der  Dekoration,  und  auf  griechischen  Grab- 
steinen würde  man  vergebens  ähnliche  Situationen  suchen.  Auf 
den  römischen  Sarkophagen  dagegen  —  und  das  ist  charakteri- 
stisch für  die  Zeit  ihrer  Entstehung  —  mischen  sich  nur  zu 
oft,  namentlich  in  den  bacchischen  Darstellungen,  theils  ko- 
mische, theils  auch  sinnliche  Details  ein,  welche  die  ernste 
Stimmung,  die  der  Schmuck  eines  Sarges  erregen  soll,  zer- 
stören und  deutlich  zeigen,  dass  es  mit  den  religiösen  Ideen, 
die  auf  den  Sarkophagen  dargestellt  sind,  oft  nicht  sehr  ernst 
gemeint  ist,  dass  sie  mehr  aus  der  dichtenden  Phantasie  als 
aus  Bedürfnissen  des  Gemüths  hervorgegangen  sind. 

Die  bacchischen  Darstellungen  auf  den  Sarkophagen  sind 
der  Ausdruck  eines  seligen  Freudenlebens,  in  welches  der 
Verstorbene  aufgenommen  zu  werden  hofft.  Auch  hier  muss 
Bacchus  als  der  beseligende  Gott  zur  Darstellung  gewählt 
sein,  wenn  auch  namentlich  die  Scene  des  Bades  diese  tiefere 
Auffassung  verdunkelt. 

Betrachten  wir  dagegen  das  Relief  rein  als  Kunstwerk 
ohne  Rücksicht  auf  den  Zweck,  dem  es  dienen  sollte,  so  ist 
es  mit  grosser  Anmuth  componirt  und  auch  in  der  Ausfüh- 
rung gefällig.     P^igene  Erfindung  ist  freilich  auch  hier  nicht 

31* 


484  Mythologische  Darstellungen. 

anzunehmen;  die  schöne  Nymphe  zur  Rechten,  die  mit  tiber- 
geschlagenem Bein  dasteht,  die  Rechte  erhebend  und  die  Linke 
in  die  Seite  sttitzend,  findet  sich  bereits  auf  früheren  Denk- 
mälern, wo  ihre  Stellung  auch  noch  besser  motivirt  ist,  indem 
sie  nämlich  die  Rechte  anlehnt. 

Abg.  Mus.  Capitol.  IV,  60.  Vgl.  Müller-Wieseler  II,  402.  Welcker 
Götterl.  I,  444  Anm.  53.  Die  im  Text  hervorgehobene  Nymphe  stimmt 
mit  der  Thetis  auf  dem  Relief  des  Diadumenos  (n.  736),  wo  noch 
andere  Wiederholungen  angeführt  sind. 

786.  Orestessarkophag*,  früher  in  Palast  Barberini, 
jetzt  im  Vatikan.  Ergänzt  ist  der  Kopf  des  Orest  in  der 
Scene  zur  Rechten. 

Die  lange  Fläche  der  Sarkophage  wurde  in  den  meisten 
Fällen  in  mehrere  Scenen  zerlegt,  deren  hier  drei  zu  unter- 
scheiden sind,  eine  grössere  in  der  Mitte,  umgeben  von  zwei 
kleineren.  Im  Mittelpunkt  der  ersteren  erblicken  wir  die 
Leiche  der  Klj^mnestra,  deren  entblösster  Oberkörper  an  den 
Zug  der  Dichtung  erinnert,  dass  die  Mutter  gegen  das  Schwert 
des  Sohnes  die  Brust  entblösst  habe,  die  ihn  genährt  Neben 
ihr  liegt  vom  angemaassten  Thronsessel  herabgestürzt,  Aegisth, 
auf  welchen  Orest,  die  Mittelfigur,  noch  einen  letzten  Streich 
zu  führen  im  Begriff  ist.  Dem  Orest  zur  Seite  steht,  auch 
mit  gezücktem  Schwert,  Pylades  und  neben  diesem  eilt  die 
durch  Alter  und  Kopftuch  kenntliche  treue  Amme  des  Orest 
mit  der  Geberde  des  Entsetzens  davon.  Zur  Rechten  im 
Vordergrunde  hockt  eine  Figur,  nach  der  Tracht  ein  Diener, 
die  einen  kleinen,  in  der  Wildheit  des  Vorgangs  von  der 
Basis  herabgeworfenen  Altar  erhebt,  um  sich  hinter  ihm  zu 
verbergen.  Ein  Vorhang,  einerseits  an  einer  Herme,  anderer- 
seits auf  nicht  sichtbare  Weise  befestigt,  bezeichnet  diese 
Scene  als  im  Innern  des  Hauses  vorgehend,  dahinter  aber  be- 
merkt man  bereits  zwei  Eumeniden  mit  Schlangen  und  Fackeln 
dem  Orest  nahend.  Die  Scene  zur  Rechten  deutet  auf  die 
glückliche  Lösung  des  Conflicts.  Aus  dem  delphischen  Heilig- 
thum,  das  durch  Dreifuss  und  Lorbeer  angedeutet  ist,  schreitet 
Orest,  das  Schwert  in  der  Rechten,  die  Scheide  in  der  Linken 
haltend,  über  eine  schlafende  Eumenide  hinüber  davon,  um  sich 
nach  Athen  zu  begeben,  wo  seiner  die  Freisprechung  wartete. 
Man  hat  daran  Anstoss  genommen,  dass  Orest  sich  nach  dem 


•  In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  n.  40  und  26. 


Mythologische  Darstellungen.  485 

Schauplatz  seiner  That  zu  bewege,  was  aber  aus  Gründen  der 
Composition  geschehen  ist,  denn  die  Darstellung  würde  un- 
*  vollständig  aussehen,  wenn  nicht  die  Eckfiguren  nach  der 
Mitte  zu  gerichtet  wären.  Sehr  auffallend  ist  die  Scene  zur 
Linken,  drei  schlafende  Eumeniden,  deren  Trennung  von  der 
entsprechenden  Figur  zur  Rechten  am  besten  durch  die  geist- 
reiche Vermuthung  erklärt  wird,  dass  der  Künstler  seine  Dar- 
stellung von  einem  runden  Geföss  copirt  habe,  auf  welchem 
natürlich  die  beiden  hier  getrennten  Seitengruppen  eine 
Gruppe  ausmachten.  Die  eine  der  schlafenden  Eumeniden 
hat  eine  Doppelaxt,  die  in  der  Hand  einer  Eumenide  auf- 
fallend, aber  doch  nicht  auffallender  ist,  als  Schwert  und 
Lanze,  die  sie  auf  anderen  Darstellungen  führen. 

Was  die  Wahl  dieses  Themas  zum  Schmuck  eines  Sarges 
betrifft,  so  hat  man  mit  Recht  bemerkt,  dass  dasselbe  den 
Gedanken  der  gerechten  Vergeltung  involvire,  ähnlich  wie  die 
zahlreichen  Sarkophagdarstellungen  der  Unterwelt  mit  ihren 
Büssem.  Es  lag  nahe  für  die  Verfertiger  der  Sarkophage, 
die  der  Regel  nach  nicht  auf  Bestellung,  sondern  auf  Vorrath 
gearbeitet  zu  haben  scheinen,  diese  und  ähnliche  ernstere 
Ideen  in  den  Bildern  der  Särge  auszuprägen. 

Dass  der  Verfertiger  dieses  Sarkophags,  wie  die  grosse 
Mehrzahl  seiner  CoUegen  nicht  als  eigentlicher  Künstler  zu 
betrachten  ist,  geht  schon  aus  dem  über  die  Trennung  der 
Eumeniden  Bemerkten  hervor.  Die  schöne  Mittelfigur  des 
Orest  ist  eine  griechische  Erfindung,  sie  kommt  auf  einem 
griechischen  Relief  als  ein  Jäger  im  Löwenkampf  vor,  auf 
einem  schönen  geschnittenen  Stein  als  Kadmus  im  Drachen- 
kampf. 

In  der  Behandlung  des  Reliefs  fehlt  es  nicht  an  Fehlem. 
Das  linke  Bein  des  Orest  wird  z.  B.  durch  den  Körper  der 
Klytämnestra  rein  abgeschnitten,  als  ob  es  gar  nicht  vor- 
handen wäre. 

An  den  Seitenflächen  dieses  Sarkophags  sind  Sphinxe 
dargestellt,  deren  eine  den  Kopf  eines  Widders  zwischen  den 
Klauen  hält*.  Wir  fanden  die  Sphinx  schon  auf  griechischen 
Grabsteinen  (n.  383),  auch  ist  ein  griechischer  Sarkophag  be- 
kannt, wo  sie  ähnlich  wie  hier  den  Kopf  eines  Schaafes 
zwischen  den  Vordertatzen  hat.  Man  erklärt  sie  als  ein 
Symbol   des    hinraffenden   Geschicks,    womit   wenigstens   der 

*  11.  26. 


486  Mythologische  Darstellungen. 

Sinn   der   Vorstellung   im   Allgemeinen    wohl    richtig    an- 
gegeben wird. 

Das  Relief  der  Seitenfläche  ist  auch  hier  wieder  nur 
ganz  flach  und  skizzenhaft  gehalten. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  V,  22.  Overbeck  Gallerie  heroisch.  Bildw. 
Taf.  29,  1,  wo  auch  die  Literatur  angegeben.  Auf  Stephani's  (Compte- 
rendu  pour  Tannee  1863  p.  256)  Bedenken  gegen  die  Erklärung  der 
rechten  Seitenscene  habe  ich  im  Text  Rücksicht  genommen.  Ueber  die 
Wahl  des  Themas  vgl.  Petersen  Annali  1860  p.  368,  iiber  die  Sphinx 
auf  griechischen  Grabmonumenten  Pervanoglu,  Die  Grabsteine  der  alten 
Griechen,  p.  80  if. 

787.  Sarkophagdeckel*,  1862  in  Athen  vor  der 
Stoa  des  Hadrian  von  Bötticher  gefunden,  ebendaselbst  be- 
flndlich. 

Die  anmuthige  Darstellung  von  Tritonen,  Nereiden  und 
Amoren,  die  auf  phantastischen  Seethieren  reiten,  hat  unter 
den  Sarkophagreliefs  zahlreiche  Analogien.  Die  Absicht  solcher 
Darstellungen  war,  wie  bei  den  so  sehr  ähnlichen  bacehischen 
Reliefs,  das  selige  Freudenleben  zu  schildern,  das  dem  Ver- 
storbenen bevorstehe.  Vermuthlich  hat  die  Vorstellung  von 
den  Insehi  der  Seligen  die  Veranlassung  gegeben,  die  Dämonen 
des  Meeres  zu  Trägem  dieser  Idee  zu  machen. 

Fundnotiz  bei  Bötticher  im  Nachtrag  zum  Catalog  des  Neuen  Mu- 
seums p.  38.  Ueber  den  Sinn  der  Darstellung  vgl.  Petersen  Annali 
1860  p.  396  ff. 

788.  Sarkophagdeckel**,  im  Kloster  Chellas  bei 
Lissabon  befindlich. 

Die  Darstellung  zeigt  drei  sitzende  Dichter  mit  Rollen 
in  den  Händen,  die  durch  die  Verbindung  mit  den  Musen, 
welche  neben  ihnen  stehen,  als  solche  charakterisirt  sind. 
Zwei  von  den  letzteren  sind  mit  Namen  zu  nennen,  die  Muse 
zur  Rechten  entspricht  einem  sehr  bekannten  Typus  der  Poly- 
hymnia,  den  wir  auch  auf  der  Apotheose  Homers  (n.  736)  fanden, 
die  zur  Linken  ist  durch  das  enganliegende  fellartige  Gewand 
als  Thalia  bezeichnet.  Man  vermuthet,  dass  die  Muse  der 
Komödie  dies  Gewand  wegen  ihrer  Verwandtschaft  mit  bac- 
ehischen Figuren  trage. 

Die  Darstellungen  von  Musen  und  Dichtem  sind  nicht 
selten  auf  Sarkophagen,   es    sollen   damit    die  Neigung   und 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  317. 
**  In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  u.  39. 


Mythologische  Darstellungen.  487 

Beschäftigung,  die  der  Verstorbene  im  Leben  hatte,  charak- 
terisirt  werden. 

Das  Relief  ist  roh  ausgeführt  und  gehört  in  spät  rö- 
mische Zeit. 

In  Hübner's  Antiken  Bildw.  in  Madrid  p.  335  n.  928  vei-zeichnet. 
Vgl.  über  die  Darstellung  Wieseler  Annali  1861  p.  122  ff.  und  das 
dort  Citirte. 

789.  Athenischer  Kalender  in  Bildern^,  Marmor- 
fries, an  der  Kirche  der  Panagia-Gorgopiko  in  Athen  ,ein- 
gemauert  Die  Figuren  haben  durch  die  eingemeisselten  grie- 
chischen Kreuze,  wodurch  die  Benutzung  des  Frieses  in  christ- 
Kcher  Zeit  gleichsam  sanktionirt  werden  sollte,  zum  Theil 
gelitten. 

Auf  diesem  Fries  sind  die  Sternbilder  des  Thierkreises 
als  Vertreter  der  athenischen  Monate  dargestellt  und  zu  jedem 
derselben  einige  Figuren  hinzugeftigt,  durch  welche  irgend  eine 
wichtige  Begebenheit  des  Monats  veranschaulicht  und  dieser 
somit  charakterisirt  wird. 

Die  beiden  Platten,  aus  denen  der  Fries  besteht,  sind 
im  Abguss  nicht  richtig  mit  einander  verbunden,  die  zweite 
Platte  sollte  die  erste  sein,  wir  müssen  daher  mit  der  Be- 
trachtung des  Einzelnen  in  der  Mitte  anfangen,  wo  wir  das 
erste  Zeichen  des  Thierkreises,  den  Widder,  finden.  Es  ent- 
spricht dem  attischen  Elaphcbolion ,  in  welchem  der  Artemis 
geopfert  und  das  Fest  der  grossen  Dionysien  gefeiert  wurde. 
Das  erste  ist  rechts  vom  Widder  dargestellt,  wo  wir  die 
Artemis  erblicken,  einen  Hirsch  an  sich  ziehend,  den  ihr 
die  nebenstehende  Figur  gewiss  als  Opfer  gebracht  hat, 
während  der  Festzug  an  den  Dionysien  durch  die  beiden  links 
vom  Widder  dargestellten  Figuren  repräsentirt  wird.  Das 
zweite  Zeichen  ist  der  Stier,  zur  Hälfte  durch  das  Kreuz  zer- 
stört. Er  bezeichnet  den  Monat  Munychion,  wir  wissen  aber 
nicht  zu  sagen,  in  wiefern  die  beiden  folgenden  Personen,  die 
zu  dem  Stembilde  gehören,  charakteristisch  für  den  Monat 
sind.  Der  erste  von  ihnen  wird  für  einen  Fackelläufer  ge- 
halten. Es  folgt  der  Monat  Thargelion  mit  dem  Symbol  der 
Zwillinge,  neben  denen  ein  nackter  Jüngling  mit  der  Striegel 
steht,  dessen  Beziehung  auf  den  Monat  wir  auch  nicht  anzu- 
geben wissen.     Darauf  der  Krebs,  den  Skirophorion  reprä- 


Im  Griechischen  Saal  n.  318. 


488  Mythologische  Darstellungen. 

sentirend,  in  welchem  Monat  unter  besonderen  Ceremonien 
dem  Zeus  ein  Stieropfer  gebracht  wurde,  wie  das  Bild  deut- 
lich zeigt;  sodann  das  Zeichen  des  Löwen  und  Sirius,  das  den 
Hekatombaion  bezeichnet,  in  welchem  die  Panathenäen  statt- 
fanden. Das  am  meisten  charakteristische  Element  dieses 
Festes  war  die  Darbringung  eines  Gewandes  an  die  Pallas, 
das  als  Segel  an  einem  auf  Rollen  laufenden  Schiff  befestigt 
war,  und  von  diesem  Schiff  erkennt  man  trotz  des  darüber 
gesetzten  Kreuzes  deutliche  Spuren.  Die  beiden  hinter  dem- 
selben befindlichen  Figuren  sind  wohl  Genossen  .des  Festzuges. 
Die  folgende  geflügelte  Jungfrau  mit  der  Fruchtschüssel  ist 
vermuthlich  das  Sternbild  der  Jungfrau,  dem  Herbstmonat 
Metageitnion  in  dem  die  Früchte  reifen,  entsprechend;  die 
Bedeutung  der  nebenstehenden  Figuren,  unter  denen  Herakles 
kenntlich,  ist  uns  unklar.  Darauf  das  Sternbild  des  Kranzes 
zur  Bezeichnung  des  Boedromion,  der  ausserdem  durch  einen 
Wettreflner,  wir  wissen  nicht  inwiefern,  charakterisirt  wird. 
Leichter  verständlich  sind  die  folgenden  Monate,  der  Pyane- 
psion  mit  dem  Zeichen  des  Skorpion,  in  welchem  die  Eiresione, 
ein  mit  den  Gaben  des  Herbstes  behangener  Oelzweig,  unter 
volksthümlichen  Liedern  von  einem  Knaben  umhergetragen 
wurde.  Ausserdem  wurde  in  diesem  Monat  der  Wein  ge- 
keltert. Die  Bedeutung  der  Kanephore,  welche  diese  Scene 
schliesst,  ist  uns  unklar.  Darauf  folgt  der  Maimakterion  mit 
dem  Sternbild  des  Schützen.  In  diesem  Monat  wurde  ge- 
pflügt und  gesäet,  was  deutlich  dargestellt  ist.  Die  erste 
ganz  in  ihren  Mantel  gehüllte  Figur,  „die  sich  vor  dem  An- 
prall des  Windes  kaum  auf  den  Füssen  zu  halten  vermag^^, 
soll  vermuthlich  den  kalten  und  heftigen  Wind  dieses  Monats 
bezeichnen.  Durch  das  Sternbild  des  Steinbocks  ist  ferner 
der  Poseideon  bezeichnet,  in  welchem  die  Hahnenkämpfe  ein 
Hauptereigniss  waren.  Man  sieht  auf  einem  Palmenzweig,  dem 
Siegeszeichen,  zwei  Hähne  mit  einander  im  Kampf  und  hinter 
ihnen  den  Tisch  mit  den  Siegeskränzen,  an  welchem  die 
Preisrichter  sitzen,  während  die  beiden  Figuren  zur  Linken 
die  Zuschauer  repräsentiren.  Endlich  müssten  noch  das 
Sternbild  des  Wassermanns  und  die  Fische  kommen,  jenes 
glaubt  man  durch  die  Gestalt  des  Phrixos  auf  dem  Widder, 
der  eine  Schaale  in  der  Linken  hat,  bezeichnet,  dieses 
fehlt. 

Das  Relief  ist  aus  später  Zeit  und  hat  nur  seines  In- 
halts wegen  Interesse. 


Mythologische  Darstellungen.  489 

Abg.  bei  Le  Bas  monum.  Fig.  pl.  21  und  bei  Bötticher  im  Philo- 
logus  1865,  XXII  p.  385  ff.  Ich  muss  übrigens  den  von  Bursian  im 
Liter.  Centralbl.  1866  p.  1144  gegen  Bötticher  erhobenen  Einwänden 
beistimmen  und  sehe  ausserdem  nicht  ein,  dass  es  ein  Festkalender 
sein  muss.  Bötticher  selbst  wird  dieser  Supposition  in  dem,  was  er 
über  die  Figur  n.  6  sagt,  untreu,  und  gerade  die  Scene  des  Kelterus 
und  Säens  scheint  mir  deutlich  zu  indiciren,  dass  nicht  überall  Feste 
dargestellt  sind. 

790.  Goldne  Schaale*,  am  26.  März  1774  zu  Rennes 
in  der  Bretagne  neben  menschlichen  Knochen  gefunden,  wo- 
nach es  wahrscheinlich  ist,  dass  das  Geräth  einem  vornelimen 
Gallier  mit  ins  Grab  gegeben  ist.  Die  Schaale  wurde  nach 
Paris  ins  Cabinet  des  m^dailles  gebracht. 

Das  Thema  der  gegossenen  Reliefs  im  Innern  der  Schaale 
lässt  sich  kurz  dahin  zusammenfassen^  dass  Bacchus  als  Sieger 
über  den  mächtigsten  Heros  Herkules  dargestellt  ist.  Die 
Darstellung  ist  dem  Zweck  des  Geräthes  angemessen,  das 
offenbar  eine  Trinkschaale  war. 

In  dem  Mittelbild  schenkt  Bacchus,  der  von  seinem  Ge- 
folge umgeben  auf  einem  Stuhl  sitzt,  dem  Herkules  aus  seinem 
sehr  eigenthtimlich  oben  wie  ein  Mohnkopf  geformten  Trink- 
hom  ein.  Das  Hom  ist  an  der  Spitze  durchbohrt  zu  denken 
und  der  Strahl  muss,  wie  man  es  so  oft  auf  den  Denkmälern 
sieht,  einen  weiten  Bogen  beschreiben,  um  den  Becher,  den 
Herkules  hinstreckt,  zu  treffen.  Die  Folgen  dieses  Trin- 
kens schildert  das  zweite  Bild,  welches  das  erste  ring- 
förmig umgiebt.  Herkules  ist,  wie  Kunst  und  Poesie  gern 
an  ihm  hervorheben,  unmässig  gewesen  und  muss  nun  trunken 
wie  ein  Gefangener  im  Zuge  des  Bacchus  einherschreiten. 
Hier  entfesselt  sich  auch  die  bacchische  Lustigkeit,  die  in 
dem  Mittelbild  gehalten  war,  nur  dass  freilich  in  der  späten 
Zeit,  welcher  das  Denkmal  angehört,  nicht  mehr  lebensvolle 
Figuren  möglich  waren,  auch  nicht  einmal  als  Copien,  denn 
die  meisten  Gruppen  und  Figuren  dieser  Darstellung  sind  uns 
allerdings  aus  früheren  und  schöneren  Denkmälern  bekannt. 

Der  Künstler  hat  in  diesem  Bilde  beabsichtigt  einen 
Festzug,  und  zwar  die  festliche  Heimführung  der  eingesam- 
melten Trauben  darzustellen.  Der  von  Panthern  gezogene 
Wagen  des  Bacchus,  der  mit  Ziegenböcken  bespannte  Wagen, 
welcher  mit  Trauben  beladen  ist,  und  das  Kameel,  auf  dem 
Silen  reitet  (das  von  dem  indischen  Zuge   des  Bacchus  her 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  106. 


490  Mythologische  Darstellungen. 

ZU  seinem  Gefolge  gehört),  halten  den  Gedanken  des  Zuges 
fest  und  zwar  ist  Silen,  dem  eine  der  bekannten  Gemmen- 
vorstellung der  Venus  Victrix  nachgebildete  Bacchantin  eine 
Schaale  reicht,  als  der  vorderste,  gleichsam  als  der  Herold  des 
ganzen  Zuges  zu  betrachten,  dessen  Schluss  der  Wagen  des 
Bacchus  bildet.  Das  Ziel  aber,  welchem  der  Zug  zustrebt, 
ist  durch  die  Amoren  angedeutet,  die  bereits  beschäftigt  sind^ 
den  neugewonnenen  Wein  auszutreten.  Zwischen  den  erwähn- 
ten Gruppen  Fahrender  und  Reitender  wird  der  Gedanke  des 
Zuges  nicht  consequent  festgehalten,  da  finden  Hemmungen 
statt  und  entfaltet  sich  eine  freiere  Lustigkeit,  Tanz  und  Spiel 
von  Satyrn  und  Mänaden,  der  Kampf  eines  Pan  mit  einem 
Ziegenbock  u.  s.  w. 

Eigenthümlich  verziert  ist  der  Rand  der  Schaale,  näm- 
lich n^it  Goldmünzen,  die  man  in  römischer  Zeit  oft  als 
Schmuckgegenstand  trug  und  die  daher  auch  in  dieser  Weise 
zur  Verzierung  gebraucht  werden  konnten.  Die  älteste  der 
16  Münzen  ist  die  des  Hadrian,  die  jüngste  die  des  Cara- 
calla,  in  der  Anoriinung  ist  kein  anderes  Princip  ersichtlich^ 
als  nur  dies,  immer  einen  bärtigen  Kopf  mit  einem  unbärti- 
gen, sei  es  jugendlichen  oder  weiblichen,  abwechseln  zu  lassen^ 
wovon  auch  die  Verschiedenheit  der  Einrahmung  abhängt. 
Dass  die  Münzen  ohne  bestimmte  Absicht  zusammengestellt 
sind,  sieht  man  auch  daraus,  dass  mehrere  derselben  sich 
wiederholen. 

Die  Schaale  kann  wie  die  Münzen  zeigen,  nicht  vor  dem 
Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung  ver- 
fertigt sein,  sie  wird  ihres  Stils  wegen  aber  auch  nicht  viel 
später  verfertigt  sein.  Allerdings  ist  derselbe  mangelhaft  genug, 
und  was  die  Figuren  noch  an  Schönheit  besitzen,  ist  nur  die 
Erbschaft  einer  früheren  Zeit.  Auch  ist  vieles  nicht  mehr 
verstanden;  was  ein  Satyr  sei,  davon  hatte  der  Künstler 
keinen  rechten  Begriff  mehr.  Indessen  zeichnen  sie  sich  doch 
vor  gleichzeitigen  Arbeiten  wie  z.  B.  den  Sculpturen  am 
Bogen  des  Septimius  Severus  aus,  es  ist  immer  noch  mehr 
classischer  Charakter  darin. 

Abg.  bei  Miliin  monnm.  ined.  I  pl.  24  p.  225  und  Gal.  mythol.  126. 
Milün  hat  übrigens  die  Handlung  in  der  Scene  zwischen  Bacchus  und 
Herkules  missverstanden. 

791  —  794.   Ära  Casali**,  in  der  zweiten   Hälfte  des 


•  In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  n.  18 — 16. 


Mythologische  Darstelluugen.  491 

17.  Jahrhunderts  in  einem  Garten  zwischen  Cälins  und  Es- 
quilin  gefunden,  zuerst  im  Besitz  der  Familie  Casali  und  jetzt 
im  Vatikan. 

Die  Vorderseite  lehrt  uns  zunächst  den  Stifter  des  Wer- 
kes kennen,  nämlich  Tiberius  Claudius  Faventinus,  und  der 
EichenkranZ;  welcher  die  Inschrift  umgiebt,  bezeichnet  die 
Veranlassung  der  Stiftung.  Es  ist  die  Corona  civica,  die  ob 
cives  servatos  gegeben  wurde,  deren  Ertheilung  den  Faven- 
tinus  zur  Stiftung  dieses  Werkes  veranlasste.  Welchem  Gott 
er  den  Altar  dedicirte,  kann  nur  aus  den  Reliefs  geschlossen 
werden. 

Wir  sehen  nun  auf  der  Inschriftseite  die  Gefangenschaft 
des  Mars  und  der  Venus  in  den  Fesseln  des  Vulkan  dar- 
gestellt. Das  Paar  liegt  auf  einem  römischen  Sopha,  dessen 
Beine  in  etwas  roher  Weise  des  Raumes  wegen  abgeschnitten 
sind,  Mars  ist  beschämt,  Venus  hebt  klagend  die  gefesselte 
Hand,  mit  ihr  klagt  ein  Amor,  ein  anderer  bezeigt  jenem 
seine  Theilnahme.  Rechts  in  der  Höhe  steht  Vulkan,  sicht- 
lich zufrieden  mit  seinem  Werk,  ihm  gegenüber  erblicken  wir 
den  Verräther  Helios. 

Die  Darstellungen  der  übrigen  drei  Seiten  folgen  nicht 
so  auf  einander,  dass  sie  sich  dem  die  Ära  Umgehenden  in 
richtiger  Folge  präsentiren,  man  muss  vielmehr  von  der  Be- 
trachtung der  einen  Seiteniläche  zu-  der  andern  und  dann 
erst  auf  die  Rückseite  übergehen.  Der  Grund  für  diese  An- 
ordnung kann  nur  in  dem  Zweck  des  Monuments  gefunden 
werden;  wenn  es  sich  um  die  Verherrlichung  eines  Gottes 
handelte,  so  hätte  nichts  im  Wege  gestanden,  den  Relief- 
schmuck in  fortlaufender  Reihe  herumzulegen  und  die  den 
Gott  betreffenden  Thaten  oder  Schicksale  der  Folge  der  Bild- 
llächen  entsprechend  darzustellen,  es  sollen  aber  zwei  Götter 
gefeiert  werden,  wie  sich  aus  der  Betrachtung  des  Einzelnen 
ergeben  wird. 

Wir  beginnen  mit  der  Rückseite,  weil  die  Darstellungen 
derselben  an  sich  am  deutlichsten  sind  und  auch  über  die 
Bestimmung  des  Ganzen  Aufschluss  zu  geben  vermögen.  Sie 
ist  in  vier  Streifen  zerlegt  und  sondert  sich  hiedurch  von 
den  nur  drei  Streifen  enthaltenden  Seitentiächen,  was  eben 
auch  darauf  deutet,  dass  diese  Fläche  nicht  gleichsam  einen 
Akt.  unter  mehreren  darstellt,  sondern  ihre  besondere  Be- 
ziehung hat.  Der  erste  Streifen  stellt  die  Rhea  Silvia  dar, 
am  Tiber  schlafend,  der  mit   einem  Schilfstengel  neben  ihr 


492  Mythologische  Darstellungen. 

sitzt,  und  den  Mars,  der  mit  leisem,  vorsichtigem  Schritt  der 
Schläferin  naht.  Die  Frucht  dieser  Verhindung  erhlicken  wir 
auf  dem  zweiten  Streifen,  Rhea  Silvia  sitzt  mit  ihren  neu- 
geborenen Zwillingen  am  Tiber,  zwei  Hirten,  Abgesandte  des 
Amulius,  kommen  heran  und  theilen  ihr  den  Befehl  zur  Aus- 
setzung der  Kinder  mit,  der  die  Mutter  den  Kopf  abwenden 
und  —  was  beabsichtigt  scheint  —  zu  Mars  als  zu  einem 
Helfer  in  der  Noth  hinaufblicken  lässt.  Ihre  Bitte  ist,  wie 
das  folgende  Bild  zeigt,  nicht  vergeblich.  Es  muss  die  Aus- 
setzung der  Knaben  enthalten,  einmal  des  Platzes  wegen,  den 
es  in  der  Reihenfolge  einnimmt,  sodann  wegen  der  Anwesen- 
heit des  Mars,  der  eben  nur  da  ist  zur  Andeutung,  dass  er 
seine  Kinder  in  der  Gefahr  nicht  verlassen  wird.  Schicklich 
hat  man  ihm  ein  Tropaeum  in  die  Rechte  gegeben,  um  eben 
durch  die  Betonung  des  siegreichen  Gottes  die  Rettung  der 
Kinder  um  so  gewisser  hinzustellen.  Betrachtet  man  aber  die 
Figuren  der  beiden  Hirten,  so  würde  nach  ihren  Bewegungen 
anzunehmen  sein,  dass  sie  die  Kinder,  denen  sie  wie  in  leb- 
hafter Freude  zueilen,  nicht  aussetzen,  sondern  wiederfinden 
und  auch  die  Geberde  der  Kinder  wtirde  am  natürlichsten  als 
freudige  Ueberraschung  gedeutet.  Wie  dies  zu  reimen,  wissen 
wir  nicht,  es  scheint  uns  am  wahrscheinlichsten,  ein  Versehen 
des  Künstlers  anzunehmen,  der  hier  vielleicht  ohne  Vorbild 
arbeitete.  Wenigstens  ist  auch  die  neben  dem  Tiber  liegende 
Figur  möglichst  ungeschickt  ausgefallen.  Sie  soll  den  Faustu- 
lus  darstellen,  da  dieser  nach  der  Sage'  die  Aussetzung  der 
Kinder  bemerkt  hatte.  Der  letzte  Streifen  endlich  zeigt  die 
Kinder  an  den  Eutern  der  Wölfin,  von  staunenden  Hirten 
umgeben. 

Wir  dürfen  den  Inhalt  dieser  eben  besprochenen  Seite 
dahin  zusammenfassen,  dass  sie  den  Mars  als  Vater  und 
Schützer  der  römischen  Zwillinge  und  damit  als  Urheber  des 
römischen  Volks  darstellt. 

Die  andern  beiden  unter  sich  zusammenhängenden  Seiten 
beginnen  mit  dem  Parisurtheil,  in  welchem  wir  den  Paris  sich 
mit  lebendiger  Geberde  für  die  Venus  entscheiden  sehen.  Die 
folgenden  Kampfscenen  können  nur  als  Andeutungen  der 
Kämpfe  um  Troja  gefasst  werden,  da  sie  eben  auf  das  Paris- 
urtheil als  auf  ihre  erste  Veranlassung  zurückgehen.  Deut- 
licher aber  als  die  zunächst  folgenden  beiden  Streifen,  sind 
die  anschliessenden  Darstellungen  der  gegenüberliegenden 
Seite,  wesswegen  wir  mit  ihnen  beginnen,  in  der  Hoffiiung, 


i 


Mythologische  Darstellungen.  495 

dadurch  auch  Anhaltspunkte  für  die  Erklärung  jener  Streife 
zu  gewinnen. 

Der  zweite  und  dritte  Streifen  dieser  Seite  hängen  offen- 
bar mit  einander  zusammen  und  stellen  einen  Trauerzug  dar. 
Denn  voran  geht  der  Leichenbläser  mit  seiner  langen  Tuba 
und  es  folgen  ausser  trauernden  Frauen  Männer  mit  Ochsen 
und  Pferden,  den  Opferthieren,  die  am  Grabe  des  Verstorbe- 
nen geschlachtet  werden  sollen.  Wessen  Leichenbegängniss 
gefeiert  wird,  sagt  uns  der  erste  Streifen,  dessen  Darstellung 
nur  auf  die  Schleifung  Hektor's  bezogen  werden  kann.  Denn  eine 
andere  Deutung  auf  Troilus  können  wir  schon  deswegen  nicht 
für  richtig  halten,  weil  der  Tod  des  Troilus  im  Vergleich  zu 
dem  des  Hektor  ein  für  Troja's  Geschick  unbedeutendes  Er- 
eigniss  war,  weil  man  ferner  den  stattlichen  Leichenzug  mit 
der  Leiche  des  ersten  Streifens  in  Verbindung  setzt  und  dann 
der  Tod  des  Troilus  eine  doppelte,  nach  dem  Mythus  sowohl 
als  auch  besonders  nach  dem  Zusammenhang  dieser  Darstel- 
lung räthselhafte  Wichtigkeit  erhalten  würde.  Wer  den 
trojanischen  Krieg  schildern  wollte,  der  konnte  nur  an  die 
Darstellung  der  wichtigsten  Ereignisse  denken.  Man  darf 
sich  übrigens  nicht  wundem  über  einiges  Auffällige  in 
der  Darstellung  der  Schleifung,  nämlich  über  das  Aussehen 
des  Hektor  und  des  Achill  —  denn  dieser,  und  nicht  sein 
Wagenlenker  ist  gewiss  gemeint.  Aehnliches  kommt  in 
spätrömischen  Werken,  die  nicht  mehr  im  lebendigen  Bewusst- 
sein  der  griechischen  Sage  gearbeitet  sind,  auch  sonst  vor. 
Der  Verfertiger  dieser  Darstellung  hat  die  Scene  offenbar 
nach  Analogie  einer  ihm  geläufigen  Vorstellung,  nämlich  eines 
Circusrennens  eingerichtet,  denn  das  vordere  Gespann,  wenn 
es  auch  als  ein  anderer  Kriegswagen  neben  dem  des  Achill 
verstanden  werden  kann,  ist  doch  in  diesem  Zusammenhang 
mindestens  überflüssig.  Die  trauernde  Frau,  die  im  Thor 
erscheint,  soll  Andromache  sein. 

Wenn  wir  nun  auf  dieser  Seite  Hektor's  Tod  und  Be- 
stattung dargestellt  sehen,  so  erwartet  man  auf  den  vorher- 
gehenden Streifen  Scenen  aus  dem  Leben  dieses  Helden,  denn 
kein  anderer  Held  hatte  eine  solche  Bedeutung  für  Troja  als 
Hektor.  In  dem  ersten  der  beiden  Streifen  wird  gegen  einen 
durch  den  Beistand  der  Minerva  als  Griechen  kenntlichen 
Krieger  um  eine  Leiche  gekämpft,  es  wird  die  berühmteste 
That  des  Hektor  sein,  der  Kampf  um  die  Leiche  des  Patro- 
klus.    Der  folgende  Streifen  kann  dann  nur  auf  den  Kampf 


494  Mythologische  Darstellungen. 

zwischen  Rektor  und  Achill  bezogen  werden,  so  dass  in  der 
That  die  wichtigsten  Ereignisse  vor  Troja  herausgehoben  sein 
würden. 

Fassen  wir  den  Inhalt  dieser  beiden  Seiten  kurz  zusam- 
men, so  ist  als  eine  Folge  des  Parisurtheils  der  Untergang 
Troja's  und  zwar  in  der  Person  seines  Haupthelden,  des 
Hektor,  dargestellt.  Und  hier  ergiebt  sich  ein  deutlicher  Zu- 
sammenhang mit  der  Rückseite,  welche  die  Anfänge  Rom's 
schilderte,  denn  Troja's  Untergang  war  Rom's  Aufgang,  und 
Venus,  die  durch  das  Parisurtheil  als  Zerstörerin  von  Troja 
hingestellt  wird,  war  ja  eben  dadurch  die  Veranlassung  zu 
Rom's  Gründung.  Das  neue  Troja,  über  den  Trümmern  des 
alten  aufgebaut  durch  Mars  und  Venus,  ist  das  Thema  dieser 
drei  Seiten  des  Altars. 

Nun  ist  auch  der  Zusammenhang  mit  der  Vorderseite  deut- 
lich, auf  welcher  die  beiden  römischen  Nationalgottheiten,  die 
wir  auf  den  andern  Seiten  getrennt  erblicken,  vereinigt  sind. 
Zwar  ist  die  Situation  wenig  ehrenvoll  für  sie,  aber  in  der 
Zeit,  welcher  das  Denkmal  angehört,  wurde  die  Fabel  schwer- 
lich nach  ernsteren,  ethischen  Gesichtspunkten  beurtheilt. 
Wir  dürfen  sie  im  Sinne  jener  Zeit  als  ein  lustiges  Liebes- 
abenteuer auffassen,  das  hier,  wo  es  darauf  ankam,  die  beiden 
römischen  Nationalgottheiten  zu  feiern,  als  passendster  Aus- 
druck ihrer  engen  Zusammengehörigkeit  gewählt  werden 
konnte.  Dass  der  Altar  dem  Mars  und  der  Venus  geweiht 
war,  wird  aus  diesen  Erörterungen  als  unmittelbare  Folge 
hervorgehen. 

Die  Ära  gehört  später  römischer  Zeit  an,  wir  können 
nicht  glauben,  dass  der  Stifter  des  Werks  mit  einem  aus  Ta- 
citus  bekannten  Claudius  Faventinus,  der  zur  Zeit  des  Vespa- 
sian  lebt«,  eine  und  dieselbe  Person  sei.  Zunächst  weist 
schon  der  Umstand,  dass  griechische  Mythen  hier  gleichsam 
römisch  kostümirt  erscheinen,  auf  spätere  Zeit  hin,  als  man 
von  griechischer  Sitte  sich  mehr  entfernt  hatte.  Mars  und 
Venus  liegen  auf  einem  römischen  Sopha,  der  Tubabläser  des 
Trauerzugs  auf  der  einen  Schmalseite  ist  der  römischen  Sitte 
entnommen  und  auch  die  Scene  der  Schleifung  des  Hektor 
enthielt  einen  Anklang  an  römisches  Wesen.  Ausserdem  aber 
ist  die  Arbeit  des  Ganzen  schwerlich  mit  der  Zeit  Vespasians 
vereinbar.  Flüchtig  und  fehlerhaft  ist  zwar  zu  allen  Zeiten 
gearbeitet,  aber  es  kommt  hier  zu  einer  grossen  Rohheit  der 
Ausführung  eine  bestinmite  Art  der  Technik,  die  wir  erst  den 


Mythologische  Dai*stellungeii.  495 

späteren  römischen  Jahrhunderten  zuschreiben  können.  Auf 
der  Vorderseite  nämlich,  die  sich  ähnlich  wie  an  den  Sarko- 
phagen durch  etwas  höheres  Relief  und  etwas  sorgfältigere 
Ausführung  vor  den  anderen  Seiten  auszeichnet,  ist  der  Kranz 
fast  nur  durch  einfache  Bohrlöcher  detaillirt,  wie  dies  in  der 
späteren  Zeit,  namentlich  in  der  Arbeit  der  Haare,  gewöhnlich 
ist.  Auch  die  Theilung  der  Bildflächen  durch  Querstreifen, 
wodurch  die  puppenartige  Kleinheit  der  Figuren  bedingt  wird, 
ist,  wenn  nicht  ausschliesslich,  doch  vorzugsweise  in  der  spä- 
teren römischen  Zeit  beliebt.  Wir  möchten  daher  das  Werk 
lieber  dem  dritten  als  dem  ersten  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnung zuschreiben. 

Es  lässt  sich  erwarten,  dass  der  Verfertiger  dieses  Altars 
nicht  überall  selbständige  Compositionen  gegeben  hat,  dazu 
sind  mehrere  Figuren,  namentlich  der  zur  Rhea  Silvia  schlei- 
chende Mars,  zu  gut  erfunden.  Wir  kennen  auch  diese  und 
andere  Figuren  der  Ära  schon  aus  viel  früheren  Monumenten. 

A.bg.  und  ausftilirlich  erörtert  bei  Wieseler,  Ära  Casali,  (löttingeu 
1844,  wo  nur  zu  viel  feine  Absichten  luid  Kenntnisse  dem  Künster  zu- 
getraut werden,  die  der  Verf.  jetzt  vielleicht  nicht  mehr  betonen  wird 
und  auch  schwerlich  aufgestellt  haben  wiirde,  wenn  er  nach  dem  Ori- 
ginal oder  nach  einem  Abguss  gearbeitet  hätte.  Ausserdem  kann  ich 
Wieseler's  Ansicht,  wonach  der  Altar  dem  Vulkan  gewidmet  sei,  nicht 
tiieilen.  Denn  nur  die  Vorderseite  geht  den  Vulkan  an  und  auch  hier 
ist  er  eine  untergeordnete  Person.  Die  Schleifung  des  Hektor  beziehen 
Jahn  luid  Michaelis  (Arch.  Ztg.  1864  p.  126  ff.)  auf  Troilus,  aber  ab- 
gesehen von  den  im  Text  angeführten  Gründen  und  von  Wieseler's 
Grund,  dass  der  Wagenlenker  dann  nicht  zu  erklären  sei,  so  scheinen 
mir  die  dagegen  angeführten  Bedenken  nicht  entscheidend.  Denn  wenn 
Pelops  auf  dem  von  Michaelis  augeführten  Sarkophag  bärtig  und  in 
römischem  Panzer  dargestellt  ist,  so  ist  auf  einem  Werk,  das  ebenfalls 
griechisch«'  Mythen  in  römischem  Costüm  vorführt,  auch  nicht  an  einem 
unbärtigen  Hektor  und  an  seiner  luid  des  |Achill  Tracht  Anstoss  zu 
nehmen. 


h)  Genre  und  historische  Darstellungen. 

795.  Knäbchen  mit  der  Ente*,  Marmorstatue;  wo  das 
Original  sich  befindet,  wissen  wir  nicht.  Auch  die  Ergän- 
zungen kömien  wir  nicht  genauer  angeben,  sie  sind  aber 
jedenfalls  bis  auf  den  Kopf  der  Ente,  der  in  andern  Exem- 
plaren nach  oben  gerichtet  ist,  getroffen. 


Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  6. 


496  Genre  iind  historische  Darstellungen. 

Die  Pointe  dieser  oft  wiederholten  Darstellung  ist  die^ 
dass  das  Knäbchen  in  seiner  Absicht,  sich  zu  erheben,  wozu 
es  auch  mit  Hand  und  Mund  nach  Hülfe  verlangt,  seinen 
Spielkameraden,  die  Ente,  natürlich  ohne  es  zu  wollen,  un- 
barmherzig presst.  Der  Kopf  des  Thieres  war,  wie  schon 
bemerkt,  hinauf  gerichtet,  nach  Luft  schnappend. 

Mehrere  Wiederholungen  dieser  Figur  dienten  als  Brun- 
nenfiguren, denn  im  Schnabel  der  Ente  fanden  sich  noch  die 
Löcher,  aus  denen  das  Wasser  herausspritzte.  Für  eine  solche 
Aufstellung  ist  auch  die  Gruppe  componirt,  denn  der  Knabe 
konnte  die  Ente  doch  nur  am  Wasser  treffen.  Vermuthlich 
hatte  auch  dieses  Exemplar  dieselbe  Bestimmung. 

Der  Stil  ist  vortrefflich,  die  weichen  Banderformen  sind 
sehr  schön  wiedergegeben.  Ob  ein  früheres  griechisches 
Original  zu  Grunde  liegt,  müssen  wir  dahin  gestellt  sein 
lassen. 

Die  zahlreichen  Wiederholungen  dieses  Typus  sind  aufgezählt  und 
besprochen  von  0.  Jahn  Ber.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1848  p.  41. 
Vgl.  Stephani  Compte-rendu  p.  l'annee  1863  p.  55.  Die  von  letzterem 
verglichene  Vase  bei  Panofka  cabin.  Pourtales  pl.  28  ist  übrigens  doch 
ziemlich  verschieden. 

796.  Knabe  mit  dem  Krug*,  Fragment  einer  Mar- 
morstatue; wo  das  Original  sich  be&idet,  wissen  wir  nicht 

Diese  öfter  wiederholte  anmuthige  Figur  scheint  an  einem 
Bassin  aufgestellt  gewesen  zu  sein,  in  welches  das  Wasser 
aus  dem  Kruge  des  Knaben  hinabfloss. 

Vgl.  die  ähnliche  Figur  in  München,  die  von  Schom  Catalog  zur 
Glypthothek  n.  121  Hylas  genannt  wird,  der  aber  nicht  Wasser  aus- 
giesst,  sondern  schöpft.  Ein  anderes  Exemplar,  vielleicht  das  unsrige, 
befindet  sich  im  Capitol. 

797.  Camillus*,  Broncestatue  im  capitolinischen  Mu- 
seum, bis  auf  die  Attribute  völlig  unversehrt  erhalten. 

Auf  römischen  Keliefs,  welche  Opferhandlungen  vor- 
stellen, finden  wir  oft  eine  dieser  Bronce  entsprechende  Figur, 
die  wir  nach  dem  Zusammenhang  als  Camillus  bezeichnen 
müssen,  d.  h.  als  einen  ministrirenden  Knaben,  der  die  Opfer- 
geräthe  trug  und  zur  Dienstleistung  des  Opfernden  bereit 
war.  Auch  diese  capitolinische  Figur  hielt  ursprünglich 
Opfergeräthe  in   den  Händen,   wie   die  Bewegung  derselben 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  8. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  116. 


Gl'iut  und  historische  Darstellungeu.  497 

anzeigt,  die  Schaale  in  der  rechten,  die  sie  dem  Opfernden 
graziös  präsentirt,  und  die  Weinkanne  in  der  linken.  Man 
nahm  zu  dem  Amt  des  Camillus  nur  vornehme  Knaben  und 
einen  solchen  lässt  auch  der  feine  Anstand  im  Benehmen 
der  Figur  erkennen. 

Wir  besitzen  in  dieser  Figur,  die  schon  im  Alterthum 
Ruf  gehabt  zu  haben  scheint,  da  mehrere  Wiederholungen 
derselben  vorhanden  sind,  ein  unzweifelhaft  römisches  Werk. 
Es  ist  eben  eine  aus  römischer  Sitte  genonmiene  Darstellung. 
Gewiss  aber  gehört  die  Statue  der  besten  römischen  Zeit,  dem 
Anfang  der  Kaiserherrschaft  an.  Denn  sie  ist  mit  höchster 
Eleganz  und  Sauberkeit  ausgeführt,  und  eine  kleine  Zuthat 
anmuthiger  Nachlässigkeit,  die  sich  namentlich  im  Fall  des 
Gewandes  über  den  Gürtel  ausdrückt,  erhöht  sehr  den  Reiz 
des  Werkes. 

Die  Naht  der  Aermel  ist  fein  verziert  und  das  eigent- 
liche Gewand  ist  an  beiden  Seiten  von  der  Schulter  abwärts 
mit  feinen  aber  doch  auch  im  Abguss  bemerkbaren  Streifen 
durchzogen,  wie  man  sie  oft  in  kleinen  Broncen,  manchmal 
von  Silber  eingelegt,  bemerkt.  Auch  sie  sind  nur  Verzierungen 
der  Naht.  Endlich  sind  auch  die  Schuhe  mit  Verzierungen, 
zum  Theil  von  Silber  eingelegt,  bedeckt. 

Abg.  Righetti  il  museo  del  Campidogiio  I,  33.  Uebereiiistimnieude 
Figuren  liiidet  man  z.  ß.  auf  den  Reliefs  bei  Winckelmann  mon.  ined. 
178.  Annali  1858  tav.  K.  Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  p.  142. 
Becker  GuUus  II,  22. 

798.  Isisp riesterin*,  in  Neapel  gefunden,  zuerst  im 
Besitz  des  Grafen  Sinzendorf,  jetzt  in  Wien.  Das  Gewand  ist 
von  schwarzem,  das  Nackte  von  weissem  Marmor,  die  Arme 
sind  ergänzt,  vermuthlich  aber  nicht  unrichtig. 

Wir  behalten  die  hergebrachte  Benennung  bei,  ohne  zu 
verkennen,  dass  die  Figur  ebensowohl  eine  Isis  wie  eine  Isis- 
priesterin  sein  kann.  Es  ist  dies  eben  schwer  zu  entscheiden, 
weil  wie  in  einigen  andern  Culten,  so  auch  in  dem  der  Isis, 
die  Priesterin  in  dem  Habitus  ihrer  Göttin  erschien. 

Charakteristische  Merkmale  der  Isis  sind  das  mit  Franzen 
besetzte  Obergewand  und  das  Arrangement  desselben,  nament- 
lich der  Knoten  zwischen  den  Brtisten.  lieber  der  Stirn 
trägt  sie  die  Mondscheibe  und  darüber,  wie  es  scheint,  die 
Lotosblume.     Auch  die  zierlich  gedrehten  Locken  finden  sich 


*  Im  Römischen  Saal  n.  Gl. 
Friederichs,  griech.  Plastik.  32 


498  Genre  und  historische  DarsteUnngen. 

an  andern  Isisdarstellungen.  Die  ergänzten  Attribute  sind  in 
der  Linken  die  Situla,  der  Krug  mit  Nilwasser,  und  in  der 
Kechten  wenigstens  eine  Andeutung  des  Sistrum,  eines  im 
Isiscult  gebräuchlichen  Lärminstrumentes. 

Die  Arbeit  ist  nicht  schlecht,  aber  die  Verbindung  de& 
schwarzen  und  weissen  Marmors  ist  ein  Zeichen  späteren  Ge- 
schmacks. 

Vgl.  V.  Sacken  und  Kenner,  die  Sammlungen  des  K.  K.  Münzeabinetfr 
p.  39  n.  157.  Visconti  Mus.  Pio-Clem.  VI,  zu  tav.  16.  17.  VII,  zu 
tav.  19. 

799.  Hirtin  mit  einem  Böcklein*,  Marmorstatue,  aus 
der  Chigi'schen  Sammlung  nach  Dresden  gekommen.  Ergänzt 
sind,  der  Kopf,  beide  Vorderarme  nebst  einem  Theil  des  in 
die  Höhe  gezogenen  Felles,  der  untere  Theil  des  rechten  Bei- 
nes und  das  linke  vom  Knie  abwärts,  auch  der  Kopf  des 
Thieres  und  der  Stamm. 

Der  Ergänzer  hat  diese  Figur  zu  einer  Bacchantin  er^ 
gänzt,  wofür  allerdings  das  Fell  und  die  entblösste  Brust  zur 
Begründung  angeführt  werden  können.  Um  so  auffallender 
aber  ist  das  aufgeschtirzte  Gewand,  auch  die  Stellung  und  die 
ganze  Situation  wäre  singulär.  Man  hat  daher  an  eine  Diana 
gedacht,  die  aber  wohl  durch  bestimmte  Kennzeichen  bezeich- 
net sein  und  vielleicht  auch  ein  andres  Thier  tragen  würde. 
Am  wahrscheinlichsten  scheint  uns,  dass  die  Figur  genreartig 
aufzufassen,  als  eine  Hirtin,  die  ein  Böcklein  zum  Verkauf 
trägt. 

Das  Werk  ist  seiner  Erfindung  und  Ausführung  nach 
ziemlich  unbedeutend  und  gehört  wohl  erst  römischer  Zeit  an. 

Abg.  Augusteum  II  Taf,  53.  Vgl.  Hettner,  Die  Bildw.  d.  KgK 
Antikensammlg.  n.  277. 

800.  Weinbereitung**,  Marmorrelief  in  Villa  Albani. 
Auf  keinem  andern  Relief  ist  die  Bereitung  des  Weins 

so  ausfflhrlich  dargestellt  wie  auf  diesem,  das  sich  auch  in 
der  Wahl  der  Personen  dem  Leben  anschliesst,  indem  hier 
nicht,  wie  gewöhnlich,  Satyrn,  sondern  Landleute  die  Handeln- 
den sind.  Am  linken  Ende  der  sehr  symmetrischen  Compo« 
sition  werden  die  Trauben  in  geflochtenen  Körben  theils  heran- 
getragen,  theils  schon   in   den   grossen  Keltertrog  hineinge- 


*  Im  Römischen  Saal  n.  17. 
♦♦  Ebendas.  n.  48. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  499 

schüttet,  in  welchem  sie  von  drei  sich  anfassenden  Männern 
im  Kundtanz  ausgetreten  werden.  Die  folgende  Figur  ist  be- 
schäftigt, den  Most,  der  aus  dem  Trog  in  ein  niedrigeres  und 
kleineres  Gefäss  abfliesst,  mit  einer  Kanne  in  einen  grösseren 
aus  Weiden  geflochtenen  Krug  zu  füllen,  den  wir  uns  aber 
inwendig  sorgfältig  verpicht  zu  denken  haben,  wie  es  auch 
nach  unsem  Nachrichten  der  Fall  war.  Einen  solchen  Krug 
schüttet  endlich  die  letzte  Figur  in  ein  grosses  Fass  aus,  in 
welchem  der  Most  zum  Wein  werden  soll.  Noch  ist  ein  ne- 
ben den  Kelternden  befindliches  Geräth  zu  erwähnen,  nämlich 
eine  Kelterpresse  zum  Auspressen  dessen,  was  beim  Austreten 
übrig  blieb.  Man  bemerkt  zwischen  den  Balken  das  Gewicht, 
welches  durch  die  um  den  mittleren  Cylinder  gewickelte  Schnur 
nach  Bedarf  höher  und  niedriger  gehoben  werden  konnte. 
Die  Presse  hat  übrigens  gerade  hier  ihre  richtige  Stelle,  da 
nach  der  antiken  Praxis  der  durch  sie  ausgepresste  Saft  in 
dasselbe  Gefäss  mit  dem  durch  Austreten  gewonnenen  hinein- 
fliessen.  musste. 

Das  Relief  hat  unzweifelhaft  zur  Einfassung  eines  halb- 
kreisförmigen Bassins  gedient.  Die  Oberfläche  des  Originals 
ist  canalarti§  ausgehöhlt,  vielleicht  um  Blumen  hineinzupflanzen. 

Abg.  und  erklärt  von  Zoega  bassiril.  I  zu  tav.  26.     In  den  Titus- 
thermen  befindet  sich  ein  ganz  ähnlich  gestalteter  tiur  grösserer  Marmor. 

801.  Gruppe  von  drei  Greisen*,  Eelieffragment,  das 
sich  zu  Winckelmann's  Zeit  in  Kom  befand;  wo  es  jetzt  ist, 
wissen  wir  nicht. 

Die  Bedeutung  dieser  schön  gearbeiteten  Figuren  ist  uns 
verborgen,  sie  war  auch  Winckelmann  verborgen.  Dass  das 
Relief  römischer  Zeit  angehört,  beweist  der  Panzer,  den  die 
eine  der  Figuren  trägt. 

Abg.  Winckelmann  monum.  ined.  n.  162. 

802.  Büste  des  Cicero**,  im  Museum  zu  Madrid.  Die 
rechte  Schulter  ist  neu. 

Nach  der  Inschrift  ist  hier  der  Redner  in  seinem  64. 
Jahre,  also  kurz  vor  seinem  Tode  porträtirt.  Es  ist  die  le- 
bensvollste unter  allen  Büsten  des  Cicero  und  daher  gewiss 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  315. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  92. 

32 


500  Genre  und  historische  Darstellungen. 

entweder   selbst   nach   dem  Leben  gemacht  oder  von  einem 
solchen  .Original  abstammend. 

Abg.  bei  Hühner,    Die    antiken  Bildwerke   in  Madrid,  Titelkupfer. 
Vgl.  ebendas.  p.  115  n.  191. 

803.  Kopf  des  Cäsar*;  wo  das  Original  sich  befindet, 
wissen  wir  nicht. 

804.  Kopf  des  jugendlichen  Augustus**,  1808  bei 
den  Ausgrabungen,  die  der  englische  Consul  Fagan  in  Ostia 
veranstaltete,  gefunden,  im  Vatikan  befindlich. 

Ein  berühmtes  und  fein  gearbeitetes  Werk. 

Abg.  Mus.  Chiaramonti  II,  26.     Vgl.   Braun  Ruinen  und  Museen 
p.  270. 

805.  Desgl.***,  in  Madrid  befindlich,  von  etwas  reiferem 
Alter  und  weniger  schön. 

Vgl.  Hübner  p.  227  n.  502. 

806.  Opfer  zu  Ehren  des  Cäsar  und  Augustus****, 
Marmorreliefs  in  San  Vitale  zu  Ravenna. 

Die  am  weitesten  nach  rechts  stehende  Figur  des  grös- 
seren Fragments  ist  Augustus  im  Costüm  des  Jupiter  und  als 
Herr  des  Erdballs,  auf  welchen  er  den  Fuss  setzt,  dargestellt, 
das  Haupt  mit  der  Corona  civica  geschmückt,  die  ihm  als 
bleibendes  Ehrenzeichen  zuerkannt  war,  in  der  Rechten  ur- 
sprünglich das  Scepter  haltend.  Ihm  zunächst  steht  Venus 
mit  dem  Amor,  und  neben  ihr  die  durch  den  Stern  über  der 
Stirn,  das  Julium  sidus  wie  auf  den  Münzen,  als  Cäsar  charak- 
terisirte  Gestalt.  Als  divus  ist  er  sehr  jugendlich  dargestellt. 
Die  folgende  Figur  wagen  wir  nicht  zu  benennen,  doch  scheint 
sie  im  Gegensatz  zu  den  anderen  ideal  gehaltenen  Figuren 
eine  Person  des  Lebens,  vermuthlich  den  herrschenden  Kaiser 
darzustellen.     Man  hat  sie  für  Claudius  erklärt. 

Auf  dem  anderen  Fragment  wird  ein  nach  römischer 
Sitte  mit  einer  Binde  behangener  Opferstier  zum  Altar  geführt. 
Da  die  beiden  Fragmente  zusammengehören  und  jenes  offen- 
bar in  den  Personen  des  Cäsar  und  August  den  Mittelpunkt 


*  Im  Römischen  Saal  n.  104. 
**  Ebendas.  n.  93. 
***  Ebendas.  n.  91. 
****  Im  Niobidensaal  n.  121.  122. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  501 

der  ganzen  ursprünglichen  Composition  enthält,  so  wird  das 
auf  diesem  dargestellte  Opfer  zu  Ehren  der  beiden  Herrscher 
dargebracht  sein. 

Die  Reliefs  sind  schön  gearbeitet  und  die  verstümmelte 
weibliche  Figur  zur  Linken  macht  ganz  den  Eindruck  eines 
griechischen  Werkes.  Sie  zierten  vermuthlich  die  Basis  eines 
dem  Cäsar  und  August  errichteten  Ehrendenkmals. 

Abg.  und  erklärt  v.  Conze,  Die  Familie  des  Augustus,  Programm 
zur  Begrüssung  der  Philologenversammlung  v.  J.  1867,  dessen  Er- 
klärung übrigens  in  mehreren  Punkten  von  J.  Friedländer  in  einem 
nächstens  in  der  Archäologischen  Zeitimg  erscheinenden  Aufsatz  be- 
stritten wird,  dem  ich  mich  anschliessen  musste. 

807.  Sogenannter  Germanikus*,  Marmorrelief  in 
Dresden,  aus  der  Chigi'schen  Sammlung. 

Sehr  wahrscheinlich  ist  dies  Relief  der  Schlussstein  im 
Innern  eines  Bogens.  Wir  wissen  nicht,  wer  in  der  Büste, 
welche  durch  die  Kranz  und  Palmen  tragenden  Viktorien  als 
die  eines  Siegers  bezeichnet  wird,  gemeint  sein  mag.  Die  Be- 
nennung Germanikus  ist  unbegründet. 

Abg.  Augusteum  III  Taf.  123.  Vgl.  H«ttner  Antikensammlg.  zu 
Dresden  n.  363. 

808.  Grabstein  des  Marcus  Caelius**,  1633  bei 
Xanten  gefunden  und  im  Museum  zu  Bonn  befindlich. 

Die  römischen  Grabsteine  unterscheiden  sich  von  den 
griechischen  (n.  357  ff.)  hauptsächlich  in  folgenden  drei  Punkten. 
Jene  begnügen  sich  sehr  oft  mit  der  Halbfigur  oder  Büste 
des  Verstorbenen,  während  diese  fast  immer  die  ganze  Ge- 
stalt geben.  Vielleicht  ist  dies  noch  eine  Nachwirkung  der 
altrömischen  Sitte,  nur  die  Gesichtszüge  des  Verstorbenen  in 
einer  Wachsmaske  aufzubewahren.  Sodann  werden  die  Fi- 
guren auf  römischen  Grabsteinen,  auch  wenn  es  ganze  Fi- 
guren sind,  sehr  oft  handlungslos,  nur  figurirend  und  en  face 
dargestellt,  während  die  Griechen  wie  wir  sahen,  Handlungen 
darstellten  und  die  Figur,  wie  es  für  den  Reliefstil  ange- 
messener ist,  ins  Profil  stellten.  Endlich  aber  ist  der  ganze 
Charakter  der  römischen  Grabsteine  realistischer,  der  histo- 
rische Charakter  des  Denkmals  wird  vorangestellt,  während 
bei  den  Griechen  das  Historische  oft  zu  Gunsten  des  Poeti- 
schen geopfert  wird. 


f  In  den  Durchgängen  zum  römischen  Kuppelsaal  n.  18. 
**  Im  Griechischen  Hof  n.  9. 


502  Genre  und  historische  Darstellungen. 

Der  vorliegende  Grabstein  ist  sehr  geeignet,  diese  all- 
gemeinen Bemerkungen  zu  bestätigen.  Er  ist,  wie  die  In- 
schrift angiebt,  einem  im  Varianisclien  Kriege  gefallenen  Sol- 
daten gesetzt,  wahrscheinlich  einem  Centurionen,  dessen 
Abzeichen,  den  Rebstock,  wenigstens  die  Figur  trägt.  Der 
Soldat  ist  reich  mit  militärischen  Dekorationen  bedeckt,  auf 
dem  Haupt  trägt  er  die  Corona  civica,  die  ob  cives  servatos 
gegeben  wurde,  auf  der  Brust  zwei  Ringe,  armillae,  und  an 
Kreuzbändern  befestigt  fünf  Phalerae,  die  unsern  Orden  zu 
vergleichen  sind.  Man  hat  die  Darstellungen  auf  den  letz- 
teren aus'  dem  Gesichtspunkt  der  Apotropaia,  der  Schutz- 
mittel gegen  böse  Einflüsse,  wie  sie  der  Aberglaube  annahm, 
zu  erklären  gesucht,  und  allerdings  würden  das  Medusenhaupt 
und  der  Löwenkopf  diesem  Zweck  entsprechen,  nicht  aber  die 
beiden  bacchischen  Köpfe.  Die  Löwenköpfe  auf  den  Schul- 
tern übrigens  sind  wohl  zur  Befestigung  der  Riemen  auf  den 
Schultern  bestimmt. 

Neben  der  Hauptfigur  sind  auf  Pfeilern  zwei  Büsten  auf- 
gestellt, die  nach  der  Inschrift  Freigelassene  des  Gaelius  waren 
und  vermuthlich  mit  ihm  im  Kriege  fielen*. 

Abg-.  Lindenschmit ,  Die  Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzeh 
H.  VI  Taf.  5  mit  Erklärung.  Vgl.  0.  Jahn,  Die  Lauersforter  Phalerae, 
Winckelmannsprogramm  von  Bonn  1860.     Henzen  Annali  1860  p.  205. 


*  Es  wird  genügen,  einige  verwandte  Grabsteine  römischer  Sol- 
daten aus  späterer  Zeit  und  von  sehr  geringem  Kunstwerth  in  einer 
Anmerkung  zu  erwähnen.  Sie  befinden  sich  im  Griechischen  Hof  und 
sind  im  Catalog  mit  n.  10 — 13  bezeichnet.  Der  erstere  ist  der  Denk- 
steui  des  Cn.  Musius,  Adlerträgers  der  14.  Legion,  von  seinem  Bruder 
M.  Musius  gesetzt.  Die  Bewaffnung,  der  Kettenpanzer,  der  lederne 
Waifenrock,  der  Gürtel,  dann  die  phalerae,  armillae  und  der  Legious- 
adler  sind  sehr  anschaulich  dargestellt,  die  Arbeit  aber  ist  schon  ganz 
roh.  Der  Stein  befindet  sich  in  Mainz  und  ist  abg.  bei  Lindenschmit, 
Alterth.  unserer  heidn.  Vorzeit  IV,  6.  Die  anderen  drei  Steine  sind 
entfernte  Abkömmlinge  der  schönen  zu  n.  357  erwähnten  griechischen 
Grabsteine,  auf  welchen  der  Verstorbene  in  einer  glänzenden  Waifen- 
that  dargestellt  ist.  Die  ersten  beiden,  der  des  C.  Romanius  und  des 
Dalmatiers  Andes,  befinden  -sich  beide  in  Mainz,  der  dritte,  der  dem 
Q.  Carminius  Ingenuus,  dem  signifer  der  ala  Hispanorum  gesfetzt  ist, 
auf  dem  Stadthaus  zu  Worms.  An  dem  letzten  ist  das  eigenthümliche 
Signum  bemerkenswerth,  an  dem  des  Andes  die  Gestalt  des  unter  dem 
Pferde  liegenden  Germanen  mit  dem  gekrümmten  Schwert,  dem  spitzen 
Bart,  dem  in  einen  Schopf  zurückgebundenen  Haar  imd  der  Hosen- 
bekleidung, die  sich  auf  den  Reliefs  der  Trajanssäule  (n.  820)  und  sonst 
wiederholt.  Vgl.  die  Abbildungen  und  Erklärungen  bei  Lindenschmit 
a.  a.  0.  ni,  7  und  XI,  6. 


Genre  und  historische  Darstelhiugeii.  503 

Die  Inschrift  lautet:  Marco  Caelio,  T(iti)  f(ilio),  Lem(oiüa),  Bon(oiiia)  ..u 
leg(iouis  XIIX,  ann(orum)  LIII  s(einis).  (ce)cidit  hello  Variano.  ossa 
infen'e  licohit.     Publlus  Caelius  T(iti)  flfilius)  Leni(onia)  frater  fecit. 

809.  Sogenannte  Thusnelda*,  Marmorstatue,  aus 
Palast  Capranica  in  Villa  Medici  und  von  dort  nach  Flo- 
renz versetzt,  wo  sie  in  der  Loggia  de'  Lanzi  steht.  Ergänzt 
ist  die  linke  Hand  und  der  rechte  Vorderarm  fast  vom  Ell- 
bogen an. 

Die  Bezeichnung  dieser  Statue  als  Thusnelda  ist  nur  in  so- 
weit begründet,  als  unzweifelhaft  eine  Deutsche  dargestellt  ist. 
Dies  beweist  die  Form  der  Schuhe.  Aber  da  jeder  porträt- 
artige Zug  fehlt,  so  hat  man  die  Statue  mit  mehr  Recht  als 
eine  Germania  devicta  bezeichnet. 

Die  Statue  ist  würdig  mit  Tacitus  Germania  verglichen  zu 
werden,  sie  ist  ein  gleich  schönes  Denkmal,  das  ein  Römer 
der  germanischen  Nation  gesetzt  hat.  Der  Künstler  hat  eine 
reife  Jungfrau  gebildet,  denn  nur  als  eine  solche,  als  eine 
Heldenjungfrau,  die  den  Kampf  nicht  scheut,  konnte  Germania 
gebildet  werden.  Ihr  hoher  Wuchs  überragt  das  Maass  des 
Südens  und  erinnert  an  das  Wort  des  Tacitus,  in  dem  er 
seine  Bewunderung  der  hochgewachsenen  germanischen  Ge- 
stalten ausspricht.  Sie  trauert  zwar  Über  das  Unglück  ihres 
Vaterlandes,  sie  ist  so  ganz  in  ihre  Trauer  versunken,  dass 
sie  auch  des  gelösten  Gewandes,  das  ihre  Brust  entblösst 
hat,  nicht  achtet,  aber  dieser  tiefe  Schmerz  ist  voll  Adel  und 
auch  nur  der  Ausdruck  einer  hohen  Gesinnung. 

Die  Veimuthung,  dass  die  Statue  durch  den  Triumph 
■des  Germanicus  über  die  Deutschen  veranlasst  und  ein 
Siegerdenkmal  geziert  habe,  ist  mehr  als  wahrscheinlich. 

Abfi:.  Mnnum.  d.  inst.  III,  tav.  28.    Vgl.  Göttling  Annali  XIII  p.  58. 
Brunn  Gesch.  d.  griech.  Künstl.  I  p.  453. 

810.  Sogenannte  Omphale**,  Marmorkopf,  der  in 
Ostia  gefunden  sein  und  sich  jetzt  in  England  befinden  soll. 

Die  Benennung  Omphale  ist  wohl  durch  die  fellartige  Kopf- 
bedeckung veranlasst,  die  man  für  ein  Löwenfell  angesehen  hat. 
Aber  selbst  wenn  dies  deutlich  wäre,  so  wäre  der  tief 
schmerzliche  Ausdruck  bei  einer  Omphale  nicht  zu  verstehen. 


*  In  Ermangelung   eines   üypsabgusses   ven^'eisen  wir    einstweilen 
auf  die  Marmorcopie  der  Statue  vor  der  Orangerie  in  Potsdam. 


** 


Im  (lewerbeinstitut. 


504  Genre  und  historische  Darstelhnigen. 

Nach  unserer  Meinung  hat  der  Kopf  einen  unhellenischen  Cha- 
rakter und  würde  für  eine  edle  Barbarenfrau  nach  Art  der 
Thusnelda  passend  sein.  Die  Trauer  wäre  bei  dieser  An- 
nahme eben  so  erklärlich  wie  die  fremdartige  Kopfbe- 
deckung. 

Welcker  Akad.  Mus.  n.  175^  nennt  den  Kopf  zweifehid  Omphale, 
0.  Jalin  Soph.  Electra  (wo  auch  ein  Holzschnitt  des  Kopfes  gegeben  ist) 
p.  lOr  findet  in  ihm  den  Charakter  einer  Antigone  oder  Electra. 

811.  Opfernder  Römer*,  Marmorstatue,  die  aus  Grie- 
chenland in  den  Besitz  der  Familie    Giustiniani  zu  Venedig 

•  gelangt  sein  soll  und  durch  Clemens  XIV  für  den  Vatikan 
angekauft  wurde.  Der  Kopf  ist  antik  aber  nicht  zugehörig,  er- 
gänzt sind  beide  Hände  mit  der  Schaale,  die  Ergänzung  der 
Rechten  ist  gewiss  richtig,  die  der  Linken  fraglich. 

Die  Figur  stellt  einen  vornehmen  mit  der  Toga  beklei- 
deten Römer  dar,  im  Begriff  die  Opferschaale  über  den  Altar 
auszugiessen.  Die  Toga  ist  über  den  Kopf  gezogen,  wie  es 
der  römische  Ritus  erforderte,  den  Virgil  dadurch  motivirt^ 
dass  der  Opfernde  vor  aller  Störung  von  aussen  geschützt 
sein  sollte.  Materiell  freilich  genügt  dieser  Schutz  nicht^ 
wohl  aber  ist  die  Verhüllung  des  Hinterhauptes  ein  ausdrucks- 
volles Symbol,  wodurch  der  Opfernde  concentrirter,  gesammelter 
und  zugleich  feierlicher,  würdevoller  für  die  heilige  Handlung 
erscheint. 

Die  Statue  ist  recht  geeignet,  eine  Vorstellung  von  dem  feier- 
lichen Charakter  der  römischen  Tracht  zu  geben,  jede  grie- 
chisch gekleidete  Gestalt  sieht  schlicht  und  einfach  aus 
gegenüber  den  reichen  Faltenmassen  der  Toga,  die  hier  sa 
ausgezeichnet  behandelt  sind,  dass  die  Statue  mit.  Recht  als 
eine  der  vorzüglichsten  römischen  Gewandstatuen  betrachtet 
wird. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  3,  19  p.  91.    Vgl.  E.  Braun  Ruinen  p.  462, 

812.  Jüngere  Agrippina**,  Marmorstatue,  mit  den  Far- 
nesischen Schätzen  nach  Neapel  gekommen.  Ergänzt  sind  die 
Stuhlbeine,  die  hier  im  Abguss  ganz  fehlen,  und  die  Fuss- 
bank,  an  der  Figur  selbst  die  Nase,  die  beiden  Hände  und 
die  vordere  Hälfte  der  Füsse. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  4. 
**  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  11, 


Genre  und  historische  Darstellungen.  505 

Es  ist  die  jüngere  Agfippina,  die  Gemahlin  des  Clau- 
dius und  Mutter  des  Nero  dargestellt,  deren  Physiognomie 
und  Haartracht  die  Münzen  dieser  Kaiserin  uns  überliefert 
haben. 

Der  Künstler  hat  die  Kaiserin  in  höherem  Alter  und  in 
dem  Ausdruck  schmerzlichen  Sinnens,  trauernder  Resignation 
dargestellt,  aber  zugleich  mit  dem  edelsten  Anstände,  denn 
es  ist  in  der  That  keine  Falte  des  Gewandes  freier  oder 
nachlässiger,  wie  es  Trauernden  so  natürlich  wäre,  angeord- 
net, sondern  die  ganze  Gestalt  ist  bis  ins  kleinste  Detail 
einem  königlichen  Charakter  angemessen. 

Der  Charakter  der  Agrippina,  wie  er  uns  geschichtlich 
überliefert,  ist  nicht  so  anziehend,  wie  ihre  Statue,  und  doch 
ist  ein  Umstand  ihres  Lebens  von  tragischem  Interesse,  der 
auch,  wie  wir  vermuthen,  den  Künstler  zu  dieser  Auffassung 
veranlasst  hat.  Wir  meinen  das  Verhältniss  der  Kaiserin  zu 
ihrem  Sohn  Nero,  dem  die  Mutter  den  Thron  verschafft  hatte, 
um  schliesslich  durch  ihn  vernichtet  zu  werden.  Die  schmerz- 
lichen Gedanken,  von  denen  die  alternde  Kaiserin  erfüllt  ist, 
würden  durch  diese  Voraussetzung  ihre  Erklärung  finden. 

Die  Statue  gehört  zu  den  edelsten  Porträtdarstellungen 
der  alten  Kunst,  unter  den  Werken  der  römischen  Zeit  aber 
kommen  ihr  nur  sehr  wenige  gleich. 

Abg.  Mnseo  borbon.  111,22.  Clarac  pl.  Q29.  An  die  ältere  Agrip- 
pina, (leren  Kopf  und  Haar  ganz  verschieden  ist,  hätte  nie  gedacht 
worden  sollen.  Das  Ri(flitige  sah  Visconti  Op.  var.  I,  127.  Vgl.  Meyer 
z.  Winik.  XI,  3  §.  3. 

813.  Sogenannte  Clytie*,  Marmorbtiste,  von  Townley 
1772  der  Familie  Laurenzano  in  Neapel,  in  deren  Besitz  sie 
lange  gewesen  war,  abgekauft  und  mit  dem  übrigen  Town- 
ley^ sehen  Besitz  ins  britische  Museum  übergegajigen. 

Die  Benennung  Clytie  rührt  daher,  weil  man  den  Kranz, 
aus  dem  die  Büste  hervorgeht,  aus  Blättern  der  Sonnen- 
blume, in  welche  nach  Ovid's  Dichtung  Clytie  verwandelt 
wurde,  zusammengesetzt  glaubte.  Allein  der  Kopf  ist  Porträt 
und  der  Blattkranz  hat  keine  materielle  Bedeutung,  sondern 
nur  den  formellen  Zweck,  eine  schönere  Verbindung  zwischen 
Basis  und  Büste  herzustellen,  die  nun  wie  eine  Blüthe  "aus 
den  Blumen  des  Kelchs  auftaucht.     Auch  an  einigen  andern 


*   In  Tegel. 


506  ,  Genre  und  historische  Darstellung^en. 

Büsten  findet  sich  dies  Motiv,  besonders  häufig  aber  an  Tisch- 
iind  Sesselfüssen,  die  nach  unten  in  einen  Thierfuss,  nach 
oben  in  einen  Thier-  oder  Menschenkopf  enden  und  an  der 
Verbindungsstelle  dieser  beiden  Elemente  von  dem  Blatt- 
kranz umgeben  sind.  Vermuthlich  ist  die  Malerei  hierin  der 
Plastik  vorangegangen,  man  findet  wenigstens  schon  auf  Vasen- 
gemälden, allerdings  erst  im  spätesten  Stil  derselben,  ähnliche 
Motive. 

Diese  Verbindung  von  Büste  und  Basis  war  in  unserm 
Fall  um  so  nothwendiger,  weil  die  Büste  nicht  als  Büste 
componirt  sondern  offenbar  von  einer  Statue  genommen  ist, 
und  zwar  von  einer  Statue,  die  ungefähr  die  Haltung  und 
Stimmung  der  eben  besprochenen  Agrippina  haben  mochte. 

Der  Kopf  ist  wie  gesagt  Porträt  und  höchst  ausdrucks- 
voll und  anziehend;  das  Werk  gehört  zu  den  schönsten,  die 
aus  römischer  Zeit  auf  uns  gekommen  sind. 

Abg.  EUis  Tüwnley  gallery  II,  p.  20.  Vaux  hAndbook  lo  the  brit. 
mus.  p.  192.  In  den  Sitzung-en  der  hiesigen  archäologischen  Gesell- 
schaft von  diesem  Jahr  (Arch.  Anz.  1867  p.  55.  58)  wurde  die  Aecht- 
heit  der  Büste  von  künstlerischer  Seite  angefochten,  was  für  mich  nicht 
überzeugend  war;  Hübner  versuchte  nach  Münzen  eine  individuelle  Be- 
nennung der  Figur,  ohne  zu  einem  sicheren  Resultat  zu  kommen.  In 
Betreff  des  Blattkranzes  vgl.  die  athenische  Büste  bei  Pervanoglu,  die 
Grabsteine  der  alten  Gr.  p.  28  und  mehrere  römische,  die  Visconti  Pio- 
Clem.  VI.  zu  tav.  47  anführt,  ausserdem  n.  955  ff. 

814.  Kopf  des  Nero*,  von  Marmor,  1740  von  Athen 
nach  London  gebracht,  wo  er  sich  im  britischen  Museum  be- 
findet.    Die  Nasenspitze  ist  neu. 

Das  tief  auf  den  Nacken  hinabreichende  Haar  war  dem 
Nero,  wie  wir  wissen,  auch  im  Leben  eigen. 

Abg.  Marbles  of  the  brit.  mus.  X  pl.  6.  Ellis,  Townley  gallery 
II,  p.  29. 

815.  Colossaler  Kopf  des  Vespasian**,  von  Marmor, 
mit  den  Famesischen  Alterthümern   nach  Neapel  gekommen. 

Abg.  Museo  borbon.  XIII,  24,  wo  er  irrthümlich  Titus  genannt  wird. 

816.  Colossaler  Kopf  des  Titus***,  von  Marmor,  in 
Villa  Albani  befindlich. 

•Vgl.  Beschreibg.  Roms  III,  2,  4G4. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  119. 
**  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  9. 
***  Ebendas.  n.  5. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  507 

817.  818.  Römische  Damen*,  Mutter  und  Tochter, 
Marmorstatuen  aus  Herkulanum,  im  J.  1706  oder  1711  oder 
1713  gefunden,  als  man  den  Brunnen  eines  Privathauses  aus- 
grub. Die  Statuen  haben  die  Veranlassung  zur  Auffindung 
Herkulanums  gegeben,  wenn  auch  die  Ausgrabungen  erst 
dreissig  Jahre  später  weitergeführt  wurden.  Sie  gelangten 
zuerst  nach  Wien  in  den  Besitz  des  Prinzen  Eugen  von  Sa- 
voyen  und  wurden  von  dessen  Erben  im  J.  1736  an  König 
August  III.  verkauft  und  in  Dresden  aufgestellt,  wo  sie  sich 
noch  jetzt  befinden. 

Die  Statuen,  die  früher  Vestalinnen  genannt  wurden, 
sind  unzweifelhaft  Porträtstatuen  vornehmer  Römerinnen  und 
zwar  einer  Mutter  mit  ihrer  Tochter.  Die  erstere  trägt  als 
Matrone  den  Kopf  bedeckt,  die  letztere  ist  durch  den  offenen 
Kopf  als  Jungfrau  charakterisirt,  beide  aber  machen  durch 
die  Gewandung  und  Haltung  der  Arme  den  Eindruck  der 
höchsten  Zucht  und  Anmuth.  Der  römische  Künstler,  der 
diese  Statuen  bildete  —  denn  sie  scheinen  von  einer  Hand 
gearbeitet  —  hat  sie  indessen  nicht  selbständig  erfunden, 
sondern  nach  griechischen  Originalen  copirt. 

Abg.  Augusteum  Taf.  19—22.  33.  34.  Vgl.  Hettner  Die  Bildw. 
d.  Kgi.  Antikensammlg.  zu  Dresden  n.  259.  260.  Mit  der  Tochter 
stimmr.  überein  die  von  Lord  Elgin  aus  Theben  mitgebrachte  Figur  bei 
Eliis,"  Elgin  marbles  U  p.  122,  die  Mutter  wiederholt  sich  in  einer  Terra- 
kotta aus  der  Krim,  Antiq.  du  Bosp.  Cim.  Titelbild,  I  p.  5. 

819.  Porträtstatue  einer  jungen  Römerin**,  von 
Marmor,  in  Rom  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  ge- 
funden und  im  Louvre  befindlich.  Die  linke  Hand  ist  er- 
gänzt. 

Die  junge  Dame  ist,  wie  es  scheint,  im  Begriff,  den 
Zipfel  des  Mantels,  den  sie  mit  der  Rechten  gefasst  hat,  über 
die  linke  Schulter  zu  werfen,  wie  die  gewöhnliche  Tracht  es 
erforderte.  Es  ist  allerdings  ungewöhnlich,  eine  Porträtfigur 
in  einer  solchen  Handlung  begriffen  darzustellen. 

Die  Statue  ist  elegant  gearbeitet,  eigenthümlich  aber  ist, 
dass  der  rechte  Fuss  ganz  verschwindet. 

Abg.  Clarao  pl.  300.     Visconti  Op.  var.  IV,  tav.  35  p.  233.      .. 


*  Im  Saal  des  Barberinischen  Fauns  u.  2.  3. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  23. 


508  Genre  und  historische  Darstelhingen. 

820-^828.  Reliefs  von  der  Trajanssäule  in  Rom*, 
Die  Trajanssäule  ist  bis  auf  das  Standbild  des  Kaisers,  dessen 
Träger  sie  war,  noch  ziemlich  unversehrt  erhalten.  Sie  er- 
hebt sich  über  100'  hoch  und  ist  mit  einem  spiralförmig 
umlaufenden  und  nach  oben,  um  besser  gesehen  zu  werden, 
allmählich  breiter  werdendem  Reliefbande  verziert,  auf  dem 
die  Siege  Trajans  über  die  Dacier,  zu  deren  Verewigung  die 
Säule  errichtet  wurde,  dargestellt  sind.  Von  der  Länge  dieses 
Bandes  mag  die  Angabe  einen  Begriff  geben,  dass  allein  an 
menschlichen  Figuren  etwa  2500  vorhanden  sind.  Wir  ver- 
suchen zuerst  uns  über  die  hier  vorhandenen  Proben  zu 
Orientiren,  um  dann  noch  einige  Bemerkungen  über  das  Ganze 
anzuknüpfen. 

Gleich  aus  dem  Anfang  der  Darstellung  ist  die  Figur 
des  Donaustroms**  genommen,  der  mit  halbem  Leibe  aus  den 
Fluthen  hervorragend  dargestellt  ist.  Man  denke  sich  über 
und  rechts  von  ihm  eine  befestigte  Stadt  hinzu,  aus  deren 
Thor  das  römische  Heer  die  über  seine  Fluthen  geschlagene 
Schiffbrücke  betritt,  und  man  wird  die  Miene  des  Unmuths 
verstehen,  die  sein  Gesicht  zeigt. 

Die  folgenden  zwei  Tafeln***  bilden  den  Schluss  des 
ersten  grösseren  Abschnitts.  Die  Scene  wird,  wie  dies  über- 
haupt auf  der  ganzen  Säule  der  Fall  ist,  durch  zwei  Bäume 
abgeschlossen  und  enthält  einen  Angriff  der  Dacier  auf  ein 
römisches  Castell,  das  am  Fluss  liegt.  Offenbar  ist  es  ein  Ueber- 
fall  zur  Winterszeit,  welche  die  Römer  eben  in  ihren  Castellen 
abwarteten,  und  die  mit  den  Wellen  des  Flusses  kämpfenden 
Dacier  sind  durch  das  Eis  gebrochen  und  müssen  nun  vor 
den  Augen  der  jammernden  Gefährten,  die  glücklich  hinüber- 
gekommen sind,  umkommen.  Unter  den  letzteren  befinden 
sich  auch  zwei  Standartenträger  mit  dem  Drachen,  dem  daci- 
schen  Feldzeichen.  Das  Oasteil  wird  auf  der  einen  Seite  von 
dacischen  Bogenschützen  und  zugleich  mit  dem  Mauerbrecher, 
dem  Widder,  angegriffen,  von  der  andern  Seite  kommt  ein 
parthisches  Hülfscorps  der  Dacier,  sogenannte  cataphractarii, 
Mann  und  Ross  ganz  mit  einem  Schuppenpanzer  bekleidet,  heran. 
Die  Wurfspeere  der  Römer  sind  nicht  angegeben,  wie  über- 
haupt auf  der  ganzen  Säule  die  Waffen  meistens  fehlen,   da 


*  Im  Römischen  Kuppeisaal  n.  15 — 23, 
**  n.  18. 
***  n.  15  a.  b. 


Geure  und  historische  Darstellungeü.  509 

die  Allgabe  der  Bewegung  vollkommen  genügt,  um  die  Hand- 
lung deutlich  zu  machen. 

Die  folgende  Platte*  schlicsst  fast  unmittelbar  an  die 
eben  betrachteten  an  und  bezeichnet  den  Anfang  eines  neuen 
Abschnitts;  nämlich  die  Rückkehr  des  Kaisers  zum  Heer,  das 
er  während  des  Winters  verlassen  hatte.  Er  hat  sich  ein- 
geschifft und  führt  selbst,  wie  er  es  oft  gethan  haben  soll, 
das  Ruder  des  Schiffs,  das  durch  eine  Kajüte  und  reichere 
Verzierungen  —  man  bemerkt  am  Vordertheil  Amoren  auf 
Seethieren  —  ausgezeichnet  ist.  Darüber  sieht  man  ein 
anderes  Schiff,  worin  eine  stehende  und  gestikulirende  Figur 
auffällt,  offenbar  derjenige,  der  den  Ruderern  den  Takt  an- 
zugeben hatte.  Von  der  folgenden  Scene,  welche  die  Aus- 
schiffung enthielt,  sieht  man  noch  einige  Soldaten,  die  das 
Gepäck  aus  den  Schiffen  herausholen.  Zu  bemerken  ist  noch, 
dass  der  im  Wasser  unter  dem  Schiff  des  Kaisers  befindliche 
oblonge  Einschnitt  von  einem  der  Fenster  herrührt,  welche 
die  im  Innern  der  Säule  sich  hinaufwindende  Treppe  er- 
leuchten. 

An  diese  Scene  schliessen  sich  nach  geringem  Zwischen- 
raum die  folgenden  Platten  an**,  die  mit  einer  halben  Scene 
beginnen.  Man  erblickt  eine  Abtheilung  des  parthischen 
Hülfscorps  auf  der  Flucht  vor  der  (hier  nicht  sichtbaren)  rö- 
mischen Reiterei.  Einer  der  Parther  schiesst  dabei  sich  um- 
wendend den  Bogen  ab,  was  als  charakteristische  Sitte  dieser 
Tülkerschaft  erwähnt  wird.  Sodann  folgt  eine  besonders 
lebendig  und  interessante  Scene,  ein  nächtlicher  Angriff  auf 
die  Position  der  Dacier.  Denn  die  mit  halbem  Leibe  hinter 
dem  Berge  hervorragende  weibliche  Figur,  die  ihr  Ober- 
gewand bogenförmig  flattern  lässt  —  ein  für  Licht-  und  Luft- 
gottlieiten  characteristisches  Motiv  —  entspricht  ganz  den 
Darstellungen  der  Selene  auf  Sarkophagen.  Die  Dacier  wer- 
den von  allen  Seiten  und  von  verschiedenen  Truppengattungen 
angegriffen,  von  Reitern,  die  mit  einem  feinen  Kettenpanzer 
bekleidet  sind,  Fusssoldaten  und  ausserdem  von  barbarischen 
Hülfstruppen  der  Römer,  wahrscheinlich  Germanen,  die  sich 
durch  den  nackten  Oberkörper  und  durch  die  Keule,  die  sie 
als  Waffe  führen,  von  den  Daciern  unterscheiden.  Unter  den 
verwundeten  Daciern  bemerkt  man  einen  mit  dem  Hut,   viel- 


*   11.   17  a.  I). 
**   n.   16  a.  I). 


■n 


510  Genre  und  historische  Darstellung^en. 

leicht  dem  Abzeichen  der  Vornehmeren,  bekleideten,  der  sich 
selbst  das  Schwert  in  die  Brust  stösst,  weil  er  den  Tod  der 
Gefangenschaft  vorzieht.  In  der  Höhe  sieht  man  den  Train 
der  Dacier,  vierräderige  Karren  mit  Waffen,  Feldzeichen  und 
sonstigem  Geräth  beladen,-  auch  eine  nackte  Leiche  hängt  von 
einem  Rade  herab. 

Die  Platte  mit  der  Viktoria*  endlich  bezeichnet  wieder 
den  Abschluss  eines  grösseren  Abschnittes.  Von  Trophäen 
umgeben  (die  hier  nicht  vorhanden  sind)  schreibt  die  Sieges- 
göttin die  Thaten  des  Kaisers  auf  ihren  Schild.  Diese  Figur 
ist  übrigens  keine  originelle  Erfindung,  derselbe  Typus  ist  in 
grösseren  statuarischen  Werken  erhalten  und  schon  in  der 
Venus  von  Milo  gegeben. 

Ausserdem  sind  noch  eine  Anzahl  von  Köpfen**  vor- 
handen, darunter  auch  ein  Idealkopf,  der  des  Donnergottes,, 
der  in  einer  Scene  dargestellt  war,  wie  er  gegen  die  Dacier 
seine  Blitze  schleudert  Unter  den  übrigen  heben  wir  den 
mit  einem  Thierfell,  dem  Abzeichen  der  Standartenträger  und 
Signalbläser  bekleideten  hervor,  und  denjenigen,  der  einen 
Federbusch  auf  dem  Helm  trägt,  was  als  ein  Vorrecht  der 
Prätorianer  betrachtet  wird.  Interessant  sind  auch  die  aus 
einer  Kampfscene  genommenen  Köpfe  eines  Römers  und  eines 
Daciers,  von  denen  der  erstere  den  andern  zwischen  den 
Zähnen  gefasst  hält. 

Wer  Gelegenheit  gehabt  hat,  die  vollständigen  Abgüsse 
der  Trajanssäule  in  Paris  oder  im  Lateran  zu  studiren,  wird 
nicht  genug  die  Schönheit  der  Reliefs  zu  rühmen  wissen  und 
trotz  der  ungeheuren  Ausdehnung  keine  Ermüdung  verspürt 
haben.  Denn  es  ist  för  die  reichste  Abwechslung  gesorgt 
und  unter  das  wilde  Kampf-  und  Kriegsleben  sind  die  rüh- 
rendsten und  innigsten  Scenen  gemischt,  z.  B.  die  Pflege  der 
Verwundeten  und  besonders  die  Trauer  der  Dacier  um  früh 
gefallene  Jünglinge.  Gerade  dies,  dass  die  Reliefs  so  herz- 
lich und  menschlich,  mit  tiefem  Gefühl  auch  für  das  Leid 
der  Unterliegenden  empfunden  sind,  ist  das  Anziehende,  es 
ist  nicht  eine  prunkende  und  stolze  Siegeschronik  in  Stein 
gehauen,  sondern  eine  lebensvolle,  ergreifend  wahre  und  treue 
Kriegsdarstellung,  der  wir  keine  zweite  aus  alter  oder  neuer 
Zeit   an   die   Seite   zu  setzen  wüssten.    Man  mag  die  ganze: 


*  n.  19. 
**  n.  20-23. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  511 

Idee  der  Säule  verfehlt  nennen,  da  allerdings  die  Reliefs  am 
Original,  auch  wenn  sie,  was  übrigens  nicht  der  Fall  war^ 
bemalt  gewesen  wären,  für  die  Betrachtung  verloren  sind,  aber 
die  Künstler,  die  daran  thätig  waren,  haben  ähnlich  wie  die 
vom  Parthenon,  welche  die  Rückseite  der  Fignren  mit  der- 
selben Vollendung  ausführten  wie  die  Vorderseite,  mehr  ihrer 
künstlerischen  Begeisterung  und  Liebe  nachgegeben  als  an 
den  Effekt  ihrer  Arbeit  gedacht. 

Die  Reliefs  der  Säule  sind  ein  specifisch  römisches  Werk^ 
durchaus  realistisch  und  geschichtlich,  so  dass  sie  auch  unter 
dem  antiquarischen  Gesichtspunkt  höchst  werthvoU  sind.  Nur 
die  freilich  seltene  Einmischung  mythologischer  Figuren,  die 
auch  auf  den  Sarkophagen  mit  national-römischen  Darstellun- 
gen vorkommt,  ist  noch  ein  Rest  früherer,  mehr  griechischer 
Auffassungsweise,  woran  man  Anstoss  nehmen  könnte,  wenn 
nicht  diese  Figuren  eben  auch  nur  den  Zweck  hätten,  ge- 
wisse für  das  geschichtliche  Ereigniss  wichtige  Nebenbegriffe 
auszudrücken.  Denn  die  Selene  und  der  donnernde  Jupiter 
in  den  oben  erwähnten  Kampfscenen  sollen  nur  den  Umstand 
hervorheben,  dass  jene  Kämpfe  bei  Nacht  und  im  Unwetter 
stattfanden,  um  aber  dies  auszudrücken,  hatte  die  alte  Plastik 
kein  anderes  Mittel  als  die  Personification. 

Vgl.  die  Schrift  von  Fröhner,  la  colonne  Trajane,  Paris  1865,  wo  ^ 
auch  die  Abbildungen  und  die  übrige  Literatur  angegeben  ist. 

829 — 831.  Dacier*,  Colossalköpfe  von  Marmor,  auf 
dem  Trajausforum  gefunden  und  im  Vatikan  befindlich. 

Der  barbarische  Typus  ist  in  diesen  Köpfen  mit  grosser 
^leisterschaft  ausgedrückt,  noch  jetzt  will  man  unter  den  Ru- 
mänen dieselben  breiten  und  wilden  Gesichter  mit  den  buschi- 
gen Augenbrauen  und  den  langen  ungepflegten  Haaren  be- 
merkt haben.  Durch  die  Trennung  zwischen  Backen-  und 
Kinnbart  wird  das  Breite  und  Vierschrötige  noch  bedeutend 
verstärkt.  Vermuthlich  gehörten  diese  Köpfe  zu  Statuen,  die 
an  einem  Siegesmonument,  etwa  an  der  Attika  eines  Triumph- 
bogens aufgestellt  waren. 

Die  Köpfe  befinden  sich  im  braccio  nuovo  und  sind  in  der  indioazione 
aiitiquaria  v.  J.  1856  mit  n.  9.  118.  127,  in  der  ßeschreibg.  Roms  mit 
II.  10.  19.  128  bezeichnet.  Einer  derselben  ist  abg.  Mus.  Chiaramonti 
H,  47. 


*  Im  Niobidensaal  n.  105 — 107. 


512  Genre  und  historische  Darstellungen. 

832.  833.  Reliefs  vom  Trajansbogen*,  am  Bogen  des 
Constantin  in  Rom  befindlich,  der  zum  grossen  Theil  mit  Re- 
liefs vom  Trajansbogen  geschmückt  ist. 

Die  Reliefs  stehen  mit  einander  in  Zusammenhang,  auf 
dem  einen  ist  Trajans  Jagd  auf  einen  Eber,  auf  dem  andern 
das  Siegesopfer  für  das  erlegte  Thier  dargestellt.  Dort  ist 
im  Gefolge  des  Kaisers  Antinous  und  wie  es  scheint,  Hadrian 
zu  erkennen,  hier  ist  wenigstens  der  letztere  in  der  dem  Tra- 
jan  gegenüberstehenden  Figur  kenntlich.  Der  Kaiser  hat  als 
Opfernder  den  Hinterkopf  verhüllt  und  hielt  unzweifelhaft  eine 
Schaale  in  der  Hand,  die  er  über  den  Altar  ausgoss.  Das 
Bild  der  Jagdgöttin,  nach  einem  oft  vorkommenden  Typus  ge- 
bildet, ist  in  den  Zweigen  eines  Baumes  aufgestellt,  wie  es 
bei  den  für  ländliche  Umgebung  bestimmten  Götterbildern  oft 
geschah.  Der  Kopf  des  erlegten  Ebers  ist  ihr  als  Weihge- 
schenk aufgehängt. 

Auch  diese  Reliefs,  namentlich  das  letzte,  gehören  zu  den 
schönsten  Proben  trajanischer  und  überhaupt  römischer  Kunst. 
Die  Gewänder  sind  im  Gegensatz  zu  der  sonst  an  römischen 
Werken  so  gewöhnlichen  Üeberfüllung  mit  Falten,  feierlich 
und  ernst  gehalten,  dem  Moment,  in  dem  sich  die  Figuren 
befinden,  entsprechend. 

Abg.  Bellori  arcus  triumphales  Taf.  23.  35.  36. 

834.  Colossaler  Kopf  des  Trajan**,  von  Marmor,  in 
Villa  Albani  befindlich. 

Vgl.  Beschreibg:.  Roms  III,  2,  464. 

835.  Plotina***,  schöne  Marmorbttste,  in  Cumae  gefun- 
den und  in  Neapel  befindlich. 

836.  Römische  Dame****,  fein  ausgeführte  Marmor- 
büste, mit  der  Famesischen  Sammlung  nach  Neapel  gekommen. 

837.  Desgl.f,  mit  Unrecht  für  Faustina  die  Jüngere  er- 
klärt.    Wo  das  Original  sich  befindet,  wissen  wir  nicht. 


*  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  1.  2. 
**  Ebeiidas.  n.  3. 
***  Im  Römischeu  Saal  n.  117. 
****  Im  Saal  der  Thiere  mid  Bronccu  n.  240. 
t  Im  Römischen  Saal  n.  118. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  513 

838.  Antoninus  Pius*,  Marmorbüste,  in  Cumae  gefun- 
den und  in  Neapel  befindlich. 

Die  Büste  gehört  zu  den  besten,  die  wir  von  diesem 
Kaiser  besitzen,  wenn  auch  das  Haar  in  der  kleinlich  detail- 
lirten  Weise  gearbeitet  ist,  die  zur  Zeit  Hadrfans  aufkam. 
Sie  giebt  uns  ein  Beispiel  der  sogenannten  römischen  Büsten- 
form, die  von  den  schildförmigen  Porträts,  einer  in  Rom  sehr 
alten  und  weitverbreiteten,  aber  auch  aus  Griechenland  be- 
kannten Sitte  abzuleiten  ist.  Auf  eine  schildförmige  Platte 
wurde  nämlich  das  Porträt  in  Relief  gesetzt,  eine  Anordnung 
die  veranlasst  ist  durch  den  uralten  auch  aus  Homer  bekann- 
ten Gebrauch,  den  Schild,  die  Kriegswaffe,  mit  bildnerischen 
Verzierungen  z.  B.  mit  Schreckbildern,  wie  dem  Medusenkopf, 
auszustatten.  Für  den  schildförmigen  Raum  war  es  nun  am 
passendsten,  nicht  bloss  den  Kopf  sondern  auch  die  Schultern 
und  ein  Stück  der  Brust  darzustellen,  und  in  dieser  Weise 
sind  in  der  Regel  die  Porträts  gestaltet,  die  namentlich  auf 
römischen  Grabsteinen  und  Sarkophagen  so  häufig  sind.  Die 
sogenannte  römische  Büstenform  ist  nur  eine  Uebertragung 
dieser  Reliefporträts  in  das  Rundwerk  und  man  sieht  dies 
noch  deutlich  an  den  kurz  abgeschnittenen  Armen,  die  Büste 
würde  in  einen  schildförmigen  •  Rahmen  genau  hineinpassen. 
Aber  eben  weil  der  Rahmen  fehlt,  so  macht  die  runde  Büste 
nicht  den  befriedigenden  Eindruck  wie  die  Reliefbüste,  es 
fehlt  die  Motivirung  für  die  Form,  die  darum  immer  etwas 
Willkührliches  behält.  Die  Büste  ist  wie  gewöhnlich,  nicht 
massiv,  sondern  ausgehöhlt.  Dies  war  nothwendig,  wenn  sie 
nicht  über  den  Fuss  hinausspringen  sollte,  was  unschön  ge- 
wesen wäre.  Gerade  über  der  Basis  aber  Hess  man  im  Innern 
einen  dicken  Pfeiler  stehen,  um  eben  noch  mehr  den  Schwer- 
punkt auf  die  Basis  zu  werfen. 

Diese  Büstenform  ist  bei  den  Römern  die  weitaus  ge- 
wöhnlichste, die  Herme  viel  seltner  und  vorwiegend  für  ideale 
Gestalten,  auch  für  berühmte  Griechen  benutzt.  Die  letztere 
ist  einfacher,  schlichter,  monumentaler,  als  die  erstere,  welche 
durch  den  Reichthum  der  Gewandung  und  durch  freiere  Wen- 
dungen des  Kopfes  weniger  ernst  und  ruhig  erscheint.  Frei- 
lich erlaubte  sich  kein  Römer,  was  sich  Michelangelo  erlaubte, 
der  den  Kopf  seiner  Brutusbüste  ganz  ins  Profil  stellte. 

*   Im  Römischen  Saal  n.  33. 
Fricderith«,  griech.  Plastik.  33 


514  Genre  und  historische  Darstellungen. 

Im  Arch.  Anz.  1866  p.  230  versucht  R.  Schöne  die  römische  Büsten- 
form ans  einer  Nachahmung  der  imagines  majorum  herzuleiten,  aber  die 
hohlen  Büsten  sind  nicht  ausschliesslich  römisch,  sondern  auch  griechisch 
(n.  687)  und  wo  die  Priorität  ist,  scheint  mir  nicht  zweifelhaft.  Zudem 
geht  aus  der  Stelle  des  Polybius  nach  meiner  Ansicht  klar  hervor,  dass 
die  imagines  majorum  nicht  Büsten  waren. 

839.  Triumph  des  Lucius  Verus*,  Marmorrelief,  in 
Eom  gekauft  und  in  Dresden  befindlich. 

Der  Triumphator,  dem  eine  Viktoria  zufliegt,  um  ihn  zu 
bekränzen,  hält  auf  einem  Viergespann  seinen  Einzug  durch 
einen  Triumphbogen.  Ein  Hornbläser  eröflfnet  den  Zug,  neben 
den  Pferden  gehn  Lictoren,  hinter  dem  Wagen  Krieger  mit 
Standarten.  Lucius  Veras  erhielt  einen  Triumph  wegen  sei- 
nes Krieges  gegen  die  Parther. 

Das  Relief  zeigt  schon  einige  Spuren  sinkender  Kunst, 
namentlich  in  der  Bildung  der  Pferde. 

Abg.  Le  Fiat,  recueil  des  marbres  antiques  etc.  Taf.  146.   Hettner, 
Die  Bildwerke  der  Kgl.  Antik ensammlg.  zu  Dresden   n.  323.     Vgl.  Jul.. 
Capitol.  Ver.  c.  7. 

840.  Silberner  Schild**,  1847  beim  Pflügen  eines 
Feldes  in  der  Nähe  von  Merida  in  Spanien  gefunden  und  in 
der  Sammlung  der  Akademie .  der  Geschichte  zu  Madrid  be- 
findlich. 

In  der  Mitte  des  Schildes  thront  unter  einem  Giebel, 
der  einen  Palast  andeuten  soll,  der  Kaiser  Theodosius  (wie 
aus  der  Inschrift  hervorgeht),  mit  der  Rechten  einen  einer 
Rolle  nicht  unähnlichen  Gegenstand  haltend,  den  eine  kleine 
Figur,  wahrscheinlich  ein  Beamter,  mit  grosser  Ehrerbietung 
in  Empfang  zu  nehmen  bereit  ist.  Er  nimmt  ihn  nämlich 
nicht  mit  der  blossen  Hand,  sondern  streckt  die  gewand- 
bedeckten Hände  vor,  wie  es  der  Hofsitte  entsprechend  ge- 
wesen sein  muss.  Die  Tracht  des  Kaisers  und  seiner  Um- 
gebung entspricht  nicht  mehr  der  classischen  Zeit,  sondern 
versetzt  uns  bereits  in  die  prunkende  Hofsitte  byzantinischer 
Zeit,  wie  sie  aus  den  Mosaiken  von  Ravenna  bekannt  ist. 
Perlschnüre  als  Diadem,  reichgestickte  Aermelkleider,  Mäntel 
und  Gürtel  scheinen  den  Mangel  der  Kunst  ersetzen  zu  sollen 
und  besonders  charakteristisch  sind  auch  die  grossen  Agi'affen 
mit  herabhängenden  Bommeln  an   den   Mänteln   der   kaiser- 


*  Im  Römischen  Saal  n.  46. 
**  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  12. 


Genre  und  historische  Darstellungen.  515 

liehen  Figuren  und  die  grosse  Fibel,  die  den  Mantel  des 
vor  dem  Kaiser  stehenden  Mannes  zusammenhält.  Denn  die 
Grösse  des  Schmucks  ist  ein  sichres  Kriterium  sinkenden 
Oeschmacks,  und  die  grossen  silbernen  und  broncenen  Fibeln, 
die  namentlich  in  den  Lokalmuseen  so  zahlreich  sich  finden, 
erhalten  eben  durch  diesen  Schild  eine  willkommene  Zeit- 
bestimmung. Die  an  beiden  Seiten  des  Theodosius  thronen- 
den Gestalten  sind  ebenfalls  durch  die  Weltkugel  als  Kaiser 
bezeichnet,  der  zur  Rechten  trägt  ausserdem  ein  Scepter,  der 
zur  Linken  macht  mit  der  andern  Hand  eine  segnende  Ge- 
berde. Beide  haben  wie  Theodosius  den  Nimbus  um  das 
Haupt,  ein  Symbol,  das  im  Alterthum  von  den  Göttern  zu 
den  Kaisem  und  dann  in  den  Heiligenschein  der  neuern  Kunst 
überging.  Es  liegt  nahe,  sie  für  die  beiden  Söhne  des  Theo- 
dosius zu  erklären,  allein  Honorius  war,  als  dieser  Schild  im 
Jahr  388  —  wie  die  Inschrift  angiebt  —  angefertigt  wurde, 
erst  zwei  Jahre  alt  und  kann  daher  nicht  dargestellt  sein. 
Es  wird  wohl  in  der  Figur  zur  Rechten  der  Mitkaiser  des 
Theodosius,  Valentinian  H,  in  der  zur  Linken  Arcadius,  der 
damals,  obwohl  erst  11  Jahr  alt,  bereits  zum  Augustus  er- 
klärt war,  gemeint  sein.  Leibwächter  stehen  links  und  rechts, 
die  man  der  langen  Haare  wegen  für  barbarische  Soldaten, 
vermutlich  Gothen,  aus  denen  die  Leibgarde  des  Theodosius 
bestand,  erklärt.  Die  Grösse  aller  dieser  Figuren  richtet  sich 
offenbar  nach  ihrer  hohem  oder  geringem  Bedeutung. 

Unter  dem  Hauptbilde  liegt  unter  Aehren  die  Tellus,  von 
geflügelten  Knaben  umgeben,  die  hinauffliegen  zum  Kaiser, 
um  ihm  Blumen  und  Früchte  zu  bringen,  ebenso  Wie  die 
beiden  Genien  in  den  Ecken  des  Giebels.  Der  Gedanke  ist 
offenbar  dieser,  dass  der  Kaiser,  dessen  zehnjährige  Regie- 
mng  der  Schild  feiert  (wie  die  Inschrift  angiebt),  als  ein  rei- 
cher, glücklicher  und  gesegneter  Regent  hingestellt  werden 
soll.  Die  Kinder,  welche  die  Tellus  umgeben  und  ihre  Mütter- 
lichkeit bezeichnen,  sind  gewöhnlich  ungeflügelt,  ihre  Beflüge- 
lung  wird  aber  bei  einem  so  späten  Monument  schwerlich  von 
Bedeutung  sein.  Es  ist  übrigens  deutlich,  dass  der  Künstler, 
während  er  in  der  obera  Scene  die  ganze  Steifheit  der  Hof- 
sitte wiedergeben  musste,  •  das  Bild  des  untern  Feldes  von 
einem  noch  besserer  Zeit  angehörigen  Vorbild  copirte.  Die 
Tellus  kommt  ganz  ähnlich  vor. 

Die  Inschrift  lautet  D(ominus)  n(oster)  Theodosius  ob 
diem  felicissimum  X  (decennalium).    Der  Regierangsantritt  der 

33* 


516  Genre  und  historische  Darstellungen. 

Kaiser  wurde  von  5  zu  5  Jahren  festlich  gefeiert,  dieser 
Schild  ist  zu  Ehren  der  zweiten  derartigen  Feier  des  Theo- 
dosius  gegossen.  Ob  er  einen  praktischen  Zweck  gehabt  habe^ 
ist  um  so  weniger  bestimmt  zu  sagen,  als  die  Handlung  in 
der  Mitte  undeutlich  ist,  nicht  unmöglich,  dass  das  Ganze  nur 
wie  eine  Denkmünze  zu  betrachten. 

Der  Schild  ist  in  Constantinopel  verfertigt,  wie  eine  grie- 
chische Inschrift  auf  seiner  Rückseite  und  vielleicht  auch  die 
detaillirte  Treue  des  Costüms  beweist.  Der  Stil  ist,  wenn 
man  von  der  untern  Gruppe  absieht,  bereits  völlig  leblos,, 
und  die  langen  starren  Gesichter  sind  schon  ganz  die  des 
byzantinischen  Stils.  Zu  dieser  Erstarrung  passt  das  flache 
Relief,  das  von  nun  an  so  häufig  wurde,  es  wäre  undenkbar,, 
dass  das  byzantinische  Relief  in  der  runden  und  belebten 
Formen  des  römischen  componirte.  Die  drei  thronenden  Fi- 
guren sind  aber  ihrer  Stellung  wegen  am  allerwenigsten  für 
ein  flaches  Relief  passend,  aber  wie  wir  in  dem  gleichfalls 
so  flachen  ältesten  griechischen  Relief  nur  Profilstellung  finden^ 
so  ist  hier  umgekehrt  Sitte,  die  Figuren  en  face  zu  stellen,, 
was  denn  freilich  der  Natur  des  Reliefs  nicht  in  gleichem 
Maasse  entspricht. 

Abg.  in  den  Sitzungsberichten  d.  Kaiserl.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Wien, 
Histor-Philos.  Kl.  III,  Taf.  2.  p.  220  ff.  Archaeol.  Ztg.  1860,  Taf.  136,  5. 
Vgl.  Hübner,  d.  ant.  Bildw.  in  Madrid  p.  213.  Revue  archeolog.  VI 
p.  263  ff. 

841.  Der  heilige  Hippolyt,.  Marmorstatue,  gefunden 
im  Jahr  1551  in  der  Nähe  von  Rom,  früher  in  der  vatika- 
nischen Bibliothek,  jetzt  im  christlichen  Museum  des  Lateran» 
Nur  der  Stuhl  und  der  untere  Theil  der  Figur  ist  alt. 

Da  die  Figur  fast  ganz  neu  ist,  so  hat  sie  nur  wegen 
der  am  Sessel  befindlichen  Inschrift  Interesse,  auf  welche 
wir  indess  nicht  näher  eingehen  können.  Ohnehin  würde  sie 
besser  der  altchristlichen  als  der  classischen  Kunst  zugeord- 
net. Nach  dem  Charakter  der  Buchstabenformen  der  Inschrift 
wird  die  Statue  zwischen  das  sechste  und  vierte  Jahrhundert 
unserer  Zeitrechnung  gesetzt. 

Abg.  bei  Bunsen  Hippolytus  und  seine  Zeit,  als  Titelbild  zum  ersten 
Band.     Vgl.  Beschreibg.  Roms  II,  2,  329. 


*  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  13. 


Pompejunische  und  herkulanische  Alterthümer.  517 


€)   Pompejanische  und  herkulanische  Alterthümer. 

Es  sind  in  diesen  Abschnitt  auch  einige  wenige  nicht  aus  Pompeji 
oder  Herkulannm  stammende  Werke  aufgenommen,  denen  wir  keinen 
passenderen  Platz  anzuweisen  wussten.  Die  pompejanischen  und  herku- 
lanischen  Werke  befinden  sicli  mit  wenigen  Ausnalimen,  deren  Auf- 
bewahrungsort besonders  angegeben  wird,  in  Neapel. 

842.  843.  Apollo  und  Artemis*,  Broncefiguren  aus 
Pompeji.  Der  Apollo  wurde  im  Juni  1817  in  einem  antiken 
Wasserbehälter  ganz  nahe  am  Forum  gefunden,  ein  Fuss, 
eine  Hand  und  ein  Arm  aber  fehlten,  die  im  Oktober  des 
folgenden  Jahres  an  einer  ganz  anderen  Stelle  entdeckt  wur- 
den. Das  Obertheil  der  Artemis  aoU  ebenfalls  1817  und  an 
demselben  Orte  gefunden  sein.  Ihr  Köcher  ist  nicht  erhalten, 
zwei  Löcher,  in  denen  er  befestigt  war,  sieht  man  noch  aul 
ilirem  Rücken,  auch  im  Hinterkopf  ist  ein  Loch,  in  dem 
ivohl  ein  besonders  gearbeiteter  Haarbüschel  befestigt  war. 
Die  Augen  sind  von  einer  die  natürliche  Farbe  imitirenden 
Glasmasse  verfertigt,  ein  Verfahren,  das  an  vielen  aus  den 
verschütteten  Städten  stammenden  Broncen,  besonders  solchen, 
die  nicht  von  früheren  Werken  copirt  zu  sein  scheinen,  an- 
gewandt ist  und  einer  nach  naturalistischer  Wirkung  streben- 
den Kunst  entspricht.  In  der  Mitte  des  Diadems  soll  sich 
der  Rest  eines  Halbmondes  befinden,  nach  dem  Gyps  scheint 
es  eher  eine  krönende  Spitze  zu  sein. 

Die  beiden  Figuren  haben  unzweifelhaft  zusammen  gehört 
und  scheinen,  wie  man  namentlich  aus  der  Uebereinstimmung 
der  Köpfe  abnehmen  kann,  von  einer  Hand  verfertigt  zu  sein. 
Da^  sie  beide  in  der  Aktion  des  Bogenschiessens  vorgestellt 
sind,  so  wird  man  schon  hierdurch  an  die  Tödtung  der  Nio- 
biden  erinnert,  die  sie  eben  gemeinschaftlich  vollzogen.  Dazu 
kommt,  dass  beide,  namentlich  Apollo,  im  Wesentlichen  über- 
einstimmen mit  den  an  den  Ecken  von  Niobidensarkophagen 
erscheinenden  Götterfiguren  (vgl.  n.  784).  Es  ist  daher  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  diese  Broncen  Reste  einer  Niobiden- 
gruppe  sind. 

Ihr  künstlerischer  Werth  ist  gering.  Apollo  ist  unschön 
in  den  Proportionen  und  eigenthümlich  schwächlich.     Beide 

*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  313  u.  236. 


518  Pompejaaische  und  herkulanlsche  AUerthümer. 

Gottheiten  haben  auch  die  kleinen  koketten  am  Ohr  herab- 
fallenden Löckchen,  die  man  im  edlen  Stil  der  Griechen  nicht 
einmal  der  Venus  gab.  Das  Diadem  und  doppelte  Gewand 
der  Artemis  entsprechen  auch  nicht  der  Praxis  der  besten 
Zeit;  wo  Artemis  vielmehr  ganz  leicht  und  einfach  mädchen- 
haft auftritt. 

Abg^.  mus.  borbon.  VIII,  59.  60. 

Die  Fuudnotizen  über  deu  Apollo  bei  Fiorelli,  Pompejanarum  anti- 
quitatum  historia  I,  3,  p.  192.  193.  214.  216.  In  Betreff  der  Artemis 
versichert  Finati  im  mus.  borb.  a.  a.  0.  das  im  Text  Bemerkte,  was  in- 
dessen bei  Fiorelli  nicht  zu  finden  ist.  Die  Beziehimg  der  Figuren  auf 
die  Niobiden  (Finati  a.  a.  0.)  findet  auch  Welcker  A.  D.  1,  255  Anm. 
35  sehr  wahrscheinlich.  Anders  Overbeck  Pompeji  II,  162,  der  auch  ^ 
die  Zusammengehörigkeit  der  beiden  Figuren  bestreitet. 

844.  Merkur*,  Broncestatue  aus  Herkulanum,  1758  ge- 
fanden. Der  grösste  Theil  des  Schädels  ist  ergänzt,  woher 
sich  die  auffallende  Form  desselben,  vielleicht  auch  die  un- 
schön vom  Kopf  abstehenden  Ohren  erklären. 

Das  Motiv  dieser  Figur  ist  in  kleinen  Broncen  und  auf 
Gemmen  sehr  häufig,  der  Gott  ist  als  Götterbote  dargestellt 
und  ruht  einen  Augenblick  aus,  bis  sein  Amt  ihn  weiter  treibt* 
Bezeichnend  für  ihn  als  Götterboten  ist,  was  schon  Winckel- 
mann  hervorhob,  die  Art  wie  die  Flügel  am  Fuss  befestigt 
sind,  „so  dass  der  Heft  von  den  Riemen  in  Gestalt  einer  glat- 
ten Rose  unter  der  Fusssohle  steht,  anzuzeigen,  dass  dieser 
Gott  nicht  zum  Gehen,  sondern  zum  Fliegen  gemacht  sei^^.. 
In  der  Rechten  hielt  er  seinen  Stab,  von  dem  ein  Rest  in 
der  Hand  zurückgeblieben. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  II,  29—32.  Müller- Wieseler  II,  28,  309.  Vgl. 
Winckelmann  Sendschreiben  §.  51.  57.  Kunstgesch.  VII,  2  §.  17.  V,  5, 
§.  28.  E.  Wolff  bull.  d.  inst.  1838  p.  133.  Overbeck  Kunstarchaeol. 
Vorl.  p.  103.    Michaelis  Arch.  Anz.  1859  p.  84.  ' 

845.  Büste  des  jugendlichen  Herkules*,  aus  Her- 
kulanum,  1754  gefunden. 

Die  Büste  ist  unter  dem  wunderlichen  Namen  Marcellus 
bekannt,  da  sie  doch  so  deutlich  wie  möglich  den  jugendlichen 
Herkules  darstellt. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  I,  tav.  49.  50. 


*  Copie  von  Bronce  im  Griechischen  Hof  n.  3. 
**  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  246. 


Pompejauiselie  und  herkulaiiische  Alterthüraer.  519 

846.  Silen*,  Broncestatue,  im  Juli  1754  aus  Herkula- 
num  hervorgezogen. 

Der  Silen  ist  in  trunkner  Seligkeit  dargestellt,  mit  der 
Rechten  ein  lustiges  Schnippchen  schlagend.  Der  schlaffe, 
schwammige  Bauch  bezeichnet  den  Wein  sauf  er,  die  Knollen 
am  Halse  sind  ein  von  dem  Ziegengeschlecht  entlehnter  thie- 
rischer  Auswuchs,  und  die  Augen,  die  im  Original  einen  ganz 
andern  Effect  haben  —  sie  bestehen  nämlich  aus  Glaspasten 
natürlicher  Farbe  — ,  drücken  mit  höchster  Lebendigkeit  das 
sinnliche  Behagen  des  Thiermenschen  aus. 

Abg-»  broiizi  d'Ercol.  11,  42.  43.  Mus.  borbon.  II,  21.  MülltT-Wie- 
selcr  II,  40,  471«  Vgl.  Winekelmann  Sendschreiben  §.  74.  Kunstgesch. 
VII,  2,  §.  17. 

847.  Herkules  mit  der  Hindin**,  Gruppe  von  Brouce, 
1805  in  Pompeji  ausgegraben,  im  Museum  von  Palermo  be- 
findlich. Im  Maul  der  Hindin  bemerkt  man  noch  die  Metall- 
röhre, durch  welche  das  Wasser  in  ein  daneben  befindliches 
Bassin  floss.  Die  Gruppe  war  nämlich  zur  Zierde  eines  Bas- 
sins in  einem  pompejanischen  Privathause  aufgestellt. 

Wir  fanden  dieselbe  Composition  bereits  in  einem  sehr 
alterthümlichen  Werk  (n.  23),  nur  dass  sie  hier  in  einen  freieren 
und  belebteren  Stil  übertragen  ist.  Daher  kommt  es,  dass 
wir  dort  nur  die  Kraft  und  Wucht  des  Helden,  mit  der  er 
das  Thier  niederdrückt,  hier  aber  zugleich  und  vornehmlich 
auch  seine  Schnelligkeit,  die  gewaltigen  Schritte,  mit  denen 
er  endlich  das  Thier  erreichte,  wahrnehmen.  Und  der  zweite 
Unterschied  liegt  darin,  dass  Herkules  dort  im  Einklang  we- 
nigstens mit  der  Hauptmasse  der  älteren  Kunst  und  zugleich 
in  Uebereinstimmung  mit  dem  eben  erwähnten  Unterschied 
des  Motivs  als  reifer,  bärtiger  Mann  erscheint,  während  er 
hier,  nach  dem  Geschmack  der  jüngeren  Zeit,  schlanker  und 
jugendlicher  gebildet  ist. 

Etwas  gesucht  und  gekünstelt  ist  die  Verwendung  des 
Thieres  als  Wasserspeier,  Aehnliches  kommt  aber  auch  sonst 
in  Pompeji  vor. 

Abg.  monum.  d.  inst.  IV,  tav.  6.  7.  Vgl.  Annali  1844  p.  175  ff. 
Vgl.  den  wasserspeienden  Ochsen  im   mus.  borbon.  XIV,  53. 

848.  Fischer***,  Broncestatuette,  1827  in  einem  pompe- 


*  Im  Römischen  Saal  n.  63. 
**  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  233. 
***  Ebendas.  n.  235. 


520  Pompejaiiische  und  herkulanische  Alterthümer. 

janischen  Privathause  und  zwar  am  Brunnenbassin  desselben 
gefunden. 

Der  Fischer,  eine  Figur  von  plebejischem  Aussehen  und 
in  der  Tracht  der  Handarbeiter,  welche  die  rechte  Schulter 
ihrer  Arbeit  wegen  entblösst  trugen,  sitzt  am  Bassin  und  an- 
gelt und  dass  er  nicht  vergeblich  gesessen,  beweist  der  (hier 
nicht  vorhandene)  bereits  mit  einigen  Fischen  gefüllte  Korb 
in  seiner  Linken.  Aus  der  Maske  unter  ihm  floss  das  Wasser 
ins  Bassin  hinein,  denn  wie  schon  bemerkt,  widerstrebte  es 
durchaus  dem  Sinne  der  Alten,  das  Wasser,  wie  bei  unsern 
Pumpen  und  Dachrinnen,  aus  blossen  Löchern  herausfliessen 
zu  lassen.  Uebrigens  ist  die  Maske  in  Beziehung  auf  den 
Fischer  eine  rein  äusserliche  unmotivirte  Zuthat,  und  in  an- 
dern pompejanischen  Beispielen  finden  wir  eine  viel  sinnigere 
Motivirung. 

Abg.   Mus.   borbon.   IV,  55,    wo   der  Text  von   Avellino    zu    ver- 
gleichen. I 

849.  Tanzender  Silen*,  Broncestatue,  1831  in  Pom- 
peji in  der  nach  ihm  benannten  casa  del  Fauno  gefunden. 

Man  fand  die  Figur  am  Rande  eines  Bassins,  vermuth- 
lich  an  ihrem  ursprünglichen  Platze,  denn  gerade  an  solchen 
Stellen  wurden  oft  Satyrn  ihrem  mythologischen  Charakter 
entsprechend  aufgestellt. 

Der  Silen  ist  ganz  Lustigkeit  und  gebraucht  seine  Fin- 
ger wie  Castagnetten,  als  Begleitung  zum  Tanz.  Die  Figur 
ist  eine  der  schönsten  in  Pompeji  gefundenen. 

Abg.  Mus.  borbon.  IX,  tav.  42.     Vgl.  Overbeck  Pompeji  II  p.  159. 

850.  Apollo**,  Broncestatuette,  1808  in  einem  pompe- 
janischen Privathause  und  zwar  in  einer  Aedikula  gefunden. 
An  der  Lyra  sind  am  Original  einige  Saiten  und  zwar  von 
Silber  erhalten. 

Wie  der  Fundort  zeigt,  diente  die  Figur  zum  Hausgot- 
tesdienst, wie  so  viele  der  kleinen  Broncen,  und  die  Stellung 
des  Gottes  ist  diesem  Zweck  entsprechend.  Wenn  aber  nicht 
die  Attribute  der  Leier  und  des  Piektrums  den  Apoll  bezeich- 
neten, so  würde  man  ihn  an  den  Körperformen  nicht  erken- 
nen, die  für  Apoll  viel  zu  weich  und  üppig,  aber  gerade  für 
den  pompejanischen  Geschmack  sehr  bezeichnend  sind. 

Abg.  Mus.  borb.  II,  tav.  23.     Vgl.  den  Text  dazu. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  232. 
**  Ebendas.  n.  234. 


Pompejaiiische  und  herkulauische  Alterthümer.  521 

851.  Zeus*,  Broncestatuette  aus  Herkulanum.  Die  Figur 
w*d  gewöhnlich  für  Poseidon  erklärt,  aber  die  Anordnung 
von  Haar  und  Bart  ist  die  für  Zeus  charakteristische.  An 
der  Stange  in  seiner  Linken  fehlt  vermuthlich  der  Knopf, 
der  sie  zum  Scepter  machte. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  II,  9.  Mus.  borb.  XII,  41.  Müller -Wieseler 
n,  6,  71.  Ein  übereinstimmender  Kopf  des  hiesigen  Museums  (n.  63) 
zeigt  den  Charakter  des  Zeus  noch  deutlicher. 

852.  Pallas**,  Broncestatuette,  in  Herkulanum  gefunden. 
Von  Silber  sind  die  Schuppen  der  Aegis,  die  Verzierungen 
des  Helmbusches,  die  Spangen  des  Gewandes,  der  Ring  an 
der  linken  Hand,  endlich  die  Augen  und  die  Nägel  an  Hän- 
den und  Füssen. 

In  der  erhobenen  Linken  ist  der  Speer  vorauszusetzen. 
Etwas  unförmlich  ist  der  Hehnbusch. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  II,  6. 

853.  Diana***,  Broncestatuette  aus  Herkulanum,  1747 
gefunden. 

Die  Göttin  ist  jagend  und  die  Bogensehne  anziehend 
dargestellt. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  II,  11.  12.  Mus.  borbon.  XI,  68.  Eine  über- 
einstimmende Figur  ist  in  Griechenland,  auf  Euboea,  gefunden,  Archaeol. 
Ztg.  1861  Taf.  154. 

854.  Venus****,  schöne  Broncestatuette. 

Die  Göttin  scheint  sich  das  Haar  zu  ordnen,  aber  die 
Bewegung  der  Linken  ist  uns  nicht  klar. 

855.  Amorf,  Broncestatuette  aus  Pompeji. 

Der  kleine  Gott  sucht  seine  Traube  vor  seinem  Vogel 
zu  retten.    Eine  sehr  anmuthige  Gruppe. 

856.  Bacchusff,  Broncestatuette  aus  Herkulanum,  1760 
gefunden. 

Der  Thyrsus,  den  er  in  der  Linken  hält,   fehlt  im  Ab- 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  43. 

**  Ebendas.  n.  44. 

**♦  Ebendas.  n.  67. 

****  Ebendas.  n.  82. 

t  Ebendas.  n.  73. 

77  Ebendas.  n.  69. 


522  Pompejanische  und  herkiilanische  Alterthümer. 

guss.    Die  Rechte  scheint   ein   Geräth,   etwa  ein  Trinkhorn 
gehalten  zu  haben. 

Abg.  bronii  d'Ercol. ,  II.  36.     Mus.  borb.  HI,  11. 

857.  Silen*,  Broncestatuette  aus  Herkulanum,  1754  ge- 
funden.    Der  Kranz  ist  von  Silber. 

Die  Figur  giebt  in  schwacher  und  charakterloser  Weise 
das  Motiv  der  oben  (n.  657)  aufgeführten  Satyrstatue  wieder. 

Abg.  bronzi  d'Ercol,  II,  42.  Mus.  borb.  XII,  41.  Auf  ein  Sca- 
billum  tritt  übrigens  der  zuriickstehende  Fuss  nicht,  der  Satyr  steht 
nicht  still,  sondern  dreht  sich  herum.  Was  für  ein  Scabillum  ange- 
sehen, ist  nur  eine  Stütze,  die  in  Bronce  nicht  gerade  nothwendig  ist^ 
aber  doch  oft  vorkommt. 

858.  Satyr**,  Broncestatuette,  aus  Herkulanum,  1754  ge- 
funden. 

Ein  jugendlicher  Satyr,  lustig  einherspringend.  Die  rechte 
Hand  hält  den  Thyrsus,  der  hier  im  Abguss  fehlt. 
Abg.  bronzi  d'Ercol.  II,  40.  41.     Mus.  borb.  XIII,  26. 

859.  Satyr***,  Broncestatuette,  in  Catania  im  museo 
Biscari. 

Die  Flöten  fehlen  zwar,  man  sieht  aber  deutlich,  dass 
sie  vorhanden  waren.  Die  Mundbinde  diente  dazu,  die  Kraft 
des  Hauchs  zu  massigen  und  die  Aufblähung  der  Backen 
weniger  hässlich  zu  machen.  Die  Statue  ist  in  mehreren 
Exemplaren  vorhanden  und  scheint  auf  ein  berühmtes  Origi- 
nal zurückzugehen. 

Abg.  Clarac  pl.  716  c.  Vgl.  über  die  Mundbinde  Annali  1849  p.  130. 

860.  Fortuna — Isis****,  Broncestatuette  aus  Herkula- 
num,  1746  gefunden. 

Die  Figur  trägt  die  Attribute  der  Fortuna  und  Isis,  die 
in  römischer  Zeit  mit  einander  vermischt  wurden.  Von  jener 
hat  sie  das  Ruder  als  Lenkerin  der  menschlichen  Dinge  und 
das  Füllhorn  als  Symbol  des  Reichthums,   den   sie   spendet. 

Von  der   Isis   ist  das   franzenbesetzte  Gewand  und  die 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  68. 
**  Ebendas.  n.  23. 
***  Ebendas.  n,  70.     Vgl.  die  ähnliche  mit  n.  346  bezeichnete   in 
Arolsen    befindliche    Bronce,    in   Gädechens'   Catalog  dieser  Sammlung 
unter  n.  122  aufgeführt. 
•***  Ebendas.  n.  36. 


Ponipcjanische  uud  hcrkiilauische  Alterthümer.  523 

Anordnung  desselben,  ausserdem  der  Kopfschmuck  entiehnt 
Vgl.  n.  797. 

Die  Ornamente  an  der  Basis  sind  von  Silber. 

Abg.  broiizi  d'Ercol.  II,  25,  26.  Mus.  borb.  IH,  26.  Müller-Wie- 
seler II,  73,  925. 

861.  Harpokrates*,  Broncestatuette  aus  Pompeji. 
Die   Figur   ist   pantheistisch  gedacht,   da   sie   mit   den 

Attributen  verschiedener  Götter,  dem  Fell  und  Kranz  des 
Bacchus,  den  Flügeln  des  Amor,  der  Schlange  des  Aesculap 
und  der  Keule  des  Herkules  ausgestattet  ist. 

Abg.  bronzi  d'  Ercol.  II,  87. 

862.  Hekate**,  Broncestatuette  inArolsen,  die  vermuth- 
lich  zu  einem  Geräth  gehörte. 

Vgl.  Gädecheiis  Die  Antiken  in  Arolsen  n.  145. 

863.  Viktoria**  *,  Broncestatuette  aus  Herkulanum,  1740 
gefunden.  Das  Halsband,  die  Saumverzierung  des  Gewand- 
überschlags und  der  Kranz  am  Globus  sind  von  Silber. 

Die  Figur  ist  für  Fortuna  erklärt,  wozu  aber  die  am 
Rücken  vorhandenen  Vertiefungen,  die  Flügel  aufnehmen 
sollten,  nicht  stimmen.  Ausserdem  ist  die  Gewandung  und 
der  mädchenhafte  Charakter  nur  für  Viktoria  passend  und  ähn- 
liche Darstelluugen  der  Viktoria  sind  oft  auf  römischen  Denkmä- 
lern. Die  Göttin  hat  sich  zierlich  vom  Olymp  auf  die  Erde 
herabgelassen,  die  sie  eben  mit  den  Fussspitzen  berührt. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  II,  24.  Mus.  borbon.  HI,  26.  Müller- Wieseler 
II,  73,  294.  Vgl.  Urlichs  Annali  1839,  p.  73  und  die  Vign.  zu  bronzi 
d'Ercol.  II,  p.  133. 

864.  Aehnliche Figur****, BroncestatuetteausPoinpeji, 
1823  gefunden.  Die  Basis  und  die  Kugel,  auf  der  sie  steht, 
ist  von  Marmor  mid  modern. 

Auch  diese  Viktoria  ist  vom  Olymp  herabgeschwebt 
zu  denken  und  hielt  in  ihrer  Rechten  ursprünglich  einen 
Kranz. 

Ab^^  Mus.  borbon.  VllI,  59.     Vgl.  Urlichs  Annali  1839  p.  73  flP. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Bronoen  n.  74. 

**  Ebendas.  n.  389. 

***  Kbendas.  n.  34. 

****  Kbendas.  n.  231. 


524  Pompejanische  und  herkulanische  Alterthümer. 

865.  Amazone*,  Broncestatuette  aus  Herkulanum,  1745 
gefunden. 

Die  Amazone  hält  mit  der  Linken  ihr  Pferd  zurück,  in 
der  Rechten  schwingt  sie  die  Lanze,  die  hier  im  Abguss 
fehlt.  Die  kleine  weibliche  Herme  unter  dem  Pferde  hat 
keine  weitere  Bedeutung ,  als  die ,  eine  anmuthig  belebte 
Stütze  zu  sein. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  II,  tav.  63.  64.     Mus.  borbon.  III,  45. 

866.  Nackter  Jüngling**,  Broncestatuette  im  Mu- 
seum zu  Bonn,  früher  in  der  Fürstl.  Isenburgischen  Sammlung. 

Die  Figur  ist  ftir  einen  Athleten  erklärt,  wobei  nur  die 
Bewegung  der  Rechten  und  die  fast  trauernde  Haltung  des 
Kopfes  nicht  verständlich  ist.  Wir  müssen  die  nähere  Deu- 
tung dieser  schönen  Figur  auf  sich  beruhen  lassen,  im  Allge- 
meinen erinnert  sie  an  den  Typus  des  Merkur. 

Abg.  in  den  Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alterthumsfreuudeu  im  Rheinland 
XVn  Taf.  1.  p.  61. 

867.  Hirtenknabe***,  Broncestatuette  in  Arolsen. 
Der  Knabe  sitzt   mit  übergeschlagenen  Beinen   auf  der 

Erde  und   hält   mit   beiden   Händen   einen  hölzernen  Kübel. 
Höchst  anmuthige  Genrefigur. 

Vgl.  Gädechens,  Die  Antiken  des  Fürstl.  Waldeckschen    Museums 
au  Arolsen  n.  439. 

868.  Kniende  Figur  in  barbarischer  Tracht****, 
Broncestatuette  in  Arolsen. 

Ein  edler  Barbar  kniet  vor  seinem  Sieger  und  überreicht 
ihm  etwas,  was  sich  leider  nicht  erhalten  hat.  Schöne 
Figur. 

Vgl.  Gädechens  a.  a.  0.  n.  427. 

869.  Angebliche  Berenicef,  Broncebüste,  in  Herku- 
lanum 1756  gefunden.  Bei  der  Auffindung  waren  die  Lippen 
mit  Silber  belegt,  jetzt  ist  nur  noch  die  leise  Vertiefung  zu 
sehen,  die  vom  Silber  ausgefüllt  wurde. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  27. 

**  Ebendas.  n.  135. 

***  Ebendas.  n.  361. 

*♦**  Ebendas.  n.  383. 

t  Ebendas.  n.  237. 


Pompejanische  und  herkulanische  Alterthümer.  525 

Die  Benennung  ist  unrichtig,  wie  eine  Vergleichung  der 
Münzen  der  Berenice  zeigt,  wir  wissen  aber 'das  Richtige 
nicht  anzugeben.  Die  Büste  gehört  zu  den  schönsten,  die 
aus  Herkulanum  hervorgegangen  sind. 

Ab^.  bronzi  d'Ercol.  I,  63.  64.     Mus.  borbon.  7,  12. 

870.  Angebliche  Sappho*,  Broncebüste,  1758  in  Her- 
kulanum gefunden. 

Die  Benennung  ist  willkürlich,  denn  die  Abbildungen  der 
Sappho,  die  wir  besitzen,  reichen  nicht  aus,  um  Büsten  da- 
nach zu  bestimmen.  Aber  der  Kopf  ist  gewiss  das  Porträt 
einer  Griechin. 

Die  Büste  ist  vielleicht  von  einer  Statue  genonunen,  ihre 
Form  ist  singulär  und  nicht  gerade  schön. 

Abg.  bronzi  d'Ercol.  I,  tav.  37.  38. 

871.  Bacchisches  Relief**,  von  Marmor  aus  PompejL 
Das  Motiv,   dass   der  Esel   unter  der  Last   Silens,   den 

man  treffend  den  Falstaff  der  antiken  Kunst  genannt  hat,  zu- 
sammenbricht, ist  nicht  übel,  im  Uebrigen  ist  das  Werk  un- 
bedeutend. 

Abg.  Mus.  borbon.  XIV,  52. 

872.  Wagenlenker***,  Marmorrelief,  angeblich  aus 
Herkulanum. 

Den  langgewandeten  Wagenlenker  fanden  wir  schon  am 
Fries  des  Parthenon,  die  voraneilende  Figur  ist  uns  nicht 
klar.  Man  könnte  sie  für  einen  Apobaten  halten,  deren  Auf- 
gabe es  war,  von  ihrem  Gespann  mitten  im  Lauf  herabzu- 
springen und  es  dann  wieder  zu  besteigen.  Auch  die  Be- 
stimnmng  des  Reliefs  ist  uns  unklar. 

\'gl.  Welcker  Akad.  Mus.  n.  389. 

873.  Atlant****,  von  Terrakotta,  aus  den  Thermen  von 
Pompeji,  wo  er  mit  seinen  Kameraden  den  Carnies  einer  De- 
ckenwölbung trägt. 

Die  Figur  musste  zwar  im  Einklang  mit  ihrer  architek- 
tonischen Verwendung  kräftig  gebaut  sein,  ist  aber  plump  und 
schwerfällig  gerathen. 

Ahg.  Mus.  borbon.  II,  54. 

*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  238. 

**  In  den  Durchdrängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  n.  27. 

***  Im  Niobidonsaal  n.  56. 

****  Im  Römischen  Saal  n.  104. 


526  Pompejaiiische  und  herkulanische  Alterthümer. 

874.  Dreifuss*;  von  Bronce  aus  Pompeji. 

Nach  Winckelmann's  Bericht  befand  sich  in  diesem  Drei- 
füss  eine  Pfanne  von  gebrannter  Erde,  worin  .sich  die  Kohlen 
mit  sammt  der  Asche  noch  erhalten  hatten.  Das  Geräth 
diente  daher  vermuthlich  als  Kohlenbecken,  wie  sie  zur  Wärme 
in  den  Zimmern  aufgestellt  wurden. 

Verfolgt  man  die  Geschichte  der  Geräthe,  so  könnte  man 
auch  im  Alterthum  von  einem  Roccocogeschmack  reden. 
Während  nämlich  die  Dreifüsse  der  älteren  Kunst  immer  mit 
geraden  Füssen  gebildet  werden,  sei  es  mit  auswärts  gerich- 
teten, wie  bei  den  Etruskem,  oder  mit  senkrecht  oder  ein- 
wärts gerichteten,  wie  bei  den  Griechen,  finden  sich  in  Pom- 
peji an  mehreren  Exemplaren  die  geschweiften  Füsse**.  Man 
fand  die  ältere  Weise  zu  starr  und  einförmig. 

Ob  die  Verzierungen  dieses  in  besonderm  Maasse  elegan- 
ten Dreifusses  symbolische  Bedeutung  haben,  lassen  wir  da- 
hingestellt. Die  Stierköpfe,  die  sich  am  Rande  befinden,  sind 
allerdings  oft  an  Geräthen  und  Amuleten  als  zauberabwehrende 
Symbole  angebracht  und  auch  die  Sphinx  könnte  so  verstan- 
den werden,  jedenfalls  aber  beabsichtigte  der  Verfertiger  nicht 
den  Eindruck  des  Schreckenden,  sondern  im  Gegentheil  den 
der  Anmuth  und  Eleganz  hervorzurufen. 

Abg.   Mus.    borb.  IX,    13.     Gargiulo  raccolta  59.     Vgl.  Winckel- 
mann  Sendschreiben  §.  66. 

875 — 881.  Candelaberstücke,  nämlich  zwei  Köpfe***, 
vier  Basen****  und  ein  den  Candelaber  über  der  Basis  um- 
gebender Diskusf .  Der  von  einer  Sphinx  gestützte  Candelaber- 
kopf  ist  aus  Pompeji,  die  übrigen  Stücke  aus  Herkulanum. 

Die  pompejanischen  und  herkulanischen  Candelaber  sind 
durchgehends  nicht  mehr,  was  sie  ursprünglich  waren,  Fackel- 
halter, sondern  Basen  für  darauf  zu  stellende  Lampen.  Sie 
sind  daher  oben  ganz  anders  construirt  als  die  älteren,  na- 
mentlich durch  etruscische  Funde  bekannten  Candelaber,  die 
oben  vier  Spitzen  aussenden,  an  welche  die  Fackeln  oder 
Kerzen. angeheftet  wurden,  wie  das  an  den  im  hiesigen  Anti- 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  245. 
**  Vgl.  n.  267  in  demselben  Saal,  ein  durch  einen  Satyr  gebildetes 
Bein  eines  Dreifusses,  der  ebenfalls  in  Pompeji  gefimden  ist. 
***  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  91.  94. 
**♦*  Ebendas.  n.  41.  84.  87.  89. 
t  Ebendas.  n.  83. 


Pompejaiiisclie  und  herkulanische  Alterthümer.  527 

quarium  befindlichen  Exemplaren  beobachtet  werden  kann. 
Die  pompejanischen  und  herkulanischen  dagegen  sind  Unter- 
sätze, um  der  Lampe  einen  höhern  Stand  zu  geben*.  Sie 
haben  gewöhnlich  oben  die  Form  einer  Vase  und  sprechen 
darin  ihre  Bestimmung  aus,  eine  Lampe  aufzunehmen.  Aber 
auch  am  untern  Theil  sind  sie,  wenigstens  in  manchen  Exem- 
plaren, erheblich  verschieden  von  den  älteren,  indem  über  den 
Füssen  ein  reich  verzierter  Diskus**  angebracht  ist,  der  die 
Schönheit  des  Ganzen  nicht  fördert,  da  er  die  leichte  und 
schlanke  Entwicklung  des  Schaftes  aus  den  Füssen  nicht  zur 
Wirkung  kommen  lässt.  Es  scheint,  dass  zum  Theil  das  Be- 
streben, den  Fuss  zu  beschweren  und  dadurch  den  festeren 
Stand  zu  sichern,  zum  Theil  nur  ein  omamentales  Verlangen, 
dem  reich  entwickelten  und  omamentirten  Kopf  auch  einen 
reicheren  Fuss  gegenüberzustellen,  diesen  Zusatz  veranlasst 
hat.  Im  Uebrigen  sind  diese  Candelaber  den  älteren  etrus- 
cischen  sehr  ähnlich  und  nur  etwa  dem  reich  durchbrochenen 
Fuss  des  einen  unter  ihnen***  würde  sich  kein  Beispiel  älterer 
Zeit  an  die  Seite  setzen  lassen.  Besonders  hübsch  ist  der 
von  einer  Sphinx  getragene  Candelaberkopf*. 

Abg-.  Antichitä  d'Ercolano  VIII,  tav.  79.78.74.  Mus.  borboii.  4, 57. 

882.883.  Candelaber  mit  Silensfiguren  am  Fussf. 

Der  obere  Theil  der  Candelaber  fehlt  hier;  man  denke  sich 
den  bäum-  oder  rankenartigen  Stamm,  der  sich  hinter  den 
beiden  Figuren  befindet,  verlängert  und  nach  links  und  rechts 
in  Zweige  auslaufend,  deren  jeder  von  einer  tellerförmigen 
Platte  bekrönt  ist,  die  zur  Aufnahme  der  Lampe  diente.  In 
den  pompejanischen  Geräthen  herrscht  nämlich  in  strengem 
Gegensatz  zu  den  ältesten  und  schönsten  Geräthen,  die  wir 
aus  dem  Alterthum  besitzen,  zu  den  etruscischen,  schon  viel- 
fach ein  naturalistisches  Princip,  während  dort  nur  nach  Stil 
gestrebt  wird.  So  finden  sich  Candelaber  in  Form  von  Schilf- 
stengeln, während  dort  nur  die  cannelirte  Säule  vorkommt,  so 
finden    sich    auch    namentlich    oft   Candelaber   in   Form   von 


*  Beispiele  für  kleinere  Untersätze  bieten  n.  64  u.  1)0,  der  letztere 
aus  drei  DtUphinen  in  einer  für  diese  Thiere  charakteristischen  Stellung 
^(•bildrt.     Sie  sind  abg.  Antichitä  d'Ercolano  VIII  tav.  59  u.  60. 
*♦   n.  83. 

n.  89. 


****  u.  94. 

Y  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  66.  71. 


528  Pompejanische  und  herkulanische  Alterthümer. 

Bäumen,  in  deren  Zweigen  dann  die  Lampen  wie  Früchte- 
hingen.  Es  muss  übrigens  diese  spätere,  natumachahmende 
Weise  schon  vor  Alexander's  Zeit  vorgekommen  sein,  denn 
von  diesem  wird  erzählt,  dass  er  bei  der  Erobemng  Thebens 
einen  wie  einen  fruchttragenden  Baum  gestalteten  Candelaber 
erbeutet  habe,  der  später  in  den  Tempel  des  Palatinischen 
Apollo  in  Kom  kam.  Zu  dieser  Art  gehören  auch  die  beiden 
vorliegenden  Exemplare,  die  uns  noch  Gelegenheit  geben,, 
einen  andern  Unterschied  des  älteren  und  jüngeren  Stils  an- 
zuführen. Die  eine  Figur  nämlich  steht  mit  dem  eigentlichen 
Geräth  in  gar  keinem  Zusammenhang  und  hat  nur  den  prak- 
tischen Zweck,  den  Fuss  zu  beschweren,  die  andere  ist  zwar 
mit  dem  Geräth  verbunden,  aber  auf  eine  höchst  unorganische 
Weise,  indem  der  Stengel,  man  weiss  nicht  wie,  vom  Kücken 
der  Figur  ausgeht.  Im  ältesten  Stil  dagegen  stehen  die  zie- 
renden Figuren  immer  in  tektonischem  Zusammenhang  mit 
dem  Geräth  und  zwar  gewöhnlich  so,  dass  der  Candelaber 
auf  dem  Kopfe  oder  auch  in  der  Hand  der  Figur  balancirt 
Es  ist  eine  ähnliche  Erscheinung,  wie  in  der  Geschichte  der 
Architektur,  wo  statt  der  als  architektonische  Glieder  fungi- 
renden  Karyatiden  später  Pfeiler  mit  darangesetzten  omamen- 
talen Figuren  erscheinen,  wie  es  z.  B.  in  der  Halle  von  Thessa- 
lonich der  Fall  ist. 

Der  sitzende  Silen  hat  wahrscheinlich  eine  Schaale  in 
der  Linken  gehabt,  da  er  offenbar  aus  seinem  Schlauch  ein- 
giesst,  interessanter,  wenn  auch  etwas  derber,  ist  der  schwam- 
mige Silen  des  andern  Candelabers,  der  offenbar  betrunken 
ist  und  einen  nicht  recht  verständlichen  Gestus  macht.  Auch 
an  dem  gleich  im  Folgenden  zu  erwähnenden  Candelaber 
finden  wir  Figuren  aus  dem  bacchischen  Kreise,  offenbar 
waren  diese  Candelaber  kostbarere  Gegenstände,  die  man  wohl 
hauptsächlich  bei  Festen  und  Gelagen  benutzte  und  es  lag 
dann  nahe,  diese  Geräthe  mit  Figuren  aus  dem  bacchischen 
Kreise,  die  gleichsam  eine  Aufforderung  zur  Fröhlichkeit  ent- 
hielten, zu  verzieren. 

Abg.  Mus.  borb.  4,  59.  7,  30.  Antich.  d'Ercol.  Vlfl,  64. 

884.  Grosses  Lampeng-estell*,  1812  in  Pompeji 
gefunden.  Die  bildliche  Ausstattung  dieses  Candelabers,  rechts 
der  kleine  Dionysos  auf  einem  Panther  reitend  und  ein  Trink- 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  244. 


Pompejanische  und  herkulaiiische  Alterthümer.  529 

horn  in  der  Rechten  schwingend,  links  ein  Altar,  enthält  eine 
deutliche  Aufforderung  dem  Dionysos  zu  opfern.  Eine  in  Sil- 
ber eingelegte  Weinlaubranke  umgiebt  rings  die  Basis  des 
Candelabers,  in  der  Spitze  des  Schaftes  ist  eine  Maske  und 
ihr  entsprechend  auf  der  hinteren  Seite  ein  Stierschädel  an- 
gebracht, dem  die  Bedeutung  eines  Apotropaion,  eines  Schutz- 
symbols, mit  dem  die  antiken  Geräthe  so  häufig  versehen 
wurden,  zuzuschreiben  ist. 
Abg.  Museo  borbon.  2,  13. 

885 — 889.  Lampen*,  von  Bronce,  aus  Pompeji  und 
Herkulanum. 

Die  eine  derselben,  die  drei  Flammen  hatte**,  ist  eine 
Hängelampe,  die  anderen  wurden  auf  Candelaber  oder  Unter- 
sätze gestellt.  Auf  dem  Deckel  einer  der  letzteren  steht  nicht 
gerade  sehr  angemessen  eine  grosse  Silensgestalt,  die  als  Griff 
diente,  sinnig  dagegen  ist  die  Verzierung  einer  anderen  mit 
einer  Fledermaus,  dem  Thiere  der  Nacht.  Der  Griff  der 
dritten  läuft  in  einen  Pferdekopf  aus,  die  vierte,  eine  doppel- 
armige  Lampe,  ist  mit  zwei  Adlern  verziert. 
Abg.  Antichitä  d'Ercol.  VIII,  51.  40. 

890.     Lampe***,  von  Bronce,  in  Arolsen. 

Die  Lampe  hat  eine  kugelförmige  Gestalt  und  ruht  auf 
der  Schulter  eines  nackten  knieenden  Mannes,  in  dem  man 
sehr  wahrscheinlich  den  Herkules  als  Stellvertreter  des  Him- 
melsträgers Atlas  vermuthet  hat.  Aber  die  geringe  Last  der 
Lampe  könnte  den  starken  Mann  nicht  niederdrüpken,  viel- 
mehr Amor,  der  oben  auf  der  Lampe  sitzt,  lastet  auf  ihm 
und  die  Gruppe  wiederholt  das  so  oft  behandelte  Thema 
vom  liebebezwungenen  Herkules. 

\'^1.  Gädechens,  Die  Antiken  in  Arolsen  n.  144. 

891—892.  Drei  Silberbecher****,  im  März  1835  in 
Pompeji  in  einem  Privathause  gefunden.  Die  zwei  mit  figür- 
lichem Schmuck  versehenen  waren  vergoldet. 

Die  Form  dieser  Becher  ist  diejenige  des  Kantharus,  des 
im  Kreise  des  Dionysos  gewöhnlichen  Trinkbechers,  nur  dass 


♦  Im  Saal  der  Thiere  und  ßroncen  n.  81.  93.  95.  104.  219. 
**  n.  81. 
***  Im  Saal  der  Thiere  mid  Broncen  n.  357. 
****  KlxMulab.  n.  60.  62.  63. 

Friedericbs,  griech.  }*lastik.  34 


530  Pompejanlsclie  und  herkulaiiische  Alterthümer. 

die  ältere  und  strengere  Form  desselben  weicher  und  abge- 
rundeter geworden  ist.  Die  Dekoration  ist  ebenfalls  die  der 
späteren  Zeit,  die  Figuren  und  Blätter  haben  nämlich  nicht 
den  bescheidenen  dekorativen  Charakter,  sondern  sind  rund 
gearbeitet  und  lösen  sich  frei  vom  Grunde. 

Wein  und  Liebe  ist  das  Thema  der  Darstellungen  im 
Einklang  mit  dem  Zweck  der  Geräthe,  die  offenbar  Trink- 
becher waren,  wobei  übrigens  zu  bemerken,  dass  zum  beque- 
meren praktischen  Gebrauch  ein  glatter  Becher  entsprechen- 
der Form  eingesetzt  wurde,  welcher  die  inneren  Höhlungen 
verdeckte.  Die  bildlichen  Darstellungen  sind  sich  ausseror- 
dentlich ähnlich,  es  ist  in  beiden  je  ein  Centaur  und  eine 
Centaurin  in  der  Gewalt  von  Bacchus  und  Amor  dargestellt. 
Das  pikante  Motiv  ist  nicht  neu,  wir  fanden  es  schon  an  dem 
borghesischen  Centaur  n.  609.  Die  Gruppen  selbst  bedürfen 
einer  näheren  Erklärung  nicht,  eigenthümlicher  ist  das  Beiwerk, 
auf  dem  einen  Becher  eine  Statue  des  Bacchus,  ein  Baum 
mit  einem  daran  hängenden  Tambourin  und  ein  grosses  Ge- 
bäude mit  Bogenfenstern  und  Vasen  als  Verzierung  des  flachen 
Daches,  auf  dem  anderen  wieder  ein  Baum  mit  Becken  be- 
hangen, einem  bacchischen  Instrument  wie  oben  das  Tam- 
bourin, und  ein  bekränzter  und  von  einer  Vase  bekrönter 
Thorweg. 

Die  dritte  Vase  hat  einen  einfachen  Schmuck  von  Epheu. 

Abg.   Museo   borbon.   XIII   tav.  49.     Müller -Wieseler  II,  47,   596. 
Vgl.  Aiinali  18i8  p.  177. 

894.  Silberbecher*,  aus  Herkulanum,  mit  der  Apo- 
theose Homers  verziert. 

Der  Dichter  wird  von  einem  Adler  zum  Olymp  hinauf- 
getragen, sinnend  sein  Haupt  stützend  und  als  Abgeschiedener 
mit  einem  Schleier  bedeckt.  Um  ihn  trauern  seine  Töchter, 
Ilias  und  Odyssee,  die  erste  mit  kriegerischen  Symbolen,  die 
andre  mit  Abzeichen  der  Schifffahrt  geschmückt.  Den  Rand 
des  Bechers  umgiebt  ein  Lorbeerkranz,  der  von  Schwänen, 
den  Vögeln  Apoll's  und  der  Musen,  und  von  Masken,  deren 
Bedeutung  uns  unklar  ist,  getragen  wird. 

Die  Darstellung  entspricht  den  auf  römischen  Monumen- 
ten so  häufigen  Apotheosen  der  Kaiser. 

Abg.  Millingen  anc.  uned.  moiium.  II,  13.     Vgl.  Miliin  Gal.   myth 
149.     Winckelmann  Sendschreiben  v.  d.  herkul.  Entdeck.  §.  77. 


*  Im  Saal  der  Tliiere  und  Bronceii  n.  88. 


Pompejanische  und  herkulanische  AUerthümer.  531 

885.     Silberbecher,  aus  Herkulanum*. 

Auf  der  einen  Seite  besteigt  Minerva,  auf  der  anderen 
ein  bärtiger  nackter  Mann,  der  nicht  näher  charakterisirt  ist, 
den  Wagen,  beide  zugleich,  wie  es  scheint,  den  unruhigen 
Pferden  zurufend.  Die  Gruppen  sind  sehr  symmetrisch  com- 
ponirt,  aber  nicht  sehr  detaillirt  ausgeführt,  man  sieht  z.  B. 
gar  keine  Deichsel. 

Abg.  Miis.  borbon.  VIII,  14,  1—3. 

896 — 909.  Kannen,  Krügeund  Eimer**,  aus  Pompeji 
und  Herkulanum. 

Diese  Geräthe  sind  im  Allgemeinen  in  der  Weise  des 
eleganten  griechischen  Kunststils  gearbeitet,  dessen  vornehmste 
Eigenthümlichkeit  darin  besteht,  dass  die  eckigen  Formen  des 
alterthümlichen  Stils  abgerundet  sind  und  somit  ein  weich  und 
fliessend  geschwungener  Contojir  hergestellt  ist.  Doch  fehlt  es 
nicht  an  einzelnen  Wunderlichkeiten.  Namentlich  ist  die  pom- 
pejanische Vase***  auffallend,  auf  deren  Rand  ein  Adler  mit 
einem  Lamm  in  den  Klauen  angebracht  ist,  während  der 
Griff  durch  einen  hinaufstrebenden  Schwan  gebildet  wird.  Die 
Lösung  des  Henkels  vom  Geräth  widerstrebt  durchaus  dem 
edleren  Stil  und  ist  auch  nicht  praktisch. 

Abg.  Overbeck  Pompeji  II,  263.  264.  267. 

910 — 914.  Henkel  von  Vasen****,  aus  Pompeji  und 
Herkulanum. 

Die  Henkel  der  Geräthe  als  Figuren  zu  bilden,  war 
schon  im  alterthümlichen  Stil  der  Kunst  Sitte,  und  besonders 
die  etruscisehen  Geräthe  liefern  viele  Beispiele,  die  oft  sehr 
sinnig  und  witzig  erfunden  sind.  Man  strebte  danach,  der 
Figur  ein  für  die  tektonisch  gebotene  Krümmung  des  Hen- 
kels passendes  Motiv  zu  geben.  In  den  pompejanischen  und 
herkulanischen  Beispielen  ist  aber  ein  derartiges  Bestreben 
nicht  gerade  ersichtlich.  Die  Wahl  des  figürlichen  Schmu- 
ckes zu  motiviren  sind  wir  ausser  Stande,  nur  erkennt  man 
eine  Neigung  zu  weich  anmuthigen  Gegenständeii.  An  einem 
der   Henkelf   ist    eine   Figur   des   Attis,  des  Lieblings    der 

*  Im  Saal  der  Thierc  und  Bronceii  n.  450. 
**  EbtMidas.  n.  45.  46.  48—50.  52.  53.  54—59.  61. 
♦**  n.  56. 
♦***  EI)tMidas.  n.  92.  J)7— 99.  218. 
V  II.  218. 

34* 


532  Pompejanische  und  herkulaiiii-clie  Alterthümer. 

Cybele,  an  einem  andern*  ein  Hermaphrodit  dargestellt^ 
dessen  Flügel  übrigens  keine  materielle  Bedeutung  haben,  son- 
dern nur  durch  tektonische  Rücksichten,  um  die  Figur  mit 
dem  Gefäss  zusammenzuschliessen,  veranlasst  sind.  Wir  fan- 
den schon  oben  (n.  75)  geflügelte  Silene  in  einem  ähnlichen 
Zusammenhang.  Auch  der  Henkelschluss ,  der  gewöhnlich 
durch  Masken  der  verschiedensten  Art  verdeckt  wird,  ist 
hier  ungewöhnlicher  Weise  mit  einem  Amor,  der  einen 
Schwan  hält,  verziert**. 

Der  Hermaphrodit  ist  mit  der  zugehörigen  Vase  abg.  Mus.  borbon^ 
VIII,  15,  2. 

915.  Trinkhorn***,  von  Bronce,  aus  Herkulanum. 

Es  ist  in  der  Spitze  durchbohrt  und  hat  die  Form  eines 
Hirschkopfes,  dessen  Homer  als  Henkel  dienen.  Die  Augen 
sind  in  Silber  eingelegt. 

Abg.  Mus.  borbon.  VIII,  14,  6.' 

916—919.  Gürtelschloss****,  von  Süber  und  mit  Re- 
liefs verziert,  aus  Herkulanum. 

Das  Schloss  besteht  aus  zwei  Theilen,  deren  jeder  wieder 
aus  zwei  Stücken,  einem  runden  und  einem  viereckigen  zu- 
sammengesetzt istf.  Auf  den  runden  Stücken  sind  der  Son- 
nengott und  die  Mondgöttin  dargestellt,  auf  den  viereckigen 
wiederholt  sich  die  Figur  eines  unter  WaiFenstücken  sitzen- 
den Kriegers.  Wodurch  die  Wahl  dieser  Verzierung  veran- 
lasst ist,  vermögen  wir  nicht  zu  sagen. 
Abg.  Mus.  borbon.  VIII,  48. 

920.  Hausaltärchenff,  von  Bronce,  1830  im  Hause  des 
Meleager  zu  Pompeji  gefunden. 

Der  kleine  Altar  diente  vermuthlich  zum  Hausgottesdienst 
und  entspricht  in  seinen  Dimensionen  den  kleinen  broncenen 
Hausgöttern,  von  denen  oben  die  Rede  war.  Die  Verzierun- 
gen sind  in  Silber  eingelegt. 

Abg.  Mus.  borbon.  XI,  44. 


*  n.  99. 
**  Unter  n.  102  ist  ein  schöner,  aber  viel  strenger  stilisirler  Henkel 
vorhanden;  wo  das  Original  sich  befindet,  wissen  wir  nicht. 
**•  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  40. 
♦***  Ebendas.  n.  72.  75—77. 

t  Die  einzelnen  Stücke  sind  hier  im  Abguss  von  einander  getrennt, 
tt  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  64. 


Tliiere  und  Miscellaneen.  533 


d)   Thiere   und   Miscellaneen. 

921.  Pferd*,  von  Bronce,  im  April  1849  in  Rom,  in 
Trastevere  gefunden  und  im  capitolinischen  Museum  be- 
findlich. 

Das  Pferd  trug  einen  Reiter  wie  der  Ausschnitt  auf  dem 
Rücken  zeigt,  und  die  Bewegung  der  leider  sehr  beschädigten 
Beine  war  eine  ruhig  schreitende.  Der  Zügel  war,  vielleicht 
von  edlerem  Metall,  angesetzt,  am  Original  bemerkt  man 
noch  die  Löcher  zur  Befestigung  desselben. 

Das  Werk  wird  gewiss  mit  Recht  für  griechisch  gehal- 
ten, die  Form  des  Kopfes  und  der  Schnitt  der  Mähne  ent- 
spricht den  Pferden  vom  Parthenon,  nur  die  Aufbindung  der 
Stirnhaare  kommt  dort  nicht  vor. 

Am  linken  Hinterschenkel  steht  die  Inschrift  L.  I  (wahr- 
scheinlich Loco  primo)  XXIIX,  zur  Nummerirung  des  Werks, 
die  aus  irgend  einem  Grunde  wünschenswerth  sein  konnte, 
hinzugefügt. 

Vgl.  ßruim  im  bull.  1849  p.  130.  Cauiua  ebendas.  p.  161.  Brauu 
RuiikMi  p.  137.  Ueber  die  Inschrift  Brunn  im  bull.  1864  p.  10  und 
Henzen  ebendas.  1863  p.  61. 

922.  Pferdekopf**,  von  einem  der  vier  Broncepferde 
an  S.  Marco  in  Venedig. 

Die  Pferde  wurden  aus  Constantinopel  nach  Venedig 
versetzt.  Ob  sie  römische  oder  griechische  Werke  sind,  ist 
noch  nicht  ausgemacht,  doch  neigt  man  mehr  zur  ersteren 
Annahme  und  glaubt,  dass  sie  einst  einen  römischen  Triumph- 
bogen gekrönt  haben. 

Abg.  Statue  di  S.  Marco  I,  43  ff.  Vgl.  Thiersch  Reisen  in  Italien 
1,  135  ff.    0.  Müller  Handb.  §.  433,  2.    Welcker  Akad.  Mus.  n.  244. 

923.  Pferdekopf***,  aus  Marmor,  von  einer  in  Herku- 
lanum  entdeckten,  zur  Familie  des  Baibus  gehörigen  Reiter- 
statue. 

Ai)g.  Mus.  borbon.  II,  tav.  38. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broucen  n.  452.. 
**  Ebendas.  n.   10. 
***  Ebendas.  n.   11. 


ä 


534  Thiere  iiud  Miscellaueeii. 

924.  Löwe,*  Marmorrelief  im  Palast  Barberini  zu  Rom^ 
ursprünglich  an  einem  Grabmal  bei  Tivoli,  das  wenigstens  in 
Zeichnungen  noch  vorhanden  ist.  Ergänzt  sind  das  rechte 
hintere  und  vordere  Bein,  der  Schweif,  die  Schnauze  und  das 
Untermaul. 

Auf  den  Gräbern  tapferer  Krieger  finden  wir  im  Alter- 
thum  und  in  der  Neuzeit  oft  das  ausdrucksvolle  Bild  eines 
Löwen,  und  in  diesem  Sinne  wird  auch  dieser  Löwe  aufzu- 
fassen sein.  Doch  ist  er  trotz  seiner  lebensvollen  Schönheit 
nicht  als  griechisches  Werk  zu  betrachten,  da  sich  am  Ori- 
ginal, an  der  rechten  Ecke  der  Basis  der  Rest  eines  Orna- 
mentes erhalten  hat,  das  entschieden  römischen  Charakter 
trägt.     Im  Gypsabguss  ist  dies  Ornament  nicht  ausgedrückt, 

Abg.  mit  dem  architektonischen  Ganzen,  zu  dem  er  gehörte,  bei 
Bartoli,  gli  antichi  sepolcri  ovvero  mausolei  Romani  tav.  49.  Im  Kmist- 
blatt  1817  n.  10  heisst  es,  dass  das  von  Bartoli  als  Grabmal  bezeichnete 
Gebäude  ein  Thorpfeiler  sei,  allein  die  sarkophagähnliche  Form  des  von 
dem  Bogen  getragenen  Gegenstandes  und  die  Verzierung  der  einen 
Seite  desselben  mit  einer  Kanne  beweisen,  dass  es  ein  Grabmal  war. 
Vgl.  Winckelmann  Kunstgesch.  V,  6  §.  19  mit  der  Anm.  v.  Meyer. 
Ueber  den  Löwen  auf  antiken  Grabmälern  handelt  ausführlich  Welcker 
A.  D.  V,  p.  71  ff. 

925.  Eber**,  berühmte  Marmorstatue  in  Florenz. 

Abg.  Gori  Mus.  Florent.  III,  69.  Vgl.  Meyer  zu  Winckelmana 
Kunstgesch.  V,  6  §.  23. 

626.  Sitzender  Hund***,  eine  schöne  in  mehreren 
Wiederholungen  erhaltene  Figur.  Dies  Exemplar  befindet  sich 
vermuthlich  in  Florenz  und  war  ursprünglich  gewiss  mit  einem 
Seitenstück  am  Eingang  eines  Hauses  als  Wächter  desselben 
aufgestellt,  wie  schon  vom  Palast  des  Alkinous  in  der  Odyssee 
erzählt  wird. 

Vgl.  Meyer  z.  Winck.  V,  6  §.  23. 

927.  Gruppe  von  zwei  Windhunden****,  deren  einer 
den  andern  spielend  ins  Ohr  beisst.  Zugleich  mit  einer 
ähnlichen  jetzt  in  England  befindlichen  Gruppe  in  Monte 
Cagnuolo  in  der  Gegend  des  alten  Lanuvium  gefunden  und 
im  Vatikan  befindlich. 

Vgl  Meyer  z.  Winck.  V,  <i,  §.  23.    Beschreibg.  Roms  II,  2,  p.  160. 


*  In  den  Ihirchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  n.  42. 
**  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  83. 
***  Ebendas.  n.  9. 
♦***  Ebendas.  n.  2. 


Thiere  und  Miöcellaneen.  535 

928.  Stier*;  von  Marmor,  in  Ostia  gefunden  und  im 
Vatikan  befindlich.     Die  Füsse  sind  restaurirt. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  VII,  31,  2. 

929.  Stier**,  von  Erz,  früher  im  Besitz  von  Thiersch, 
jetzt  im  Museum  zu  Carlsruhe. 

930.  Stier  von  einem  Löwen  zerfleischt***,  Mar- 
morrelief im  Louvre,  gefunden  in  Lycien,  wo  diese  Gruppe 
besonders  häufig  vorkommt. 

Abg.  Clarac  inusee  de  sculpt.  pl.  223,  189.  Vgl.  Nouv.  aiinales 
df   Tinst.  II,  p.  397.      • 

931.  Kuh  mit  ihrem  Kalb****,  Marmorrelief  im  Va- 
tikan, unter  Pius  VI.  in  Otricoli  gefunden. 

Ein  Bauer  führt  Kuh  und  Kalb  zur  Stadt,  um  sie  wie 
die  Enten  an  seinem  Stabe,  zu  verkaufen.  Unterwegs,  an 
der  Umfassungsmauer  eines  Heiligthums,  das  eine  Quelle  in 
der  Nähe  zu  haben  pflegt,  macht  er  Rast,  um  sein  Thier  zu 
tränken,  und  das  Kalb  benutzt  auch  die  Gelegenheit,  von  der 
Mutter  gestillt  zu  werden.  Diese  anmuthige  Situation,  wo 
Kuh  und  Kalb  zugleich  befriedigt  werden,  zu  schildern,  ist 
der  Zweck  der  Darstellung.  Der  Bauer  steht  ruhig  wartend 
dabei  und  hat  einen  Zweig  in  der  Hand,  vielleicht  um  den 
Thieren  die  Fliegen  abzuwehren. 

Abg.  Visconti  I^io-Clem.  V,  33,  dessen  Deutung  aber  mit  Recht  in 
der  ßeschroibg.  Roms  II,  2  j).  162  Anni.  bestritten  wird.  Die  Kuh  ist 
:i\isscrdem,  wie  mir  von  competenter  Seite  versichert  wird,  in  recht 
frnteni  Stande.     Vgl.  E.  Braun  Ruinen  und  Museen  Roms  p.  319. 

932.  Traubenfressender  Hirschf,  Marmorrelief  aus 
Attika,  in  Wien  befindlich. 

Die  Bedeutung  des  Reliefs  ist  uns  nicht  klar.  Der  Hirsch 
ist  sehr  gut  gearbeitet,  doch  sieht  man  an  dem  Laub  des 
Baumes,  das  durch  blosse  Bohrlöcher  angedeutet  ist,  dass  das 
Relief  erst  spät  entstanden  ist. 

Vgl.  V.  Sacken  u.  Kenner,  die  Sammlungen  des  K.  K.  Münzcabinets 
[K  34  n.  106.  0.  Müller  Handb.  §.  431  n.  2  und  Friedländer  de  operibus 
aiiaglyphis  etc.  p.  28  halten  das  Relief  für  den  Grabstein  eines  Jägers, 
was  mir  doch  reicht  unwahrscheinlich  vorkommt. 


*  Im  Saal  der  Thiere  imd  ßroncen  n.  19. 
**   Kbendas.  n.  391. 
***  Im  Lycischen  Hof  n.  274. 
****  In  den  Durchgängen  zum  Römischen  Kuppelsaal  n.  20. 
t  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  109. 


# 


536  Thiere  und  Miscellaneen. 

933.  Reh*,  von  Bronce,  in  Herkulanum  1751  ge- 
fanden und  in  Neapel  befindlich. 

Abg.  Gargiulo  raccolta  55.    Mus.  borb.  ^I,  51. 

934.  Zwei  Ziegenböcke**,  mit  den  Köpfen  gegen- 
einander rennend,  Marmorwerk  in  Athen. 

Auf  der  Insel  Thasos  befindet  sich  eine  Grotte  des  Pan, 
mit  einem  Giebelfeld  geschmückt,  dessen  mittleres  ALkroterion 
genau  dieselbe  Darstellung  zeigt.  Wir  werden  für  dieses 
Denkmal  dieselbe  Bestimmung  voraussetzen  dürfen,  der  es 
nach  Form  und  Inhalt  so  sehr  entspricht. 

Vgl.  Conze  Arch.  Aiiz.  1860  p.  101  und  dessen  Reise  auf  den  Inseln 
des  thrakischen  Meeres  p.  11  Taf.  7  n.  2.  Pervanoglu  Arch.  Anz.  1865 
p.  11  möchte  die  Darstellung  für  sepulkral  erklären,  allein  die  Gruppe 
über  der  Pansgrotte  von  Thasos  ist  doch  gewiss  nicht  sepulkral. 

935.  Ziege***;  wo  das  Original  sich  befindet,  wissen 
wir  nicht. 

936.  Wasservogel,'  eine  Eidechse  fressend***, 
Marmorgruppe  aus  Pompeji,  in  Neapel  befindlich. 

Die  Gruppe  war  vermuthlich  an  einem  Bassin  aufgesteUfr. 

937.  Sessel  des  Dionysospriesters  im  atheni- 
schen Theaterf. 

Die  iin  Dionysostheater  zu  Athen  1862  von  Strack  un- 
ternommenen Ausgrabungen  haben  unter  anderm  auch  das 
Ergebniss  gehabt,  dass  ein  Theil  der  Sitzreihen  des  Zu- 
schauerraumes vollständig  blossgelegt  ist.  Man  fand  in  den 
beiden  untersten  Reihen  statt  der  Sitzstufen  Marmorsessel, 
dicht  neben  einander  stehend  und  nach  den  Inschriften  fast 
nur  für  Priester  oder  zum  Cult  gehörige  Personen  bestimmt. 
Der  vornehmste  unter  diesen,  theils  nach  seinem  Platz,  theils 
nach  seinen  bildlichen  Verzierungen,  war  derjenige  des  Prie- 
sters des  Dionysos  Eleuthereus  (des  Gottes  von  Eleutherae 
woher  sein  Cult  nach  Athen  gekommen  war),  der  in  der  Mitte 
der  untersten  Reihe  etwas  vor  den  andern  vorgerückt  stand. 
Dieser  Priester  hatte  darum  den  vornehmsten  Platz,  weil  ja 
seinem  Gotte  das  ganze  Theater  geweiht  war. 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  12. 
**  Im  Griechischen  Saal  n.  338. 
♦*♦  Im  Saaf  der  Thiere  und  Broncen  n.  20. 
****  Ebendas.  n.  35. 

t  Im  Saal  des  Famesisclien  Stiers  n.  50. 


Tliiere  und  Miscellaueeu.  537 

Die  Bedeutung  der  bildlichen  Verzierungen  an  diesem 
Sessel  ist  uns  nur  zum  Theil  klar.  Selbst  bei  dem  bacchi- 
schen  Relief  an  der  Eücklehne  wissen  wir  nicht  anzugeben, 
was  zur  Wahl  des  Motivs  —  die  Satyrn  tragen  eine  Traube 
—  Veranlassung  gegeben  hat.  Ganz  räthselhaft  ist  uns  das 
Relief  unter  dem  Sitzbrett,  wo  seltsam  gekleidete  Männer  mit 
sichelförmigen  Messern  gegen  Greife  kämpfen.  An  der  Aussen- 
seite  der  Armlehnen  sind  Eroten,  welche  Hähne  gegea  ein- 
ander loslassen,  schön  in  den  Raum  componirt,  und  hier  ist  mit 
Recht  an  die  Hahnenkämpfe,  die  jährlich  im  athenischen 
Theater  gefeiert  wurden,  erinnert.  Die  Eroten  sind  vermuth- 
lich  Eros  und  Anteros,  Eifer  und  Gegeneifer,  ähnlich  wie  sie 
als  schönes  Symbol  des  Wetteifers  an  einem  Gymnasium  zu 
Elis  um  das  Siegeszeichen,  die  Palme,  ringend  dargestellt 
waren. 

So  anmuthig  diese  Darstellung  ist,  gegenüber  den  beiden 
andern  absichtlich  archaisirenden,  so  gehört  der  Sessel  doch 
nicht  mehr  in  die  Blüthezeit  der  griechischen  Kunst,  wie  aus 
den  Formen  der  Inschrift  hervorgeht. 

Abg.  Revue  archeol.  1862  II  pl.  20.  Vgl.  Vischer  im  N.  Schweiz. 
Mus.  1863  p.  1  flf.  35  flf.  Bötticlier  im  Nachtrag  ziuu  Catalog  des  Neuen 
Museums  p.  59  ff.  bullet,  d.  inst.  1862  p.  iK).  114.  f 

938.  Sessel  des  Strategen*,  zugleich  mit  n.  937 
entdeckt. 

Statt  der  zehn  Strategen  der  früheren  Zeit  war  später 
nur  noch  einer  von  Bedeutung  oder  überhaupt  nur  vorhan- 
den. Dieser  Strateg  war  eine  der  wenigen  nichtpriester- 
lichen  Personen,  denen  ein  Platz  in  den  untersten,  vornehm- 
sten Sitzreihen  eingeräumt  war. 

\gl  Vischer  im  N.  Schweiz.  Mus.  1863  p.  1  ff.  35  ff. 

939.  Sessel**,  von  Marmor,  1836  im  Parthenon,  ;zwi- 
«chen  den  Säulen  des  Peristyls  und  denen  des  Pronaos  gefun- 
den und  in  Athen  befindlich. 

Die  Greifen  als  Stützen  der  Armlehne  und  die  arabesken- 
artigo  Figur  an  der  Rücklelme  haben  schwerlich  eine  andere 
als  omamentale  Bedeutung.  Die  Composition  ist  sehr  hübsch, 
aber  wir  bezweifeln,  ob  sie  der  Blüthe  der  griechischen  Kunst 
angehört.     Denn  für  derartige  arabeskenartige  Figuren  finden 


*  Im  Saal  des  Farnesischen  Stiers  n.  49. 
*♦   Ebendas.  n.  17. 


538  *     Thiere  und  Miscellaneen. 

sich  doch  wohl  erst  in  spätem  Vasenbildern  und  Terrakotten 
Analogien. 

An  dem  obern  Kand  bemerkt  man  den  Rest  einer  Inschrift* 

Abg.  Poppe,  Sammlimg  v.  Ornamenten  und  Fragmenten  antiker 
Architektur,  Sculptur  n.  s.  w.  Berlin  1845,  BI.  8  Fig.  3  a  u.  b.  Vgl. 
Ross  Archaeol.  Aufs.  I,  p.  113.     Scholl  Archaeol.  Mitth.  p.  119  n.  164. 

940.  Wagenstuhl*;  von  Marmor,  früher  als  Bischofs- 
stuhl in  der  Kirche  St.  Marco  in  Rom  benutzt,  seit  Pius  VI 
im  Vatikan,  wo  er  zum  Theil  aus  antiken  Bruchstücken  zu 
einer  mit  Rossen  bespannten  Biga  hergestellt  ist. 

Der  Wagen  war  gewiss  ein  Weihgeschenk  und  man  hat 
vermuthet,  dass  er  dem  Sonnengott  geweiht  gewesen  sein  möge, 
worauf  die  Wahl  der  Ornamente  deute.  Denn  der  mit 
heiligen  Binden  und  Lorbeerzweigen  verzierte  Candelaber  im 
Innern  und  die  aus  der  Akanthuswurzel  sich  entwickelnden 
Aehren-  und  Mohnbüschel  am  Aeussern  könnten  als  Symbole 
des  leuchtenden  und  Leben  weckenden  Apollo-Helios  betrachtet 
werden.  Von  andrer  Seite  wird  der  Wagen  für  ein  der  Ceres 
dargebrachtes  Weihgeschenk  gehalten,  bei  welcher  Annahme 
das  Ornament  des  Aeussern  allerdings  eine  treffendere  Erklä- 
rung findet. 

'  Das  äussere  Ornament  gehört  zu  den  schönsten  römischen 
Ornamenten,  die  uns  erhalten  sind.  Der  charakteristische 
Unterschied  des  römischen  vom  griechischen  Ornament,  wenig- 
stens von  dem  der  griechischen  Blüthezeit,  besteht  darin,  dass 
das  erstere  reich  und  üppig  schwellend,  in  voller  runder  Rea- 
lität gebildet  wird,  während  das  letztere  flach  anliegt  und 
seine  Belebung  erst  durch  die  Farbe  erhält.  Man  fühlt  leicht, 
wie  nothwendig  dieser  reichere  und  üppigere  Charakter  des 
Ornaments  für  den  Geschmack  des  kaiserlichen  Roms  war. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  V  tav.  44.  45.  Vgl.  E.  Braun  Ruinen  u. 
Museen  p.  454. 

941.  Candelaber**,  von  Marmor,  in  Neapel  gefunden 
und  in  den  Vatikan  gekommen,  darauf  durch  Napoleon  nach 
Paris  versetzt,  von  wo  er  nicht  wieder  zurückgekehrt  ist. 
Nicht  zugehörig  aber  antik  ist  die  viereckige  Basis,  ergänzt 
(nach  antiken  Vorbildern)  der  mit  Akanthus  bedeckte  Ablauf 
des  Schaftes  und  die  Schaale. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  51. 
**  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  6. 


Thiere  und  Miscollaneen.  539 

Der  Caiulelaber  ist  der  grösste  unter  allen  die  sich  er- 
lialten,  aber  nicht  der  am  reinsten  stilisirte.  Denn  während 
im  strengeren  Stil  die  Vertikalrichtung  ausschliesslich  betont 
wird,  damit  der  Schaft  leicht  und  schlank  emporstrebend  er- 
scheinC;  ist  hier  die  Dekoration  zum  Theil  ringförmig  umge- 
legt und  der  Schaft  erscheint  wie  aus  einzelnen  nicht  zur 
Einheit  verbundenen  Trommeln  zusammengefügt 

Das  Relief,  schwärmende  Bacchantinnen,  lässt  vermuthen, 

dass  der  Candelaber  für   einen  Festsaal  oder   auch   für  den 

bacchischen  Cultus  bestimmt  war. 

Abg.  Visconti  Pio-Clem.  VII,  38.     Clarac  pl.  137.     Vgl.  E.  Braun 
Ruinen  u.  Museen  p.  497.     Visconti  Op.  var.  IV,  p.  253. 

942.  Marmorscheibe*,  mit  den  Masken  von  Satyr  und 
Silen;  wo  das  Original  sich  befindet,  wissen  wir  nicht. 

Diese  zwar  in  einen  viereckigen  Kahmen  eingelassene, 
ursprünglich  aber,  wie  man  noch  deutlich  sieht,  runde  Scheibe 
gehört  zu  einer  in  vielen  Exemplaren  vertretenen  Classe  von 
Denkmälern,  die  in  den  Zwischenräumen  der  Säulen  an  Tem- 
peln und  Privathäusem  aufgehängt  wurden.  Man  hat  diese 
Bestimmung  aus  einem  porapejanischen  Fund  und  aus  den  Lö- 
chern am  obern  Rand  vieler  Exemplare  errathen,  auch  sieht 
man  auf  antiken  Darstellungen  solche  Scheiben  in  der  ange- 
gebenen Weise  aufgehängt.  Sie  sollten  in  die  Monotonie  der 
Säulen  Abwechslung  hineinbringen.  In  den  meisten  Fällen 
sind  sie  mit  Reliefs  bacchischen  Inhalts  verziert,  vermuthlich 
nur  deshalb,  weil  derartige  Darstellungen  ihrer  Anmuth  wegen 
besonders  beliebt  und  auch  für  diesen  Zweck  als  ein  heiteres 
Ornament  besonders  passend  waren. 

V^l.  WelcJtci'  A.  D.  n,  p.  122  ff.,  wo   aber  dies  Exemplar  nicht 
aufgeführt  ist.     Brunn  Annali  1851  p.   118  ff. 

943.  Marmorscheibe**,  im  Antiquarium  zu  München. 
Auf  der  einen  Seite  ist  Herakles  dargestellt,  wie  er  den 

gctödtoten  nemeischen  Löwen  davonträgt,  auf  der  andern,  wie 
ein  Knabe  ihm  eine  Schenkelwunde  verbindet.  Wir  glauben, 
dass  er  diese  Wunde,  die  von  Andern  aus  dem  Kampf  mit 
den  llippoköontiden  abgeleitet  wird,  im  Kampf  mit  dem  Lö- 
wen davontrug,  denn  es  wäre  eigenthümlich,  wenn  die  beiden 
Seiten  dieses  Diskus  nicht  in  einer  deutlichen  und  bestimm- 


*  Im  Römischen  Saal  n..  41. 
**   Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  314. 


540  Thiere  und  Miscellaiieei). 

ten  Beziehung  zu  einander  ständen.    Der  Stil  ist  sehr  mittel- 
mässig. 

Abg.  bei  v.  Lützow,  Müiichener  Antiken  Taf.  3.  4.  Archaool.  Ztg. 
1861  Taf.  151,  2.  Vgl  Archaeol.  Anz.  1861  p.  171.  Wir  haben  zwar 
keine  Ueberliefening  von  einer  Verwundung  des  Herakles  im  Löwen- 
kampf, da  er  aber  den  Löwen  erdrückte,  so  war  eine  Verwundung  notli- 
wendig  und  ein  Künstler  konnte  sie  daher  unbedenklich  darstellen. 

944.  Relief  mit  einer  Triere*,  von  Marmor,  1860 
in  Athen  gefunden  und  ebendaselbst  befindlich. 

Man  hat  dies  gut  gearbeitete  Relief  mit  Wahrscheinlich- 
keit als  Rest  eines  Ehrendenkmals  angesehen,  das  für  einen 
Sieg  im  Trierenwettkampfe  errichtet  wurde. 

Abg.  Annali  1861  tav.  d'agg.  M,  n.  2  p.  327.  Vgl.  Bötticher  im 
Nachtrag  zum  Catalog  des  Neuen  Museums  p.  35  und  über  das  Tech- 
nische der  Darstelhmg  Graser  de  veterum  re  navali  §.  84. 

945.  Schaale  des  Canole  jus**, aus  schwarz  gefirnisstem 
Thon,  1834  in  einem  caeretanischen  Grabe  gefunden  und  in 
Paris,  im  cabin.  d.  m^d.  befindlich. 

Es  ist  eine  Trinkschaale,  passend  mit  der  Büste  eines 
Silens  verziert,  die  offenbar  nach  griechischen  Vorbildern  co- 
pirt  ist.  Form  und  Farbe  des  Gewisses  dagegen  sind  italisch. 
Die  Form  ist  unter  den  aretinischen  Vasen  häufiger. 

Der  Verfertiger  Calenus  Canolejus,  dessen  Name  das  Bild 
im  Innern  umgiebt,  kann  nach  den  Buchstabenformen  der  In- 
schrift nicht  jünger  sein  als  das  sechste  Jahrhundert  der  Stadt, 
er  ist  aber  auch  schwerlich  viel  älter,  denn  das  stark  vor- 
springende Relief  der  Büste  entspricht  durchaus  nicht  dem 
Stil  der  edleren  Kunst. 

Vgl.  de  Witte,  cabinet  Durand  n.  1434  Brunn  Gesch.  d.  griech. 
Künstl.  I,  534.     Archaeol.  Anz.  1863  p.  73—78. 

946.  Becher  von  Erz***,  in  dem  Dorfe  Erp  beiLeche- 
nich  gefunden  und  im  Museum  zu  Bonn  befindlich. 

Das  Relief  der  einen  Seite  stellt  den  Besuch  des  Mars 
bei  der  Rhea  Silvia  dar,  zu  dem  auch  Amor  sich  einfindet, 
das  der  anderen  Seite  ist  auf  den  Kampf  des  Mars  gegen 
Herkules,  der  ihm  seinen  Sohn  Kyknos  getödtet  hatte,  oder 
auch  auf  den  Kampf  des  Herkules  mit  Laomedon  von  Troja 


*  Im  Griechischen  Saal  n.  307. 
**  Im  Saal  der  Thiere  und  ßroncen  lu  132. 
***  Ebendas.  n.  122.  123. 


Thiere  und  Miscellaneen.  541 

gedeutet.     Weder  die  eine  noch  die  andere  Deutung  scheint 
uns  überzeugend. 

Abg-,  Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alterthumsfreunden  im  Rheiul.  I  Taf.  1, 2 
mit  der  Erklüning  von  Urlichs  p.  45.  Gegen  die  Deutung  auf  Herkules 
und  Mars  spricht  allerdings  der  Umstand,  dass  dann  keine  rechte  Be- 
ziehung zu  dem  Bilde  der  anderen  Seite  da  wäre,  man  müsste  denn 
die  Pointe  der  Darstellungen  so  fassen  wollen,  dass  Mars  als  Liebhaber 
und  als  Kämpfer  vorgestellt  werden  sollte.  Aber  noch  weniger  kann 
irh  der  Deutung  auf  Laomedon's  Kampf  mit  Herkules  beistimmen,  denn 
wer  trojanische  Helden  als  Vorfahren  Roms  darstellen  wollte,  ging 
schwerlich  auf  Laomedon  zurück.  Auch  wäre  dann  der  Gefallene,  um 
den  gekämpft  wird,  eine  miissige  Person. 

947.  Aschenurne*,  in  einem  Grabe  bei  Neapel  von 
(t.  Hamilton  gefunden,  und  mit  der  Townley'schen  Sammlung 
ins  britische  Museum  gekommen. 

Es  lag  nahe,  die  Aschenurnen  mit  künstlichen  Blättern 
und  Blumen  zu  verzieren,  da  man  auch  mit  lebendigen  Blu- 
men die  Gräber  schmtickte,  und  so  ist  denn  diese  Art  der 
Verzierung  sehr  häufig  auf  den  römischen  Graburnen,  aber 
nicht  immer  so  fein  ausgeftihrt  wie  hier.  Auf  den  Henkeln 
sind  in  flachem  Relief  je  zwei  Knaben  eine  Vase  tragend 
«largestellt,  worüber  wir  keine  nähere  Auskunft  zu  geben 
vermögen. 

Abg.  marbles  of  the  brit.  mus.  V,  3,  2 — 4.  EUis,  Townley  gallery 
II,  p.  234. 

948.  Desgl.**,  mit  der  Townley'schen  Sanunlung  ins 

britische    Museum   übergegangen.     Dei*   Deckel   ist   moderne 

Ergänzung. 

Al)^^  marbles  of  the  brit.  mus.  V,  10,  2.  3.  Ellis,- Townley  gallery 
11,  254.  Die  Inschrift  lautet  D.  M.  Flaviae  Eunyae  Titius  Justus  liugi 
(Urs  ((»iijup:!)  eariss(imae)  m(onumeutum)  %cit),  wird  aber  von  meinem 
Colle^eii,  Prof.  Hübner,  für  unzweifelhaft  modern  erklärt. 

949.  Desgl.***,  in  Rom,  vermuthlich  im  Vatikan  be- 
findlich. 

Den  Ammonsköpfen,  welche  die  Henkel  der  Vase  bilden^ 
ist  die  Bedeutung  eines  Apotropaion  beigelegt,  vielleicht  aber 
sind  sie  nur  wegen  ihrer  tektonischen  Angemessenheit  von 
dem  Verfertiger  der  Vase  gewählt. 

V^^l.  0.  Jahn,  Lauersforter  Phalerä  p.  24.  Die  Inschrift  lautet: 
(\  Calpurnius  C.  f.  Ste(llatina  tribu)  Vibianus. 

*  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  24. 
**  Kbendas.  n.  27. 
***   Kbendas.  n.  29. 


542  Thiere  und  Miscellaneen. 

950.  Desgl.*  in  Rom,  im  Vatikan  befindlich. 

Die  Inschrifttafel  ist  von  Candelabern  umgeben,  eine  auf 
römischen  Grabsteinen  häufiger  vorkommende  Darstellung,  die 
gewiss  mit  Recht  von  den  um  den  Katafalk  aufgestellten 
Fackeln  hergeleitet  wird.  Die  Greifen  sind  wohl  als  die 
Wächter  der  Candelaber  und  der  Urne  aufzufassen. 

Der  Fries  wird  durch  umkränzte  Stierschädel,  zwischen 
denen  sich  Opferinstrumente  befiinden,  gebildet.  Die  ersteren 
sind  ein  oft  vorkommendes  zauberabwehrendes  Symbol,  könn- 
ten aber  auch  mit  den  letzteren  wohl  eine  Anspielung  auf 
die  dem  Todten  darzubringenden  Opfer  enthalten. 

Vgl.  Michaelis  Archaeol.  Ztg.  1866  p.  141.  Die  Inschrift  ist  nach 
Kellerraann  Vigiles  p.  64  n.  224  eine  ungeschickte  moderne  Copie  einer 
andern  antiken,  gleichfalls  im  Vatikan  befindlichen. 

951.  Aschenkiste**,  1786  von  Townley  gekauft  und 
mit  dessen  Sammlung  ins  britische  Museum  übergegangen. 

Die  römischen  Aschenkisten  sind  oft  in  Gestalt  eines 
Tempelchens  gebildet,  in  offenbarer  Nachahmung  einer  grie- 
chischen Sitte.  Unter  den  oben  (n.  357  ff.)  erwähnten  griechi- 
schen Grabsteinen  haben  viele  die  Gestalt  einer  Tempelfront, 
auch  war  es  vielfach  üblich,  auf  den  Gräbern  der  Verstor- 
benen, die  als  Heroen  verehrt  wurden,  ein  säulengetragenes 
Tempeldach  zu  errichten. 

Die  Sirenen  an  den  Ecken  der  Kiste  haben  vermuthlich  die- 
selbe  Bedeutung,  wie  auf  den  griechischen  Grabsteinen  (n.  382  ff). 

Abg.  mai'bles  of  the  brit.  mus.  V,  10,  1.  Ellis  Townley  gallery 
II,  254.     Die  Inschrift  lautet:  D.  Albicci  Licini  Antoni  Liberalis. 

952.  Aschenkiste***,  mit  der  Townley 'sehen  Sammlung 
ins  britische  Museum  übergegangen. 

Auch  diese  Aschenkiste  hat  die  Gestalt  eines  Tempels, 
aber  eines. runden  Tempels,  dessen  Gesims  von  Hermen  und 
cannelirten  Pfeilern  gestützt  wird.  Die  plastischen  Verzie- 
rungen derselben,  wenigstens  die  Gruppe  der  zwei  Knaben, 
die  mit  einem  Vogel  spielen,  haben  gewiss  einen  besondern 
Sinn,  den  wir  aber  nicht  anzugeben  vermögen. 

Abg.  marbles  of  the  brit.  mus.  V,  4,  1.  2.  Ellis  II,  p.  237.  Die 
Inschrift  lautet:  Serulliae  Zosimeni  quae  vixit  ann(is)  XXVI  bene  meren(ti) 
fecit  Prosdecius  filius,  ist  aber  nach  Prof.  Hübner's  Meinung  sicher  modern. 


*  Im  Römischen  Ku])pelsaal  n.  30. 
**  Ebendas.  n.  26. 
***  Ebendas.  n.  25. 


Tlüere  und  Miscdlaneeii.  543 

953.  Grabaltar  des  Atimetus*,  von  W.  A.  Mackin- 
non  1817  dem  britischen  Museum  geschenkt. 

Der  Altar  ist,  wie  die  Inschrift  sagt,  dem  Atimetus, 
einem  kaiserlichen  Freigelassenen,  der  die  Aufsicht  über  den 
Feldbedarf  des  Kaisers  führte,  von  Gattin  und  Sohn  gesetzt. 
Die  Darstellung  stammt  von  jenen  oben  (n.  385)  besproche- 
nen griechischen  GrabdarsteUungen  ab,  welche  den  Verstor- 
benen trinkend  und  essend,  d.  h.  im  Genuss  der  von  den 
Angehörigen  ihm  bereiteten  Opfer  darstellen.  Kinder  oder 
Diener  umgeben  den  Atimetus  und  einer  setzt  ihm  einen  Kranz 
auf,  wie  man  sie  beim  Gelage  trug. 

An  den  Seiten  des  Altars  sind  Krug  und  Schaale  ange- 
bracht, Symbole  der  Opferspenden,  die  dem  Todten  darge- 
bracht wurden. 

Abg.  marbles  of  the  brit.  mus.  V,  1,  2.  Ellis  Towiüey  g^llery  II, 
228.  Die  Inschrift  lautet  D.  M.  S.  Atimeti  Aug(usti)  l(iberti)  a  supell 
{ectili)  castrensi  feeerunt  Flavia  Dada  conjug(i)  b(ene)  m(erenti)  et  For- 
tunatus  Aufi^(usti)  l(ibertus)  parent(i)  optimo, 

954.  Sphinx  als  Tischfuss**,  von  Marmor,  von  G. 
Hamilton  in  der  Nähe  des  alten  Lanuvium  gefunden  und  mit 
der  Townley'schen  Sammlung  ins  britische  Museum  über- 
gegangen. 

Die  Tischplatte  denke  man  sich  auf  vier,  zu  je  zweien 
mit  dem  Rücken  gegen  einander  gekehrt  sitzenden  Sphinxen 
ruhend. 

Abg.  Ellis,  Tüwnley  gallery  II,  p.  84. 

955.  Tischfuss  mit  Löwenkopf***,  von  Marmor,  aus 
der  Townley'schen  Sammlung  ins  britische  Museum  gekommen. 

Abg.  Ellis,  Townley  gallery  II,  p.  89. 

956.  Desgl.****,  von  Marmor,  mit  gehörntem  Löwen- 
kopf, fragmentirt,  1769  in  Hadrians  tiburtinischer  Villa  von 
G.  Hamilton  gefunden  und  mit  der  Townley'schen  Sammlung 
ins  britische  Museum  gekommen. 

Al)g.  marbles  of  the  brit,  mus.  1, 13.    Ellis,  Townley  gallery  II,  p.  91. 


*  Im  Römischen  Kuppelsaal  n.  28. 
**  Im  Saal  der  Thiere  und  ßroncen  n.  31. 
***  Im  Römischen  Saal  n.  57.    Ein  fast  ganz  übereinstimmendes  Exem- 
plar ist  unter  n.  58  verzeichnet. 
****   Im  Römischen  Saal  n.  123. 


544  Thiere  imd  Miscellaneen. 

957.  Desgl.*,  von  Marmor,  mit  einem  Herkuleskopf;: 
wo  das  Original  sich  befindet,  wissen  wir  nicht. 

958.  Desgl.**,  von  Marmor,  aus  Pompeji,  worauf  Amor 
auf  einem  Seepferde  dargestellt  ist. 

858 a.b.  Desgl.***,  aus  dem  Dionysostheater  von  Athen». 

959.  D,esgl.****,  von  Marmor,  aus  Pompeji,  von  einem 
Amor,  der  eine  Muschel  hält,  gebildet.     Besonders  anmuthig.. 

Ein  übereinstimmendes  Exemplar  im  hiesigen  Museum,  das  in  der 
Archaeol.  Ztg.  1862  Taf.  158,  4  abgebildet  ist. 

960.  Desgl. t,  von  Giallo  antico,  aus  dem  Haus  des 
Sallust  in  Pompeji,  jetzt  in  Palermo  befindlich. 

961.  Desgl. ff,  von  Bronce,  im  Hause  des  Sallust  zu 
Pompeji  ausgegraben  und  jetzt  im  Museum  zu  Palermo. 

962.  DesgLfff,  von  Marmor,  aus  Athen,  durch  eine- 
Sirene,  die  auf  einer  Ammonsmaske  steht,  gebildet.  Letzterer 
wird  die  Bedeutung  eines  Apotropaion  beigelegt. 

Vgl.  0.  Jahn,  Die  Lauersforter  Phalerä  p.  24  ff. 

963.  Geflügelter  Löwenfussffff,  von  einer  Brüstung 
im  kleinen  Theater  zu  Pompeji,  zu  deren  Abschluss  er  diente^ 

964.  Fuss  eines  Kohlenbeckens*f,  durch  einen  ge- 
flügelten Löwen  gebildet.    Aus  Pompeji. 

965.  Vierköpfige  Herme *ff,  aus  dem  Piraeus,  aus: 
einer  bärtigen  ithyphallischen  und  drei  weiblichen  Figuren 
bestehend.    Die  Erklärung  steht  noch  nicht  fest. 

Abg.    Stephani,    Titulorum    gi-aecorum   particula   V,    Dorpat    1850 
Taf.  6  p.  20  ff.    Vgl.  bullet.  1851  p.  71. 

966.  Sechs  Masken*fff,  Marmorrelief  aus  Athen. 
Vermuthlich  Hat  dieses  Kehef  zum  Schmuck  des  Theaters 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  22. 
**  Im  Römischen  Saal  n.  114. 
***  Im  Griechischen  Saal  n.  369.  370. 
****  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  243. 
t  Im  Rönndschen  Saal  n.  124. 
tt  Ebendas.  n.  26. 
ttt  Im  Griechischen  Saal  n.  313. 
tttt  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  242. 
*t  Ebendas.  n.  103. 
*tt  Im  Griechischen  Saal  n.  49. 
*ttt  Ebendas.  n.  302.. 


Thiere  und  Miscellaneen.  545 

in  Athen  gedient,  denn  ebendaselbst  sind  kürzlich  mehrere 
mit  Masken  verzierte  Keliefs,  darunter  auch  ein  ganz  ähn- 
liches nur  etwas  grösseres,  ebenfalls  sechs  Masken  enthal- 
tendes, aufgefunden  worden. 

Vgl.  Arch.  Anz.  1866  p.  170. 

967.  Tragische  und  komische  Maske*,  Marmor- 
relief im  britischen  Museam.  Das  Kinn  der  tragischen  Maske 
ist  ergänzt. 

Diese  Masken  sind  besonders  schön,  namentlich  ist  an 
der  tragischen  der  Zug  der  Trauer  sehr  ausdrucksvoll  her- 
vorgehoben. Sie  dienten  vermuthlich  auch  zur  Dekoration 
eines  Theaters. 

Abg.   marbles   of  the  brit.  mus.  II.    Vignette.     EUis,   the  Townley 
gallery  II,  p.  67  n.  23. 

968.  Bacchische  Masken**,  Marmorrelief,  1818  für 
das  britische  Museum  erworben. 

Unten  sind  die  Masken  des  bärtigen  Dionysos  und 
eines  jugendlichen  Satyrs,  oben  die  zweier  Bacchantinnen  dar- 
gestellt. 

Abg.  EUis,  the  Townley  gallery  II,  p.  67  n.  24. 

969.  Schlussstein  eines  römischen  Triumph- 
bogens**"^', in  der  Nähe  von  Frascati  gefunden  und  mit  der 
Townley'schen  Sammlung  ins  britische  Museum  übergegangen. 
Ergänzt  sind  der  Kopf  und  der  linke  Vorderarm  der  Viktoria. 

Sowohl  die  architektonische  Form  als  die  Gestalt  der 
Viktoria  machen  den  angegebenen  Zweck  dieses  Werks  wahr- 
scheinlich. Es  entspricht  durchaus  den  noch  an  Ort  und 
Stelle,  wie  z.  B.  am  Titusbogen,  erhaltenen  Schlusssteinen. 

Abg.  marbles   of  the   brit.  mus.   I,  15.     Ellis,  Townley  gallery  II, 
p.  86.     Vaiix  handbook  to  the  brit.  mus.  p.  260. 


*  Im  Römischen  Saal  n.  40. 
**  Ebendas.  n.  35. 
***  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  14. 


Friederichs  griech.  Plastik.  35 


IX.    Anhang.    Etruscische  Kunst. 


Die  Denkmäler  etruscischer  Kunst,  die  das  Neue  Museum 
besitzt,  sind  nicht  zahlreich  genug,  um'  eine  Vorstellung  von 
der  historischen  Entwicklung  und  von  der  Mannigfaltigkeit 
dieser  Kunst  zu  geben,  wir  konnten  sie  daher  nur  als  An- 
fang hinzufügen.  Doch  ist  das,  was  vorhanden  ist,  charakte- 
ristisch gewählt,  indem  es  drei  verschiedene  Perioden  in  ein- 
zelnen Proben  repräsentirt.  Wir  ordnen  die  Denkmäler  nach 
ihrem  Alter,  lassen  also  diejenigen  vorangehen,  die  noch  nicht 
von  orientalischen  Elementen  frei  sind,  dann  die  vom  stren- 
gen altgriechischen  Stil  abhängigen  folgen  und  schliessen  mit 
den  in  freierem  Stil  gearbeiteten,  übrigens  auch  noch  von 
der  griechischen  Kunst  abhängigen. 

970 — 983.  Verzierungen  von  Geräthen*,  vonBronce, 
theils  Reliefs  von  getriebener  Arbeit,  theils  runde  gegossene 
Figuren,  1812  in  der  Nähe  von  Perugia  gefunden.  Die  Re- 
liefs befinden  sich  jetzt  fast  alle  in  der  Glyptothek  zu  Mün- 
chen, die  runden  Figuren  in  Perugia. 

Gleich  bei  der  Auffindung  wurde  die  allerdings  nicht 
unwahrscheinliche  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  diese  Bron- 
cen  oder  wenigstens  ein  Theil  derselben  zur  Verzierung  eines 
Wagens  gedient  habe.  Die  Form  der  beiden  grössten  Frag- 
mente wenigstens,  desjenigen  auf  dem  die  Eberjagd  und  des 
andern  auf  dem  die  Meduse  dargestellt  ist,  entspricht  dieser 


*  Im  Saal  der  Thiere  uud  Broncen  n.  191—200.    129.  130.  139. 
143.  165.  166.  168. 


Etruscische  Kunst.  5^7 

Voraussetzung  vollkommen,  denn  der  Wagenstuhl  war,  wie  er- 
haltne  Wagen  zeigen,  in  ähnlicher  Weise  ausgeschweift,  wie 
diese  Reliefs.  Einige  der  Platten  haben  ein  höheres  Relief 
als  die  andern;  wenn  die  Vermuthung,  dass  der  Wagen  nicht 
allein  aussen,  sondern  auch  im  Innern  verziert  war,  richtig 
ist,  so  waren  die  flacher  gearbeiteten  Stücke  vielleicht  innen 
und  die  andern  aussen  angebracht.  Doch  beanspruchen  wir 
nichts  weniger  als  jedem  Fragment  seine  Stelle  anweisen  zu 
können.     Das  Material  des  Wagens  war  jedenfalls  Holz. 

Auch  hinsichtlich  der  Erklärung  bleibt  manches  dunkel. 
Wir  glauben  indess,  dass  diejenige  Erklärung  der  Wahrheit 
am  nächsten  konmit,  die  möglichst  wenig  tiefere  Absichten 
voraussetzt.  Aehnlich  wie  am  Fries  von  Assos  (n.  4.  5.),  der 
überhaupt  diesen  Reliefs  sehr  verwandt  ist,  scheint  die  Zu- 
sammenstellung der  verschiedenartigsten  Dinge  ohne  bestimmte 
Absicht,  in  harmlosem  kindlichem  Sinn  geschehen  zu  sein. 

Das  grösste  Fragment  stellt  eine  Eberjagd  dar,  und 
vermuthlich  ist  die  calydonische  gemeint,  die  auch  in  der 
griechischen  Kunst  zu  den  ältesten  Gegenständen  der  bilden- 
den Kunst  gehört.  Ihr  entsprach  vielleicht  eine  ähnliche 
Scene  auf  der  rechten  Seite  der  Platte,  von  der  sich  nur  ein 
paar  Figuren  erhalten  haben.  Die  Verbindung  zwischen  bei- 
den wird  durch  zwei  wunderliche  Figuren  vermittelt,  von  de- 
nen die  eine  ein  phantastisches  Seethier,  die  andre  eine 
menschliche  Figur  mit  Fischflossen  darstellt.  Wir  bezweifeln, 
dass  eine  andre  Absicht  die  Darstellung  dieser  Figuren  ver- 
anlasst habe,  als  die,  den  gegebenen  Raum  schicklich  auszu- 
füllen. Der  primitive  Künstler  wusste  sich  eben  nicht  anders 
zu  helfen.  Unter  dem  Eber  befindet  sich  ohnQ  Zusammen- 
hang mit  den  übrigen  einer  der  Jäger,  auch  diese  Figur  ist 
nur  des  Raumes  wegen  hinzugefügt,  gerade  die  älteste  Kunst 
hat,  wie  man  namentlich  an  den  bemalten  Vasen  sieht,  das 
Bestreben,  jeden  auch  den  geringsten  Raum  mit  einem  Bilde 
zu  beleben. 

Auf  einem  andern  Fragment  ist  eine  Meduse  alterthtim- 
lichster  Art  dargestellt,  wie  es  scheint,  mit  zwei  Löwen 
kämpfend,  in  welcher  Situation  wir  sie  sonst  freilich  nicht  ken- 
nen. Das  Seepferd  und  der  storchartige  Vogel  auf  derselben 
Platte  sind  sichtlich  nur  durch  den  Raum  veranlasst. 

Auf  den  andern  Platten  sehen  wir  den  Minotaur,  eine 
Frau  mit  einem  Salbgefäss,  die  mit  einer  Hand  ihr  Gewand 
etwas  hinaufzieht  und  wegen  dieses  Gestus  für  Venus  erklärt 

35* 


5^8  Etruscische  Kunst. 

ist,  einen  bewaffiieten  Mann,  der  Löwen  am  Seil  führt,  ausser- 
dem aber  Thiere,  zum  Tlieil  phantastischer  Art,  Löwen  im 
Kampf  mit  Ebern,  Löwen  einen  Hirsch  zerfleischend,  Löwe 
und  Sphinx,  eine  zweite  Sphinx  und  ein  paar  Panther. 

Die  Reliefs  haben  nach  allem  Anschein  ein  hohes  Alter» 
Einmal  der  Technik  wegen,  denn  die  Bekleidung  mit  getrie- 
benen Blechplatten  ist  die  älteste  Anwendung  der  Metallkunst. 
Sodann  sind  die  Gegenstände  der  Darstellung,  Thiere  und 
Thierkämpfe  und  die  calydonische  Eberjagd,  auch  in  der  grie- 
chischen Kunst  die  ältesten.  Ferner  ist  die  Behandlung  des 
Reliefs  sehr  alterthümlich,  der  Minotaur  steht  mit  Beinen  und 
Kopf  im  Profil,  mit  der  Brust  en  face,  worüber  schon  oben 
(p.  15)  gesprochen  ist.  Endlich  sind  die  künstlerischen 
Formen  noch  ganz  primitiv,  namentlich  ist  das  Profil  wie  auf 
den  ältesten  Vasen  noch  ganz  schräg. 

So  alterthümlich  übrigens  die  Reliefs  aussehen,  so  fallen 
sie  doch  bereits  in  die  Zeit  des  griechischen  Einflusses,  wie 
die  Darstellung  der  calydonischen  Jagd  beweist.  Wir  werden 
sie  als  gleichzeitig  mit  dem  so  sehr  verwandten  Fries  von 
Assos  (n.  4.  5.)  betrachten  dürfen. 

Ob  die  zugleich  mitgefundenen  runden  gegossenen  Figu- 
ren auch  zur  Verzierung  des  Wagens  gedient  haben,  müssen 
wir  dahin  gestellt  sein  lassen,  sie  dienten  jedenfalls  alle  zur 
Verzierung  von  Geräthen  und  sind  in  altertliümlichem  Stil 
gearbeitet.  Es  sind  eine  phantastische  Venus  mit  vier  Flü- 
geln*, den  Kopf  mit  der  eigenthümlichen  etruscischen  Mütze, 
dem  Tutulus,  bedeckt,  in  der  Hand  eine  Taube  haltend.  Das 
Gesicht  hat  noch  durchaus  orientalischen  Charakter.  Aehn- 
liehen  Gesicbtsschnitt  hat  die  andere,  ebenfalls  mit  dem  Tu- 
tulus bedeckte  Gestalt**,  die  mit  der  Linken  ihr  Gewand 
etwas  in  die  Höhe  zieht  nach  Art  der  alterthtimlichen  Venus- 
figuren. Sodann  ist  eine  fischschwänzige  Frau  gefunden,  die 
dem  altgriechischen  Typus  der  Scylla  entspricht***,  femer 
ein  Löwe  ****,  die  Protome  eines  Löwen  f  und  einer  Sphinx  ff 
und  eine  nackte  männliche  Figur  f ff,  deren  eigenthtimliche 

♦  n.  130. 

♦*  11.  143. 

***  n.  165. 

****  n.  129. 

t  n.  168. 

tt  n.  166. 

ttt  n.  139. 


Etruscische  Kunst.  549 

StelluDg  offenbar  nur  durch  ihre  tektonische  Bestimmung  zu 
erklären  ist. 

Al)p^.  Micali  Antichi  monum.  tav.  28 — 31.  lughirami  monum.  etrus- 
ilii  III,  tav.  22  ff.  Vermiglioli  saggio  di  bronzi  etruschi  (nur  die  run- 
den Fig^uren)  Müller-Wieseler  I,  59,  297.  298  (die  beiden  ersten  Reliefs). 
\'gl.  Scliorn  Catalog  zur  Glyptothek  n.  32—38.  Abeken,  Mittelitalien  p. 
:386.  Brunn  Annali  1860  p.  481. 

984.  Artemis*,  Erzrelief,  im  Jahre  1851  in  Gräch* 
wyl  im  Canton  Bern  gefunden  und  im  Museum  zu  Bern  be- 
findlich. 

Das  Relief,  welches  zur  Verzierung  eines  Geräthes  diente, 
vergegenwärtigt  einen  Göttertypus,  der  ähnlich  in  der  ältesten 
griechischen  Kunst  wiederkehrt,  ursprünglich  aber  wohl  im 
Orient  zu  Haus  ist.  Man  hat  ihn  als  persische  Artemis  be- 
zeichnet, der  die  Thiere  dss  Waldes,  von  denen  die  Göttin 
umgeben  ist,  untergeben  waren. 

Die  ganze  Composition  macht  den  Eindruck  des  Phan- 
tastischen und  phantastisch  ist  überhaupt  die  älteste  etrus- 
cische und  griechische  Kunst,  die  beide  unter  dem  Einflüsse 
der  orientalischen  Kunst  stehen,  welcher  dieses  Element  spe- 
cifisch  eigenthümlich  ist. 

Abg.  AichaiM)!.  Ztg.  1854  ^Taf.  63  n.  1.  Vgl.  p.  177  unil  die 
dort  «'itirte  Litoratur. 

985.  Herkules  und  Minerva**,  Rückseite  eines  Me- 
tallspicgels,  früher  im  Palast  Grimani  in  Venedig,  den  jetzi- 
gen Aufbewahrungsort  kennen  wir  nicht. 

Ueber  die  Erklärung  der  Gruppe  ist  man  noch  nicht 
einig,  wir  müssen  tlieils  wegen  der  Inschriften  eines  überein- 
stimmenden Exemplars,  theils  weil  die  weibliche  Figur  deut- 
lich einen  Helm  auf  dem  Haupte  trägt,  diejenige  Annahme 
für  wahrscheinlich  halten,  wonach  Herkules  im  Liebeskampf 
mit  der  Minerva,  die  sich  ihm  zu  entziehen  sucht,  dargestellt 
ist.  Schon  oben  (n.  69)  war  von  einem  solchen  durch  schrift- 
liche Nachrichten  nicht  überlieferten,  aber  nach  den  Monu- 
menten vorauszusetzenden  Verhältniss  der  Minerva  zum  Her- 
kules die  Rede. 

Dieses  Relief  ist  eine  ausgezeichnete  und  charakteristische 
Probe  der  zweiten  Periode  der  etruscischen  Kunst,  als  sie 
ganz  abhängig  war  von  dem  strengen  Stil  der  altgriechischen. 


*  Im  Saal  dor  Thiere  und  Broncen  n.  404. 
**   Ebciidas.  n.  398. 


550  Etriiscische  Kunst. 

Zwar  fehlt  es  nicht  an  der  Beimischung  eines  etruscischen 
Elements ;  die  Bewegung  der  Minerva  ist  höchst  ungraziös^ 
wie  kein  Grieche  sie  erfunden  haben  würde,  ebenso  ist  die 
Haltung  des  rechten  Armes  an  Herkules  steif  und  unmotivirt 
und  nur  durch  den  Raum  veranlasst,  dessen  glückliche  und 
natürliche  Ausfüllung  überhaupt  den  Etruskern  oft  misslang. 
Trotzdem  aber  ist  der  Gesammteindruck  des  Werkes  wegen 
der  grossen  Consequenz  und  Präcision,  mit  welcher  der  strenge 
Stil  durchgeführt  ist,  nichts  weniger  als  abstossend. 

Gewöhnlich  sind  die  etruscischen  Spiegel  auf  der  Rück- 
seite nicht  mit  einem  Relief,  sondern  mit  einer  Zeichnung 
verziert,  aber  dies  Relief  ist  so  flach  gehalten,  dass  es  auch 
fast  nur  wie  eine  Zeichnung  aussieht  und  den  Charakter  des 
Ornamentalen  auf  das  Strengste  bewahrt. 

Abg.  Gerhard,  Etruscische  Spiegel  Taf.  159.    Vgl.  die   dazu  gehö- 
rige Erklärung. 

986.  Bacchus  von  Satyrn  gestützt*,  Bronce- 
gruppe,  die  als  Deckelgriff  einer  in  Palästrina  gefundenen  und 
jetzt  in  Paris  im  musee  Napoleon  befindlichen  Cista  dient. 

Der  Deckelgriff  der  etruscischen  Cisten  wird  wie  der 
Henkel  der  Krüge  sehr  oft  durch  Figuren  gebildet,  die  dann 
so  angeordnet  werden  mussten  wie  es  der  praktische  Zweck 
des  Griffs  erfordert  Man  bildete  daher  Gruppen  von  zwei 
oder  auch  drei  Personen,  die  an  ihren  oberen  Theilen  in 
einander  verschlungen  eine  feste  Handhabe  gewährten,  wäh- 
rend sie  unten  von  einander  getrennt  blieben,  um  der  den 
Deckel  abhebenden  Hand  das  Hineinfassen  möglich  zu  machen. 
Daher  finden  wir  Kämpfer-  oder  Ringergruppen  zu  diesem 
Zweck  verwandt,  besonders  häufig  aber  bacchische  Figuren^ 
die  sich  mit  den  Armen  umschlungen  halten,  einen  Satyr  und 
eine  Bacchantin,  oder  wie  hier  den  trunkenen  Dionysos  von 
Satyrn  gestützt.  Es  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  diese  Grup- 
pen keinen  sehr  erfreulichen  Eindruck  machen,  denn  die  ruhige 
ja  starre  Stellung  ist  gerade  für  diese  Wesen  unnatürlich,, 
das  aber  ist  doch  der  Zweck  solcher  Figuren,  dass  sie  nicht 
bloss  ihrer  tektonischen  Bestimmung  entsprechen,  sondern 
auch  ihrem  Charakter  treu  bleiben. 

Die  griechischen  Vorbilder  sind  trotzdem  kenntlich,  na- 
mentlich  in   dem  Kopf  des  Dionysos,  der  an  den  oben  be- 


*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  408. 


Etruscische  Kunst.  551 

sprochenen  herkulanischen  Kopf  (n.  438)  erinnert.  Aber  eben 
so  kenntlich  ist  ein  Zusatz  von  Plumpheit  und  Ungeschick- 
lichkeit, von  Härte  und  Mangel  an  harmonischer  Verschmel- 
zung der  Formen.  Sehr  charakteristisch  sind  auch  die  ab- 
stehenden Ohren  der  Satyrn,  wie  ich  sie  nie  in  griechischer 
Kunst  gesehn  zu  haben  mich  erinnere. 

Abgr.  monum.  d.  inst.  VI.  VII,  tav.  64,  1.  Vgl.  Annali  1862  p.  15  ff, 

987.  Knabe  mit  der  Gans*,  Broncefigur  im  Museum 
zu  Leyden. 

Die  Erfindung  ist  griechisch,  wie  mehrere  erhaltene  Sta- 
tuen zeigen,  aber  etruscisirt.  Das  hübsche  Motiv,  dass 
der  Knabe  dem  Thiere  spielend  seinen  Finger  hinhält,  damit 
es  hineinbeisse ,  ist  kaum  mehr  verständlich.  Der  Knabe 
hat  etwas  Steifes  und  Ungeschicktes  und  zugleich  übertrieben 
Weiches,  wa§  dem  etruscischen  Nachahmer,  nicht  dem  Original 
zur  Last  fällt.  Nach  italischer  Sitte  hat  er  eine  Bulla  um 
den  Hals,  auch  sein  Armband  ist  specifisch  etruscisch. 

Am  linken  Bein  bemerkt  man  eine  etruscische  Inschrift. 
Vermuthlich  war  das  Werk  ein  Weihgeschenk  und  wurde  als 
solches  durch  die  Inschrift  bezeichnet. 

Abg^.  Micali  ant.   monum.    t.  43.  Müller-Wieseler  I.  48,291.     Vgl. 
0.  Jahn  ßer.  d.  säclis.  Gesell&cli.  1848  p.  50. 


Nachtrag. 

Zu  n.  96.  Die  Ergänzung  dieser  Statue  zu  einem  Dory- 
phorus  wird  durch  eine  tibereinstimmende  Gemme  des  hiesigen 
Museums  (Tölken  IV,  n.  249  erklärt  sie  als  Achill)  bestätigt 

Zu  n.  411.  Durch  den  glücklichen  Fund  einer  Münze 
hat  Brunn,  Abhandl.  der  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1867  p.  1  ff., 
die  Statue  genauer  bestimmen  können.  Es  ist  Eigene  mit 
dem  kleinen  Plutos  auf  dem  Arm,  das  Werk  des  älteren 
Kephissodot. 

Zu  n.  591.  Ob  diese  Venus  sich  wirklich  in  Stockholm 
befindet,  ist  mir  nach  Berichten  von  dort  sehr  zweifelhaft; 
die  im  Archaeol.  Anz.  1853  p.  396  n.  154  citirte  Venus  ist 
vermuthlich  eine  andere. 

*  Im  Saal  der  Thiere  und  Broncen  n.  120. 


.^ 


Alphabetisches  Register. 


Die  Zahlen   bezeichnen  nicht   die  Seiten,   sondern   die  Nummern 

des  Buches. 


"ii 


f   • 


Adonis,  sogenannter,  im  Vatikan 
444. 

Adonis  und  Venus,  von  Terra- 
kotta 605. 

Aeginetische  Statuen  32—48. 

Aeschines,  Statue  in  Neapel  515. 

Aeschylus,  angeblicher,  Büste  im 
Capitol  506. 

Aesop  in  Villa  Albani  518. 

Agrippina,  jüngere  812. 

AKtaeou,  Gruppe  in  London  101. 

Alcibiades  unter  Hetären,  sog. 
690. 

Alexander,  Büste  im  Louvre  524. 

Alexander,  sterbender  692. 

Allegorische  Figuren  auf  einem 
Relief  aus  Thyrea  674. 

Altärchen  aus  Pompeji  920. 

Altar  aus  Villa  Negroni  780  ff. 

Amazone  in  Palast  Borghese  432. 

Amazone,  Mattei'sche  93. 

Amazone,  sterbende,  in  Neapel 
572. 

Amazone  aus  Salamis,  in  Dres- 
den 95 

Amazonentorso  in  Trier  94. 

Amazone,  Marmorstatue  in  Wien 
53. 

Amazone, Broncestatuette  ausHer- 
kulanum  865. 

Amazonensarkophag  783. 

Amor,  bogenspannender  608. 

Amor,  sogenannter,  unter  den 
Elgin  marbles  447. 


Amor,  sogenannter,  im  Vatikan 
448. 

Amor  mit  dem  Blitz  des  Zeus  748. 

Amor  im  Circus  749. 

Amor  auf  einem  Delphin  764. 

Amor^  Broncestatuette  aus  Pom- 
peji 855. 

Amoren  am  Thron  des  Neptun  747. 

Amoren  und  Meerdämonen,  Sar- 
kophag 787. 

Amoren  einen  Schmetterling  ver- 
brennend 780. 

Amoren  an  einer  Candelaberbasis 
779. 

Amor  und  Psyche  610. 

Amor  und  Silen,  Terrakottarelief 
643. 

Anakreon,  Statue  in  Villa  Borghese 
511. 

Anchirrhoe,  sog.  685. 

Anchises  und  Venus,  Broncerelief 
604. 

Andes,  Grabstein  des  808  Anm. 

Andromeda  und  Perseus,  Gruppe 
in  Hannover  763. 

Andromeda  und  Perseus,   Relief 
678. 

Antinous,  Büste  in  Villa  Albani  758. 

Antinous,  Büste  aus  Villa  Mon- 
dragone  756. 

Antinous,  Büste  von  der  Colos- 
salstatue  im  Vatikan  755. 

Antinous,  Kopf  im  britischen  Mu- 
seum 757. 


Alphabetisclies  Register. 


553 


Antinous  vom  Capitol  753. 
Antinous ,      seine      Todesweihe, 

Gruppe  von  lldefonso  754. 
Antinous,  sogenannter,  vom  Bel- 

vedere  441. 
Antoninus  Pius,  Büste  838. 
Aphrodite  s.  Venus. 
Apollino  in  Florenz  446. 
Apollo,  alterthümlicher  Kopf  aus 

Herkulanum  54. 
Apoll  von  Tenea  3. 
Apoll  von  Thera  2. 
Apollo,  Elgin'scher  447. 
Apollo,  auch  Adonis  genannt,  im 

Vatikan  444. 
Apollo  Sauroktonos  in  Villa  Al- 

bani  445. 
Apollo,  Marmorstatue  in  Mantua 

90. 
Apollo  im  Belvedere  663. 
Apollo,   stark  restaurirte  Statue 

im  Vatikan  726. 
Apollo,  Erzstatuette  aus  Pompeji 

850. 
Apoll,  singend,  archaist.  Relief  74. 
Apollo  mit  dem  Greif,  Relief  664. 
Apoll    und   Diana    aus   Pompeji 

842.  843. 
Apoll  und  Herakles  um  den  Drei- 

fuss  kämpfend  78. 
Apoll   und   Nike,   Marmorreliefs 

70-73. 
Apollonios,  Werk  des  97. 
Apotheose  Homers,  Marmorrelief 

736. 
Apotheose  Homers,  Silberbecher 

aus  Herkulanum  894. 
Apoxvomenos  499. 
Ära  Casali  791  ff. 
Ariadne,  schlafende,  im  Vatikan 

634. 
Ariadne,  Statue  in  Dresden  635. 
Aristion,  Grabstein  des  20. 
Aristogciton  und  Harmodios,  Mar- 
morgruppe 24.  25. 
Aristoj)hanos  und  Menander,  Dop- 

l)elbüste  509. 
Aristoteles,  Büste  in  Madrid  519. 
Arm  einer  Colossalstatue  aus  Ci- 

vitavecchia  729. 
Artemis  s.  Diana. 
Aschonkisten,  römische  951.  952. 


Aschenurnen,  römische  947 — 950. 

Assos,  Fries  von  4.  5. 

Athlet,  Erzbüste  in  Neapel  97.    . 

Athlet,  Marmortorso  in  Dresden  98. 

Atlant  aus  den  Thermen  von  Pom- 
peji 873. 

Attalus,  sein  Weihgeschenk  in 
Athen  572—578. 

Augustus,  Kopf  804. 
„      805. 

Augustus  und  Cäsar,  Relief  von 
Ravenna  806. 

Bacchantin  aus  Smyrna  439. 

Bacchantin  mit  einem  Idol,  Relief 
im  Louvre  644. 

Bacchantin  mit  Opferstier,  Relief 
im  Vatikan  356. 

Bacchantin,  Relief  im  brit.  Mu- 
seum 639. 

Bacchantin,  Relief  im  Louvre  640. 

Bacchantin  und  Satyr,  Relief  in 
Villa  Albani  645. 

Bacchische  Figuren  an  einer  Can- 
delaberbasis  im  Capitol  638. 

Bacchische  Figuren  an  einer  Mar- 
morvase des  brit.  Mus.  641. 

Bacchische  Figuren,  Relief  im 
Vatikan  636.  637. 

Bacchisches  Relief  in  Neapel  632. 

Bacchisches  Relief  aus  dem  Thea- 
ter in  Athen  631. 

Bacchisches  Relief  von  Marmor, 
aus  Pompeji  871. 

Bacchische  Masken  an  einer  Mar- 
morscheibe 942. 

Bacchische  Masken,  Relief  in  Lon- 
don 968. 

Bacchusbüste  629. 

Bacchuskopf  im  capitol.  Museum 
628. 

Bacchus,  Erzbüste  aus  Herkula- 
num 438. 

Bacchuskind,  Statue  623. 

Bacchus  als  Kind  im  capitol.  Mu- 
seum 619. 

Bacchus,  alterthüml.  Statue  in 
München  59 

Bacchus,  Statue  in  Madrid  625. 

Bacchus,  Statue  in  Tarragona  727. 

Bacchus,  Statue  in  Tegel  626. 

Bacchus,  Farnesischer  Torso  437. 


% 


554 


Alphabetisches  Register. 


Bacchus,  unbedeutende  Statuette 
in  Dresden  771. 

Bacchus,Broncestatuette  aus  Pom- 
peji 856. 

Bacchus  in  der  Wieg^,  Terra- 
kottarelief 622. 

Bacchus  bei  Ikarios  780.  !W| 

Bacchus,  von  Satyrn  gesttitzt, 
etruscische  Gruppe  986. 

Bacchus  und  Satyrn,  Marmor- 
gruppe in  Berlin  624. 

Bacchus  und  Hören  76. 

Bacchus  und  Ariadne,  Relief  im 
Vatikan  633. 

Bacchus  und  Viktoria,  Dreifuss- 
basis  aus  Athen  630. 

Bacchus  und  Herkules  auf  einer 
goldnen  Schaale  790. 

Bacchus  und  die  personificirte 
Rebe  762. 

Bacchussarkophag  785. 

Bacchuspriester,  sog.,  in  München 
59. 

Basis  eines  Dreifusses,  aus  Dres- 
den 75. 

Basis  einer  Statue  mit  alterthüml. 
Reliefs,  aus  Athen  63. 

Basis  mit  Viktorien,  Relief  in 
Athen  570. 

Desgl.  570. 

Baton,  sog.,Bronce  in  Tübingen  49. 

Becher,  in  Bonn,  mit  Reliefs  946. 

Becher,  von  Silber,  mit  Reliefs, 
aus  Pompeji  891—893. 

Berenice,  sog.,  Broncebüste  869. 

Blas,  sogenannter,  Büste  in  Ma- 
drid 520. 

Borghesischer  Fechter  681. 

Brunnenmündung,  capitoliuische 
69. 

Caelius,  M.,  Grabstein  des  808. 

Cäsar,  Kopf  803. 

Cäsar  und  Augustus,  Relief  von 

Ravenna  806. 
Camillus,  Broncestatue  797. 
Candelaber,  im  Louvre  941. 
Candelaber,   barberinische ,   ihre 

Reliefs  739  ff. 
Candelaber  mit  Silensfiguren,  aus 

Pompeji  876.  877. 
Candelaberbasis  mit  Amoren  779. 


Candelaberbasis  im  capitolin.  Mu- 
seum 638. 

Candelaberstücke  aus  Pompeji  875. 

Canolejus,  Schaale  des  945. 

Capitolinische  Brumienmündung 
69. 

Carminius,  Grabstein  des  808  Anm. 

Caryatiden,  vom  Erechtheum  324. 

Caryatiden,  römische  732  ff. 

Caryatide  des  Criton  und  Niko- 
laos  733. 

Centaur  mit  Amor  609. 

Centauren  mit  Amoren,  pompeja- 
nische  Reliefs  891.  892. 

Ceres,  sog.,  im  Vatikan  686. 

Choragische  Reliefs  70 — 73. 

Cicero,  Büste  802. 

Clytie,  sog.,  813. 

Colosse  von  Monte  •  Cavallo  104. 
105. 

Corinna  und  Sappho,  angeblich^ 
Doppelbüste  510. 

Dacier,  Colossalköpfe  829—831. 

Dädalus  und  Ikarus,  Relief  761. 

Dejanira  und  Nessus  (?)  677. 

Dekrete,  mit  Reliefs  verziert  407 
—410. 

Demosthenes,  Statue  im  Vatikan 
513. 

Demosthenes,  sogenannter,  im 
Louvre  514. 

Diana  von  Versailles  665. 

Diana,  Marmorstatue  aus  Pom- 
peji 56. 

Diana,  Broncestatuette  aus  Her- 
kulanum  853. 

Diana,  Torso  im  Vatikan  772. 

Diana  von  Gabii,  sog.  684. 

Diana,  Büste,  von  Gabii,  in  Mün- 
chen, 61. 

Diana,  etruscische  984. 

Diana  und  Apoll  aus  Pompeji 
842.  843. 

Dichterstatue  in  Villa  Borghese 
512. 

Dichter  und  Musen,  Sarkophag788. 

Diogenes  in  Villa  Albani  517. 

Dionysos  s.  Bacchus. 

Dioskuren  von  Monte  Cavallo  104. 
105. 

Diskobol  des  Myron  99 


Alphabetisclies  Register. 


555 


Diskobol,  ruhig  stehender,  im  Va- 
tikan 500. 

Dornauszieher  501. 

Dorj^phoros,  Statue  in  Neapel 
96.  vgl.  Nachtrag. 

Dreifuss  aus  Pompeji  874. 

Dreifussbasis  aus  Athen  630. 

Dresdener  Basis  75. 

Eber  925. 

Eberjagd,  etruscisch,  970. 

Eimer  aus  Pompeji  und  Herku- 

lanum  896  ff. 
Eleusinisches  Relief  298. 
Endymion  in  Stockholm  722. 
Erechtheum,  Sculpturen  vom  324 

—334. 
Erichthonius,  Geburt  des,  Relief 

im  Vatikan  493. 
Eros  s.  Amor. 
Eule,  aus  Athen  13. 
Eumusia,  Statuette  in  London  774. 
Euripides,    Marmorstatuette    im 

Louvre  505. 
Euripides  und  Sophokles,   DDp- 

pelbüste  504. 

Farnesischer  Stier  571. 

Faun,  barberinischer  656. 

Faun  mit  dem  Flecken  648. 

Faustina  die  jüngere,  sog.  837. 

Fechter,  borghesischer  681. 

Fischer,  Statuette  aus  Pompeji  848. 

Flora,  Farnesische  618. 

Fortuna  —  Isis ,  Broncestatuette 
860. 

Frauen  neben  einem  Idol  691. 

Frauenbüste,  griechisch,  in  Mün- 
chen 687. 

Gallier,  Statuen  in  Venedig  und 

Neapel  572  tf. 
Galli(»r,  sterbender,  vom  Capitol  | 

579. 
Gallier  und  sein  Weib,  aus  Villa 

Ludovisi  580. 
Ganvmed,  angeblicher,  in  Florenz 

613. 
Ganvmed,  Torso  in  Berlin  612. 
Gernianikus,  sog.  693. 
Germanikus,  sogenannter,  Relief 

in  Dresden  807. 


Götterversammlung  an  einem  Al- 
tar im  Capitol  745. 

Göttin,  wagenbesteigende,  Relief 
aus  Athen,  19. 

Grabaltar,  römischer  953. 

Grabstatue,  aus  Andros  443. 

Grabsteine,  griechische,  des  vol- 
lendeten und  späteren  Stils 
357—389. 

Grabsteine,  griechische,  mit  der 
Darstellung  des  Todtenmahles 
385—389. 

Grabsteine,  römische,  808  ff. 

Grabstein  des  Aristion  20. 

Grabstein  aus  Grotta  ferrata  364. 

Grabstein  aus  Neapel,  sog.  Odys- 
seus,  21. 

Grabstein  aus  Orchomenos  22. 

Grabstein  aus  Pompeji  381. 

Grabvase  in  München  361. 

Grazie,  nackter  Torso  in  Tegel  617. 

Grazien,  drei,  79. 

Greisengruppe,  ReUeffi:agment801. 

Gürtelschloss ,  aus  Herkulanum 
916  ff. 

Harmodios  und  Aristogeiton,  Mar- 
morgruppe 24.  25. 
Harpagosgrab,  Reliefs  vom,  526 — 

567. 
Harpokrates,  Broncestatuette  861. 
Harpyienmonument  27—30. 
Hausaltärchen  aus  Pompeji  920. 
Hekate,  Statuette  vom  Capitol  775. 
Hekate,  Broncestatuette  in  Arol- 

sen  862. 
Hektor  und  Troilus,  sog.  731. 
Helena  und  Paris  679. 
Henkel  und  Vasen  aus  Pompeji 

und  Herkulanum  910  ff. 
Hephästuskopf  668. 
Hephäst,  fragmentirtes  Relief  751. 
Hera  s.  Juno. 
Herkulanische  und  pompejanische 

Alterthümer  842  ff. 
Herkules,  Torso  vom  Belvedere 

676. 
Herkules,  Farnesischer  675. 
Herkules,  Büste  aus  Herkulanum 

845. 
Herkules  mit  der  Hindin,  ReUef 

in  London  23 


^56 


Alphabetisches  Register. 


Herkules  mit  der  Hindin ,  Erz- 
gruppe aus  Pompeji  847. 

Herkules  den  Dreifuss  raubend  78. 

Herkules  mit  Amor,  an  einer 
Lampe  890. 

Herkules  und  Bacchus  auf  einer 
goldnen  Schaale  790. 

Herkules  (?)  und  Nike,  Relief  in 
Athen  495. 

Herkules  und  Minerva,  etrusc. 
Spiegelrelief  985. 

Herkulesdarstellungen  an  einer 
Marmorscheibe  943. 

Hermaphrodit,  borghesischer  614. 

Hermaphrodit,  Torso  615. 

Hermaphrodit  und  angebliche 
Muse,  capitolin.  Relief  616. 

Herme,  dem  Herkules  ähnlich 
728. 

Herme,  vierköpfig  965. 

Hermes  s.  Merkur. 

Herodot  und  Thucvdides,  Doppel- 
büste 516. 

Heros,  jugendlicher,  Büste  aus 
Madrid  102. 

Hestia  s.  Vesta. 

Hippokrates,  sogenannter,  Büste 
in  Madrid  521. 

Hippolyt,  der  heil.,  Statue  841. 

Hirsch,  Trauben  fressend,  932. 

Hirtenknabe,  Broncestatuette  in 
Arolsen  867. 

Hirtin  mit  Böcklein,  Statue  799. 

Hochzeit  des  Zeus  und  der  Hera, 
Relief  in  Villa  Albani  65. 

Homer,  Büste  in  Potsdam  507. 

Homer,  Büste  in  London  508. 

Homer,  seine  Apotheose,  Marmor- 
relief 736. 

Homer,  seine  Apotheose,  Silber- 
becher aus  Herkulanum  894. 

Hund,  sitzender  926. 

Hundegruppe  im  Vatikan  927. 

Hypnos,Broncekopf  in  Neapel  450. 

Hypnos,  Marmorstatue  in  Madrid 

Jason,  sog.  666. 
Ikarus  und  Dädalus,  Relief  761. 
Ildefonso,  Gruppe  von  754. 
Inopus,  Statue  in  Paris  454. 
Iphigenie   auf  der  Mediceischen 
Marmorvase  778. 


Isis-Fortuna,  Broncestatuette  860. 

Isispriesterin  798. 

Jüngling,  nackter,  Broncestatuette 
in  Bonn  866. 

Juno,  Statue  in  Wien  434. 

Juno,  Farnesische  Büste  89. 

Juno,  Büste  in  Villa  Ludovisi  433. 

Junokopf,  kleiner,  in  Villa  Ludo- 
visi 661. 

Junokopf  im  Vatikan  662. 

Juno,  Relief  an  einem  Candelaber 
739. 

Juno  und  Thetis  777. 

Jupiter  s.  Zeus. 

Kalender  in  Bildern,  aus  Athen 
789. 

Kalydonische  Jagd,  Terrakottare- 
lief in  Berlin  498. 

Kannen  aus  Pompeji  und  Herku- 
lanum 896  ff. 

Knabe  mit  der  Gans  987. 

Knabe  mit  dem  Krug  796. 

Knäbchen  mit  der  Ente  795. 

Knieende  Figur  in  barbarischer 
Tracht,  Broncestatuette  in  Arol- 
sen 868. 

Knöchelspielerin  689. 

Köpfe,  weibliche,  unbestimmbar 
695.  696. 

Kopf,  männlicher,  idealer,  in  Pa- 
ris 453. 

Kopf,  weiblicher,  idealer,  in  Ma- 
drid 452. 

Korybanten  und  Satyr,  Relief  im 
Vatikan  Q42. 

Krieger,  ruhender,  in  Villa  Lu- 
dovisi. 683.  • 

Kriegsscene ,  alterthüml.  Relief 
aus  Athen  64. 

Krim,  Denkmäler  aus  der  698  ff. 

Krüge  aus  Pompeji  und  Herku- 
lanum 896  ff. 

Kuh  mit  ihrem  Kalb  931. 

Lampe  in  Arolsen  890. 
Lampen  aus  Pompeji  und  Herku- 
lanum 885  ff 
Lampengestell  aus  Pompeji  884. 
Laokoon  716. 

Laokoon,  Kopf  in  Brüssel  717. 
Laokoonsrelief  718. 


Alphabetisches  Register. 


557 


Leda  mit  dem  Schwan,  Marmor- 
relief 607. 

Leiikothea,  sogenannte  in  Mün- 
chen 411.  vgl.  Nachtrag. 

Leukothea ,  sog. ,  Grabrelief  in 
Villa  Albani  31. 

Löwe,  im  Palast  Barberini  924. 

Löwe  einen  Stier  zerfleischend  930. 

Löwen,  etriiscisch  970. 

Löwenfuss ,  gefltigelt ,  aus  dem 
Theater  zu  Pompeji  963. 

Löwenthor  von  Mykenä  1. 

Lucius  Verus,  Triumph  des,  Re- 
lief 839. 

Lysikratesdenkmal ,  ßelief  vom, 
476—492. 

Mädchen  sich  ankleidend  684. 

Mädchen  mit  der  Muschel  688. 

Mädchen,  Wasser  holend  685. 

Mänade  s.  Bacchantin. 

Männlicher  Kopf  auf  der  Biblio- 
thek in  Paris  453. 

^Nlarathonische  Vasen,  sog.  361. 
362.  369—371. 

Marmorscheibe  mit  bacchischen 
Masken  942. 

Marmorscheibe  mit  Herkulesdar- 
stellungen 943. 

Marmorvase  mit  bacchischen  Fi- 
guren, im  brit.  Mus.  641. 

Mars  Borghese  720. 

Mars,  Kopf'  in  München  721. 

Mars  in  Villa  Ludovisi  436. 

Mars,  Relief  an  einem  Candelaber 
739. 

Mars  und  Rhea  Silvia,  Relief  auf 
einem  Becher  946. 

Mars  und  Venus,  auf  der  Ära 
Casali  791ff. 

Marsyas,  Torso  in  Berlin  659. 

Masken,  bacchische  968. 

Desgl.  942. 

Mai^ken,  tragische  und  komische 
967. 

Masken,  Relief  aus  Athen  966. 

Mausoleum,  Reliefs  vom,  457 — 
475. 

Medea  mit  den  Töchtern  des  Be- 
llas, Relief  494. 

Mediceische  Marmorvase  in  Flo- 
renz 778. 


Meduse  Rondanini  672. 

Meduse  in  Cöln  773. 

Meduse,    Terrakotta   aus   Athen 
12. 

Meduse,  etruscisch  970. 

Meerdämonen  und  Amoren,  Sar- 
kophag 787. 

Meergott,  Hermenbüste  im  Vati- 
kan 727. 

Melpomene,    Statue    im  Louvre 
723. 

Menander  und  Aristophanes,  Dop- 
pelbüste 509. 

Menelaus  mit  der  Leiche  des  Pa- 
troklus  430.  431. 

Merkur,  Statue,  im  Belvedere  441. 

Merkur,  Statue,  aus  Melos  442. 

Merkur,  Statue  in  Florenz  667. 

Merkur,  unter  dem  Namen  Jason 
bekannt  666. 

Merkur,  aus  Herkulanum  844. 

Merkur,  Relief  an  einem  Cande- 
laber 739. 

Merkur    mit    dem    Bacchuskind, 
angeblich,  300. 

Merkur  (?),  Relief  aus  Athen  18. 

Minerva  s.  Pallas. 

Minotaur,  etruscisch  970. 

Moiren  s.  Parzen. 

Moldau,  Denkmäler  aus  der  713. 

714. 
1  Muse,  angebliche,  undHermaphro- 
'     dit,  capitolin.  Relief  616. 
!  Musen   und  Dichter,  Sarkophag 
I      788. 

I  Musius,  Grabstein  des,  808  Anm. 
i  Mykenä,  Löwenthor  1. 
!  Myron,  Werke  des,  99.  100. 

I  Nemesis  669. 

i  Neptun,  sein  Thron  mit  Amoren 

!      747. 

I  Nereiden  auf  Seepferden  765.  766. 

'  Nereidenmonument,  Reliefs  vom, 

526—567. 
,  Nero,  Kopf  814. 

Nessus  und  Dejanira  (?)  677. 

Nike  s.  Viktoria. 

Nil,  Statue  719. 

Niobiden,  Gruppe  in  Florenz  412 — 
429. 

Niobidensarkophag  784. 


558 


Alphabetisches  Register. 


Nymphe,  Torso  aus  Athen,  767. 
Nymphe,  Fragment,  in  Dresden 

730. 
Nymphe  der  Diana,  sog.  684. 
Nymphe  sog.,  in  Tegel  685. 

Odysseus,  sogenannter,  Grabstein 

aus  Neapel  21. 
Odysseus  und  Tiresias  776. 
Olympia,   Sculpturen   von  106— 

109. 
Olympus  und  Pan  in  Arolsen  654. 
Omphale  sog.  810. 
Orchomenos,  tjrabstein  aus  22. 
Orestes ,    Marmorfigur    in    Villa 

Albani  92. 
Orest  und  Elektra  in  Villa  Ludo- 

visi  715. 
Orestessarkophag  786. 
Orpheus  und  Eurydice,  Relief  299. 

Pallas,  Marmorstatue  in  Dresden 

88. 
Pallas,  alterthüml.  Marmorstatue 

in  Dresden  57. 
Pallas  in  Villa  Albani  86. 
Pallas,  Marmorstatue  aus  Herku- 

lanum  58. 
Pallas ,   Marmorstatue    in   Paris 

aus  Villa  Medici  82. 
Pallas  Parthenos  des  Phidias  81. 
Pallas  von  Velletri  87. 
Pallas  Giustiniani  725. 
Pallas  aus  der  Villa  des  Gassius, 

im  Vatikan  769.. 
Pallas  Ergane  in  München   724. 
Pallas,  Statuette  von  Bronce  aus 

Athen  11. 
Pallas,  Broncestatuette  aus  Her- 

kulanum  852. 
Pallastorsen,  kleine,  aus  Athen, 

83—85. 
Pallas,  Kelief  an  einem  Gandela- 

ber  739. 
Pallas  auf  einem  Gespann,  Silber- 
becher aus  Herkulanum  895. 
Pallas,    fragmentirtes  Relief   in 

Athen  496. 
Pan,  Statuette  in  Athen  655. 
Pan  und  Olympus,    in  Arolsen 

654. 
Pansherme  in  London  62. 


Pansweibchen  in  Villa  Albani  652. 
Paris  und  Helena  679. 
Parthenon,  Sculpturen  vom  130 — 

297. 
Parthenos,  des  Phidias  81. 
Parzen,  Relief  746. 
Pasquino,  Marmorgruppe  in  Rom 

430.  431. 
Peleus  und  Thetis,  Broncegruppe 

in  Florenz  50. 
Pelops  und  Hippodamia  680. 
Penelope  26. 
Perikles,  Büste,  103. 
Perikles,   sogenannter,   in   Paris 

525. 
Perser,  Statue  in  Neapel  572. 
Perseus  und  Andromeda,  Relief 

678. 
Perseus  und  Andromeda,  Gruppe 

in  Hannover  763. 
Pferd  aus  Trastevere,  im  capitol. 

Mus.  921. 
Pferdekopf  in  Neapel  923. 
Pferdekopf  eines  der  Pferde  von 

St.  Marco  922. 
Pferdekopf,  Relief  aus  Athen  14. 
Pherecydes,  sog.,  Büste  in  Madrid 

•  55. 
Phigalia,  Reliefs  von  301—323. 
Phocion,  sogenannter,  502. 
Pindar,    sogenannter,    in    Villa 

Borghese  512. 
Plotina,  Büste  835. 
Pompejanische  und  herkulanische 

Alterthümer  842  ff. 
Posidonius,  sogenannter,  im  Louvre 

523. 
Priesterin  der  Isis  798. 
Psyche  und  Amor  610. 
Psyche  von  Capua  611. 
Pyrrhichisten,  Relief  in  Athen  568. 
Pythische  Reliefs,  sog.  70 — 73. 

Reh  933. 

Reiterrelief  in  Villa  Albani  857. 

Reiter,  Relief  aus  Pompeji,  im 

Vatikan  381. 
Reiter,  angeblich  vom  Parthenon, 

Relief  im  Vatikan  358. 
Ringergruppe  in  Florenz  682. 
Römer,  opfernder  811. 
Römerin,  jimge,  Porträtstatue  819. 


Alphabetisches  Register. 


559 


Römerin,  Büste  836. 
Römerinnen  aus  Herkulanum  817. 

818. 
Romanius,  Grabstein  des  808  Anm. 

Sängerchor,  Relief  in  Athen  568. 
Samothrakisches  Relief  10. 
Sappho,  sog.,  Broncebüste  870. 
Sappho   und   Corinna,  angeblich, 

Doppelbüste  510. 
Sarkophagreliefs  783  ff. 
Satyr,  barberinischer  656. 
Satyr,  tanzend,  aus  Villa  Borghese 

657. 
Satyr  von  Myron  im  Lateran  100. 
Satyr  mit  einem  Böckchen,  Statue 

in  Madrid  653. 
Satyr,  von  rothen  Marmor,  vom 

Capitol  760. 
Satyr,  Statue  in  Dresden  440. 
Satyr   aus   Herkulanum,    lebens- j 

grosse  Broncestatue  846. 
Satyr,  einen  Schlauch  tragend,  aus 

Villa  Albani  768. 
Satyr,  tanzend,  Erzstatuette  aus 

Pompeji  849. 
Satyr,    flöteblasend,    Broncesta- 

tuette  aus  Herculanum  857. 
Satyr,  flöteblasend,  in  Catania  859. 
Satyr,lustigeinherspringend,Bron- 

cestatuetteaus  Herkulanum  858. 
Satyr,  aposcopeuon,  in  Athen  658. 
Satyr,  Fragment  aus  dem  Theater 

in  Athen  646. 
Satyr,  Erzbüste  in  München  649. 
Satyr,  Marmorbüste  in  München 

648. 
Satyrknaben,  flötende  650.  651. 
Satyr,  trunkener,  Relief  im  Va- 
tikan 647. 
Satyr  und  Amor,  Terrakottarelief 

643. 
Satyr  mit   dem  Bacchuskind,   in 

Athen  621. 
Satyr  und  Bacchantin,  Relief  in 

Villa  Albani  645. 
Satyr  und  Korybanten ,  Relief  im 

Vatikan  642. 
Satyr  und  Hören  77. 
Schaale  des  Canolejus  945. 
Schlangensäule,  sog.,  in  Constan- 

tinopel  51. 


Schleifer  von  Florenz  660. 

Schlussstein  eines  Triumphbogens 
969. 

Scythien,  Denkmäler  aus  698  ff. 

Selinunt,  Reliefs  von  6^9. 

Serapis^  Büste  759. 

Sessel,  im  Parthenon  gefunden  939. 

Sessel  aus  dem  Theater  zu  Athen 
937.  938. 

Silberbecher  in  München  497. 

Silberbecher  aus  Herkulanum  mit 
Reliefs  895. 

Silberbecher  mit  Reliefs,  aus  Pom- 
peji 891—893. 

Silberschild  mit  der  Darstellung 
des  Theodosius  840. 

Silen  s.  Satyr. 

Solon,  Büste  in  Madrid  522. 

Sophokles,  Statue  im  Lateran  503. 

Sophokles  und  Euripides,  Doppel- 
büste 504. 

Sosibios,  Vase  des  737. 

Sphinx,  etruscisch  970. 

Spiegelrelie^  etrusc,  mit  Herkules 
und  Minerva  985. 

Stadtgöttinnen,  Relief  im  Louvre 
750. 

Statuenbasis  mit  Reliefs  aus  Athen 
568.  569. 

Statuenbasis  mit  alterthüml.  Re- 
liefs, aus  Athen  63. 

Stephanos,  Werk  des  92. 

Sterbender  Fechter  579. 

Stier,  Farnesischer,Marmorgruppe 
571. 

Stier  in  Carlsruhe  929. 

Stier  im  Vatikan  928. 

Stier  von  einem  Löwen  zerfleischt, 
aus  Lycien  930. 

Theodosius  auf  einem  Silberschild 
840. 

Theseus  (?),  Relief  aus  Athen  18. 

Theseustempel,  Sculpturen  vom 
110—129. 

Thetis  und  Juno  777. 

Thetis  und  Zeus  738. 

Thron  des  Neptun  mit  Amoren  747. 

Thucydides  und  Herodot,  Doppel- 
büste 516. 

Thusnelda,  sog.  809. 

Tiresias  und  Odysseus  776. 


560 


Alphabetisches  Register. 


Tischfüsse  954—962. 

Titas,  Kopf  81& 

Todesgott  (?),  Marmorstatue  aus 

Palast  Ruspigliosi  673. 
Torsen,  alterthtimliche,  weibliche, 

aus  Athen  15 — 17. 
Torso  vom  Belvedere  676. 
Torso  einer  Colossalfigur  in  Athen 

455. 
Torso,  weiblicher,  aus  Keos  456. 
Torso,  männlicher,  in  Carlsruhe 

497. 
Torso,   weiblicher,   am   Posilipp 

gefunden  694. 
Torso,    nackter,    weiblicher,    in 

Tegel  617. 
Torso,  nackter,  eines  Knaben,  in 

Tegel  620. 
Trajan,  Kolossalkopf  834. 
Trajansbogen,  Reliefs  vom  833. 
Trajanssäule,    Reliefs    von    der 

820—828. 
Trapezophoren  954 — 962. 
Triere,  Relief  in  Athen  944. 
Trinkhorn  aus  Herkulanum  915. 
Triumph  des  Lucius  Verus,  Relief 

839. 
Trojanische  Geschichten  an  einem 

Silberbecher  in  München  497. 
Troilus  und  Rektor,  sog.  731. 
Trophonios,  sog.  60. 

Urania,  sogenannte,  770. 

Vase  des  Sosibios  737. 

Vasön  aus  Pompeji  und  Herkula- 
num 896  ff. 

Vasenhenkel  ebendaher  910  ff. 

Venus  von  Milo  581. 

Venus  von  Capua  528. 

Venus,  capitolinische  585. 

Venus,  mediceische  587. 

Venus  in  Petersburg,  589. 

Venus  in  Dresden  588. 

Venus  mit  dem  Delphin  in  Dres- 
den 596. 

Venus  Kallipygos  606. 

Venus  in  Syrakus  594. 

Venus  in  Stockholm  (?)  591.  vgl. 
Nachtrag. 

Venus  aus  Ostia,  in  London  583 

Venus,  kleinere  Statue  aus  Ostia, 
in  London  595. 


Venus  im  Bade,  im  Louvre 
449. 

Venus,  das  Busenband  umlegend^ 
Broncestatuette  in  Athen  602. 

Venus,  Broncestatuette  in  Neapel 
854. 

Venus  sich  die  Nägel  schneidend^ 
Broncestatuette  603. 

Venus,  an  ihrem  Haar  beschäftigt, 
Torso  597. 

Venus,  Torso  in  Neapel  586. 

Venus,  Torso,  aus  Richmond 
House  592. 

Venus,  ihre  Sandale  lösend,  Torso 
598. 

Venus  in  demselben  Motiv,  Bronce- 
statuette aus  Herkulanum  600. 

Venus  in  demselben  Motiv,  Bronce- 
statuette in  München  599. 

Venus  mit  ähnlichem  Motiv,  Torso 
in  London  601. 

Venus,  Torso  593. 

Venus,  Relief  .an  einem  Cande- 
laber  739. 

Venus,  etruscisch  970. 

Venus,  Büste  von  Arles  584. 

Venus,  Kopf,  im  Vatikan  590. 

Venus  und  Adonis,  von  Terra- 
kotta 605. 

Venus  und  Anchises,  Broncere- 
lief  604. 

Venus  und  Mars  auf  der  Ära 
Casali  791  ff. 

Vespasian,  Kopf  815. 

Vesta  Giustiniani  80. 

Viktoria,  Broncestatuette  aus  Her- 
kulanum 863. 

Viktoriatempel,  Sculpturen  vom 
335 355 

Viktorien,  Stieropfemd  670.  671. 

Viktoria  von  einem  Triumph- 
bogen 669. 

Viktorien  an  einer  Basis,  Relief 
570. 

Desgl.  570. 

Votivreliefs,   griechische,    390 — 

406. 
Votivrelief  an  Aesculap  404. 

an  Akademos(?X  Pallas, 

Herakles  408. 
an  Demeter  und  Trip- 
tolemus  395. 


» 


11 


A:^v. 


Alphabetisches  Register. 


561 


Votivrelief  an    die    Göttermutter 
390. 

an  Herakles  891. 

an  einen  Heros  405. 

an  Pallas  396—401. 

an  Pallas  und  Kekrops 
402. 

an  Pan  und  die  Njrm- 
phen  392. 

ähnlichen  Gegenstands 
393. 

an  Zeus  und  zwei  an- 
dere Götter  394. 

wegen    eines  siegrei- 
chen Pferdes  406. 
Vulkan  s.  Hephäst. 

Waffentänzer,  Relief  in  Athen  668. 

Wagen,  Relief  von  einem,  etrus- 
cisch  970—983. 

Wagenbesteigende  Göttin,  Relief 
aus  Athen  19. 

Wagenlenker,  Bronce  in  Tübin- 
gen 49. 

Wagenlenker,  Relief,  angeblich 
aus  Herkulanum  872. 

Wagenstuhl,  im  Vatikan  940. 


>» 


» 


» 


ii 


Wasservogel ,      eine     Eidechse 

fressend  936. 
Weibliche  Colossalfigur  in  Athen 

455. 
Weiblicher  Kopf  in  Madrid  452. 
Weihgeschenk  des  Königs  AttaJns 

in  Athen  672—578. 
Weinbereitung,   Relief  in  Villa 

Albani  800. 
Wettläuferin  im  .Vatikan  91. 

Xanthische  Reliefs,  von  einem 
Siegesdenkmal  526 — 567. 

Zeus,  von  Otiicoli  436. 

Zeus,  Broncestatnette  aus  Herku- 
lanum 851. 

Zeus.  Relief  an  einem  Candelaber 
739. 

Zeus  in  der  Mitte  der  Götter, 
Relief  746. 

Zeus  und  Hephäst  762. 

Zeus  und  Thetis  738. 

Ziege  935. 

Ziegenböcke,  zwei  934. 

Zwölfgötteraltar,  im  Louvre  68. 

Zwölf  Götter,  Mannorrelief  66. 67. 


Friederichs,  griech.  Plastik. 


36 


% 


Vergleichung  der  Nummern  im  Neuen  Museum  mit 

denen  des  Buchs. 


Wenn  ein  Gegenstand  in  dieser  Uebersicht,  vielleicht  wegen 
einer  vorgenommenen  Umstellung,  nicht  gleich  gefunden  wird,  so 
suche  man  ihn  im  alphabetischen  Register  auf. 


I.   Lydsehtr  Hof. 

Nummer  im  Museum. 

Nummer  des  Buchs. 

amer  im  Museum. 

Nummer  des  Buclis. 

36-54. 

110—129. 

204. 

14. 

55—63. 

457  ff. 

205. 

2. 

64 

358. 

206. 

3. 

65-77. 

335  ff. 

207. 

lü. 

78. 

378. 

209.  210. 

4.  5. 

79—87. 

335  ft-.  p.  190. 

211—252. 

626—567. 

88. 

379. 

259—262. 

27—30. 

89»- 

383. 

270—273. 

6—9. 

90—97. 

457  ff. 

274. 

930. 

98    103. 

783. 

280. 

21. 

104-106. 

457  ff. 

281. 

20. 

107. 

783. 

282. 

64. 

108—124. 

476—492. 

283. 

18. 

125—128. 

130  ff.  p.  152. 

284.  285. 

51. 

129. 

503. 

286. 

19. 

130. 

443. 

287. 

31. 

131. 

441. 

132. 

515. 

H.  Treppenhaus. 

133. 

672. 

1—19. 

130  ff.  p.  152. 

134—156. 

301—323. 

20. 

364. 

157. 

356. 

21—29, 

130  ff.  p.  155. 

158. 

672. 

26.  27. 

753. 

159. 

374. 

30. 

664. 

160. 

78. 

31. 

300. 

161. 

74. 

32—35. 

106—109. 

162. 

70. 

Vergleichung  der  Nummern  im  Neuen  Museum. 


i^es 


Nammer  im  Mnseam. 

NnmnMr  deg  Baeha. 

Nummer  im  Kumiud. 

Nummer  des  Buchs 

163. 

72. 

65.  66. 

388.  889. 

164. 

73. 

67. 

890. 

165. 

71. 

101—109. 

324  ff.  p.  185. 

166. 

77. 

126—223. 

180  ff.  p.  165. 

167. 

382. 

224. 

434. 

168. 

66.  67. 

225. 

371. 

169. 

76. 

226.  227. 

862. 

170. 

66.  67. 

230—242. 

180  ff.  p.  144. 

171. 

363. 

250. 

68. 

172. 

680. 

251. 

456. 

•         173. 

381. 

252. 

454. 

174. 

397. 

253. 

570. 

175. 

393. 

254. 

hlO  p.  315. 

176. 

407. 

255. 

495. 

177. 

373. 

256. 

406. 

178. 

372. 

257. 

897. 

179. 

674. 

258. 

1     401  Anm. 

180. 

493. 

259. 

403. 

181. 

680. 

260. 

39o. 

183. 

130  ff.  p.  160. 

261. 

402. 

184.. 

380. 

262. 

410. 

185. 

360. 

263. 

400. 

186. 

375. 

264. 

409. 

187.  188. 

104.  106. 

264a. 

410  Anm. 

189. 

618. 

265. 

407. 

190. 

675. 

266. 

396. 

191. 

87. 

267. 
268. 
269. 

401  Anm. 
399. 
496. 

m.   Chrieehiflcher  Saal. 

1—19. 

130  ff. 

270. 

408. 

20. 

130  ff.  p.  147. 

271. 

401. 

21. 

130  ff.  p.  149. 

272. 

81. 

22. 

453. 

276. 

376. 

23—29. 

32—48. 

277. 

377. 

40.  41. 

324  ff. 

278. 

368. 

42. 

447. 

279. 

383. 

43. 

455. 

280. 

382. 

44. 

658. 

283. 

386. 

45. 

767. 

289. 

361. 

46—48. 

83—85. 

290. 

388. 

49. 

965. 

291.  292. 

p.  213  Anm. 

50. 

13. 

293. 

n.  387. 

51—53. 

15-17. 

294. 

p.  213  Anm. 

lA. 

369. 

295. 

n.  389. 

55. 

370. 

296.  297. 

p.  213  Anm. 

56. 

371. 

298.  299, 

p.  217  Anm. 

57. 

57. 

300. 

n.  392. 

59. 

408. 

301. 

p.  217  Anm. 

60. 

358  Anm. 

302. 

n.966. 

61. 

394. 

303.  304. 

p.  222  Anm. 

63.  64. 

p.  213  Anm. 

305. 

p.  215  Anm. 

36 


564 


Vergleichung  der  Nnnunern  im  Neuen  Museum. 


Nnmmer  im  Museum. 

Nummer  deti  Buche. 

Nummer  im  Mneenm.     Nommer  des  Biiclis. 

307 

n.  944. 

49. 

937. 

oUO. 

404. 

50. 

938. 

309. 

p.  213  Anm. 

310. 

n.  405. 

VI.  Saal  dei  Barberiniiohen  Faune. 

311. 

404  Anm. 

1. 

98. 

312. 

395. 

2.  3. 

817.  818. 

313. 

962. 

4. 

430.  431. 

315. 

391. 

5. 

442. 

316. 

23. 

6. 

93. 

317. 

787. 

7. 

94. 

318. 

789. 

8. 

723. 

319.  320. 

568.  569. 

9. 

448. 

336c.   . 

646. 

10. 

624. 

338. 

934. 

11. 

611. 

362. 

12. 

12. 

80. 

366. 

630. 

13. 

656. 

367. 

63. 

14. 

617. 

368. 

638. 

15. 

668. 

369.  370. 

958»- 1- 

16. 

662. 

371.  372. 

130  fif.  p.  152. 

17. 

430.  431. 

374-380. 

672—578. 

18. 
19. 
20. 

759. 
435. 
773. 

lY.   Cabinet  dei  Laokoon. 

1. 

716. 

21. 

661. 

2. 

717. 

28. 

365. 

3*. 

746. 

24. 

359. 

5. 

384. 

25. 

367. 

6. 

8. 

385. 

26. 

366. 

718. 

vn. 

Niobideneaal. 

V.   Saal  dei  Fameiifchen  Stiert. 

1—11. 

412—429. 

1.         ' 

671. 

12. 

500. 

2. 

581. 

13. 

444. 

3. 

582. 

14. 

608. 

4. 

722. 

15. 

56. 

5. 

676. 

16. 

412  p.  239. 

6. 

437.' 

17. 

412  p.  232. 

7. 

446. 

18. 

635. 

8. 

663. 

18»- 

634. 

•9. 

626. 

19. 

579. 

10. 

771. 

20. 

412  p.  239. 

11. 

446. 

21. 

681. 

12. 

440. 

22. 

499. 

13. 

665. 

23. 

720. 

14. 

587. 

24. 

412  p.  238. 

16. 

737. 

25. 

666. 

16. 

641. 

28. 

685. 

17. 

939. 

29. 

449. 

18. 

736. 

30. 

95. 

19. 

79. 

31. 

728. 

22. 

110. 

32. 

62. 

,«■* 


Vergleichung  der  Nummern  im  Nenen  Museum. 


.5^ 


er  im  Museum. 

Nummer  des  Bachs. 

Nvmmer  im  Knseiuii. 

MiEHUMr  des  Batik». 

33. 

772. 

79. 

657. 

34. 

620. 

80. 

100. 

35. 

612. 

81. 

102. 

36. 

615. 

82. 

631. 

37. 

593. 

83. 

506. 

38. 

597. 

84. 

510. 

39. 

.  433. 

85. 

522. 

40. 

60. 

86. 

55. 

41. 

590. 

87. 

520. 

42. 

695. 

88. 

519. 

43. 

628. 

89. 

452. 

44. 

•    696 

90. 

521. 

45. 

639. 

93. 

687. 

46. 

494. 

94.  95. 

24.   25. 

46a.  b. 

636.  637. 

96. 

634. 

46c.  d. 

752. 

97. 

623. 

47. 

776. 

98. 

517. 

48. 

750. 

99. 

502. 

49. 

777. 

100. 

512. 

50. 

632. 

101. 

516. 

51. 

69. 

102. 

97. 

52. 

75. 

103. 

54. 

53. 

645  Aum. 

104. 

411. 

53»- 

645. 

105.  106.  107. 

829.   831. 

53^. 

640. 

108. 

96. 

54. 

738. 

109. 

513. 

54». 

679. 

110. 

91. 

55. 

644. 

.111. 

621. 

56. 

872. 

112. 

432. 

57. 

99. 

113. 

412  ff.  p. 233. 

58. 

616. 

114. 

299. 

59. 

627. 

115. 

26. 

60. 

412  ff.  p.  237. 

117. 

690. 

61. 

693. 

118. 

647. 

62. 

682. 

119. 

61. 

63. 

524. 

120. 

721. 

64. 

509. 

121.  122. 

806. 

65. 

504. 

125. 

747. 

66. 
67. 
68. 

595. 
694. 
686. 

126. 

748. 

Viii.  Saal  der  Thiere  und  Bronoen. 

69. 

673. 

1. 

760. 

70. 

68. 

2. 

927. 

71. 

784. 

3. 

729. 

72. 

774. 

5. 

619. 

73. 

505. 

6. 

795. 

74. 

89. 

7. 

518. 

75. 

103. 

8. 

796. 

76. 

508. 

9. 

926. 

77. 

757. 

10. 

922. 

78. 

82. 

11. 

923. 

< 


666  Verglelchung  der  Nummern  im  Neuen  Museum. 


NvBmer  im  MiMfVB. 

Kummer  des  BncliB. 

Nummer  im  Maeeum. 

NoBuiMr  des  Bnehi 

12. 

933. 

94. 

875. 

13. 

655. 

95. 

885. 

14. 

%9. 

97—99. 

910  ff. 

15.  16. 

670.  671. 

102. 

910  Anm. 

17.  18. 

765.  766. 

103. 

964. 

19. 

928. 

104. 

885. 

20. 

935. 

106. 

790. 

22. 

957. 

107.  ' 

498. 

23. 

858. 

109. 

932. 

27. 

865. 

110. 

624  Anm. 

31. 

954. 

111. 

714. 

33. 

925. 

115—119. 

p.425. 

34. 

863. 

120. 

n.987. 

35. 

^     936. 

122.    123. 

946. 

36. 

860. 

124. 

713. 

37. 

875. 

126. 

710. 

39. 

895. 

127. 

707. 

40. 

915. 

129. 

970  ff. 

41. 

875. 

130. 

970  ff. 

43. 

851. 

131. 

706. 

44. 

852. 

132. 

945. 

45.  46. 

8%  ff. 

133. 

708. 

48-50. 

896  ff. 

135. 

866. 

52—59. 

8%  ff. 

136. 

p.  425. 

60. 

891. 

139. 

n.  970  ff. 

61. 

896  ff. 

140. 

698. 

62.  63. 

891  ff. 

141. 

775. 

64. 

875  Anm. 

142. 

698. 

65. 

920. 

143. 

970  ff. 

66. 

882. 

144—157. 

p.  425. 

67. 

853. 

159.  161—163* 

p.425. 

68. 

857. 

165.  166.  168. 

n.  970  ff. 

69. 

856. 

170. 

439. 

70. 

859. 

172. 

709. 

71. 

883. 

174. 

711. 

72. 

916  ff. 

177. 

p.  425. 

73. 

855. 

179. 

p.  425. 

74. 

861. 

181. 

p.  425. 

75—77. 

916  ff. 

182. 

n.  698. 

78. 

600. 

183. 

p.  425. 

81. 

885. 

184. 

n.  712. 

82. 

854. 

185. 

701. 

83. 

875. 

186. 

703. 

84. 

875. 

187. 

701. 

87. 

875. 

189. 

704. 

88. 

894. 

191—200. 

970  ff. 

89. 

875. 

201. 

705. 

90. 

875  Anm. 

202. 

599. 

91. 

875. 

218. 

910. 

92. 

910  ff. 

219. 

886. 

93. 

885. 

222. 

11. 

-# 


Vergleichung  der  Nummern  im  Neuen  HnMtmii 


567 


Kummer  im  Kiuaun.     Nummer  des  Buch«. 

Nummer  im  Kueiim. 

Nnanier  des  Bnelu. 

223. 

602. 

9. 

591. 

228. 

731. 

10. 

688. 

231. 

864. 

11. 

663. 

232. 

849. 

12. 

650. 

233. 

847. 

13. 

662. 

234. 

850 

14. 

771  Anm. 

235. 

848. 

15. 

601. 

236. 

843. 

16. 

762. 

237. 

869. 

17. 

799. 

238. 

870. 

18. 

768. 

239. 

438. 

19. 

764. 

240. 

836. 

20. 

669. 

244. 

884. 

21. 

6%. 

245. 

874. 

22. 

697. 

246. 

845. 

23. 

819. 

251. 

604. 

25. 

769. 

254. 

49. 

26. 

614. 

.     266. 

670  Anm. 

27. 

623. 

267. 

874  Anm. 

28. 

689. 

812. 

724. 

29. 

730. 

313. 

842. 

30. 

686. 

314. 

943. 

31. 

688. 

316. 

801. 

34. 

761. 

321. 

600  Anm. 

36. 

968. 

328. 

606  Anm. 

37—39. 

780—782. 

344. 

654. 

40. 

967. 

34(5. 

859  Anm. 

41. 

942. 

357. 

890. 

42. 

761. 

361. 

867. 

43.  44. 

73  Anm. 

383. 

868. 

45. 

94. 

381). 

862. 

46. 

839. 

390. 

497. 

47. 

745. 

391. 

929. 

48. 

800. 

392. 

697. 

49. 

642. 

395. 

605. 

60. 

779. 

396. 

691. 

51. 

940. 

398. 

985. 

67.  58. 

956. 

404. 

984. 

60. 

613. 

408. 

986. 

61. 

798. 

439. 

50. 

62. 

650. 

450. 

895. 

63. 

846. 
606. 
698. 

IX. 

BSmiioher  Saal. 

64. 
6». 

1. 

770. 

66—71. 

739—744. 

2. 

88. 

72. 

633. 

3. 

726. 

73. 

609. 

4. 

811. 

74.  75. 

643. 

5. 

86. 

76. 

90. 

6. 

725. 

77. 

614. 

764. 

91. 

806. 

8. 

667. 

92. 

802. 

568 


Vargleichung  der  Nummern  im  Neuen  Museum. 


Nummer  im  IfnieiiBu     Nummer  des  Buchs. 


■*' 


X. 


93. 
104. 
105. 
106. 
107. 

loa 

109. 
110. 
111. 
112. 
113. 
114. 
116. 
117. 
118. 
119. 
120. 
123. 
124. 


804. 
803.  873. 
511. 
594. 
689. 
763. 
727. 
450. 
450. 
585. 
625. 
958. 
797. 
835. 
837. 
814. 
59. 
956. 
960. 


Dnreligänge  nun  Sdmischea 
Kappelsaal. 


13—16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
23. 
26. 
27. 
39. 
40. 
41. 
42. 


791—794. 
749. 
807, 

758. 
931. 
785. 
756. 
786. 
871. 
788. 
786. 
755. 
924. 


XI.  Bömiieher  Xiq^p«lsaaL 

Nummer  im  Museum.     Nummer  des  Buclit. 


1.  2. 

3. 

5. 

6. 

7.' 

8. 

9. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
15—23. 


833. 
834. 
816. 
941. 
778. 
660. 
815. 
659. 
812. 
840. 
841. 
683. 
820—828. 


Xn.   Chnechisoher  Hof. 


1. 
2. 
3. 
4. 

7. 

8. 

9. 

10—13. 


1. 
684.  • 
844. 
588. 
595. 
686. 
808. 
808  Anm. 


Im  Gewerbeinstitut  (Klosterstrasse) 
befinden  sich  n.  58.  65.  101.  357. 
584.  592.  601.  607.  610.  622.  643. 
677.  678.  684.  739  ff.  810.  in  der 
Humboldt'schen  Sammlung  in  Tegel 
n.  436.  580.  715.  813;  im  archaeo- 
logischen  Apparat  der  Kgl.  Univer- 
sität n.  298.  525.  692,  in  Potsdam 
vor  der  Orangerie  n.  809. 


Druck  von  Bär  &  Hermann  in  Leipzig. 


Berlins  antike  Bildwerke 


IL 


Geräthe  und  Broncen  im  Alten  Museum 


dargestellt 


von 


Dr.  C.  Friederichs, 


Professor  an  der  UniTersität  und  Director  am  Antiqaariam  des  KöaigL  Museums 

in  Berlin. 


\o. 


I 


Düsseldorf. 

Verlagshandluug  von  Julius  Buddeus. 

1871. 


Kleinere 


KUNST  UND  INDUSTRIE 


im  Alterthum. 


Dargestellt 


von 


Dr.  C.  Friederichs, 


Professor  an  der  Universität  und  Director  am  Antiquarinm  des  Eönigl.  Maseams 

in  Berlin. 


Düsseldorf. 

Verlagshandliiug  von  Julius  Buddeus. 

1871. 


■   /         I 


L>" 


\' 


Vorwort. 


Es  liegt  mir  die  süsse  und  angenehme  Pflicht  ob,  den 
2.  Theil  dieses  Werkes  dem  Publicum  zu  übergeben.  Der 
Verfasser  gehört  nicht  mehr  zu  den  Lebenden,  der  Tod  hat 
ihn  mitten  aus  der  Arbeit  hinweggeraflPt,  zur  grossen  Betrüb- 
niss  aller  derer,  die  ihm  näher  gestanden  haben.  Schon  von 
der  Univeftitätszeit  her  war  ich  so  glücklich,  mit  dem  Ent- 
schlafenen in  regem  Verkehr  zu  stehen,  ich  verdanke  ihm 
Manches,  schätze  es  aber  als  das  höchste  Vertrauen,  dass 
er  mir  vom  Todtenbette  aus  die  Aufgabe  übertrug,  für  die 
Herausgabe  seines  Buches  Sorge  zu  tragen.  Sein  einziger 
Wunsch  war,  dasselbe  noch  vor  dem  Tode,  der  vorauszusehen 
war,  zu  vollenden,  und  mit  ununterbrochenem  Fleisse  und 
Anstrengung  der  geringen  Kräfte,  die  zuletzt  nur  noch  vor- 
handen, ist  es  ihm  gelungen,  es  wirklich  zu  Ende  zu  führen. 
Seine  wissenschaftliche  Aufgabe,  die  er  sich  als  nächste  ge- 
steckt, hatte  er  vollendet,  da  wurde  er  abberufen.  Möge 
aucli  dieses  Buch  ein  Zeugniss  sein  seines  treuen,  unermüd; 
liclien  Fleisses. 

Es  lag  das  Werk  vollendet  vor  bis  auf  das  Inlialts- 
verzeichniss  und  das  Kegister,  das  beides  nach  der  Angabe 
des  Verfassers  angefertigt  ist.     Es  umfasst  die  Geräthe  und 


k 


VI  Vorwort. 

Bronzen  des  Antiquariums  und  ist  somit  der  zweite  schon  früher 
angekündigte  Theil  von  „Berlins  antiken  Bilwerken'^.  Der 
Verfasser  hat  auch  hier  einen  höheren  Zweck  verfolgt,  als 
nur  einen  Katalog  zu  schreiben  für  die  Museen,  das  Werk 
sollte  uns  nach  Anleitung  der  im  hiesigen  Museum  vorhan- 
denen Gegenstände  einen  Einblick  thun  lassen  in  die  reiche 
Entfaltung,  die  im  Alterthume  die  kleinere  Kunst  und 
Industrie  gewonnen  hat.  Wir  werden  in  dieser  Beziehung 
manchen  belehrenden  Aufschluss  aus  dem  Buche  gewinnen 
können. 

So  übergebe  ich  denn  das  Buch  dem  archäologischen 
Publicum  mit  der  Bitte,  den  Todten  gleich  mir  in  ehrendem 
und  liebendem  Andenken  zu  bewahren.     Er  verdient  es. 

Berlin  im  November. 

Dr.  Weber. 


Inhaltsverzeichniss. 


A.  Geräthe n.  i— i82if. 

Einleitung. 

I.  Der  künstlerische  Charakter  der  antiken  Metallgeräthe. 
II.  Zur  Geschichte  der  Erzarbeit. 

I.  Das  Hausgerätli .  n.      I—IOOT^- 

A.  Toiletten-  und  Schmuckgeräth    .    .  n.      1— 547i. 

1)  Die  Spiegel n.       1—201. 

a.  Die  griechischen  Spiegel      .     .     .  n.       1 — 11»- 

b.  Die  etruscischen  Spiegel      .     .     .  n.     12 — 189. 

(i.  Erste  Periode n.     14 — 16. 

ß.  Zweite  Periode n.     17—34. 

a.  Die  specifisch  etruscischen.  u.     17 — 21. 

b.  Die  mehr  griechischen  .     .  n,     22—34. 

}'.  Dritte  Periode n.     35—36. 

6.  Vierte  Periode n.     37—189. 

c.  Die  römischen  Spiegel     .     .     .     .  n.  190 — 201. 

2)  Die  Strigeln n.  202— 230^- 

3)  Oelkännchen n.  231—232. 

4)  Flache    Schale    zum    Badeapparat    ge- 

hörig      n.  232»- 

5)  Instrumente    zum    Ausreissen    kleiner 

Härchen n.  233—242. 

6)  Ohrlöffel  und  Nagelputzer       .     .     .     .  n.  242a-d. 

7)  Haarnadeln n.  243— 249  P- 

8)  Fibeln  und  Gewandnadeln n.  250— 392». 

a.  Mit  breiterem  Bügel n.  250—299^- 

b.  Mit  schmalem,  drahtartigem  Bügel  n.  300 — 336  <l- 


50^^  Vergleichung  der  Nummern  im  Neuen  Museum. 


Nummer  im  Mimidb. 

Kummer  des  BucIub. 

Nummer  im  Mufeum. 

KuiuMr  des  Buchs. 

12. 

933. 

94. 

876. 

13. 

655. 

95. 

885. 

14. 

969. 

97—99. 

910  ff. 

15.  16. 

670.  671. 

102. 

910  Anm. 

17.  18. 

765.  766. 

103. 

964. 

19. 

928. 

104. 

885. 

20. 

935. 

106. 

790. 

22. 

957. 

107.  ' 

498. 

23. 

858. 

109. 

932. 

27. 

865. 

110. 

624  Anm. 

31. 

954. 

111. 

714 

33. 

925. 

115—119. 

p.425. 

34 

863. 

120. 

n.987. 

35. 

^     936. 

122.    123. 

946. 

36. 

860. 

124 

718. 

37. 

875. 

126. 

710. 

39. 

895. 

127. 

707. 

40. 

915. 

129. 

970  ff. 

41. 

875. 

130. 

970  ff. 

43. 

851. 

131. 

706. 

44. 

852. 

132. 

945. 

45.  46. 

896  ff. 

133. 

708. 

48-- 50. 

896  ff. 

135. 

866. 

52—59. 

896  ff. 

136. 

p.  425. 

60. 

891. 

139. 

n.  970  ff. 

61. 

896  ff. 

140. 

698. 

62.  63. 

891  ff. 

141. 

775. 

64. 

875  Anm. 

142. 

698. 

65. 

920. 

143. 

970  ff. 

66. 

882. 

144—157. 

p.  425. 

67. 

853. 

159.  161—163* 

p.425. 

68. 

857. 

165.  166.  168. 

n.  970  ff. 

66. 

856. 

170. 

439. 

70. 

859. 

172. 

709. 

71. 

883. 

174 

711. 

72. 

916  ff. 

177. 

p.  425. 

73. 

855. 

179. 

p.  425. 

74. 

861. 

181. 

p.  425. 

75—77. 

916  ff. 

182. 

n.  698. 

78. 

600. 

183. 

p.  425. 

81. 

885. 

184. 

n.  712. 

82. 

854. 

185. 

701. 

83. 

875. 

186. 

703. 

84. 

875. 

187. 

701. 

87. 

875. 

189. 

704. 

88. 

894. 

191—200. 

970  ff. 

89. 

875. 

201. 

705. 

90. 

875  Anm. 

202. 

599. 

91. 

875. 

218. 

910. 

92. 

910  ff. 

219. 

885. 

93. 

885. 

222. 

11. 

Vergleichung  der  Nummern  im  Neuen  Mosekmii 


567 


Nommer  im  tfiueam.     Nummer  des  Bachs.  | 

Nummer  im  Masemn. 

Ntoimer  des  Buchs. 

223. 

602. 

9. 

591. 

228. 

731. 

10. 

588. 

231. 

864. 

11. 

653. 

232. 

849. 

12. 

650. 

233. 

.  847. 

13. 

652. 

234. 

850 

14. 

771  Anm. 

235. 

848. 

15. 

501. 

236. 

843. 

16. 

762. 

237. 

869. 

17. 

799. 

238. 

870. 

18. 

768. 

239. 

438. 

19. 

754. 

240. 

836. 

20. 

669. 

244. 

884. 

21. 

5%. 

245. 

874. 

22. 

597. 

246. 

845. 

23. 

819. 

251. 

604. 

25. 

769. 

254. 

49. 

26. 

614. 

.     266. 

670  Anm. 

27. 

623. 

267. 

874  Anm. 

28. 

689. 

B12. 

724. 

29. 

730. 

313. 

842. 

30. 

586. 

314. 

943. 

31. 

688. 

315. 

801. 

34. 

751. 

321. 

600  Anm. 

35. 

968. 

328. 

606  Anm. 

37—39. 

780—782. 

654. 

40. 

967. 

346. 

859  Anm. 

41. 

942. 

357. 

890. 

42. 

761. 

361. 

867. 

43.  44. 

73  Anm. 

383. 

868. 

45. 

94. 

389. 

862. 

46. 

839. 

390. 

497. 

47. 

745. 

391. 

929. 

48. 

800. 

392. 

697. 

49. 

642. 

395. 

605. 

60. 

779. 

396. 

691. 

51. 

940. 

398. 

985. 

57.  58. 

955. 

404. 

984. 

60. 

613. 

408. 

986. 

61. 

798. 

439. 

50. 

62. 

650. 

450. 

895. 

63. 

846. 

64. 

606. 

IX. 

ESmiBoher  Saal. 

6». 

598. 

1. 

770. 

66—71. 

739—744. 

2. 

88. 

72. 

633. 

3. 

726. 

73. 

609. 

4. 

811. 

74.  75. 

642. 

5. 

86. 

76. 

90. 

6. 

725. 

77. 

614 

7. 

764. 

91. 

805. 

8. 

667. 

92. 

802. 

668 


V«rgleiohiing  der  Nummern  im  Neuen  Museum. 


Kummer  im  l(iiieian*     Nummer  des  Buchs. 


.        !*■ 


93. 
104. 
105. 
106. 
107. 

loa 

109. 
110. 
111. 
112. 
113. 
114. 
116. 
117. 
118. 
119. 
120. 
123. 
124. 


804. 
803.  873. 
511. 
594. 
689. 
763. 
727. 
450. 
450. 
585. 
625. 
958. 
797. 
835. 
837. 
814. 
59. 
956. 
960. 


X.    Durchgänge  lum  Bömisclieii 
Kuppeliaal. 


13—16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
28. 
26. 
27. 
39. 
40. 
41. 
42. 


791—794. 
749. 
807. 
758. 
931. 
785. 
756. 
786. 
871. 
788. 
786. 
755. 
924. 


XI.  ESmiieher  KnppelsaaJ. 

Nummer  im  Museum.     Nummer  dee  Buclis. 


1.  2. 

3. 

5. 

6. 

7." 

8. 

9. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
15—23. 


833. 
834. 
816. 
941. 
778. 
660. 
815. 
659. 
812. 
840. 
841. 
683. 
820—828. 


Griechisdier  Hof. 

1.  1. 

2.  684.    ■ 

3.  844. 

4.  588. 

7.  695. 

8.  686. 

9.  808. 
10—13.  808  Anm. 

Im  Gewerbeinstitut  (Klosterstrasse) 
befinden  sich  n.  58.  65.  101.  357. 
584.  592.  601.  607.  610.  622.  643. 
677.  678.  684.  739  ff.  810.  in  der 
Humboldt^schen  Sammlung  in  Tegel 
n.  436.  580.  715.  813;  im  archaeo- 
logischen  Apparat  der  Kgl.  Univer- 
sität n.  298.  525.  692,  in  Potsdam 
vor  der  Orangerie  n.  809. 


Druck  Ton  B&r  &  Hermann  in  Leipzig. 


Berlins  antike  Bildwerke 


IL 


Gferäthe  und  Broncen  im  Alten  Museum 


dargestellt 


von 


Dr.  0.  Friederichs, 


Professor  an  der  üniTorsität  und  Director  am  Antiqaariam  des  KönigL  MnseamB 

in  Berlin. 


Düsseldorf. 

Verlagshandluug  von  Julius  Buddeus. 

1871. 


Kleinere 


KUNST  UND  INDUSTRIE 


im  Alterthum. 


Dargestellt 


von 


Dr.  C.  Friederichs, 


Professor  an  der  Universität  und  Director  am  Antiquarium  des  Eönigl.  Maseams 

in  Berlin. 


Düsseldorf. 

Verlagshandluug  von  Julius  Buddeus. 

1871. 


2  Der  künstlerische  Charakter  der  antikea  Metall-Gerätho. 

liehen  Menschen  ist  es  nothwendig,  all  sein  Thun  mit  Anmuth 
zu  zieren,  jedem  Geräth  ein  Ornament  zu  verbinden,  das  ein 
Ausdruck  seiner  Lust  und  Phantasie  ist  und  das  Geräth  aus 
der  Sphäre  des  rohen  Bedürfnisses  heraushebt.  Es  ist  ihm 
so  nothwendig,  wie  das  Bild  in  der  Bede,  wie  Poesie  und  Ge- 
sang neben  der  Prosa,  wie  Gemüth  und  Phantasie  neben  dem 
Verstand,  es  ist  wahrhaft  menschlich,  unter  der  Anforderung 
des  Bedürfnisses  nicht  die  Freiheit  und  den  Schwung  des 
inneren  Lebens  ersterben  zu  lassen. 

Diese  Anlage  zur  Ornamentirung  des  Nothwendigen,  die 
allen  Völkern  gemein  ist,  während  die  höhere  Kunst  nicht 
allen  Völkern  gemein  ist,  tritt  natürlich  nicht  überall  in 
gleicher  Stärke  hervor.  Wenn  ein  Volk  mehr  dem  inneren 
Leben  zugekehrt  ist,  wird  es  leicht  etwas  unempfindlich  gegen 
die  Schönheit  des  äusseren  Lebens,  aber  den  Griechen,  als 
einem  geborenen  Kunstvolke,  war  es  Bedürfniss,  dass  der 
Mensch  und  seine  ganze  Umgebung  sich  in  schönen  und 
edlen  Formen  präsentirten.  Es  genügt  zu  erinnern  an  den 
Enthusiasmus  dieses  Volkes  für  die  Schönheit  der  Körper- 
formen, für  die  Schönheit  der  Tracht  und  des  Faltenwurfs,  für 
den  Rhythmus  und  Adel  der  Bewegung,  um  zu  begreifen,  dass 
sie  auch  gegen  die  Schönheit  ihrer  täglichen  Umgebung  nicht 
gleichgiltig  waren,  und  einige  signifikante  Beispiele  mögen 
hier  gleich  aufgeführt  werden.  Bei  uns  siegelt  man  mit  Namen, 
im  Alterthum  siegelten  auch  die  Aermeren  mit  Bildern,  bei  uns 
werden  die  Oertlichkeiten,  die  man  vor  Beschädigung  oder  Be- 
schmutzung zu  wahren  sucht,  durch  ein  in  Worten  ausge- 
sprochnes  Verbot  geschützt,  im  Alterthum  schützte  sie  ein 
Bild,  vornehmlich  das  einer  Schlange,  bei  uns  sind  die  Meilen- 
zeiger und  Wegweiser  rohe  Steine  oder  Pfähle,  die  in  kürzester 
Fassung  ihre  Weisung  geben,  in  Attika  waren  es  Bilder  des 
Wegegottes  Hermes,  die  nicht  in  Prosa,  sondern  in  Versen 
redeten  und  dem  Wanderer  ausser  den  nöthigen  Anweisungen 
auch  einen  edlen  und  schönen  Spruch  mit  auf  den  Weg  gaben. 
Was  giebt  es  für  künstlerische  Gestaltung  scheinbar  Un- 
empfänglicheres, als  ein  Gewichtstück,  und  doch  sind  eine 
grosse  Anzahl  der  antiken  Gewichte  nichts  weniger  als  form- 
lose Massen,  sondern  in  der  mannigfaltigsten  Weise  figürlich 
gestaltet.  Besonders  charakteristisch  ist  endlich  auch  der 
Umstand,  dass  sich  unter  den  Fabrikstempeln  allerliebste 
kleine  Bildchen  finden,  die  fast  auf  Kunstwerth  Anspruch 
machen  können.  So  sehr  wurde  auch  das  scheinbar  Entlegenste 


Der  künstlerische  Charakter  der  antiken  Metall-Gerathe.  3 

und  Unbedeutendste  in  die  das  ganze  Leben  des  Volkes  durch- 
dringende Atmosphäre  hineingezogen. 

Aber  die  Principien,  nach  denen  in  der  Omamentirung 
der  Geräthe  verfahren  wurde,  verdienen  eine  nähere  Erörterung. 
Die  Belebung  des  mechanisch  Gewordenen  durch  Formen  der 
organischen  Natur  ist  das  oberste  und  allgemeinste  Princip 
und  die  nähere  Bestimmung  ist  diese,  dass  die  Wahl  dieser 
Formen  sich  nach  Form  oder  Zweck  des  Geräthes  richtet,  so 
dass  also  der  Begriff  des  willkürlich  Ersonnenen  und  Aus- 
gekünstelten von  der  Omamentirung  der  Geräthe  fern  zu 
halten  ist 

Wir  beginnen  mit  der  Verwendung  einzelner  Glieder 
organischer  Wesen  zu  tektonischen  Zwecken,  des  Fusses,  der 
Hand  und  des  Fingers,  des  Kopfes  und  des  Mundes  resp. 
Mauls. 

Dass  die  Geräthe  des  Alterthums,  Tische  und  Stühle, 
Dreifüsse  und  Candelaber,  Cisten  und  Kästchen  u.  s.  w.  ihrer 
grossen  Mehrzahl  nach  nicht  bloss  einen  sogenannten,  sondern 
wirklichen  Fuss  haben,  ist  bekannt  genug.  Selten  ist  dazu 
ein  menschlicher  Fuss  genommen,  Weihrauchbecken  findet 
man  einzeln  auf  Menschenbeinen  ruhend,  gewöhnlich  aber  ist 
es  eine  Thierklaue,  die  viel  geeigneter  ist,  da  der  menschliche 
Fuss  wegen  seiner  länglichen  Form  nicht  so  passend  und  auch 
fast  zu  edel  für  solchen  Dienst  erscheint.  Auch  hufenförmige 
Füsse  sind  selten,  das  Gewöhnlichste  und  unleugbar  Schönste 
ist  der  krallenförmige  Fuss  mit  seiner  runden,  kompakten  und 
schön  belebten  Form.  Er  ruft  zugleich  die  Vorstellung  eines 
festen  Standes  hervor,  indem  er  sich  gleichsam  in  den  Boden 
einkrallt.  Man  hat  wohl  gesagt,  das  Geräth  solle  durch  die 
Füsse  als  ein  gleichsam  wandelndes,  tragbares,  nicht  im  Boden 
wurzelndes  bezeichnet  werden^),  aber  konnte  ein  soabstracter 
und  prosaischer  Gedanke  in  poetisch  gestimmter  Zeit  Aus- 
druck finden,  oder  ist  es  nicht  natürlicher,  den  Grund  der 
Sache  in  dem  Bestreben  zu  finden,  das  Geräth  nicht  bloss 
praktisch  nützlich,  sondern  auch  anmuthig  für  die  Anschauung 
zu  machen? 

Die  Hand  wird  in  der  verscliiedensten  Weise  benutzt, 
und  der  Gestus,  den  sie  macht,  ist  natürlich  danach  verschieden. 
Die  ausgestreckte  Hand  findet  sich  oft  an  Haarnadeln  und 
andern  Gerätlien  als  Griff,  sie   streckt  sich  gleichsam  zum 


1)  Visconti  Op.  var.  IV,  250. 


4  Der  künstlerische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe. 

Anfassen  einladend  aus.  Oder  aber  sie  krümmt  sich  zusammen 
und  macht  den  Gestus  des  Zusammenscharrens,  und  in  diesem 
Sinn  findet  sie  sich  an  Geräthen,  die  unsern  Kohlenschaufeln 
entsprechen.  Auch  der  Henkelschluss  hat  an  verschiedenen 
Geräthen  die  Form  einer  Hand,  besonders  hübsch  und  passend 
bei  solchen  Henkeln,  welche  die  Form  eines  Bügels  haben 
und  zum  Heben  der  betreffenden  Vase  dienen.  Da  legt  sich 
der  Henkel  mit  anfassenden  Händen  an  den  Bauch  des  Ge- 
fässes  und  spricht  durch  diese  Omamentirung  seinen  Zweck 
auf  das  Sinnlichste  und  Deutlichste  aus. 

Der  Finger  kommt  auch  als  Griff  an  Geräthen  vor,  er  ist 
ja  auch  das  Organ  des  Anfassens.  Ausserdem  aber  finden  sich 
isolirte  Finger,  die  den  Gestus  des  Einhakens  machen,  und  an 
der  Stelle  unserer  nichtssagenden  Haken  gebraucht  wurden. 
So  findet  man  zum  Beispiel  unten  an  der  Wagendeichsel  statt 
der  Haken  oder  Kinge,  durch  welche  der  Jochriemen  gezogen 
wird,  auch  gekrümmte  Finger,  die  sich  um  den  Riemen  gleich- 
sam herumkrümmen  und  ihn  auf  diese  Weise  festhalten. 

Ausserordentlich  mannigfaltig  ist  die  Verwendung  des 
menschlichen  und  thierischen  Kopfes.  Am  häufigsten  wird  er 
gebraucht,  um  den  Abschluss,  die  Spitze,  gleichsam  den  Kopf 
eines  Dinges  zu  markiren.  Die  Wagendeichsel  präsentirt  nicht 
roh  ihr  abgeschnittenes  Ende,  sondern  läuft  in  einen  Kopf  aus, 
ebenso  die  Rücken-  und  Seitenlehnen  von  Stühlen,  und  die 
Griffe  der  verscliiedenartigsten  Geräthe,  Spiegel,  Schöpflöffel, 
Messer  u.  s.  w.  Man  kann  beobachten,  dass  es  durchgehends 
spitzzulaufende  Thierköpfe  sind,  die  man  für  diesen  letzteren 
Zweck  gewählt  hat,  denn  breite  Köpfe  wären  da,  wo  es  darauf 
ankommt,  einen  Griff  oder  ein  ähnliches  langgestrecktes  Ding 
auslaufen  zu  lassen,  nicht  am  Platze.  Wie  die  Form  des  Ge- 
räths  die  Wahl  des  Thierkopfs  bedingt,  das  zeigen  sehr  sinnig 
die  Rücklehnen  der  Sessel  und  der  Griff  des  Schöpflöffels,  die 
in  Schwanenköpfe  auslaufen,  weil  für  diese  gewissermaassen 
langhalsigen  Geräthe  kein  anderes  Thier  eine  so  treffende 
Analogie  darbot.  Eben  so  sinnreich  ist  es,  wenn  die  Arme 
eines  Saiteninstruments  oder  der  hochragende  oben  gekrümmte 
Bügel  des  altgriechischen  und  altetruscischen  Helms  in  Form 
eines  Schwanenkopfs  gebildet  sind^). 


*)  Vgl,  Stephani  im  Compte-rendu  de  la  commission  imperiale 
archeologique  pour  l'annee  1863  p.  47  ff.  Natürlich  fehlt  es  nicht  an 
Solchen,    die    weil    sie    nicht    das  Einzelne  aus  dem  Ganzen  erklären^ 


Der  künstlerische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe.  5 

Noch  häufiger  und  mannigfaltiger  ist  vielleicht  der  Ge- 
brauch der  Maske  und  es  lassen  sich  nicht  wohl  alle  einzelnen 
Fälle  aufzählen.  Sehr  oft  finden  wir  sie  am  Henkelschluss, 
wo  die  Palmette  mit  ihr  wechselt.  Es  ist  nicht  leicht  den 
Sinn  dieser  Verzierung  anzugeben.  Man  könnte  denken,  die 
Zusammenfügung  von  Henkel  und  Bauch  des  Gefässes  solle 
verdeckt  werden,  aber  wir  finden  auch  gemalte,  nichts  ver- 
deckende Palmetten  unter  den  Henkeln  von  Thongefässen.  Es 
scheint  vielmehr  auf  eine  Vermittlung,  auf  einen  hübschen 
Uebergang  zwischen  Henkel  und  Bauch  abgesehn,  die  schmale 
Fläche  desersteren  muss  sich  ausbreiten  um  sich  der  Art  und 
Natur  des  letzteren  harmonisch  anzuschliessen.  Uebrigens 
lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  die  strahlen-  oder  fingerartig 
sich  ausbreitende  und  anschliessende  Palmette  an  dieser  Stelle 
schöner  ist  als  die  runde  indifferente  Maske,  die  auch  später 
ist  als  jene. 

Die  Art  der  Maske  richtet  sich  manchmal  nach  dem 
Zweck  des  Gefösses.  Silensmasken  am  Henkel  lassen  wohl 
bestimmt  auf  ein  Weijjgefäss  schliessen.  Doch  giebt  es  un- 
zählige Fälle,  wo  die  Masken  ohne  irgend  welchen  Gedanken 
ganz  zufällig  mit  dem  Gefäss  verbunden  sind. 

Wo  es  endlich  eine  Flüssigkeit  auszugiessen  giebt,  da  ist 
der  Mund  resp.  das  Maul  das  nothwendige  Organ,  denn  das 
Wasser,  wie  es  freilich  heutigen  Tages  so  oft  der  Fall  ist,  aus 
einer  blossen  unverzierten  Röhre  herausfliessen  zu  lassen,  ist 
zwar  praktiscli  genügend,  aber  im  Uebrigen  roh.  Ich  erinnere 
mich  unter  den  zahlreichen  antiken  Abbildungen  von  Brunnen 
keiner  einzigen,  wo  das  Wasser  nicht  aus  einem  Thiermaul 
herauskäme  und  viele  derartige  Köpfe  in  Bronce  und  Marmor 
sind  uns  erhalten.  Auch  hier  kann  man  dieselben  feinen  Rück- 
sichten in  der  Wahl  des  Thierkopfes  verfolgen,  von  denen  oben 
die  Rede  war.  Man  wählte  nämlich  Thiere  mit  breitem  Kopf, 
wo  es,  wie  an  Brunnen  und  Dachrinnen,  auf  das  Ausspeien 
eines  dicken  und  vollen  Strahls  ankam,  wo  dagegen,  wie  bei 
einer  gewissen  Classe  von  Trinkhömern,  ein  feiner,  dünner 
Strahl  auszusenden  war,  wurden  Thiere  mit  spitzzulaufendem 
Kopf  vorgezogen  ^).   Uebrigens  sind  nicht  nur  Thierköpfe,  son- 


gondern  ohne  weitere  Untersuchung  sogleich  mythologische  Gründe  ver- 
muthen,  in  diesen  Bildungen  versteckte  symbolische  Anspielungen  finden, 
wie  wenn  eine  Broncefigur  mit  dem  im  Text  erwähnten  Helm  für  einen 
Kyknos  erklärt  wird. 

1)  Bötticher,  Tektonik  I,  199. 


Q  Der  künstierische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe. 

dem  auch  menschliche  Köpfe  zu  Brunnenmtindungen  benutzt^ 
doch  erinnere  ich  mich  nur  Köpfe  von  Wasserdämonen^  nament- 
lich Silenen,  in  solcher  Verwendung  gesehen  zu  haben.  Etwas 
Singuläres  ist,  dass  zwei  Quellen  in  der  Nähe  von  Coronea 
einen  Ausguss  in  der  Form  weiblicher  Brüste  hatten,  indem 
das  Wasser  wie  die  Milch  der  Quellnymphen  dargestellt 
wurde  ^).  Aehnliche  Motive  findet  man  an  Brunnen  der  Kenais- 
sance,  z.B.  an  dem  Brunnen  neben  der  Lorenzkirche  in  Nürn- 
berg, wo  das  Wasser  freilich  nicht  aus  den  Brüsten  von 
Nymphen,  sondern  von  allegorischen  Gestalten  herausfliesst. 

Wir  betrachten  nun  weiter  die  Yerwendung  ganzer 
Figuren  für  tektonische  Zwecke  und  beginnen  mit  einigen 
Schmuckgegenständen,  die  besonders  sinnig  erfunden  sind.  Die 
goldnen  Ohrringe,  die  uns  aus  dem  Alterthum  erhalten,  sind, 
wie  überhaupt  die  zum  Hängen  bestimmten  Geräthe,  z.  B.  Ge- 
wichte, oft  in  Form  von  Eicheln  oder  ähnlichen  Dingen,  die 
man  sich  als  hängende  Körper  denkt,  gebildet,  sehr  oft  aber 
sind  es  auch  geflügelte  Figuren  in  sch^rebender  Stellung.  Die 
Sirene,  der  vom  Adler  geraubte  Ganpned  und  die  Viktoria 
sind  in  dieser  Weise  zu  Ohrringen  benutzt,  besonders  häufig 
aber  ist  ein  kleiner,  schwebender  Amor.  Wie  nothwendig  ist 
an  dieser  Stelle  die  geflügelte  Figur  und  wie  anmuthig  schel- 
misch, dass  es  ein  kleiner  Amor  ist!  Die  goldenen  und 
broncenen  Armringe,  auch  Fingerringe  sind  oft  in  Form  von 
Schlangen  gebildet  und  die  ersteren  hiessen  auch  „Schlangen", 
man  wird  auch  hier,  wo  es  sich  darum  handelt,  ein  Glied  zu 
umringein,  das  Treffende  der  Analogie  nicht  verkennen,  nur 
ist  die  Schlange  am  Arm  für  unsere  Empfindung  weniger  an- 
sprechend, als  für  die  Griechen,  denen  das  Thier  im  Ganzen 
vertrauter  war. 

Am  häufigsten  aber  ist  Griff  und  Stütze  der  Geräthe 
figürlich  gestaltet.  Pfannen  und  Krüge  und  Geräthe  der  ver- 
schiedensten Art  sind  oft  mit  Griffen  oder  Henkeln  in  mensch- 
licher und  thierischer  Form  versehn  und  es  ist  interessant  zu 
verfolgen,  wie  die  Gestalten  behandelt  sind,  um  ihrem  tekto- 
nischen  Zweck  zu  entsprechen.  Eine  Figur,  die  einen  Pfannen- 
stiel bilden  soll,  muss  möglichst  ausgereckt  werden  und  die 
Glieder  zusammengeschlossen  haben,  um  griffförmig  auszusehn. 
Auch  ist  es  selbstverständlich,  dass  bekleidete  Figuren  schlicht 


^)  Pausan  IX,  34,  4.     Vgl,    das    Gefäss    in   der  Isisprocession  bei 
Apulejus  Metam.  XI,  p.  768  ff. 


Der  künstlerische  Charakter  der  antikeQ  Metall-Geräthe.  7 

und  einfach  gehalten  sind,  damit  sich  der  Griff  unterordne  unter 
das  Ganze.  Andrerseits  findet  man  an  den  Figuren,  welche 
oben  auf  den  etruscischen  Candelabem  angebracht  sind  und 
als  Griff  dienen,  woran  der  Candelaber  emporgehoben  und  ge- 
tragen werden  kann,  die  Arme  sehr  häufig  in  irgend  einer 
Weise  vom  Körper  gelöst,  damit  die  Hand  des  Anfassenden 
sich  eben  unter  die  abstehenden  Arme  lege  und  so  das  Geräth 
auf  die  bequemste  Weise  trage.  Die  Deckel  der  etruscischen 
Toilettenkasten  haben  oft  Henkel,  welche  aus  Gruppen  von 
zwei  oder  drei  Figuren  bestehen,  die  mit  den  Armen  sich  be- 
rühren, während  die  untern  Theile  der  Körper  von  einander 
entfernt  sind,  so  dass  die  Hand  nur  unter  die  verschlungenen 
Arme  zu  greifen  braucht,  um  den  Deckel  leicht  und  bequem 
abzuheben.  Oder  es  wird  der  Griff  an  diesem  und  anderen 
Geräthen  durch  eine  gekrümmte  Figur  gebildet,  die  aber  nicht 
bloss  gezwungen,  nämlich  um  dem  tektonisch  Nothwendigen  zu 
genügen,  diese  Stellung  angenommen  hat,  sondern  auch  in  einem 
Motiv  dargestellt  ist,  für  welches  die  angenommene  Stellung 
natürlich  erscheint,  es  sind  nämlich  seiltänzerartige  Figuren, 
die  so  aussehn  als  wären  sie  im  Begriff  kopfüber  zu  schlagen. 

Was  die  Stützen  der  Geräthe  betrifft,  so  stehn  manche 
Geräthe  oder  Geräththeile,  Dreifüsse,  Spiegel  und  andere,  auf 
dem  festen  Rücken  von  Schildkröten,  deren  angemessene  Ver- 
wendung unmittelbar  einleuchtet.  Auffallend  erscheint  dagegen 
die  Verwendung  des  Frosches  an  derselben  Stelle,  die  aber 
gewiss  als  ein  Ausfluss  des  Handwerkerhumors  aufzufassen  ist. 
Man  darf  dies  daraus  schliessen,  dass  die  armen  Thiere  manch- 
mal ganz  platt  gedrückt  sind  unter  ihrer  Last 

Die  Füsse  der  Geräthe  werden  sehr  oft  durch  geflügelte 
Figuren  gebildet,  wobei  aber  nicht  immer  solche  Figuren  ge- 
wählt werden,  denen  die  Flügel  habituell  sind.  An  der  be- 
rühmten Dresdener  Basis  (Bd. I,n. 75)  kommen  z.B.  geflügelte 
Silene  vor,  und  es  ist  dies  ein  deutlicher  Beweis,  dass  man 
sich  vor  mythologischen  Inkorrektheiten  nicht  scheute,  wo 
tektonische  Forderungen  zu  erfüllen  waren.  Denn  die  Flügel 
sind  an  dieser  Stelle  durchaus  nothwendig,  weil  sie  den  Winkel 
zwischen  Figur  und  Geräth  ausfüllen  und  dadurch  erst  den 
harmonischen  Zusammenschluss  von  beiden  ermöglichen. 

In  den  figürlich  gestalteten  Stützen  der  Geräthe,  z.  B. 
der  Spiegel,  Thj-miaterien  und  Candelaber,  wiederholt  sich  im 
Kleinen  dieselbe  Erscheinung,  wie  bei  der  Karyatide  im 
Grossen,  nur  dass  die  strengeren  Stylgesetze,  die  bei  der  letz- 


8  Der  künstlerische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe. 

teren  nothwendig  sind,  in  der  leichteren,  beweglicheren  Welt 
der  Geräthe  nicht  immer  befolgt  werden.  Die  Candelaber  und 
Thymiaterien  sind  in  dieser  Beziehung  am  instructivsten,  die 
bald  von  karyatidenartig  streng  componirten  Figuren  gestützt, 
bald  aber  von  lustig  bewegten,  tanzenden  Figuren  leicht  und 
graziös  auf  dem  Kopfe  balancirt  werden. 

Dies  mag  hier  genügen  um  die  sinnvolle  Dekoration  der 
antiken  Geräthe  durch  organische  Formen  anzudeuten.  Dass 
sich  auch  manches  Barocke  findet,  wird  Niemand  wundem  und 
namentlich  sind  die  Lampen  reich  an  willkürlichen,  seltsamen 
Erfindungen,  wie  wenn  sie  in  Form  eines  menschlichen  Fusses, 
einer  Ente,  eines  Elephantenrüssels  u.  s.  w.  gebildet  sind. 
Aber  im  Allgemeinen  ist  der  künstlerische  Charakter  der 
antiken  Geräthe  unverkennbar  und  in  seiner  Wirkung  auf  die 
Bildung  des  Geschmacks  nicht  zu  unterschätzen.  Denn  man 
darf  nicht  glauben,  dass  die  figürliche  Dekoration  etwa  nur 
bei  einzelnen,  theuren  Geräthen  angewandt  und  daher]  nur 
den  Reicheren  zu  Gute  gekommen  sei,  man  vergleiche  nur  die 
Spiegelgriife  oder  die  Schöpflöffel,  die  fast  immer  in  Thier- 
köpfe  auslaufen,  oder  die  älteren  etruscischen  Candelaber,  die 
ja  in  reicher  Anzahl  erhalten,  und  auch  fast  immer  mit  zier- 
lichen Figuren  geschmückt  sind. 

In  der  vorstehenden  Erörterung  ist  die  Dekoration  der 
Geräthe  aus  dem  allgemeinen  Princip  der  Belebung  des 
mechanisch  Gewordenen  durch  organische  Formen,  deren  Wahl 
sich  nach  Zweck  oder  Form  des  Geräths  richte,  abzuleiten  ge- 
sucht Es  kann  niclit  geleugnet  werden,  dass  in  einzelnen 
Fällen  auch  noch  andere  Gründe  auf  die  Wahl  der  Ornamente 
Einfluss  gehabt  haben.  Wenn  der  Pompejaner  Vaccula  die 
von  ihm  in  die  Thermen  gestifteten  Geräthe  mit  Kuhköpfen 
verzierte,  so  ist  der  Grund  sofort  klar,  es  ist  aber  ebenso 
klar,  dass  dieser  Fall  vereinzelt  steht.  Häufiger  mag  die 
Dekoration  eines  Geräths  durch  abergläubische  Rücksichten 
veranlasst  sein,  die  Armbänder  in  Schlangenform  haben  gewiss 
auch  den  Werth  eines  Amulets  gehabt,  da  die  Schlange  ein 
sehr  gewöhnliches  Schutzsymbol  gegen  Zauber  und  bösen  Blick 
war.  Allein  dies  sind  einmal  doch  nur  ganz  bestimmte 
Symbole,  und  zudem  wird  man  auch  in  diesen  Fällen  darauf 
Bedacht  genommen  haben,  dass  das  Symbol  den  sonst  zu  neh- 
menden Rücksichten  nicht  hinderlich,  sondern  eher  förderlich 
wurde.  Die  Rücksichten  aber,  die  in  der  Fabrikation  der  Ge- 
räthe vor  Allem  maassgebend  sind,  bleiben  immer  und  überall 


Der  künstlerifsche  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe.  9 

dieselben,  es  ist  einerseits  die  praktische  Tauglichkeit  und 
andererseits  die  Gefälligkeit  der  Erscheinung.  Der  Künstler 
geht  weiter  als  der  Fabrikant,  er  ist  nicht  mit  der  blossen 
Gefälligkeit  seiner  Ornamente  zufrieden,  sondern  strebt  auch 
danach,  sie  bedeutsam  zu  machen,  es  ist  etwas  Anderes  ob 
Phidias  einen  Sessel  für  den  olympischen  Zeus  oder  ob  ein 
Fabrikant  einen  einfachen  Lehnstuhl  verfertigt.  Aber  die  Ge- 
räthe  die  wir  in  unseren  Museen  haben,  sind  ja  eben  Fabrik- 
arbeit und  es  hiesse  den  Fabrikanten  zu  viel  zutrauen,  wenn 
man  in  der  Ornamentirung  der  Geräthe  allerhand  verborgene 
Anspielungen  suchte. 

Zum  Schluss  dürfen  wir  nicht  vergessen  darauf  aufmerk- 
sam zu  machen,  dass  die  Dekoration  der  Geräthe,  die  wir  im 
Obigen  zu  charakterisiren  versuchten,  nicht  etwa  eine  Erfin- 
dung, sei  es  der  Griechen  oder  Etrusker,  ist,  sondern  lange 
vorher  und  im  Wesentlichen  nach  denselben  Principien  schon 
in  der  assyrischen  und  ägyptischen  Kunst  geübt  wurde.  Es 
ist  oft  überraschend  zu  beobachten,  wie  sich  in  den  Geräthen 
der  Griechen  und  Etrusker  Motive  der  Aegypter  und  Assyrer 
wiederholen.  Unter  den  ägyptischen  Geräthen  findet  man 
z.  B.  oft  eine  Schaale,  deren  Griff  durch  eine  ausgestreckte 
Figur  gebildet  wird,  welche  die  Schaale  gleichsam  präsentirend 
hinstreckt,  ganz  dasselbe  Motiv  kommt  in  etruscischen  Broncen 
vor.  Die  Assyrer  verzierten  die  Spitze  der  Deichsel  oder  der 
Lehnen  an  Thronsesseln  in  derselben  Weise,  wie  oben  erwälmt 
wurde,  auch  finden  wir  bei  ihnen  figürlich  als  Thiere  gestaltete 
Gewichtstücke. 

Es  wird  schwer  sein,  in  einzelnen  gegebenen  Fällen  über 
die  Erfindung  oder  Entlehnung  eines  Motivs  zu  entscheiden, 
im  Ganzen  und  Grossen  aber  haben  wir  offenbar  eine  Ueber- 
tragung  von  Volk  zu  Volk  anzunehmen,  und  die  Anfänge 
dieser  in  sich  so  natürlichen  und  verständlichen  Dekorations- 
weise sind  gewiss  in  noch  ganz  primitiven  Zuständen  zu 
suclien  ^). 

^)  Es  braucht  kaum  bemerkt  zu  werden,  dass  in  dieser  allgemeinen 
Einleitung  nur  die  niedere  Ornamentik,  wenn  ich  so  sagen  darf,  die 
sich  in  der  Bildung  tektonisch  nothwendiger  Theile  des  Geräthes  kund 
giebt,  berührt  worden  ist.  Die  höhere  Ornamentik,  deren  Gebiet  da 
beginnt,  wo  Bilder  oder  Reliefs  ganz  unabhängig  von  tektonischen 
Rücksichten  dem  Gefäss  angefügt  werden,  wird  in  dem  von  den  be- 
malten Vasen  handelnden  Bande  dieses  Werks  im  Zusammenhang  er- 
örtert werden.  Soweit  sie  für  die  Broncen  in  Betracht  kommt,  z.  B. 
für  die  Spiegel,  ist  darüber  an  den  betreffenden  Stellen  gehandelt. 


10  Zur  Geschichte  der  Er«arbeit, 


II.    Zur  Qeschichte  der  Erzarbeit. 

Bei  der  Dürftigkeit  des  Materials  können  wir  nur  wenig 
sagen.  An  schriftstellerischen  Nachrichten  besitzen  wir  näm- 
lich nur  einzelne  zufällige  Notizen  und  an  Denkmälern  hat 
wenigstens  Griechenland  bis  jetzt  ausserordentlich  wenig  ge- 
liefert. Um  so  reicher  sind  wir  freilich  an  etruscischen  und 
unteritalischen  Erzarbeiten  aus  verschiedenen  Perioden  und 
an  römischen  Broncen  aus  Herkulanum  und  Pompeji. 

Die  verschiedenen  Perioden  unterscheiden  sich  sowohl  in 
der  Technik  als  im  Stil.  Der  Technik  nach  zerfallen  alle  Erz- 
arbeiten zunächst  in  getriebene  und  gegossene.  Es  giebt  eine 
grosse  Menge  etruscischer  Gefasse,  an  welchen  kein  Theil  ge- 
gossen ist,  auch  kleine  getriebene  Figuren  existiren,  wenn  auch 
in  geringer  Anzahl.  An  sich  ist  es  nicht  nothwendig,  dass 
solche  Werke  älter  seien  als  diejenigen,  an  denen  ein  Theil 
oder  das  Ganze  gegossen  ist,  indess  fehlt  es  fast  nirgend  an 
Nebenumständen,  die  eine  Entscheidung  über  das  Alter  er- 
lauben.. Wo  z.  B.  eine  hohe  Alterthümlilchkeit  des  Stils  mit 
dieser  Technik  verbunden  ist,  da  darf  man  das  Werk  in  eine 
dem  Erzguss  vorangehende  Zeit  setzen. 

Die  meisten  der  getriebenen  Broncegeräthe  die  wir  be- 
sitzen, verrathen  ihr  hohes  Alter  noch  durch  eine  andere, 
gleichfalls  technische  Besonderheit,  nämlich  durch  den  Mangel 
der  Löthung.  Was  später  angelöthet  wird,  z.  B.  der  Henkel, 
ist  hier  genietet.  Dies  ist  die  Verfahrungsweise  der  home- 
rischen Zeit,  die  erst  im  siebenten  oder  sechsten  Jahrhundert 
durch  die  Erfindung  des  Lothes  verdrängt  sein  soll.  Das 
etruscische  Museum  des  Vatikans  ist  ganz  besonders  reich  an 
solchen  Arbeiten,  glücklicherweise  fehlen  sie  auch  bei  uns 
nicht  ganz  und  wir  werden  in  dem  Abschnitt  über  die  Grab- 
vasen uns  näher  mit  ihnen  beschäftigen. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  uns  erhaltenen  Broncearbeiten 
gehört  in  die  Zeit  des  Erzgusses.  Die  Figuren  sind  mit 
wenigen  Ausnahmen  gegossen  und  an  den  Geräthen  sind  immer 
wenigstens  einzelne  Theile,  namentlich  der  Henkel,  in  dieser 
Weise  hergestellt.  Die  Griechen  vindiciren  sich  die  Erfindung 
des  Erzgusses,  die  etwa  in  der  50sten  Olympiade  gemacht  sei, 
doch  ist  nur  das  ihr  Verdienst,  eine  Erfindung  Aegyptens  zur 
höchsten  künstlerischen  Ausbildung  gebracht  zu  haben,  denn 


Zar  Geschichte  der  E^arheit.  ii 

0 

der  Erzguss  war  in  Aegypten  schon  im  vierzehnten  Jahrhun- 
dert bekannt^).  Doch  glaube  ich  nicht,  dass  Griechen  und 
Etrusker  den  Erzguss  direkt  von  den  Aegyptern  entlehnten, 
vielmehr  kam  er  ihnen  nach  aller  Wahrscheinlichkeit  aus 
Assyrien  zu,  wo  er  ebenfalls  früher  bekannt  war,  als  die 
classische  Tradition  angiebt.  Denn  es  findet  zwischen  einigen 
gegossenen  Alterthümern  aus  Ninive  und  einigen  uralten 
etruscischen  und  griechischen  Broncen  eine  üebereinstimmung 
statt,  die  auf  einen  Zusammenhang  deutet.  Unter  jenen  näm- 
lich befinden  sich  die  Füs&e  eines  Thronsessels,  die  aus  eisen- 
gefüllter gegossener  Bronce  bestehen  2),  und  eben  dieselbe 
Technik,  die  Ausfüllung  der  Bronce  mit  geschmolzenem  Eisen 
finden  wir  in  altetruscischen  Werken.  Mehreres  dieser  Art  ^ 
befindet  sich  im  britischen  Museum,  wir  erwähnen  das  Kohlen- 
becken aus  dem  berühmten  Funde  der  PoUedrara  bei  Vulci, 
das  mitsammt  den  verzierenden  Pferdeköpfen  aus  bronce- 
bekleidetem  Eisen  besteht^)  und  eine  Venus  unteritalischen 
Fundorts,  die  kürzlich  von  A.  Castellani  an  das  Museum  ver- 
kauft ist  Auch  an  der  berühmten  Wölfin  des  Capitols  sind, 
wenn  wir  uns  recht  entsinnen,  einzelne  Theile,  nämlich  die 
Beine  und  Zitzen  mit  Eisen  ausgefüllt. 

Die  ältesten  Broncefiguren  sind  immer  massiv,  sei  es  dass 
man  sie  massiv  gegossen  oder  mit  Eisen  ausgefüllt  oder  auch 
aus  Barren  herausgearbeitet  hat^),  und  die  ganz  kleinen 
Figuren  sind  auch  später  wohl  immer  massiv.  Denn  bei  ihnen 
wäre  die  Erspamiss  an  Material  verhältnissmässig  gering  ge- 
wesen, während  die  Arbeit  beim  Hohlguss  unverhältnissmässig 


^)  Ich  hatte  mich  wegen  des  Alters  der  kleinen  ägyptischen  Broncen 
die  durchgehends  gegossen  sind,  vergebens  an  mehre  Aegyptologen 
um  präcise  Auskunft  gewandt,  bis  ich  Herrn  Prof.  Lepsius  davon  sagte, 
der  mir  dann  zu  meiner  grössten  Freude  eine  dem  hiesigen  Museum 
angehörigCf  mit  Inschrift  versehene  Statuette  des  grossen  Ramses  aus 
dem  vierzehnten  Jahrhundert  zeigte,  die  in  schönstem  Hohlguss  ausge- 
fiihrt  ist. 

2)  Vgl.  Sem  per  der  Stil  I,  234.  Ich  selbst  habe  sie  auch  im 
britischen  Museum  genau  betrachtet. 

3)  Bullet.  1839,  p.  71. 

^)  F.  Lenormant  bemerkt  von  einer  sehr  alten  Pallasstatuette  in 
der  Archaeol.  Ztg.  1867  p.  121,  sie  sei  fondue  en  plein  ou  plutöt 
encore  dägagee  au  ciselet  et  ä  la  Hme  dans  uu  lingot,  exactement 
comme  le  peiit  nombre  d'autres  bronces  grecs  des  plus  anciennes  epo- 
ques  que  nous  connaissons,  wozu  er  dann  die  Polykratesbronce  in 
Petersburg  und  die  von  Vischer  Nuove  memoire  dell  instit.  tav.  12 
pnblicirten  anführt. 


12  Zur  Geschichte  der  Erzarbeit. 

gross  war.  Die  grösseren  Broncen  der  späteren  Zeit  sind  da- 
gegen immer  hohl,  schon  unter  dem  Bauschutt  des  Parthenon 
hat  sich  bei  Gelegenheit  des  Museumsbaus  auf  der  Aki*opolis 
zusammen  mit  melireren  massiv  gegossenen  kleinen  Figuren 
ein  etwas  grösserer  hohl  gegossener  Apollokopf  gefunden. 
Man  goss  die  Figuren  stückweise,  wie  die  Darstellung  der 
Erzgiesserei  auf  einer  dem  fünften  Jahrhundert  angehörigen 
Vase  des  hiesigen  Museums  und  erhaltene  Broncen  beweisen. 
Eine  etwa  lebensgrosse  Broncefigur  des  britischen  Museums 
besteht  aus  9  Stücken^),  eine  der  herkulanischen  Mädchen  in 
Neapel  ist  aus  7,  eine  andere  aus  10  Stücken  zusammenge- 
setzt 2).  Die  erst  erwähnte  Statue  ist  auch  ein  Beweis  für  die 
ausserordentliche  Dünnheit  des  Gusses,  die  den  Alten  möglich  war, 
da  sie  vor  ihrer  nicht  erheblichen  Restauration  nur  69  Pfund 
wog.  Auch  der  betende  Knabe,  die  Perle  des  hiesigen  Museums, 
ist  so  leicht,  dass  er  von  einem  Mann  bequem  getragen  werden 
kann,  während  die  neben  ihm  aufgestellte  gleich  grosse 
römische  Broncestatue  aus  Xanten  durch  vier  Mann  trans- 
portirt  werden  musste. 

Hinsichtlich  des  Stils  zerfallen  alle  erhaltenen  Geräthe 
in  zwei  Classen,  die  zugleich  historischen  Perioden  entsprechen. 
Es  ist  der  grosse  Gegensatz  von  Stil  und  Natur,  von  Strenge 
und  Freiheit,  der  sich  auf  allen  Gebieten  der  Kunst  wieder- 
holt und  auch  hier  eine  durchgreifende  Trennung  macht.  An 
dem  Beispiel  des  Candelabers  tritt  dieser  Unterschied  am 
augenfälligsten  hervor.  Während  nämlich  der  Schaft  an  den 
älteren  Candelabern  einer  cannelirten  Säule  älmlich  ist,  haben 
jüngere  Candelaber  oft  die  Form  von  Schilfrohr  oder  Bäumen, 
ahmen  also  unmittelbar  ein  von  der  Natur  gegebenes  Motiv 
nach.  Jene  sind  ideal,  diese  realistisch,  jene  streben  nach 
dem  Einfachen,  Ernsten,  Edlen,  diese  nach  dem  Reichen,  Hei- 
tern und  Sinnlichen.  Der  innere  psychologische  Grund  für 
den  Uebergang  von  der  einen  Art  zur  anderen  liegt  in  der 
ethischen  Stimmung  der  verschiedenen  Zeiten  begründet;  hier 
muss  es  genügen,  hervorzuheben,  dass  jede  in  Sitte  und  Denk- 
weise mehr  üppige  und  luxuriöse  Zeit  der  realistischen  Weise 
den  Vorzug  geben  wird.  Wann  dieser  Uebergang  eingetreten, 
vermögen  wir  ziemlich  genau  zu  bestimmen.  Dass  bereits  vor 
Alexander  realistisch  gebildete  Geräthe  üblich  waren,  beweist 


1)  Bull,  dell»  inst.  1840  p.  111. 

2)  Mus.  borb.  II.  zu  tav.  VII. 


Zur  Geschichte  der  Erzarbeit.  ]^3 

die  interessante  Notiz  des  Plinius  ^)  von  einem  im  Tempel  des 
Palatinischen  Apollo  befindlichen  Candelaber,  der  einem  mit 
Lampen  wie  mit  Früchten  behangenen  Baum  glich  und  von 
Alexander  dem  Grossen  bei  der  Zerstörung  Thebens  erbeutet 
war.  Ja  schon  von  Eallimachos^  einem  Künstler  aus  der  Zeit 
des  peloponnesischen  B[riegS;  wird  berichtet,  dass  er  über  der 
goldenen  Lampe  im  Erechtheum  einen  Rauchfang  in  Gestalt 
eines  Palmbaums  verfertigt  habe  2).  Aber  viel  früher  wird 
auch  der  Uebergang  ins  Realistische  nicht  stattgefunden 
haben,  wie  wir  vor  Allem  aus  den  architektonischen  Orna- 
menten schliessen  dürfen.  Denn  erst  im  korinthischen  Stil, 
also  nicht  vor  dem  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  werden 
die  Ornamente  realistisch  gebildet,  während  sie  früher  abstragt 
gehalten  sind  ohne  das  lebendige  Spiel  der  Naturformen  nach- 
zuahmen. 

Wir  versuchen  nun,  die  Kunstindustrie  der  drei  hier  in 
Betracht  kommenden  Völker,  der  Griechen,  Etrusker  und 
Römer  etwas  näher  zu  charakterisiren,  und  knüpfen  dabei  an 
(las  eben  Gesagte  an,  indem  wir  den  Geräthen,  die  wir  von 
Griechen  und  Etruskern  besitzen,  im  Grossen  und  Ganzen 
einen  mehr  idealistischen,  den  römischen  dagegen  einen  vor- 
wiegend realistischen  Charakter  beilegen.  Diese  Verschieden- 
heit der  Geschmacksrichtung  tritt  gleich  in  der  Technik  am 
deutlichsten  hervor.  Bei  Griechen  und  Etruskern  nämlich 
dominirt  entschieden  das  gemalte  oder  gezeichnete  Ornament, 
und  wenn  Reliefverzierung  gewählt  wird,  so  ist  das  Relief 
flächenartig  gehalten,  die  Römer  dagegen  wählen  mit  einseitiger 
Vorliebe  das  Relief  und  zwar  das  runde  Relief,  das  die  Dinge 
in  ihrer  vollen  Körperlichkeit  imitirt.  Die  griecliische  Vasen- 
malerei stirbt  unter  römischem  Einfluss  ab,  ebenso  die  Metall- 
zeichnung die  besonders  in  Etrurien  blühte,  und  die  Relief- 
verzierung tritt  in  Thon-  und  Metallarbeiten  an  ihre  Stelle. 
In  unteritalischen  und  etruscischen  Gräbern  werden  oft  Helme 
mit  graffito  verziert  gefunden,  aus  römischer  Zeit  sind  mir  nur 
Helme  mit  Reliefschmuck  bekannt.  Eben  diese  letzteren  — 
wir  meinen  vornehmlich  die  Gladiatorenhelme  aus  Pompeji  — 
sind  sehr  instructive  Beispiele  um  die  Schwäche  der  römischen 
Ornamentik  blosszulegen.    Das  runde  Relief  ist  an  sich  zur 


J)  Bist.  nat.  34,  14. 
2)  Pausan.  1,  26,  7. 


14  Zur  Geschichte  der  Erzarbeit. 

Ornamentirung  ebenso  geeignet  wie  die  Mittel  der  Etrusker 
und  Griechen,  unter  denen  übrigens  ersteres  ja  auch  nicht 
ganz  ausgeschlossen  war,  allein  es  führt  leichter  als  jene  zur 
Willkür  und  Entartung  und  diese  Gefahr  ist  in  den  römischen 
Geräthen  nicht  immer  vermieden.  An  vielen  pompejanischen 
Geräthen  ist  von  einer  Unterordnung  des  Ornaments  unter  das 
Ganze,  was  doch  für  ein  schön  componirtes  Geräth  nothwendig 
ist,  nicht  mehr  die  Rede,  das  Ornament  löst  sich  oft  in  völliger 
Ungebundenheit  ab  und  stört  dadurch  die  Einheit  des  Ganzen. 
Am  weitesten  geht  in  dieser  Eichtung  der  mit  trojanischen 
Scenen  verzierte  Gladiatorenhelm,  an  welchem  einzelne  Glieder 
der  Figuren  in  senkrechter  Richtung  aus  der  Fläche  heraus- 
springen. Man  könnte  die  Beweiskraft  gerade  dieser  Geräthe 
für  das  Ganze  mit  der  Bemerkung  anfechten,  dass  der  Helm 
eines  Gladiatoren,  also  eines  Schaukämpfers,  wohl  absichtlich 
besonders  reich,  prunkend  und  eifectvoll,  gearbeitet  sein  möge, 
um  den  Beifall  der  grossen  Masse  auf  sich  zu  ziehen,  allein 
es  ist  doch  auch  an  anderen  Geräthen  dieselbe  Neigung  be- 
merkbar. Die  Köpfe  oder  Büsten,  mit  denen  die  Geldkisten, 
Betten  oder  andere  Geräthe  verziert  sind,  springen  oft  so  weit 
vor,  dass  die  Harmonie  des  Ganzen  gestört  wird,  und  schon 
im  ersten  Bande  dieses  Werks  n.  882.  883  wurde  an  pompe- 
janischen Candelabem  gezeigt,  wie  auch  hier  das  Ornament 
und  die  Sache  selbst  nicht  mehr  im  richtigen  Yerhältniss  zu 
einander  stehen.  Ueberhaupt  wäre  es  nicht  schwer,  unter  den 
pompejanischen  und  herkulanischen  Alterthümern  manche  Bei- 
spiele tektonischer  Willkür  zu  finden,  unter  denen  die  Lampen 
in  ihren  oft  ganz  unmotivirten  Formen  reich  vertreten  sein 
würden,  und  wenn  wir  die  grosse  Masse  dieser  Alterthümer 
mit  den  früheren  griechischen  und  etruscischen  hinsichtlich 
ihrer  tektonischen  Schönheit  vergleichen,  so  kann  man  nicht 
zweifeln,  welcher  Classe  der  Preis  zuzuerkennen  sei.  Nur  darf 
man  dabei  nicht  vergessen,  wieviel  stilvolle  und  wahrhaft 
schöne  Geräthe  doch  auch  unter  ersteren  sich  befinden.  Es 
sind  freilich  zum  grossen  Theil  nicht  Neuschöpfungen,  sondern 
Reproductionen  jener  älteren  Zeit.  Die  grosse  Mehrzahl  der 
herkulanischen  und  pompejanischen  Candelaber  ist  —  von 
einer  nur  den  praktischen  Zweck  betreffenden  Veränderung 
abgesehen  —  den  altetruscischen  fast  ganz  gleich  und  die 
Weinkanne  der  alten  Zeit,  eins  der  graziösesten  Geräthe  des 
Alterthums,  ist  unverändert  dieselbe  geblieben. 

Die  Vergleichung  der  etruscischen  und  griechischen  Ge- 


Zur  Gesehichte  der  Erzarbeit  *  15 

räthe  unter  sich,  zu  der  wir  jetzt  übergehen,  nachdem  wir  sie 
zuerst  als  eine  zusammengehörige  Masse  den  römischen  gegen- 
übergestellt, wird  theils  dadurch  erschwert,  dass  Griechenland 
bis  jetzt  so  wenig  Material  geliefert  hat,  theils  aber  durch  die 
Abhängigkeit  der  etruscischen  Kunst  von  der  griechischen. 
Unzweifelhaft  sind  viele  griechische  Gedanken  auch  in  die 
etruscische  Tektonik  übergegangen  und  die  Vergleichung  der 
schwarzen  clusinischen  Töpferwaare,  die  wir  einstweilen  als 
originell  etruscisch  ansehen  dürfen,  mit  den  späteren  in 
Etrurien  üblichen  Vasenformen  giebt  den  besten  Beweis  dafür, 
dass  inzwischen  griechischer  Einfluss  stattgefunden  hatte,  allein 
es  giebt  doch  einzelne  Fälle,  in  denen  es  ausserordentlich 
schwer  ist,  über  Originalität  oder  NichtOriginalität  eines  etrus- 
cischen Geräths  zu  entscheiden^).  Sollten  wir  aber  auch  so 
das  Yerhältniss  zwischen  Griechen  und  Etruskern  fassen,  dass 
ersteren  alle  schöpferischen  Ideen,  letzteren  nur  die  Meister- 
schaft der  Ausführung  bliebe,  so  würde  doch  zunächst  immer 
darin  ein  grosses  Verdienst  der  Etrusker  bestehen,  griechisch 
erfundene  Geräthe  durch  die  ganze  Welt  verbreitet  zu  haben. 
Denn  die  etruscische  Broncewaare  ging  in  der  That,  wie 
Plinius  sagt,  durch  alle  Länder  und  die  zahlreichen  Funde  alt- 
etruscischer  Geräthe  diesseits  der  Alpen  sind  der  beste  Beweis 
für  die  Wahrheit  seiner  Behauptung.  Auch  im  eigenen  Lande 
war  der  Absatz  ein  ungeheurer,  wie  man  aus  den  so  reich  mit 
Broncen  ausgestatteten  etruscischen  Gräbern  schliessen  muss. 
Was  für  einContrast  zwischen  dem  üppigen  Luxus  eines  etrus- 
cischen und  der  Armuth  eines  griechischen  Grabes!  Aber  so 
sehr  wir  den  ethischen  Vorzug  der  letzteren  anerkennen,  so 
können  wir  doch  nicht  leugnen,  dass  die  üppigeren  Sitten  der 
Etrusker  auf  die  Belebung  der  Kunstindustrie  mächtig  gewirkt 
haben.  In  Griechenland  scheint,  vielleicht  von  einzelnen  Ge- 
räthen  wie  den  überall  liin  exportirten  Strigeln  abgesehen,  die 
Fabrikation  von  Metallgeräth  bei  Weitem  weniger  schAvungvoU 
betrieben  zu  sein,  wie  wäre  es  sonst  möglich  gewesen,  dass 
man  in  Atlien  und  zwar  zur  Zeit  der  höchsten  Kunstblüthe 
die  etruscische  Metallwaare  als  die  beste  von  allen  schätzte  2) 


^)  Unten  in  dem  Abschnitt  „Grabvasen"  wird  ein  Fall  angeführt 
werden,  wo  das  Verhältuiss  zwischen  etruscischer  und  griechischer 
Fabrikation  einmal  sehr  deutlich  zu  Tage  tritt. 

2}  Vgl.  Athen.  I,  28,  b.  c.  XV,  p.  700. 


IQ  Zur  Geschichte  der  Erzarheit. 

und  selbst  bezog?  Gerade  dieser  Umstand,  dass  die  Athener 
des  fünften  Jahrhunderts  so  anerkennend  über  die  etruscischen 
Broncen  urtheilen,  ist  der  beste  Beweis  für  ihre  Yorzüglich- 
keit  und  wohl  geeignet,  Zweifel  zu  erwecken,  ob  die  Griechen 
in  diesen  Geräthen  nur  ihre  eigenen  Erfindungen  bewundert 
haben. 

Freilich  hatte  die  Massenproduction  wie  immer,  so  auch 
bei  den  Etruskem  ihre  Schattenseite.  Es  konnte  nicht  fehlen^ 
dass  viel  Flüchtiges  und  Unschönes  producirt  wurde,  und 
dass  mechanische  Vervielfältigung  an  die  Stelle  einer  mehr 
künstlerischen  Productionsweise  trat.  Wir  wagen  auf  ein 
freilich  nicht  reiches  Material  hin  —  es  sind  besonders  die 
Reliefs  der  griechischen  und  etruscischen  Klappspiegel  ge- 
meint —  die  Behauptung,  dass  die  Technik  des  Treibens  in 
Griechenland  immer  viel  mehr  üblich  war  als  in  Etrurien,  wo 
sie  durch  die  Stanzarbeit  verdrängt  wurde,  ähnlich  wie  sie 
auch  heutigen  Tages  durch  mehr  mechanische  Operationen 
verdrängt  wird.  Die  griechischen  Spiegelreliefs  sind,  soweit 
uns  bekannt,  bis  auf  eins,  das  gegossen  ist,  alle  getrieben,  die 
etruscischen  aber  gestanzt  und  wir  besitzen  bereits  mehrere 
aus  demselben  StetapeH). 

Auch  im  Stil  oder  vielmehr  in  der  Geschmacksrichtung  hat 
die  etruscische  Industrie  unleugbar  etwas  Nationales,  was  nicht 
immer  gefällt.  Etwas  ganz  specifisch  Etruscisches  ist  die 
Liebhaberei  für  figürlichen  Schmuck  selbst  an  kleinen  und 
kleinsten  Geräthen.  Die  Candelaber  oder  richtiger  Thymia- 
terien,  deren  Schaale  oben  von  Täubchen  umgeben  ist  und  an 
deren  Schaft  eine  kleine  Figur  hinaufklettert,  die  Fibeln, 
selbst  die  kleinsten,  die  mit  Thieren,  ja  mit  Reihen  von 
Thieren  verziert  sind,  die  Candelaber,  Cisten  und  Dreifüsse 
mit  ihrem  Figurenreichthum  und  besonders  die  bald  geistreich 
bald  aber  auch  wunderlich  und  phantastisch  verzierten 
Henkel  aller  möglichen  Geräthe,  das  Alles  sind  specifisch 
etruscische  Bildungen,  die  wir  bei  keinem  anderen  Volk 
wiederfinden. 

Unübertrefflich  aber,  ist,  wenigstens  an  den  etruscischen 
Werken  älterer  Zeit,  die  Sauberkeit  und  Feinheit  der  Arbeit. 


*)  Wie  das  Relief  mit  Odysseus  und  Penelope,  Annali  dell'  instit. 
1867,  326.  Auch  unter  den  vielen  Exemplaren  des  unter  n.  3  aufge- 
führten Reliefs  sind  gewiss  D  Dubletten  vorhanden. 


Zur  Geschichte  der  Erzarheit.  17 

Zwar  werden  wir  erst  in  den  beiden  folgenden  Bänden  dieses 
Werks  an  den  Goldarbeiten  und  Gemmen  die  ganze  Vollendung 
etruscischer  Arbeiten,  die  über  mtlhseligste  und  schwierigste 
Technik  triumphirt,  kennen  lernen,  allein  auch  unter  den 
Broncegeräthen  älteren  Stils  sind  viele  von  vollendeter  Aus- 
führung. Je  mehr  aber  an  einem  Geräth  das  Ideelle  und 
Geistige  zurücktritt,  um  so  höher  steigt  der  Werth  der  for- 
mellen Behandlung. 


f  riederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II. 


L  Das  HausgerätL 

A.  Toiletten-  und  Schmuckgeräth. 

1)  Die  Spieg'eL 

a.  Die  griechischen  Spiegel. 

Im  ganzen  Alterthum  war  der  Gebrauch  von  Metallspiegeln 
vorherrschend.  Man  kannte  zwar  auch  Glasspiegel,  die  in  den 
berühmten  Glasfabriken  Sidons  erfunden  sein  sollten  ^);  allein 
sie  waren,  wenn  wir  nach  den  Funden  urtheilen  dürfen,  wenig 
in  Gebrauch.  Denn  unseres  Wissens  ist  nie  ein  Glasspiegel 
gefunden.  In  Griechenland  waren  die  Broncespiegel  gewöhn- 
lich, die  man  in  einfacher,  unverzierter  Form  überall  in  den 
griechischen  Gräbern  und  mit  bildlichem  Schmuck  besonders 
oft  in  Korinth  findet.  Es  sind  kreisrunde  Broncescheiben,  oft 
grifflos,  und  wenn  sie  mit  einem  Griff  versehen  sind,  doch 
verschieden  von  den  etruscischen,  die  gewöhnlich  nur  einen 
mit  dem  Spiegelrund  zusammenhängenden  Zapfen  haben,  der 
in  einen  knöchernen  Cylinder  hineingesteckt  wurde.  Sehr 
häufig  sind  auch  Spiegel  mit  einem  die  Spiegelfläche  schützen- 
den Deckel,  der  entweder  —  und  das  ist  das  Gewöhnliche  — 
ganz  abgenommen  oder,  vermittelst  eines  Charniers  befestigt, 
auf-  und  zugeklappt  werden  kann.  Solche  Spiegel  werden  zwar 
gewöhnlich  für  Spiegelkapseln  gehalten,  doch  ist  entweder 


1)  Plin.  bist.  nat.  36,  193. 


i 


Die  griechischen  Spiegel.  19 

AUS  dem  Falz  der  untern  Hälfte  oder  aus  der  Stellung  des 
Chamiers  leicht  das  Richtige  zu  entnehmen.  Auch  an  einer 
kleinen  Venus  in  Neapel,  die  sich  in  einem  solchen  Klapp- 
spiegel besieht,  kann  man  die  Einrichtung  dieses  Geräths  be- 
obachten^). Daneben  aber  giebt  es  wirkliche  Spiegelkapseln^ 
theils  von  Holz,  theils  von  Bronce. 

Die  Kunst  hat  sich  schon  früh  dieses  Geräthes  bemächtigt 
und  die  reizendsten  Dinge  geschaffen.  Schon  in  der  Zeit  des 
altgriechischen  Styls  hat  man  öfter  dem  Spiegel  die  Figur  der 
Aphrodite  angefügt^).  Und  das  ist  überhaupt  in  griechischer 
Zeit  das  Gewöhnliche,  die  Figur  der  Aphrodite  gewissermaassen 
als  Ideal  und  Vorbild  jeder  sich  schmückenden  Frau  unter 
den  Spiegel  zu  stellen.  In  mehreren  öffentlichen  und  privaten 
Sammlungen^)  sind  solche  Figuren  der  Aphrodite,  zum  Theil 
von  Amoren  umflattert,  aus  der  Zeit  des  schönsten  griechischen 
Styls  erhalten.    Die  Etrusker  haben  dies  Motiv  nachgeahmt. 

Doch  nicht  allein  die  Stütze  des  Spiegels  ist  künstlerisch 
gestaltet,  auch  der  Deckel  ist  an  den  oben  erwähnten  Klapp- 
spiegeln sehr  oft  mit  einem  Relief  versehen.  Viele  derartige 
Reliefs  sowohl  griechischen  als  etruscischen  Styls  haben  sich 
erhalten,  die  schönsten  griechischen  sind  inTarquinii  und  Pa- 
lestrina  gefunden^).    Wenn  man  die  ganze  Masse  derartiger 


^)  u.  1661.  Vgl.  unsere  unter  u.  1928  aufgeführte  Venusfigur,  von 
deren  Spiegel  auch  noch  genug  erhalten  ist,  um  die  ursprüngliche  Ein- 
richtung zu  erkennen.  Solch  ein  Klappspiegel  ist  auch  auf  dem  Vasen- 
bild im  Compte-Rendu  de  la  commission  imperiale  archeologique  pour 
l'annee  1861  Taf.  1  dargestellt,  den  der  Herausgeber  p.  7.  für  ein 
Schminkgeräth  erklärt,  obgleich  die  ganze  Action  der  betreffenden  Figur, 
die  Art,  wie  sie  das  Geräth  hält  und  der  Gestus  der  andern  am  Haar 
l)eschäftigten  Hand  deutlich  zeigen,  dass  sie  sich  im  Spiegel  besieht, 
um  ihr  Haar  zu  ordnen.  Auch  Longperier  verkennt  sehr  stark  einen 
solchen  Klappspiegel  oder  richtiger  Spiegel  mit  abnehmbarem  Deckel, 
indem  er  unter  n.  510.  511  seiner  Notice  des  bronces  antiques  exposes 
dans  les  galeries  du  musce  imperial  du  Louvre  1868  zwei  „Pateren" 
aufführt,  die  in  Wahrheit  einen  Spiegel  bilden,  und  der  Art  zusammen- 
gehören, dass  n.  510  der  Deckel  von  n.  511  ist,  an  dessen  Spiegel- 
seite sich  ein  Falz  zur  Aufnahme  des  Deckels  befindet. 

2)  So  ist  kürzlich  in  Korinth  eine  schöne  Venus  mit  der  Taube  auf 
der  Hand  gefunden,  die  in  sehr  alterthümlichem  Styl  gearbeitet  ist  und 
als  Spiegelstütze  diente.  Eine  andere  ist  beim  Bau  des  neuen  Museums 
auf  der  Akropolis  unter  dem  Bauschutt  des  Parthenon  gefunden.  Beide 
befinden  sich  noch  in  Athen. 

''^)  In  Athen,  in  der  Sammlung  A.  Castellani,  besonders  aber  im 
britischen  Museum. 

*)  Sie  befinden  sich  im  Louvre  und  in  der  Sammlung  Barberini. 
Auch  das  in  Petersburg  befindliche,  in  Südrussland  in   dem  Grabe  der 

2* 


20  öie  griechischen  Spiegel. 

Werke  vergleicht,  so  scheint  die  Wahl  der  Gegenstände  nicht 
ganz  willkürlich  zu  sein.  Es  sind  nämlich  in  den  meisten 
Fällen  erotische  und  bacchische  Scenen,  mit  denen  man  die 
Spiegeldeckel  verzierte. 

Endlich  ist  auch  die  Rückseite  des  Deckels  oder  des 
Spiegels  selbst  künstlerisch  verziert,  und  zwar  mit  einer  ein- 
gegrabenen Zeichnung.  Nur  wenige  derartige  Spiegel  sind  bis 
jetzt  aus  Griechenland  bekannt,  unter  denen  ein  Spiegel  in 
Lyon  Erwähnung  verdient,  der  eine  sehr  fein  gravirte  Amor- 
figur enthält  1)  und  auch  dadurch  merkwürdig  ist,  dass  die 
Figur  selbst  in  Silbergrund  gravirt,  aber  von  Broncegrund  um- 
geben ist,  der  ihr  zur  schönsten  Folie  dient.  Indessen  würden 
unzweifelhaft  mehr  griechische  Spiegelzeichnungen  vorhanden 
sein,  wenn  die  griechischen  Gräber  eifriger  durchsucht  worden 
wären.  Auch  mögen  noch  einige  Spiegel,  die  als  etruscisch 
aufgeführt  werden,  in  der  That  griechisch  sein.  Dies  gilt  z.  B. 
von  einem  Spiegel  des  britischen  Museums,  auf  welchem  ein 
Amor  mit  Leier  und  Blume  in  den  Händen  dargestellt  ist®). 
Die  Zeichnung  desselben  ist  altgriechisch,  nicht  etruscisch,  und 
auch  die  Form  des  Spiegels  ist  griechisch.  Er  ist  nämlich 
kreisrund,  ohne  Griff,  und  war  ursprünglich  von  einer  beson- 
dem  Stütze  getragen. 

Trotzdem  aber  darf  man  behaupten,  dass  die  gravirten 
Spiegel  in  Griechenland  selten  waren  im  Vergleich  zu  Etrurien. 
Wie  die  griechischen  Gräber,  aus  denen  un verzierte  Metall- 
spiegel in  Menge  hervorgezogen,  einfach  und  bescheiden  sind 
im  Vergleich  zu  den  etruscischen,  so  war  auch  das  Leben  in 
Griechenland  nicht  so  üppig  und  luxuriös  wie  in  Etrurien. 
Dazu  kommt,  dass  die  Technik  der  Metallgravirung  nach  allem 
Anschein  in  Griechenland  nicht  sehr  beliebt  war.  Es  werden 
z.  B.  in  Etrurien  und  Grossgriechenland  nicht  selten  Helme 
mit  eingravirten  Verzierungen  gefunden,  in  Griechenland  ist 


grossen  Blisnitza  gefundene  Relief  scheint  nach  der  Abbilduug  im 
Compte-Rendu  pour  l'annee  1865  Taf.  5  sehr  schön  zu  sein.  Stephani 
zählt  an  derselben  Stelle  p.  159  ff.  eine  grosse  Anzahl  solcher  mit 
Reliefs  verzierten  Spiegel  auf. 

1)  De  Witte  r^vue  arch^ol  1868  pl.  XIII.  Die  Erklärung  des 
Herausgebers  freilich,  dass  die  Figur  den  Agon  vorstelle  und  seine  Be- 
merkungen über  den  hermaphroditischen  Charakter  derselben,  kann  ich 
mir  nicht  aneignen.  Es  ist  einfach  ein  Amor,  etw&s  weich  gezeichnet, 
fast  wie  auf  unteritalischen  Vasen.  Die  andern  griechischen  Spiegel 
mit  gravirten  Verzierungen  zählt  Benndorf  auf  Arch.  Ztg.  1868  p.  77. 

2)  Abgeb.  bei  Gerhard  I,  120. 


Die  griechischen  Spiegel.  21 

meines  Wissens  noch  keiner  zum  Vorschein  gekommen^  wie- 
wohl nicht  wenig  griechische  Helme  vorhanden  sind.  Sehr 
gering  ist  das,  was  uns  an  derartigen  Werken  aus  Griechen- 
land erhalten  ist,  doch  befindet  sich  einiges  sehr  Alterthüm- 
liche  darunter,  so  dass  wir  nicht  zu  entscheiden  vermögen,  oh 
die  Griechen  oder  die  Etrusker  diese  Technik  früher  an- 
gewandt haben.  Das  aber  glauben  wir  bestimmt,  dass  weder 
das  eine  noch  das  andere  Volk  sich  die  Erfindung  derselben 
vindiciren  darf,  denn  aus  dem  Orient,  aus  Ninive  und  Kition 
auf  Cypern  sind  ebenfalls  hoch  alterthümliche  Arbeiten  diesiar 
Art  bekannt  geworden. 

Der  oben  erwähnte  Spiegel  des  britischen  Museums  ist 
der  einzige  griechische  Spiegel  alten  Styls,  alle  übrigen  ge- 
hören späterer  Zeit  an.  Doch  fehlt  es  noch  an  Material,  um 
eine  historische  Entwickelung  aufzustellen,  und  nur  die  Aphro- 
ditefiguren, die,  wie  oben  bemerkt,  so  oft  die  griechischen 
Spiegel  stützen,  sind  in  hinreichender  Anzahl  aus  allen  Perioden 
erhalten,  um  die  Entwickelung  dieses  Kunstzweiges  aufs  An- 
schaulichste zu  zeigen. 

Nach  dieser  Einleitung  gehen  wir  zur  Aufzählung  des 
Einzelnen  über. 

Die  griechischen  Spiegel. 

!*•  ^-  Spiegel  nebst  Deckel  aus  Korinth,  im  Jahre 
1868  gekauft.    3583.  3584.  Durchm.  ß^g". 

Der  Deckel  ist  mit  einem  Profilkopf  in  getriebener  Arbeit, 
vermuthlich  einem  Venuskopf  verziert.  Dies  scheinen  das  Auge 
und  die  etwas  üppigen  Lippen  anzudeuten.  Der  Styl  ist  nicht 
ganz  so  edel,  dass  man  das  Relief  noch  in  die  Blüthezeit  setzen 
könnte,  aber  es  steht  ihr  auch  noch  nicht  fern.  Die  Aus- 
führung ist  sehr  sorgfältig.  Der  Kopf  ist  besonders  gearbeitet 
imd  dann  aufgelöthet,  war  aber  jedenfalls  mit  irgend  einer 
Masse  ausgefüllt,  um  [gegen  Beschädigung  Widerstand  zu 
leisten. 

2»- ^-  Klappspiegel  aus  Korinth,  im  Jahre  1869  ge- 
kauft.   3761.    Durchm.  4". 

Das  Relief  des  Deckels  ist  niclit  ohne  Anmuth  componirt. 
Ein  Pan  setzt  einer  Bacchantin  zu,  mit  der  linken  Hand  be- 
wundert und  mit  der  rechten  untersucht  er  die  Schönheit  ihres 
geöftneten  Busens.  Die  Bacchantin  hat  in  der  Linken  ein 
Tambourin  und  hält  mit  der  Rechten  den  fortflatternden  Zipfel 


22  I^iß  griechischen  Spiegel. 

ihres  Ueberwurfs.  Der  Styl  ist  nicht  mehr  der  beste,  die  Ge- 
wänder der  Bacchantin  sind  schon  etwas  manierirt.  DasKelief 
ist  gegossen  und  auf  den  Deckel  aufgelöthet. 

3*-^*  Bacchus  und  Amor,  Klappspiegel  mit  gepresstem 
Kelief.    Samml.  Bartholdy.    D.  92.    Durchm.  5". 

Die  Hauptgruppe,  der  trunkene  und  träumerische  Bacchus 
sich  auf  Amor  lehnend,  der  ihn  fortzureissen  und  neu  zu  be- 
leben sucht,  ist  in  andern  Denkmälergattungen,  namentlich  in 
Glaspasten,  oft  wiederholt  und  unzweifelhaft  eine  griechische 
Erfindung  aus  der  Zeit  blühender  Kunst.  Die  musicirende 
Frau,  die  dem  Zuge  vorangeht,  ist  gewiss  eine  Bacchantin,  wie 
wir  auch  in  einer  ganz  ähnlichen  Composition,  wo  nur  statt 
Bacchus  Silen  eingetreten  ist,  eine  noch  deutlicher  charakteri- 
sirte  Bacchantin  voranschreiten  sehen. 

Doch  nicht  bloss  die  Erfindung,  sondern  auch  die  Aus- 
führung dieses  Reliefs  ist  griechisch.  Das  Relief  ist  mit  grie- 
chischem* Stempel  gepresst.  Fast  in  jedem  Museum  befinden 
sich  Wiederholungen  davon,  zum  Theil  wohl  aus  derselben 
Form. 

Abg.  Gerhard,  Etr.  Spiegel.  Taf.  21,  3.  Vgl.  I,  p.  88,  wo  übrigens 
die  Bacchantin  für  eine  Muse  erklärt  wird,  die  in  diese  Gesellschaft 
nicht  hioeinpasst.  Wiederholungen  z.  B.  in  Wien  im  Industriemuseum, 
in  Palermo  im  museo  Casuccini,  im  Louvre,  in  London,  Carlsruhe  etc. 
Die  im  Text  citirte  ähnliche  Composition,  wo  die  Bacchantin  ganz  deut- 
lich ist,  ist  das  bei  Zoega  bassiril.  ant.'  70  und  sonst  vorkommende 
Terrakottarelief. 

4a.  b.  Klapp  Spiegel  (?).  Aus  Gerhardts  1859  angekaufter 
Spiegelsammlung.    3390.    Durchm.  ö^/," 

Es  ist  sehr  zweifelhaft,  ob  diese  beiden  Stücke  zusammen- 
gehören. Das  eine  Stück  ist  unzweifelhaft  das  untere  Stück 
eines  Klappspiegels,  an  welchem  vermittelst  eines  Charniers, 
dessen  Spur  noch  vorhanden  ist,  ein  Deckel  befestigt  war.. 
Das  andere  Stück,  das  selir  durch  die  Oxydirung  gelitten,  ist 
wohl  ein  Spiegeldeckel,  kaim  aber  mit  dem  erstgenannten  Stück 
nicht  verbunden  gewesen  sein. 

Von  den  beiden  Figuren  des  Deckels  ist  die  eine  als 
Bacchantin  kenntlich,  die  andere  scheint  auch  eine  Bacchantin 
zu  sein,  doch  ist  das  nicht  ganz  sicher  zu  sagen. 

5.  Odysseus  im  Palladienr'aub,  gegossener  Spiegel- 
deckel.   Durchm.  5''. 


'   Die  griechischen  Spiegel.  23 

Die  Figur  ist  aus  einer  grossem  Composition,  die  uns  in 
Reliefs  und  geschnittenen  Steinen  erhalten  ist,  herausgenommen. 
Es  ist  Odysseus,  lebhaft  gestikulirend  gegen  den  hier  fehlen- 
den Diomedes,  mit  dem  er  über  die  Modalität  des  Palladien- 
raubes uneinig  ist.  Es  scheint,  als  weise  er  mit  der  Hand  auf 
den  neben  dem  Altar  schlafend  liegenden  Wächter,  von  dem 
man  hier  nur  die  Füsse  sieht.  Vermuthlich  will  er  durch 
diesen  Gestus  den  Diomedes  zur  Vorsicht  mahnen  und  es  ist 
das  ein  Zug,  der  den  Charakter  beider  Helden  vorzüglich  be- 
zeichnet. Neben  ihm  steht  eine  Säule,  wie  sie  zur  Auf- 
stellung von  Weihgeschenken  in  den  Tempeln  üblich  waren. 

Uebrigens  sieht  diese  Platte  nicht  sehr  antik  aus  und  ist 
wahrscheinlich  nur  ein  moderner  Abguss. 

Die  vollständige  Composition,  zu  welcher  diese  Figur  gehört,  findet 
sich  z.  B.  auf  der  bei  Overbeck,  Gallerie  her.  Bildw.  Taf.  24.  n.  21  ab- 
gebildeten Gemme.  Overbeck  findet  p.  601.  die  Stellung  des  Odysseus 
schwer  zu  erklären,  allein  sie  ist  ganz  natürlich,  sobald  man  nur  die 
liegende  Figur  nicht  als  todt,  sondern  als  schlafend  ansieht,  was  ich  in 
der  Archaeol.  Ztg.  1859  p.  64  zu  beweisen  gesucht  habe. 

6.  Spiegel,  auf  der  Insel  Salamis  gefunden,  1845  von 
den  hiesigen  Kunsthändlern  Schenk  und  Gerstäcker  gekauft 
Dem  Vernehmen  nach  soll  Professor  Koss  ihn  an  die  genann- 
ten Kunsthändler  verkauft  haben.    2817.  Durchm.  ß^j^'. 

Der  Spiegel  ist  zwar  ohne  Zeichnung,  aber  doch  höchst 
werthvoU  wegen  des  äusserst  feinen  Ornaments,  das  Spiegel- 
rund und  Griff  (von  dem  nur  wenig  erhalten)  verbindet.  Wie 
sehr  sticht  die  grosse  Menge  der  etruscischen  Spiegel,  an 
denen  die  Verbindung  von  Griff  und  Spiegelrund  so  höchst 
roh  und  unorganisch  ist  (vgl.  n.  166.),  gegen  diesen  Spiegel 
ab!  Das  Ornament  ist  das  Kapitellornament  des  altjonischen 
Styls,  nur  ist  die  Palmette,  die  zwischen  den  Voluten  auf- 
zusteigen pflegt,  hier  halbirt  und  so  gelegt,  dass  jede  Hälfte 
den  Zwischenraum  zwischen  Volute  und  Spiegelrund  ausfüllt. 
Dadurch  ist  zugleich  für  die  nöthige  Festigkeit  wie  für  die 
harmonische  Verbindung  von  Griff  und  Spiegelrund  gesorgt. 

7.  Desgl.  Fundort  und  Herkunft  sind  dieselben  wie  bei 
der  vorhergehenden  Nummer.  2816.    Durchm.  C^/g". 

Der  Griff  ist  in  ähnlicher  Weise,  aber  weit  einfacher  und 
kunstloser  verziert. 

8.  Desgl.,  ganz  schmucklos,  fast  roh.  Aus  Korinth,  von 
derselben  Quelle  bezogen  wie  die  beiden  vorhergehenden.  2818. 
Durchm.  6". 


24  jGrriechische  Spiegelgriffe. 


Griechische  Spiegelgriffe. 

9.  Venus  als  Spiegelstütze,  aus  der  Sammlung BellorL 
H.  72/3". 

Die  Figur  gehörte  nicht  zu  einem  Handspiegel,  sondern 
zu  einem  feststehenden  Spiegel.  Sie  hat  nämlich  eine  Basis 
und  ist  sehr  schwer  an  Gewicht,  auch  unleugbar  etwas  plump. 
JDies  mag  zum  Theil  auf  Rechnung  des  alterthümlichen  Styls 
und  auch  des  Bestrebens  den  tektonischen  Anforderungen  zu 
entsprechen,  geschrieben  werden,  doch  erinnere  ich  mich 
keiner  andern  alterthümlichen  Spiegelstütze,  die  so  plump 
wäre.  Vielleicht  stammt  die  Figur  aus  Sicilien  und  gehört  zu 
der  in  den  selinuntischen  Reliefs  (Bd.  I.  p.  12)  vertretenen 
Kunstrichtung. 

Venus  ist  an  dem  Apfel  kenntlich,  den  sie  nach  der 
alterthümlichen  Weise,  das  charakteristische  Symbol  gleich- 
sam als  Erkennungszeichen  dem  Betrachtenden  förmlich  zu 
präsentiren,  ausgestreckt  hält.  Mit  der  andern  Hand  hebt  sie 
leicht  ihr  Gewand,  ein  für  Venus  ebenfalte  in  alter  Zeit  cha- 
rakteristischer und  graziöser  Gestus. 

Auf  dem  Kopf  ist  ein  kleines  Kapitell  und  noch  etwas 
von  der  Rundung  zu  sehen,  in  welche  der  Spiegel  eingriff,  und 
auf  jeder  Schulter  der  Figur  ist  je  eine  Thierklaue  haften  ge- 
blieben, da  nämlich,  wie  wir  an  besser  erhaltenen  ähnlichen 
Figuren  sehen,  je  ein  Thier  von  der  Schulter  der  Göttin  bis 
an  das  Spiegelrund  in  diagonaler  Richtung  hinanreichte.  Der 
praktische  Zweck  dieser  Zuthat  ist  offenbar  der,  dass  man  die 
Verbindung  zwischen  Stütze  und  Spiegel,  die  sonst  nur  an 
einem  Punkt  stattfinden  würde,  vermehren  und  stärken  wollte, 
wie  man  aber  dazu  gekommen  ist,  Thiere  zu  diesem  Zweck  zu 
benutzen,  die  sich  in  der  That  gerade  an  dieser  Stelle  sehr 
oft  finden,  ist  uns  unverständlich  Wir  setzen  für  unsere  Figur 
nach  Analogie  einer  kürzlich  in  Korinth  gefundenen,  in  Athen 
befindlichen  Spiegelstütze  voraus,  dass  die  auf  ihren  Schultern 
befindlichen  Klauen  Sphinxen  angehörten,  ohne  freilich  über 
einen  Zusammenhang  zwischen  Venus  und  Sphinx  Rechen- 
schaft geben  zu  können.  Es  ist  uns  aber  überhaupt  fraglich, 
ob  ein  solcher  Zusammenhang  existirt. 

Abg.  Beger  thesaurus  Brandenburg.  III,  301. 

10.  Desgl.  von  einem  Handspiegel,  H.  4". 

Es  scheint  nach  dem  Rest  eines  Zapfens,  der  auf  dem 


Griechische  Spiegelgriffe.  25 

Kopf  der  Figur  zurückgeblieben,  als  sei  auch  diese  Venus  ein 
Spiegelgriff  gewesen.  Sie  entspricht  genau  den  alterthümlichen 
Venusfiguren,  die  leise  schreitend  mit  der  einen  Hand  das 
GQwand  heben  und  in  der  andern  eine  Knospe  halten.  Die 
beiden  Vorderarme  sind  nicht  erhalten  und  zum  Theil  sehr 
roh  in  Blei  ergänzt.    Der  Styl  ist  echt  alterthümlich. 

11.  Desgl.,  1845  von  den  hiesigen  Kunsthändlern  Schenk 
und  Gerstäcker  gekauft,  welche  die  Figur  ihrerseits  von  Prof. 
Ross  erworben  haben.  Als  Fundort  wird  Lamia  in  Thessalien 
angegeben.  2814.  H.  T^s''- 

Wir  dürfen  diese  Figur  wohl  Venus  nennen,  obwohl  sie 
auf  den  ersten  Blick  nichts  weiter  vorstellt,  als  ein  einfaches, 
schlichtes  Mädchen.  Denn  einmal  ist  als  Spiegelstütze  keine 
Figur  gewöhnlicher  als  Venus  und  ausserdem  hielt  die  linke 
Hand,  von  welcher  ein  Ansatz  übrig  geblieben,  ein  Attribut, 
das  Venus  charakterisiren  mochte. 

Der  Spiegelgriff  gehört  dem  schönsten  griechischen  Styl 
an  und  kann  recht  als  Beleg  dienen,  wie  fein  die  Griechen 
solche  tektonisch  abhängige  Figuren  behandelten.  Die  Unter- 
ordnung unter  das  Ganze  ist  das  erste  Gesetz,  daher  die 
grösste  Einfachheit  und  Schlichtheit  in  Stellung  und  Gewan- 
dung. 

Die  Attache,  die  sich  auf  dem  Kopf  der  Figur  erhalten, 
ist  mit  einer  eingravirten  Palmette  verziert  und  läuft  in  Del- 
phinenköpfe  aus.  Auch  das  Blatt,  das  den  Spiegel  von  hinten 
festhielt,  ist  noch  vorhanden. 

11*-  Spiegel  mit  reich  verziertem  Griff.  KoUer'sche 
Sammlung  607. 

Am  Griff  ist  in  Relief  Amor  dargestellt,  staunend  über 
einen  Schwan,  der  auf  sein  Bein  geflogen  ist.  In  der  alten 
Kunst  sind  solche  Scenen,  wo  Schwäne  sich  Knaben  nähern, 
um  mit  ihnen  zu  spielen,  nicht  selten. 

Gargiulo  erklärt  im  Verzeichniss  der  KoUer'schen  Samm- 
lung, welcher  das  Stück  angehörte,  den  Henkel  für  modern. 
Allerdings  ist  die  Patina  nicht  gut,  aber  die  Composition  ist 
in  jedem  Fall  alt,  sodass  wir  mindestens  den  Abguss  einer 
Antike  in  diesem  Stück  besitzen 

Ein    grosser  Spiegel    des    britischen  Museums   (Arch.    Ztg.   1870, 
Taf.  32)  hat  einen  ganz  ähnlich  gestalteten  Griff. 


26  Die  etruscischen  Spiegel. 

b.  Die  etruscischen  Spiegel^). 

Den  gravirten  etruscischen  Spiegeln  schicken  wir  wegen 
der  Verwandtschaft  mit  den  eben  erwähnten  griechischen 
Spiegeln  einen  etruscisclien  mit  Relief  verzierten  Elappspiegel 
voran,  der  zugleich  auf  der  Rückseite  der  Spiegelplatte  eine 
Zeichnung  hat. 

12.  a.  u.  b.  Klappspiegel  aus  Vulci.  Aus  Gerhardts 
Nachlass  1869  angekauft.    Durchm.  b". 


^)  Ich  habe  geschwankt,  ob  ich  in  den  hier  beginnenden  Erklärnngen 
etniscischer  Spiegel  auf  die  Deutungen  Gerhard's  in  seinem  bekannten 
Werk  eingehen  sollte  oder  nicht.  Was  mich  bestimmt  hat,  wenigstens 
kurz  darauf  einzugehen,  ist  der  Umstand,  dass  so  Viele  über  Gerhard 
urtheilen  und  so  Wenige  ihn  kennen.  Selbst  Otto  Jahn  hat  in  seinem 
Buch  über  ihn,  in  welchem  es  überhaupt  an  unrichtigen  Darstellungen 
nicht  fehlt,  seine  wissenschaftliche  Thätigkeit  in  einer  Weise  geschil- 
dert, dass  gerade  das  Charakteristische  nicht  erwähnt  wird.  Dies  Cha- 
rakteristische liegt,  so  weit  es  seine  Erkhärungen  der  Spiegel  betrifft, 
darin,  dass  er  die  Spiegelzeichnungcn  nicht  als  das  ansah  und  behan- 
delte, was  sie  sind,  als  Fabrikwaare,  sondern  als  Producte  tiefer,  zum 
Theil  mystischer  Weisheit,  die  eigenthümlicher  Weise  sich  gerade  in 
den  Spiegeln,  die  am  rohesten  und  flüchtigsten  gezeichnet  sind,  aufs 
Höchste  steigert.  Es  ist  derselbe  für  den  gesunden  Menschenverstand 
so  schwer  begreifliche  Irrthum,  der  ihm  auch  das  Verständniss  der 
Vasen  unmöglich  machte.  Dazu  kam  aber  weiter,  dass  Gerhard  ausser 
Stande  war,  die  Ausdrucksmittel  der  Kunst,  Formen,  Stellungen  etc.  zu 
verstehen.  Er  stand  den  Kunstwerken  gerade  so  gegenüber,  wie  ein 
Philolog  ohne  Kenntniss  der  Sprache,  selbst  der  ersten  Elemente  ihrer 
Grammatik,  einem  Schriftsteller  gegenübersteht.  Diese  beiden  Umstände 
lassen  es  begreiflich  erscheinen,  dass  der  Irrthum  in  Gerhard's  Schriften 
nicht  etwas  Vereinzeltes,  sondern  etwas  Perpetuirliches,  Habituelles  ist, 
was  seine  Schriften  von  Anfang  bis  zu  Ende  durchzieht.  In  dem  Text 
zu  den  Spiegeln  ist  dies  in  dem  Grade  der  Fall,  dass  nur  sehr  wenige 
Erklärungen  darin  stehen  mögen,  die  nicht,  sei  es  im  Ganzen  oder  im 
Detail,  Irrthümer  enthielten  Es  ist  daher  Pflicht,  alle  noch  Lernenden 
und  Unselbständigen  vor  Gerhard's  Erklärnngen  zu  warnen. 

Ich  kann  übrigens  auch  nicht  einmal  die  Sammlung  der  Spiegel 
als  ein  Verdienst  um  die  Wissenschaft  ansehen,  glaube  vielmehr,  dass 
eine  mit  Sachkunde  gemachte  Auswahl  viel  nützlicher  gewesen  wäre. 
So  wenig  es  Jemandem  einfallen  wird,  alle  Vasen  oder  auch  nur  ein- 
zelne Classen  derselben  vollständig  herauszugeben,  ebensowenig  sollte 
man  alle  die  Dutzende  nichtsnutziger  Repliken,  die  sich  unter  den  etrus- 
cischen Spiegeln  finden,  vollständig  reproduciren.  Aber  die  Bewunde- 
rung unserer  Zeit  über  „Vollständigkeit  des  Materials",  auch  dann, 
wenn  diese  Vollständigkeit  nicht  den  geringsten  Nutzen  hat,  und  die 
Gleichgültigkeit  gegen  alle  höheren  Aufgaben  der  Wissenschaft  geben 
solchen  Sammlungen  einen  Werth,  den  sie  nicht  haben  würden*,  wenn 
man  mehr  an  die  Zwecke  als  an  die  Mittel  der  Wissenschaft  dächte. 


Die  etruscischen  Spiegel.  27 

* 

Auf  dem  runden  Deckel  ist  etwas  unharmonisch  ein  vier- 
eckiges Kelief  von  gepresster  Arbeit  aufgelöthet,  in  welchem 
eine  badende  Frau  oder  Venus,  was  schwer  zu  entscheiden 
sein  dürfte,  dargestellt  ist  Denn  eine  gewisse  Aehnlichkeit 
der  Stellung  mit  der  bekannten  im  Bade  hockenden  Venus- 
statue (Bd.  I,  n.  449)  beweist  nichts.  Die  Figur  ist  gerade 
beschäftigt,  sich  einen  Eimer  Wasser  über  den  Kopf  zu  giessen, 
ein  zweites  beckenartiges  zum .  Waschen  bestimmtes  Gefäss 
steht  neben  ihr.  Hinter  der  Figur  ist  ein  grosses  Tuch  aus- 
gespannnt,  das  wesentlich  den  künstlerischen  Zweck  hat,  der 
nackten  Figur  zur  Folie  zu  dienen,  indess  doch  auch  nicht  ohne 
einen  materiellen  Grund  da  ist.  Wie  man  nämlichbei  uns  Wand- 
schirme hat,  um  einen  Kaum  abzusperren,  so  spannten  die 
Alten  in  ihren  Häusern  zu  ähnlichem  Zweck  Tücher  zwischen 
Säulen  aus,  und  daher  dient  in  der  Kunst  ein  ausgespanntes 
Tuch  oft  dazu,  einen  abgeschlossenen  Raum  anzudeuten,  ein 
Begriff,  der  hier  bei  der  Badescene  besonders  am  Platze  ist 
Beiläufig  sei  übrigens  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  viel 
schöner  die  alte  Weise  ist,  das  Tuch  nur  oben  und  nur  an 
den  Endpunkten  zu  befestigen,  während  wir  das  Tuch  oben 
und  unten  an  Stäben  und  zwar  so  befestigen,  dass  lauter  ver- 
tikale Parallelfalten  entstehen,  mithin  alle  Schönheit  des 
Faltenwurfs  verloren  geht 

Der  etruscische  Charakter  des  Reliefs  tritt  am  deutlich- 
sten in  den  wirklich  groben  Formen  des  Gesichts  hervor. 

Der  Deckel  ist  durch  einen  Griff  in  die  Höhe  zu  heben 
und  war  durch  ein  Charnier  mit  der  Spiegelplatte  verbunden^ 
an  deren  Rückseite  man  noch  an  den  Spuren  von  Löthung  die 
Stelle  bemerkt,  wo  das  Charnier  ansetzte.  Auf  der  Rückseite 
der  Spiegelplatte  ist  ein  Parisurtheil  vorgestellt,  von  der  Art^ 
wie  wir  es  im  Folgenden  genauer  kennen  lernen  werden.  Vgl. 
n.  123.  Es  wird  sich  dann  auch  zeigen,  dass  dieser  Klapp- 
spiegel der  letzten  Periode  der  Spiegel  angehört,  in  welcher 
üppige  und  weichliche  Gegenstände  besonders  beliebt  waren. 

Abg.  bei  Gerhard,  Etr.  Spiegel  III,  243,  1  und  262,  2. 

Etruscische  Spiegelstütze. 

13.  Venus  als  Spicgelstütze,  wenn  wir  nämlich,  was 
nicht  ganz  sicher  ist,  diese  Figur  auch  ohne  bestimmte  Attri- 
bute so  nennen  dürfen.  Die  Figur  ist  ganz  nackt,  aber  nach 
specifisch  etruscischer  Manier  hat  sie  ihre  Schuhe  und  ihr  mit 


28  I^ie  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

Bullen  besetztes  Halsband  nicht  abgelegt.  Sie  hält  den  Spiegel, 
von  dem  ein  Rest  erhalten  ist,  mit  beiden  Händen  über  dem 
Kopf. 

Die  Figur  ist  von  späterem  etruscischen  Styl,  übrigens 
verhältnissmässig  hübsch.    H.  7". 

Die  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

Während  gravirte  Spiegel  aus  Griechenland,  wie  wir 
sahen,  sehr  selten  sind,  ist  die  Zahl  der  etruscischen  sehr 
gross.  Schon  jetzt  mögen  über  tausend  vorhanden  sein.  Es 
ist  daher  möglich,  die  historische  Entwickelung  dieser  Gattung 
genauer  zu  verfolgen,  wozu  wir  uns  hier  um  so  mehr  ver- 
anlasst fühlen,  als  die  Spiegelsammlung  des  hiesigen  Museums 
sowohl  an  Zahl  wie  an  Werth  bedeutender  ist,  als  irgend  eine 
andere.  Wir  schicken  indess  einige  Bemerkungen  voraus,  die 
zur  Orientirung  über  diese  ganze  Classe  von  Alterthümem 
dienen  mögen. 

Was  zunächst  die  Form  betrifft,  so  sind  die  etruscischen 
Spiegel  entweder  kreisrund  oder  birnenförmig.  Doch  ist  die 
letztere  Form  nicht  eigentlich  etruscisch  zu  nennen,  weil  sie 
nur  in  Palestrina  vorkommt.  Die  älteren  Spiegel  sind  ge- 
wöhnlich ganz  platt,  später  erhält  die  Spiegelseite  eine  leise 
Convexität,  namentlich  bei  den  kleineren  Spiegeln.  Offenbar 
sollte  durch  die  Verkleinerung,  welche  die  Convexität  bewirkt, 
ein  möglichst  grosser  Theil  des  sich  spiegelnden  Gegenstandes 
auf  der  Fläche  des  Spiegels  aufgefangen  werden^)  und  zu- 
gleich schützte  man  dadurch  die  Zeichnung  der  Rückseite,  in- 
dem man  sie  hohl  legte.  Die  Spiegelfläche  ist  an  manchen 
Exemplaren  noch  so  blank  erhalten,  dass  sie  noch  jetzt  zu 
benutzen  wäre. 

Der  Griff  ist  entweder  von  Bronce  wie  das  Uebrige  und 
läuft,  wenn  er  nicht  durch  eine  Figur  gebildet  wird,  in  einen 
Thierkopf  aus,  wovon  oben  die  Rede  war,  oder  aber  er  war 
von  Knochen,  denn  wirklich  erhalten  sind  knöcherne  Griffe 
nur  in  ganz  einzelnen  Fällen.  Die  Zusammensetzung  von  Griff 
und  Spiegelrund  ist  in  letzterem  Fall  höchst  unorganisch  und 
unharmonisch,  wie  n.  166  zeigen  kann'^).    Dieser  Tadel  trifft 


1)  Wie  E.  Braun,  Aniiali  1840.  p.  150,  bemerkt. 

2)  Vgl.  Gerhard,  Etrusc.  Spiegel  I,  43  und  auch  die  angebliche 
Patere  bei  Connestablle  Pitture  murali  a  fresco  e  suppellettili  etrusche 


Die  gravirten  etruscischen  Spiegel.  29 

übrigens  nur  etruscische  Spiegel,  die  birnenförmigen  Spiegel 
von  Palestrina  haben,  wenn  ich  nicht  irre,  immer  Griffe  von 
Bronce. 

Die  Zeichnungen  der  etruscischen  Spiegel  sind  wie  die 
der  griechischen  Vasen  Producte  des  höheren  Handwerks  oder 
nach  unserer  Weise  zu  reden,  der  Kunstindustrie.  Das  etrus- 
cische Handwerk  aber  stand  wegen  der  geringeren  künst- 
lerischen Anlage  des  Volkes  entschieden  niedriger  als  das 
griechische,  und  es  ist  wichtig  zum  Verständniss  dieser  Gat- 
tung, dies  aus  den  Denkmälern  selbst  nachzuweisen. 

Man  sagt  gewöhnlich,  dass  es  unter  den  vielen  Tausenden 
griechischer  Vasen  nicht  zwei  völlig  übereinstimmende  gebe  ' 
und  führt  dies  als  Beweis  für  die  freie  Entwickelung  des 
griechischen  Handwerks  an,  wo  jeder  Arbeiter  von  seinem 
Eigenen  zusetzte.  Dieser  Satz  ist,  in  solcher  Schärfe  aus- 
gesprochen, allerdings  nicht  richtig,  er  ist,  wie  so  manche 
andere,  mehr  aus  dem,  was  an  Vasen  pubücirt  ist,  als  aus 
dem,  was  die  Museen  besitzen,  abstrahirt i),  allein  seinem 
wesentlichen  Inhalt  nach  besteht  er  doch  zu  Recht.  Es  wird 
immer  bewundernswerth  bleiben,  dass  in  einem  so  bedeutenden 
Industriezweige  sich  nicht  der  Schlendrian  mechanischer  Re- 
petition  einstellte,  sondern  dass  der  einzelne  Arbeiter  so  viel 
Lust  und  Freude  an  der  Arbeit  behielt,  um  innerhalb  der 
Schranken  des  gegebenen  Vorbildes  eigene  Erfindungen  an- 
zubringen. Vergleicht  man  eine  Reihe  nach  demselben  Vor- 
bild gearbeiteter  Vasenbilder,  so  erstaunt  man,  selbst  bei 
untergeordneten  Exemplaren,  über  die  Fülle  von  originellen 
und  gemüthlichen  Einfällen,  welche  die  einzelnen  Arbeiter  zum 
Vorbild  hinzufügten  und  erhält  einen  lebendigen  Begriff  von 
der  geistigen  Frische  und  Regsamkeit  des  griechischen  Hand- 
werks. Anders  ist  der  Eindruck,  den  die  grosse  Masse  der 
etruscischen  Spiegelzeichnungen  hervorruft,  freilich  mehr  die 
späteren  als  die  früheren.  Das  mechanische,  ja  gedankenlose 
Arbeiten,  und  besonders  das  Bestreben,  möglichst  schnell  fertig 
zu  werden,  macht  sich  nur  zu  oft  bemerkbar.  Daher  die  ver- 
hältnissmässig  grosse  Anzahl  von  genauen  Copien^)  und  die 


tav.  XIII,  1,  Archaeolog.  Anz.  1859,  52  ^;\ird  ein  Spiegel  mit  eiser- 
nem Griff  erwälint,  worüber  man  gern  etwas  Näheres  gehört  hätte. 

^)  Im  Museum  von  Girgenti  befinden  sich  z.  B.  zwei  nicht  schlecht 
gemahe  Lekythen,  die  genau  übereinstimmen. 

2)  Vgl.  Archaeol.  Ztg.  1865,  p.  18.  1862,  p.  312.  Anz.  1864, 
p.  288.  1859,  p.  51. 


30  ^iö  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

noch  viel  grössere  Zahl  von  fast  ganz  übereinstimmenden  Co- 
pien,  deren  Abweichungen  aber  nicht  durch  künstlerische  Ab- 
sichten, wie  bei  den  Griechen,  sondern  lediglich  durch  Zafall 
oder  Nachlässigkeit  veranlasst  sind.  Es  ist  höchst  langweilig, 
Keihen  etruscischer  Spiegel,  die  auf  dasselbe  Original  zurück- 
gehen, zu  vergleichen,  weil  man  nirgends  auf  Geist  stösst.  Der 
etruscische  Arbeiter  hatte  nicht  die  Lust  zur  Arbeit  wie  der 
griechische,  weil  ihm  die  schöpferische  Anlage  des  letzteren 
fehlte.  Er  hatte  daher  auch  nicht  den  Ehrgeiz  des  Griechen,  wo- 
für die  Thatsache  bezeichnend  ist,  dass  noch  auf  keinem  etrus- 
cischen Spiegel  eine  Künstlerinschrift  zum  Vorschein  gekommen 
ist^),  an  denen  die  griechischen  Vasen  so  reich  sind.  Aber 
noch  deutlicher  ergiebt  sich  dieser  niedrigere  Standpunkt  des 
etruscischen  Handwerks,  der  übrigens  einzelne  glänzende  Aus- 
nahmen nicht  ausschliesst,  aus  der  Betrachtung  der  Zeiclmun- 
gen  selbst. 

Die  Vorbilder  nämlich,  Avelche  diesen  Spiegelzeichnungen 
zu  Grunde  lagen,  waren  gewiss  nicht  immer  für  einen  dem 
Spiegelrund  analogen  Raum  componirt,  sondern  es  musste  oft 
eine  Uebertragung  aus  anderem  Format  heraus  stattfinden,  bei 
dem  sich  die  grössere  oder  geringere  Geschicklichkeit  des 
Zeichners  zeigen  konnte.  Vergleicht  man  nun  hier  griechische 
und  etruscische  Handwerker  unter  denselben  Bedingungen, 
jene  die  Innenbilder  der  Schaalen,  diese  die  Spiegel  ver- 
fertigend, so  stellt  sich  ein  grosser  Unterschied  heraus.  Bei 
den  ersteren  wird  man  selten  den  Eindruck  haben,  als  sei  in 
dem  Bilde  etwas  Gezwungenes,  etwas  nur  durch  Rücksicht  auf 
den  Raum  Veranlasstes,  Alles  ist  frei  und  natürlich,  Bild  und 
Raum  decken  sich  völlig.  Anders  dagegen  auf  den  etruscischen 
Spiegeln  und  etruscischen  Gemmen,  wo  sich  nur  auf  kleinerem 
Raum  dieselben  Schwierigkeiten  wiederholen  ^).  Den  Etruskern 
ist  die  Abfindung  mit  dem  Raum  nicht  so  leicht  geworden,  sie 
haben  zu  Verzerrungen  oder  Künstlichkeiten  oder  fremdartigen 
Zuthaten  ihre  Zuflucht  genommen,  um  nur  eine  ungefähre 
Uebereinstimmung  zwischen  Bild  und  Raum  herzustellen.  Viele 
wunderliche,  gezwungene  Stellungen,  auch  der  so  oft  vorkom- 
mende auffallende  Grössenunterschied  zwischen  den  einzelnen 


^)  In  Palestrina  ist  eine  lateinische  entdeckt  und  ausserdem  ist  eine 
griechische  bekannt,  bull.  d.  inst.  1867,  p.  67.  Arch.  Ztg.  1868,  p.  77. 
Oerhard,  Etr.  Sp.  III,  243  A. 

8)  Vgl.  Nuove  memorie  dell'  instit.,  p,  182. 


Die  gravirten  etruscischeu  Spiegel.  31 

Figuren  eines  Bildes  erklären  sich  nur  hierdurch,  vollends 
aber  die  vielen  Blumen  und  ähnliches  Beiwerk  haben  nicht 
etwa  materielle  Bedeutung  (was  eine  sorgfältige  Vergleichung 
bald  als  unrichtig*  erkennt),  sondern  dienen  nur  dazu,  den 
überschüssigen  Raum  zu  beleben  und  sind  daher  auch  je  nach 
Bedürfniss  oft  in  brutalster  Grösse  hineingesetzt.  In  der  Kind- 
heit und  im  Verfall  der  griechischen  Vasenmalerei  finden  wir 
ähnliche  rein  äusserliche  Zuthaten  auf  den  Bildern,  aber  sehr 
selten  dürften  Verzerrungen  und  unnatürliche  Stellungen  sein. 
Die  Vorbilder  der  etruscischeu  Spiegelzeichnungen  sind 
zum  grössten  Theil*  griechisch,  und  es  besteht  gerade  darin  die 
grösste  und  wichtigste  Aufgabe  des  Spiegelerklärers,  unter  der 
etruscischeu  Entstellung  das  griechische  Original  herauszufinden. 
Denn  da  die  Arbeiter,  wie  schon  bemerkt,  wenig  Lust  und  In- 
teresse an  der  Arbeit  hatten,  so  kam  es  ihnen  auf  eine  treue 
Wiedergabe  des  Originals  um  so  weniger  an,  als  sie  ilirem 
Publikum  gegenüber  gewiss  nicht  allzu  ängstlich  zu  sein 
brauchten.  So  lässt  denn  der  Eine  in  der  Darstellung  einer 
opfernden  Nike  das  Schwert  weg^)  und  der  Andere  vergisst 
in  einer-  Minervengeburt  gar  die  Hauptperson,  nämlich  die 
Minerva^  Will  man  ein  Beispiel,  wie  griechische  Lebendig- 
keit und  Gemüthlichkeit  in  etruscische  Kälte  und  Ausdrucks- 
losigkeit  umgesetzt  sind,  so  vergleiche  man  den  vor  Herkules 
ängstlich  ins  Fass  geflohenen  Eurystheus  der  altgriechischen 
Vasen  mit  derselben  Figur  auf  einem  etruscischeu  Spiegel^). 
Auch  hatten  die  etruscischeu  Arbeiter  offenbar  keine  genügende 
Kenntniss  der  griechischen  M}i;hologie  und  ihrer  Darstellungs- 
weise, wie  sich  besonders  in  der  vollständigen  "Vfillkür  zeigt, 
die  hinsichtlich  der  Beflügelung  der  Gottheiten  in  den  Spiegel- 
zeichnungen herrscht.  Doch  dürfen  wir  bei  all  diesen  Mängeln 
nicht  vergessen,  dass  namentlich  aus  älterer  Zeit  eine  nicht 
kleine  Anzahl  von  Spiegeln  vorhanden  ist,  welche  ihren  grie- 
chischen Vorbildern  sehr  nahe  kommen.  Der  Zeichner  des 
Semelespiegels,  welcher  mit  Recht  als  der  schönste  von  allen 
gilt,  war  unzweifelhaft  ein  Etrusker,  hat  aber  sein  griechisches 
Vorbild  wenigstens  in  einer  Figur  so  rein  copirt,  dass  man  den 
Spiegel  gewölinlich  einem  Griechen  zuschreibt. 


1)  Gerhard,  Etrusc.  Spiegel.  Taf.  251 A. 

3)  Gerhard,  Taf.  285,  1,  nach  dessen  Meinung  freilich  Minervens 
Geburt  auf  diesem  Spiegel  als  „bevorstehend  gedacht  ist*M 
8)  Gerhard,  Taf.  339. 


32  I^ic  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

Ueberhaupt  ist  Licht  und  Schatten  sehr  gemischt.  Neben 
den  flüchtigsten,  nichtsnutzigsten  Schmierereien  giebt  es  an- 
dererseits, zumal  aus  älterer  Zeit,  Zeichnungen  von  wahrhaft 
bewunderungswürdiger  Sorgfalt  und  Feinheit,  so  dass  auch  auf 
diesem  Gebiet  die  technische  Meisterschaft  der  Etrusker,  von 
welcher  oben  in  der  allgemeinen  Einleitung  die  Rede  war,  in 
schönster  Weise  hervortritt. 

Gefunden  werden  die  gravirten  Spiegel  in  Etrurien  an 
den  verschiedensten  Orten  und  in  Palestrina,  oft  innerhalb  der 
eisten,  von  denen  später  die  Rede  sein  wird.  Auch  in  der 
Mhe  von  Modena  ist  einmal  ein  gravirter^  Spiegel  gefunden, 
der  sich  durch  eine  höchst  alterthümliche  Verzierung  von  allen 
anderen  unterscheidet  ^),  endlich  einer  in  der  Schweiz,  auf  dem 
ein  Parisurtheil  von  der  gewöhnlichen  Weise  späterer  Zeit 
vorgestellt  ist.  Wir  können  unter  den  in  Etrurien  gefundenen 
Spiegeln  keine  Unterschiede  entdecken,  die  zu  einer  Scheidung 
nach  Fabriken  Veranlassung  geben  könnten,  zweifeln  aber 
nicht,  dass  es  dort  viele  Spiegelfabriken  gegeben  hat.  Nur  die 
Spiegel  aus  Palestrina,  die  zum  Theil  auch  rein  etruscischen 
Charakter  haben,  sind  doch  überwiegend  aus  einheimischer, 
von  der  etruscischen  erheblich  verschiedener  Fabrikation  her- 
vorgegangen. Schon  oben  ist  auf  Eigenthümlichkeiten  der 
Form  und  des  Griffes  an  diesen  Spiegeln  hingewiesen,  wir 
zweifeln  auch  nicht,  dass  ein  geübtes  Auge  an  der  Zeichnung 
einen  Spiegel  von  Palestrina  erkennen  könne,  wenn  es  auch 
noch  schwer  halten  mag,  die  Eigenthümlichkeit  derselben 
präcis  in  Worten  auszudrücken.  Vorläufig  mag  die  bloss  ne- 
gative Bemerkung  genügen,  dass  die  für  die  etruscische  Kunst 
so  charakteristischen  Verzerrungen  und  Karrikirungen  auf  den 
pränestinischen  Spiegeln  meines  Wissens  nicht  vorkommen. 
Wir  besitzen  in  diesen  Spiegeln  ein  Stück  lateinischer 
Kunst,  wie  die  vielen  lateinischen  Inschriften,  die  auf  den 

^)  Abg.  Annali  1842.  tav.  H.  mit  einer  Erklärung  von  Cavedoui, 
die  wirklich  an  Missdeutung  das  Möglichste  leistet.  Dargestellt  ist 
nämliclv  unter  anderen  Gruppen  auch  eine  Figura  Veneris,  nach  Cave- 
doni  aber  eine  Begräbnissscene ,  in  welcher  einem  Todten  auf  dem 
Leichenbett  von  einer  andern  Person  das  Haupt  verhüllt  werde.  Es 
kümmert  den  Erklärer  nicht,  dass  der  angebliche  Todte  seine  Beine  hoch 
in  die  Luft  wirft.  Das  hoch  Alterthümliche  dieses  Spiegels  liegt  ausser 
der  rohen  Zeichnung  vornehmlich  in  der  ringförmigen  Composition  und 
der  dadurch  bedingten  puppenhaften  Kleinheit  der  Figuren.  Es  ist  das- 
selbe Arrangement  wie  auf  den  ältesten  Vasen  und  auf  den  cyprischen 
und  caeretanischen  Metallschalen. 


Die  erste  Periode  der  etnisciBchen  Spiegel.'  33 

Spiegeln  und  Cisten  dieses  Fundortes  sich  finden,  unzweifel- 
haft machen.  Doch  scheint  die  Spiegelfahrikation  in  Palestrina 
erst  später  entstanden  zu  sein  als  in  Etrurien,  denn  ich  ent- 
sinne mich  nicht,  auf  einem  birnenförmigen  Spiegel  je  eine 
Zeichnung  alterthümlichen  Styls  gesehen  zu  haben.  Auch  die 
Form  dieser  Spiegel  ist  sichtlich  aus  dem  Bestreben  entstanden, 
eine  gefalligere  Vermittelung  zwischen  Griff  und  Spiegelrund 
zu  finden,  als  in  den  etruscischen  Spiegeln  vorhanden  war^). 

Wir  versuchen  nun  zunächst,  den  ganzen  Stoff  in  Perioden 
zu  zerlegen,  wobei  uns  die.,  griechischen  Vasen,  deren  Datirung 
möglich  ist,  von  grossem  Nutzen  sein  werden.  Die  etruscische 
Kunst  ist  von  der  griechischen  abhängig  und  diese  künst- 
lerische Abhängigkeit  ist,  wie  mit  Hecht  bemerkt,  gerade  zum 
guten  Theil  durch  die  Vasen  vermittelt.  Es  kommit  ddher,  um 
feste  Daten  für  die  Spiegelzcichnungen  zu  gewinnen,  nur  da- 
rauf an,  die  verwandte  Vasengattung  zu  finden. 

Die  Vasen  reichen  höher  hinauf  als  die  Spiegel,  den 
ältesten  Vasen  kommt  unter  den  erhaltenen  Spiegelzeichnun- 
gen keine  gleich,  es  scheint,  dass  die  Sitte,  dea  Spiegel  zu 
graviren,  verhältnissmässig  spät  aufkam,  wie  es  denn  in  der 
That  einen  gewissen  Luxus  voraussetzt,  dem  Spiegel  zur 
Unterhaltung  bei  der  Toilette  ein  Bild  beizugeben.  Dürfen 
wir  nach  unserem  Vorrath  von  Spiegeln  urtheilen,  so  ist  der  Ge- 
brauch gravirter  Spiegel  schwerlich  lange  vor  Ol.  30  aufgekom- 
men, denn  fast  alle  erhaltenen  Spiegel  stehen  bereits  unter 
dem  Einfluss  der  griechischen  Kunst,  der  etwa  Ol.  30  begann. 
Aber  ganz  vereinzelt  giebt  es  allerdings  Spiegel,  die  in  eine 
dem  griechisclien  Einfluss  vorausliegende  Zeit  hineinri^lfthen 
oder  wenigstens  Spuren  jener  Zeit  zeigen,  als  die  etruscische 
Kunst  noch  unter  äg}7)tiscliem  und  orientalischem  Einfluss 
stand.  Dies  gilt  namentlicli  von  dem  an  erster  Stelle  auf- 
geführten Spiegel. 

Die  etruscischen  Spiegel. 

Erste  Periode. 

14.  Geflügelte  Figur,  Spiegel  aus  Präneste,  1860  in 
Rom  durch  Prof.  Brunn  gekauft.  3440. 


^)  Damit  die  Eigenthümlichkeilen  der  pränestinischen  Spiegel  besser 
ins  Auge  fallen,  ist  in  einem  besondern  Fach  eine  grössere  Anzahl  der- 
selben zusammengelegt  worden, 

Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  3 


34  Die  erste  Periode  der  etruscischen  Spiegel. 

Die  Bedeutung  dieser  Figur  dürfte  schwer  festzustellen 
sein,  da  sie  offenbar  aus  einer  grösseren  Composition  einzeln 
herausgenommen  ist,  jedenfalls  gehört  sie  in  das  Gebiet  der 
dämonischen  und  phantastischen  Wesen,  an  denen  die  älteste 
Kunst  reich  ist.  Die  Befltigelung  mit  vier  Flügeln  ist  orienta- 
lischen Vorbildern  entlehnt,  sie  verschwindet  später  in  grie- 
chischer wie  etruscischer  Kunst.  Die  Stellung  der  Figur  ist 
ganz  typisch  für  den  Ausdruck  des  Forteilens  und  findet  sich 
an  den  verschiedensten  Figuren  der  ältesten  Kunst 

Auch  die  Verzierung  des  Grundes,  auf  dem  die  Figur 
steht  und  die  Umrahmung  sind  durchaus  alterthümlich.  Später 
verziert  man  die  Spiegel  mit  einer  geflochtenen  Schnur  und 
häufiger  mit  einem  Kranz,  was  gewiss  das  [natürlichste  oma- 
mentale Motiv  ist. 

Abg.  Gerhard  IV.  Taf.  328,  2,  wo  die  Figur  p.  66  als  Agoii  er- 
klärt wird,  „der  auf  Siegesflügeln  herbeigeeilt,  nach  einem  von  ihm 
begünstigten  Jüngling  sich  umsehe."  Ein  ähnlicher  Spiegel  bull.  66,  229. 

Wir  'schliessen  den  folgenden  Spiegel  hier  an,  weil  er, 
obwohl  bereits  unter  griechischem  Einfluss  entstanden,  doch 
auch  noch  eine  orientalische  Reminiscenz  hat. 

15.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben. 

Auch  auf  diesem  Spiegel  finden  wir  noch  die  vier  orien- 
talischen Flügel,  ausserdem  ist  Eos  auch  an  den  Füssen  ge- 
flügelt, was  ungewöhnlich  ist,  aber  in  der  etruscischen  Kunst, 
deren  Ausdrucksweise  zumal  in  handwerksmässiger  Thätigkeit 
schwankend  ist,  nicht  auffallen  darf.  Im  Styl  entspricht  die 
Zeichnung  durchaus  den  Vasen  mit  schwarzen  Figuren. 

Abg.  Gerhard  IV,  363.  Im  Text  p.  115  heisst  es,  Kephalos  sei 
halb  bewusstlos  gedacht,  indem  als  Absicht  aufgefasst  wird,  was  viel- 
mehr Unbeholfenheit  des  Könnens  ist.  Und  die  Delphine  im  Abschnitt 
sollen  zur  Andeutung  des  auch  über  die  Meeresfläche  sicher  forteilenden 
Fluges  der  Göttin  dienen.  Aber  sie  sind  ein  ganz  conventioneil  ge- 
wordenes Mittel  der  Raumfüllung,  das  in  den  verschiedensten  Situationen 
vorkommt  und  gewiss  nur  durch  die  so  häufige  ornamentale  Wellen- 
linie ins  Leben  gerufen  ist. 

Auch  der  folgende  Spiegel  wird  am  passendsten  hier  seine 
Stelle  finden. 

16.  Sirene,  Spiegel  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben. 


Die  zweite  Periode  der  etruscischen  Spiegel.  35 

Ob  wir  diese  Figur  Sirene  oder  Harpyie  nennen  sollen, 
ist  hier  wie  in  andern  Fällen  schwer  zu  sagen,  weil  die  cha- 
rakterisirende  Handlung  fehlt.  Die  Figur  hat  nach  ältester 
Weise  vier  Flügel.  Der  Schnörkel  auf  ihrem  Kopf  scheint  nur 
eine  Ranke  zu  sein,  dergleichen  oft  zur  RaumausfüUung  vor- 
kommt. 

Zweite  Periode. 

Reicher  vertreten  ist  der  folgende  Styl,  den  wir  als 
alterthümlichen  Styl  bezeichnen  wollen.  Die  Spiegel  dieser 
Periode  entsprechen  genau  den  ältesten  rothfigurigen  Yasen.. 
Und  zwar  nicht  bloss  im  Allgemeinen  in  der  Strenge  des 
Styls,  sondern  in  einem  ganz  besonders  significanten  Punkt. 
Auf  jenen  Vasen  ist  nämlich  bei  bekleideten  Figuren  der 
Contour  des  Nackten  auch  unter  dem  Gewände  angegeben  und 
eben  dasselbe  Verfahren  ist  an  den  dieser  Periode  angehörigen 
Spiegeln  beobachtet.  Die  Vasen  geben  damit  nur  eine  Neuerung 
des  grossen  Künstlers  Polygnot  wieder,  der  zuerst  mulieres 
tralucida  veste  pinxit  ^),  sie  sind  also  nach  Polygnot  zu  setzen, 
aber  doch  noch  vor  den  Anfang  der  80er  Olympiaden,  weil  in 
dem  Alphabet  ihrer  Inschriften  noch  das  altattische,  aus  drei 
Strichen  gebildete  Sigma  vorkommt,  das  später  verschwindet. 
Dieselbe  Zeitbestimmung  gilt  für  die  von  ihnen  abhängigen 
etruscischen  Spiegel,  denn  es  ist  unwahrscheinlich,  dass  bei 
dem  lebhaften  Verkehr  zwischen  Griechenland  und  Etrurien 
die  künstlerischen  Fortschritte  der  Griechen  nicht  möglichst 
schnell  bei  den  Etruskern  Eingang  gefunden  haben  sollten. 

Unter  den  Spiegeln  dieser  Zeit  finden  sich  bereits  mehrere, 
auf  denen  Liebesscenen  oder  Aehnliches  dargestellt  ist.  Dies 
ist  in  der  Folge  der  beliebteste  Gegenstand  und  allerdings  lag 
es  nahe,  ein  Putzgeräth,  zumal  unter  üppigem  Volk  in  dieser 
Weise  zu  verzieren.  Doch  sind  die  Liebesscenen  in  dieser 
alten  Zeit  noch  keusch  und  züchtig  gehalten. 

Was  die  Composition  betrifft,  so  haben  diese  Spiegel,  ganz 
wie  die  Innenbilder  der  bemalten  Schaalen,  höchstens  drei  Fi- 
guren, die  durchgehends  ins  Profil  gestellt  sind,  während, 
später  eine  ganz  andere  Compositionsweise  eintritt.  Man  hat 
in  der  älteren  Zeit  mehr  Gefühl  für  das,  was  decorativer  Styl 
heisst  und  eben  darum  wird  auf  den  Vasen  und  Spiegeln  dieser 


^)  Vgl.  Brunn,  Gesell,  d.  griecli.  Kun&tl.  II,  p.  29. 


36  I^iß  zweite  Periode  der  etruscischen  Spiegel. 

Zeit  die  Profilstellung  vorgezogen,  während  die  Figuren  in 
späterer  Zeit  oft  en  face  gestellt  werden  und  dadurch  freier 
und  gleichsam  losgelöst  vom  Hintergrund  erscheinen. 

Unter  den  Spiegeln  dieser  Periode  finden  sich  nicht  wenige^ 
die  wie  Copien  altgriechischer  Zeichnungen  aussehen.  Der  unter 
n.  24  aufgeführte  Spiegel  mit  der  Darstellung  einer  Bacchan- 
tin könnte  als  ein  altgriechisches  Vasenbild  angesehen  werden 
und  es  dürfte  schwierig  sein,  irgend  etwas  specifisch  Etrus- 
cisches  darin  aufzufinden.  Andererseits  giebt  es  Spiegel- 
zeichnungen von  ganz  specifisch  etruscischem  Charakter,  wovon 
der  unter  n.  17  lÄher  besprochene  Spiegel  vielleicht  das 
schönste  Beispiel  giebt.  Eine  grosse  Härte  und  Eckigkeit  in 
Formen  und  Bewegungen  ist  das  allgemeine  Kennzeichen  dieses 
Styls,  wozu  dann  manches  Einzelne,  z.  B.  eine  gewisse  Schädel- 
form, die  der  ägyptischen  unleugbar  ähnlich  ist,  hinzukommt. 
Und  wie  die  Form,  so  ist  auch  der  Inhalt  der  Darstellungen 
in  dieser  Spiegelciasse  specifisch  national.  Nicht  griechische 
Mythen  nämlich  sind  dargestellt,  sondern  Gegenstände  aus 
dem  etruscischen  Privatleben,  namentlicli  Tänzerinnen.  Doch 
stehen  diese  eigentlich  etruscischen  Spiegel  den  mehr  gräci- 
sirenden  in  der  Ausführung  nicht  nach,  sondern  übertreffen 
sie  zum  Theil.  Der  oben  erwähnte  Spiegel  erinnert  in  der 
Feinheit  und  Sauberkeit  seiner  Technik  an  die  schönsten  etrus- 
cischen Skarabäen. 

Wir  führen  nun  zunächst  diejenigen  Spiegel  unserer 
Sammlung  auf,  welche  dieser  Periode,  also  dem  fünften  Jahr- 
hundert angehören  und  schicken  dabei  die  specifisch  etruscischen 
den  mehr  gräcisirenden  voraus.  Natürlich  giebt  es  dabei  viele 
Mittelstufen,  über  deren  Zutheilung  zur  einen  oder  anderen 
Classe  man  schwanken  kann. 

a)  Die  specifisch  etruscischen  Spiegel  dieser  Periode. 

17.  Etruscische  Tänzerinnen,  schwerer  gegossener 
Spiegel,  wie  sie  gerade  im  älteren  Styl  sehr  gewöhnlich  sind. 
War  vergoldet.  Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben. 
3370. 

Die  Vorstellung  ist  von  strengstem  ornamentalen  Cha- 
rakter und  der  Künstler  hat  auf  die  Bedeutung  der  Figuren 
sichtlich  sehr  geringes  Gewicht  gelegt.  Doch  lässt  sich  be- 
haupten, dass  dieselben  dem  Leben  angehören  und  nach  ihren 
Geberden  als  Tänzerinnen  aufzufassen  sind.    Die  Figuren  so- 


Die  specifisch  etruscischen  Spiegel  dieser  Periode.  37 

wohl  wie  auch  alles  raumfüllende  Beiwerk,  Binden  und  Blumen 
sind  mit  strengster  Symmetrie  componirt  und  das  Ganze  ist 
mit  höchster  Eleganz  und  Sauberkeit  ausgeführt.  Nur  fehlte 
es  dem  Künstler,  der  das  Technische  so  wohl  verstand,  an  dem 
höheren  künstlerischen  Verständniss.  Die  äusseren  Beine  der 
Frauen  sind  ganz  verzeichnet  und  der  Mantel  musste  an 
beiden  Seiten  vom  Kopf  auf  die  Schultern  herabsinken.  Die 
Figuren  erinnern  mit  ihren  fein  verzierten  Gewändern  sehr  an 
gewisse  altetruscische  Wandgemälde  von  Tarquinii.  (Mus. 
Oreg.  I,  102). 

Abg.  Gerhard  I,  44,  der  die  Figuren  als  Lasen  (III,  p.  32)  erklärt, 
indem  er  Alles  missversteht. 

18.  Tänzerinnen,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel. 
Aus  Gerhardts  Besitz  1859  erworben.  3353. 

Zwei  Tänzerinnen  mit  Castagnetten  in  den  Händen,  genau 
einander  entsprechend,  umgeben  einen  Jüngling,  der  sich  mit 
einer  derselben  zu  schaffen  macht.  Die  Zwischenräume  der 
Figuren  sind  mit  Reben  und  Blumen  ausgefüllt  Der  Jtlngling 
in  der  Mitte  hat  eine  in  der  altetruscischen  Kunst  häufiger 
vorkommende,  der  ägyptischen  ähnliche  Schädelform,  die  ver- 
muthlich  durch  den  Einfluss  ägyptischer  Werke  zu  erklären 
ist.  Auch  hier  ist  die  Verwandtschaft  mit  den  oben  erwähn- 
ten Tarquiniensischen  Wandgemälden  auffallend. 

Im  Abschnitt  Delphine. 

Abg.   Gerhard  I,  [98,   der  das  Bild  als  „bacchische  Einweihung" 
deutet.    III,  p.  100. 

19.  Flötenspieler  mit  Tänzerinnen,  gegossener  und 
vergoldeter  Spiegel,  aus  Gerhardts  Besitz  1859  erworben.  3354. 

Das  Bild  ist  dem  vorigen  sehr  ähnlich  und  rührt  ver- 
muthlich  von  derselben  Hand  oder  wenigstens  Fabrik  her. 

Da  alle  Figuren  nach  derselben  Seite  gerichtet  sind,  so 
scheint  es,  als  ob  eine  Procession  dargestellt  sei.  Wahrschein- 
licher aber  ist  dieser  Umstand  nur  eine  Folge  ungeschickter 
oder  alterthümlicher  Compositionsweise.  Die  Figuren  der 
Tänzerinnen  wiederholen  sich  auf  das  Genaueste. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  99,  der  hier   einen   „Einweihungszug"  sieht. 
ni,  p.  102. 

20.  Kitharspielerin  von  Jünglingen  bewundert, 
gegossener  Spiegel,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 


\ 


3^  Die  mehr  griechischen  Spieg^el  dieser  Periode. 

Sehr  ähnliche  Darstellung.  Die  Figuren  sind  auch  hier 
durch  Bäume  oder  Sträucher  von  einander  getrennt,  ganz  wie 
auf  den  erwähnten  "Wandgemälden  von  Tarquinii. 

21.  Bacchische  Scene,  aus  Gerhardts  Besitz  1859  er- 
worben.   3290. 

Dieser  Spiegel  enthielt  vier  Figuren,  von  denen  aber  nur 
zwei  noch  deutlich  sind,  nämlich  ein  Satyr  mit  Pferdehuf en^ 
dergleichen  "Wesen  auch  in  griechischer  Kunst  vorkommen,  und 
eine  tanzende  Bacchantin.  Die  letztere  erinnert  durch  ihre 
eckigen  Bewegungen,  durch  die  Verzierung  des  Gewandes  und 
durch  die  Form  ihres  Schädels  sehr  an  die  tarquiniensischen 
"Wandgemälde. 

Abg^.  Gerhard,  Taf.  92,  5,  der  die  Zeichnung-  als  „Pan  unter  Ein- 
geweihten" erklärt.  Was  Gerhard's  Zeichnung  ausser  den  beiden  ge- 
nannten Figuren  angiebt,  ist  ganz  unsicher. 

b)  Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

22.  Apoll  und  Artemis.  Gegossener  und  vergoldeter 
Spiegel  aus  Yulci,  1848  durch  Vermittelung  von  E.  Braun  an- 
gekauft.   2972. 

Die  Geschwister,  inschriftlich  als  Apulu  und  Artumes  be- 
zeichnet, sitzen  traulich  gruppirt  neben  einander  und  Artemis,, 
der  die  Musik  nicht  fremd  ist,  spielt  ihrem  Bruder  vor.  Hinter 
ihr  hängt  eine  Ciste  von  der  Art,  wie  wir  sie  als  Behälter  für 
Toilettengeräth  kennen,  zwischen  beiden  ein  Kranz.  Apollo 
trägt  ein  Armband,  das  nach  etruscischer  Sitte  nicht  bloss  von 
Frauen,  sondern  auch  von  Männern  getragen  wurde,  wie  aus 
vielen  Spiegelzeichnungen  ersichtlich  ist. 

Das  Bild  ist  mit  alterthümlicher  Zierlichkeit  gezeichnet 
und  könnte  fast  für  griechisch  gelten. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  293,  in  dessen  Text  E.  Braun's  (Annali  1855, 
p.  21)  Annahme  eines  Liebesverhältnisses  zwischen  Artemis  und  Apollo 
befolgt  wird.  Ich  gestehe,  dass  sie  mir  mehr  als  willkürlich  scheint, 
da  das  Armband,  das  Braun  wunderlicher  Weise  als  simbolo  nuziale 
deutet,  doch  offenbar  nichts  Anderes  ist,  als  ein  simpler  Schmuck.  Vgl. 
wenn  nöthig  0.  Jahn,  Fikoron.  Cista,  p.  9.  Ebenso  hinfällig  ist  die 
Annahme  für  einen  andern  Spiegel  (Gerhard,  Taf.  294),  wo  Artemis 
ganz  nackt  erscheint,  was  aber  nur  aus  der  für  die  etruscischen  Spiegel 
so  charakteristischen  Vorliebe  für  nackte  Frauen  zu  erklären  ist. 

23.  Bacchus  und  Ariadne.  Gegossener  und  vergoldeter 
Spiegel  aus  Viterbo.    Sammlung  Dorow  572. 


üb 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  39 

Die  Figur  zur  Rechten  ist  durch  den  Thyrsusstab  als 
Bacchantin  charakterisirt,  die  zur  Linken  kann  nur  Bacchus 
sein.  Sie  hat  wie  jene  einen  Epheukranz  und  mit  Epheu- 
blättern  verzierte  Gewandsäume.  Auch  führt  das  Attribut  der 
Schaale  zunächst  auf  Bacchus.  Die  Figuren  sind  in  lebhafter 
Bewegung,  die  aber  zum  Theil  nur  durch  Rücksicht  auf  den 
auszufüllenden  Raum  veranlasst  zu  sein  scheint.  So  viel  geht 
übrigens  aus  der  Handbewegung  des  Bacchus  hervor,  dass  es 
sich  um  eine  Liebesscene  handelt. 

Die  Zeichnung  ist  im  Geschmack  der  oben  erwähnten 
tarquiniensischen  Wandgemälde  gehalten,  wo  man  ebenfalls  die 
eigenthümlich  eckigen  Bewegungen,  wie  in  der  Haltung  des 
rechten  Armes  des  Bacchus  und  die  reichen  Verzierungen  der 
Gewänder  und  Gewandsäume  findet. 

Eigenthümlich  ist  das  Beiwerk.  Zwar  die  Fische  sind 
unzweifelhaft  nur  zur  Raumausfüllung  da,  in  welchem  Sinne  sie 
oft  im  Abschnitt  und  im  Rund  des  Spiegels  selbst  vorkommen^), 
auch  der  Zweig  zwischen  den  Köpfen  hat  gewiss  nur  dieselbe 
Bedeutung,  aber  die  beiden  sich  umringclnden  Schlangen  könn- 
ten doch  irgend  eine  symbolische  Beziehung  ausdrücken  sollen, 
die  wir  indess  nicht  anzugeben  vermögen.  Vielleicht  sind  es 
die  Schlangen,  die  in  bacchischen  Scencn  oft  erwähnt  und  dar- 
gestellt werden,  wie  z.  B.  Bacchantinnen  mit  schlangenum- 
ringelten  Händen  vorkommen. 

Die  Technik  ist  derb. 

Abg.  Gerhard  I,  89,  der  (III,  p.  93)  das  ßild  nach  Panofka's  Vor- 
gang auf  Apoll  und  Thyia  bezieht.  Es  wird  nämlich  das  für  Bacchus 
Charakteristische  an  der  Figur  zur  Linken  übersehen  und  aus  dem 
bloss  raumfüllenden  Lorbeerzweig  auf  Apollo  geschlossen.  Die  an- 
genommene Darstellung  ist  zudem  in  der  bildenden  Kunst  ganz  unbe- 
kannt, während  unsere  Deutung  das  Bild  auf  eine  auch  im  Gebiet  der 
Spiegel  gewöhnliche  Scene  bezieht.  Was  übrigens  die  in  der  Arch. 
Ztg.  1853,  p.  359  erwähnten  Inschriften  betrifft,  so  ist  die  der  angeb- 
lichen Thyia  ganz  erfunden,  die  andere,  die  Aplun  lauten  soll,  mehr 
als  verdächtig.  Erstens  wegen  der  Kleinheit  der  Buchstaben,  dann 
wegen  der  Fehler  im  T  und  N  und  auch  das  A  ist  nichts  weniger 
als  regelrecht.  Endlich  sieht  man  noch  in  den  Vertiefungen  der  beiden 
letzten  Buchstaben  den  Metallglanz,  sie  sind  daher  ganz  neu  oder 
wenigstens  nachgekratzt.  —  Die  Schaale  des  Bacchus  entspricht  ganz 
den  in  Terrakotta  erhaltenen  Schaalen,  an  denen  der  buckeiförmig  sich 
erhebende  Mittelpunkt  von  concentrischen,  ovalen  Vertiefungen  umgeben 
ist,  die  man  hier  angedeutet  findet. 

1)  Welcker,  A.  D.  3,  541  erklärt  sie  auf  einem  Spiegel  symbolisch, 
aber  die  Vergleichung  einer  grösseren  Anzahl  von  Spiegeln  würde  ihn 
zu  anderer  Ansicht  gebracht  haben. 


40  ^i^  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

24.  Bacchantin,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel, 
der  noch  jetzt  zum  Spiegeln  benutzt  werden  könnte.  Aus 
Gerhardts  Besitz  1859  erworben.    334. 

Eine  lebendig  bewegte,  mit  einem  Pantherfell  bekleidete 
Bacchantin;  hinter  ihr  die  Schlange,  die  bei  den  bacchischen 
Feiern  eine  Rolle  spielte. 

Diese  Zeichnung  könnte  für  altgriechisch  gelten. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  96,  der  (III,  p.  101)  das  Motiv  missversteht, 
indem  er  meint,  die  ßaccliantin  flielie  vor  der  Schlange. 

25.  Bacchantin  zwischen  Silenen,  gegossener  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.    3353. 

Eine  Bacchantin,  mit  einem  Thyrsus  in  der  Hand,  umfasst 
einen  Silen,  der  Trinkhorn  und  Schlauch  hält.  Daneben  ein 
zweiter  Silen,  der  sich  höchlich  über  die  Vertraulichkeit  des 
Paares  verwundert. 

Das  Bild  hat  etwas  etruscisch  Unerfreuliches,  etwas 
Carikirtes.  An  den  Figuren  der  Silene  ist  auch  schon  zu  viel 
Detail  ausgedrückt. 

.  Die  Delphine  im  Abschnitt  ganz  wie  oben. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  102,  in  dessen  Erklärung  (III,  p.  104)  aber 
die  Motive  missverstanden  sind.  Der  Lorbeerkranz  auf  dem  Kopfe  des 
einen  Silen  soll  nach  Gerhard  die  „geläuterte  Weihe**  desselben  be- 
zeichnen. 

26.  Silensmaske,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3357. 

Die  Neigung  der  Etrusker  zur  Carikirung  und  Ueber- 
treibung  ist  in  diesem  Kopf  wieder  sehr  merklich.  Die  langen, 
abstehenden  Ohren  wird  man  in  griechischer  Kunst  vergebens 
suchen.  Der  Kopf  ist  wie  ein  zauberabwehrendes  Symbol  nach 
Art  eines  Medusenkopfes  auf  dem  Spiegel  angebracht. 

Abg.  Gerhard  I,  71,  6. 

27.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben,  3323. 

Die  Deutung  dieses  Bildes  ist  nicht  ganz  sicher,  weil  das 
zu  Grunde  Hegende  griechische  Vorbild  Yeränderungen  er- 
fahren zu  haben  scheint,  die  das  Verständniss  desselben  trüben. 
Man  wird  allerdings  an  die  griechischen  Darstellungen  von  der 
Verfolgung  des  Kephalos  durch  die  Eos  erinnert,  versteht  aber 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser. Periode.  4], 

nicht,  wie  Kephalos,  der  ein  Jäger  war,  zu  den  Geräthen 
kommt,  die  der  Knabe  trägt.  Es  ist  nämlich  eine  Ciste,  wie 
sie  zur  Aufbewahrung  von  Toilettengeräth  diente,  und  ein  an 
beiden  Seiten  spitzer  Stecken,  dessen  Bestimmung  uns  freilich 
unklar  ist.  Man  könnte  daher  auch  an  die  auf  Vasen  nicht 
seltenen  Darstellungen  denken,  wo  Nike  einen  Jüngling  verfolgt, 
nur  dass  man  auch  dann  Kranz  oder  Binde  in  den  Händen 
der  Göttin  erwartet. 

Im  Allgemeinen  steht  die  Zeichnung  den  griechischen 
VorbiWem  nahe,  aber  die  Haltung  des  linken  Beins  der  Eos 
ist  wieder  eine  etruscische  Härte  und  Gewaltsamkeit. 

Eigenthümlicli  unktinstlerisch  ist  auch  das  Ornament. 
Eine  noch  dazu  phantastisch  behandelte  Palmette,  die  in  der 
griechischen  Ornamentik  für  bestimmte  Zwecke,  namentlich 
als  Bekrönung  verwendet  wird,  ist  hier  als  ein  roh  abge- 
schnittenes Glied  einfach  in  den  Raum  zur  Belebung  desselben 
hineingesetzt  Und  der  Epheukranz,  der  das  Ganze  einfasst, 
entwickelt  sich  auf  höchst  unorganische  und  unverständliche 
Weise  aus  dem  ebenfalls  palmettenartig  gestalteten  Ornament 
am  Griff.  Die  unorganische  Entwicklung  des  Kranzes  aus 
dem  Griffornament  ist  überhaupt  ein  Fehler  sehr  vieler  etrus- 
cischer  Spiegel.  Man  sieht  hier  und  in  vielen  ähnlichen 
Fällen  deutlich,  dass  die  etruscischcn  Künstler  nicht  etwa 
fertige  griechische  Spiegel  vorfanden,  die  sie  nur  zu  copifen 
brauchten,  sondern  dass  sie  nur  die  einzelnen  Elemente  ihrer 
Darstellung  aus  der  griechischen  Kunst  nahmen,  deren  Ver- 
bindung und  Zurichtung  für  den  Zweck  der  Spiegelzeichnung 
ihnen  überlassen  blieb. 

Abg.  Gerhard  II,  179. 

28.  Eos  und  Memnon,  in  Vulci  gefunden.  Aus  Ger- 
hardts Besitz  1859  erworben,    n.  3360. 

Die  Göttin  schreitet  langsam  mit  dem  .Leichnam  des 
Sohnes  dahin.  Der  Schleier,  der  sie  umhüllt,  ist  für  den  Aus- 
druck der  Trauer  angemessen. 

Die  Composition  hat  etwas  unschön  Rechtwinkliges. 
Schon  auf  alterthümlichen  griechischen  Vasen  ist  der  Gegen- 
stand viel  natürlicher  componirt. 

Das  Käuzlein  dient  wohl  nur  zur  Raumausfüllung. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  361,  der  den  von  ihm  für  verschwunden 
gehaltenen  Spiegel  wunderlicher  Weise  auf  Eos  und  Kephalos,  „der 
ohnmächtig  von  dannen  gebracht  wird"  erklärt. 


42  Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

29.  Herkules  und  Antaeus,  vulcentischer  Spiegel, 
1863  durch  .Vermittlung  von  Prof.  Brunn  erworben,  3496. 

Dieses  Bild  kann  trotz  einer  räthselhaften  Inschrift  wohl 
nicht  anders  als  auf  Herkules  und  Antaeus  gedeutet  werden. 
Denn  sichtlich  ist  Herkules  bemüht,  den  Antaeus,  der  mit  dem 
rechten  Fuss  am  Boden  zu  haften  strebt,  während  er  den  linken 
vor  Schmerz  bereits  erhoben  hat,  vollends  in  die  Höhe  zu 
heben.  Die  Arme  des  Antaeus  haben  allen  Widerstand  be- 
reits aufgegeben,  der  rechte  ist  mit  einer  Trauergeberde  gegen 
den  Kopf  erhoben.  Neben  der  Gruppe  steht  in  Stellung  und 
Gewandung  an  die  berühmte  Pallas  Albani  erinnernd,  die 
Schutzgöttin  des  Herkules,  durch  die  erhobene  Hand  ihren 
Schützling,  wie  es  scheint,  anfeuernd. 

Die  Jugendlichkeit  des  Herkules  ist  nicht  auffallend,  er 
erscheint  auf  den  etruscischen  Spiegeln  fast  immer  so,  eher 
aber  könnte  Antaeus  zu  knabenhaft  erscheinen.  Aber  die  Vor- 
liebe für  bartlose  Gesichter  ist  für  die  etruscischen  Gemmen 
wie  für  die  Spiegel  in  gleicher  Weise  charakteristisch.  Dort 
finden  wir  selbst  einen  unbärtigen  Poseidon,  hier  ist  ein  bart- 
loser Zeus  wenigstens  durchaus  nicht  ungewöhnlich  und  Merkur 
wie  Bacchus  sind  fast  nur  als  Jünglinge  bekannt. 

Wie  die  Inschrift  des  Antaeus  Epiur  zu  verstehen  sei, 
wissen  wir  nicht.  Auf  einem  anderen  Spiegel  trägt  ein  Eros 
die  Beischrift  Epeur,  und  durch  diese  Uebereinstimmung  wird 
der  Sinn  derselben  noch  räthselhafter.  Auch  Herkules  hat 
seine  Beischrift  Hercle. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  335,  2,   der  sich  p.  79   in   allerhand  unbe- 
weisbaren Vermuthungen  ergeht.     Vgl.  Brunn  bullet.  1862  p.  110. 

30.  Achill  und  Penthesilea,  volcentischer  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben,  3296. 

Achill  hat  Penthesilea  ergriffen,  um  ihr  den  Todesstoss 
zu  geben,  während  sie  bittend  die  Rechte  gegen  ihn  ausstreckt. 
Die  Inschriften  sind  wie  auf  den  älteren  griechischen  Vasen 
so  angeordnet,  dass  sie  alle  Zwischenräume  der  Figuren  aus- 
füllen. Man  liest  Achle  und  Penta(s)ila,  indem  das  fehlende  s 
für  die  an  seiner  Stelle  befindliche  Beschädigung  vorauszu- 
setzen ist. 

Dieser  Spiegel  steht  griechischen  Vasenbildern  von  der 
Art  der  Sosiasschaale  sehr  nahe.  Die  Ausführlichkeit  im 
Detail  findet  sich  hier  wie  dort.  Aber  daneben  fehlt  auch  das 
eigenthümlich  Etruscische  nicht,  und  es  liegt  besonders  in  der 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  45 

gezwungenen  Stellung   der  beiden  Figuren,    die  freilich  bei 
nicht  wenigen  Spiegeln  wiederkehrt. 

Die  beiden  Figuren  entsprechen  sich,  wie  es  oft  auf  den 
Spiegeln  der  Fall  ist,  fast  ganz  genau.  Nur  das  längere  Haar 
und  das  Halsband  unterscheidet  das  Weib. 

Abg.  Gerhard  II,  233. 

31.  Orest  und  Klytämnestra,  aus  der  Sammlung  Ger- 
hardts 1859  erworben,  3371. 

Orest  (Urusthe)  hat  die  Klytämnestra  (Clutumita)  ergriffen, 
um  ihr  den  Todesstoss  zu  versetzen.  Jene  hält  ihm  die  ent- 
blösste  Brust  entgegen,  wie  Aeschylus  gedichtet  hatte,  dass 
die  Mutter  dem  Mörder  die  Brust  gezeigt  habe,  die  ihn  ge- 
nährt. Die  Zwischenräume  der  Figuren  sind  durch  Blumen 
ausgefüllt.  Am  Griff  ist  eine  geflügelte  und  strahlenbekränzte 
Figur,  die  wir  nicht  näher  bestimmen  können. 

In  der  Stellung  und  Gewandung  der  Klytämnestra  ver- 
misst  man  das  richtige  Verständniss.  Die  gesträubten  Haare 
derselben  sind  für  die  Uebertreibung  der  etruscischen  Kunst 
charakteristisch. 

Abg.  Gerhard  II,  237.  Stephani  Nimbus  und  Strahlenkranz  p.  69 
nennt  die  geflügelte  Figur  am  Griff  eine  Erinys,  „weil  die  an  den 
Griffen  der  Spiegel  angebrachten  Figuren  fast  immer  in  dem  engsten 
Zusammenhang  mit  der  Hauptdarstellung  stehen".  Diese  Behauptung 
ist  »schwer  zu  beweisen,  weil  wir  in  so  vielen  Fällen  die  Figuren  an 
den  Griffen  gar  nicht  benennen  können,  und  schwer  zu  glauben,  wenn 
man  sich  nach  den  Producteu  ein  Bild  der  Producenten  zu  machen 
versucht.  Es  scheint  mir  daher  mehr  als  gewagt,  eine  Figur,  deren 
äussere  Charakteristik  auf  ganz  andere  Gebiete  hindeutet,  Erinys  zu 
nennen  und  zwar  mit  einer  Sicherheit,  die  nicht  „den  geringsten  Zweifel 
obwalten"  lässt. 

32.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben,  3329. 

Auf  diesem  sorgfältigen  Spiegel  sind  zwei  Figuren  ohne 
Handlung  einander  gegenübergestellt.  Die  zur  Linken  scheint 
männlich,  die  andere  möchten  wir  wegen  des  langen  Gewandes 
für  weiblich  halten.  Jener  hält  eine  Ranke  in  der  einen 
Hand,  diese  zieht  mit  der  Linken  ihr  Gewand  an,  ein  Gestus, 
der  auch  eher  für  eine  Frau  passt.  Wir  denken  bei  diesem 
Spiegel  an  die  auf  Vasen  nicht  seltenen  Scenen,  wo  Männer 
und  Frauen  sich  verbindlich  gegenüberstehen  und  sich  ein 
Blümchen  präsentiren  etc. 


44  I^ie  etruscischen  Spiegel. 

Kelches  Beiwerk  umgiebt  die  Scene.  Zwischen  den 
Figuren  steht  ein  Baum,  wie  es  scheint,  ein  Palmbaum,  an 
Wandgemälde  aus  Tarquinii  erinnernd,  wo  die  einzelnen  Figuren 
durch  Bäume  getrennt  sind.  Ausserdem  sind  mehrere  Pflanzen, 
ein  Sessel  und  eine  Kiste  zur  Belebung  des  Raumes  benutzt. 

Die  starke  Oxydation  des  Spiegels  hindert  über  alle 
Einzelheiten  ins  Klare  zu  kommen. 

34.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  angekauft.    3328. 

Zwei  Jünglinge  mit  einander  im  Gespräch,  der  eine  leb- 
liaft  gestikulirend.  Diese  Zeichnung  erinnert  sehr  an  alt- 
griechische Vasenbilder. 

33.  Astarte,  den  gefundenen  Stern  nach  Tyrus 
tragend.    Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  angekauft.    3313. 

Eine  geflügelte  Frau,  deren  Obertheil  zerstört  ist,  trägt 
mit  beiden  Händen  eine  mit  einem  Stern  verzierte  KugeL 
Diese  Vorstellung  entspricht  genau  einem  Münztypus,  welcher 
der  Stadt  Marium  auf  Cypern  beigelegt  (de  Luynes,  numis- 
matique  et  inscriptions  Cypriotes  p.  37)  und  auf  den  genannten 
phönicischen  Mythus  bezogen  wird.  Es  ist  jedenfalls  sehr 
interessant,  diesen  phönicischen  Typus  auf  einem  etruscischen 
Spiegel  wiederzufinden.  Doch  ist  dies  nicht  die  einzige  Be- 
rührung zwischen  phönicischer  und  etruscischer  Kunst. 

Neben  der  Figur  befinden  sich  raumfüllende  Ornamente, 
links  eine  Blume  mit  einem  Vogel  darauf,  zur  Rechten  eine 
unbestimmbare  Verzierung,  im  Abschnitt  zwei  sich  schnäbelnde 
Tauben. 

Abg.  Gerhard  I,  36,  2,  von  dessen  Phantasien  ich  nur  die  erwähne, 
dass  er  auf  der  Kugel  (III,  p.  18)  ein  „zum  Pentagramm  verschlungenes 
zwiefaches  Dreieck",  zu  sehen  und  als  ein  „Symbol  der  in  sich  ver- 
schränkten Weltordnung"  betrachten  zu  müssen  glaubt.  Der  fragliche 
Gegenstand  besteht  aber  aus  einer  Kreislinie,  an  welche  sich  Zacken 
anschliessen,  wird  also  als  Stern  bezeichnet  werden  müssen.  Auch  die 
„phrygische  Mütze"  der  Figur  ist  mehr  als  zweifelhaft. 

Dritte  Periode. 

Die  im  Vorstehenden  aufgeführten  Spiegel  gehören  dem 
alterthümlichen  Stil  an,  der  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  fünften 
Jahrhunderts  in  Griechenland  und  vermuthlich  auch  in  Etrurien 
herrschte.     Aus  der  nächstfolgenden  Periode,    als    man    in 


Die  etniscischen  Spiegel.  45 

grossartigem  Stil,  wenn  auch  noch  mit  einiger  Strenge  compo- 
nirte,  sind  mir  keine  Spiegel  bekannt^),  und  ich  gehe  daher 
zu  den  Spiegeln  des  vierten  Jahrhunderts  über,  von  denen  ich 
freilich  mit  einiger  Zuversicht  nur  zwei  anführen  kann,  die 
beiden  schönsten  unter  denen  die  existiren,  den  Telephus-  und 
Semelespiegel.  Auf  dem  ersteren  begegnen  wir  bereits  gewissen 
technischen  Veränderungen,  die  später  so  häufig  vorkommen, 
zunächst  nämlich  der  Punktirung  des  Grundes.  Dies  Verfahren 
hat  den  Zweck,  den  hellen  Figuren  eine  matte  Folie  zu  be- 
reiten, auf  der  sie  besser  hervortreten  können,  ähnlich  wie  die 
etruscischen  Goldschmiede,  um  helle  Partien  eines  Geschmeides 
zu  heben,  ihnen  einen  mit  unzähligen  Goldkörnern,  wie  mit 
feinem  Staub  überstreuten  Grund  gaben.  Sodann  werden  von 
jetzt  an,  nicht  immer,  aber  sehr  oft,  die  inneren  Linien,  die 
früher  ganz  wie  der  Contour  gezogen  wurden,  durch  kleine, 
feine  neben  einander  gesetzte  Parallelstriche  ausgedrückt» 
Gewöhnlich  ist  mit  dieser  Technik  eine  grosse  Häufung  des 
Details  verbunden  und  eben  darin  liegt  ein  unleugbarer  Nach- 
theil. Der jidekorative  Charakter,  der  Charakter  der  Umriss- 
zeichnung, geht  verloren.  Man  vergleiche  um  sich  des  Unter- 
schiedes bewusst  zu  werden,  die  beiden  erwähnten  Spiegel,  von 
denen  der  eine,  der  Telephusspiegel,  die  spätere,  der  andere 
die  frühere  Weise  wiedergiebt. 

35.  Die  Heilung  des  Telephus,  in  der  Umgegend  von 
Bomarzo  gefunden.  Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3294. 

Zur  Rechten  sitzt  Telephus  auf  einem  Stein,  das  leidende 
Bein  auf  einen  Schemel  stützend.  Sein  ganzes  Aussehen  macht 
den  Eindruck  des  Leidens,  der  Kopf  ist  gesenkt,  der  linke 
Arm  stützt  den  Körper,  der  rechte  hängt  schlaff  über  das 
Knie  herab.  Neben  ihm  steht  Achill,  mit  einem  sichelförmigen 
Messer  am  Schaft  seiner  Lanze  kratzend,  so  dass  der  Abfall 
auf  die  am  Schenkel  befindliche  Wunde  des  Telephus  fallen 
muss  2),  und  hinter  diesem  Agamemnon,  der  die  Linke  auf  einen 


1)  Denn  der  bei  Gerhard  Taf.  61  abgebildete  Spiegel,  der  auffallend 
au  Vasenbilder  grossartigen  Stils  erinnert,  ist  nach  meiner  Ansicht  nicht 
acht.  Auch  Gerhard  III,  p.  64  Anm.  3  dachte  an  die  Möglichkeit  einer 
Fälschung. 

2)  Man  muss  annehmen,  dass  der  Künstler  dem  Achill  eine  ganz 
eherne  Lanze  beilegte,  wie  auch  bei  Plin.  Nat,  bist.  84,  152  ange- 
deutet ist. 


46  I^ie  etruscischen  Spiegel. 

Stab  stützt  und  mit  der  Rechten  eine  Geberde  der  Beschwich- 
tigung und  des  Zuspruchs  gegen  Telephus  macht.  Im  Felde 
hängt  ein  Schild.  Die  Figuren  haben  jede  ihre  Beischrift 
Tele(phe),  Achle,  Aclimemrun. 

Die  Figur  des  Telephus  ist  sehr  schön  und  ausdrucks- 
voll; und  es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  ein  schönes  griechisches 
Original  dieser  Zeichnung  zu  Grunde  liegt  ^).  Aber  eben  so 
gewiss  ist,  dass  der  Spiegel  von  einer  etruscischen  Hand  aus- 
geführt ist  Nicht  bloss  wegen  der  Armbänder  des  Telephus 
und  Achill,  der  Schuhe  des  letzteren  und  der  unorganischen 
Art,  wie  der  umgebende  Kranz  sich  aus  dem  Ornament  am 
Griff  entwickelt,  sondern  auch  wegen  der  UeberfüUung  mit 
Detail  in  den  Formen  des  Achill  und  Telephus.  Agamemnon 
unterscheidet  sich  darin  von  den  anderen,  Achill  ist  in  jeder 
Beziehung  die  am  wenigsten  gelungene  und  gewiss  nicht  von 
etruscischer  Umbildung  freie  Figur. 

Die  Composition  hat  noch  eine  gewisse  Strenge  und  Ein- 
fachheit, wesswegen  wir  sie  ins  vierte  Jahrhundert  und  zwar 
mehr  in  den  Anfang  als  ans  Ende  setzen. 

Abg.  Gerhard  II,  229  und  im  Berliner  Winckelmannsprogramm 
von  1843. 

36.  Bacchus  und  Semele,  in  Vulci  gefunden,  aus  Ger- 
hardts Sammlung  1859  erworben.    3276. 

Dieser  schönste  aller  erhaltenen  Spiegel  befindet  sich 
leider  in  einem  solchen  Zustande,  dass  die  Linien  der  Zeich- 
nung nur  langsam  und  mit  Mühe  verfolgt  werden  können,  sie 
sind  indessen  noch  unversehrt. 

Die  Figuren  sind  mit  Ausnahme  des  kleinen  flötenden 
Satyrs  zur  Linken  mit  Namen  versehen,  Semla,  Phuphluns 
d.  i.  Bacchus  und  Apulu.  Der  letztere  steht  als  ruhiger  Zu- 
schauer der  innigen  Umarmung  des  Bacchu«  und  seiner  Mutter 
gegenüber,  seine  Anwesenheit  ist  vermuthlich  durch  die  mytho- 
logische Verwandschaft  zu  Bacchus  zu  motiviren.  In  Betreff 
der  Hauptgruppe  hat  man,  erinnernd  an  die  Sage,  wonach 
Bacchus  seine  vom  Zeus  getödtete  Mutter  aus  der  Unterwelt 
zum  Olymp  hinauf  geführt  habe,  angenommen,  dass  er  hier  die 
wiedergefundene  und  wiedererstandene  Mutter  umarme,  doch 

^)  Pliuius  34,  152  und  25,  5  spricht  von  Gemälden  in  denen  Achill 
in  derselben  Action  dargestellt  sei.  Auch  Parrhasios  hatte  diese  Scene, 
um  die  Figur  des  Odysseus  erweitert,  dargestellt. 


Die  etruscischen  Spiegel.  47 

ist  dies  nicht  in  der  Composition  angedeutet  und  daher  um  so 
weniger  anzunehmen,  als  das  Original  der  Gruppe  wahrschein- 
lich etwas  ganz  Anderes  als  Bacchus  und  Semele  darstellte. 

Eine  ganz  ähnliche  Gruppe  kommt  nämlich  auch  auf 
griechischen  Monumenten  vor,  theils  auf  Gemmen,  besonders 
aber  auf  einem  der  schönsten  Reliefs  ^),  und  zwar  in  anderer 
Bedeutung,  es  ist  nämlich  ein  getroffener  Niobide,  der,  im  Be- 
griff hintenüber  zu  sinken,  von  einer  Schwester  aufgefangen 
wird  und  nun  im  Tode  innig  seinen  Arm  um  den  Hals  der 
Schwester  legt.  Er  erhebt  nur  einen  Arm,  während  der  andere 
ihm  bereits  schlaff  herabhängt,  allein  dieser  Unterschied 
zwischen  den  beiden  Gruppen  ist  doch  nicht  erheblich  genug, 
um  ihren  Ursprung  von  einem  und  demselben  Original  in  Frage 
zu  stellen.  Fragt  man  nun  aber  nach  der  Bedeutung  der 
Originalcomposition,  so  lässt  sich  wohl  nicht  leugnen,  dass  die 
Gruppe  als  eine  Gruppe  von  sterbenden  Niobiden  besser  moti- 
virt  ist,  als  in  der  anderen  Bedeutung  auf  dem  Spiegel,  denn 
dass  der  Jtlngling  sich  hintenüber  neigt  zur  Umarmung,  ist 
natürlicher  und  ungesuchter  in  jener  Situation  als  in  dieser. 
Eben  darum  ist  anzunehmen,  dass  die  Bedeutung  der  Gruppe 
auf  dem  Spiegel  verändert  ist. 

Der  Verfertiger  war,  wie  wir  glauben,  ein  etruscischer 
Künstler,  der  nach  einem  griechischen  Vorbild  arbeitete.  Denn 
bei  der  Annahme  griechischen  Ursprungs  würden  wir  nicht 
den  etruscischen  Arm-  und  Halsschmuck  der  Figuren,  noch 
weniger  aber  die  etruscischen  Inschriften  begreiflich  finden. 
Warum  sollten,  falls  man  Spiegel  aus  Griechenland  importirte, 
diese  Spiegel  nicht  eben  so  gut  in  rein  griechischer  Form 
importirt  sein,  wie  die  Vasen,  die  doch  ohne  alle  etruscische 
Zuthat  sind?  Und  zudem  ist  in  der  Gestalt  der  Semele  etwas 
nicht  ganz  Griechisches,  was  man  am  besten  bei  Vergleichung 
jenes  erwähnten  griechischen  Vorbildes  herausfühlt.  Ja  es 
fehlt  nicht  an  starken  Zeichnungsfehlern,  wie  wenn  der  linke 
Fuss  der  Semele  en  face,  das  Knie  aber  im  Profil  gesehen 
wird  und  an  dem  kleinen  Satyr  der  Kopf  vor,  die  Beine  aber 
hinter  der  Figur  des  Apollo  sich  befinden. 

Gewiss  aber  dürfen  wir  das  Werk  in  die  Zeit  der 
griechisclien  Kunstblüthe,  in  das  vierte  Jahrhundert  setzen. 
Die  Figuren  haben  nämlich  bei  aller  Grazie  doch  immer  noch 


^)  Der  Gypsabgiiss  desselben  ist  jetzt  im  Neuen  Museum  und  zwar 
Im  Niobidensaale  zu  finden,  eine  Abbildung  in  Starkes  Buch  über  Niobe. 


40 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 


24.  Baccliautin,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel] 
der  noch  jetzt  zum  Spiegeln  benutzt  werden  könnte.  Ans 
Gerhardts  Besitz  1859  erworben.    334. 

Eine  lebendig  bewegte,  mit  einem  Pantherfell  bekleidete 
Bacchantin;  hinter  ilir  die  Schlange,  die  bei  den  bacchischcE 
Feiern  eine  Rolle  spielte. 

Diese  Zeichnung  könnte  für  altgriechisch  gelten. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  96,  der  (III,  p.  101)  das  Motiv  missversteht 
indem  er  meint,  die  ßaccliantin  fliehe  vor  der  Schlange. 

25.  Bacchantin  zwischen  Silenen,  gegossener  Spiegel 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.    3353. 

Eine  Baccliantin,  mit  einem  Tliyrsus  in  der  Hand,  umfasse 
einen  Silen,  der  Trinkliorn  und  Sclilauch  hält.  Daneben  eil 
zweiter  Silen,  der  sich  liöclilich  über  die  Vertraulichkeit  dei 
Paares  verwundert. 

Das  Bild  liat  etwas  etruscisch  Unerfreuliches,  etwa: 
Carikirtes.  An  den  Figuren  der  Silenc  ist  auch  schon  zu  vie 
Detail  ausgedrückt. 

.  Die  Delphine  im  Abschnitt  ganz  wie  oben. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  102,  in  dessen  Erklärung  (III,  p.  104)  abe 
die  Motive  missverstanden  sind.  Der  Lorbeerkranz  auf  dem  Kopfe  de 
einen  Silen  soll  nacli  Gerhard  die  „geläuterte  Weihe*'  desselben  b€ 
zeichnen. 


26.  Silensmaske,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  ei 
worben.    3357. 

Die  Neigung  der  Etrusker  zur  Carikirung  und  Uebei 
treibung  ist  in  diesem  Kopf  wieder  sehr  merkliclu  Die  langer 
abstehenden  Ohren  wird  man  in  griechischer  Kunst  vergeben 
suchen.  Der  Kopf  ist  wie  ein  zauberabwehrendes  Symbol  nac 
Art  eines  Medusenkopfes  auf  dem  Spiegel  angebracht. 

Abg.  Gerhard  I,  71,  6. 

27.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Sammlung  185 
erworben,  3323. 

Die  Deutung  dieses  Bildes  ist  niclit  ganz  sicher,  weil  da 
zu  Grunde  liegende  griechische  Vorbild  Veränderungen  ei 
fahren  zu  haben  scheint,  die  das  Verständniss  desselben  trübei 
Man  wird  allerdings  an  die  griechischen  Darstellungen  von  de 
Verfolgung  des  Kephalos  durch  die  Eos  erinnert,  versteht  abc 


Die  mehr  ^echischen  Spietel  c."i'.>-.!  Prr..»:'r. 


41 


nicht,  wie  Kcphalos,  der  ein  Jäiier  vvar.  zu  .1  "tL::  : 
kommt,  die  der  Knabe  trägt.  Es  ist  näiLlicL  -.ii-:  «  .«•  .  r.. 
sie  zur  Aufbewahrung  von  Toiletteng..'rät]i  «livL:-..  :iL.  •  a  -. 
beiden  Seiten  spitzer  Stecken,  dess«?n  B^ütiiriZüTii^'  •::..  ::..:'.:.•_ 
unklar  ist.  Man  könnte  daher  auch  an  .ii--  a:i:  Vir-.:-  l::.- 
seltenen  Darstellungen  denken,  woNik».-  ».-in-L  .]•;:.  j'.:lz  -.-.r:.'. -. 
nur  dass  man  auch  daim  Kranz  oder  Biniv  ii  Ivi  Hlii-i 
der  (TÖttin  erwartet. 

Im  Allgemeinen  steht  die  Zeioimun^  ■;■-:.  -t:-::-:.:-?::.-:. 
Vorbiklern  nahe,  aber  die  Haltunst  d»'>  lii.k-.::  B-i:.*  i-r  L> 
ist  wieder  eine  etruscische  Härte  und  GL-'.valtja:Lk-:->. 

Eigentliümlich   unkünstlerisch   ist    aucli   das   Orr. ji-.- :.-. 
Eine  nocli  dazu  phantastisch  behandelte  Palm»v:t-..  •ii-  ::.  l-: 
griechischen  Ornamentik  für  bestimmte  Zwrck-r.  i.air.-:/'.:::. 
als  Bekrönung  verwendet  wird,  ist  hier  als  vii,  r/u  a'-j-.- 
sclinittenes  Glied  einfach  in  den  Raum  zur  B.:l.:buii2  «ivs^rlr-rr. 
hineingesetzt.     Und  der  Epheukranz,  der  das  Ganzv  -/:.:k-r. 
entwickelt  sich   auf  luichst  unorganische  und  nfl:»rv*ä/i,/;:V.iv 
Weise  aus  dem  ebenfalls  palmettenartig  ge*talt-ef'.-/i  Omam-rr 
am  Griff.     Die    unorganische  Entwicklung  d<?«  Knnz^^  ai- 
dem  Griffornament  ist  überhaupt  ein  Fehler  «eör  ntlr-r  •■•.-:- 
cischer   Spiegel.      Man    sieht    hier   und  ia  Ti-rkz  ihn'.:  ..  .. 
Fällen   deutlich,   dass   die   etruscischen  Km^l'^r  ^iVr.'.r  -^  -  -. 
fertige   griechische  Spiegel  vorfaiiden.  d]>  *i^  zur  zn  <-fi ,,- 
brauchten,  sondern  dass  sie  nur  die  «rinz-is-fl  £^''»"-ßf'-  ....■  . 
Darstellung  aus   der  griechisclif-n  Kn.-!-?  zaJJra.  •/•■.•■■..  V 

bindung  und  Zuriclitung  für  den  Zw^ci'  l-rSükqA/.  l: 

ilinen  überlassen  blieb. 

Abg.  Gerliard  II,  179. 


28.  Eos  und  Memnon,  k  ^ifi  f'tnniln. 
hard's  Besitz  1859  erworben.  z^PA^- 

Die  Göttin  schreitet  bn^^m  sir  !-m  /..  • 
Sohnes  dahin.  Der  Schleier. 'ffr  *' injrf"'".  /-^  .*■. 
druck  der  Trauer  angeme5*ciL 

Die    Composition   hat  frr*-  m<.'';.'i    /.*.-  ■.  • 
Schon  auf  alterthümhcifr  rw^'J'^Ä  ^.i-.'i  ;  - 
>tand  viel  natürlicher  yMydrr. 

Das  Käuzlein  »i/Ti2rfyÄJaz'''arßd''im.i .  • 

Abg.  Gerhard  lU.  .T  ^L  ■«•  '/rfi  r..-:.^  .....     . 

gflialtenen  Spieg-e/  TTakäac  ^"^  ^^f  ^^'t 
nhinnäehtig  von  dta'B /«**  ■'^'"''' **^'*H 


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42  ^^^  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

29.  Herkules  und  Antaeus,  vulcentischer  Spiegel, 
1863  durch  Vermittlung  von  Prof.  Brunn  erworben,  3496. 

Dieses  Bild  kann  trotz  einer  räthselhaften  Inschrift  wohl 
nicht  anders  als  auf  Herkules  und  Antaeus  gedeutet  werden. 
Denn  sichtlich  ist  Herkules  bemüht,  den  Antaeus,  der  mit  dem 
rechten  Fuss  am  Boden  zu  haften  strebt,  während  er  den  linken 
vor  Schmerz  bereits  erhoben  hat,  vollends  in  die  Höhe  zu 
heben.  Die  Arme  des  Antaeus  haben  allen  Widerstand  be- 
reits aufgegeben,  der  rechte  ist  mit  einer  Trauergeberde  gegen 
den  Kopf  erhoben.  Neben  der  Gruppe  steht  in  Stellung  und 
Gewandung  an  die  berühmte  Pallas  Albani  erinnernd,  die 
Schutzgöttin  des  Herkules,  durch  die  erhobene  Hand  ihren 
Schützling,  wie  es  scheint,  anfeuernd. 

Die  Jugendlichkeit  des  Herkules  ist  nicht  auffallend,  er 
erscheint  auf  den  etruscischen  Spiegeln  fast  immer  so,  eher 
aber  könnte  Antaeus  zu  knabenhaft  erscheinen.  Aber  die  Vor- 
liebe für  bartlose  Gesicliter  ist  für  die  etruscischen  Gemmen 
wie  für  die  Spiegel  in  gleicher  "Weise  charakteristisch.  Dort 
finden  wir  selbst  einen  unbärtigen  Poseidon,  hier  ist  ein  bart- 
loser Zeus  wenigstens  durchaus  nicht  ungewöhnlich  und  Merkur 
wie  Bacchus  sind  fast  nur  als  Jünglinge  bekannt. 

Wie  die  Inschrift  des  Antaeus  Epiur  zu  verstehen  sei, 
wissen  wir  nicht.  Auf  einem  anderen  Spiegel  trägt  ein  Eros 
die  Beischrift  Epeur,  und  durch  diese  Uebereinstimmung  wird 
der  Sinn  derselben  noch  rätlisclhafter.  Auch  Herkules  hat 
seine  Beischrift  Hercle. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  335,  2,  der  sich  p.  79  in   allerhand  unbe- 
weisbaren Vermuthungen  ergeht.     Vgl.  Brunn  bullet.  1862  p.  110. 

30.  Achill  und  Penthesilea,  volcentischer  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben,  3296. 

Achill  hat  Penthesilea  ergriffen,  um  ihr  den  Todesstoss 
zu  geben,  während  sie  bittend  die  Rechte  gegen  ihn  ausstreckt. 
Die  Inschriften  sind  wie  auf  den  älteren  griecliischen  Vasen 
so  angeordnet,  dass  sie  alle  Zwischenräume  der  Figuren  aus- 
füllen. Man  liest  Achle  und  Penta(s)ila,  indem  das  fehlende  s 
für  die  an  seiner  Stelle  befindliche  Beschädigung  vorauszu- 
setzen ist. 

Dieser  Spiegel  steht  griechischen  Vasenbildern  von  der 
Art  der  Sosiasschaale  sehr  nahe.  Die  Ausführlichkeit  im 
Detail  findet  sich  hier  wie  dort.  Aber  daneben  fehlt  auch  das 
eigenthümlich  Etruscische  nicht,  und  es  liegt  besonders  in  der 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  43 

gezwungenen  Stellung  der  beiden  Figuren,   die  freilich  bei 
nicht  wenigen  Spiegeln  wiederkehrt. 

Die  beiden  Figuren  entsprechen  sich,  wie  es  oft  auf  den 
Spiegeln  der  Fall  ist,  fast  ganz  genau.  Nur  das  längere  Haar 
und  das  Halsband  unterscheidet  das  Weib. 

Abg.  Gerhard  II,  233. 

31.  Orest  und  Klytämnestra,  aus  der  Sammlung  Ger- 
hardts 1859  erworben,  3371. 

Orest  (Urusthe)  hat  die  Klytämnestra  (Clutumita)  ergriffen, 
um  ihr  den  Todesstoss  zu  versetzen.  Jene  hält  ihm  die  ent- 
blösste  Brust  entgegen,  wie  Aeschylus  gedichtet  hatte,  dass 
die  Mutter  dem  Mörder  die  Brust  gezeigt  habe,  die  ihn  ge- 
nährt. Die  Zwischenräume  der  Figuren  sind  durch  Blumen 
ausgefüllt.  Am  Griff  ist  eine  geflügelte  und  strahlenbekränzte 
Figur,  die  wir  nicht  näher  bestimmen  können. 

In  der  Stellung  und  Gewandung  der  Klytämnestra  ver- 
misst  man  das  richtige  Verständniss.  Die  gesträubten  Haare 
derselben  sind  für  die  Uebertreibung  der  etruscischen  Kunst 
charakteristisch. 

Abg.  Gerhard  II,  237.  Stephani  Nimbus  und  Strahlenkranz  p.  69 
nennt  die  geflügelte  Figur  am  Grijff  eine  Erinys,  „weil  die  an  den 
Griffen  der  Spiegel  angebrachten  Figuren  fast  immer  in  dem  engsten 
Zusammenhang  mit  der  Hauptdarsteliung  stehen".  Diese  Behauptung 
ist  »schwer  zu  beweisen,  weil  wir  in  so  vielen  Fällen  die  Figuren  an 
den  Griffen  gar  nicht  benennen  können,  und  schwer  zu  glauben,  wenn 
mau  sich  nach  den  Producteu  ein  Bild  der  Producenten  zu  machen 
versucht.  Es  scheint  mir  daher  mehr  als  gewagt,  eine  Figur,  deren 
äussere  Charakteristik  auf  ganz  andere  Gebiete  hindeutet,  Erinys  zu 
nennen  und  zwar  mit  einer  Sicherheit,  die  nicht  „den  geringsten  Zweifel 
obwalten"  lässt. 

32.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben,  3329. 

Auf  diesem  sorgfältigen  Spiegel  sind  zwei  Figuren  ohne 
Handlung  einander  gegenübergestellt.  Die  zur  Linken  scheint 
männlich,  die  andere  möchten  wir  wegen  des  langen  Gewandes 
für  weiblich  halten.  Jener  hält  eine  Ranke  in  der  einen 
Hand,  diese  zieht  mit  der  Linken  ihr  Gewand  an,  ein  Gestus, 
der  auch  eher  für  eine  Frau  passt.  Wir  denken  bei  diesem 
Spiegel  an  die  auf  Vasen  nicht  seltenen  Scenen,  wo  Männer 
und  Frauen  sich  verbindlich  gegenüberstehen  und  sich  ein 
Blümchen  präsentiren  etc. 


44  ^^6  etruscischen  Spiegel. 

Reiches  Beiwerk  umgiebt  die  Scene.  Zwischen  den 
Figuren  stellt  ein  Baum,  wie  es  scheint,  ein  Palmbaum,  an 
Wandgemälde  aus  Tarquinii  erinnernd,  wo  die  einzelnen  Figuren 
durch  Bäume  getrennt  sind.  Ausserdem  sind  mehrere  Pflanzen, 
ein  Sessel  und  eine  Kiste  zur  Belebung  des  Raumes  benutzt. 

Die  starke  Oxydation  des  Spiegels  hindert  über  alle 
Einzelheiten  ins  Klare  zu  kommen. 

34.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  angekauft.    3328. 

Zwei  Jünglinge  mit  einander  im  Gespräch,  der  eine  leb- 
haft gestikulirend.  Diese  Zeichnung  erinnert  sehr  an  alt- 
griechische Vasenbilder. 

33.  Astarte,  den  gefundenen  Stern  nach  Tyrus 
tragend.    Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  angekauft.    3313. 

Eine  geflügelte  Frau,  deren  Obertheil  zerstört  ist,  trägt 
mit  beiden  Händen  eine  mit  einem  Stern  verzierte  KugeL 
Diese  Vorstellung  entspricht  genau  einem  Münztypus,  welcher 
der  Stadt  Marium  auf  Cypern  beigelegt  (de  Luynes,  numis- 
matique  et  inscriptions  Cypriotes  p.  37)  und  auf  den  genannten 
phönicischen  Mythus  bezogen  wird.  Es  ist  jedenfalls  sehr 
interessant,  diesen  phönicischen  Typus  auf  einem  etruscischen 
Spiegel  wiederzufinden.  Doch  ist  dies  nicht  die  einzige  Be- 
rührung zwischen  phönicischer  und  etruscischer  Kunst. 

Neben  der  Figur  befinden  sich  raumfüllende  Ornamente, 
links  eine  Blume  mit  einem  Vogel  darauf,  zur  Rechten  eine 
unbestimmbare  Verzierung,  im  Abschnitt  zwei  sich  schnäbelnde 
Tauben. 

Abg.  Gerhard  1,  36,  2,  von  dessen  Phantasien  ich  nur  die  erwähne, 
dass  er  auf  der  Kugel  (III,  p.  18)  ein  „zum  Pentagramm  verschlungenes 
zwiefaches  Dreieck",  zu  sehen  und  als  ein  „Symbol  der  in  sich  ver- 
schränkten Weltordnung"  betrachten  zu  müssen  glaubt.  Der  fragliche 
Gegenstand  besteht  aber  aus  einer  Kreislinie,  an  welche  sich  Zacken 
anschliessen,  wird  also  als  Stern  bezeichnet  werden  müssen.  Auch  die 
„phrygische  Mütze"  der  Figur  ist  mehr  als  zweifelhaft. 

Dritte  Periode. 

Die  im  Vorstehenden  aufgeführten  Spiegel  gehören  dem 
alterthümlichen  Stil  an,  der  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  fünften 
Jahrhunderts  in  Griechenland  und  vermuthlich  auch  in  Etrurien 
herrschte.     Aus  der  nächstfolgenden  Periode,    als    man   in 


Die  etruscischen  Spiegel.  45 

grossartigem  Stil,  wenn  auch  noch  mit  einiger  Strenge  compo- 
nirte,  sind  mir  keine  Spiegel  bekannt^),  und  ich  gehe  daher 
zu  den  Spiegeln  des  vierten  Jahrhunderts  über,  von  denen  ich 
freilich  mit  einiger  Zuversicht  nur  zwei  anführen  kann,  die 
beiden  schönsten  unter  denen  die  existiren,  den  Telephus-  und 
Semelespiegel.  Auf  dem  ersteren  begegnen  wir  bereits  gewissen 
technischen  Veränderungen,  die  später  so  häufig  vorkommen^ 
zunächst  nämlich  der  Punktirung  des  Grundes.  Dies  Verfahren 
hat  den  Zweck,  den  hellen  Figuren  eine  matte  Folie  zu  be- 
reiten, auf  der  sie  besser  hervortreten  können,  ähnlich  wie  die 
etruscischen  Goldschmiede,  um  helle  Partien  eines  Geschmeides 
zu  heben,  ihnen  einen  mit  unzähligen  Goldkömern,  wie  mit 
feinem  Staub  überstreuten  Grund  gaben.  Sodann  werden  von 
jetzt  an,  nicht  immer,  aber  sehr  oft,  die  inneren  Linien,  die 
früher  ganz  wie  der  Contour  gezogen  wurden,  durch  kleine^ 
feine  neben  einander  gesetzte  Parallelstriche  ausgedrückt* 
Gewöhnlich  ist  mit  dieser  Technik  eine  grosse  Häufung  des 
Details  verbunden  und  eben  darin  liegt  ein  unleugbarer  Nach- 
theil. Der  ^dekorative  Charakter,  der  Charakter  der  Umriss- 
zeichnung, geht  verloren.  Man  vergleiche  um  sich  des  Unter- 
schiedes bewusst  zu  werden,  die  beiden  erwähnten  Spiegel,  von 
denen  der  eine,  der  Telephusspiegel,  die  spätere,  der  andere 
die  frühere  Weise  wiedergiebt. 

35.  Die  Heilung  des  Telephus,  in  der  Umgegend  von 
Bomarzo  gefunden.  Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3294. 

Zur  Recliten  sitzt  Telephus  auf  einem  Stein,  das  leidende 
Bein  auf  einen  Schemel  stützend.  Sein  ganzes  Aussehen  macht 
den  Eindruck  des  Leidens,  der  Kopf  ist  gesenkt,  der  linke 
Arm  stützt  den  Körper,  der  rechte  hängt  schlaff  über  das 
Knie  herab.  Neben  ihm  steht  Achill,  mit  einem  sichelförmigen 
Messer  am  Schaft  seiner  Lanze  kratzend,  so  dass  der  Abfall 
auf  die  am  Schenkel  befindliche  Wunde  des  Telephus  fallen 
muss  ^),  und  hinter  diesem  Agamemnon,  der  die  Linke  auf  einen 


1)  Denn  der  bei  Gerhard  Taf.  61  abgebildete  Spiegel,  der  auffallend 
an  Vasenbilder  grossartigen  Stils  erinnert,  ist  nach  meiner  Ansicht  nicht 
acht.  Auch  Gerhard  III,  p.  64  Anm.  3  dachte  an  die  Möglichkeit  einer 
Fälschung. 

2)  Man  muss  annehmen,  dass  der  Künstler  dem  Achill  eine  ganz 
eherne  Lanze  beilegte,  wie  auch  bei  Plin.  Nat.  hist.  84,  152  ange- 
deutet ist. 


40  1^*6  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

24.  Bacchantin,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel, 
der  noch  jetzt  zum  Spiegeln  benutzt  werden  könnte.  Aus 
Gerhardts  Besitz  1859  erworben.    334. 

Eine  lebendig  bewegte,  mit  einem  Pantherfell  bekleidete 
Bacchantin;  hinter  ihr  die  Schlange,  die  bei  den  bacchischen 
Feiern  eine  Rolle  spielte. 

Diese  Zeichnung  könnte  für  altgriechisch  gelten, 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  96,  der  (IH,  p.  101)  das  Motiv  missversteht, 
indem  er  meint,  die  ßaccliantin  fliehe  vor  der  Schlange. 

25.  Bacchantin  zwischen  Silenen,  gegossener  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.    3353. 

Eine  Bacchantin,  mit  einem  Thyrsus  in  der  Hand,  umfasst 
einen  Silen,  der  Trinkhorn  und  Schlauch  hält.  Daneben  ein 
zweiter  Silen,  der  sich  höchlich  über  die  Vertraulichkeit  des 
Paares  verwundert. 

Das  Bild  hat  etwas  etruscisch  Unerfreuliches,  etwas 
Carikirtes.  An  den  Figuren  der  Silene  ist  auch  schon  zu  viel 
Detail  ausgedrückt. 

.  Die  Delphine  im  Abschnitt  ganz  wie  oben. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  102,  in  dessen  Erklärung  {III,  p.  104)  aber 
die  Motive  missverstanden  sind.  Der  Lorbeerkranz  auf  dem  Kopfe  des 
einen  Silen  soll  nach  Gerhard  die  „geläuterte  Weihe*'  desselben  be- 
zeichnen. 

26.  Silensmaske,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3357. 

Die  Neigung  der  Etrusker  zur  Carikirung  und  Ueber- 
treibung  ist  in  diesem  Kopf  wieder  sehr  merklich.  Die  langen, 
abstehenden  Ohren  wird  man  in  griechischer  Kunst  vergebens 
suchen.  Der  Kopf  ist  wie  ein  zauberabwehrendes  Symbol  nach 
Art  eines  Medusenkopfes  auf  dem  Spiegel  angebracht. 

Abg.  Gerhard  I,  71,  6. 

27.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben,  3323. 

Die  Deutung  dieses  Bildes  ist  nicht  ganz  sicher,  weil  das 
zu  Grunde  liegende  griechische  Vorbild  Veränderungen  er- 
fahren zu  haben  scheint,  die  das  Verständniss  desselben  trüben. 
Man  wird  allerdings  an  die  griechischen  Darstellungen  von  der 
Verfolgung  des  Kephalos  durch  die  Eos  erinnert,  versteht  aber 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  41 

nicht,  wie  Kephalos,  der  ein  Jäger  war,  zu  den  Geräthen 
kommt,  die  der  Knabe  trägt.  Es  ist  nämlich  eine  Ciste,  wie 
sie  zur  Aufbewahrung  von  Toilettengeräth  diente,  und  ein  an 
beiden  Seiten  spitzer  Stecken,  dessen  Bestimmung  uns  freilich 
unklar  ist.  Man  könnte  daher  auch  an  die  auf  Vasen  nicht 
seltenen  Darstellungen  denken,  wo  Nike  einen  Jüngling  verfolgt, 
nur  dass  man  auch  dann  Kranz  oder  Binde  in  den  Händen 
der  Göttin  erwartet. 

Im  Allgemeinen  steht  die  Zeichnung  den  griechischen 
Vorbiklern  nahe,  aber  die  Haltung  des  linken  Beins  der  Eos 
ist  wieder  eine  etruscische  Härte  und  Gewaltsamkeit. 

Eigenthümlich  unkünstlerisch  ist  auch  das  Ornament. 
Eine  noch  dazu  phantastisch  behandelte  Palmette,  die  in  der 
griechischen  Ornamentik  für  bestimmte  Zwecke,  namentlich 
als  Bekrönung  verwendet  wird,  ist  hier  als  ein  roh  abge- 
schnittenes Glied  einfach  in  den  Raum  zur  Belebung  desselben 
hineingesetzt.  Und  der  Epheukranz,  der  das  Ganze  einfasst, 
entwickelt  sich  auf  höchst  unorganische  und  unverständliche 
Weise  aus  dem  ebenfalls  palmettenartig  gestalteten  Ornament 
am  Griff.  Die  unorganische  Entwicklung  des  Kranzes  aus 
dem  Griffornament  ist  überhaupt  ein  Fehler  sehr  vieler  etrus- 
oischer  Spiegel.  Man  sieht  hier  und  in  vielen  ähnlichen 
Fällen  deutlich,  dass  die  etruscischen  Künstler  nicht  etwa 
fertige  griechische  Spiegel  vorfanden,  die  sie  nur  zu  copiren 
brauchten,  sondern  dass  sie  nur  die  einzelnen  Elemente  ihrer 
Darstellung  aus  der  griechischen  Kunst  nahmen,  deren  Ver- 
bindung und  Zurichtung  für  den  Zweck  der  Spiegelzeichnung 
ilinen  überlassen  blieb. 

Abg.  Gerhard  II,  179. 

28.  Eos  und  Memnon,  in  Vulci  gefunden.  Aus  Ger- 
hardts Besitz  1859  erworben,    n.  3360. 

Die  Göttin  sclireitet  langsam  mit  dem  .Leichnam  des 
Sohnes  dahin.  Der  Schleier,  der  sie  umhüllt,  ist  für  den  Aus- 
druck der  Trauer  angemessen. 

Die  Composition  hat  etwas  unschön  Rechtwinkliges. 
Schon  auf  alterthümlichen  griechischen  Vasen  ist  der  Gegen- 
stand viel  natürlicher  componirt. 

Das  Käuzlein  dient  wohl  nur  zur  Raumausfüllung. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  361,  der  den  von  ihm  für  verschwunden 
gehaltenen  Spiegel  wunderlicher  Weise  auf  Eos  und  Kephalos,  „der 
ohnmächtig  von  dannen  gebracht  wird"  erklärt. 


42  ^^^  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

29.  Herkules  und  Antaeus,  vulcentischer  Spiegel, 
1863  durch  .Vermittlung  von  Prof.  Brunn  erworben,  3496. 

Dieses  Bild  kann  trotz  einer  räthselhaften  Inschrift  wohl 
nicht  anders  als  auf  Herkules  und  Antaeus  gedeutet  werden. 
Denn  sichtlich  ist  Herkules  bemüht,  den  Antaeus,  der  mit  dem 
rechten  Fuss  am  Boden  zu  haften  strebt,  während  er  den  linken 
vor  Schmerz  bereits  erhoben  hat,  vollends  in  die  Höhe  zu 
heben.  Die  Arme  des  Antaeus  hjaben  allen  Widerstand  be- 
reits aufgegeben,  der  rechte  ist  mit  einer  Trauergeberde  gegen 
den  Kopf  erhoben.  Neben  der  Gruppe  steht  in  Stellung  und 
Gewandung  an  die  berühmte  Pallas  Albani  erinnernd,  die 
Schutzgöttin  des  Herkules,  durch  die  erhobene  Hand  ihren 
Schützling,  wie  es  scheint,  anfeuernd. 

Die  Jugendlichkeit  des  Herkules  ist  nicht  auffallend,  er 
erscheint  auf  den  etruscischen  Spiegeln  fast  immer  so,  eher 
aber  könnte  Antaeus  zu  knabenhaft  erscheinen.  Aber  die  Vor- 
liebe für  bartlose  Gesichter  ist  für  die  etruscischen  Gemmen 
wie  für  die  Spiegel  in  gleicher  Weise  charakteristisch.  Dort 
finden  wir  selbst  einen  unbärtigen  Poseidon,  hier  ist  ein  bart- 
loser Zeus  wenigstens  durchaus  nicht  ungewöhnlich  und  Merkur 
wie  Bacchus  sind  fast  nur  als  Jünglinge  bekannt. 

Wie  die  Inschrift  des  Antaeus  Epiur  zu  verstehen  sei, 
wissen  wir  nicht.  Auf  einem  anderen  Spiegel  trägt  ein  Eros 
die  Beischrift  Epeur,  und  durch  diese  Uebereinstimmung  wird 
der  Sinn  derselben  noch  räthselhafter.  Auch  Herkules  hat 
seine  Beischrift  Hercle. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  335,  2,  der  sich  p.  79  in   allerhand  unbe- 
weisbaren Vermulhungen  ergeht.     Vgl.  Brunn  bullet.  18G2  p.  110. 

30.  Achill  und  Penthesilea,  volcentischer  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben,  3296. 

Achill  hat  Penthesilea  ergriffen,  um  ihr  den  Todesstoss 
zu  geben,  während  sie  bittend  die  Rechte  gegen  ihn  ausstreckt. 
Die  Inschriften  sind  wie  auf  den  älteren  griechischen  Vasen 
so  angeordnet,  dass  sie  alle  Zwischenräume  der  Figuren  aus- 
füllen. Man  liest  Achle  und  Penta(s)ila,  indem  das  fehlende  s 
für  die  an  seiner  Stelle  befindliche  Beschädigung  vorauszu- 
setzen ist. 

Dieser  Spiegel  steht  griechischen  Vasenbildern  von  der 
Art  der  Sosiasschaale  sehr  nahe.  Die  Ausführlichkeit  im 
Detail  findet  sich  hier  wie  dort.  Aber  daneben  fehlt  auch  das 
eigenthümlich  Etruscische  nicht,  und  es  liegt  besonders  in  der 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  43 

gezwungenen  Stellung  der  beiden  Figuren,   die  freilich  bei 
nicht  wenigen  Spiegeln  wiederkehrt. 

Die  beiden  Figuren  entsprechen  sich,  wie  es  oft  auf  den 
Spiegeln  der  Fall  ist,  fast  ganz  genau.  Nur  das  längere  Haar 
und  das  Halsband  unterscheidet  das  Weib. 

Abg.  Gerhard  II,  233. 

31.  Orest  und  Klytämnestra,  aus  der  Sammlung  Ger- 
hardts 1859  erworben,  3371. 

Orest  (Urusthe)  hat  die  Klytämnestra  (Clutumita)  ergriffen^ 
um  ihr  den  Todesstoss  zu  versetzen.  Jene  hält  ihm  die  ent- 
blösste  Brust  entgegen,  wie  Aeschylus  gedichtet  hatte,  dass 
die  Mutter  dem  Mörder  die  Brust  gezeigt  habe,  die  ihn  ge- 
nährt. Die  Zwischenräume  der  Figuren  sind  durch  Blumen 
ausgefüllt.  Am  Griff  ist  eine  geflügelte  und  strahlenbekränzte 
Figur,  die  wir  nicht  näher  bestimmen  können. 

In  der  Stellung  und  Gewandung  der  Klytämnestra  ver- 
misst  man  das  richtige  Verständniss.  Die  gesträubten  Haare 
derselben  sind  für  die  Uebertreibung  der  etruscischen  Kunst 
charakteristisch. 

Abg.  Gerhard  II,  237.  Stephani  Nimbus  und  Strahlenkranz  p.  69 
nennt  die  geflügelte  Figur  am  Grijff  eine  Erinys,  „weil  die  an  den 
Griffen  der  Spiegel  angebrachten  Figuren  fast  immer  in  dem  engsten 
Zusammenhang  mit  der  Hauptdarsteliung  stehen".  Diese  Behauptung 
ist  »schwer  zu  beweisen,  weil  wir  in  so  vielen  Fällen  die  Figuren  an 
den  Griffen  gar  nicht  benennen  können,  und  schwer  zu  glauben,  wenn 
man  sich  nach  den  Producteu  ein  Bild  der  Producenten  zu  machen 
versucht.  Es  scheint  mir  daher  mehr  als  gewagt,  eine  Figur,  deren 
äussere  Charakteristik  auf  ganz  andere  Gebiete  hindeutet,  Erinys  zu 
nennen  und  zwar  mit  einer  Sicherheit,  die  nicht  „den  geringsten  Zweifel 
obwalten"  lässt. 

32.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben,  3329. 

Auf  diesem  sorgfältigen  Spiegel  sind  zwei  Figuren  ohne 
Handlung  einander  gegenübergestellt.  Die  zur  Linken  scheint 
männlich,  die  andere  möchten  wir  wegen  des  langen  Gewandes 
für  weiblich  halten.  Jener  hält  eine  Ranke  in  der  einen 
Hand,  diese  zieht  mit  der  Linken  ihr  Gewand  an,  ein  Gestus, 
der  auch  eher  für  eine  Frau  passt.  Wir  denken  bei  diesem 
Spiegel  an  die  auf  Vasen  nicht  seltenen  Scenen,  wo  Männer 
und  Frauen  sich  verbindlich  gegenüberstehen  und  sich  ein 
Blümchen  präsentiren  etc. 


40  ^'^^  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

24.  Bacchantin,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel, 
der  noch  jetzt  zum  Spiegeln  benutzt  werden  könnte.  Aos 
Gerhardts  Besitz  1859  erworben.    334. 

Eine  lebendig  bewegte,  mit  einem  Pantherfell  bekleidete 
Bacchantin;  hinter  ihr  die  Schlange,  die  bei  den  bacchischen 
Feiern  eine  Rolle  spielte. 

Diese  Zeichnung  könnte  für  altgriechisch  gelten. 

Abg.  «ierliard  I,  Taf.  96,  der  (IH,  p.  101)  das  Motiv  missverslehi, 
indem  er  meint,  die  ßaccliantin  fliehe  vor  der  Schlange. 

25.  Bacchantin  zwischen  Silenen,  gegossener  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.    3353. 

Eine  Baccliantin,  mit  einem  Tliyrsus  in  der  Hand,  umfasst 
einen  Silen,  der  Trinkhorn  und  Sclilauch  hält.  Daneben  ein 
zweiter  Silen,  der  sich  höchlich  über  die  Vertraulichkeit  des 
Paares  verwundert. 

Das  Bild  hat  etwas  etruscisch  Unei-freuliches ,  etwas 
Carikirtes.  An  den  Figuren  der  Silene  ist  auch  schon  zu  nel 
Detail  ausgedrückt. 

.  Die  Delphine  im  Abschnitt  ganz  wie  oben. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  102,  in  dessen  Erklärung  (III,  p.  104)  aber 
die  Motive  missverstanden  sind.  Der  Lorbeerkranz  auf  dem  Kopfe  des 
einen  Silen  soll  nach  Gerhard  die  „geläuterte  Weihe**  desselben  be 
zeichnen. 

26.  Silensmaske,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3357. 

Die  Neigung  der  Etruskcr  zur  Carikirung  und  Ueber- 
treibung  ist  in  diesem  Kopf  wieder  sehr  merklich.  Die  langen, 
abstehenden  Ohren  wird  man  in  griecliischer  Kunst  vergebens 
suchen.  Der  Kopf  ist  wie  ein  zauberabwehrendes  Symbol  nach 
Art  eines  Medusenkopfes  auf  dem  Spiegel  angebracht. 

Abg.  Gerhard  I,  71,  6. 

27.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben,  3323. 

Die  Deutiuig  dieses  Bildes  ist  nicht  ganz  sicher,  weil  das 
zu  Grunde  liegende  griechische  Vorbild  Veränderungen  er- 
fahren zu  haben  scheint,  die  das  Verständniss  desselben  trüben. 
Man  wird  allerdings  an  die  griechischen  Darstellungen  von  der 
Verfolgung  des  Kephalos  durch  die  Eos  erinnert,  versteht  aber 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  41 

nicht,  wie  Keplialos,  der  ein  Jäger  war,  zu  den  GrnxhrZL 
kommt,  die  der  Knabe  trägt.  Es  ist  nämlich  eine  Ciste,  '»ic 
sie  zur  Aufbewahrung  von  Toilettengeräth  dient«,  und  ein  ui 
beiden  Seiten  spitzer  Stecken,  dessen  Bestimmung  uns  freilich 
unklar  ist  Man  könnte  daher  auch  an  die  auf  Vasen  nicbt 
seltenen  Darstellungen  denken,  wo  Nike  einen  jQngling  verfolft, 
nur  dass  man  auch  dann  Kranz  oder  Binde  in  den  Binden 
der  Göttin  erwartet. 

Im  Allgemeinen  steht  die  Zeiclmung  den  griechischeL 
Vorbiklern  nahe,  aber  die  Haltung  des  linken  Bein»  der  Erjz 
ist  wieder  eine  etruscische  Härte  und  Gewaltsamkeit. 

Eigenthtimlich   unkünstlerisch   ist   auch   das   OmameifL 
Eine  noch  dazu  phantastisch  behandelte  Palmette,  die  in  der 
griechischen  Ornamentik  für  bestimmte  Zwecke,  namentlich 
als  Bekrönung  verwendet  wird,  ist  hier  als  ein  roh  abge- 
schnittenes Glied  einfach  in  den  Raum  zurBelebnug  def^vellia 
liineingesetzt     Und  der  Epheukranz,  der  das  Ganze  eiüi»wt- 
entwickelt  sich  auf  höchst  unorganische  und  uDvermiindli^^m 
Weise  aus  dem  ebenfalls  palmettenartig  gestalteten  (mmm'nr 
am  Griff.     Die    unorganische  Entwicklung  des  ExtaatA 
dem  Griffornament  ist  überhaupt  ein  Fehler  sehr  rki*-  *rn 
oischer  Spiegel.      Man    sieht   hier   und  in  Tjel*a.  iimii'nr^ 
Fällen  deutlich,  dass  die  etruscischen  KtinvtW   ui-sr  ^-t»a 
fertige  griechische  Spiegel  vorfanden,  die   «e  nur  zi  wi»im 
braucliten,  sondern  dass  sie  nur  die  einzelnei  Li^nu^szs-  .!in*r 
Darstellung  aus  der  griechisclion  Kunst  nalini<a.-  •htti   '--- 
bindung  und  Zurichtung  für  den  Zweck  dfr  butssHuittannj 
ihnen  überlassen  blieb. 

Abg.  Gerhard  II,  179. 

28.  Eos  und  Memnon,  in  Vul'-J  ^nmva.   .kn-    '.■  ■• 
hard's  Besitz  1859  erworben,    n.  SSKij 

Die  Göttin    sclireitct   langsam  mr   u-m  I>rnr-ftni 
Sohnes  dahin.  Der  Schleier,  der  «a*:  umaffi:  jr  iir  «..-t    ■ 
druck  der  Trauer  angemessen. 

Die    Composition    hat    et»fi*   uir!^«   3>-*.irr  - , 
Schon  auf  alterthümlichen  gri'-nift^^a  "^»^  >••  •■       ■  .     - 
stand  viel  natürlicher  componiTw 

Das  Käuzlein  dient  wohl  mr  sar  iMdMn^^'i ' :  - 


.  ■  f 


Abg.  Gerhard  III.  IV,  3€L   fi?  sa  -wi.   bqt 

gehaltenen  Spiegel  wunderikhsr  '^^9^  mf  Imn   in^i   « > 
ohnmächtig  von  dannen 


42  ^^^  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

29.  Herkules  und  Antaeus,  vulcentischer  Spiegel, 
1863  durch  Vermittlung  von  Prof.  Brunn  erworben,  3496. 

Dieses  Bild  kann  trotz  einer  räthselhaften  Inschrift  wohl 
nicht  anders  als  auf  Herkules  und  Antaeus  gedeutet  werden. 
Denn  sichtlich  ist  Herkules  bemüht,  den  Antaeus,  der  mit  dem 
rechten  Fuss  am  Boden  zu  haften  strebt,  während  er  den  linken 
vor  Schmerz  bereits  erhoben  hat,  vollends  in  die  Höhe  zu 
heben.  Die  Arme  des  Antaeus  haben  allen  Widerstand  be- 
reits aufgegeben,  der  rechte  ist  mit  einer  Trauergeberde  gegen 
den  Kopf  erhoben.  Neben  der  Gruppe  steht  in  Stellung  und 
Gewandung  an  die  berühmte  Pallas  Albani  erinnernd,  die 
Schutzgöttin  des  Herkules,  durch  die  erhobene  Hand  ihren 
Schützling,  wie  es  scheint,  anfeuernd. 

Die  Jugendlichkeit  des  Herkules  ist  nicht  auffallend,  er 
erscheint  auf  den  etruscischen  Spiegeln  fast  immer  so,  eher 
aber  könnte  Antaeus  zu  knabenhaft  erscheinen.  Aber  die  Vor- 
liebe für  bartlose  Gesichter  ist  für  die  etruscischen  Gemmen 
wie  für  die  Spiegel  in  gleicher  Weise  charakteristisch.  Dort 
finden  wir  selbst  einen  unbärtigen  Poseidon,  hier  ist  ein  bart- 
loser Zeus  wenigstens  durchaus  nicht  ungewöhnlich  und  Merkur 
wie  Bacchus  sind  fast  nur  als  Jünglinge  bekannt. 

Wie  die  Inschrift  des  Antaeus  Epiur  zu  verstehen  sei, 
wissen  wir  nicht.  Auf  einem  anderen  Spiegel  trägt  ein  Eros 
die  Beischrift  Epeur,  und  durch  diese  Uebereinstimmung  wird 
der  Sinn  derselben  noch  räthselhafter.  Auch  Herkules  hat 
seine  Beischrift  Hercle. 

Abg.  Gerhard  111.  IV,  335,  2,   der  sich   p.  79  in   allerhand  unbe- 
weisbaren Vermulhungen  ergeht.     Vgl.  Brunn  bullet.  18G2  p.  110. 

30.  Achill  und  Penthesilea,  volcentischer  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben,  3296. 

Achill  hat  Penthesilea  ergriffen,  um  ihr  den  Todesstoss 
zu  geben,  während  sie  bittend  dieKechte  gegen  ihn  ausstreckt. 
Die  Inschriften  sind  wie  auf  den  älteren  griechischen  Vasen 
so  angeordnet,  dass  sie  alle  Zwischenräume  der  Figuren  aus- 
füllen. Man  liest  Achle  und  Penta(s)ila,  indem  das  fehlende  s 
für  die  an  seiner  Stelle  befindliche  Beschädigung  vorauszu- 
setzen ist. 

Dieser  Spiegel  steht  griechischen  Vasenbildern  von  der 
Art  der  Sosiasschaale  sehr  nahe.  Die  Ausführlichkeit  im 
Detail  findet  sich  hier  wie  dort.  Aber  daneben  fehlt  auch  das 
eigenthümlich  Etruscische  nicht,  und  es  liegt  besonders  in  der 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  45 

gezwungenen  Stellung  der  beiden  Figuren,    die  freilich  bei 
nicht  wenigen  Spiegeln  wiederkehrt. 

Die  beiden  Figuren  entsprechen  sich,  wie  es  oft  auf  den 
Spiegeln  der  Fall  ist,  fast  ganz  genau.  Nur  das  längere  Haar 
und  das  Halsband  unterscheidet  das  "Weib. 

Abg.  Gerhard  II,  233. 

31.  Orest  und  Klytämnestra,  aus  der  Sammlung  Ger- 
hardts 1859  erworben,  3371. 

Orest  (Urusthe)  hat  die  Klytämnestra  (Clutumita)  ergriffen, 
um  ihr  den  Todesstoss  zu  versetzen.  Jene  hält  ihm  die  ent- 
blösste  Brust  entgegen,  wie  Aeschylus  gedichtet  hatte,  dass 
die  Mutter  dem  Mörder  die  Brust  gezeigt  habe,  die  ihn  ge- 
nährt. Die  Zwischenräume  der  Figuren  sind  durch  Blumen 
ausgefüllt  Am  Griff  ist  eine  geflügelte  und  strahlenbekränzte 
Figur,  die  wir  nicht  näher  bestimmen  können. 

In  der  Stellung  und  Gewandung  der  Klytämnestra  ver- 
misst  man  das  richtige  Verständniss.  Die  gesträubten  Haare 
derselben  sind  für  die  Uebertreibung  der  etruscischen  Kunst 
charakteristisch. 

Abg.  Gerhard  II,  237.  Stephani  Nimbus  und  Strahlenkranz  p,  69 
nennt  die  geflügelte  Figur  am  Grijff  eine  Erinys,  „weil  die  an  den 
Griffen  der  Spiegel  angebrachten  Figuren  fast  immer  in  dem  engsten 
Zusammenhang  mit  der  Hauptdarstellung  stehen".  Diese  Behauptung 
ist  »schwer  zu  beweisen,  weil  wir  in  so  vielen  Fällen  die  Figuren  an 
den  Griffen  gar  nicht  benennen  können,  und  schwer  zu  glauben,  wenn 
man  sich  nach  den  Producteu  ein  Bild  der  Producenten  zu  machen 
versucht.  Es  scheint  mir  daher  mehr  als  gewagt,  eine  Figur,  deren 
äussere  Charakteristik  auf  ganz  andere  Gebiete  hindeutet,  Erinys  zu 
nennen  und  zwar  mit  einer  Sicherheit,  die  nicht  „den  geringsten  Zweifel 
obwalten"  lässt. 

32.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben,  3329. 

Auf  diesem  sorgfältigen  Spiegel  sind  zwei  Figuren  ohne 
Handlung  einander  gegenübergestellt  Die  zur  Linken  scheint 
männlich,  die  andere  möchten  wir  wegen  des  langen  Gewandes 
für  weiblich  halten.  Jener  hält  eine  Kanke  in  der  einen 
Hand,  diese  zieht  mit  der  Linken  ihr  Gewand  an,  ein  Gestus, 
der  auch  eher  für  eine  Frau  passt.  Wir  denken  bei  diesem 
Spiegel  an  die  auf  Vasen  nicht  seltenen  Scenen,  wo  Männer 
und  Frauen  sich  verbindlich  gegenüberstehen  und  sich  ein 
Blümchen  präsentiren  etc. 


44  ^^^  etruscischen  Spiegel. 

Reiches  Beiwerk  umgiebt  die  Scene.  Zwischen  den 
Figuren  steht  ein  Baum,  wie  es  scheint,  ein  Palmbaum,  an 
Wandgemälde  aus  Tarquinii  erinnernd,  wo  die  einzelnen  Figuren 
durch  Bäume  getrennt  sind.  Ausserdem  sind  mehrere  Pflanzen, 
ein  Sessel  und  eine  Kiste  zur  Belebung  des  Raumes  benutzt. 

Die  starke  Oxydation  des  Spiegels  hindert  über  alle 
Einzelheiten  ins  Klare  zu  kommen. 

34.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  angekauft.    3328. 

Zwei  Jünglinge  mit  einander  im  Gespräch,  der  eine  leb- 
haft gestikulirend.  Diese  Zeichnung  erinnert  sehr  an  alt- 
griechische  Vasenbilder. 

33.  Astarte,  den  gefundenen  Stern  nach  Tyrus 
tragend.    Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  angekauft.    3313. 

Eine  geflügelte  Frau,  deren  Obertheil  zerstört  ist,  trägt 
mit  beiden  Händen  eine  mit  einem  Stern  verzierte  Kugel. 
Diese  Vorstellung  entspricht  genau  einem  Münztypus,  welcher 
der  Stadt  Marium  auf  Cypern  beigelegt  (de  Luynes,  numis- 
matique  et  inscriptions  Cypriotes  p.  37)  und  auf  den  genannten 
phönicischen  Mythus  bezogen  wird.  Es  ist  jedenfalls  sehr 
interessant,  diesen  phönicischen  Typus  auf  einem  etruscischen 
Spiegel  wiederzufinden.  Doch  ist  dies  nicht  die  einzige  Be- 
rührung zwischen  phönicischer  und  etruscischer  Kunst. 

Neben  der  Figur  befinden  sich  raumfüllende  Ornamente, 
links  eine  Blume  mit  einem  Vogel  darauf,  zur  Recliten  eine 
unbestimmbare  Verzierung,  im  Abschnitt  zwei  sich  schnäbelnde 
Tauben. 

Abg.  Gerhard  I,  36,  2,  von  dessen  Phantasien  ich  nur  die  erwähne, 
dass  er  auf  der  Kugel  (III,  p.  18)  ein  „zum  Pentagramm  verschlungenes 
zwiefaches  Dreieck",  zu  sehen  und  als  ein  „Symbol  der  in  sich  ver- 
schränkten Weltordnung"  betrachten  zu  müssen  glaubt.  Der  fragliche 
Gegenstand  besteht  aber  aus  einer  Kreislinie,  an  welche  sich  Zacken 
anschliessen,  wird  also  als  Stern  bezeichnet  werden  müssen.  Auch  die 
„phrygische  Mütze"  der  Figur  ist  mehr  als  zweifelhaft. 

Dritte  Periode. 

Die  im  Vorstehenden  aufgeführten  Spiegel  gehören  dem 
alterthümlichen  Stil  an,  der  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  fünften 
Jahrhunderts  in  Griechenland  und  vermuthlich  auch  in  Etrurien 
herrschte.     Aus  der  nächstfolgenden  Periode,    als   man   in 


Die  etruscischen  Spiegel.  45 

grossartigem  Stil,  wenn  auch  noch  mit  einiger  Strenge  compo- 
nirte,  sind  mir  keine  Spiegel  bekannt^),  und  ich  gehe  daher 
zu  den  Spiegeln  des  vierten  Jahrhunderts  über,  von  denen  ich 
freilich  mit  einiger  Zuversicht  nur  zwei  anführen  kann,  die 
beiden  schönsten  unter  denen  die  existiren,  den  Telephus-  und 
Semelespiegel.  Auf  dem  ersteren  begegnen  wir  bereits  gewissen 
technischen  Veränderungen,  die  später  so  häufig  vorkonmien^ 
zunächst  nämlich  der  Punktirung  des  Grundes.  Dies  Verfahren 
hat  den  Zweck,  den  hellen  Figuren  eine  matte  Folie  zu  be- 
reiten, auf  der  sie  besser  hervortreten  können,  ähnlich  wie  die 
etruscischen  Goldschmiede,  um  helle  Partien  eines  Geschmeides 
zu  heben,  ihnen  einen  mit  unzähligen  Goldkörnern,  wie  mit 
feinem  Staub  überstreuten  Grund  gaben.  Sodann  werden  von 
jetzt  an,  nicht  immer,  aber  sehr  oft,  die  inneren  Linien,  die 
früher  ganz  wie  der  Contour  gezogen  wurden,  durch  kleine^ 
feine  neben  einander  gesetzte  Parallelstriche  ausgedrückt. 
Gewöhnlich  ist  mit  dieser  Technik  eine  grosse  Häufung  des 
Details  verbunden  und  eben  darin  liegt  ein  unleugbarer  Nach- 
theil. Der  ^dekorative  Charakter,  der  Charakter  der  Umriss- 
zeichnung, geht  verloren.  Man  vergleiche  um  sich  des  Unter- 
schiedes bewusst  zu  werden,  die  beiden  erwähnten  Spiegel,  von 
denen  der  eine,  der  Telephusspiegel,  die  spätere,  der  andere 
die  frühere  Weise  wiedergiebt. 

35.  Die  Heilung  des  Telephus,  in  der  Umgegend  von 
Bomarzo  gefunden.  Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3294. 

Zur  Rechten  sitzt  Telephus  auf  einem  Stein,  das  leidende 
Bein  auf  einen  Schemel  stützend.  Sein  ganzes  Aussehen  macht 
den  Eindruck  des  Leidens,  der  Kopf  ist  gesenkt,  der  linke 
Arm  stützt  den  Körper,  der  reclite  hängt  schlaff  über  das 
Knie  herab.  Neben  ihm  steht  Achill,  mit  einem  sichelförmigen 
Messer  am  Schaft  seiner  Lanze  kratzend,  so  dass  der  Abfall 
auf  die  am  Schenkel  befindliche  Wunde  des  Telephus  fallen 
muss  ^),  und  hinter  diesem  Agamemnon,  der  die  Linke  auf  einen 


1)  Denn  der  bei  Gerhard  Taf.  61  abgebildete  Spiegel,  der  auffallend 
an  Vasenbilder  grossartigen  Stils  erinnert,  ist  nach  meiner  Ansicht  nicht 
acht.  Auch  Gerhard  III,  p.  64  Anm.  3  dachte  an  die  Möglichkeit  einer 
Fälschung. 

2)  Man  muss  annehmen,  dass  der  Künstler  dem  Achill  eine  ganz 
eherne  Lanze  beilegte,  wie  auch  bei  Plin.  Nat.  bist.  84,  152  ange- 
deutet ist. 


36  I^iß  zweite  Periode  der  etruscischen  Spiegel. 

Zeit  die  Profilstellung  vorgezogen,  während  die  Figuren  in 
späterer  Zeit  oft  en  face  gestellt  werden  und  dadurch  freier 
und  gleichsam  losgelöst  vom  Hintergrund  erscheinen. 

Unter  den  Spiegeln  dieser  Periode  finden  sich  nicht  wenige^ 
die  wie  Copien  altgriechischer  Zeichnungen  aussehen.  Der  unter 
n.  24  aufgeführte  Spiegel  mit  der  Darstellung  einer  Bacchan- 
tin könnte  als  ein  altgriechisches  Vasenhild  angesehen  werden 
und  es  dürfte  schwierig  sein,  irgend  etwas  specifisch  Etrus- 
cisches  darin  aufzufinden.  Andererseits  giebt  es  Spiegel- 
zeichnungen von  ganz  specifisch  etruscischem  Charakter,  wovon 
der  unter  n.  17  daher  besprochene  Spiegel  vielleicht  das 
'  schönste  Beispiel  giebt.  Eine  grosse  Härte  und  Eckigkeit  in 
Formen  und  Bewegungen  ist  das  allgemeine  Kennzeichen  dieses 
Styls,  wozu  dann  manches  Einzelne,  z.  B.  eine  gewisse  Schädel- 
form, die  der  ägyptischen  unleugbar  ähnlich  ist,  hinzukonmit 
Und  wie  die  Form,  so  ist  auch  der  Inhalt  der  Darstellungen 
in  dieser  Spiegelclasse  specifisch  national.  Nicht  griechische 
Mythen  nämlich  sind  dargestellt,  sondern  Gegenstände  aus 
dem  etruscischen  Privatleben,  namentlich  Tänzerinnen.  Doch 
stehen  diese  eigentlich  etruscischen  Spiegel  den  mehr  gräci- 
sirenden  in  der  Ausführung  nicht  nach,  sondern  übertreffen 
sie  zum  Theil.  Der  oben  erwähnte  Spiegel  erinnert  in  der 
Feinheit  und  Sauberkeit  seiner  Technik  an  die  schönsten  etrus- 
cischen Skarabäen. 

Wir  führen  nun  zunächst  diejenigen  Spiegel  unserer 
Sammlung  auf,  welche  dieser  Periode,  also  dem  fünften  Jahr- 
hundert angehören  und  schicken  dabei  die  specifisch  etiniscischen 
den  mehr  gräcisirenden  voraus.  Natürlich  giebt  es  dabei  viele 
Mittelstufen,  über  deren  Zutheilung  zur  einen  oder  anderen 
Classe  man  schwanken  kann. 

a)  Die  specifisch  etruscischen  Spiegel  dieser  Periode. 

17.  Etruscische  Tänzerinnen,  schwerer  gegossener 
Spiegel,  wie  sie  gerade  im  älteren  Styl  sehr  gewöhnlich  sind. 
War  vergoldet.  Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben. 
3370. 

Die  Vorstellung  ist  von  strengstem  ornamentalen  Cha- 
rakter und  der  Künstler  hat  auf  die  Bedeutung  der  Figuren 
sichtlich  sehr  geringes  Gewicht  gelegt.  Doch  lässt  sich  be- 
haupten, dass  dieselben  dem  Leben  angehören  und  nach  ihren 
Geberden  als  Tänzerinnen  aufzufassen  sind.    Die  Figuren  so- 


Die  specifisch  etruscischen  Spiegel  dieser  Periode.  37 

wohl  wie  auch  alles  raumfüllende  Beiwerk,  Binden  und  Blumen 
sind  mit  strengster  Symmetrie  componirt  und  das  Ganze  ist 
mit  höchster  Eleganz  und  Sauberkeit  ausgeführt.  Nur  fehlte 
es  dem  Künstler,  der  das  Technische  so  wohl  verstand,  an  dem 
höheren  künstlerischen  Verständniss.  Die  äusseren  Beine  der 
Frauen  sind  ganz  verzeichnet  und  der  Mantel  musste  an 
beiden  Seiten  vom  Kopf  auf  die  Schultern  herabsinken.  Die 
Figuren  erinnern  mit  ihren  fein  verzierten  Gewändern  sehr  an 
gewisse  altetruscische  Wandgemälde  von  Tarquinii.  (Mus. 
Greg.  I,  102). 

Abg.  Gerhard  I,  44,  der  die  Figuren  als  Lasen  (III,  p.  32)  erklärt, 
indem  er  Alles  missversteht. 

18.  Tänzerinnen,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel. 
Aus  Gerhardts  Besitz  1859  erworben.  3353. 

Zwei  Tänzerinnen  mit  Castagnetten  in  den  Händen,  genau 
einander  entsprechend,  umgeben  einen  Jüngling,  der  sich  mit 
einer  derselben  zu  schaffen  macht.  Die  Zwischenräume  der 
Figuren  sind  mit  Reben  und  Blumen  ausgefüllt  Der  Jüngling 
in  der  Mitte  hat  eine  in  der  altetruscischen  Kunst  häufiger 
vorkommende,  der  ägyptischen  ähnliche  Schädelform,  die  ver- 
muthlich  durch  den  Einfluss  ägyptischer  Werke  zu  erklären 
ist.  Auch  hier  ist  die  Verwandtschaft  mit  den  oben  erwähn- 
ten Tarquiniensischen  Wandgemälden  auffallend. 

Im  Abschnitt  Delphine. 

Abg.   Gerhard  1,  [98,   der  das  Bild  als  „bacchische  Einweihung" 
deutet.    III,  p.  100. 

19.  Flötenspieler  mit  Tänzerinnen,  gegossener  und 
vergoldeter  Spiegel,  aus  Gerhardts  Besitz  1859  erworben.  3354. 

Das  Bild  ist  dem  vorigen  sehr  ähnlich  und  rührt  ver- 
muthlich  von  derselben  Hand  oder  wenigstens  Fabrik  her. 

Da  alle  Figuren  nach  derselben  Seite  gerichtet  sind,  so 
scheint  es,  als  ob  eine  Procession  dargestellt  sei.  Wahrschein- 
licher aber  ist  dieser  Umstand  nur  eine  Folge  ungeschickter 
oder  alterthümlicher  Compositionsweise.  Die  Figuren  der 
Tänzerinnen  wiederholen  sich  auf  das  Genaueste. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  99,  der  hier   einen   „Einweihnngszug"   sieht. 
III,  p.  102. 

20.  Kitharspielerin  von  Jünglingen  bewundert, 
gegossener  Spiegel,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 


554 


Alphabetisches  Register. 


Bacchus,  unbedeutende  Statuette 
in  Dresden  771. 

Bacchus,  Broncestatuette  aus  Pom- 
peji 856. 

Bacchus  in  der  WiegeJ,  Terra- 
kottarelief 622. 

Bacchus  bei  Ikarios  780.  M 

Bacchus^  von  Satyrn  gestützt, 
etruscische  Gruppe  986. 

Bacchus  und  Satyrn,  Marmor- 
gruppe  in  Berlin  624. 

Bacchus  und  Hören  76. 

Bacchus  und  Ariadne,  Relief  im 
Vatikan  633. 

Bacchus  und  Viktoria,  Dreifuss- 
basis  aus  Athen  630. 

Bacchus  und  Herkules  auf  einer 
goldnen  Schaale  790. 

Bacchus  imd  die  personificirte 
Rebe  762. 

Bacchussarkophag  785. 

Bacchuspriester,  sog.,  in  München 
59. 

Basis  eines  Dreifusses,  aus  Dres- 
den 75. 

Basis  einer  Statue  mit  alterthüml. 
Reliefs,  aus  Athen  63. 

Basis  mit  Viktorien,  Relief  in 
Athen  570. 

Desgl.  570. 

Baton,sog.,Bronce  in  Tübingen  49. 

Becher,  in  Bonn,  mit  Reliefs  946. 

Becher,  von  Silber,  mit  Reliefs, 
aus  rompeji  891—893. 

Berenice,  sog.,  Broncebüste  869. 

Bias,  sogenannter,  Büste  in  Ma- 
drid 520. 

Borghesischer  Fechter  681. 

Brunnenmündung,  capitoliuische 
69. 

Caelius,  M.,  Grabstein  des  808. 

Cäsar,  Kopf  803. 

Cäsar  und  Augustus,  Relief  von 

Ravenna  806. 
Camillus,  Broncestatue  797. 
Candelaber,  im  Louvre  941. 
Candelaber,   barberinische ,   ihre 

Reliefs  739  ff. 
Candelaber  mit  Silensfiguren,  aus 

Pompeji  876.  877. 
Candelaberbasis  mit  Amoren  779. 


Candelaberbasis  im  capitolin.  Mu- 
seum 638. 
Candelaberstücke  aus  Pompeji  875. 
Canolejus,  Schaale  des  945. 
Capitolinische    Brumienmündimg 

69. 
Carminius,  Grabstein  des  808  Anm. 
Caryatiden,  vom  Erechtheum  324. 
Caryatiden,  römische  732  ff. 
Caryatide  des  Criton  und  Niko- 

laos  733. 
Centaur  mit  Amor  609. 
Centauren  mit  Amoren,  pompeja- 

nische  Reliefs  891.  892. 
Ceres,  sog.,  im  Vatikan  686. 
Choragische  Reliefs  70 — 73. 
!  Cicero,  Büste  802. 
i  Clytie,  sog.,  813. 
:  Colosse  von  Monte  •  Cavallo  104. 
'      105. 

I  Corinna  und  Sappho,  angeblich^ 
Doppelbüste  510. 

Dacier,  Colossalköpfe  829—831. 

Dädalus  und  Ikarus,  Relief  761. 

Dejanira  und  Nessus  (?)  677. 

Dekrete,  mit  Reliefs  verziert  407 
-410. 

Demosthenes,  Statue  im  Vatikan 
513. 

Demosthenes,  sogenannter,  im 
Louvre  514. 

Diana  von  Versailles  665. 

Diana,  Marmorstatue  aus  Pom- 
peji 56. 

Diana,  Broncestatuette  aus  Her- 
kulanum  853. 

Diana,  Torso  im  Vatikan  772. 

Diana  von  Gabii,  sog.  684. 

Diana,  Büste,  von  Gabii,  in  Mün- 
chen, 61. 

Diana,  etruscische  984. 

Diana  und  Apoll  aus  Pompeji 
842.  843. 

Dichterstatue  in  Villa  Borghese 
512. 

Dichter  und  Musen,  Sarkophag788. 

Diogenes  in  Villa  Albani  517. 

Dionysos  s.  Bacchus. 

Dioskuren  von  Monte  Cavallo  104. 
105. 

Diskobol  des  Myron  99 


Alphabetisches  Register. 


555 


Diskobol,  ruhig  stehender,  im  Va- 
tikan 500. 

Domauszieher  501. 

Dorj^phoros,  Statue  in  Neapel 
96.  vgl.  Nachtrag. 

Dreifuss  aus  Pompeji  874. 

Dreifussbasis  aus  Athen  630. 

Dresdener  Basis  75. 

Eber  925. 

Eberjagd,  etruscisch,  970. 

Eimer  aus  Pompeji  und  Herku- 

lanum  896  ff. 
Eleusinisches  Relief  298. 
i:^ndymion  in  Stockholm  722. 
Erechtheum,  Sculpturen  vom  324 

—334. 
Erichthonius,  Geburt  des,  Relief 

im  Vatikan  493. 
Eros  s.  Amor. 
Eule,  aus  Athen  13. 
Eumusia,  Statuette  in  London  774. 
Euripides,    Marmorstatuette    im 

Louvre  505. 
Euripides  und  Sophokles,   DDp- 

pelbüste  504. 

Faruesischer  Stier  571. 

Faun,  barberinischer  656. 

Faun  mit  dem  Flecken  648. 

Faustiua  die  jüngere,  sog.  837. 

Fechter,  borghesischer  ^1. 

Fischer,  Statuette  aus  Pompeji  848. 

Flora,  Farnesische  618. 

Fortuna  —  Isis  ,  Broncestatuette 
860. 

Frauen  neben  einem  Idol  691. 

Fraueubüste,  griechisch,  in  Mün- 
chen 687.  i 

Gallier,  Statuen  in  Venedig  und  i 

Neapel  572  tf.  | 

Gallier,  sterbender,  vom  Capitol  | 

579. 
Gallier  imd  sein  Weib,  aus  Villa 

Ludovisi  580. 
Ganymed,  angeblicher,  in  Florenz 

613. 
Ganymed,  Torso  in  Berlin  612. 
Germauikus,  sog.  693. 
Germanikus,  sogenannter,  Relief 

in  Dresden  807. 


Götterversammlung  an  einem  Al- 
tar im  Capitol  745. 

Göttin,  wagenbesteigende,  Relief 
aus  Athen,  19. 

Grabaltar,  römischer  953. 

Grabstatue,  aus  Andros  443. 

Grabsteine,  griechische,  des  vol- 
lendeten und  späteren  Stils 
357—389. 

Grabsteine,  griechische,  mit  der 
Darstellung  des  Todtenmahles 
385—389. 

Grabsteine,  römische,  808  ff. 

Grabstein  des  Aristion  20. 

Grabstein  aus  Grotta  ferrata  364. 

Grabstein  aus  Neapel,  sog.  Odys- 
seus,  21. 

Grabstein  aus  Orchomenos  22. 

Grabstein  aus  Pompeji  381. 

Grabvase  in  Mtlnchen  361. 

Grazie,  nackter  Torso  in  Tegel  617. 

Grazien,  drei,  79. 

Greisengruppe,  ReUei&agment801. 

Gürtelschloss ,  aus  Herkulanum 
916  ff. 

Harmodios  und  Aristogeiton,  Mar- 
morgruppe 24.  25. 
Harpagosgrab,  Reliefs  vom,  526 — 

567. 
Harpokrates,  Broncestatuette  861. 
Harpyienmonument  27 — 30. 
Hausaltärchen  aus  Pompeji  920. 
Hekate,  Statuette  vom  Capitol  775. 
Hekate,  Broncestatuette  in  Arol- 

sen  862. 
Hektor  und  Troilus,  sog.  731. 
Helena  und  Paris  679. 
Henkel  und  Vasen  aus  Pompeji 

und  Herkulanum  910  ff. 
Hephästuskopf  668. 
Hephäst,  fragmentirtes  Relief  751. 
Hera  s.  Juno. 
Herkulanische  und  pompejanische 

Alterthümer  842  ff. 
Herkules,  Torso  vom  Belvedere 

676. 
Herkules,  Faruesischer  675. 
Herkules,  Büste  aus  Herkulanum 

845. 
Herkules  mit  der  Hindin,  Relief 

in  London  23 


556 


Alphabetisches  Register. 


Herkules  mit  der  Hindin,  Erz- 
gruppe aus  Pompeji  847. 

Herkules  den  Dreifuss  raubend  78. 

Herkules  mit  Amor,  an  einer 
Lampe  890. 

Herkules  imd  Bacchus  auf  einer 
goldnen  Schaale  790. 

Herkules  (?)  und  Nike,  Relief  in 
Athen  495. 

Herkules  und  Minerva,  etrusc. 
Spiegelrelief  985. 

Herkulesdarstellungen  an  einer 
Marmorscheibe  943. 

Hermaphrodit,  borghesischer  614. 

Hermaphrodit,  Torso  615. 

Hermaphrodit  und  angebliche 
Muse,  capitolin.  Relief  616. 

Herme,  dem  Herkules  ähnlich 
728. 

Herme,  vierköpfig  965. 

Hermes  s.  Merkur. 

Herodot  und  Thucydides,  Doppel- 
büste 516. 

Heros,  jugendlicher,  Büste  aus 
Madrid  102. 

Hestia  s.  Vesta. 

Hippokrates,  sogenannter,  Büste 
in  Madrid  521. 

Hippolyt,  der  heil.,  Statue  841. 

Hirsch,  Trauben  fressend,  932. 

Hirtenknabe,  Broncestatuette  in 
Arolsen  867. 

Hirtin  mit  Böcklein,  Statue  799. 

Hochzeit  des  Zeus  und  der  Hera, 
Relief  in  Villa  Albani  65. 

Homer,  Büste  in  Potsdam  507. 

Homer,  Büste  in  London  508. 

Homer,  seine  Apotheose,  Marmor- 
relief 736. 

Homer,  seine  Apotheose,  Silber- 
becher aus  Herknlanum  894. 

Himd,  sitzender  926. 

Hundegruppe  im  Vatikan  927. 

Hypnos,Broncekopfin  Neapel  450. 

Hypnos,  Marmorstatue  in  Madrid 

Jason,  sog.  666. 

Ikarus  und  Dädalus,  Relief  761. 
Hdefonso,  Gruppe  von  754. 
Inopus,  Statue  in  Paris  454. 
Iphigenie   auf  der  Mediceischen 
Marmorvase  778. 


Isis-Fortuna,  BroncesJtatuette  860. 

Isispriesterin  798. 

Jüngling,  nackter,  Broncestatuette 
in  Bonn  866. 

Juno,  Statue  in  Wien  434. 

Juno,  Farnesische  Büste  89. 

Juno,  Büste  in  Villa  Ludovisi  433. 

Junokopf,  kleiner,  in  Villa  Ludo- 
visi 661. 

Junokopf  im  Vatikan  662. 

Juno,  Relief  an  einem  Candelaber 
739. 

Juno  und  Thetis  777. 

Jupiter  s.  Zeus. 

Kalender  in  Bildern,  aus  Athen 
789. 

Kaly donische  Jagd,  Terrakottare- 
lief in  Berlin  498. 

Kannen  aus  Pompeji  und  Herkn- 
lanum 896  ff. 

Knabe  mit  der  Gans  987. 

Knabe  mit  dem  Krug  796. 

Knäbchen  mit  der  Ente  795. 

Knieende  Figur  in  barbarischer 
Tracht,  Broncestatuette  in  Arol- 
sen 868. 

Kuöchelspielerin  689. 

Köpfe,  weibliche,  unbestimmbar 
695.  696. 

Kopf,  männlicher,  idealer,  in  Pa- 
ris 453. 

Kopf,  weiblicher,  idealer,  in  Ma- 
drid 452. 

Korybanten  und  Satyr,  Relief  im 
Vatikan  Q42. 

Krieger,  ruhender,  in  Villa  Lu- 
dovisi. 683.  ♦ 

Kriegsscene ,  alterthüml.  Relief 
aus  Athen  64. 

Krim,  Denkmäler  aus  der  698  ff. 

Krüge  aus  Pompeji  und  Herkn- 
lanum 896  ff. 

Kuh  mit  ihrem  Kalb  931. 

Lampe  in  Arolsen  890. 

Lampen  aus  Pompeji  und  Herku- 

lanum  885  ff 
Lampengestell  aus  Pompeji  884. 
Laokoon  716. 

Laokoon,  Kopf  in  Brüssel  717. 
Laokoonsrelief  718. 


Alphabetisches  Register. 


557 


Leda  mit  dem  Schwan,  Marmor- 
relief 607. 

Leukothea,  sogenannte  in  Mün- 
chen 411.  vgl.  Nachtrag. 

Leukothea ,  sog. ,  Grabrelief  in 
Villa  Albani  31. 

Löwe,  im  Palast  Barberini  924. 

Löwe  einen  Stier  zerfleischend  930. 

Löwen,  etriiscisch  970. 

Löwenmss ,  geflügelt ,  aus  dem 
Theater  zu  Pompeji  963. 

Löwenthor  von  Mykenä  1. 

Lucius  Verus,  Triumph  des,  Re- 
lief 839. 

Lysikratesdenkmal ,  Kelief  vom, 
476—492. 

Mädchen  sich  ankleidend  684. 

Mädchen  mit  der  Muschel  688. 

Mädchen,  Wasser  holend  685. 

Mänade  s.  Bacchantin. 

Männlicher  Kopf  auf  der  Biblio- 
thek in  Paris  453. 

Marathonische  Vasen,  sog.  361. 
362.  369—371. 

Marmorscheibe  mit  bacchischen 
Masken  942. 

Marmorscheibe  mit  Herkulesdar- 
stellungen 943. 

Marmorvase  mit  bacchischen  Fi- 
guren, im  brit.  Mus.  641. 

Mars  Borghese  720. 

Mars^,  Kopf'  in  München  721. 

Mars  in  Villa  Ludovisi  436. 

Mars,  Relief  an  einem  Candelaber 
739. 

Mars  und  Rhea  Silvia,  Relief  auf 
einem  Becher  946. 

Mars  und  Venus,  auf  der  Ära 
Casali  791ff. 

Marsyas,  Torso  in  Berlin  659. 

Masken,  bacchische  968. 

Desgl.  942. 

Masken,  tragische  und  komische 
967. 

Masken,  Relief  aus  Athen  966. 

Mausoleum,  Reliefs  vom,  457 — 
475. 

Medea  mit  den  Töchtern  des  Be- 
llas, Relief  494. 

Mediceische  Marmorvase  in  Flo- 
renz 778. 


Meduse  Rondanini  672. 

Meduse  in  Cöln  773. 

Meduse,  Terrakotta  aus  Athen 
12. 

Meduse,  etruscisch  970. 

Meerdämonen  und  Amoren,  Sar- 
kophag 787. 

Meergott,  Hermenbüste  im  Vati- 
kan 727. 

Melpomene,  Statue  im  Louvre 
723. 

Menander  und  Aristophanes,  Dop- 
pelbüste 509. 

Menelaus  mit  der  Leiche  des  Par 
troklus  430.  431. 

Merkur,  Statue,  im  Belvedere  441. 

Merkur,  Statue,  aus  Melos  442» 

Merkur,  Statue  in  Florenz  667. 

Merkur,  unter  dem  Namen  Jason 
bekannt  666. 

Merkur,  aus  Herkulanum  844. 

Merkur,  Relief  an  einem  Cande- 
laber 739. 

Merkur  mit  dem  Bacchuskind,, 
angeblich,  300. 

Merkur  (?),  Relief  aus  Athen  18. 

Minerva  s.  Pallas. 

Minotaur,  etruscisch  970. 

Moiren  s.  Parzen. 

Moldau,  Denkmäler  aus  der  713. 
714. 

Muse,  angebliche,  und  Hermaphro- 
dit, capitolin.  Relief  616. 

Musen  und  Dichter,  Sarkophag 
788. 

Musius,  Grabstein  des,  808  Anm. 

Mykenä,  Löwenthor  1. 

Myron,  Werke  des,  99.  100. 

Nemesis  669. 

Neptun,  sein  Thron  mit  Amoren 

747. 
Nereiden  auf  Seepferden  765.  766. 
Nereidenmonument,  Reliefs  vom, 

526—567. 
Nero,  Kopf  814. 
Nessus  und  Dejanira  (?)  677. 
Nike  s.  Viktoria. 
Nil,  Statue  719. 
Niobiden,  Gruppe  in  Florenz  412 — 

429. 
Niobidensarkophag  784. 


Q  Der  künstierische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe. 

dem  auch  menschliche  Köpfe  zu  Brunnenmündungen  benutzt, 
doch  erinnere  ich  mich  nur  Köpfe  von  Wasserdämonen,  nament- 
lich Silenen,  in  solcher  Verwendung  gesehen  zu  haben.  Etwas 
Singuläres  ist,  dass  zwei  Quellen  in  der  Nähe  von  Coronea 
einen  Ausguss  in  der  Form  weiblicher  Brüste  hatten,  indem 
das  Wasser  wie  die  Milch  der  Quellnymphen  dargestellt 
wurde  ^).  Aehnliche  Motive  findet  man  an  Brunnen  der  Renais- 
sance, z.B.  an  dem  Brunnen  neben  der  Lorenzkirche  in  Nürn- 
berg, wo  das  Wasser  freilich  nicht  aus  den  Brüsten  von 
Nymphen,  sondern  von  allegorischen  Gestalten  herausfliesst. 

Wir  betrachten  nun  weiter  die  Verwendung  ganzer 
Figuren  für  tektonische  Zwecke  und  beginnen  mit  einigen 
Schmuckgegenständen,  die  besonders  sinnig  erfunden  sind.  Die 
goldnen  Ohrringe,  die  uns  aus  dem  Alterthum  erhalten,  sind, 
wie  überhaupt  die  zum  Hängen  bestimmten  Geräthe,  z.  B.  Ge- 
wichte, oft  in  Form  von  Eicheln  oder  ähnlichen  Dingen,  die 
man  sich  als  hängende  Körper  denkt,  gebildet,  sehr  oft  aber 
sind  es  auch  geflügelte  Figuren  in  sch^^ebender  Stellung.  Die 
Sirene,  der  vom  Adler  geraubte  Ganymed  und  die  Viktoria 
sind  in  dieser  Weise  zu  Ohrringen  benutzt,  besonders  häufig 
aber  ist  ein  kleiner,  schwebender  Amor.  Wie  nothwendig  ist 
an  dieser  Stelle  die  geflügelte  Figur  und  wie  anmuthig  schel- 
misch, dass  es  ein  kleiner  Amor  ist!  Die  goldenen  und 
broncenen  Armringe,  auch  Fingerringe  sind  oft  in  Form  von 
Schlangen  gebildet  und  die  ersteren  hiessen  auch  „Schlangen", 
man  wird  auch  hier,  wo  es  sich  darum  handelt,  ein  Glied  zu 
umringein,  das  Treffende  der  Analogie  nicht  verkennen,  nur 
ist  die  Schlange  am  Arm  für  unsere  Empfindung  weniger  an- 
sprechend, als  für  die  Griechen,  denen  das  Thier  im  Ganzen 
vertrauter  war. 

Am  häufigsten  aber  ist  Griff  und  Stütze  der  Geräthe 
figürlich  gestaltet.  Pfannen  und  Krüge  und  Geräthe  der  ver- 
schiedensten Art  sind  oft  mit  Griffen  oder  Henkeln  in  mensch- 
licher und  thierischer  Form  versehn  und  es  ist  interessant  zu 
verfolgen,  wie  die  Gestalten  behandelt  sind,  um  ihrem  tekto- 
nischen  Zweck  zu  entsprechen.  Eine  Figur,  die  einen  Pfannen- 
stiel bilden  soll,  muss  möglichst  ausgereckt  werden  und  die 
Glieder  zusammengeschlossen  haben,  um  griffförmig  auszusehn. 
Auch  ist  es  selbstverständlich,  dass  bekleidete  Figuren  schlicht 


^)  Pausan  IX,  34,  4.     Vgl,    das    Geföss    in   der  Isisprocession  bei 
Apulejus  Metam.  XI,  p.  768  ff. 


k 


Der  kimstierische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe.  7 

und  einfach  gehalten  sind,  damit  sich  der  Griff  unterordne  unter 
das  Ganze.  Andrerseits  findet  man  an  den  Figuren,  welche 
ohen  auf  den  etruscischen  Gandelabem  angebracht  sind  und 
als  Griff  dienen,  woran  der  Candelaber  emporgehoben  und  ge- 
tragen werden  kann,  die  Arme  sehr  häufig  in  irgend  einer 
Weise  vom  Körper  gelöst,  damit  die  Hand  des  Anfassenden 
sich  eben  unter  die  abstehenden  Arme  lege  und  so  das  Geräth 
auf  die  bequemste  Weise  trage.  Die  Deckel  der  etruscischen 
Toilettenkasten  haben  oft  Henkel,  welche  aus  Gruppen  von 
zwei  oder  drei  Figuren  bestehen,  die  mit  den  Armen  sich  be- 
rühren, während  die  untern  Theile  der  Körper  von  einander 
entfernt  sind,  so  dass  die  Hand  nur  unter  die  verschlungenen 
Arme  zu  greifen  braucht,  um  den  Deckel  leicht  und  bequem 
abzuheben.  Oder  es  wird  der  Griff  an  diesem  und  anderen 
Geräthen  durch  eine  gekrümmte  Figur  gebildet,  die  aber  nicht 
bloss  gezwungen,  nämlich  um  dem  tektonisch  Nothwendigen  zu 
genügen,  diese  Stellung  angenommen  hat,  sondern  auch  in  einem 
Motiv  dargestellt  ist,  für  welches  die  angenommene  Stellung 
natürlich  erscheint,  es  sind  nämlich  seiltänzerartige  Figuren, 
die  so  aussehn  als  wären  sie  im  Begriff  kopfüber  zu  schlagen. 

Was  die  Stützen  der  Geräthe  betrifft,  so  stehn  manche 
Geräthe  oder  Geräththeile,  Dreifüsse,  Spiegel  und  andere,  auf 
dem  festen  Kücken  von  Schildkröten,  deren  angemessene  Ver- 
wendung unmittelbar  einleuchtet.  Auffallend  erscheint  dagegen 
die  Verwendung  des  Frosches  an  derselben  Stelle,  die  aber 
gewiss  als  ein  Ausfluss  des  Handwerkerhumors  aufzufassen  ist 
Man  darf  dies  daraus  schliessen,  dass  die  armen  Thiere  manch- 
mal ganz  platt  gedrückt  sind  unter  ihrer  Last 

Die  Füsse  der  Geräthe  werden  sehr  oft  durch  geflügelte 
Figuren  gebildet,  wobei  aber  nicht  immer  solche  Figuren  ge- 
wählt werden,  denen  die  Flügel  habituell  sind.  An  der  be- 
rühmten Dresdener  Basis  (Bd.  I,n.  75)  kommen  z.B.  geflügelte 
Silene  vor,  und  es  ist  dies  ein  deutlicher  Beweis,  dass  man 
sich  vor  mythologischen  Inkorrektheiten  nicht  scheute,  wo 
tektonische  Forderungen  zu  erfüllen  waren.  Denn  die  Flügel 
sind  an  dieser  Stelle  durchaus  nothwendig,  weil  sie  den  Winkel 
zwischen  Figur  und  Geräth  ausfüllen  und  dadurch  erst  den 
harmonischen  Zusammenschluss  von  beiden  ermöglichen. 

In  den  figürlich  gestalteten  Stützen  der  Geräthe,  z.  B. 
der  Spiegel,  Th}Tniaterien  und  Candelaber,  wiederholt  sich  im 
Kleinen  dieselbe  Erscheinung,  wie  bei  der  Karyatide  im 
Grossen,  nur  dass  die  strengeren  Stylgesetze,  die  bei  der  letz- 


9  Der  kanstlerische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe. 

teren  nothwendig  sind,  in  der  leichteren,  beweglicheren  Welt 
der  Geräthe  nicht  immer  befolgt  werden.  Die  Candelaber  und 
Thymiaterien  sind  in  dieser  Beziehung  am  instructivsten,  die 
bald  von  karyatidenartig  streng  componirten  Figuren  gestützt, 
bald  aber  von  lustig  bewegten,  tanzenden  Figuren  leicht  und 
graziös  auf  dem  Kopfe  balancirt  werden. 

Dies  mag  hier  genügen  um  die  sinnvolle  Dekoration  der 
antiken  Geräthe  durch  organische  Formen  anzudeuten.  Dass 
sich  auch  manches  Barocke  findet,  wird  Niemand  wundem  und 
namentlich  sind  die  Lampen  reich  an  willkürlichen,  seltsamen 
Erfindungen,  wie  wenn  sie  in  Form  eines  menschlichen  Fusses, 
einer  Ente,  eines  Elephantenrüssels  u.  s.  w.  gebildet  sind. 
Aber  im  Allgemeinen  ist  der  künstlerisclie  Charakter  der 
antiken  Geräthe  unverkennbar  und  in  seiner  Wirkung  auf  die 
Bildung  des  Geschmacks  nicht  zu  unterschätzen.  Denn  man 
darf  nicht  glauben,  dass  die  figürliche  Dekoration  etwa  nur 
bei  einzelnen,  theuren  Geräthen  angewandt  und  daher]  nur 
den  Reicheren  zu  Gute  gekommen  sei,  man  vergleiche  nur  die 
Spiegelgriffe  oder  die  Schöpflöffel,  die  fast  immer  in  Thier- 
köpfe  auslaufen,  oder  die  älteren  etruscischen  Candelaber,  die 
ja  in  reicher  Anzahl  erhalten,  und  auch  fast  immer  mit  zier- 
lichen Figuren  geschmückt  sind. 

In  der  vorstehenden  Erörterung  ist  die  Dekoration  der 
Geräthe  aus  dem  allgemeinen  Princip  der  Belebung  des 
mechanisch  Gewordenen  durch  organische  Formen,  deren  Wahl 
sich  nach  Zweck  oder  Form  des  Geräths  richte,  abzuleiten  ge- 
sucht. Es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  in  einzelnen 
Fällen  auch  noch  andere  Gründe  auf  die  Wahl  der  Ornamente 
Einfluss  gehabt  haben.  Wenn  der  Pompejaner  Vaccula  die 
von  ihm  in  die  Thermen  gestifteten  Geräthe  mit  Kuhköpfen 
verzierte,  so  ist  der  Grund  sofort  klar,  es  ist  aber  ebenso 
klar,  dass  dieser  Fall  vereinzelt  steht.  Häufiger  mag  die 
Dekoration  eines  Geräths  durch  abergläubische  Rücksichten 
veranlasst  sein^  die  Armbänder  in  Schlangenform  haben  gewiss 
auch  den  Werth  eines  Amulets  gehabt,  da  die  Schlange  ein 
sehr  gewöhnliches  Schutzsymbol  gegen  Zauber  und  bösen  Blick 
war.  Allein  dies  sind  einmal  doch  nur  ganz  bestimmte 
Symbole,  und  zudem  wird  man  auch  in  diesen  Fällen  darauf 
Bedacht  genommen  haben,  dass  das  Symbol  den  sonst  zu  neli- 
menden  Rücksichten  nicht  hinderlich,  sondern  eher  förderlich 
wurde.  Die  Rücksichten  aber,  die  in  der  Fabrikation  der  Ge- 
räthe vor  Allem  maassgebend  sind,  bleiben  immer  und  überall 


Der  künstlerische  Charakter  der  antiken  Metall-Geräthe.  9 

dieselben,  es  ist  einerseits  die  praktische  Tauglichkeit  und 
andererseits  die  Gefälligkeit  der  Erscheinung.  Der  Künstler 
geht  weiter  als  der  Fabrikant,  er  ist  nicht  mit  der  blossen 
Gefälligkeit  seiner  Ornamente  zufrieden,  sondern  strebt  auch 
danach,  sie  bedeutsam  zu  machen,  es  ist  etwas  Anderes  ob 
Phidias  einen  Sessel  für  den  olympischen  Zeus  oder  ob  ein 
Fabrikant  einen  einfachen  Lehnstuhl  verfertigt.  Aber  die  Ge- 
räthe  die  wir  in  unseren  Museen  haben,  sind  ja  eben  Fabrik- 
arbeit und  es  hiesse  den  Fabrikanten  zu  viel  zutrauen,  wenn 
man  in  der  Omamentirung  der  Geräthe  allerhand  verborgene 
Anspielungen  suchte. 

Zum  Schluss  dürfen  wir  nicht  vergessen  darauf  aufmerk- 
sam zu  machen,  dass  die  Dekoration  der  Geräthe,  die  wir  im 
Obigen  zu  charakterisiren  versuchten,  nicht  etwa  eine  Erfin- 
dung, sei  es  der  Griechen  oder  Etrusker,  ist,  sondern  lange 
vorher  und  im  Wesentlichen  nach  denselben  Principien  schon 
in  der  assyrischen  und  ägyptischen  Kunst  geübt  wurde.  Es 
ist  oft  überraschend  zu  beobachten,  wie  sich  in  den  Geräthen 
der  Griechen  und  Etrusker  Motive  der  Aegypter  und  Assyrer 
wiederholen.  Unter  den  ägyptischen  Geräthen  findet  man 
z.  B.  oft  eine  Schaale,  deren  Griff  durch  eine  ausgestreckte 
Figur  gebildet  wird,  welche  die  Schaale  gleichsam  präsentirend 
hinstreckt,  ganz  dasselbe  Motiv  kommt  in  etruscischen  Broncen 
vor.  Die  Assyrer  verzierten  die  Spitze  der  Deichsel  oder  der 
Lehnen  an  Thronsesseln  in  derselben  Weise,  wie  oben  erwähnt 
wurde,  auch  finden  wir  bei  ihnen  figürlich  als  Thiere  gestaltete 
Gewichtstücke. 

Es  wird  schwer  sein,  in  einzelnen  gegebenen  Fällen  über 
die  Erfindung  oder  Entlehnung  eines  Motivs  zu  entscheiden, 
im  Ganzen  und  Grossen  aber  haben  wir  offenbar  eine  Ueber- 
tragung  von  Volk  zu  Volk  anzunehmen,  und  die  Anfänge 
dieser  in  sich  so  natürlichen  und  verständlichen  Dekorations- 
weise sind  gewiss  in  noch  ganz  primitiven  Zuständen  zu 
suchen  ^), 

1)  Es  braucht  kaum  bemerkt  zu  werden,  dass  in  dieser  allgemeinen 
Einleitung  nur  die  niedere  Ornamentik,  wenn  ich  so  sagen  darf,  die 
sich  in  der  Bildung-  tektonisch  nothwendiger  Theile  des  Geräthes  kund 
giebt,  berührt  worden  ist.  Die  höhere  Ornamentik,  deren  Gebiet  da 
beginnt,  wo  Bilder  oder  Reliefs  ganz  unabhängig  von  tektonischen 
Rücksichten  dem  Gefäss  angefügt  werden,  wird  iu  dem  von  den  be- 
malten Vasen  handelnden  Bande  dieses  Werks  im  Zusammenhang  er- 
örtert werden.  Soweit  sie  für  die  Broncen  in  Betracht  kommt,  z.  B. 
für  die  Spiegel,  ist  darüber  an  den  betreffenden  Stellen  gehandelt. 


10  Zur  Geschichte  der  Erzarbeit. 


II.    Zur  Qeschichte  der  Erzarbeit. 

Bei  der  Dürftigkeit  des  Materials  können  wir  nur  wenig 
sagen.  An  schriftstellerischen  Nachrichten  besitzen  wir  näm- 
lich nur  einzelne  zufällige  Notizen  und  an  Denkmälern  hat 
wenigstens  Griechenland  bis  jetzt  ausserordentlich  wenig  ge- 
liefert. Um  so  reicher  sind  wir  freilich  an  etruscischen  und 
unteritalischen  Erzarbeiten  aus  verschiedenen  Perioden  und 
an  römischen  Broncen  aus  Herkulanum  und  Pompeji. 

Die  verschiedenen  Perioden  unterscheiden  sich  sowohl  in 
der  Technik  als  im  Stil.  Der  Technik  nach  zerfallen  alle  Erz- 
arbeiten zunächst  in  getriebene  und  gegossene.  Es  giebt  eine 
grosse  Menge  etruscischer  Gefasse,  an  welchen  kein  Theil  ge- 
gossen ist,  auch  kleine  getriebene  Figuren  existiren,  wenn  auch 
in  geringer  Anzahl.  An  sich  ist  es  nicht  nothwendig,  dass 
solche  Werke  älter  seien  als  diejenigen,  an  denen  ein  Theil 
oder  das  Ganze  gegossen  ist,  indess  fehlt  es  fast  nirgend  an 
Nebenumständen,  die  eine  Entscheidung  über  das  Alter  er- 
lauben.. Wo  z.  B.  eine  hohe  Alterthümlilchkeit  des  Stils  mit 
dieser  Technik  verbunden  ist,  da  darf  man  das  Werk  in  eine 
dem  Erzguss  vorangehende  Zeit  setzen. 

Die  meisten  der  getriebenen  Broncegeräthe  die  wir  be- 
sitzen, verrathen  ihr  hohes  Alter  noch  durch  eine  andere, 
gleichfalls  technische  Besonderheit,  nämlich  durch  den  Mangel 
der  Löthung.  Was  später  angelöthet  wird,  z.  B.  der  Henkel, 
ist  hier  genietet.  Dies  ist  die  Verfahrungsweise  der  home- 
rischen Zeit,  die  erst  im  siebenten  oder  sechsten  Jahrhundert 
durch  die  Erfindung  des  Lothes  verdrängt  sein  soll.  Das 
etruscische  Museum  des  Vatikans  ist  ganz  besonders  reich  an 
solchen  Arbeiten,  glücklicherweise  fehlen  sie  auch  bei  uns 
nicht  ganz  und  wir  werden  in  dem  Abschnitt  über  die  Grab- 
vasen uns  näher  mit  ihnen  beschäftigen. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  uns  erhaltenen  Broncearbeiten 
gehört  in  die  Zeit  des  Erzgusses.  Die  Figuren  sind  mit 
wenigen  Ausnahmen  gegossen  und  an  den  Geräthen  sind  immer 
wenigstens  einzelne  Theile,  namentlich  der  Henkel,  in  dieser 
Weise  hergestellt.  Die  Griechen  vindiciren  sich  die  Erfindung 
des  Erzgusses,  die  etwa  in  der  50sten  Olympiade  gemacht  sei, 
doch  ist  nur  das  ihr  Verdienst,  eine  Erfindung  Aegyptens  zur 
höchsten  künstlerischen  Ausbildung  gebracht  zu  haben,  denn 


Zar  Geschichte  der  Erzarheit.  11 


m 


der  Erzguss  war  in  Aegypten  schon  im  vierzehnten  Jahrhun- 
dert bekannt^).  Doch  glaube  ich  nicht,  dass  Griechen  und 
Etrusker  den  Erzguss  direkt  von  den  Aegyptern  entlehnten, 
vielmehr  kam  er  ihnen  nach  aller  Wahrscheinlichkeit  aus 
Assjrrien  zu,  wo  er  ebenfalls  früher  bekannt  war,  als  die 
classische  Tradition  angiebt.  Denn  es  findet  zwischen  einigen 
gegossenen  Alterthümern  aus  Ninive  und  einigen  uralten 
etruscischen  und  griechischen  Broncen  eine  Uebereinstimmung 
statt,  die  auf  einen  Zusammenhang  deutet.  Unter  jenen  näm- 
lich befinden  sich  die  Füsse  eines  Thronsessels,  die  aus  eisen- 
gefüllter gegossener  Bronce  bestehen  2),  und  eben  dieselbe 
Technik,  die  Ausfüllung  der  Bronce  mit  geschmolzenem  Eisen 
finden  wir  in  altetruscischen  Werken.  Mehreres  dieser  Art 
befindet  sich  im  britischen  Museum,  wir  erwähnen  das  Kohlen- 
becken aus  dem  berühmten  Funde  der  PoUedrara  bei  Vulci, 
das  mitsammt  den  verzierenden  Pferdeköpfen  aus  bronce- 
bekleidetem  Eisen  besteht^)  und  eine  Venus  unteritalischen 
Fundorts,  die  kürzlich  von  A.  Castellani  an  das  Museum  ver- 
kauft ist.  Auch  an  der  berühmten  Wölfin  des  Capitols  sind, 
wenn  wir  uns  recht  entsinnen,  einzelne  Theile,  nämlich  die 
Beine  und  Zitzen  mit  Eisen  ausgefüllt. 

Die  ältesten  Broncefiguren  sind  immer  massiv,  sei  es  dass 
man  sie  massiv  gegossen  oder  mit  Eisen  ausgefüllt  oder  auch 
aus  Barren  herausgearbeitet  hat*),  und  die  ganz  kleinen 
Figuren  sind  auch  später  wohl  immer  massiv.  Denn  bei  ihnen 
wäre  die  Erspamiss  an  Material  verhältnissmässig  gering  ge- 
wesen, während  die  Arbeit  beim  Hohlguss  unverhältnissmässig 


*)  Ich  hatte  mich  wegen  des  Alters  der  kleinen  ägyptischen  Broncen 
die  durchgehends  gegossen  sind,  vergebens  an  mehre  Aegyptologen 
um  präcise  Auskunft  gewandt,  bis  ich  Herrn  Prof.  Lepsius  davon  sagte, 
der  mir  dann  zu  meiner  grössten  Freude  eine  dem  hiesigen  Museum 
angehörige,  mit  Inschrift  versehene  Statuette  des  grossen  Ramscs  aus 
dem  vierzehnten  Jahrhundert  zeigte,  die  in  schönstem  Hohlguss  ausge- 
fiihrt  ist. 

^  Vgl.  Sem  per  der  Stil  I,  234.  Ich  selbst  habe  sie  auch  im 
britischen  Museum  genau  betrachtet. 

3)  Bullet.  1839,  p.  71. 

*)  F.  Lenormant  bemerkt  von  einer  sehr  alten  Pallasstatuette  in 
der  Archaeol.  Ztg.  1867  p.  121,  sie  sei  fondue  en  plein  ou  plutöt 
eucore  d^gagöe  au  ciselet  et  ä  la  lime  dans  uu  lingot,  exactement 
comme  le  peiit  nombre  d'autres  bronces  grecs  des  plus  anciennes  epo- 
ques  que  nous  connaissons,  wozu  er  dann  die  Polykratesbronce  in 
Petersburg  und  die  von  Vischer  Nuove  memoire  dell  instit.  tav.  12 
publicirten  anfährt. 


"12  Zui"  Geschichte  der  Erzarbeit. 

gross  war.  Die  grösseren  Broncen  der  späteren  Zeit  sind  da- 
gegen immer  hohl,  schon  unter  dem  Bauschutt  des  Parthenon 
hat  sich  bei  Gelegenheit  des  Museumsbaus  auf  der  Aki*opolis 
zusammen  mit  mehreren  massiv  gegossenen  kleinen  Figuren 
ein  etwas  grösserer  hohl  gegossener  Apollokopf  gefunden. 
Man  goss  die  Figuren  stückweise,  wie  die  Darstellung  der 
Erzgiesserei  auf  einer  dem  fünften  Jahrhundert  angehörigen 
Vase  des  hiesigen  Museums  und  erhaltene  Broncen  beweisen. 
Eine  etwa  lebensgrosse  Broncefigur  des  britischen  Museums 
besteht  aus  9  Stücken  i),  eine  der  herkulanischen  Mädchen  in 
Neapel  ist  aus  7,  eine  andere  aus  10  Stücken  zusammenge- 
setzt 2).  Die  erst  erwähnte  Statue  ist  auch  ein  Beweis  für  die 
ausserordentliche  Dünnheit  des  Gusses,  die  den  Alten  möglich  war, 
da  sie  vor  ihrer  nicht  erheblichen  Restauration  nur  69  Pfund 
wog.  Auch  der  betende  Knabe,  die  Perle  des  hiesigen  Museums, 
ist  so  leicht,  dass  er  von  einem  Mann  bequem  getragen  werden 
kann,  während  die  neben  ihm  aufgestellte  gleich  grosse 
römische  Broncestatue  aus  Xanten  durch  vier  Mann  trans- 
portirt  werden  musste. 

Hinsichtlich  des  Stils  zerfallen  alle  erhaltenen  Geräthe 
in  zwei  Classen,  die  zugleich  historischen  Perioden  entsprechen. 
Es  ist  der  grosse  Gegensatz  von  Stil  und  Natur,  von  Strenge 
und  Freiheit,  der  sich  auf  allen  Gebieten  der  Kunst  wieder- 
holt und  auch  hier  eine  durchgreifende  Trennung  macht.  An 
dem  Beispiel  des  Candelabers  tritt  dieser  Unterschied  am 
augenfälligsten  hervor.  Während  nämlich  der  Schaft  an  den 
älteren  Candelabern  einer  cannelirten  Säule  ähnlich  ist,  haben 
jüngere  Canrlelaber  oft  die  Form  von  Schilfrohr  oder  Bäumen, 
ahmen  also  unmittelbar  ein  von  der  Natur  gegebenes  Motiv 
nach.  Jene  sind  ideal,  diese  realistisch,  jene  streben  nacli 
dem  Einfachen,  Ernsten,  Edlen,  diese  nach  dem  Reichen,  Hei- 
tern und  Sinnlichen,  Der  innere  psychologische  Grund  für 
den  Uebergang  von  der  einen  Art  zur  anderen  liegt  in  der 
ethischen  Stimmung  der  verschiedenen  Zeiten  begründet;  hier 
muss  es  genügen,  hervorzuheben,  dass  jede  in  Sitte  und  Denk- 
weise mehr  üppige  und  luxuriöse  Zeit  der  realistischen  Weise 
den  Vorzug  geben  wird.  Wann  dieser  Uebergang  eingetreten, 
vermögen  wir  ziemlich  genau  zu  bestimmen.  Dass  bereits  vor 
Alexander  realistisch  gebildete  Geräthe  üblich  waren,  beweist 


1)  Bull.  delF  inst.  1840  p.  111. 

2)  Mus.  borb.  II.  zu  tav.  VII. 


Zar  Geschichte  der  Erzarbeit.  23 

die  interessante  Notiz  des  Plinius  ^)  von  einem  im  Tempel  des 
Palatinischen  Apollo  befindlichen  Candelaber,  der  einem  mit 
Lampen  wie  mit  Früchten  behangenen  Baum  glich  und  von 
Alexander  dem  Grossen  bei  der  Zerstörung  Thebens  erbeutet 
war.  Ja  schon  von  Kallimachos,  einem  Künstler  aus  der  Zeit 
des  peloponnesischen  Kriegs,  wird  berichtet;  dass  er  über  der 
goldenen  Lampe  im  Erechtheum  einen  Eauchfang  in  Gestalt 
eines  Palmbaums  verfertigt  habe^).  Aber  viel  früher  wird 
auch  der  Uebergang  ins  Realistische  nicht  stattgefunden 
haben,  wie  wir  vor  Allem  aus  den  architektonischen  Orna- 
menten schliessen  dürfen.  Denn  erst  im  korinthischen  Stil, 
also  nicht  vor  dem  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  werden 
die  Ornamente  realistisch  gebildet,  während  sie  früher  abstraft 
gehalten  sind  ohne  das  lebendige  Spiel  der  Naturformen  nach- 
zuahmen. 

Wir  versuchen  nun,  die  Kunstindustrie  der  drei  hier  in 
Betracht  kommenden  Völker,  der  Griechen,  Etrusker  und 
Römer  etwas  näher  zu  charakterisiren,  und  knüpfen  dabei  an 
das  eben  Gesagte  an,  indem  wir  den  Geräthen,  die  wir  von 
Griechen  und  Etruskern  besitzen,  im  Grossen  und  Ganzen 
einen  mehr  idealistischen,  den  römischen  dagegen  einen  vor- 
wiegend realistischen  Charakter  beilegen.  Diese  Verschieden- 
heit der  Geschmacksrichtung  tritt  gleich  in  der  Technik  am 
deutlichsten  hervor.  Bei  Griechen  und  Etruskern  nämlich 
(lominirt  entschieden  das  gemalte  oder  gezeichnete  Ornament, 
und  wenn  Reliefverzierung  gewählt  wird,  so  ist  das  Relief 
flächenartig  gehalten,  die  Römer  dagegen  wählen  mit  einseitiger 
Vorliebe  das  Relief  und  zwar  das  runde  Relief,  das  die  Dinge 
in  ihrer  vollen  Körperlichkeit  imitirt.  Die  griecliische  Vasen- 
malerei stirbt  unter  römischem  Einfluss  ab,  ebenso  die  Metall- 
zeichnung die  besonders  in  Etrurien  blühte,  und  die  Relief- 
verzierung tritt  in  Thon-  und  Metallarbeiten  an  ihre  Stelle. 
In  unteritalischen  und  etruscischen  Gräbern  werden  oft  Helme 
mit  graffito  verziert  gefunden,  aus  römischer  Zeit  sind  mir  nur 
Helme  mit  Reliefschmuck  bekannt.  Eben  diese  letzteren  — 
wir  meinen  vornehmlich  die  Gladiatorenhelme  aus  Pompeji  — 
sind  sehr  instructive  Beispiele  um  die  Schwäche  der  römischen 
Ornamentik  blosszulegen.    Das  runde  Relief  ist  an  sich  zur 


J)  Hist.  nat.  34,  14. 
2)  Pausan.  1,  26,  7. 


j^4  '^^  Geschichte  der  Erzarbelt. 

Ornamentirung  ebenso  geeignet  wie  die  Mittel  der  Etrusker 
und  Griechen,  unter  denen  übrigens  ersteres  ja  auch  nicht 
ganz  ausgeschlossen  war,  allein  es  führt  leichter  als  jene  zur 
Willkür  und  Entartung  und  diese  Gefahr  ist  in  den  römischen 
Geräthen  nicht  immer  vermieden.  An  vielen  pompejanischen 
Geräthen  ist  von  einer  Unterordnung  des  Ornaments  unter  das 
Ganze,  was  doch  für  ein  schön  componirtes  Geräth  nothwendig 
ist,  nicht  mehr  die  Rede,  das  Ornament  löst  sich  oft  in  völliger 
Ungebundenheit  ab  und  stört  dadurch  die  Einheit  des  Ganzen. 
Am  weitesten  geht  in  dieser  Richtung  der  mit  trojanischen 
Scenen  verzierte  Gladiatorenhelm,  an  welchem  einzelne  Glieder 
der  Figuren  in  senkrechter  Richtung  aus  der  Fläche  heraus- 
springen. Man  könnte  die  Beweiskraft  gerade  dieser  Geräthe 
für  das  Ganze  mit  der  Bemerkung  anfechten,  dass  der  Helm 
eines  Gladiatoren,  also  eines  Schaukämpfers,  wohl  absichtlich 
besonders  reich,  prunkend  und  effectvoU,  gearbeitet  sein  möge, 
um  den  Beifall  der  grossen  Masse  auf  sich  zu  ziehen,  allein 
es  ist  doch  auch  an  anderen  Geräthen  dieselbe  Neigung  be- 
merkbar. Die  Köpfe  oder  Büsten,  mit  denen  die  Geldkisten, 
Betten  oder  andere  Geräthe  verziert  sind,  springen  oft  so  weit 
vor,  dass  die  Harmonie  des  Ganzen  gestört  wird,  und  schon 
im  ersten  Bande  dieses  Werks  n.  882.  883  wurde  an  pompe- 
janischen Candelabern  gezeigt,  wie  auch  hier  das  Ornament 
und  die  Sache  selbst  nicht  mehr  im  richtigen  Verhältniss  zu 
einander  stehen.  Ueberhaupt  wäre  es  nicht  schwer,  unter  den 
pompejanischen  und  herkulanischen  Alterthümern  manche  Bei- 
spiele tektonischer  Willkür  zu  finden,  unter  denen  die  Lampen 
in  ihren  oft  ganz  unmotivirten  Formen  reich  vertreten  sein 
würden,  und  wenn  wir  die  grosse  Masse  dieser  Alterthümer 
mit  den  früheren  griechischen  und  etruscischen  hinsichtlich 
ihrer  tektonischen  Schönheit  vergleichen,  so  kann  man  nicht 
zweifeln,  welcher  Classe  der  Preis  zuzuerkennen  sei.  Nur  darf 
man  dabei  nicht  vergessen,  wieviel  stilvolle  und  wahrhaft 
schöne  Geräthe  doch  auch  unter  ersteren  sich  befinden.  Es 
sind  freilich  zum  grossen  Theil  nicht  Neuschöpfungen,  sondern 
Reproductionen  jener  älteren  Zeit.  Die  grosse  Mehrzahl  der 
herkulanischen  und  pompejanischen  Candelaber  ist  —  von 
einer  nur  den  praktischen  Zweck  betreffenden  Veränderung 
abgesehen  —  den  altetruscischen  fast  ganz  gleich  und  die 
Weinkanne  der  alten  Zeit,  eins  der  graziösesten  Geräthe  des 
Alterthums,  ist  unverändert  dieselbe  geblieben. 

Die  Vergleichung  der  etruscischen  und  griechischen  Ge- 


Zur  Geschichte  der  Erzarbeit.  ^  15 

räthe  unter  sich,  zu  der  wir  jetzt  übergehen,  nachdem  wir  sie 
zuerst  als  eine  zusammengehörige  Masse  den  römischen  gegen- 
übergestellt, wird  theils  dadurch  erschwert,  dass  Griechenland 
bis  jetzt  so  wenig  Material  geliefert  hat,  theils  aber  durch  die 
Abhängigkeit  der  etruscischen  Kunst  von  der  griechischen. 
Unzweifelhaft  sind  viele  griechische  Gedanken  auch  in  die 
etruscische  Tektonik  übergegangen  und  die  Vergleichung  der 
schwarzen  clusinischen  Töpferwaare,  die  wir  einstweilen  als 
originell  etruscisch  ansehen  dürfen,  mit  den  späteren  in 
Etrurien  üblichen  Vasenformen  giebt  den  besten  Beweis  dafür, 
dass  inzwischen  griechischer  Einfluss  stattgefunden  hatte,  allein 
es  giebt  doch  einzelne  Fälle,  in  denen  es  ausserordentlich 
schwer  ist,  über  Originalität  oder  NichtOriginalität  eines  etrus- 
cischen Geräths  zu  entscheiden^).  Sollten  wir  aber  auch  so 
das  Verhältniss  zwischen  Griechen  und  Etruskern  fassen,  dass 
ersteren  alle  schöpferischen  Ideen,  letzteren  nur  die  Meister- 
schaft der  Ausführung  bliebe,  so  würde  doch  zunächst  immer 
darin  ein  grosses  Verdienst  der  Etrusker  bestehen,  griechisch 
erfundene  Geräthe  durch  die  ganze  Welt  verbreitet  zu  haben. 
Denn  die  etruscische  Broncewaare  ging  in  der  That,  wie 
Plinius  sagt,  durch  alle  Länder  und  die  zahlreichen  Funde  alt- 
etruscischer  Geräthe  diesseits  der  Alpen  sind  der  beste  Beweis 
für  die  Wahrheit  seiner  Behauptung.  Auch  im  eigenen  Lande 
war  der  Absatz  ein  ungeheurer,  wie  man  aus  den  so  reich  mit 
Broncen  ausgestatteten  etruscischen  Gräbern  schliessen  muss. 
Was  für  ein  Contrast  zwischen  dem  üppigen  Luxus  eines  etrus- 
cischen und  der  Armuth  eines  griechischen  Grabes!  Aber  so 
sehr  wir  den  ethischen  Vorzug  der  letzteren  anerkennen,  so 
können  wir  doch  nicht  leugnen,  dass  die  üppigeren  Sitten  der 
Etrusker  auf  die  Belebung  der  Kunstindustrie  mächtig  gewirkt 
haben.  In  Griechenland  scheint,  vielleicht  von  einzelnen  Ge- 
räthen  wie  den  überall  hin  exportirten  Strigeln  abgesehen,  die 
Fabrikation  von  Metallgeräth  bei  Weitem  weniger  schwungvoll 
betrieben  zu  sein,  wie  wäre  es  sonst  möglich  gewesen,  dass 
mau  in  Athen  und  zwar  zur  Zeit  der  höchsten  Kunstblüthe 
die  etruscische  Metallwaare  als  die  beste  von  allen  schätzte  ^j 


^)  Unten  in  dem  Abschnitt  „Grabvasen"  wird  ein  Fall  angeführt 
werden,  wo  das  Verhältniss  zwischen  etruscischer  und  griechischer 
Fabrikation  einmal  sehr  deutlich  zu  Tage  tritt. 

2)  Vgl.  Athen.  I,  28,  b.  c.  XV,  p.  700. 


ä 


15  Zur  Geschichte  der  Erzarbeit. 

und  selbst  bezog?  Gerade  dieser  Umstand,  dass  die  Athener 
des  fünften  Jahrhunderts  so  anerkennend  über  die  etruscischen 
Broncen  urtheilen,  ist  der  beste  Beweis  für  ihre  Vorzüglich- 
keit und  wohl  geeignet,  Zweifel  zu  erwecken,  ob  die  Griechen 
in  diesen  Geräthen  nur  ihre  eigenen  Erfindungen  bewundert 
haben. 

Freilich  hatte  die  Massenproduction  wie  immer,  so  auch 
bei  den  Etruskem  ihre  Schattenseite.  Es  konnte  nicht  fehlen, 
dass  viel  Flüchtiges  und  Unschönes  producirt  wurde,  und 
dass  mechanische  Vervielfältigung  an  die  Stelle  einer  mehr 
künstlerischen  Productionsweise  trat  Wir  wagen  auf  ein 
freilich  nicht  reiches  Material  hin  —  es  sind  besonders  die 
Reliefs  der  griechischen  und  etruscischen  Klappspiegel  ge- 
meint —  die  Behauptung,  dass  die  Technik  des  Treibens  in 
Griechenland  immer  viel  mehr  üblich  war  als  in  Etrurien,  wo 
sie  durch  die  Stanzarbeit  verdrängt  wurde,  ähnlich  wie  sie 
auch  heutigen  Tages  durch  mehr  mechanische  Operationen 
verdrängt  wird.  Die  griechischen  Spiegelreliefs  sind,  soweit 
uns  bekannt,  bis  auf  eins,  das  gegossen  ist,  alle  getrieben,  die 
etruscischen  aber  gestanzt  und  wir  besitzen  bereits  mehrere 
aus  demselben  StetapeP). 

Auch  im  Stil  oder  vielmehr  in  der  Geschmacksrichtung  hat 
die  etruscische  Industrie  unleugbar  etwas  Nationales,  was  nicht 
immer  gefällt.  Etwas  ganz  specifisch  Etruscisches  ist  die 
Liebhaberei  für  figürlichen  Schmuck  selbst  an  kleinen  und 
kleinsten  Geräthen.  Die  Candelaber  oder  richtiger  Thymia- 
terien,  deren  Schaale  oben  von  Täubchen  umgeben  ist  und  an 
deren  Schaft  eine  kleine  Figur  hinaufklettert,  die  Fibeln, 
selbst  die  kleinsten,  die  mit  Thieren,  ja  mit  Reihen  von 
Thieren  verziert  sind,  die  Candelaber,  Cisten  und  Dreifüsse 
mit  ihrem  Figurenreichthum  und  besonders  die  bald  geistreich 
bald  aber  auch  wunderlich  und  phantastisch  verzierten 
Henkel  aller  möglichen  Geräthe,  das  Alles  sind  specifisch 
etruscische  Bildungen,  die  wir  bei  keinem  anderen  Volk 
wiederfinden. 

Unübertrefflich  aber,  ist,  wenigstens  an  den  etruscischen 
Werken  älterer  Zeit,  die  Sauberkeit  und  Feinheit  der  Arbeit. 


*)  Wie  das  Relief  mit  Odysseus  und  Penelope,  Annali  dell'  instit. 
1867,  326.  Auch  unter  den  vielen  £xemplaren  des  unter  n.  3  aufge- 
führten Reliefs  sind  gewiss  D Dubletten  vorhanden. 


Zur  Geschichte  der  Erzarbeit.  ;17 

Zwar  werden  wir  erst  in  den  beiden  folgenden  Bänden  dieses 
Werks  an  den  Goldarbeiten  und  Gemmen  die  ganze  YoUendong 
etruscischer  Arbeiten,  die  über  mühseligste  und  schwierigste 
Technik  triumphirt,  kennen  lernen,  allein  auch  unter  den 
Broncegeräthen  älteren  Stils  sind  viele  von  vollendeter  Aus- 
führung. Je  mehr  aber  an  einem  Geräth  das  Ideelle  und 
Geistige  zurücktritt,  um  so  höher  steigt  der  Werth  der  for- 
mellen Behandlung. 


fViederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II. 


ä 


L  Das  HausgeratL 

A.  Toiletten-  und  Schmuckgeräth. 

1)  Die  Spiegjel. 

a.  Die  griechischen  Spiegel. 

Im  ganzen  Alterthum  war  der  Gebrauch  von  Metallspiegeln 
vorherrschend.  Man  kannte  zwar  auch  Glasspiegel,  die  in  den 
berühmten  Glasfabriken  Sidons  erfunden  sein  sollten  i),  allein 
sie  waren,  wenn  wir  nach  den  Funden  urtheilen  dürfen,  wenig 
in  Gebrauch.  Denn  unseres  Wissens  ist  nie  ein  Glasspiegel 
gefunden.  In  Griechenland  waren  die  Broncespiegel  gewöhn- 
lich, die  man  in  einfacher,  unverzierter  Form  überall  in  den 
griechischen  Gräbern  und  mit  bildlichem  Schmuck  besonders 
oft  in  Korinth  findet.  Es  sind  kreisrunde  Broncescheiben,  oft 
grifflos,  und  wenn  sie  mit  einem  Griff  versehen  sind,  doch 
verschieden  von  den  etruscischen,  die  gewöhnlich  nur  einen 
mit  dem  Spiegelrund  zusammenhängenden  Zapfen  haben,  der 
in  einen  knöchernen  Cylinder  hineingesteckt  wurde.  Sehr 
häufig  sind  auch  Spiegel  mit  einem  die  Spiegelfläche  schützen- 
den Deckel,  der  entweder  —  und  das  ist  das  Gewöhnliche  — 
ganz  abgenommen  oder,  vermittelst  eines  Charniers  befestigt, 
auf-  und  zugeklappt  werden  kann.  Solche  Spiegel  werden  zwar 
gewöhnlich  für  Spiegelkapseln  gehalten,  doch  ist  entweder 


1)  Plin.  bist.  nat.  36,  193. 


k 


Die  griechischen  Spiegpel.  19 

aus  dem  Falz  der  untern  Hälfte  oder  aus  der  Stellung  des 
Charniers  leicht  das  Richtige  zu  entnehmen.  Auch  an  einer 
kleinen  Venus  in  Neapel,  die  sich  in  einem  solchen  Klapp- 
spiegel besieht,  kann  man  die  Einrichtung  dieses  Geräths  be- 
obachten^). Daneben  aber  giebt  es  wirkliche  Spiegelkapseln, 
theils  von  Holz,  theils  von  Bronce. 

Die  Kunst  hat  sich  schon  früh  dieses  Geräthes  bemächtigt 
und  die  reizendsten  Dinge  geschaffen.  Schon  in  der  Zeit  des 
altgriechischen  Styls  hat  man  öfter  dem  Spiegel  die  Figur  der 
Aphrodite  angefügt^).  Und  das  ist  überhaupt  in  griechischer 
Zeit  das  Gewöhnliche,  die  Figur  der  Aphrodite  gewissermaassen 
als  Ideal  und  Vorbild  jeder  sich  schmückenden  Frau  unter 
den  Spiegel  zu  stellen.  In  mehreren*  öffentlichen  und  privaten 
Sammlungen^)  sind  solche  Figuren  der  Aphrodite,  zum  Theil 
von  Amoren  umflattert,  aus  der  Zeit  des  schönsten  griechischen 
Styls  erhalten.    Die  Etrusker  haben  dies  Motiv  nachgeahmt. 

Doch  nicht  allein  die  Stütze  des  Spiegels  ist  künstlerisch 
gestaltet,  auch  der  Deckel  ist  an  den  oben  erwähnten  Klapp- 
spiegeln sehr  oft  mit  einem  Relief  versehen.  Viele  derartige 
Reliefs  sowohl  griechischen  als  etruscischen  Styls  haben  sich 
erhalten,  die  schönsten  griechischen  sind  inTarquiuii  und  Pa- 
lestrina  gefunden^).    Wenn  man  die  ganze  Masse  derartiger 


^)  n.  1661.  Vgl.  unsere  unter  n.  1928  aufgeführte  Venusfigur,  von 
deren  Spiegel  auch  noch  genug  erhalten  ist,  um  die  ursprüngliche  Ein- 
richtung zu  erkennen.  Solch  ein  Klappspiegel  ist  auch  auf  dem  Vasen- 
hild  im  Compte-Rendu  de  la  commission  imperiale  archeologique  pom* 
Tannee  1861  Taf.  1  dargestellt,  den  der  Herausgeber  p.  7.  für  ein 
Schminkgeräth  erklärt,  obgleich  die  ganze  Action  der  betreffenden  Figur, 
die  Art,  wie  sie  das  Gerüth  hält  und  der  Gestus  der  andern  am  Haar 
beschäftigten  Hand  deutlich  zeigen,  dass  sie  sich  im  Spiegel  besieht, 
um  ihr  Haar  zu  ordnen.  Auch  I-iongperier  verkennt  sehr  stark  einen 
solchen  Klappspiegel  oder  richtiger  Spiegel  mit  abnehmbarem  Deckel, 
indem  er  unter  n.  510.  511  seiner  Notice  des  bronces  antiques  exposes 
dans  les  galeries  du  musee  imperial  du  Louvre  1868  zwei  „Pateren" 
aufführt,  die  in  Wahrheit  einen  Spiegel  bilden,  und  der  Art  zusammen- 
gehören, dass  n.  510  der  Deckel  von  n.  511  ist,  an  dessen  Spiegel- 
seite sich  ein  Falz  zur  Aufnahme  des  Deckels  befindet. 

^)  So  ist  kürzlich  in  Korinth  eine  schöne  Venus  mit  der  Taube  auf 
<ler  Hand  gefunden,  die  in  sehr  alterthümlichem  Styl  gearbeitet  ist  und 
als  Spiegelstütze  diente.  Eine  andere  ist  beim  Bau  des  neuen  Museums 
auf  der  Akropolis  unter  dem  Bauschutt  des  Parthenon  gefunden.  Beide 
befinden  sich  noch  in  Athen. 

•**)  In  Athen,  in  der  Sammlung  A.  Castellani,  besonders  aber  im 
britischen  Museum. 

*)  Sie  befinden  sich  im  Louvre  und  in  der  Sammlung  Barberini. 
Auch  das  in  Petersburg  befindliche,  in  Südrussland  in   dem  Grabe  der 

2* 


\ 


20  J^«  ^iechischen  Spiegel. 

Werke  vergleicht,  so  scheint  die  Wahl  der  Gegenstände  nicht 
ganz  willkürlich  zu  sein.  Es  sind  nämlich  in  den  meisten 
Fällen  erotische  und  bacchische  Scenen,  mit  denen  man  die 
Spiegeldeckel  verzierte. 

Endlich  ist  auch  die  Rückseite  des  Deckels  oder  des 
Spiegels  selbst  künstlerisch  verziert,  und  zwar  mit  einer  ein- 
gegrabenen Zeichnung.  Nur  wenige  derartige  Spiegel  sind  bis 
jetzt  aus  Griechenland  bekannt,  unter  denen  ein  Spiegel  in 
Lyon  Erwähnung  verdient,  der  eine  sehr  fein  gravirte  Amor- 
figur enthält  1)  und  auch  dadurch  merkwürdig  ist,  dass  die 
Figur  selbst  in  Silbergrund  gravirt,  aber  von  Broncegrund  um- 
geben ist,  der  ihr  zur  schönsten  Folie  dient.  Indessen  würden 
unzweifelhaft  mehr  griechische  Spiegelzeichnungen  vorhanden 
sein,  wenn  die  griechischen  Gräber  eifriger  durchsucht  worden 
wären.  Auch  mögen  noch  einige  Spiegel,  die  als  etruscisch 
aufgeführt  werden,  in  der  That  griechisch  sein.  Dies  gilt  z.  B. 
von  einem  Spiegel  des  britischen  Museums,  auf  welchem  ein 
Amor  mit  Leier  und  Blume  in  den  Händen  dargestellt  ist^). 
Die  Zeichnung  desselben  ist  altgriechisch,  nicht  etruscisch,  und 
auch  die  Form  des  Spiegels  ist  griechisch.  Er  ist  nämlich 
kreisrund,  ohne  Griff,  und  war  ursprünglicli  von  einer  beson- 
dem  Stütze  getragen. 

Trotzdem  aber  darf  man  behaupten,  dass  die  gravirten 
Spiegel  in  Griechenland  selten  waren  im  Vergleich  zu  Etrurien. 
Wie  die  griechischen  Gräber,  aus  denen  unver zierte  Metall- 
spiegel in  Menge  hervorgezogen,  einfach  und  bescheiden  sind 
im  Vergleich  zu  den  etruscischen,  so  war  auch  das  Leben  in 
Griechenland  nicht  so  üppig  und  luxuriös  wie  in  Etrurien. 
Dazu  kommt,  dass  die  Technik  der  Metallgravirung  nach  allem 
Anschein  in  Griechenland  nicht  sehr  beliebt  war.  Es  werden 
z.  B.  in  Etrurien  und  Grossgriechenland  nicht  selten  Helme 
mit  eingravirten  Verzierungen  gefunden,  in  Griechenland  ist 


grossen  Blisnitza  gefundene  Relief  scheint  nach  der  Abbildung  im 
Compte-Rendu  pour  l'annee  1866  Taf.  5  sehr  schön  zu  sein.  Stephani 
zählt  an  derselben  Stelle  p.  159  ff.  eine  grosse  Anzahl  solcher  mit 
Reliefs  verzierten  Spiegel  auf. 

1)  De  Witte  revue  arch^ol  1868  pl.  XIII.  Die  Erklärung  des 
Herausgebers  freilich,  dass  die  Figur  den  Agon  vorstelle  und  seine  Be- 
merkungen über  den  hermaphroditischen  Charakter  derselben,  kann  ich 
mir  nicht  aneignen.  Es  ist  einfach  ein  Amor,  etwas  weich  gezeichnet, 
fast  wie  auf  unteritalischen  Vasen.  Die  andern  griechischen  Spiegel 
mit  gravurten  Verzierungen  zählt  Benndorf  auf  Arch.  Ztg.  1868  p.  77. 

2)  Abgeb.  bei  Gerhard  I,  120. 


Die  griechiBchen  Spiegel.  21 

meines  Wissens  noch  keiner  zum  Vorschein  gekommen,  wie- 
wohl nicht  wenig  griechische  Helme  vorhanden  sind.  Sehr 
gering  ist  das,  was  uns  an  derartigen  Werken  aus  Griechen- 
land erhalten  ist,  doch  befindet  sich  einiges  sehr  Altert hüm- 
liche  darunter,  so  dass  wir  nicht  zu  entscheiden  vermögen,  ob 
die  Griechen  oder  die  Etrusker  diese  Technik  früher  an- 
gewandt haben.  Das  aber  glauben  wir  bestimmt,  dass  weder 
das  eine  noch  das  andere  Volk  sich  die  Erfindung  derselben 
vindiciren  darf,  denn  aus  dem  Orient,  aus  Ninive  und  Kition 
auf  Cypern  sind  ebenfalls  hoch  alterthümliche  Arbeiten  dieser 
Art  bekannt  geworden. 

Der  oben  erwähnte  Spiegel  des  britischen  Museums  ist 
der  einzige  griechische  Spiegel  alten  Styls,  alle  übrigen  ge- 
hören späterer  Zeit  an.  Doch  fehlt  es  noch  an  Material,  um 
eine  historische  Entwickelung  aufzustellen,  und  nur  die  Aphro- 
ditefiguren, die,  wie  oben  bemerkt,  so  oft  die  griechischen 
Spiegel  stützen,  sind  in  hinreichender  Anzahl  aus  allen  Perioden 
erhalten,  um  die  Entwickelung  dieses  Kunstzweiges  aufs  An- 
schaulichste zu  zeigen. 

Nach  dieser  Einleitung  'gehen  wir  zur  Aufzälilung  des 
Einzelnen  über. 

Die  griechischen  Spiegel. 

j[a.  b.  Spiegel  neb'st  Deckel  aus  Korinth,  im  Jahre 
1868  gekauft.    3583.  3584.  Durchm.  G'/g". 

Der  Deckel  ist  mit  einem  Profilkopf  in  getriebener  Arbeit, 
vermuthlich  einem  Venuskopf  verziert.  Dies  scheinen  das  Auge 
und  die  etwas  üppigen  Lippen  anzudeuten.  Der  Styl  ist  nicht 
ganz  so  edel,  dass  man  das  Relief  noch  in  die  Blüthezeit  setzen 
könnte,  aber  es  steht  ihr  auch  noch  nicht  fern.  Die  Aus- 
führung ist  sehr  sorgfältig.  Der  Kopf  ist  besonders  gearbeitet 
und  dann  aufgelöthet,  war  aber  jedenfalls  mit  irgend  einer 
Masse  ausgefüllt,  um  [gegen  Beschädigung  Widerstand  zu 
leisten. 

2*-^'  Klappspiegel  aus  Korinth,  im  Jahre  1869  ge- 
kauft.   3761.    Durchm.  4". 

Das  Relief  des  Deckels  ist  nicht  ohne  Anmuth  componirt. 
Ein  Pan  setzt  einer  Bacchantin  zu,  mit  der  linken  Hand  be- 
wundert und  mit  der  rechten  untersucht  er  die  Schönheit  ihres 
geöffneten  Busens.  Die  Bacchantin  hat  in  der  Linken  ein 
Tambourin  und  hält  mit  der  Rechten  den  fortflatternden  Zipfel 


22  I^ic  griechischen  Spiegel. 

ihres  Ueberwurfs.  Der  Styl  ist  nicht  mehr  der  beste,  die  Ge- 
wänder der  Bacchantin  sind  schon  etwas  manierirt.  Das  Relief 
ist  gegossen  und  auf  den  Deckel  aufgelöthet. 

3a.  ^-  Bacchus  und  Amor,  Klappspiegel  mit  gepressten^ 
Relief.    Samml.  Bartholdy.    D.  92.    Durchm.  5". 

Die  Hauptgruppe,  der  trunkene  und  träumerische  Bacchus 
sich  auf  Amor  lehnend,  der  ihn  fortzureissen  und  neu  zu  be- 
leben sucht,  ist  in  andern  Denkmälergattungen,  namentlich  in 
Glaspasten,  oft  wiederholt  und  unzweifelhaft  eine  griechische 
Erfindung  aus  der  Zeit  blühender  Kunst.  Die  mijsicirende 
Frau,  die  dem  Zuge  vorangeht,  ist  gewiss  eine  Bacchantin,  wie 
wir  auch  in  einer  ganz  ähnlichen  Composition,  wo  nur  statt 
Bacchus  Silen  eingetreten  ist,  eine  noch  deutlicher  charakteri- 
sirte  Bacchantin  voranschreiten  sehen. 

Doch  nicht  bloss  die  Erfindung,  sondern  auch  die  Aus- 
führung dieses  Reliefs  ist  griechisch.  Das  Relief  ist  mit  grie- 
chischem* Stempel  gepresst.  Fast  in  jedem  Museum  befinden 
sich  Wiederholungen  davon,  zum  Theil  wohl  aus  derselben 
Form. 

Abg.  Gerhard,  Etr.  Spiegel.  Taf.  21,  3.  Vgl.  I,  p.  88,  wo  übrigens 
die  Bacchantin  für  eine  Muse  erklärt  wird,  die  in  diese  Gesellschaft 
nicht  hineinpasst.  Wiederholungen  z.  B.  in  Wien  im  Industriemuseum, 
in  Palermo  im  museo  Casuccini,  im  Louvre,  in  London,  Carlsruhe  etc.. 
Die  im  Text  citirte  ähnliche  Composition,  wo  die  Bacchantin  ganz  deut- 
lich ist,  ist  das  bei  Zoega  bassiril.  ant.'  70  und  sonst  vorkommende 
Terrakottarelief. 

4a.  ^.  Klapp  Spiegel  (?).  Aus  Gerhardts  1859  angekaufter 
Spiegelsammlung.    3390.    Durchm.  b^jo"* 

Es  ist  sehr  zweifelhaft,  ob  diese  beiden  Stücke  zusammen- 
gehören. Das  eine  Stück  ist  unzweifelhaft  das  untere  Stück 
eines  Klappspiegels,  an  welchem  vermittelst  eines  Charniers, 
dessen  Spur  noch  vorhanden  ist,  ein  Deckel  befestigt  war. 
Das  andere  Stück,  das  selir  durch  die  Oxydirung  gelitten,  ist 
wohl  ein  Spiegeldeckel,  kann  aber  mit  dem  erstgenannten  Stück 
nicht  verbunden  gewesen  sein. 

Von  den  beiden  Figuren  des  Deckels  ist  die  eine  als 
Bacchantin  kenntlich,  die  andere  scheint  auch  eine  Bacchantin 
zu  sein,  doch  ist  das  nicht  ganz  sicher  zu  sagen. 

5.  Odysseus  im  Palladienr'aub,  gegossener  Spiegel- 
deckel.   Durchm.  5". 


^ 


*   Die  griechischen  Spiegel«  25 

Die  Figur  ist  aus  einer  grossem  Composition,  die  uns  in 
Keliefs  und  geschnittenen  Steinen  erhalten  ist,  herausgenommen. 
Es  ist  Odysseus,  lebhaft  gestikulirend  gegen  den  hier  fehlen- 
den Diomedes;  mit  dem  er  über  die  Modalität  des  Palladien- 
raubes uneinig  ist.  Es  scheint,  als  weise  er  mit  der  Hand  auf 
den  neben  dem  Altar  schlafend  liegenden  Wächter,  von  dem 
man  hier  nur  die  Füsse  sieht.  Vermuthlich  will  er  durch 
diesen  Gestus  den  Diomedes  zur  Vorsicht  mahnen  und  es  ist 
das  ein  Zug,  der  den  Charakter  beider  Helden  vorzüglich  be- 
zeichnet Neben  ihm  steht  eine  Säule,  wie  sie  zur  Auf- 
stellung von  Weihgeschenken  in  den  Tempeln  üblich  waren. 

Uebrigens  sieht  diese  Platte  nicht  sehr  antik  aus  und  ist 
wahrscheinlich  nur  ein  moderner  Abguss. 

Die  vollständige  Composition,  zu  welcher  diese  Figur  gehört,  findet 
sich  z.  B.  auf  der  bei  Overbeck,  Gallerie  her.  Bildw.  Taf.  24.  n.  21  ab- 
gebildeten Gemme.  Overbeck  findet  p.  601.  diie  Stellung  des  Odysseus 
schwer  zu  erklären,  allein  sie  ist  ganz  natürlich,  sobald  man  nur  die 
liegende  Figur  nicht  als  todt,  sondern  als  schlafend  ansieht,  was  ich  in 

der  Archaeol.  Ztg.  1859  p.  64  zu  beweisen  gesucht  habe. 

• 

6.  Spiegel,  auf  der  Insel  Salamis  gefunden,  1845  von 
den  hiesigen  Kunsthändlern  Schenk  und  Gerstäcker  gekauft. 
Dem  Vernehmen  nach  soll  Professor  Ross  ihn  an  die  genann- 
ten Kunsthändler  verkauft  haben.    2817.  Durchm.  674"« 

Der  Spiegel  ist  zwar  ohne  Zeichnung,  aber  doch  höchst 
werthvoU  wegen  des  äusserst  feinen  Ornaments,  das  Spiegel- 
nmd  und  Griff  (von  dem  nur  wenig  erhalten)  verbindet.  Wie 
sehr  sticht  die  grosse  Menge  der  etruscischen  Spiegel,  an 
denen  die  Verbindung  von  Griff  und  Spiegelrund  so  höchst 
roh  und  unorganiscli  ist  (vgl.  n.  166.),  gegen  diesen  Spiegel 
ab!  Das  Ornament  ist  das  Kapitellornamcnt  des  altjonischen 
Styls,  nur  ist  die  Palmette,  die  zwischen  den  Voluten  auf- 
zusteigen pflegt,  hier  halbirt  und  so  gelegt,  dass  jede  Hälfte 
den  Zwischenraum  zwischen  Volute  und  Spiegelrund  ausfüllt. 
Dadurch  ist  zugleich  für  die  nöthige  Festigkeit  wie  für  die 
harmonische  Verbindung  von  Griff  und  Spiegelrund  gesorgt. 

7.  Desgl.  Fundort  und  Herkunft  sind  dieselben  wie  bei 
der  vorhergehenden  Nummer.   281G.    Durchm.  GVs"- 

Der  Griff  ist  in  ähnlicher  Weise,  aber  weit  einfacher  und 
kunstloser  verziert. 

8.  Desgl.,  ganz  schmucklos,  fast  roh.  Aus  Korinth,  von 
derselben  Quelle  bezogen  wie  die  beiden  vorhergehenden.  2818. 
Durchm.  6''. 


24  jGrriechische  SpiegelgrifFe. 


Griechische  Spiegelgriffe. 

9.  Venus  als  Spiegelstütze,  aus  der  Sammlung Bellori. 
H.  7%". 

Die  Figur  gehörte  nicht  zu  einem  Handspiegel,  sondern 
zu  einem  feststehenden  Spiegel.  Sie  hat  nämlich  eine  Basis 
und  ist  sehr  schwer  an  Gewicht,  auch  unleugbar  etwas  plump. 
J)ies  mag  zum  Theil  auf  Rechnung  des  alterthümlichen  Styls 
und  auch  des  Bestrebens  den  tektonischen  Anforderungen  zu 
entsprechen,  geschrieben  werden,  doch  erinnere  ich  mich 
keiner  andern  alterthümlichen  Spiegelstütze,  die  so  plump 
wäre.  Vielleicht  stammt  die  Figur  aus  Sicilien  und  gehört  zu 
der  in  den  selinuntischen  Reliefs  (Bd.  I.  p.  12)  vertretenen 
Kunstrichtung. 

Venus  ist  an  dem  Apfel  kenntlich,  den  sie  nach  der 
alterthümlichen  Weise,  das  charakteristische  Symbol  gleich- 
sam als  Erkennungszeichen  dem  Betrachtenden  förmlich  zu 
präsentiren,  ausgestreckt  hält.  Mit  der  andern  Hand  hebt  sie 
leicht  ihr  Gewand,  ein  für  Venus  ebenfalte  in  alter  Zeit  cha- 
rakteristischer und  graziöser  Gestus. 

Auf  dem  Kopf  ist  ein  kleines  Kapitell  und  noch  etwas 
von  der  Rundung  zu  sehen,  in  welche  der  Spiegel  eingriff,  und 
auf  jeder  Schulter  der  Figur  ist  je  eine  Thierklaue  haften  ge- 
blieben, da  nämlich,  wie  wir  an  besser  erhaltenen  ähnlichen 
Figuren  sehen,  je  ein  Thier  von  der  Schulter  der  Göttin  bis 
an  das  Spiegelrund  in  diagonaler  Richtung  hinanreichte.  Der 
praktische  Zweck  dieser  Zuthat  ist  offenbar  der,  dass  man  die 
Verbindung  zwischen  Stütze  und  Spiegel,  die  sonst  nur  an 
einem  Punkt  stattfinden  würde,  vermehren  und  stärken  wollte, 
wie  man  aber  dazu  gekommen  ist,  Thiere  zu  diesem  Zweck  zu 
benutzen,  die  sich  in  der  That  gerade  an  dieser  Stelle  sehr 
oft  finden,  ist  uns  unverständlich  Wir  setzen  für  unsere  Figur 
nach  Analogie  einer  kürzlich  in  Korinth  gefundenen,  in  Athen 
befindlichen  Spiegelstütze  voraus,  dass  die  auf  ihren  Schultern 
befindlichen  Klauen  Sphinxen  angehörten,  ohne  freilich  über 
einen  Zusammenhang  zwischen  Venus  und  Sphinx  Rechen- 
schaft geben  zu  können.  Es  ist  uns  aber  überhaupt  fraglich, 
ob  ein  solcher  Zusammenhang  existirt. 

Abg.  Beger  thesaurus  Brandeoburg.  III,  301. 

10.  Desgl.  von  einem  Handspiegel,  H.  4". 

Es  scheint  nach  dem  Rest  eines  Zapfens,  der  auf  dem 


Griechische  Spiegelgriffe.  25 

Kopf  der  Figur  zurückgeblieben,  als  sei  auch  diese  Venus  ein 
Spiegelgriff  gewesen.  Sie  entspricht  genau  den  alterthümlichen 
Venusfiguren,  die  leise  schreitend  mit  der  einen  Hand  das 
Gewand  heben  und  in  der  andern  eine  Knospe  halten.  Die 
beiden  Vorderarme  sind  nicht  erhalten  und  zum  Theil  sehr 
roh  in  Blei  ergänzt.    Der  Styl  ist  echt  alterthümlich. 

11.  Desgl.,  1845  von  den  hiesigen  Kunsthändlern  Schenk 
und  Gerstäcker  gekauft,  welche  die  Figur  ihrerseits  von  Prof. 
Ross  erworben  haben.  Als  Fundort  wird  Lamia  in  Thessalien 
angegeben.  2814.  H.  7^1^". 

Wir  dürfen  diese  Figur  wohl  Venus  nennen,  obwohl  sie 
auf  den  ersten  Blick  nichts  weiter  vorstellt,  als  ein  einfaches, 
schlichtes  Mädchen.  Denn  einmal  ist  als  Spiegelstütze  keine 
Figur  gewöhnlicher  als  Venus  und  ausserdem  hielt  die  linke 
Hand,  von  welcher  ein  Ansatz  übrig  geblieben,  ein  Attribut, 
das  Venus  charakterisiren  mochte. 

Der  Spiegelgriff  gehört  dem  schönsten  griechischen  Styl 
an  und  kann  recht  als  Beleg  dienen,  wie  fein  die  Griechen 
solche  tektonisch  abhängige  Figuren  behandelten.  Die  Unter- 
ordnung unter  das  Ganze  ist  das  erste  Gesetz,  daher  die 
grösste  Einfachheit  und  Schlichtheit  in  Stellung  und  Gewan- 
dung. 

Die  Attache,  die  sich  auf  dem  Kopf  der  Figur  erhalten, 
ist  mit  einer  eingravirten  Palmette  verziert  und  läuft  in  Del- 
phinenköpfe aus.  Auch  das  Blatt,  das  den  Spiegel  von  hinten 
festhielt,  ist  noch  vorhanden. 

11*-  Spiegel  mit  reich  verziertem  Griff.  KoUer'sche 
Sammlung  607. 

Am  Griff  ist  in  Relief  Amor  dargestellt,  staunend  über 
einen  Schwan,  der  auf  sein  Bein  geflogen  ist.  In  der  alten 
Kunst  sind  solche  Scenen,  wo  Schwäne  sich  Knaben  nähern, 
um  mit  ihnen  zu  spielen,  nicht  selten. 

Gargiulo  erklärt  im  Verzeichniss  der  KoUer'schen  Samm- 
lung, welcher  das  Stück  angehörte,  den  Henkel  für  modern. 
Allerdings  ist  die  Patina  nicht  gut,  aber  die  Composition  ist 
in  jedem  Fall  alt,  sodass  wir  mindestens  den  Abguss  einer 
Antike  in  diesem  Stück  besitzen 

Ein    grosser  Spiegel    des    britischen  Museums    (Arch.    Ztg.   1870, 
Taf.  32)  hat  einen  ganz  ähnlich  gestalteten  Griff. 


26  Die  etruscischen  Spiegel. 

b.  Die  etruscischen  Spiegel^). 

Den  gravirten  etruscischen  Spiegeln  schicken  wir  wegen 
der  Verwandtschaft  mit  den  eben  erwälinten  griechischen 
Spiegeln  einen  etruscischen  mit  Relief  verzierten  Klappspiegel 
voran,  der  zugleich  auf  der  Eücksoite  der  Spiegelplatte  eine 
Zeichnung  hat. 

12.  a.  u.  b.  Klappspiegel  aus  Vulci.  Aus  Gerhardts 
Nachlass  1869  angekauft.    Durchm.  5''. 


1)  Ich  habe  geschwankt,  ob  ich  in  den  hier  beginnenden  Erklärungen 
etruscischer  Spiegel  auf  die  Deutungen  Gerliard's  in  seinem  bekannten 
Werk  eingehen  sollte  oder  nicht.  Was  mich  bestimmt  hat,  wenigstens 
kurz  darauf  einzugehen,  ist  der  Umstand,  dass  so  Viele  über  Gerhard 
urtheilen  und  so  Wenige  ihn  kennen.  Selbst  Otto  Jahn  hat  in  seinem 
Buch  über  ihn,  in  welchem  es  überhaupt  an  unrichtigen  Darstellungen 
nicht  fehlt,  seine  wissenschaftliche  Thätigkeit  in  einer  Weise  geschil- 
dert, dass  gerade  das  Charakteristische  nicht  erwähnt  wird.  Dies  Cha- 
rakteristische liegt,  so  weit  es  seine  Erklärungen  der  Spiegel  betrifft, 
darin,  dass  er  die  Spiegelzeichnungen  nicht  als  das  ansah  und  behan- 
delte, was  sie  sind,  als  Fabrik waare,  sondern  als  Producte  tiefer,  zum 
Theil  mystischer  Weisheit,  die  eigenthümlicher  Weise  sich  gerade  in 
den  Spiegeln,  die  am  rohesten  und  flüchtigsten  gezeichnet  sind,  aufs 
Höchste  steigert.  Es  ist  derselbe  für  den  gesunden  Menschenverstand 
so  schwer  begreifliche  Irrthum,  der  ihm  auch  das  Verständniss  der 
Vasen  unmöglich  machte.  Dazu  kam  aber  weiter,  dass  Gerhard  ausser 
Stande  war,  die  Ausdrucksmittel  der  Kunst,  Formen,  Stellungen  etc.  zu 
verstehen.  Er  stand  den  Kunstwerken  gerade  so  gegenüber,  wie  ein 
Philolog  ohne  Kenntniss  der  Sprache,  selbst  der  ersten  Elemente  ihrer 
Grammatik,  einem  Schriftsteller  gegenübersteht.  Diese  beiden  Umstände 
lassen  es  begreiflich  erscheinen,  dass  der  Irrthum  in  Gerhard's  Schriften 
nicht  etwas  Vereinzeltes,  sondern  etwas  Perpetuirliches,  Habituelles  ist, 
was  seine  Schriften  von  Anfang  bis  zu  Ende  durchzieht.  In  dem  Text 
zu  den  Spiegeln  ist  dies  in  dem  Grade  der  Fall,  dass  nur  sehr  wenige 
Erklärungen  darin  stehen  mögen,  die  nicht,  sei  es  im  Ganzen  oder  im 
Detail,  Irrthümer  enthielten  Es  ist  daher  Pflicht,  alle  noch  Lernenden 
und  Unselbständigen  vor  Gerhard's  Erklärungen  zu  warnen. 

Ich  kann  übrigens  auch  nicht  einmal  die  Sammlung  der  Spiegel 
als  ein  Verdienst  um  die  Wissenschaft  ansehen,  glaube  vielmehr,  dass 
eine  mit  Sachkunde  gemachte  Auswahl  viel  nützlicher  gewesen  wäre. 
So  wenig  es  Jemandem  einfallen  wird,  alle  Vasen  oder  auch  nur  ein- 
zelne Classen  derselben  vollständig  herauszugeben,  ebensowenig  sollte 
man  alle  die  Dutzende  nichtsnutziger  Repliken,  die  sich  unter  den  etrus- 
cischen Spiegeln  finden,  vollständig  reproduciren.  Aber  die  Bewunde- 
rung unserer  Zeit  über  „Vollständigkeit  des  Materials",  auch  dann, 
wenn  diese  Vollständigkeit  nicht  den  geringsten  Nutzen  hat,  und  die 
Gleichgültigkeit  gegen  alle  höheren  Aufgaben  der  Wissenschaft  geben 
solchen  Sammlungen  einen  Werth,  den  sie  nicht  haben  würden*,  wenn 
man  mehr  an  die  Zwecke  als  an  die  Mittel  der  Wissenschaft  dächte. 


Die  etruscischen  Spiegel.  27 

Auf  dem  runden  Deckel  ist  etwas  unharmonisch  ein  vier- 
eckiges Relief  von  gepresster  Arbeit  aufgelöthet,  in  welchem 
eine  badende  Frau  oder  Venus,  was  schwer  zu  entscheiden 
sein  dürfte,  dargestellt  ist  Denn  eine  gewisse  Aehnlichkeit 
der  Stellung  mit  der  bekannten  im  Bade  hockenden  Venus- 
statue (Bd.  I,  n.  449)  beweist  nichts.  Die  Figur  ist  gerade 
beschäftigt,  sich  einen  Eimer  Wasser  über  den  Kopf  zu  giessen, 
ein  zweites  beckenartiges  zum .  "Waschen  bestimmtes  Gefäss 
stellt  neben  ihr.  Hinter  der  Figur  ist  ein  grosses  Tuch  aus- 
gespannnt,  das  wesentlich  den  künstlerischen  Zweck  hat,  der 
nackten  Figur  zur  Folie  zu  dienen,  indess  doch  auch  nicht  ohne 
einen  materiellen  Grund  da  ist.  Wie  man  nämlichbei  uns  Wand- 
schirme hat,  um  einen  Baum  abzusperren,  so  spannten  die 
Alten  in  ihren  Häusern  zu  ähnlichem  Zweck  Tücher  zwischen 
Säulen  aus,  und  daher  dient  in  der  Kunst  ein  ausgespanntes 
Tuch  oft  dazu,  einen  abgeschlossenen  Baum  anzudeuten,  ein 
Begriff,  der  hier  bei  der  Badescene  besonders  am  Platze  ist. 
Beiläufig  sei  übrigens  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  viel 
schöner  die  alte  Weise  ist,  das  Tuch  nur  oben  und  nur  an 
den  Endpunkten  zu  befestigen,  während  wir  das  Tuch  oben 
und  unten  an  Stäben  und  zwar  so  befestigen,  dass  lauter  ver- 
tikale Parallelfalten  entstehen,  mithin  alle  Schönheit  des 
Faltenwurfs  verloren  geht. 

Der  etruscische  Charakter  des  Reliefs  tritt  am  deutlich- 
sten in  den  wirklich  groben  Formen  des  Gesichts  hervor. 

Der  Deckel  ist  durch  einen  Griff  in  die  Höhe  zu  heben 
und  war  durch  ein  Charnier  mit  der  Spiegelplatte  verbunden^ 
an  deren  Rückseite  man  noch  an  den  Spuren  von  Löthung  die 
Stelle  bemerkt,  wo  das  Charnier  ansetzte.  Auf  der  Rückseite 
der  Spiegelplatte  ist  ein  Parisurtheil  vorgestellt,  von  der  Art, 
wie  wir  es  im  Folgenden  genauer  kennen  lernen  werden.  Vgl. 
n.  123.  Es  wird  sich  dann  auch  zeigen,  dass  dieser  Klapp- 
spiegel der  letzten  Periode  der  Spiegel  angehört,  in  welcher 
üppige  und  weichliche  Gegenstände  besonders  beliebt  waren. 

Abg.  bei  (rerharcl,  Etr.  Spiegel  III,  243,  1  und  262,  2. 

Etruscische  Spiegelstütze. 

13.  Venus  als  Spiegelstütze,  wenn  wir  nämlich,  was 
nicht  ganz  sicher  ist,  diese  Figur  auch  ohne  bestimmte  Attri- 
bute so  nennen  dürfen.  Die  Figur  ist  ganz  nackt,  aber  nach 
specifisch  etruscischer  Manier  hat  sie  ihre  Schuhe  und  ihr  mit 


28  Die  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

Bullen  besetztes  Halsband  nicht  abgelegt.  Sie  hält  den  Spiegel, 
von  dem  ein  Rest  erhalten  ist,  mit  beiden  Händen  über  dem 
Kopf. 

Die  Figur  ist  von  späterem  etruscischen  Styl,  übrigens 
verhältnissmässig  hübsch.    H.  7". 

Die  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

Während  gravirte  Spiegel  aus  Griechenland,  wie  wir 
sahen,  sehr  selten  sind,  ist  die  Zahl  der  etruscischen  sehr 
gross.  Schon  jetzt  mögen  über  tausend  vorhanden  sein.  Es 
ist  daher  möglich,  die  historische  Entwickelung  dieser  Gattung 
genauer  zu  verfolgen,  wozu  wir  uns  hier  um  so  mehr  ver- 
anlasst fühlen,  als  die  Spiegelsammlung  des  hiesigen  Museums 
sowohl  an  Zahl  wie  anWerth  bedeutender  ist,  als  irgend  eine 
andere.  Wir  schicken  indess  einige  Bemerkungen  voraus,  die 
zur  Orientirung  über  diese  ganze  Classe  von  Alterthümem 
dienen  mögen. 

Was  zunächst  die  Form  betrifft,  so  sind  die  etruscischen 
Spiegel  entweder  kreisrund  oder  birnenförmig.  Doch  ist  die 
letztere  Form  nicht  eigentlich  etruscisch  zu  nennen,  weil  sie 
nur  in  Palestrina  vorkommt.  Die  älteren  Spiegel  sind  ge- 
wöhnlich ganz  platt,  später  erhält  die  Spiegelseite  eine  leise 
Convexität,  namentlich  bei  den  kleineren  Spiegeln.  Offenbar 
sollte  durch  die  Verkleinerung,  welche  die  Convexität  bewirkt, 
ein  möglichst  grosser  Theil  des  sich  spiegelnden  Gegenstandes 
auf  der  Fläche  des  Spiegels  aufgefangen  werden^)  und  zu- 
gleich schützte  man  dadurch  die  Zeichnung  der  Rückseite,  in- 
dem man  sie  hohl  legte.  Die  Spiegelfläche  ist  an  manchen 
Exemplaren  noch  so  blank  erhalten,  dass  sie  noch  jetzt  zu 
benutzen  wäre. 

Der  Griff  ist  entweder  von  Bronce  wie  das  Uebrige  und 
läuft,  wenn  er  nicht  durch  eine  Figur  gebildet  wird,  in  einen 
Thierkopf  aus,  wovon  oben  die  Rede  war,  oder  aber  er  war 
von  Knochen,  denn  wirklich  erhalten  sind  knöcherne  Griffe 
nur  in  ganz  einzelnen  Fällen.  Die  Zusammensetzung  von  Griff 
und  Spiegelrund  ist  in  letzterem  Fall  höchst  unorganisch  und 
unharmonisch,  wie  n.  166  zeigen  kann*-^).    Dieser  Tadel  trifft 


1)  Wie  E.  Braun,  Annali  1840.  p.  150,  bemerkt. 

2)  Vgl.  Gerhard,  Etrusc.   Spiegel   I,  43  und  auch  die  angebliche 
Patere  bei  Gonnestabile  Pitture  murali  a  fresco  e  suppellettili  etrusche 


Die  gravirten  etrascischen  Spiegel.  29 

übrigens  nur  etruscische  Spiegel,  die  birnenförmigen  Spiegel 
von  Palestrina  haben,  wenn  ich  nicht  irre,  immer  Griffe  von 
Bronce. 

Die  Zeichnungen  der  etrascischen  Spiegel  sind  wie  die 
der  griechischen  Vasen  Producte  des  höheren  Handwerks  oder 
nach  unserer  Weise  zu  reden,  der  Kunstindustrie.  Das  etrus- 
cische Handwerk  aber  stand  wegen  der  geringeren  künst- 
lerischen Anlage  des  Volkes  entschieden  niedriger  als  das 
griechische,  und  es  ist  wichtig  zum  Verständniss  dieser  Gat- 
tung, dies  aus  den  Denkmälern  selbst  nachzuweisen. 

Man  sagt  gewöhnlich,  dass  es  unter  den  vielen  Tausenden 
griechischer  Vasen  nicht  zwei  völlig  übereinstimmende  gebe  ' 
und  führt  dies  als  Beweis  für  die  freie  Entwickelung  des 
griechischen  Handwerks  an,  wo  jeder  Arbeiter  von  seinem 
Eigenen  zusetzte.  Dieser  Satz  ist,  in  solcher  Schärfe  aus- 
gesprochen, allerdings  nicht  richtig,  er  ist,  wie  so  manche 
andere,  mehr  aus  dem,  was  an  Vasen  publicirt  ist,  als  aus 
dem,  was  die  Museen  besitzen,  abstrahirt *),  allein  seinem 
wesentlichen  Inhalt  nach  besteht  er  doch  zu  Recht.  Es  wird 
immer  bewundernswertli  bleiben,  dass  in  einem  so  bedeutenden 
Industriezweige  sich  nicht  der  Schlendrian  mechanischer  Re- 
petition  einstellte,  sondern  dass  der  einzelne  Arbeiter  so  viel 
Lust  und  Freude  an  der  Arbeit  behielt,  um  innerhalb  der 
Schranken  des  gegebenen  Vorbildes  eigene  Erfindungen  an- 
zubringen. Vergleicht  man  eine  Reihe  nach  demselben  Vor- 
bild gearbeiteter  Vasenbilder,  so  erstaunt  man,  selbst  bei 
untergeordneten  Exemplaren,  über  die  Fülle  von  originellen 
und  gemüthlichen  Einfällen,  welche  die  einzelnen  Arbeiter  zum 
Vorbild  hinzufügten  und  erhält  einen  lebendigen  Begriff  von 
der  geistigen  Frische  und  Regsamkeit  des  griechischen  Hand- 
werks. Anders  ist  der  Eindruck,  den  die  grosse  Masse  der 
etrascischen  Spiegelzeichnungen  hervorruft,  freilich  mehr  die 
späteren  als  die  früheren.  Das  mechanische,  ja  gedankenlose 
Arbeiten,  und  besonders  das  Bestreben,  möglichst  schnell  fertig 
zu  werden,  macht  sich  nur  zu  oft  bemerkbar.  Daher  die  ver- 
hältnissmässig  grosse  Anzahl  von  genauen  Copien^)  und  die 

tnv.  XIII,  1.  Archaeolog.  Anz.  1859,  52  wird  ein  Spiegel  mit  eiser- 
nem Griff  erwähnt,  worüber  man  gern  etwas  Näheres  gehört  hätte. 

^)  Im  Museum  von  Girgenti  befinden  sich  z.  B.  zwei  nicht  schlecht 
gemalte  Lekythen,  die  genau  tibereinstimmen. 

2)  Vgl.  Archaeol.  Ztg.  1865,  p.  18.  1862,  p.  312.  Anz.  1864, 
p.  288.  1859,  p.  51. 


30  ^ic  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

noch  viel  grössere  Zahl  von  fast  ganz  übereinstimmenden  Co- 
pien,  deren  Abweichungen  aber  nicht  durch  künstlerische  Ab- 
sichten, wie  bei  den  Griechen,  sondern  lediglich  durch  Zufall 
oder  Nachlässigkeit  veranlasst  sind.  Es  ist  höchst  langweilig, 
Reihen  etruscischer  Spiegel,  die  auf  dasselbe  Original  zurück- 
gehen, zu  vergleichen,  weil  man  nirgends  auf  Geist  stösst.  Der 
etruscische  Arbeiter  hatte  nicht  die  Lust  zur  Arbeit  wie  der 
griechische,  weil  ihm  die  schöpferische  Anlage  des  letzteren 
fehlte.  Er  hatte  daher  auch  nicht  den  Ehrgeiz  des  Griechen,  wo- 
für die  Thatsache  bezeichnend  ist,  dass  noch  auf  keinem  etrus- 
cischen Spiegel  eine  Künstlerinschrift  zum  Vorschein  gekommen 
ist^),  an  denen  die  griechischen  Vasen  so  reich  sind.  Aber 
noch  deutlicher  ergiebt  sich  dieser  niedrigere  Standpunkt  des 
etruscischen  Handwerks,  der  übrigens  einzelne  glänzende  Aus- 
nahmen nicht  ausschliesst,  aus  der  Betrachtung  der  Zeichnun- 
gen selbst. 

Die  Vorbilder  nämlich,  welche  diesen  Spiegelzeichnungen 
zu  Grunde  lagen,  waren  gewiss  nicht  immer  für  einen  dem 
Spiegelrund  analogen  Raum  componirt,  sondern  es  musste  oft 
eine  Uebertragung  aus  anderem  Format  heraus  stattfinden,  bei 
dem  sich  die  grössere  oder  geringere  Geschicklichkeit  des 
Zeichners  zeigen  konnte.  Vergleicht  man  nun  hier  griechische 
und  etruscische  Handwerker  unter  denselben  Bedingungen, 
jene  die  Innenbilder  der  Schaalen,  diese  die  Spiegel  ver- 
fertigend, so  stellt  sich  ein  grosser  Unterschied  heraus.  Bei 
den  ersteren  wird  man  selten  den  Eindruck  haben,  als  sei  in 
dem  Bilde  etwas  Gezwungenes,  etwas  nur  durch  Rücksicht  auf 
den  Raum  Veranlasstes,  Alles  ist  frei  und  natürlich,  Bild  und 
Raum  decken  sich  völlig.  Anders  dagegen  auf  den  etruscischen 
Spiegeln  und  etruscischen  Gemmen,  wo  sich  nur  auf  kleinerem 
Raum  dieselben  Schwierigkeiten  wiederholen  ^),  Den  Etruskern 
ist  die  Abfindung  mit  dem  Raum  nicht  so  leicht  geworden,  sie 
haben  zu  Verzerrungen  oder  Künstlichkeiten  oder  fremdartigen 
Zuthaten  ihre  Zuflucht  genommen,  um  nur  eine  ungefähre 
Uebereinstimmung  zwischen  Bild  und  Raum  herzustellen.  Viele 
wunderliche,  gezwungene  Stellungen,  auch  der  so  oft  vorkom- 
mende auffallende  Grössenunterschied  zwischen  den  einzelnen 


^)  In  Palestrina  ist  eine  lateinische  entdeckt  und  ausserdem  ist  eine 
griechische  bekannt,  bull.  d.  inst.  1867,  p.  67.  Arch.  Ztg.  1868,  p.  77. 
Oerhard,  Etr.  Sp.  III,  243  A. 

^)  Vgl.  Nuove  memorie  dell'  instit.,  p,  182. 


Die  gravirten  etruscischen  Spiegel.  31 

Figuren  eines  Bildes  erklären  sich  nur  liierdurch,  vollends 
aber  die  vielen  Blumen  und  ähnliches  Beiwerk  haben  nicht 
etwa  materielle  Bedeutung  (was  eine  sorgfältige  Vergleichung 
bald  als  unrichtig*  erkennt),  sondern  dienen  nur  dazu,  den 
überschüssigen  Raum  zu  beleben  und  sind  daher  auch  je  nach 
Bedürfniss  oft  in  brutalster  Grösse  hineingesetzt.  In  der  Kind- 
heit und  im  Verfall  der  griechischen  Vasenmalerei  finden  wir 
ähnliche  rein  äusserliche  Zuthaten  auf  den  Bildern,  aber  sehr 
selten  dürften  Verzerrungen  und  unnatürliche  Stellungen  sein. 
Die  Vorbilder  der  etruscischen  Spiegelzeiclinungen  sind 
zum  grössten  Theil'  griechisch,  und  es  besteht  gerade  darin  die 
grösste  und  wichtigste  Aufgabe  des  Spiegelerklärers,  unter  der 
etruscischen  Entstellung  das  griechische  Original  herauszufinden. 
Denn  da  die  Arbeiter,  wie  schon  bemerkt,  wenig  Lust  und  In- 
teresse an  der  Arbeit  hatten,  so  kam  es  ihnen  auf  eine  treue 
Wiedergabe  des  Originals  um  so  weniger  an,  als  sie  ihrem 
Publikum  gegenüber  gewiss  nicht  allzu  ängstlich  zu  sein 
brauchten.  So  lässt  denn  der  Eine  in  der  Darstellung  einer 
opfernden  Nike  das  Schwert  weg^)  und  der  Andere  vergisst 
in  einer-  Minervengeburt  gar  die  Hauptperson,  nämlich  die 
Minerva®).  Will  man  ein  Beispiel,  wie  griechische  Lebendig- 
keit und  Gemüthlichkeit  in  etruscische  Kälte  und  Ausdrucks- 
losigkeit  umgesetzt  sind,  so  vergleiche  man  den  vor  Herkules 
ängstlich  ins  Fass  geflohenen  Eurystheus  der  altgriechischen 
Vasen  mit  derselben  Figur  auf  einem  etruscischen  Spiegel^). 
Auch  hatten  die  etruscischen  Arbeiter  offenbar  keine  genügende 
Kenntniss  der  griechischen  Mythologie  und  ihrer  Darstellungs- 
weise, wie  sich  besonders  in  der  vollständigen  "Vyillkür  zeigt, 
die  hinsichtlich  der  Beflügelung  der  Gottheiten  in  den  Spiegel- 
zeichnungen herrscht.  Doch  dürfen  wir  bei  all  diesen  Mängeln 
nicht  vergessen,  dass  namentlich  aus  älterer  Zeit  eine  nicht 
kleine  Anzahl  von  Spiegeln  vorhanden  ist,  welche  ihren  grie- 
chischen Vorbildern  sehr  nahe  kommen.  Der  Zeichner  des 
Semelespiegels,  welcher  mit  Recht  als  der  schönste  von  allen 
gilt,  war  unzweifelhaft  ein  Etrusker,  hat  aber  sein  griechisches 
Vorbild  wenigstens  in  einer  Figur  so  rein  copirt,  dass  man  den 
Spiegel  gewöhnlich  einem  Griechen  zuschreibt. 


1)  Gerhard,  Etrusc.  Spiegel.  Taf.  251 A. 

2)  Gerhard,  Taf.  285,  1,  nach  dessen  Meinung  freilich  Minervens 
Gebart  auf  diesem  Spiegel  als  „bevorstehend  gedacht  ist^M 

3)  Gerhard,  Taf.  339. 


32  Die  gravirten  etruscischen  Spiegel. 

Ueberhaupt  ist  Licht  und  Schatten  sehr  gemischt.  Neben 
den  flüchtigsten,  nichtsnutzigsten  Schmierereien  giebt  es  an- 
dererseits, zumal  aus  älterer  Zeit,  Zeichnungen  von  wahrhaft 
bewunderungswürdiger  Sorgfalt  und  Feinheit,  so  dass  auch  auf 
diesem  Gebiet  die  technische  Meisterschaft  der  Etrusker,  von 
welcher  oben  in  der  allgemeinen  Einleitung  die  Kede  war,  in 
schönster  Weise  hervortritt 

Gefunden  werden  die  gravirten  Spiegel  in  Etrurien  an 
den  verschiedensten  Orten  und  in  Palestrina,  oft  innerhalb  der 
eisten,  von  denen  später  die  Rede  sein  wird.  Auch  in  der 
Nähe  von  Modena  ist  einmal  ein  gravirter^  Spiegel  gefunden, 
der  sich  durch  eine  höchst  alterthümliche  Verzierung  von  allen 
anderen  unterscheidet  ^),  endlich  einer  in  der  Schweiz,  auf  dem 
ein  Parisurtheil  von  der  gewöhnlichen  Weise  späterer  Zeit 
vorgestellt  ist.  Wir  können  unter  den  in  Etrurien  gefundenen 
Spiegeln  keine  Unterschiede  entdecken,  die  zu  einer  Scheidung 
nach  Fabriken  Veranlassung  geben  könnten,  zweifeln  aber 
nicht,  dass  es  dort  viele  Spiegelfabriken  gegeben  hat.  Nur  die 
Spiegel  aus  Palestrina,  die  zum  Theil  auch  rein  etruscischen 
Charakter  haben,  sind  doch  überwiegend  aus  einheimischer, 
von  der  etruscischen  erheblich  verschiedener  Fabrikation  her- 
vorgegangen. Schon  oben  ist  auf  Eigenthümlichkeiten  der 
Form  und  des  Griffes  an  diesen  Spiegeln  hingewiesen,  wir 
zweifeln  auch  nicht,  dass  ein  geübtes  Auge  an  der  Zeichnung 
einen  Spiegel  von  Palestrina  erkennen  könne,  wenn  es  auch 
noch  schwer  halten  mag,  die  Eigenthümlichkeit  derselben 
präcis  in  Worten  auszudrücken.  Vorläufig  mag  die  bloss  ne- 
gative Bemerkung  genügen,  dass  die  für  die  etruscische  Kunst 
so  charakteristischen  Verzerrungen  und  Karrikirungen  auf  den 
pränestinischen  Spiegeln  meines  Wissens  nicht  vorkommen. 
Wir  besitzen  in  diesen  Spiegeln  ein  Stück  lateinischer 
Kunst,  wie  die  vielen  lateinischen  Inschriften,  die  auf  den 

^)  Abg.  Annali  1842.  lav.  H.  mit  einer  Erklärung  von  Cavedoni, 
die  wirklich  an  Missdeutung  das  Möglichste  leistet.  Dargestellt  ist 
nämliclv  unter  anderen  Gruppen  auch  eine  Figura  Veneris,  nach  Cave- 
doni aber  eine  Begräbnissscene ,  in  welcher  einem  Todlen  auf  dem 
Leicheubett  von  einer  andern  Person  das  Haupt  verhüllt  werde.  Es 
kümmert  den  Erklärer  nicht,  dass  der  angebliche  Todte  seine  Beine  hoch 
in  die  Luft  wirft.  Das  hoch  Alterthümliche  dieses  Spiegels  liegt  ausser 
der  rohen  Zeichnung  vornehmlich  in  der  ringförmigen  Composition  und 
der  dadurch  bedingten  puppenhaften  Kleinheit  der  Figuren.  Es  ist  das- 
selbe Arrangement  wie  auf  den  ältesten  Vasen  und  auf  den  cyprischen 
und  caeretanischen  Metallschalen. 


Die  erste  Periode  der  etnisclschen  Spiegel.'  33 

Spiegeln  und  Cisten  dieses  Fundortes  sich  finden,  unzweifel- 
haft machen.  Doch  scheint  die  Spiegelfabrikation  in  Palestrina 
erst  später  entstanden  zu  sein  als  in  Etrurien,  denn  ich  ent- 
sinne mich  nicht,  auf  einem  birnenförmigen  Spiegel  je  eine 
Zeichnung  alterthümlichen  Styls  gesehen  zu  haben.  Auch  die 
Form  dieser  Spiegel  ist  sichtlich  aus  dem  Bestreben  entstanden, 
eine  gefälligere  Vermittelung  zwischen  Griff  und  Spiegelrund 
zu  finden,  als  in  den  etruscischen  Spiegeln  vorhanden  war^). 

Wir  versuchen  nun  zunächst,  den  ganzen  Stoff  in  Perioden 
zu  zerlegen,  wobei  uns  die,,  griechischen  Vasen,  deren  Datirung 
möglich  ist,  von  grossem  Nutzen  sein  werden.  Die  etruscische 
Kunst  ist  von  der  griechischen  abhängig  und  diese  künst- 
lerische Abhängigkeit  ist,  wie  mit  Kecht  bemerkt,  gerade  zum 
guten  Theil  durch  die  Vasen  vermittelt.  Es  komnit  dÄer,  um 
feste  Daten  für  die  Spiegelzeichnungen  zu  gewinnen,  nur  da- 
rauf an,  die  verwandte  Vasengattung  zu  finden. 

Die  Vasen  reichen  höher  hinauf  als  die  Spiegel,  den 
ältesten  Vasen  kommt  unter  den  erhaltenen  Spiegelzeichnun- 
gen keine  gleich,  es  scheint,  dass  die  Sitte,  deft  Spiegel  zu 
graviren,  verhältnissmässig  spät  aufkam,  wie  es  denn  in  der 
That  einen  gewissen  Luxus  voraussetzt,  dem  Spiegel  zur 
Unterhaltung  bei  der  Toilette  ein  Bild  beizugeben.  Dürfen 
wir  nach  unserem  Vorrath  von  Spiegeln  urtheilen,  so  ist  der  Ge- 
brauch gravirter  Spiegel  schwerlich  lange  vor  Ol.  30  aufgekom- 
men, denn  fast  alle  erhaltenen  Spiegel  stehen  bereits  unter 
dem  Einfluss  der  griechischen  Kunst,  der  etwa  Ol.  30  begann. 
Aber  ganz  vereinzelt  giebt  es  allerdings  Spiegel,  die  in  eine 
dem  griechischen  Einfluss  vorausliegende  Zeit  hineinreichen 
oder  wenigstens  Spuren  jener  Zeit  zeigen,  als  die  etruscische 
Kunst  noch  unter  ägyptischem  und  orientalischem  Einfluss 
stand.  Dies  gilt  namentlich  von  dem  an  erster  Stelle  auf- 
geführten Spiegel. 

Die  etruscischen  Spiegel. 

Erste  Periode. 

14.  Geflügelte  Figur,  Spiegel  aus  Präneste,  1860  in 
Rom  durch  Prof.  Brunn  gekauft.  3440. 


^)  Damit  die  Eigenthümlichkeiten  der  pränestinisclien  Spiegel  besser 
ins  Auge  fallen,  ist  in  einem  besondern  Fach  eine  grössere  Anzahl  der- 
selben zusammengelegt  worden. 

FriedeTichs,  Berlin'«  Antilce  Bildwerke  II.  3 


34  I^ie  erste  Periode  der  etruscischen  Spiegel. 

Die  Bedeutung  dieser  Figur  dürfte  schwer  festzustellen 
sein,  da  sie  offenbar  aus  einer  grösseren  Composition  einzeln 
herausgenommen  ist,  jedenfalls  gehört  sie  in  das  Gebiet  der 
dämonischen  und  phantastischen  Wesen,  an  denen  die  älteste 
Kunst  reich  ist.  Die  Beflügelung  mit  vier  Flügeln  ist  orienta- 
lischen Vorbildern  entlehnt,  sie  verschwindet  später  in  grie- 
chischer wie  etruscischer  Kunst.  Die  Stellung  der  Figur  ist 
ganz  typisch  für  den  Ausdruck  des  Forteilens  und  findet  sich 
an  den  verschiedensten  Figuren  der  ältesten  Kunst. 

Auch  die  Verzierung  des  Grundes,  auf  dem  die  Figur 
steht  und  die  Umrahmung  sind  durchaus  alterthümlich.  Später 
verziert  man  die  Spiegel  mit  einer  geflochtenen  Schnur  und 
häufiger  mit  einem  Kranz,  was  gewiss  das  [natürlichste  oma- 
mentale Motiv  ist. 

Abg.  Gerhard  IV.  Taf.  328,  2,  wo  die  Figur  p.  66  als  Agon  er- 
klärt wird,  „der  auf  Siegesflügeln  herbeigeeilt,  nach  einem  von  ihm 
begünstigten  Jüngling  sich  umsehe."  Ein  ähnlicher  Spiegel  bull.  66,  229. 

Wir  'schliessen  den  folgenden  Spiegel  hier  an,  weil  er, 
obwohl  bereits  unter  griechischem  Einfluss  entstanden,  doch 
auch  noch  eine  orientalische  Reminiscenz  hat. 

15.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben. 

Auch  auf  diesem  Spiegel  finden  wir  noch  die  vier  orien- 
talischen Flügel,  ausserdem  ist  Eos  auch  an  den  Füssen  ge- 
flügelt, was  ungewöhnlich  ist,  aber  in  der  etruscischen  Kunst, 
deren  Ausdrucksweise  zumal  in  handwerksmässiger  Thätigkeit 
schwankend  ist,  nicht  auffallen  darf.  Im  Styl  entspricht  die 
Zeichnung  durchaus  den  Vasen  mit  schwarzen  Figuren. 

Abg.  Gerhard  IV,  363.  Im  Text  p.  115  heisst  es,  Kephalos  sei 
halb  bewusstlos  gedacht,  indem  als  Absicht  aufgefasst  wird,  was  viel- 
mehr Unbeholfenheit  des  Könnens  ist.  Und  die  Delphine  im  Abschnitt 
sollen  zur  Andeutung  des  auch  über  die  Meeresfläche  sicher  forteilenden 
Fluges  der  Göttin  dienen.  Aber  sie  sind  ein  ganz  conventionell  ge- 
wordenes Mittel  der  RaumfuUung,  das  in  den  verschiedensten  Situationen 
vorkommt  und  gewiss  nur  durch  die  so  häufige  ornamentale  Wellen- 
linie ins  Leben  gerufen  ist. 

Auch  der  folgende  Spiegel  wird  am  passendsten  hier  seine 
Stelle  finden. 

16.  Sirene,  Spiegel  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben. 


Die  zweite  Periode  der  etruscischen  Spiegel.  35 

Ob  wir  diese  Figur  Sirene  oder  Harpyie  nennen  sollen, 
ist  hier  wie  in  andern  Fällen  schwer  zu  sagen,  weil  die  cha- 
rakterisirende  Handlung  fehlt.  Die  Figur  hat  nach  ältester 
Weise  vier  Flügel.  Der  Schnörkel  auf  ihrem  Kopf  scheint  nur 
eine  Ranke  zu  sein,  dergleichen  oft  zur  Raumausfüllung  vor- 
kommt. 

Zweite  Periode. 

Reicher  vertreten  ist  der  folgende  Styl,  den  wir  als 
ülterthümlichen  Styl  bezeichnen  wollen.  Die  Spiegel  dieser 
Periode  entsprechen  genau  den  ältesten  rothfigurigen  Vasen.. 
Und  zwar  nicht  bloss  im  Allgemeinen  in  der  Strenge  des 
Styls,  sondern  in  einem  ganz  besonders  significanten  Punkt. 
Auf  jenen  Vasen  ist  nämlich  bei  bekleideten  Figuren  der 
Contour  des  Nackten  auch  unter  dem  Gewände  angegeben  und 
eben  dasselbe  Verfahren  ist  an  den  dieser  Periode  angehörigen 
Spiegeln  beobachtet.  Die  Vasen  geben  damit  nur  eine  Neuerung 
des  grossen  Künstlers  Polygnot  wieder,  der  zuerst  mulieres 
tralucida  veste  pinxit  ^),  sie  sind  also  nach  Polygnot  zu  setzen, 
aber  doch  noch  vor  den  Anfang  der  80er  Olympiaden,  weil  in 
dem  Alphabet  ihrer  Inschriften  noch  das  altattische,  aus  drei 
Strichen  gebildete  Sigma  vorkommt,  das  später  verschwindet. 
Dieselbe  Zeitbestimmung  gilt  für  die  von  ihnen  abhängigen 
etruscischen  Spiegel,  denn  es  ist  unwahrscheinlich,  dass  bei 
dem  lebhaften  Verkehr  zwischen  Griechenland  und  Etrurien 
die  künstlerischen  Fortschritte  der  Griechen  nicht  möglichst 
schnell  bei  den  Etruskern  Eingang  gefunden  haben  sollten. 

Unter  den  Spiegeln  dieser  Zeit  finden  sich  bereits  mehrere, 
auf  denen  Liebesscenen  oder  Aehnliches  dargestellt  ist  Dies 
ist  in  der  Folge  der  beliebteste  Gegenstand  und  allerdings  lag 
es  nahe,  ein  Putzgeräth,  zumal  unter  üppigem  Volk  in  dieser 
Weise  zu  verzieren.  Doch  sind  die  Liebesscenen  in  dieser 
alten  Zeit  noch  keusch  und  züchtig  gehalten. 

Was  die  Composition  betrifft,  so  haben  diese  Spiegel,  ganz 
wie  die  Innenbilder  der  bemalten  Schaalen,  höchstens  drei  Fi- 
guren, die  durchgehends  ins  Profil  gestellt  sind,  während, 
später  eine  ganz  andere  Gompositionsweise  eintritt.  Man  hat 
in  der  älteren  Zeit  mehr  Gefühl  für  das,  was  decorativer  Styl 
heisst  und  eben  darum  wird  auf  den  Vasen  und  Spiegeln  dieser 


^)  Vgl.  Brunn,  Gesell,  d,  griecli.  Kunstl.  II,  p.  29. 


36  Die  zweite  Periode  der  etruscischen  Spiegel. 

Zeit  die  Profilstellung  vorgezogen,  während  die  Figuren  in 
späterer  Zeit  oft  en  face  gestellt  werden  und  dadurch  freier 
und  gleichsam  losgelöst  vom  Hintergrund  erscheinen. 

Unter  den  Spiegeln  dieser  Periode  finden  sich  nicht  wenige, 
die  wie  Copien  altgriechischer  Zeichnungen  aussehen.  Der  unter 
n.  24  aufgeführte  Spiegel  mit  der  Darstellung  einer  Bacchan- 
tin könnte  als  ein  altgriechisches  Vasenbild  angesehen  werden 
und  es  dürfte  schwierig  sein,  irgend  etwas  specifisch  Etrus- 
cisches  darin  aufzufinden.  Andererseits  giebt  es  Spiegel- 
zeichnungen von  ganz  specifisch  etruscischem  Charakter,  wovon 
der  unter  n.  17  rfüher  besprochene  Spiegel  vielleicht  das 
schönste  Beispiel  giebt.  Eine  grosse  Härte  und  Eckigkeit  in 
Formen  und  Bewegungen  ist  das  allgemeine  Kennzeichen  dieses 
Styls,  wozu  dann  manches  Einzelne,  z.  B.  eine  gewisse  Schädel- 
form, die  der  ägyptischen  unleugbar  ähnlich  ist,  hinzukommt. 
Und  wie  die  Form,  so  ist  auch  der  Inhalt  der  Darstellungen 
in  dieser  Spiegelclasse  specifisch  national.  Nicht  griechische 
Mythen  nämlich  sind  dargestellt,  sondern  Gegenstände  aus 
dem  etruscischen  Privatleben,  namentlich  Tänzerinnen.  Doch 
stehen  diese  eigentlich  etruscischen  Spiegel  den  mehr  gräci- 
sirenden  in  der  Ausführung  nicht  nach,  sondern  übertreffen 
sie  zum  Theil.  Der  oben  erwähnte  Spiegel  erinnert  in  der 
Feinheit  und  Sauberkeit  seiner  Technik  an  die  schönsten  etrus- 
cischen Skarabäen. 

Wir  führen  nun  zunächst  diejenigen  Spiegel  unserer 
Sammlung  auf,  welche  dieser  Periode,  also  dem  fünften  Jahr- 
hundert angehören  und  schicken  dabei  die  specifisch  etruscischen 
den  mehr  gräcisirenden  voraus.  Natürlich  giebt  es  dabei  viele 
Mittelstufen,  über  deren  Zutheilung  zur  einen  oder  anderen 
Classe  man  schwanken  kann. 

a)  Die  specifisch  etruscischen  Spiegel  dieser  Periode. 

17.  Etruscische  Tänzerinnen,  schwerer  gegossener 
Spiegel,  wie  sie  gerade  im  älteren  Styl  sehr  gewöhnlich  sind. 
War  vergoldet.  Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben. 
3370. 

Die  Vorstellung  ist  von  strengstem  ornamentalen  Cha- 
rakter und  der  Künstler  hat  auf  die  Bedeutung  der  Figuren 
sichtlich  sehr  geringes  Gewicht  gelegt.  Doch  lässt  sich  be- 
haupten, dass  dieselben  dem  Leben  angehören  und  nach  ihren 
Geberden  als  Tänzerinnen  aufzufassen  sind.    Die  Figuren  so- 


Die  specifisch  etruscischea  Spiegel  dieser  Periode.  37 

wohl  wie  auch  alles  raumfüllende  Beiwerk,  Binden  und  Blumen 
sind  mit  strengster  Symmetrie  componirt  und  das  Ganze  ist 
mit  höchster  Eleganz  und  Sauberkeit  ausgeführt.  Nur  fehlte 
es  dem  Künstler,  der  das  Technische  so  wohl  verstand,  an  dem 
höheren  künstlerischen  Verständniss.  Die  äusseren  Beine  der 
Frauen  sind  ganz  verzeichnet  und  der  Mantel  musste  an 
"beiden  Seiten  vom  Kopf  auf  die  Schultern  herabsinken.  Die 
Figuren  erinnern  mit  ihren  fein  verzierten  Gewändern  sehr  an 
gewisse  altetruscische  Wandgemälde  von  Tarquinii.  (Mus. 
Oreg.  I,  102). 

Abg.  Gerhard  I,  44,  der  die  Figuren  als  Lasen  {III,  p.  32)  erklärt, 
indem  er  Alles  missversieht. 

18.  Tänzerinnen,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel. 
Aus  Gerhardts  Besitz  1859  erworben.  3353. 

Zwei  Tänzerinnen  mit  Castagnetten  in  den  Händen,  genau 
einander  entsprechend,  umgeben  einen  Jüngling,  der  sich  mit 
einer  derselben  zu  schaffen  macht.  Die  Zwischenräume  der 
Figuren  sind  mit  Reben  und  Blumen  ausgefüllt.  Der  Jüngling 
in  der  Mitte  hat  eine  in  der  altetruscischen  Kunst  häufiger 
vorkommende,  der  ägjrptischen  ähnliche  Schädelform,  die  ver- 
muthlich  durch  den  Einfluss  ägyptischer  Werke  zu  erklären 
ist.  Auch  hier  ist  die  Verwandtschaft  mit  den  oben  erwähn- 
ten Tarquiniensischen  Wandgemälden  auffallend. 

Im  Abschnitt  Delphine. 

Abg.   Gerhard  I,  [98,   der  das  Bild  als  „bacchische  Einweihung" 
deutet.    III,  p.  100. 

19.  Flötenspieler  mit  Tänzerinnen,  gegossener  und 
vergoldeter  Spiegel,  aus  Gerhardts  Besitz  1859  erworben.  3354. 

Das  Bild  ist  dem  vorigen  sehr  ähnlich  und  rührt  ver- 
muthlich  von  derselben  Hand  oder  wenigstens  Fabrik  her. 

Da  alle  Figuren  nach  derselben  Seite  gerichtet  sind,  so 
scheint  es,  als  ob  eine  Procession  dargestellt  sei.  Wahrschein- 
licher aber  ist  dieser  Umstand  nur  eine  Folge  ungeschickter 
oder  alterthümlicher  Compositionsweise.  Die  Figuren  der 
Tänzerinnen  wiederholen  sich  auf  das  Genaueste. 

Abg.  Gerhard  1,  Taf.  99,  der  hier  einen   „Einweihnngszug"  sieht. 
in,  p.  102. 

20.  Kitharspielerin  von  Jünglingen  bewundert, 
gegossener  Spiegel,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 


\ 


38  Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

Sehr  ähnliche  Darstellung.  Die  Figuren  sind  auch  hier 
durch  Bäume  oder  Sträucher  von  einander  getrennt,  ganz  wie 
auf  den  erwähnten  Wandgemälden  von  Tarquinii. 

21.  Bacchische  Scene,  aus  Gerhardts  Besitz  1859  er- 
worben.   3290. 

Dieser  Spiegel  enthielt  vier  Figuren,  von  denen  aber  nur 
zwei  noch  deutlich  sind,  nämlich  ein  Satyr  mit  Pferdehufen,, 
dergleichen  Wesen  auch  in  griechischer  Kunst  vorkommen,  und 
eine  tanzende  Bacchantin.  Die  letztere  erinnert  durch  ihre 
eckigen  Bewegungen,  durch  die  Verzierung  des  Gewandes  und 
durch  die  Form  ihres  Schädels  sehr  an  die  tarquiniensischen 
Wandgemälde. 

Ab^.  Gerhard,  Taf.  92,  5,  der  die  Zeichnung  als  „Pan  unter  Ein- 
geweihten" erklärt.  Was  Gerhard's  Zeichnung  ausser  den  beiden  ge- 
nannten Figuren  angiebt,  ist  ganz  unsicher. 

b)  Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

22.  Apoll  und  Artemis.  Gegossener  und  vergoldeter 
Spiegel  aus  Vulci,  1848  durch  Vermittelung  von  E.  Braun  an- 
gekauft.   2972. 

Die  Geschwister,  inschriftlicli  als  Apulu  und  Artumes  be- 
zeichnet, sitzen  traulich  gruppirt  neben  einander  und  Artemis,, 
der  die  Musik  nicht  fremd  ist,  spielt  ihrem  Bruder  vor.  Hinter 
ihr  hängt  eine  Ciste  von  der  Art,  wie  wir  sie  als  Behälter  für 
Toilettengeräth  kennen,  zwischen  beiden  ein  Kranz.  Apollo 
trägt  ein  Armband,  das  nach  etruscischer  Sitte  nicht  bloss  von 
Frauen,  sondern  auch  von  Männern  getragen  wurde,  wie  aus 
vielen  Spiegelzeichnungen  ersichtlich  ist. 

Das  Bild  ist  mit  alterthümlicher  Zierlichkeit  gezeichnet 
und  könnte  fast  für  griechisch  gelten. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  293,  in  dessen  Text  E.  Braun's  (Annali  1855, 
p.  21)  Annahme  eines  Liebesverhältnisses  zwischen  Artemis  und  Apollo 
befolgt  wird.  Ich  gestehe,  dass  sie  mir  mehr  als  willkürlich  scheint, 
da  das  Armband,  das  Braun  wunderlicher  Weise  als  simbolo  nuziale 
deutet,  doch  offenbar  nichts  Anderes  ist,  als  ein  simpler  Schmuck.  Vgl. 
wenn  nöthig  0.  Jahn,  Fikoron.  Cista,  p.  9.  Ebenso  hinfällig  ist  die 
Annahme  für  einen  andern  Spiegel  (Gerhard,  Taf.  294),  wo  Artemis 
ganz  nackt  erscheint,  was  aber  nur  aus  der  für  die  etruscischen  Spiegel 
so  charakteristischen  Vorliebe  für  nackte  Frauen  zu  erklären  ist. 

23.  Bacchus  und  Ariadne.  Gegossener  und  vergoldeter 
Spiegel  aus  Yiterbo.    Sammlung  Dorow  572. 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode.  39 

Die  Figur  zur  Rechten  ist  durch  den  Thyrsusstab  als 
Bacchantin  charakterisirt^  die  zur  Linken  kann  nur  Bacchus 
sein.  Sie  hat  wie  jene  einen  Epheukranz  und  mit  Epheu- 
blättern  verzierte  Gewandsäume.  Auch  führt  das  Attribut  der 
Schaale  zunächst  auf  Bacchus.  Die  Figuren  sind  in  lebhafter 
Bewegung,  die  aber  zum  Theil  nur  durch  Rücksicht  auf  den 
auszufüllenden  Raum  veranlasst  zu  sein  scheint.  So  viel  geht 
übrigens  aus  der  Handbewegung  des  Bacchus  hervor,  dass  es 
sich  um  eine  Liebesscene  handelt. 

Die  Zeiclmung  ist  im  Geschmack  der  oben  erwähnten 
tarquiniensischen  Wandgemälde  gehalten,  wo  man  ebenfalls  die 
eigenthümlich  eckigen  Bewegungen,  wie  in  der  Haltung  des 
rechten  Armes  des  Bacchus  und  die  reichen  Verzierungen  der 
Gewänder  und  Gewandsäume  findet. 

Eigenthümlich  ist  das  Beiwerk.  Zwar  die  Fische  sind 
unzweifelhaft  nur  zur  Raumausfüllung  da,  in  welchem  Sinne  sie 
oft  im  Abschnitt  und  im  Rund  des  Spiegels  selbst  vorkommen^), 
auch  der  Zweig  zwischen  den  Köpfen  hat  gewiss  nur  dieselbe 
Bedeutung,  aber  die  beiden  sich  umringelnden  Schlangen  könn- 
ten doch  irgend  eine  symbolische  Beziehung  ausdrücken  sollen, 
die  wir  indess  nicht  anzugeben  vermögen.  Vielleicht  sind  es 
die  Schlangen,  die  in  bacchischen  Scenen  oft  erwähnt  und  dar- 
gestellt werden,  wie  z.  B.  Bacchantinnen  mit  schlangenum- 
ringelten  Händen  vorkommen. 

Die  Technik  ist  derb. 

Abg.  Gerhard  I,  89,  der  (III,  p.  93)  das  Bild  nach  Panofka's  Vor- 
gang auf  Apoll  und  Thyia  bezieht.  Es  wird  nämlicli  das  für  Bacchus 
Charakteristische  an  der  Figur  zur  Linken  übersehen  und  aus  dem 
bloss  raumfüllenden  Lorbeerzweig  auf  Apollo  geschlossen.  Die  an- 
genommene Darstellung  ist  zudem  in  der  bildenden  Kunst  ganz  unbe- 
kannt, während  unsere  Deutung  das  Bild  auf  eine  auch  im  Gebiet  der 
Spiegel  gewöhnliche  Scene  bezieht.  Was  übrigens  die  in  der  Arch. 
Ztg.  1853,  p.  359  erwähnten  Inschriften  betrifl't,  so  ist  die  der  angeb- 
lichen Thyia  ganz  erfunden,  die  andere,  die  Aplun  lauten  soll,  mehr 
als  verdächtig.  Erstens  wegen  der  Kleinheit  der  Buchstaben,  dann 
wegen  der  Fehler  im  T  und  N  und  auch  das  Ä  ist  nichts  weniger 
als  regelrecht.  Endlich  sieht  man  noch  in  den  Vertiefungen  der  beiden 
letzten  Buchstaben  den  Metallglanz,  sie  sind  daher  ganz  neu  oder 
wenigstens  nachgekratzt.  —  Die  Schaale  des  Bacchus  entspricht  ganz 
den  in  Terrakotta  erhaltenen  Schaalen,  an  denen  der  buckeiförmig  sich 
erhebende  Mittelpunkt  von  concentrischen,  ovalen  Vertiefungen  umgeben 
ist,  die  man  hier  angedeutet  findet. 

^)  Welcker,  A.  D.  3,  541  erklärt  sie  auf  einem  Spiegel  symbolisch, 
aber  die  Vergleichung  einer  grösseren  Anzahl  von  Spiegeln  würde  ihn 
zu  anderer  Ansicht  gebracht  haben. 


40  I^*ß  mehr  griechischen  Spieg-el  dieser  Periode. 

24.  Bacchantin,  gegossener  und  vergoldeter  Spiegel, 
der  noch  jetzt  zum  Spiegeln  benutzt  werden  könnte.  Aus 
Gerhardts  Besitz  1859  erworben.    334. 

Eine  lebendig  bewegte,  mit  einem  Pantherfell  bekleidete 
Bacchantin;  hinter  ihr  die  Schlange,  die  bei  den  bacchischen 
Feiern  eine  Rolle  spielte. 

Diese  Zeichnung  könnte  für  altgriechisch  gelten, 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  96,  der  (III,  p.  101)  das  Motiv  missversteht, 
indem  er  meint,  die  Baccliantln  fliehe  vor  der  Schlange. 

25.  Bacchantin  zwischen  Silenen,  gegossener  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.    3353. 

Eine  Bacchantin,  mit  einem  Thyrsus  in  der  Hand,  umfasst 
einen  Silen,  der  Trinkhorn  und  Schlauch  hält.  Daneben  ein 
zweiter  Silen,  der  sich  höchlich  über  die  Vertraulichkeit  des 
Paares  verwundert. 

Das  Bild  hat  etwas  ctruscisch  Unerfreuliches,  etwas 
Carikirtes.  An  den  Figuren  der  Silene  ist  auch  schon  zu  viel 
Detail  ausgedrückt. 

.  Die  Delphine  im  Abschnitt  ganz  wie  oben. 

Abg.  Gerhard  I,  Taf.  102,  in  dessen  Erklärung  {III,  p.  104)  aber 
die  Motive  miss verstanden  sind.  Der  Lorbeerkranz  auf  dem  Kopfe  des 
einen  Silen  soll  nach  Gerhard  die  „geläuterte  Weihe*'  desselben  be- 
zeichnen. 

26.  Silensmaske,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3357. 

Die  Neigung  der  Etrusker  zur  Carikirung  und  Ueber- 
treibung  ist  in  diesem  Kopf  wieder  sehr  merklich.  Die  langen, 
abstehenden  Ohren  wird  man  in  griechischer  Kunst  vergebens 
suchen.  Der  Kopf  ist  wie  ein  zauberabwehrendes  Symbol  nach 
Art  eines  Medusenkopfes  auf  dem  Spiegel  angebracht. 

Abg.  Gerhard  I,  71,  6. 

27.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben,  3323. 

Die  Deutung  dieses  Bildes  ist  nicht  ganz  sicher,  w^eil  das 
zu  Grunde  liegende  griechische  Vorbild  Veränderungen  er- 
fahren zu  haben  scheint,  die  das  Verständniss  desselben  trüben. 
Man  wird  allerdings  an  die  griechischen  Darstellungen  von  der 
Verfolgung  des  Kephalos  durch  die  Eos  erinnert,  versteht  aber 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser. Periode.  41 

nicht,  wie  Kephalos,  der  ein  Jäger  war,  zu  den  Geräthen 
kommt,  die  der  Knabe  trägt.  Es  ist  nämlich  eine  Ciste,  wie 
sie  zur  Aufbewahrung  von  Toilettengeräth  diente,  und  ein  an 
beiden  Seiten  spitzer  Stecken,  dessen  Bestimmung  uns  freilich 
unklar  ist  Man  könnte  daher  auch  an  die  auf  Vasen  nicht 
seltenen  Darstellungen  denken,  wo  Nike  einen  Jüngling  verfolgt, 
nur  dass  man  auch  dann  Kranz  oder  Binde  in  den  Händen 
der  Göttin  erwartet. 

Im  Allgemeinen  steht  die  Zeichnung  den  griechischen 
Vorbildern  nahe,  aber  die  Haltung  des  linken  Beins  der  Eos 
ist  wieder  eine  etruscische  Härte  und  Gewaltsamkeit. 

Eigenthümlich  unkünstlerisch  ist  auch  das  Ornament. 
Eine  noch  dazu  phantastisch  behandelte  Palmette,  die  in  der 
griechischen  Ornamentik  für  bestimmte  Zwecke,  namentlich 
als  Bekrönung  verwendet  wird,  ist  hier  als  ein  roh  abge- 
schnittenes Glied  einfach  in  den  Raum  zur  Belebung  desselben 
hineingesetzt.  Und  der  Epheukranz,  der  das  Ganze  einfasst, 
<3ntwickelt  sich  auf  höchst  unorganische  und  unverständliche 
"Weise  aus  dem  ebenfalls  palmettenartig  gestalteten  Ornament 
am  Griff.  Die  unorganische  Entwicklung  des  Kranzes  aus 
dem  Griffornament  ist  überhaupt  ein  Fehler  sehr  vieler  etrus- 
cischer  Spiegel.  Man  sieht  hier  und  in  vielen  ähnlichen 
Fällen  deutlich,  dass  die  etruscischen  Künstler  nicht  etwa 
fertige  griechische  Spiegel  vorfanden,  die  sie  nur  zu  copiren 
brauchten,  sondern  dass  sie  nur  die  einzelnen  Elemente  ihrer 
Darstellung  aus  der  griechischen  Kunst  nahmen,  deren  Ver- 
bindung und  Zurichtung  für  den  Zweck  der  Spiegelzeichnung 
ihnen  überlassen  blieb. 

Abg.  Gerhard  II,  179. 

28.  Eos  und  Memnon,  in  Vulci  gefunden.  Aus  Ger- 
hardts Besitz  1859  erworben,    n.  3360. 

Die  Göttin  schreitet  langsam  mit  dem  .Leichnam  des 
Sohnes  dahin.  Der  Schleier,  der  sie  umhüllt,  ist  für  den  Aus- 
druck der  Trauer  angemessen. 

Die  Composition  hat  etwas  unschön  Rechtwinkliges. 
Schon  auf  alterthümlichen  griechischen  Vasen  ist  der  Gegen- 
stand viel  natürlicher  componirt. 

Das  Käuzlein  dient  wohl  nur  zur  Raumausfüllung. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  361,  der  den  von  ihm  für  verschwunden 
gehaltenen  Spiegel  wunderlicher  Weise  auf  Eos  und  Kephalos,  „der 
ohnmächtig  von  dannen  gebracht  whrd"  erklärt. 


42  ^^^  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode. 

29.  Herkules  und  Antaeus,  vulcentischer  Spiegel^ 
1863  durch  .Vermittlung  von  Prof.  Brunn  erworben,  3496. 

Dieses  Bild  kann  trotz  einer  räthselhaften  Inschrift  wohl 
nicht  anders  als  auf  Herkules  und  Antaeus  gedeutet  werden. 
Denn  sichtlich  ist  Herkules  bemüht,  den  Antaeus,  der  mit  dem 
rechten  Fuss  am  Boden  zu  haften  strebt,  während  er  den  linken 
vor  Schmerz  bereits  erhoben  hat,  vollends  in  die  Höhe  zu 
heben.  Die  Arme  des  Antaeus  haben  allen  Widerstand  be- 
reits aufgegeben,  der  rechte  ist  mit  einer  Trauergeberde  gegen 
den  Kopf  erhoben.  Neben  der  Gruppe  steht  in  Stellung  und 
Gewandung  an  die  berühmte  Pallas  Albani  erinnernd,  die 
Schutzgöttin  des  Herkules,  durch  die  erhobene  Hand  ihren 
Schützling,  wie  es  scheint,  anfeuernd. 

Die  Jugendlichkeit  des  Herkules  ist  nicht  auffallend,  er 
erscheint  auf  den  etruscischen  Spiegeln  fast  immer  so,  eher 
aber  könnte  Antaeus  zu  knabenhaft  erscheinen.  Aber  die  Vor- 
liebe für  bartlose  Gesichter  ist  für  die  etruscischen  Gemmen 
wie  für  die  Spiegel  in  gleicher  Weise  charakteristisch.  Dort 
finden  wir  selbst  einen  unbärtigen  Poseidon,  hier  ist  ein  bart- 
loser Zeus  wenigstens  durchaus  nicht  ungewöhnlich  und  Merkur 
wie  Bacchus  sind  fast  nur  als  Jünglinge  bekannt. 

Wie  die  Inschrift  des  Antaeus  Epiur  zu  verstehen  sei, 
wissen  wir  nicht.  Auf  einem  anderen  Spiegel  trägt  ein  Eros 
die  Beischrift  Epeur,  und  durch  diese  Uebereinstimmung  wird 
der  Sinn  derselben  noch  räthselhafter.  Auch  Herkules  hat 
seine  Beischrift  Hercle. 

Abg.  Gerhard  III.  IV,  335,  2,  der  sich  p.  79  in   allerhand  unbe- 
weisbaren Vermuthungen  ergeht.     Vgl.  Brunn  bullet.  1862  p.  110. 

30.  Achill  und  Penthesilea,  volcentischer  Spiegel, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben,  3296. 

Achill  hat  Penthesilea  ergriffen,  um  ihr  den  Todesstoss 
zu  geben,  während  sie  bittend  die  Rechte  gegen  ihn  ausstreckt. 
Die  Inschriften  sind  wie  auf  den  älteren  griechischen  Vasen 
so  angeordnet,  dass  sie  alle  Zwischenräume  der  Figuren  aus- 
füllen. Man  liest  Achle  und  Penta(s)ila,  indem  das  fehlende  s 
für  die  an  seiner  Stelle  befindliche  Beschädigung  vorauszu- 
setzen ist. 

Dieser  Spiegel  steht  griechischen  Vasenbildern  von  der 
Art  der  Sosiasschaale  sehr  nahe.  Die  Ausführlichkeit  im 
Detail  findet  sich  hier  wie  dort.  Aber  daneben  fehlt  auch  das 
eigenthümlich  Etruscische  nicht,  und  es  liegt  besonders  in  der 


Die  mehr  griechischen  Spiegel  dieser  Periode,  45 

gezwungenen  Stellung  der  beiden  Figuren,    die  freilich  bei 
nicht  wenigen  Spiegeln  wiederkehrt. 

Die  beiden  Figuren  entsprechen  sich,  wie  es  oft  auf  den 
Spiegeln  der  Fall  ist,  fast  ganz  genau.  Nur  das  längere  Haar 
und  das  Halsband  unterscheidet  das  Weib. 

Abg.  Gerhard  II,  233. 

31.  Orest  und  Klytämnestra,  aus  der  Sammlung  Ger- 
hardts 1859  erworben,  3371. 

Orest  (Urusthe)  hat  die  Klytämnestra  (Clutumita)  ergriffen, 
um  ihr  den  Todesstoss  zu  versetzen.  Jene  hält  ihm  die  ent- 
blösste  Brust  entgegen,  wie  Aeschylus  gedichtet  hatte,  dass 
die  Mutter  dem  Mörder  die  Brust  gezeigt  habe,  die  ihn  ge- 
nährt. Die  Zwischenräume  der  Figuren  sind  durch  Blumen 
ausgefüllt.  Am  Griff  ist  eine  geflügelte  und  strahlenbekränzte 
Figur,  die  wir  nicht  näher  bestimmen  können. 

In  der  Stellung  und  Gewandung  der  Klytämnestra  ver- 
misst  man  das  richtige  Verständniss.  Die  gesträubten  Haare 
derselben  sind  für  die  Uebertreibung  der  etruscischen  Kunst 
charakteristisch. 

Abg.  Gerhard  II,  237.  Stephani  Nimbus  und  Strahlenkranz  p.  69 
nennt  die  geflügelte  Figur  am  Griff  eine  Erinys,  „weil  die  an  den 
Griffen  der  Spiegel  angebrachten  Figuren  fast  immer  in  dem  engsten 
Zusammenhang  mit  der  Hauptdarstellung  stehen".  Diese  Behauptung 
ist  »schwer  zu  beweisen,  weil  wir  in  so  vielen  Fällen  die  Figuren  an 
den  Griffen  gar  nicht  benennen  können,  und  schwer  zu  glauben,  wenn 
man  sich  nach  den  Producteu  ein  Bild  der  Producenten  zu  machen 
versucht.  Es  scheint  mir  daher  mehr  als  gewagt,  eine  Figur,  deren 
äussere  Charakteristik  auf  ganz  andere  Gebiete  hindeutet,  Erinys  zu 
nennen  und  zwar  mit  einer  Sicherheit,  die  nicht  „den  geringsten  Zweifel 
obwalten"  lässt. 

32.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben,  3329. 

Auf  diesem  sorgfältigen  Spiegel  sind  zwei  Figuren  ohne 
Handlung  einander  gegenübergestellt.  Die  zur  Linken  scheint 
männlich,  die  andere  möchten  wir  wegen  des  langen  Gewandes 
für  weiblich  halten.  Jener  hält  eine  Ranke  in  der  einen 
Hand,  diese  zieht  mit  der  Linken  ihr  Gewand  an,  ein  Gestus, 
der  auch  eher  für  eine  Frau  passt.  Wir  denken  bei  diesem 
Spiegel  an  die  auf  Vasen  nicht  seltenen  Scenen,  wo  Männer 
und  Frauen  sich  verbindlich  gegenüberstehen  und  sich  ein 
Blümchen  präsentiren  etc. 


44  ^i^  etruscischen  Spiegel. 

Keiches  Beiwerk  umgiebt  die  Scene.  Zwischen  den 
Figuren  steht  ein  Baum,  wie  es  scheint,  ein  Palmbaum,  an 
Wandgemälde  aus  Tarquinii  erinnernd,  wo  die  einzelnen  Figuren 
durch  Bäume  getrennt  sind.  Ausserdem  sind  mehrere  Pflanzen, 
ein  Sessel  und  eine  Kiste  zur  Belebung  des  Raumes  benutzt. 

Die  starke  Oxydation  des  Spiegels  hindert  über  alle 
Einzelheiten  ins  Klare  zu  kommen. 

34.  Scene  aus  dem  Leben,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  angekauft.    3328. 

Zwei  Jünglinge  mit  einander  im  Gespräch,  der  eine  leb- 
haft gestikulirend.  Diese  Zeichnung  erinnert  sehr  an  alt- 
griechische Vasenbilder. 

33.  Astarte,  den  gefundenen  Stern  nach  Tyrus 
tragend.    Aus  Gerhardts  Sammlung  1859  angekauft.    3313. 

Eine  geflügelte  Frau,  deren  Obertheil  zerstört  ist,  trägt 
mit  beiden  Händen  eine  mit  einem  Stern  verzierte  Kugel. 
Diese  Vorstellung  entspricht  genau  einem  Münztypus,  welcher 
der  Stadt  Marium  auf  Cypern  beigelegt  (de  Luynes,  numis- 
matique  et  inscriptions  Gypriotes  p.  37)  und  auf  den  genannten 
phönicischen  Mythus  bezogen  wird.  Es  ist  jedenfalls  sehr 
interessant,  diesen  phönicischen  Typus  auf  einem  etruscischen 
Spiegel  wiederzufinden.  Doch  ist  dies  nicht  die  einzige  Be- 
rührung zwischen  phönicischer  und  etruscischer  Kunst. 

Neben  der  Figur  befinden  sich  raumfüllende  Ornamente, 
links  eine  Blume  mit  einem  Vogel  darauf,  zur  Rechten  eine 
unbestimmbare  Verzierung,  im  Abschnitt  zwei  sich  schnäbelnde 
Tauben. 

Abg.  Gerhard  I,  36,  2,  von  dessen  Phantasien  ich  nur  die  erwähne, 
dass  er  auf  der  Kugel  (III,  p.  18)  ein  „zum  Pentagramm  verschlungenes 
zwiefaches  Dreieck",  zu  sehen  und  als  ein  „Symbol  der  in  sich  ver- 
schränkten Weltordnung"  betrachten  zu  müssen  glaubt.  Der  fragliche 
Gegenstand  besteht  aber  aus  einer  Kreislinie,  an  welche  sich  Zacken 
anschliessen,  wird  also  als  Stern  bezeichnet  werden  müssen.  Auch  die 
„phrygische  Mütze"  der  Figur  ist  mehr  als  zweifelhaft. 

Dritte  Periode. 

Die  im  Vorstehenden  aufgeführten  Spiegel  gehören  dem 
alterthümlichen  Stil  an,  der  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  fünften 
Jahrhunderts  in  Griechenland  und  vermuthlich  auch  in  Etrurien 
herrschte.     Aus  der  nächstfolgenden  Periode,    als   man   in 


Die  etniscischen  Spiegel.  45 

grossartigem  Stil,  wenn  auch  noch  mit  einiger  Strenge  compo- 
nirtC;  sind  mir  keine  Spiegel  bekannt^),  und  ich  gehe  daher 
zu  den  Spiegeln  des  vierten  Jahrhunderts  über,  von  denen  ich 
freilich  mit  einiger  Zuversicht  nur  zwei  anführen  kann,  die 
beiden  schönsten  unter  denen  die  existiren,  den  Telephus-  und 
Semelespiegel.  Auf  dem  ersteren  begegnen  wir  bereits  gewissen 
technischen  Veränderungen,  die  später  so  häufig  vorkommen, 
zunächst  nämlich  der  Punktirung  des  Grundes.  Dies  Verfahren 
hat  den  Zweck,  den  hellen  Figuren  eine  matte  Folie  zu  be- 
reiten, auf  der  sie  besser  hervortreten  können,  ähnlich  wie  die 
etruscischen  Goldschmiede,  um  helle  Partien  eines  Geschmeides 
zu  heben,  ihnen  einen  mit  unzähligen  Goldkömern,  wie  mit 
feinem  Staub  überstreuten  Grund  gaben.  Sodann  werden  von 
jetzt  an,  nicht  immer,  aber  sehr  oft,  die  inneren  Linien,  die 
früher  ganz  wie  der  Contour  gezogen  wurden,  durch  kleine^ 
feine  neben  einander  gesetzte  Parallelstriche  ausgedrückt. 
Gewöhnlich  ist  mit  dieser  Technik  eine  grosse  Häufung  des 
Details  verbunden  und  eben  darin  liegt  ein  unleugbarer  Nach- 
theil. Der  ^dekorative  Charakter,  der  Charakter  der  Umriss- 
zeichnung, geht  verloren.  Man  vergleiche  um  sich  des  Unter- 
schiedes bewusst  zu  werden,  die  beiden  erwähnten  Spiegel,  von 
denen  der  eine,  der  Telephusspiegel,  die  spätere,  der  andere 
die  frühere  Weise  wiedergiebt. 

35.  Die  Heilung  des  Telephus,  in  der  Umgegend  von 
Bomarzo  gefunden.  Aus  Gerliard's  Sammlung  1859  er- 
worben.   3294. 

Zur  Rechten  sitzt  Telephus  auf  einem  Stein,  das  leidende 
Bein  auf  einen  Schemel  stützend.  Sein  ganzes  Aussehen  maclit 
den  Eindruck  des  Leidens,  der  Kopf  ist  gesenkt,  der  linke 
Arm  stützt  den  Körper,  der  rechte  hängt  schlaff  über  das 
Knie  herab.  Neben  ihm  steht  Achill,  mit  einem  sichelförmigen 
Messer  am  Schaft  seiner  Lanze  kratzend,  so  dass  der  Abfall 
auf  die  am  Schenkel  befindliche  Wunde  des  Telephus  fallen 
muss  2),  und  hinter  diesem  Agamemnon,  der  die  Linke  auf  einen 


^)  Denn  der  bei  Gerhard  Taf.  61  abgebildete  Spiegel,  der  auffallend 
au  Vasenbilder  grossartigen  Stils  erinnert,  ist  nach  meiner  Ansicht  nicht 
acht.  Auch  Gerhard  III,  p.  64  Anm.  3  dachte  an  die  Möglichkeit  einer 
Fälschung. 

2)  Man  muss  annehmen,  dass  der  Künstler  dem  Achill  eine  ganz 
eherne  Lanze  beilegte,  wie  auch  bei  Plin.  Nat.  bist.  84,  152  ange- 
deutet ist. 


46  ^iß  etruscischen  Spiegel. 

Stab  stützt  und  mit  der  Rechten  eine  Geberde  der  Beschwich- 
tigung und  des  Zuspruchs  gegen  Telephus  macht.  Im  Felde 
hängt  ein  Schild.  Die  Figuren  haben  jede  ihre  Beischrift 
Tele(phe),  Achle,  Achmemrun. 

Die  Figur  des  Telephus  ist  sehr  schön  und  ausdrucks- 
voll; und  es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  ein  schönes  griechisches 
Original  dieser  Zeichnung  zu  Grunde  liegt*).  Aber  eben  so 
gewiss  ist,  dass  der  Spiegel  von  einer  etruscischen  Hand  aus- 
geführt ist  Nicht  bloss  wegen  der  Armbänder  des  Telephus 
und  Achill,  der  Schuhe  des  letzteren  und  der  unorganischen 
Art,  wie  der  umgebende  Kranz  sich  aus  dem  Ornament  am 
Griff  entwickelt,  sondern  auch  wegen  der  UeberfüUung  mit 
Detail  in  den  Formen  des  Achill  und  Telephus.  Agamemnon 
unterscheidet  sich  darin  von  den  anderen,  Achill  ist  in  jeder 
Beziehung  die  am  wenigsten  gelungene  und  gewiss  nicht  von 
etruscischer  Umbildung  freie  Figur. 

Die  Composition  hat  noch  eine  gewisse  Strenge  und  Ein- 
fachheit, wesswegen  wir  sie  ins  vierte  Jahrhundert  und  zwar 
mehr  in  den  Anfang  als  ans  Ende  setzen. 

Abg.  Gerhard  II,  229  und  im  Berliner  Winckelmannsprogramm 
von  1843. 

36.  Bacchus  und  Semele,  in  Vulci  gefunden,  aus  Ger- 
hardts Sammlung  1859  erworben.    3276. 

Dieser  schönste  aller  erhaltenen  Spiegel  befindet  sich 
leider  in  einem  solchen  Zustande,  dass  die  Linien  der  Zeich- 
nung nur  langsam  und  mit  Mühe  verfolgt  werden  können,  sie 
sind  indessen  noch  unversehrt. 

Die  Figuren  sind  mit  Ausnahme  des  kleinen  flötenden 
Satyrs  zur  Linken  mit  Namen  versehen,  Semla,  Phuphluns 
d.  i.  Bacchus  und  Apulu.  Der  letztere  steht  als  ruhiger  Zu- 
schauer der  innigen  Umarmung  des  Bacchu?  und  seiner  Mutter 
gegenüber,  seine  Anwesenheit  ist  vermuthlich  durch  die  mytho- 
logische Verwandschaft  zu  Bacchus  zu  motiviren.  In  Betreff 
der  Hauptgruppe  hat  man,  erinnernd  an  die  Sage,  wonach 
Bacchus  seine  vom  Zeus  getödtete  Mutter  aus  der  Unterwelt 
zum  Olymp  hinauf  geführt  habe,  angenommen,  dass  er  hier  die 
wiedergefundene  und  wiedererstandene  Mutter  umarme,  doch 

^)  PHnius  34,  152  und  25,  5  spricht  von  Gemälden  in  denen  Achill 
in  derselben  Action  dargestellt  sei.  Auch  Parrhasios  hatte  diese  Scene^ 
um  die  Figur  des  Odysseus  erweitert,  dargestellt. 


Die  etruscischen  Spiegel.  47 

ist  dies  nicht  in  der  Composition  angedeutet  und  daher  um  so 
weniger  anzunehmen,  als  das  Original  der  Gruppe  wahrschein- 
lich etwas  ganz  Anderes  als  Bacchus  und  Semele  darstellte. 

Eine  ganz  ähnliche  Gruppe  kommt  nämlich  auch  auf 
griechischen  Monumenten  vor,  theils  auf  Gemmen,  besonders 
aber  auf  einem  der  schönsten  Reliefs  ^),  und  zwar  in  anderer 
Bedeutung,  es  ist  nämlich  ein  getroffener  Niobide,  der,  im  Be- 
griff hintenüber  zu  sinken,  von  einer  Schwester  aufgefangen 
wird  und  nun  im  Tode  innig  seinen  Arm  um  den  Hals  der 
Schwester  legt.  Er  erhebt  nur  einen  Arm,  während  der  andere 
ihm  bereits  schlaff  herabhängt,  allein  dieser  Unterschied 
zwischen  den  beiden  Gruppen  ist  doch  nicht  erheblich  genug, 
um  ihren  Ursprung  von  einem  und  demselben  Original  in  Frage 
zu  stellen.  Fragt  man  nun  aber  nach  der  Bedeutung  der 
Originalcomposition,  so  lässt  sich  wohl  nicht  leugnen,  dass  die 
Gruppe  als  eine  Gruppe  von  sterbenden  Niobiden  besser  moti- 
virt  ist,  als  in  der  anderen  Bedeutung  auf  dem  Spiegel,  denn 
dass  der  Jüngling  sich  hintenüber  neigt  zur  Umarmung,  ist 
natürlicher  und  ungesuchter  in  jener  Situation  als  in  dieser. 
Eben  darum  ist  anzunehmen,  dass  die  Bedeutung  der  Gruppe 
auf  dem  Spiegel  verändert  ist. 

Der  Verfertiger  war,  wie  wir  glauben,  ein  etruscischer 
Künstler,  der  nach  einem  griechischen  Vorbild  arbeitete.  Denn 
bei  der  Annahme  griechischen  Ursprungs  würden  wir  nicht 
den  etruscischen  Arm-  und  Halsschmuck  der  Figuren,  noch 
weniger  aber  die  etruscischen  Inschriften  begreiflich  finden. 
Warum  sollten,  falls  man  Spiegel  aus  Griechenland  importirte, 
diese  Spiegel  nicht  eben  so  gut  in  rein  griechischer  Form 
importirt  sein,  wie  die  Vasen,  die  doch  ohne  alle  etruscische 
Zuthat  sind?  Und  zudem  ist  in  der  Gestalt  der  Semele  etwas 
nicht  ganz  Griechisches,  was  man  am  besten  bei  Vergleichung 
jenes  erwähnten  griechischen  Vorbildes  herausfühlt.  Ja  es 
fehlt  nicht  an  starken  Zeichnungsfehlern,  wie  wenn  der  linke 
Fuss  der  Semele  en  face,  das  Knie  aber  im  Profil  gesehen 
wird  und  an  dem  kleinen  Satyr  der  Kopf  vor,  die  Beine  aber 
hinter  der  Figur  des  Apollo  sich  befinden. 

Gewiss  aber  dürfen  wir  das  Werk  in  die  Zeit  der 
griechischen  Kunstblüthe,  in  das  vierte  Jahrhundert  setzen. 
Die  Figuren  haben  nämlich  bei  aller  Grazie  doch  immer  noch 

^)  Der  Gypsabguss  desselben  ist  jetzt  im  Neuen  Museum  und  zwar 
im  Niobidcnsnale  zu' finden,  eine  Abbildung  in  Starkes  Buch  über  Niobe. 


48  ^^ie  etruscischen  Spiegel. 

eine  gewisse  Haltung  und  Noblesse,  und  der  dekorative 
Charakter  igt  aufs  Schönste  festgehalten,  es  ist  eine  Umriss- 
zeichnung. Auch  die  Technik  ist  vortrefflich,  auf  keinem 
andern  Spiegel,  ja  so  viel  wir  wissen,  in  keinem  anderen 
graffito  sind  die  Linien  so  zart  und  fein  eingegraben. 

Abg^  Gerhard  I,  83,  in  dessen  Erklärung  (III,  p.  87)  ich  übrigens 
die  Vermuthung  eines  bräutlichen  Verhältnisses  zwischen  Baechns 
und  Semele  schon  desswegen  nicht  theilen  kann,  weil  Bacchus  hier 
offenbar  jugendlich,  fast  knabenhaft  der  Semele  gegenüber  steht. 

Vierte  Periode. 

Wir  gehen  nun  über  zu  der  letzten  Classe  der  Spiegel,  zu 
denjenigen  Spiegeln,  die  wir  einerseits  durch  die  Zeit  Alexanders, 
andererseits  durch  die  Zeit  der  römischen  Kaiser  begrenzen 
müssen.  Einige  wenige  lassen  sich  durch  die  Formen  ihrer 
(lateinischen)  Inschriften  noch  etwas  genauer  bestimmen,  doch 
ist  djüoait  wenig  gewonnen. 

■  Wenn  wir  den  künstlerischen  und  ethischen  Charakter 
dieser  Zeichnungen  ins  Auge  fassen,  so  tritt  uns  zunächst  eine 
grosse  Weichlichkeit,  Ueppigkeit  und  Sinnlichkeit  entgegen. 
Inhalt  und  Form  der  Darstellungen  zeigen  das  in  gleicher 
Weise.  Denn  besonders  häufig  finden  sich  verliebte  Scenen, 
namentlich  Götterliebschaften,  Frauenbäder  und  Frauen- 
schmückung,  kurz  weichliche  und  sinnliche  Gegenstände.  Selten 
sind  Kampfscenen  auf  diesen  Spiegeln,  dagegen  kommen  nackte 
Frauen,  die  nur  noch  nicht,  was  sehr  charakteristisch  ist,  ihren 
Schmuck  und  ihre  zierlichen  Schuhe  abgelegt  haben,  in  keiner 
andern  Gattung  von  Monumenten  so  häufig  vor,  wie  auf  den 
Spiegeln.  Und  die  Situationen,  Stellungen  und  Formen  sind 
oft  unsäglich  weichlich  und  widerwärtig,  auch  ist  charakteristisch, 
dass  die  weibliche  Schaam,  die  in  aller  edleren  Kunst  nicht 
dargestellt  wird,  fast  immer  angegeben  ist.  Die  pompejanischen 
Bilder,  die  doch  in  der  That  eine  nichts  weniger  als  sittlich 
reine  Zeit  voraussetzen,  sind  keusch  zu  nennen  im  Vergleich 
zu  den  etruscischen  Spiegeln,  deren  Darstellungen  manchmal 
unerhört  sind^).  In  keiner  Gattung  erscheint  die  antike  Kunst 
widerwärtiger  und  gemeiner  und  die  Kunst  muss  in  dieser 
Zeit  wirklich  wie  ein  zerstörendes  Gift  im  Volk&leben  gewirkt 
haben.    Allerdings  liegt  das,  was  die  Darstellungen  eigentlich 


1)  Vgl.  namentlich  Gerhard  I,  Taf.  81,  1. 


Die  etruscischen  Spiegel.  49 

gemein  macht,  in  der  etruscischen  Zuthat  begründet,  aber  auch 
die  griechische  Kunst,  das  Vorbild  der  etruscischen,  ging  in 
dieser  Zeit  auf  gefährlichen  Wegen.  Dabei  wollen  wir  aber 
nicht  vergessen,  dass  gerade  der  Spiegel,  das  Putzgeräth  mehr 
als  irgend  ein  anderes  Geräth  zu  derartigen  sinnlichen  Dar- 
stellungen reizte. 

Was  die  Vorbilder  betrifft,  so  merkt  man  trotz  der  etrus- 
cischen Umbildung  tiberall  die  griechische  Grundlage.  Die 
Ausdrucksweise  ist  mehr  oder  weniger  etruscisch,  Stoff  und 
Motive  sind  griechisch.  Die  nationalen  Stoffe  sind  ganz  ver- 
schwunden, die  auch  in  den  anderen  Denkmälergattungen  der 
etruscischen  Kunst  allmählich  zurücktreten. 

Ganz  verschieden  von  der  früheren  Zeit  ist  die  Anordnung 
der  Figuren.  Auf  den  alterthümlichen  Spiegeln  herrschte  ein 
streng  dekorativer  Stil,  die  Figuren  waren  reliefartig  zusammen- 
gestellt. Jetzt  dagegen  werden  die  Figuren  en  face  gestellt 
und  dadurch  vom  Grund  abgehoben  und  die  schon  erwähnte 
technische  Veränderung,  den  Grund  zu  punktiren,  dient  dem- 
selben Zweck.  Manchmal  stehen  auch  zwei  Reihen  von  Figuren 
hinter  einander,  eine  dichtere  und  mehr  malerische  Gruppirung, 
die  wir  aus  der  Vasenmalerei  überhaupt  gar  nicht  kennen. 
Der  Meleagerspiegel  des  hiesigen  Museums,  gewiss  einer  der 
schönsten  dieser  späteren  Zeit,  kann  eine  vortreffliche  Probe 
dieser  ganz  verschiedenen  Compositionsweise  abgeben. 

Auf  die  UeberfüUung  mit  Detail,  die  den  dekorativen 
Stil  so  sehr  beeinträchtigt,  wurde  schon  oben  hingewiesen. 
Man  vergleiche  z.  B.  den  Apollo  auf  dem  Semelcspiegel  mit 
einem  fast  ganz  übereinstimmenden  Apollo  auf  einem  späteren 
Spiegel  ^).  Jener  ist  eine  einfache  Umrisszeichnung,  an  diesem 
ist  dagegen  alles  Detail  des  Nackten  mit  peinlicher  Sorgfalt 
angegeben  und  eben  dadurch  der  dekorative  Charakter  ver- 
nichtet. Selbst  bei  ganz  rohen  Spiegeln  sind  doch  die  inneren 
Linien  oft  mit  grösster  Ausfülirlichkeit  angegeben. 

Ueberhaupt  wird  die  Composition  und  Omamentirung 
reicher.  Auf  den  älteren  Spiegeln  ist  immer  wie  auf  den 
Innenbildem  der  griechischen  Schaalen,  eine  sehr  geringe  An- 
zahl von  Figuren,  jetzt  kommt  es  sogar  vor,  dass  die  Spiegel- 
fläche sehr  unorganisch  in  zwei  Hälften  getheilt  und  mit  mehr 
als  einem  Dutzend  Figuren  angefüllt  wird.  Der  Hintergrund 
wird  mit  reichen  Baulichkeiten  verziert,  ähnlich  wie  auf  den 


1)  Gerliard  I,  Taf.  83  und  82. 
Frioderichs,  terlin's  Antiko  Bildwerke  II. 


50  ^^ic  etruscischen  Spiegel. 

unteritalischen  Vasen,  die  überhaupt  manche  Berührungspunkte 
mit  diesen  späteren  Spiegeln  haben.  Auch  die  Ansatzstelle 
des  Henkels,  die  wir  früher  gewöhnlich  durch  rein  Omamen- 
tales verziert  fanden,  wird  jetzt  oft  durch  Figuren  geschmückt, 
am  häufigsten  durch  Figuren  mit  ausgebreiteten  Flügeln,  die 
dem  gegebenen  Kaum  am  besten  entsprachen. 

Die  Sitte,  den  Spiegel  mit  einer  gravirten  Zeichnung  zu 
verzieren,  scheint  ebenso  wie  die  griechische  Vasenmalerei  zur 
Zeit  der  römischen  Kaiser  oder  schon  früher  untergegangen 
zu  sein.  Wenigstens  ist  nie,  soviel  wir  wissen,  in  Gräbern  der 
Kaiserzeit  ein  gravirter  Spiegel  gefunden  worden.  Wir  er- 
klären uns  den  Untergang  der  Spiegelzeichnung  und  der 
Vasenmalerei  auf  ganz  ähnliche  Weise.  Der  römische  Geist, 
der  in  der  Kunst  der  Kaiserzeit  zur  Geltung  kommt,  ver- 
schmäht das  zeichnende  und  malende  Ornament  und  zieht  das 
plastische,  körperliche  vor.  Das  letztere  ist  eben  effectvoUer 
und  entspricht  mehr  einer  Kunstrichtung,  die  nach  sinn- 
licherer Wirkung  strebtq  als  mit  griechischem  Idealismus  ver- 
träglich war.  Daher  kommt  es,  dass  plastisch  verzierte  Thon- 
waare  in  der  Kaiserzeit  sehr  beliebt  war,  während  Vasenmalerei 
und  Spiegelzeichnung  aufhört. 

Aber  es  ist  für  das  Verschwinden  der  gravirten  Spiegel 
noch  ein  besonderer  Grund  anzuführen.  Der  Luxus  der 
römischen  Kaiserzeit  suchte  mehr  Kostbarkeit  des  Materials 
als  Verzierung  durch  Kunst  Kurz  vor  der  Kaiserzeit,  wie 
wir  unten  noch  näher  sehen  werden,  kam  die  Sitte  auf,  silberne 
Spiegel  zu  gebrauchen.  Wo  das  Material  aber  so  hoch  ge- 
schätzt wird,  da  stumpft  sich  der  Sinn  für  künstlerische  Ver- 
zierung ab.  Griechisch  ist  es,  geringes  Material  durch  Kunst 
zu  adeln,  in  üppigen  Zeiten  aber,  wie  es  die  römische  Kaiser- 
zeit war,  gilt  immer  der  stoffliche  Werth  höher  als  der  künst- 
lerische. 

37.  Liebschaft  des  Jupiter,  von  Prof. Brunn  1863  in 
Rom  gekauft.    3497. 

Wer  die  vom  Jupiter  (Tinia)  umarmte  und  Uni  genannte 
Frau  ist,  vermögen  wir  nicht  anzugeben.  Hinter  dem  Paar 
steht  die  Göttin  mit  Schminkbüchse  und  Stift,  von  welcher 
unten  die  Rede  sein  wird,  die  leeren  Flecke  des  Bildes  sind 
mit  dem  Donnerkeil  des  Jupiter,  mit  einer  den  Frauen  gehörigen 
Cista  und  mit  einem  Stern,  der  sicherlich  nur  ornamental  ist, 
ausgefüllt. 


Die  etruscischen  Spiegel.  51 

Abg.  Gerhard  IV,  282,  der  die  Uni  für  Juno  erklärt.  Auf  Taf. 
346  und  284  kommt  dieselbe  Beischrift  vor,  doch  sind  auch  hier  die 
betreffenden  Figuren  ohne  nähere  Charakteristik. 

38.  Geburt  der  Minerva,  1850  von  einem  hiesigen 
Kunsthändler  angekauft.    2979. 

Sehr  symmetrisch  componirte  Gruppe,  aber  von  merk- 
würdiger Ausdruckslosigkeit  bei  dem  so  wunderbaren  Ereig- 
niss.  "Wie  viel  lebensvoller  stellen  auch  die  rohesten  griechischen 
Vasen  den  Vorgang  dar! 

Die  Beischriften  sind  alle  deutlich,  doch  wissen  wir  nicht 
die  Bedeutung  von  allen.  Wir  lesen  ausser  Tinia  (Zeus)  und 
(dem  nur  zum  Theil  erhaltenen)  Menrfa  als  Namen  der  beiden 
Frauen  Thalna  und  Uni.  Erstere  kommt  öfter  vor  und  scheint 
eine  Geburtsgöttin  zu  sein,  vielleicht  d^  Diana  entsprechend, 
letztere  fanden  wir  bereits  auf  n.  37,  ohne  sie  genauer  be- 
stimmen zu  können.  Die  beiden  sich  correspondirenden  Jüng- 
linge werden  Preale  und  Lalan  genannt,  letzterer  vermuthlich 
identisch  mit  Laran,  der  im  Habitus  mit  ihm  übereinstimmt, 
und  dem  Mars  zu  entsprechen  scheint  Der  Name  Preale  ist 
ganz  unklar. 

Abg.  Gerhard  Taf.  284.  Vgl.  über  Laran  zu  n.  51.  E.  Braun 
Ann.  1851  p.  141  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  einzelnen  Namen 
der  Figuren  durch  Punkte  eingeschlossen  seien.  In  einem  Fall  sind 
deutlich  drei  übereinander  stehende  Punkte  zu  erkennen,  wie  auf  alt- 
griechischen Inschriften,  von  denen  es  wohl  hergenommen  sein  mag. 
Nur  hat  es  hier  freilich  keinen  rechten  Sinn,  da  die  Wörter  ohnedies 
durch  Zwischenräume  von  einander  geschieden  sind. 

39 — 41.  Minerva,  in  den  Kampf  eilend,  aus  Gerhardts 
Sammlung  1859  erworben.    3375.  3298.  3380. 

Diese  drei  Spiegel  gehen  auf  dasselbe  Original  zurück 
und  stellen  eine  in  den  Kampf  eilende  Minerva  dar.  Das 
Schwert  ist  auf  griechischen  Denkmälern  eine  in  der  Hand 
dieser  Göttin  ungewöhnliche  Waffe,  auf  etruscischen  dagegen 
um  so  häufiger.  Auch  die  Flügel  verleiht  die  etruscische  Kunst 
mehreren  Göttern,  die  bei  den  Griechen  ungeflügelt  sind,  doch 
ist  die  Praxis  der  ersteren  keineswegs  constant. 

Abg.  Gerhard  I,  36,  6.  8.  7. 

42.  Aehnliches  Bild,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.    3352. 

Die  Göttin  eilt  mit  einem  Donnerkeil  in  den  Händen  da- 

4* 


52  J^iß  etruscischen  Spiegel. 

hin.  Die  unförmliche  Grösse  des  Attributs  hat  viele  Analogien 
auf  den  Spiegeln  und  erklärt  sich  nur  aus  dem  rohen,  unkünst- 
lerischen  Sinn  der  Spiegelzeichner. 

Abg.  Gerhard  Taf.  246. 

43.  Aehnliches  Bild,  1859  aus  Gerhardts  Sammlung 
erworben.    3377. 

Die  Waffe  in  der  Rechten  der  Göttin  fehlt,  wohl  nur  aus 
Flüchtigkeit.  Der  Fisch  und  Vogel  sind  natürlich  rein  oma- 
mentale Zuthaten. 

44.  Minerva  im  Gigantenkampf,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung 1859  erworben,  3331. 

An  der  Darstellung  ist  nichts  Besonderes  zu  bemerken, 
nur  ist  der  Flügel  der  Göttin  höchst  phantastisch  ausgezackt 
Am  Griff  bemerkt  man  zwei  runde  Fabrikstempel  in  Form 
eines  Seepferdes  und  zwischen  beiden  eine  oblonge  Vertiefung,, 
die  vielleicht  einen  Namen  enthielt,  von  dem  jetzt  aber  kein 
Buchstabe  mehr  leserlich  ist. 

Abg.  Gerhard  Taf.  67. 

45.  Dieselbe  Darstellung,  1860  von  Dr.  Brunn  in 
Rom  angekauft.    3441. 

Der  Gigant  ist  geflügelt,  was  aber  in  etruscischer  Kunst, 
die  in  dieser  Beziehung  keinen  festen  Gebrauch  kennt,  nicht 
auffallen  darf. 

Abg.  Gerhard  IV,  286,  1. 

46.  Minerva  und  Marsyas,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben.    3325. 

Marsyas  hatte  die  Flöten  aufgehoben,  die  Minerva  weg- 
geworfen, weil  sie  ihr  Gesicht  entstellten.  Hier  selien  wir  die 
beiden  ruhig  neben  einander,  eine  übrigens  höchst  ausdrucks- 
lose Gruppe. 

In  griechischer  Kunst  wird  Marsyas  bärtig  dargestellt, 
wie  auch  auf  dem  griechischer  Kunst  näher  stehenden  Spiegel 
bei  Gerhard  Taf.  70,  aber  dem  etruscischen  Geschmack  ent- 
sprachen mehr  die  jugendlichen  Figuren,  wie  alle  Gattungen 
etruscischer  Denkmäler  zeigen. 

Abg.  Gerhard  Taf.  69,    aus    dessen  Text  ich  nur  die  Bemerkung 
notire,    dass  die  Minerva  durch   die  Flügel   als  Siegesgöttin  bezeichnet 


'  Die  etruscischesi  Spiegel.  5B 

■werde,  was  an  sich  ebenso  unverständlich  als  nach  der  Praxis  der 
«truscischen  Kunst,  wo  beflügelte  und  unbeflügelte  Dämonen  sichtlich 
ohne  Bedeutungsunterschied  wechseln  —  es  hängt  hqiuptsächlich  vom 
Raum  ab  —  auffallend  wäre. 

47.  Minerva  als  Kindespflegerin,  von  dem  Canonikus 
Mazzetto  in  Chiusi  1848  angekauft.    2947. 

Der  Gegenstand  dieses  Bildes  ist  durchaus  räthselhaft. 
Minerva  (Menrfa)  hält  ein  Kind,  das  über  einem  Kruge  sitzt  und 
die  räthselhafte  Inschrift  Maris  Husrnana  hat.  Denn  dass 
diese  Inschrift  dem  Kinde  zukommt,  geht  aus  einem  ähnlichen 
Spiegelbilde  (Gerhard  Taf.  257  B.)  hervor.  Neben  der  Minerva 
steht  Venus  (Turan)  und  neben  dieser  eine  Leinth  genannte 
Jünglingsgestalt  mit  einem  Kinde,  dem  die  Beischrift  Maris 
Halna  gilt.  Die  dem  Jüngling  correspondirende  Figur  auf  der 
anderen  Seite  ist  ohne  Inschrift,  denn  der  Name  Recial,  der 
unter  dem  Krug  steht,  bezieht  sich  wohl  auf  die  nackte  weib- 
liche Figur  am  Griff. 

Abg.  Gerhard  Taf.  166.  Auf  die  Phantasien,  welche  dieser  Spiegel 
hervorgerufen  hat,  gehe  ich  niclit  ein,  nur  das  will  ich  bemerken,  dass 
über  die  Vertheilung  der  Inschriften  unter  Vergleichung  von  Taf.  257  ß., 
wo  jedes  der  drei  Kinder  einen  mit  Maris  beginnenden  Namen  hat,  kein 
Zweifel  hätte  stattfinden  sollen. 

48.  Minerva  unter  anderen  Göttinnen,  aus  Gerhardts 
Sammlung  1859  erworben.    3337. 

Auf  einer  grösseren  Anzahl  von  Spiegeln  sind  vier  Göt- 
tinnen dargestellt,  unter  denen  auf  etwas  genauer  gezeichneten 
Minerva  kenntlich  hervortritt.  Die  nähere  Bestimmung  der 
übrigen  ist  schwerlich  möglich. 

Abg.  Gerhard  Taf.  272,  1,  der  wieder  unglaubliche  Phantasien  vor- 
bringt. Der  Kopf  unter  dem  Sitz  der  Figur  zur  Linken  (nach  Gerhard 
der  Libera),  den  der  Zeichner  zur  Belebung  in  den  leeren  Raum  hinein- 
setzte, ist  eine  „Andeutung  der  wiederkehrenden  Mysteriengöttin." 

49.  Minerva  mit  drei  anderen  Figuren,  aus  Ger- 
hardts Sammlung  1859  erworben.    3340. 

Die  Zeichnung  dieses  Spiegels  ist  zu  flüchtig,  als  dass 
eine  genauere  Erklärung  möglich  wäre.  Nur  Minerva  ist  mit 
Sicherheit  zu  benennen. 

Abg.  Gerhard  Taf.  162,  dessen  Zeichnung  und  Text  dem  Jüngling 
zwischen  den  beiden  Frauen  einen  Petasus  giebt,  der  auf  dem  Original 
nicht  mit  Sicherheit  zu  erkennen  ist  und  auch  wenn  er  es  wäre,  doch 


54  I^i©  etruscischen  Spiegel. 

nicht  genügen  würde,  um  die  Deutung  der  Figur  auf  Merkur  zu  recht- 
fertigen. Man  könnte  denken,  die  Figur  stelle  Herkules  vor  wegen  der 
Uebereinstimmung  mit  dem  Herkules  auf  Taf.  164. 

50.  Geflügelte  Göttin  mit  Speer,  aus  Gerhard's 
Sammlung  1859  erworben.    3383. 

Es  ist  schwer,  dieser  Göttin  einen  bestimmten  Namen  zu 
geben,  da  sie  keiner  griechischen  Figur  entspricht.  Am  wahr- 
scheinlichsten scheint  es  uns  wegen  des  Speers  eine  Minerva 
zu  sein.    Neben  ihr  steht  ein  Altar. 

Die  Zeichnung  ist  nicht  ohne  Sorgfalt  gemacht,  sogar  die 
Härchen  der  AugenHder  sind  angegeben.  Um  so  fühlbarer  aber 
ist  die  Plumpheit  und  Ungeschicklichkeit  des  Ganzen. 

Abg.  Gerhard  I,  38,    der  den  Altar  für  ein  Wassergefäss  erklärt,, 
ohne  die  viereckige  Platte  zu  bemerken,  die  oben  darauf  liegt. 

51.  Rückführung  des  Hephäst,  aus  Chiusi.  Samm- 
lung Dorow.  Vgl.  Dorow  Voyage  archeologique  dans  Tancienne 
fitrurie  p.  29.  pl.  15. 

Die  Darstellung  ist  theils  durch  Inschriften,  theils  durch 
die  Attribute  und  Handlung  der  Figuren  klar.  Hephäst  (Seth- 
lans)  mit  dem  Handwerkerhut  und  dem  Hammer  wird  von 
Bacchus  (Phuphlun(s),  der  ihn  trunken  gemacht  und  eben  da- 
durch versöhnt  hatte,  in  den  Olymp  zurückgeführt.  Auch  in 
griechischer  Kunst  ist  diese  Gruppe,  zum  Theil  in  grossartiger 
Weise  aufgefasst,  erhalten,  aber  eine  directe  Verwandtschaft 
dieses  etruscischen  Werkes  mit  einem  griechischen  ist  nicht 
ersichtlich. 

Die  Nebenfiguren,  welche  die  Gruppe  umgeben,  sind  eine 
rein  etruscische  Zuthat,  denn  sie  passen  als  ruhig  sitzende 
Zuschauer  gar  nicht  zu  der  in  Bewegung  begriffenen  Mittel- 
gruppe und  sind  eben  nur  als  willkommenes  Ausfüllungsmittel 
angebracht.  Hätten  sie  nicht  andere  Inschriften,  so  würde  man 
in  ihnen  die  unvermeidlichen  Dioskuren  wiederfinden,  jetzt  aber 
hat  der  eine  die  Inschrift  Laran,  die  sprachlich  unverständlich,, 
nach  den  Bildern  aber  den  Mars  zu  bezeichnen  scheint,  und 
der  andere  ist  Maris  benannt,  eine  nach  der  Autorität  anderer 
Spiegel  für  appellativisch  zu  haltende  Inschrift,  deren  Sinn  wir 
aber  nicht  kennen. 

Die  technische  Ausführung  ist  sehr  ungleich,  insgfern  bei 
der  einen  Figur  die  Angabe  des  Details  fast  ganz  fehlt,  bei 
der  anderen  übertrieben  ist.    Die  Haare  sind  ganz  maschinen- 


,1 


Die  etruscischen  Spiegel.  55 

massig  wie  lauter  Ringel  gezeichnet,  eine  "Weise,  an  der  man 
sofort  die  spätere  Zeit  erkennt. 

Abg.  Gerhard  I,  90,  der  p.  95  das  Motiv  misszuverstehen  scheint, 
indem  er  nur  von  der  Darstellung  der  Freundschaft  des  Bacchus 
und  Vulkan  spricht.  Dass  Laran  dem  Mars  entspricht,  möchte  man  be- 
sonders aus  der  Zusammenstellung  mit  Turan  Taf.  69, 2  und  Taf.  257  C. 
schliessen. 

52.  Venus  und  Adonis,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.    3344. 

Venus  und  Adonis  (Turan,  Atunis)  stehen  in  zärtlicher 
Umarmung  neben  einander.  Nicht  ganz  deutlich  ist  die  Be- 
wegung der  linken  Hand  der  Venus  und  der  Gegenstand,  den 
sie  darin  hält.  Vielleicht  soll  es  ein  Apfel  sein,  den  Venus 
spielend  vor  Adonis  zu  verstecken  sucht.  Wir  vermuthen,  dass 
hier  ein  griechisches  Motiv,  ein  Liebesspiel  zwischen  Venus 
und  Adonis,  in  ungraziöse  etruscische  "Weise  übersetzt  ist.  Zur 
Linken  dieser  Gruppe  sitzt  die  Göttin  mit  Schminkbüchse  und 
Schminkstäbchen,  die  wir  unten  näher  kennen  lernen  werden, 
die  hier  aber  den  unverständlichen  Namen  Snenath  hat,  rechts 
Apollo  mit  der  ebenfalls  räthselhaften  Beischrift  Pulthisph, 
dessen  Anwesenheit  wir  nicht  näher  zu  motiviren  vermögen, 
lieber  diesen  beiden  Figuren  erheben  Schwäne  ihre  langen 
Hälse,  ein  durch  Venus  und  vielleicht  auch  durch  Apoll  ver- 
anlasstes Beiwerk,  das  wie  gewöhnlich  sich  übermässig  breit 
macht. 

Bemerkenswerth  ist  noch,  dass  der  Name  der  Snenath 
auf  dem  Körper  der  Figur  selbst  angeschrieben  ist.  Auf 
griechischen  Denkmälern,  Vasen  und  Broncen  kommt  einige 
Male  etwas  Aehnliches  vor,  aber  in  der  etruscischen  Kunst  ist 
diese  unschöne  Weise  viel  häufiger  und  viel  weniger  bescheiden. 
Es  finden  sich  Beispiele,  wo  das  ganze  Bein  einer  Figur  mit 
Inschriften  bedeckt  ist,  so  dass  man  an  die  wunderliche 
assyrische  Weise  erinnert  wird,  quer  mitten  durch  die  Figuren 
hindurch  zu  schreiben. 

Abg.  Gerhard  Taf.  111. 

53.  Venus  und  Adonis,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.    3312. 

Auch  in  dieser  Scene  ist  vermuthlich  ein  hübsches 
griechisches  Motiv  ins  Etruscische  übersetzt.  Venus  (Turanati) 
hält  einen  Vogel  an  den  Flügeln  in  die  Höhe  und  Adonis 


56  ^1^  etruscischen  Spiegel. 

(Atunis)  hasclit  danach.  Der  letztere  ist  hier  geflügelt,  was  bei 
der  etruscischen  Weise  zwar  nichts  Auffallendes  hat,  doch  aber 
den  Gedanken  hervorruft,  die  Figur  sei  eigentlich  Amor  und 
nur  etruscisch  umgetauft.  Für  Amor  passt  auch  das  ganze 
Motiv  besser. 

Unter  dem  Stuhl  der  Venus  steht  ein  Toilettenkästchen, 
daneben  liegt  ein  Spiegel. 

Abg.  Gerhard  Taf.  116,  dessen  Text  sich  wieder  wie  zu  Taf.  116 
in  wunderlichen  und  willkürlichen  Annahmen  ergeht. 

54.  Amor's  Ballspiel,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.    3316. 

Anmuthigste  griechische  Poesie  in  rohem  Jargon  vorge- 
tragen. Das  Knäbchen  Amor  bittet  Venus  um  einen  Ball  zum 
Spielen,  daneben  sitzt  etwa  Peitho  und  schnurrt  mit  einer 
kleinen  Scheibe,  ein  Spiel,  das  den  Alten  so  gut  bekannt  war 
als  uns  und  oft  dargestellt  ist.  ApoUonius  Rhodius  und  nach 
ihm  der  jüngere  Philostrat  beschreiben  eine  ähnliche  Situation. 

Als  Beiwerk  bemerkt  man  ausser  den  gewöhnlichen  raum- 
füllenden Pflanzen  eine  Leier  und  einen  Vogel  auf  einem 
Pfeiler,  die  griechischen  Vasen  geben  uns  häufige  Beispiele, 
ein  wie  beliebtes  Spielzeug  für  Frauen  und  Knaben  die  Vögel 
waren. 

Abg.  Gerhard  Taf.  328,  1,  wo  es  wieder  an  Miss  Verständnissen 
nicht  fehlt.  Das  dichterische  Vorbild  bei  Apollon.  Rhod.  3,  132. 
Philostr.  jun.  8. 

55.  Amor  mit  einem  Flügelross,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung 1859  angekauft.    3310. 

Das  Bild  wird  durch  Vergleichung  analoger  griechigcher 
Darstellungen  deutlich.  Amor  belustigt  sich  mit  allen  mög- 
lichen Thieren,  mit  den  Thieren  des  Wassers  und  des  Landes, 
und  schon  im  schönsten  Stil  der  Vasenmalerei  kommen  der- 
artige Motive  vor.  Ein  solches  Bild  lag  diesem  Spiegelzeichner 
vor,  der  den  Amor  wie  es  scheint  neben  einem  Flügelross  hin- 
schweben lässt.  Bei  dem  Flügelross  braucht  man  nicht  gleich 
an  Pegasus  zu  denken,  auf  den  Vasen  finden  sich  manche  Bei- 
spiele, wo  ein  Pferd  nur  zur  poetischen  Bezeichnung  seiner 
SchnelHgkeit  Flügel  hat. 

Der  Leib  des  Pferdes  ist  in  ganz  phantastischer  Weise 
verziert.  Trotzdem  gehört  der  Spiegel  im  Allgemeinen  noch 
guter  Zeit  an. 


Die  etruscischen  Spiegel.  57 

Abg.  Oerhard  Taf.  118,  wo  ein  Dämou  des  Kampfes  mit  einem 
Siegesross  angenommen  wird. 

56.  Amor  auf  einem  Seepferd,  aus  Gerhard's  Samm- 
lung erworben.    3334. 

Das  Schwert  in  der  Hand  Amors  wissen  wir  nicht  zu 
motiviren.  Der  Schwanz  des  Thieres  ist  mit  phantastischen 
Verzierungen  bedeckt.  Das  Bild  entspricht  im  Stil  durchaus 
dem  unteritalischen  Vasenstil,  wo  die  phantastischen  Seethiere 
ganz  in  derselben  Weise  gezeichnet  werden. 

Abg.  Gerhard  Taf.  119.  Zwischen  den  onteritalischen  Vasen  und 
den  späteren  Spiegeln  giebt  es  überhaupt,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  manche  Berührungspunkte.  Die  eigenthümlichen  mit  Zacken  be- 
setzten phrygischen  Mützen  finden  sich  hier  wie  dort.  Vgl.  Gerhard 
Spiegel  Taf.  181.  218.  217  nut  Overbeck  Gall.  her.  Bildw.  12,  6  und 
vielen  anderen  Beispielen. 

57.  Amor  mit  einer  anderen  Flügelfigur,  Spiegel 
»US  Präneste,  1860  von  Prof.  Brunn  in  Rom  gekauft.    3442. 

Die  Figur  zur  Rechten  wird  man  wohl  Amor  nennen 
dürfen,  die  zur  Linken  ist  schwer  zu  benennen.  Ja  wir  sind 
sogar  über  ihr  Geschlecht  im  Unklaren.  Das  Gewand  sieht 
wie  ein  männliches  Kleidungsstück,  wie  die  Chlamjrs,  aus, 
andererseits  lässt  der  Gestus  der  Rechten,  die  einen  Gewand- 
zipfel hält,  auf  eine  Frau  schliessen.  Am  Griff  befindet  sich 
eine  Achelousmaske,  die  vielleicht  zum  Schutz  gegen  Zauber 
und  bösen  Blick  angebracht  ist. 

Abg.  bei  Gerhard  IV,  331,  2,  der  an  Amor  und  Psyche  denkt, 
was  mir  sehr  unwahrscheinlich  vorkommt. 

58.  Bacchuskopf,  Spiegel  aus  der  Bartholdy'schen 
Sammlung  B.  67. 

Der  Kopf  ist  mitEpheu  bekränzt  und  von  einem  Lorbeer- 
kranz umgeben. 

Abg.  Gerhard  I,  71,  6,  der  den  Spiegel  irrthümlich  in  Bologna 
vermuthet,  und  über  Lorbeer  und  Epheu  wieder  eine  sehr  gesuchte 
Bemerkung  macht. 

59.  Satyr,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.  3349. 
Ein  Satyr,  in  leidenschaftlicher  Bewegung,  wie  sie  diesen 

Dämonen  eigen  ist. 

Abg.  Gerhard  Taf.  93,  1. 


53  Die  etruscischen  Spieg^el. 

60.  Zwei  Silene,  aus  der  Bartholdy'schen  Sammlung 
B.  6.  69. 

Dargestellt  sind  zwei  Silene,  lebhaft  gegen  einander  ge- 
stikulirend. 

Abg.  Gerhard  I,  94. 

I 

61.  Bacchantin,  gefunden  in  Bomarzo,  aus  Gerhard'^ 
Sammlung  1859  erworben.  3356. 

Eine  Bacchantin  in  lebhafter  Bewegung,  begleitet  vom 
Reh,  als  dem  Thier,  das  an  dem  Ort  bacchischer  Feste,  auf 
Bergen  und  in  Wäldern  haust.  Mit  barbarischer  Rohheit 
macht  sich  das  bloss  raumftiUende  Ornament  der  Blume 
geltend. 

Abg.  Gerhard  Taf.  93,  3,  der  die  Blume  als  Andeutung  „blumiger 
Wiesen"  auffasst. 

62.  Bacchantinnen,  aus  Gerhardts  Sammlung  18ö& 
erworben. 

Von  den  drei  Frauen  dieser  Spiegelzeichnung  ist  eine 
durch  Thyrsus  und  Flöten  als  Bacchantin  charakterisirt,  die 
anderen  sind  vermuthlich  gleichartige  Wesen. 

Abg.  Gerhard  Taf.  95,  wo  die  Einfassung  der  Figuren  als  An- 
deutung einer  „blumenerfüllten  Grotte"  aufgefasst  wird. 

63.  Silen  und  Bacchantin,  aus  Gerhard's  Sammlung 
1859  erworben.  3351. 

Flüchtig  gezeichneter  Spiegel  mit  etruscischer  Verzerrung 
der  Hände.  Doch  ist  das  Motiv  noch  deutlich,  der  Satyr  will 
einen  Angriff  auf  die  Bacchantin  machen  und  diese  spielt  die 
Abwehrende. 

Abg.  Gerhard  Taf.  100,  2. 

64.  Zwei  Bacchantinnen,  1863  von  Prof.  Brunn  in 
Rom  gekaufter  Spiegel,  3495. 

Zwei  Bacchantinnen,  die  eine  einen  Thyrsus  haltend,  die 
andere  sich  auf  eine  Priapherme  stützend,  stehen  ausdruckslos 
einander  gegenüber. 

Abg.  Gerhard  IV,  310.  Dass  die  Herme  eine  Priapherme  ist,  be- 
weist der  Modius  auf  ihrem  Kopfe,  der  auf  dem  Original  deutlicher  ist 
als  auf  der  Zeichnung. 


Die  etrusoischen  Spiegel.  59 

65.  Desgl.,  ebendaher,  3494. 

Dass  die  beiden  Figuren  in  die  bacchische  Sphäre  ge- 
hören, beweist  das  Beiwerk,  der  Panther  und  der  Panisk. 
Der  Stab  der  einen  sieht  einem  Thyrsus  ähnlich,  die  andere 
hat  ein  buntes  Aermelkleid,  wie  es  im  theatralischen  Kostüm 
üblich  ist.    Der  Stern  hat  keine  materielle  Bedeutung. 

Abg.  Gerhard  IV,  311,  nach  dessen  Auffassung  die  Frauen  ihren 
Blick  auf  „den  leuchtenden  Stern  Jacchos"  gerichtet  haben. 

66.  Satyr  mit  Bacchantinnen,  aus  Gerhardts  Samm* 
lung  1859  erworben.  3338. 

Ein  begierig  heraneilender  Satyr,  von  einer  Bacchantin 
mit  etruscisch  verzerrten  Händen  zurückgescheucht,  daneben 
eine  zweite  Bacchantin.  Dem  Verfertiger  dieser  Zeichnung 
kam  es  darauf  an,  jeden  kleinsten  Fleck  des  Bildes  auszufüllen^ 
wobei  es  denn  flüchtig  genug  zuging.  Die  Bestie  neben  dem 
Satyr  ist  kaum  zu  bestimmen,  doch  soll  es  wohl  der  Panther 
sein,  der  zum  bacchischen  Gefolge  gehört,  zwischen  den  Beinen 
der  gegenüberstehenden  Bacchantin  kommen  die  Beine  eines 
anderen  Thieres  zum  Vorschein,  das  aber  nicht  fertig  ge- 
worden ist.  Der  Abschnitt  des  Bildes  ist  durch  Seepferde  aus- 
gefüllt, die  Zwischenräume  der  Figuren  durch  Palmetten  und 
Rosetten,  wie  es  ähnlich  im  spätesten  Vasenstyl  der  Fall  ist. 

Abg.  Gerhard  Taf.    103,  dessen  Erklärung  p.  104  nicht  ohne  Miss- 
verständnisse ist. 

67.  Satyr  mit  Baccb antinnen,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung  1859  erworben.  3324. 

Die  Thyrsusstäbe  der  Bacchantinnen  haben  auf  den  ersten 
Blick  eine  seltsame  und  gewiss  auch  missverstandene  Form, 
die  aber  doch  durch  eine  Vergleichung  der  Thyrsusstäbe  des 
spätesten  Vasenstyls  deutlich  wird.  Es  giebt  sich  dann  die 
Spitze  an  dem  Stabe  der  Frau  zur  Linken  als  spitz  zulaufender 
Pinienzapfen  mit  etwas  abstehenden  Schuppen  zu  erkennen. 
Der  Stab  der  anderen  soll  auch  ein  Thyrsus  sein,  wie  man  an 
den  beiden  Blättern  oder  Zweigen  sieht,  die  in  der  späteren 
Vasenmalerei  ebenfalls  gewöhnlich  sind. 

Der  Satyr  ist  ganz  besonders  unerfreulich,  theils  wegen 
seiner  ungeschickten,  ausdruckslosen  Stellung,  theils  wegen 
seiner  Kahlköpfigkeit,  die  sich  in  der  griechischen  Kunst  nur 
an  älteren,  bei  den  Etruskern  vermuthlich  aus  Unachtsamkeit, 


• 


i 


^Q  Die  etruscischen  Spiegel. 

auch  bei  jüngeren  Satyrn  findet.    Merkwürdig  ist  auch   der 
Schwänz  behandelt. 

Abg.  Gerhard  Taf.  104,  dessen  Text  übriffens  wieder  Willkürliches 
und  Missverstandenes  enthält.  ^ 

68.  Aehnliche  Scene,  aus  Gerhardts  Nachlass  1859 
erworben.  3342. 

Ein  Satyr  umfasst  eine  nackte,  geflügelte  Bacchantin,  hin- 
ter welcher  eine  zweite  mit  Thyrsus  und  Kanne.   Die  Beflüge- 
Jung  von  Bacchantinnen  hat  in  der  etruscischen  Kunst,  wo  fast 
alle  Dämonen  mit  und  ohne  Flügel  vorkommen,  nichts  Auf- 
fälliges.   Die  Handlung  ist  übrigens  leblos  und  ohne  Feuer. 

Abg.  Gerhard,  Taf.  105,  wo  mit  völliger  Verkennung  der  Ab- 
sichten des  Verfertigers  hocliklingende  Namen  für  die  Figuren  vor-* 
geschlagen  werden 

69.  Silen  am  Brunnen,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.  3321. 

An  den  Quellen  wohnen  die  lüsternen  Satyrn  und  Silene 
und  stellen  den  Frauen  nach,  die  dort  zum  Bade  gehen.  So 
naht  sich  hier  ein  Silen  mit  gieriger  Geberde  einer  nackt  da- 
stehenden Frau.  Das  Geräth  in  ihrer  Linken  soll'  vielleicht 
einen  Spiegel  vorstellen,  der  Stuhl  ist  zum  Kleiderablegen  be- 
stimmt. 

Abg.  Gerhard  Taf.  106,  der  in  diesem  Bild  das  „Läuterungsbad 
einer  Eingeweihten"  erblickt.  Vgl.  Taf.  108,  dessen  simple  Darstellung 
auch  in  der  wunderlichsten  Weise  aufgefasst  wird. 

70.  Eos  und  Tithonus,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.  3396. 

Auf  diesem  Spiegel  scheint  die  Liebe  zwischen  Eos  und 
Tithonus  dargestellt  zu  sein.  Von  den  Hauptfiguren  hat  näm- 
lich die  eine  die  Beischrift  Tinthu,  was  wir  um  so  eher  mit 
Tithonus  identificiren  dürfen,  als  auf  einem  fast  ganz  über- 
einstimmenden Spiegel  eine  ebenso  benannte  Figur  mit  Thesan, 
der  etruscischen  Aurora,  gruppirt  ist.  Hier  freilich  hat  die 
Geliebte  des  Tithonus  den  uns  unbekannten  Namen  Evan,  doch 
ist  eben  wegen  der  Uebereinstimmung  beider  Spiegel  schwer- 
lich eine  andere  als  Aurora  gemeint.  Als  ruhige  Zuschauer 
der  Liebesscene  in  der  Mitte  sind  links  Thetis  (Thethis  geschr.), 
rechts  ein  Jüngling  anwesend,  neben  dem  ganz  unleserliche 
Schriftzüge  stehen. 


Die  etruscischen  Spiegel.  Qi 

Abg.  Gerhard  II,  232.  Vgl.  III,  p.  217.  Wegen  des  Namen» 
Evau  erinnert  Gerhard  an  Memuons  Namen  Evas.  Auf  Taf.  290  ist  der 
übereinstimmende  Spiegel  abgebildet,  wo  die  Figuren  die  Beischrift 
Tinthun  und  Thesan  haben. 

71.  Eos  und  Kephalos,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.  3346. 

Die  Gruppe  ist  ähnlich  componirt,  wie  auf  griechischen 
Vasenbildem  späterer  Zeit. 

Abg.  Gerhard  IV,  362. 

72—78.  Geflügelte  Göttin  mit  Schminkbüchse, 
n.  72  ist  aus  der  Bartholdy'schen  Sammlung  B.  66,  die  übri- 
gen sind  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.  3314.  3315. 
3376.  3378.  3348.  3379. 

Die  Spiegel;  die  wir  hier  unter  einem  Titel  zusammen- 
fassen, sind  sämmtlich  von  geringerem  Umfang  und  Werth. 
Man  findet  überhaupt  auf  keinem  kleineren  Spiegel  eine  .auch 
nur  einigermaassen  sorgfältige  Zeichnung. 

Die  Figuren,  die  auf  diesen  Spiegeln  gezeichnet  sind; 
kehren  ungemein  häufig  wieder.  Es  sind  dämonische  Wesen, 
meist  geflügelt  und  völlig  nackt  und  ein  Gefäss  nebst  Stift, 
wahrscheinlich  eine  Schminkbtichse  nebst  Schminkstäbchen,  in 
den  Händen  tragend.  An  einigen  dieser  Figuren  bemerkt  man 
auch  eine  der  phrygischen  Mütze  ähnliche  Kopfbedeckung, 
doch  ist  diese  Uebereinstimmung  keine  völlige,  da  die  jener 
Mütze  eigenthümlichen  Backenklappen  fehlen,  es  wird  daher 
richtiger  sein,  die  in  etruscischen  Darstellungen  häufige  und 
tutulus  genannte  etruscische  Mütze  hier  anzunehmen. 

Das  Attribut  der  Schminkbüchse  bezeichnet  bereits  im 
Allgemeinen  das  Wesen  dieser  Göttin.  Es  muss  eine  Göttin 
sein,  die  es  mit  weiblicher  Anmuth  und  Grazie  zu  thun  hat. 
Und  in  der  That  finden  wir  sie  auch  in  Uebereinstimmung 
hiermit  als  Gefährtin  der  Venus  und  in  Scenen,  wo  es  sich  um 
die  Schmückung  einer  Frau  handelt. 

Ihr  einen  Namen  zu  geben  ist  schwer.  Sie  führt  nämlich 
verschiedene  Namen  auf  den  Monumenten,  die  uns  alle  gleich 
unverständlich  sind.  Auch  wüssten  wir  keine  Göttergestalt  der 
griechischen  Kunst,  der  sie  genau  entspräche,  aber  ihr  Wesen 
ist  wohl  richtig  dadurch  bestimmt,  dass  man  sie  den  griechi- 
schen Grazien  an  die  Seite  gesetzt  hat.  Dazu  würde  auch  das 
stimmen,  dass  sie  öfter  in  der  Mehrzahl  vorkommt.  Die  Figur 
wäre  demnach  auch  eine  passende  Verzierung  für  einen  Spiegel. 


^ 


ß2  I^iö  etruscischen  Spiegel. 

n.  73—76  sind  abg.  bei  Gerhard  I,  35,  8.  33,  7.  34,  2.  35,  3. 
Vgl.  Roulez,  Annali  1862,  p.  181,  der  Gerhard's  wunderliche  Meinung, 
das  Gefass  sei  ein  Tintenfass ,  richtig  widerlegt,  dagegen  den  Stift  ähn- 
lich wie  Garucci,  der  ihn  (bullet.  1865,  p.  55)  für  ein  Instrument  zum 
Haarscheiteln,  discerniculum,  hält,  wofür  er  aber  viel  zu  spitz  ist,  f&r 
eine  Haarnadel  und  das  Gefäss  für  ein  Salbgefäss  erklärt,  was  ich  nicht 
glauben  kann,  da  die  beiden  Geräthe  augenscheinlich  zusammen  gehören. 
Denn  oft  steckt  die  Figur  den  Stift  in  das  Gefäss  (auch  auf  einer  grie- 
chischen Vase  schönsten  Styls,  Monum.  d.  inst.  V,  49)  und  einmal  ge- 
braucht sie  ihn  in  einer  Weise,  dass  der  Gedanke  an  ein  Schmink- 
stäbchen von  selbst  hervorgerufen  wird.  Das  ist  nämlich  auf  Taf.  319 
der  Fall,  wo  eine  Frau  frisirt  wird,  der  eine  Diejierin  den  Spiegel 
vorhält,  während  die  andere  mit  eben  diesem  Stift  an  ihrem  Gesicht 
operirt.  Dass  aber  die  Alten  ein  Stäbchen  zum  Schminken  benutzten, 
ist  nothwendig  anzunehmen,  da  sich  nur  durch  ein  solches  die  Um- 
ränderung der  Augen  mit  schwarzer  Farbe  (Becker,  Charikles  I,  299),  die 
sie  eben  sowohl  kannten  als  die  heutigen  Orientalinnen,  herstellen  lässt. 
Koch  jetzt  werden  im  Orient  dasselbe  Schminkstäbchen  und  ganz  ähn- 
liche Schminkbüchsen  benutzt.  Vgl.  Thomson,  the  land  and  the  book, 
p.  645,  der  auch  Abbildungen  giebt.  Natürlich  konnte  das  Gefäss  auch 
zu  Salben  benutzt  werden,  aber  hier,  wo  Stift  und  Geföss  offenbar  zu- 
sammengehören, kann  es  nur,  wie  ich  glaube,  eine  Schminkbüohse  sein, 

79.  Aehnliche  Figur,  1848  von  Gerhard  in  Italien  ge- 
kaufs.  2966. 

In  den  Attributen  unterscheidet  sich  diese  Figur  aller- 
dings von  den  eben  betrachteten,  sie  trägt  nämlich  einen 
Kranz  und  neben  ihr  bemerkt  man  ein  Toilettenkästchen  und, 
wie  es  scheint,  einen  zweiten  Kranz,  doch  ist  gewiss  dieselbe 
Göttin  gemeint. 

Abg.  Gerhard  Taf.  244,  der  diesen  rohen  Spiegel  wieder  für  my- 
stische Theorien  zu  verwerthen  sucht. 

80.  Aehnliche  Figur,  kleiner  fragmentirter  SpiegeL 
Die  Figur  scheint  eine  Knospe  in  der  Hand  zu  haben, 

aber  die  Zeichnung  ist  zu  roh,  als  dass  man  Sicheres  sagen 
könnte. 

81.  Desgl.  In  Rom  durch  Emil  Braun  1856  erworben. 
Sehr  zerbrochen.  3213. 

Das  Gefäss  in  der  Linken  ist  deutlich,  nicht  aber  das 
Attribut  der  Rechten. 

82  und  82*'  Desgl.  Der  erstere  aus  Gerhard's  Samm- 
lung 1859  erworben  3299,  der  letztere  1869  aus  Gerhard's 
Nachlass. 

Die  Figur  ist  hier  ohne  alle  Attribute. 


I 


Die  etru£(cischen  Spiegel.  63 

83.  Geflügelte  Göttinnen,  aus  Gerhard's  Sammlung 
1859  erworben.  3384. 

Ueberaus  häufig  sieht  man  in  der  Weise  componirte 
Spiegelzeichnungen,  dass  zwei  verwandte  oder  zusammen- 
gehörige Gestalten  sich  in  entsprechender  Stellung  einander 
gegenübergesetzt  sind.  So  müssen  wir  auch  diese  beiden 
Figuren  als  wesensverwandt  auffassen,  deren  eine  offenbar  den 
eben  betrachteten  entspricht,  während  die  andere,  deren  Arm 
wie  an  Bacchantinnen  von  einer  Schlange  umringelt  ist,  uns 
unverständlich  bleibt. 

Abg.  Gerhard  I,  42,  6. 

84.  Aehnliche  Figuren,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.  3305. 

Wir  wissen  weder  die  bekleidete  Flügelfigur  näher  zu 
bestimmen,  noch  die  nackte,  ungeflügelte  Frau  mit  dem  Salb- 
gefäss  in  der  Hand  mit  Bestimmtheit  als  Göttin  zu  bezeichnen. 
Neben  dieser  Figur  befindet  sich  ein  Pfeiler  mit  einem  Vogel, 
einem  in  Frauenscenen  nicht  seltenen  Spielzeug.  Die  Weise, 
durch  sich  schlängelnde  Linien  die  Zwischenräume  auszufüllen, 
ist  nicht  selten  auf  den  Spiegeln. 

Abg.    Gerhard  Taf.  248,  dessen  Text  starke  Missverständnisse  der 
Zeichnung  enthält.    Das  Beiwerk  ist  ebenso  auf  Taf.  328,  1. 

85.  Aehnliche  Scene,  aus  Gerhard's  Sammlung  1859 
erworben.  3283. 

Auch  hier  ist  die  Situation  zu  wenig  individualisirt,  als 
dass  sich  das  Bild  näher  bestimmen  liesse. 

Abg.  Gerhard  Taf.  250. 

86 — 98.  Dioskuren,  n.  86 — 88  aus  Viterbo  mit  der 
Dorow'schen  Sammlung  (573.  575.  576),  die  übrigen  aus  Ger- 
hard's Sammlung  1859  erworben.  3366.  3363.  3367.  3365. 
3361.  3304.  3364.  3330.  3308.  3303. 

Es  giebt  keine  häufigere  Vorstellung  auf  den  etruscischen 
Spiegeln  als  die  der  Dioskuren.  Wir  wissen  nicht,  was  für 
ein  Grund  dieselben  für  die  Spiegelzeichnungen  —  denn  in 
der  sonstigen  etruscischen  Kunst  erscheinen  sie  nur  selten  — 
so  empfehlenswerth  gemacht  habe,  jedenfalls  waren  sie  ein  ge- 
eigneter Stoff  für  die  schon  oben  erwähnte  Yer?ierungsweise, 
zwei  verwandte  Figuren  symmetrisch  einander  gegenüber- 
zusetzen. Die  Vorstellung  kommt  besonders  auf  kleinen,  roh 
gezeichneten  Spiegeln  vor. 


I 


54  ^ic  etruscischen  Spiegel. 

Die  Deutung  der  Figuren  auf  die  Dioskuren  steht  fest^ 
sprechende  Attribute,  namentlich  die  Sterne  über  ihren  Häup- 
tern bezeichnen  sie  als  solche,  auch  ist  (in  Avignon)  ein  Spiegel 
vorhanden,  wo  sie  die  Beischriften  Castur  und  Puluce  haben« 
Die  Tracht  ist  wechselnd,  indem  sie  bald  nackt  und  mit  Helm 
und  Speer,  bald  mit  den  ihnen  eigenthümlichen  Schiffennützen 
und  bekleidet  auftreten.  Es  scheint  wohl  manchmal,  als  trägen 
sie  auch  eine  phrygische  Mütze,  aber  bei  genauerer  Ver- 
gleichung  ist  es  entweder  die  Schiffermütze  oder  ein  Helm. 
Der  Zwischenraum  zwischen  den  beiden  Figuren  wird  in  der 
verschiedensten  Weise  ausgefüllt,  durch  Pflanzen,  Vasen  oder 
auch  durch  blosse  Linien,  Kreise  etc.,  in  denen  sich  der  rein 
formelle  Zweck  dieser  Zuthaten  am  deutlichsten  ausspricht, 

n.  86—88  sind  abg.  Gerhard  I,  4d,  4.  46,  6.  48,  5,  n.  89—97  sind 
abg.  45,  2.  3.  7.  46,  4.  7.  47,  1.  3.  5.  48,  3.  4.  50,  4.  51,  1.  52,  2. 
49,  2. 

99 — 102.  Dieselbe  Darstellung  auf  grösseren  Spiegeln, 
n.  99 — 101  sind  aus  Gerhard's  Sammlung  1859  erworben, 
3306.  3343.  3332,  n.  102  ist  1856  durch  Yermittelung  von 
E.  Braun  in  Rom  gekauft.  3212. 

Von  diesen  Spiegeln  zeichnet  sich  n.  99  durch  feine  Gra- 
virung  aus,  auf  n.  101  ist  die  "Waffe  der  Figuren,  ein  sichel- 
förmiges Messer,  bemerkenswerth  und  auf  n.  102  das  Bei- 
werk, ein  Reh,  das  nach  einem  Zweige  schnappt. 

.    Abg.  Gerhard  I,  51,  1.  49,  2.  50,  4.  257  C,  2. 

103.104.  Geflügelte  Dioskuren,  aus  Gerhard's  Samm- 
lung 1859  erworben.  3362.  3307. 

Die  Figuren  sind  hier  geflügelt,  wie  schon  öfter  bemerkt 
wurde,  dass  in  der  etruscischen  Kunst  mehrere  Gottheiten, 
bald  mit,  bald  ohne  Flügel  vorkommen. 

Die  erstere  Darstellung  ist  technisch  dadurch  merkwürdig, 
dass  alle  Linien  roth  ausgefüllt  sind,  was  die  Deutlichkeit  der 
Zeichnung  sehr  erhöht.  Ich  erinnere  mich  nie  etwas  Aehn- 
liches  auf  Spiegeln  gesehen  zu  haben. 

Abg.  Gerhard  I,  53.  54,  1. 

105.  106.  Sogenannte  Kabiren,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung 1859  erworben.  3285.  3300. 

.   Sehr  häufig  ist  auf  den  etruscischen  Spiegeln  die  Gruppe 
von  drei  gewöhnlich  ganz  gleichen  Männern,  die  bald  nackt 


Die  etroscischen  Spiegel  65 

mit  einer  der  phrygischen  Mütze  ähnlichen  Kopfbedeckung, 
bald  bekleidet  und  gerüstet  dargestellt  werden.  Der  Umstand, 
dass  diese  Gruppe  nur  auf  nachlässigeren  und  unbedeutenden 
Spiegeln  vorkommt,  erschwert  die  Deutung  derselben  ungemein, 
da  man  nicht  weiss,  wie  weit  man  bestimmte  Absichten  voraus- 
setzen darf.  Die  Deutung  auf  die  Kabiren  hat  in  der  That 
keinen  andern  Grund  als  die  Dreizahl  für  sich  anzuführen  und 
dieser  Grund  genügt  denn  doch  nicht. 

Abg.  Gerhard  Taf.  55,  6  und  256.    Vgl.  Taf.  55. 

107 — 113.  Dioskuren,  Minerva,  Venus,  n.  107  in 
Chiusi  gefunden  und  aus  der  Gerhard'schen  Sammlung  1859 
erworben,  3359;  n.  108  in  Yiterbo  gefunden  und  aus  der 
Dorow'schen  Sammlung  574.;  n.  109  aus  Gerhard's  Sammlung 
3347;  n,  110  in  Corneto  gefunden  und  aus  der  Dorow'schen 
Sammlung  578.  Mit  diesem  letzten  stimmt  n.  118,  der  aus 
Gerhardts  Sammlung  stammt  (3385),  vollständig  überein.  n.  111 
ist  aus  der  Bartholdy'schen  Sammlung,  B.  65  und  n.  112  von 
unbekannter  Herkunft. 

Diese  Spiegel  gehen  sämmtlich  auf  ein  Original  zurück 
und  sind  nur  ein  kleiner  Theil  der  in  grosser  Anzahl  erhalte- 
nen Repliken  desselben.  "Wir  müssen  die  Darstellung  nach  den 
in  ihr  selbst  gegebenen  Judicien  und  nach  den  Inschriften  einer 
Replik  so  deuten,  wie  die  Ueberschrift  angiebt,  ohne  freilich  den 
Grund  dieser  Götterzusammenstellung  und  ohne  die  Möglich- 
keit bestreiten  zu  können,  dass  die  Composition  ursprünglich 
einen  ganz  andern  Sinn  gehabt  habe.  Es  kommen  nämlich  auf 
etruscischen  Spiegeln  Parisurtheile  mit  zwei  Göttinnen,  Venus 
und  Minerva,  vor,  welche  den  hier  besprochenen  Darstellungen 
überraschend  ähnlich  sind.  Als  Parisurtheil  aber  würde  die 
Composition  viel  verständlicher  sein. 

Dieses  Ineinanderspielen  verschiedener  Vorstellungen,  das 
sich  auf  dem  Gebiet  der  kleineren  werthloseren  Spiegel  auch 
sonst  noch  wiederholt,  zeigt  deutlich  die  sorglose  Weise,  mit 
der  die  Spiegelzeichner  arbeiteten.  Es  ist  gewiss  nicht  zu  viel 
behauptet,  wenn  wir  nach  der  durchgängigen  Nachlässigkeit 
dieser  kleineren  Spiegelzeichnungen  annehmen,  dass  die  Ver- 
fertiger nicht  immer  mit  Absicht  und  Verständniss  die  ihnen 
vorliegenden  Originale  variirt  haben. 

Abg.  Gerhard  276,  1.  4.  277,  1.  3.  7.  278,  6.     In  der  Darstellung 
auf  Taf.  278,  4  ist  die  Minerva  an  der  Aegis  kenntlich.    Vgl.  Taf.  255 B. 
Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerte  II.  5 


QQ  Die  etruscischen  Spiegel. 

Der  im  Text  erwähnte  Inschriftspiegel  ist  Taf.  59,  3  abgebildet  und 
enthält  die  Namen  von  Cas(tur),  (Menr)fa,  Pultuc(e).  Dass  in  der  nack- 
ten Frau  Turan  gemeint  ist,  geht  aus  dem  ebendas.  n.  2  (vgl.  257  C.) 
abgebildeten  Inscluriftspiegel,  der  dieselbe  Composition  mit  zum  Theil 
anderen  Namen  (Laran,  Aplu  statt  der  Dioskuren)  und  mit  geringen 
Abweichungen  des  Costüms  enthält,  hervor,  zugleich  ein  Beweis,  wie 
wenig  es  den  Arbeitern  auf  präcise  Charakteristik  ankam.  Wesswegen 
ich  aber  annehme,  dass  das  Parisurtheil  mit  zwei  Göttinnen  die  Grund- 
lage dieser  Compositionen  ist,  geschieht  einmal  wegen  der  Aehnlichkeit 
mit  den  grösseren  und  sicheren  Parisurtheilen,  namentlich  mit  Tafel  194,^ 
ausserdem  aber  ist  in  der  Handlung  selbst  ein  Kriterium,  das  für  das 
Parisurtheil  treffend  wäre,  indem  nämlich  der  eine  der  Dioskuren,  der 
dann  Hermes  wäre,  sehr  oft  den  Gestus  der  Rede,  der  andere,  Paris, 
den  des  Sichbesinnens  macht.     Vgl.  Tafel  275—278. 

114.  115.  Aehnliche  Darstellungjen,  aus  Gerhard'^ 
Sammlung  1859  erworben.  3281.  3291. 

Diese  Composition  ist  nur  darin  von  der  vorhergehenden 
verschieden,  dass  statt  der  nackten  Frau  ein  nackter  Mann  ein- 
getreten, welcher  der  ersteren  bis  auf  die  Männlichkeit  entspricht. 
Man  könnte  versucht  sein,  ihn  für  eine  reine  Caprice  zu  halten, 
doch  scheint  der  Verfertiger  eines  anderen  Spiegels  (Gerhard, 
Taf.  260,  2)  in  ihm  den  Menelaos  haben  darstellen  wollen^ 
wenn  anders  die  Inschrift  Menle  sich  auf  diese  Figur  bezieht. 
Aber  wieder  ein  anderer  (Gerhard,  Taf.  255  B)  hat  die  drei 
Männer  seiner  Darstellung  Castor,  PoUux  und  Jolaos  getauft^ 
so  dass  man  deutlich  sieht,  wie  willkürlich  die  Spiegelzeichner 
mit  dem  Namengeben  verfuhren.  Es  kam  eben  bei  so  billiger 
Waare  nicht  viel  darauf  an. 

Abg.  Gerhard  267,  4.  266,  2. 

116.  Dioskuren  mit  Nebenfiguren,  aus  der  Dorow*- 
schen  Sammlung  579. 

Wir  glauben,  dass  auch  dieser  Spiegelzeichnung  ein  Paris- 
urtheil ursprünglich  zu  Grunde  liegt.  Wenigstens  sieht  die 
Figur  zur  Rechten  mit  der  phrygischen  Mütze  und  dem  Gestus 
des  Nachdenkens  gerade  so  aus,  wie  der  über  die  Entschei- 
dung sinnende  Paris.  Aber  auf  einem  ähnlichen  Spiegel  haben 
zwei  der  Jünglinge  die  Beischrift  Castor  und  PoUux,  und  wenn 
das  wirklich  von  einem  Mann  herrührt,  der  wusste,  was  er 
machte,  so  möchte  man  hier  an  Helena  denken.  Die  vierte 
Figur  bleibt  freilich  unerklärt. 

Abg.   Gerhard   Taf.  268A,   1.  III,  p.    833,    wo   wieder  die  abeu- 
teuerlichsten  Phantasien  zu  finden  sind. 


Die  etroscischen  Spiegel.  ^7 

117.  Dioskuren  mit  Venus  und  Helena(?),  aus  Ger- 
hard's  Sammlung  1859  erworben.  3373. 

Die  Deutung  dieser  Spiegelzeichnung  ist  nicht  über- 
zeugend, aber  auch  nicht  unmöglich.  Wir  haben  eben  kein 
Mittel,  das  Bild  präcis  zu  erklären.  Der  Zeichner  dachte  nur 
daran,  seinen  Spiegel  streng  symmetrisch  mit  je  zwei  Figuren 
links  und  rechts  zu  verzieren,  um  die  Bedeutung  der  Figuren 
war's  ihm  sichtlich  gar  nicht  zu  thun. 

Abg.  Gerhard  IV,  880. 

118.  Menelaus  und  Helena  mit  den  Dioskuren  (?), 
aus  Gerhard's  Sammlung  1859  erworben.  3319. 

Die  angegebene  Deutung  dieses  Spiegels  hat  die  abstracte 
Möglichkeit  für  sich,  aber  auch,  nicht  mehr. 

Abg.  Gerhard  II,  208. 

119.  Desgl.,  aus  Gerhard's  Sammlung  1859  erworben. 
3322. 

Dieser  Spiegel  stimmt  bis  auf  ganz  unwesentliche  Ab- 
weichungen mit  dem  vorigen  tiberein. 

120.  Helena  und  die  Dioskuren,  aus  Gerhard's 
Sammlung  1859  erworben.  3277. 

Die  nackte,  eine  Binde  in  den  Händen  haltende  Frau, 
welche  einer  der  Dioskuren  zu  bekränzen  im  Begriff  ist,  wäh- 
rend der  andere  ihr  einen  nicht  näher  bestimmbaren  Gegen- 
stand hinreicht,  ist  vermuthlich  Helena,  die  in  den  Spiegel- 
zeichnungen eine  grosse  Rolle  spielt  und  zugleich  als  Schwester 
den  Dioskuren  nahe  steht. 

Abg.  Gerhard  Taf.  202. 

121.  Schmückung  der  Helena,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung 1859  erworben.  3295. 

Auf  einer  nicht  kleinen  Anzahl  von  Spiegeln  kommt  eine 
der  hier  dargestellten  ähnliche  Scene  vor,  deren  Mittelpunkt  eine 
vornehm  thronende  Frau  ist,  die  von  dienenden,  mit  der 
Schmückung  der  Herrin  beschäftigten  Gestalten  umgeben  ist. 
Die  Hauptfigur  hat  mehrere  Male  die  Beischrift  Malafisch  oder 
Malacisch,  deren  Deutung  zu  unternehmen  bei  unserer  geringen 
Kenntniss  des  Etruscischen  mehr  als  gewagt  ist.  Doch  ist, 
von  der  Inschrift  abgesehen,  die  Deutung  auf  Helena  nicht 
ganz  unwahrscheinlich,  weil  einmal  Helena  eine  nicht  seltene 


5* 


QQ  Die  etruscischen  Spiegel. 

Erscheinung  auf  den  etruscischen  Spiegeln  ist  und  sodann  weil 
wir  auch  in  griechischer  Kunst,  wenigstens  auf  einem  späteren 
Yasenbild  ^\  eine  ähnliche  Scene  finden.  Die  dienenden  Wesen, 
welche  die  Helena  umgeben,  sind  jedenfalls  göttlicher  Natur, 
da  mehrere '  Male  Yenus  (Turan)  sich  unter  ihnen  befindet, 
einige  von  ihnen  auch  geflügelt  sind.  Mehrere  von  ihnen  haben 
Beischriften,  die  wir  aber  nicht  zu  deuten  vermögen. 

Auf  unserem  Exemplar  ist  ausser  zwei  dienenden  Gestal- 
ten auch  Apollo  anwesend,  dessen  Erscheinung  wir  nicht  be- 
gründen können.  Am  Gebälk  des  Hintergrundes  bemerkt  man 
eine  Satyrmaske  oder  wohl  eher  einen  Satyrkopf,  der  einem 
neugierig  und  lüstern  zuschauenden  Satyr,  wie  sie  in  solchen 
Scenen  nicht  selten  sind,  angehören  mag.  Am  Griff  ist  ein  ge- 
flügelter Knabe,  vielleicht  ein  Amor. 

Abg.  Gerhard  Taf.  212.  Vgl.  Taf.  211—216  und  die  Literatur 
ebendas.  p.  200  ff.  Gerhard's  Erklärung  ist  wieder  reich  an  mysteriösen 
und  unbewiesenen  Phantasien. 

122.  Paris  und  Hermes,  aus  dem  Besitz  Bellori's  an- 
gekauft.   B.  20.\ 

Das  Bild  stellt  den  Hermes  dar,  dem  Paris  seinen  Auf- 
trag, ihm  die  drei  Göttinnen  zum  Schiedsspruch  zuzuführen, 
meldend.  Die  Säule  hinter  Hermes  ist  eine  Andeutung  von 
dem  Hause  des  Paris.  Diese  Abbreviatur  ist  auf  griechischen 
Yasen  guter  Zeit  sehr  gewöhnlich. 

Merkwürdig  sind  die  lateinischen  Inschriften  dieses 
Spiegels,  die  sich  auch  noch  auf  einigen  anderen  Spiegeln 
finden  und  einen  Anhalt  zu  näherer  Zeitbestinmaung  geben. 
Sie  lauten  Mirqurios  und  Alixentros,  wobei  das  s  in  letzterem 
Namen  etruscisch  geschrieben  ist,  eine  auch  sonst  vorkommende 
Mischung,  die  auf  eine  Zeit  des  üeberganges  aus  etruscischer 
zu  römischer  Cultur  deutet.  Wegen  des  o  in  den  Formen,  wo 
später  u  eintritt,  kann  der  Spiegel  jedenfalls  nicht  nach  dem 
fünften  Jahrhundert  der  Stadt  verfertigt  sein. 

Doch  wird  er  auch  nicht  viel  früher  verfertigt  sein,  wenig- 
stens wenn  wir  von  den  griechischen  Yasen  einen  Rückschluss 
machen  dürfen.  Paris  ist  nämlich  bereits  phrygisch^costümirt, 
was  nach  der  Praxis  der  Yasenbilder  erst  im  vierten  Jahr- 
hundert aufkam. 


1)  0  verbeck,  Gallerie  her.  Bildw.  12,  6. 


Die  etruscischen  Spiegel.  69 

Abg.  Gerhard  II,  182.  Vgl.  0.  Jahn,  Ficoron.  Cista,  p.  57  und 
Mommsen  bei  Jahn,  p.  44  mit  der  Berichtigung  von  Henzen  im  bullet. 
1858,  p.  104.  Anm.  1. 

123.  Parisurtheil,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben. 3278. 

Paris  deutet  mit  dem  ausgestreckten  Finger  auf  die  ihm 
gegenübersitzende  Venus,  die,  wie  öfter,  eine  der  phrygischen 
Mütze  ähnliche  Kopfbedeckung  trägt.  Vermuthlich  ist  nur  der 
etruscische  Tutulus  gemeint,  wenn  es  auch  nicht  undenkbar 
wäre,  dass  Venus  als  troische  Göttin  durch  diese  Mütze  be- 
zeichnet worden  wäre.  Doch  muss  man  in  dieser  Classe  von 
Spiegeln  nur  zu  sehr  sich  hüten,  bestimmte  Absichten  des 
Verfertigers  vorauszusetzen.  Gleich  unser  Spiegel  zeigt  dies, 
auf  dem  die  neben  Venus  befindliche  Göttin  dieselbe  Mütze 
trägt,  ohne  dass  bei  ihr  irgend  ein  Grund  anzuführen  wäre. 

Abg.  Gerhard  I,  186,  der  übrigens  III,  p.  184  irrthümlich  von 
einem  „besonderen  Brustlatz"  der  Figuren  spricht,  indem  er  die  rohe 
Zeichnung  der  Gewandfalten  nicht  bemerkte  oder  für  Absicht  hielt. 

124.  De&gl.,  aus  Gerhard's  Sammlung  1859  erworben. 
3288. 

Merkur  übergiebt  der  nackten  Venus  den  Apfel,  den  er 
von  Paris  erhalten.  Im  Hintergrunde  eine  Säule,  etwa  als  An- 
deutung von  dem  Hause  des  Paris. 

Abg.  Gerhard  I,  189,  der  III,  p.  186  in  der  Figur  des  Paris  wun- 
derlich genug  die  Oenone  voraussetzt  und  auch  in  der  Eiform  des  Apfels 
symbolische  Beziehungen  annimmt,  die  mit  der  Rohheit  der  Zeichnung 
und  der  daraus  zu  folgernden  Gedankenlosigkeit  des  Zeichners  schnei- 
dend contrastiren. 

125.  Parisurtheil,  aus  Gerhard's  Sammlung  1859  er- 
worben.   3368. 

Trotz  einiger  Besonderheiten  scheint  auf  diesem  Spiegel 
Paris  mit  den  drei  Göttinnen  vorgestellt  zu  sein.  Wir  bezeich- 
nen als  Paris  die  Figur  mit  der  phrygischen  Mütze,  ohne 
freilich  den  Gegenstand  erklären  zu  können,  den  er  in  der 
Rechten  hält.  Minerva  ist  deutlich  und  hält,  wie  auf  einem 
griechischen  Vasenbilde,  einen  Kranz  für  Paris  bereit.  Die 
nackte  Figur,  die  wunderlicher  Weise  Stiefeln  trägt,  woran 
indess  bei  einem  solchen  Werk  kein  Anstoss  zu  nehmen,  würde 
Venus  sein  und  Juno  wäre  die  letzte  Figur  mit  dem  wie  ein 
Epheublatt  gestalteten  Fächer,  der  nach  späteren  griechischen 
Monumenten  copirt  ist. 


70  ^ie  etruscischen  Spiegel. 

Abg.  Gerhard  I,  88.  Vgl.  HI,  p.  92,  wo  wieder  Alles  voll  von 
Missverständnissen  ist,  die  immer  in  dem  einen  Miss v erstand niss  zu- 
sammentreffen, dass  Gerhard  keine  Ahnung  von  dem  Charakter  der 
Zeichnung  und  den  Intentionen  ihres  Verfertigers  hat. 

126.  Parisurtheil,  aus  Gerhard's  Sammlung  1859  er- 
worben.   3280. 

Auf  diesem  Spiegel  ist  Paris,  eine  Keule  haltend,  unter 
den  drei  Göttinnen  vorgestellt.  Zur  Motivirung  dieses  Attri- 
butes kann  an  das  Hirtenleben  des  Paris  erinnert  werden. 

Abg.  Gerhard  II,  Taf.  187. 

127.  Parisurtheil,  1863  in  Rom  von  Prof.  Brunn  ge- 
kauft.   3493. 

Merkur  sitzt  und  demonstrirt  Paris  den  Fall.  Von  den 
Göttinnen  ist  eine  wegen  Mangel  an  Platz  weggelassen.  Mi- 
nerva hört  ganz  besonders  aufmerksam  und  nachdenklich  der 
Rede  des  Hermes  zu.    Am  Griff  ein  kleiner  Amor. 

Abg.  Gerhard  IV,  372,  wo  es  wieder  an  Missverständnissen  nicht 
fehlt. 

128.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben. 
3279. 

Fast  ganz  dieselbe  Composition. 

Abg.  Gerhard  II,  195. 

128*-  Trunkener  Herkules,  'aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  angekauft.    3286. 

Herkules  als  gewaltiger  Zecher  war  ein  beliebtes  Thema 
griechischer  Kunst  und  Poesie.  Aber  er  kann  es  dem  Bacchus 
und  seinen  Gesellen  nicht  halten  und  wird  betrunken  von  ihnen 
fortgeschleppt.  So  sehen  wir  ihn  hier  auf  einen  kleinen  Satyr 
gestützt.  An  seiner  Rechten  bläst  ein  mit  einem  Leibgurt  be- 
kleideter Pan  auf  der  Syrinx,  links  ist  eine  ganz  wunderliche 
Figur,  deren  Erklärung  die  Flüchtigkeit  der  Zeichnung  un- 
möglich macht. 

Abg.  Gerhard    Taf.   150,    der  die  räthselhafte  Figur  zur  Rechten 
.  p.  141  als  Sirene  erklärt,  deren  „bacchischer  Bezug  unzweifelhaft"  sei. 
Aber  das  nackte  Bein  gehört  sicher  zu  ihrer  Figur   und  schliesst  eben 
dessweffen  den  Gedanken  an  eine  Sirene  aus. 


-o' 


129.  Herkules  mit  Minerva  und  Merkur,  Spiegel 
aus  Orvieto,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.    3369. 


..» 


Die  etruscischen  Spiegel.  7X 

Herkules  (Hercle),  sich  auf  seinen  Geleitsmann  Merkur 
(Turmus)  stützend,  erhebt  fröhlich  die  Schaale,  neben  ihm 
Minerva  (Menrfa).  Es  ist  eine  Scene,  wie  sie  oft  auf  den  Vasen 
vorkommt,  Herkules  zecht  nach  überstandenen  Mühen. 

Abg.  Gerhard  II,  158.  Vgl.  III,  p.  145  ff.,  wo  Alles  wieder  miss- 
verstanden ist.  Die  Grösse  des  Herkules  ist  ja  nur  durch  die  räum- 
lichen Verhältnisse  veranlasst,  ebenso  wie  das  Umgekehrte  auf  Taf.  127, 
wo  Herkules  gegen  Merkur  klein  ist. 

130.  Minerva,  Herkules,  Jolaos,  Laran,  1862  in 
Rom  gekaufL    3469. 

Eine  öfter  vorkommende  Composition,  in  der  nach  den 
Inschriften  Herkules  (Hercle),  Minerva  (Menrfa),  Jolaos  (Vile  ^) 
und  Laran,  der,  wie  oben  bemerkt  wurde,  wahrscheinlich  dem 
Mars  entspricht,  dargestellt  sind.  Nach  der  Art  der  meisten 
Spiegelzeichnungen  unbedeutenderer  Art  stehen  die  Figuren 
handlungslos  neben  einander. 

Abg.  Gerhard  Taf.  255  C. 

131.  Herkules,  Minerva,  Venus,  Spiegel  aus  Tarquinii, 
mit  Gerhard's  Sammlung  1859  erworben.    3381. 

Die  Stellungen  der  drei  Figuren  (Hercle,  Turan,  Menrfa) 
scheinen  anzudeuten,  dass  Herkules  mit  Venus  davongehe  und 
Minerva  zurücklasse,  es  ist  daher  wahrscheinlich,  dass  hier  die 
Wahl  des  Herkules  zwischen  Minerva  und  Venus  im  Sinne  der 
Fabel  des  Prodikus  von  Herkules  am  Scheidewege  darge- 
stellt sei. 

In  der  Tracht  der  Minerva  ist  bemerkenswerth,  dass 
ausser  dem  von  einem  Medusenkopf  zusammengehaltenen  Brust- 
panzer, der  freilich  nur  schwach  angedeutet  ist,  noch  ein  Ziegen- 
fell über  den  Leib  der  Figur  herabhängt,  wodurch  die  Aegis 
dargestellt  werden  soll. 

Die  Zeichnung  ist  theils  wegen  der  Plumpheit  der  Figuren, 
theils  wegen  des  breit  und  unbescheiden  sich  entfaltenden 
Ornaments  besonders  unangenehm. 

Abg.  Gerhard  Taf.  156. 

132.  Herkules  und  Achelous,  von  dem  hiesigen  Kunst- 
händler Marguier  1851  angekauft.    2984. 


^)  Ueber  das  Digamma  vgl.  Welcker  A.  D.  8,  261. 


72  I^ie  etruscisclien  Spiegel. 

Diese  Darstellung  des  Kampfes  zwischen  Herkules  (Heracle) 
und  Achelous  (Achlae)  erinnert  augenfällig  an  griechische 
Vasenbilder,  auf  denen  Achelous  ebenfalls  als  ein  Stier  mit 
Menschengesicht  dargestellt  wird.  Eben  so  deutlich  ist  aber 
wieder  die  etruscische  Zuthat  und  namentlich  der  Kopf  des 
Achelous  hat  etwas  unangenehm  Etruscische s.  Auffallend  ist 
auch  die  Bartlosigkeit  desselben,  während  er  auf  griechischen 
Werken  fast  ausnahmslos  einen  dichten  Bart  trägt,  den  auch 
Sophokles  als  etwas  Charakteristisches  an  ihm  erwähnt. 

Abg.  Gerhard  Taf.  340.  Vgl.  die  Abhandl.  0.  Jaha's  über  die 
Kunstvorstellungen  des  Achelous  in  d.  Archaeol.  Ztg.  1862  p.  313  ff. 

133.  Ausruhender  Herkules,  aus  Gerhard's  Nachlass 
1869  erworben. 

Herkules  sitzt  trauernd  über  sein  mühseliges  Leben  da. 
Tröstend  steht  neben  ihm  Minerva.  Die  Figur  neben  dieser,, 
die  aller  näheren  Charakteristik  entbehrt,  wird  für  Jolaos  zu 
nehmen  sein. 

Man  hat  die  Bekränzung  der  beiden  männlichen  Figuren 
für  Strahlenbekränzung  erklärt  und  allerhand  weitergehende 
Schlüsse  daraus  gezogen.  Achtet  man  aber  auf  die  Rohheit 
dieses  Spiegels  und  die  Darstellungsweise  ähnlicher  Produkte^ 
so  kann  man  nicht  zweifeln,  dass  es  ungeschickt  gezeichnete 
Blattkränze  sind. 

Abg.  Gerhard  Taf.  163.  Vgl.  wegen  des  Kranzes  z.  B.  Taf.  175. 
194.  219.  220  etc.  Man  würde,  wenn  man  diese  Blätter  für  Strahlen 
erklärte,  eine  sehr  respektable  Anzahl  „solarischer  Wesen"  aus  den 
Spiegeln  zusammenstellen  können. 

134.  Prometheus  und  Herkules,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung 1859  erworben.    3345. 

In  der  Mitte  steht  mit  angefesselten  Händen  Prometheus 
(Pr)umathe),  an  der  einen  Seite  in  unschöner  Regungslosigkeit 
sein  Befreier  Herkules  (Hercle),  an  der  anderen  auf  seinen 
Lorbeer  gestützt  Apollo  (Ap(l)u),  dessen  Anwesenheit  nicht  un- 
wahrscheinlich aus  einem  Yers  des  gelösten  Prometheus  des 
Aeschylus  erklärt  wird,  in  welchem  Herkules  den  Apollo  bittet^ 
den  rettenden  Schuss  auf  den  Adler,  der  Prometheus  zer- 
fleischte, sein  Ziel  nicht  verfehlen  zu  lassen. 

Abg.  Gerhard  Taf.  139.  Vgl.  III,  p.  133.  Ueber  die  Beischrifl 
des  Apollo  ist  Gerhard's  Bemerkung  vollkommen  richtig.  Der  auf  seiner 
Tafel    wie    ein  i   aussehende  Buchstabe  ist  ein  deutliches  p,    auch    von 


Die  etrnscischen  Spiegel.  73 

dem  fehlenden  I  glaube  ich  noch  Spuren  zu  entdecken  und  der  letzte 
Buchstabe  kann  nur  u  sein. 

135.  Herkules  am  Brunnen,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben.    3341. 

Dieses  Bild  ist  wohl  nur  unter  der  Voraussetzung  ver- 
ständlich, dass  die  Figur  des  Herkules  (Hercle)  aus  einer 
grösseren  Composition  herausgenonmien  ist  Man  sieht  näm- 
lich keinen  Feind,  gegen  den  er  die  Keule  schwingen  könnte. 
Die  Brunnenmündung  mit .  dem  Erug  daneben  scheint  anzu- 
deuten, dass  ihm  beim  Wasserschöpfen  irgend  jemand  hindernd 
in  den  "Weg  getreten  war  und  nicht  unwahrscheinlich  ist  ver- 
muthet  worden,  es  sei  der  Kampf  mit  der  lemäischen  Hydra 
gemeint,  die  an  einer  Quelle  hauste.  Was  die  Inschrift  Philece 
bedeutet  und  auf  wen  sie  sich  beziehen  soll,  ist  uns  unver- 
ständlich. 

Abg.  Gerhard  Taf.  135. 

136.  Herkules  und  Itfinerva. 

Zu  der  Annahme  eines  Liebesverhältnisses  zwischen 
Minerva  und  ihrem  Schützling  Herkules  zwingen  uns  mehrere 
etruscische  Monumente,  ob  aber  die  Sage  auch  von  einem 
Kinde  dieses  Liebesbundes  gedichtet  habe,  ist  zweifelhaft. 
Man  hat  es  aus  dem  Bilde  dieses  Spiegels  schliessen  wollen, 
indem  man  das  Kind,  das  Herkules  trägt  und  die  Göttin  berührt, 
als  das  gemeinsame  Kind  beider  ansah.  Von  anderer  Seite 
ist  das  Kind  Telephus  genannt,  so  dass  Minerva  nur  als 
Pflegerin  desselben  erschiene.  Es  ist  schwer,  eine  Entscheidung 
zu  treffen,  die  Gegenwart  der  Venus  macht  die  erstere  An- 
nahme wahrscheinlicher. 

Venus  ist  nach  altgriechischer  Weise  durch  das  Symbol 
der  Blüthe  charakterisirt.  Ihr  gegenüber  steht  die  uns  schon 
bekannte  Göttin  mit  der  Schminkbüchse,  die  dem  Herkules 
einen  Kranz  auf  den  Kopf  setzt.  Man  hat  neben  ihr  den  jetzt 
verschwundenen  Namen  Munthu  gelesen,  der  uns  unverständ- 
lich ist.  Auch  den  übrigen  Figuren  sind  die  Namen  beige- 
schrieben (H)ercle,  Menrfa,  Turan. 

Abg.  Gerhard  Taf.  165.  Vgl.  III,  p.  156.  Hinsiclitlich  des  Kinde» 
ist  ein  derber  Schnitzer  zu  berichtigen,  der  mehreren  Gelehrten  passirt 
ist.  Man  hat  es  nämlich  wegen  seiner  Glatze  für  den  greisenhaften 
Tages  erklärt,  ohne  zu  bedenken,  dass  kleine  Kinder,  ich  weiss  nicht 
ob  alle,  aber  viele,  zuerst  an  den  Seiten,   dann  oben   auf  dem  Schädel 


74  I^ie  etruscischeii  Spiegel. 

Haare  bekommen,  dass  also  der  vermeintliche  Tages  ein  Kind  wie  alle 
anderen  ist.  Auch  aus  den  etruscischen  Spiegeln  selbst  war  das  su 
ersehen,  vgl.  z.  B.  Taf.  213. 

137.  Minerva  von  Herkules  umarmt  (?),  aus  Emil 
Braun's  Besitz  1848  erworben.    2971. 

Von  den  Figuren  ist  nur  Minerva  durch  die  Aegis 
charakterisirt,  alle  übrigen  können  wegen  mangelnder  Attribute 
nicht  bestimmt  werden.  Doch  stüzt  sich  die  Erklärung,  dass 
die^  Liebschaft  zwischen  Herkules  und  Minerva  dargestellt  sei, 
auf  analoge  Darstellungen,  wo  die  Theilnehmer  deutlicher 
charakterisirt  sind. 

Abg.  Gerhard  II,  161,  in  dessen  Erklärung  der  Nebenfiguren 
übrigens  wieder  Art  und  Charakter  dieser  Spiegelzeichnungen  gänzlich 
verkannt  werden. 

138.  Herkules  und  Minerva,  opfernd,  ausGerhard's 
Sammlung  1859  erworben.    3289. 

Die  Figuren  des  Herkules  und  der  Minerva  sind  inschrift- 
lich bezeichnet,  Herchle  und  Meneruca,  (oder  wohl  richtiger 
Menerufa),  denn  die  letztere  am  Altar  angebrachte  Inschrift 
kann  doch  nur  der  Frau  gelten,  die  allerdings  durch  kein 
Attribut  als  Minerva  bezeichnet  ist,  was  aber  bei  der  rohen 
Zeichnung  dieses  Spiegels  nicht  auffallen  darf.  Auch  der  Sinn 
der  Darstellung  ist  eben  wegen  der  künstlerischen  Rohheit 
schwer  zu  errathen,  doch  kann  Minerva  mit  der  Weihrauch- 
büchse in  ihrer  Linken  wohl  nur  als  Theilnehmerin  des  Opfers 
betrachtet  werden.  Vielleicht  geht  die  Scene  im  Hesperiden- 
garten  vor  sich,  denn  ein  Apfelbaum  und  eine  Schlange  sind 
da,  wenn  auch  die  Schlange  den  Baum  nicht  umringelt,  wie  es 
gewöhnlich  ist.  Man  könnte  dann  glauben,  das  Opfer  werde 
wegen  der  glücklichen  Erbeutung  der  Hesperidenäpfel  ge- 
bracht. Ob  Sonne  und  Stern  etwas  Anderes  sind  als  raum- 
füllende Ornamente,  ist  schwer  zu  sagen. 

Abg.  Gerhard  U,  140.  Vgl.  IH,  IV,  p.  134,  wo  die  Inschrift  Mene- 
ruca auf  den  Altar  und  nicht  auf  die  zweite  Figur  bezogen  wird. 

139.  Herkules  von  Viktoria  bekränzt,  1868  durch 
Dr.  Heibig  in  Rom  erworben.    3777. 

Viktoria  setzt  Herkules  einen  Kranz  auf,  eine  einfache 
Composition,  die  nicht  ohne  Anmuth  ist.  Jene  hat  die  Bei- 
schrift Mea(n),  womit  auf  den  Spiegeln  eine  Göttin  bezeichnet 


Die  etruscischen  Spiegel.  75 

wird,  die  bald  im  Gefolge  der  Venus,  etwa  wie  eine  Peitho, 
auftritt,  bald  aber  auch  ganz  und  gar,  wie  auf  diesem  Spiegel, 
der  Viktoria  entspricht.  Herkules  hat  die  ebenfalls  aus 
anderen  Spiegeln  bekannte  Inschrift  Calanice  d.  i.  xaAA/rtxoc;. 

Abg.  Gerhard  II,  143,  wo  aber  die  Inschriften  fehlen.  Gerhai-d's 
Zeichnung  ist  nicht  vom  Original  genommen,  es  ist  auch  der  weitere 
Fehler  darin,  dass  die  Keule,  die  Herkules  in  der  Linken  hält,  bis  auf 
das  obere  (ganz  in  der  Luft  schwebende)  Stück  weggelassen  ist.  Vgl. 
Taf.  82  und  andererseits  Taf.  141.  142. 

140.  Minerva  und  Perseus,  aus  Gerhard's  Sammlung 
1859  erworben.    3372. 

Minerva  (Menrfa)  hält  in  der  Rechten  das  Medusenhaupt, 
das  Perseus  ihr  gebracht  hatte,  in  die  Höhe,  damit  es  sich  in 
dem  Wasser  am  Boden  spiegele  und  auf  diese  Weise  dem 
Perseus,  der  den  Kopf  selbst  nicht  anschauen  durfte,  deutlich 
werde.  Dieser  selbst  (Pherse)  hält  die  Harpe,  mit  der  er  die 
Meduse  getödtet  und  die  Tasche,  in  welcher  er  das  abge- 
schlagene Haupt  verbarg.  Sein  Blick  ist  so  wenig  wie  der 
aller  übrigen  Personen  auf  das  Spiegelbild  im  Wasser  gerichtet, 
da  der  Spiegelzeichner  um  den  richtigen  Ausdruck  nicht  sehr 
besorgt  war.  Neben  der  Minerva  steht  Apollo  (Aplu),  dessen 
Anwesenheit  wir  nicht  besonders  zu  motiviren  im  Stande  sind, 
neben  Perseus  eine  unbenannte  Figur,  vielleicht  Andromeda. 

Auf  griechisch-römischen  Monumenten  ist  eine  genau 
übereinstimmende  Gruppe  nicht  vorhanden,  doch  verdienen 
namentlich  die  pompejanischen  Wandgemälde  verglichen  zu 
werden,  wo  Perseus  der  Andromeda  die  Meduse  in  einer 
Quelle  zeigt. 

Abg.  Gerhard  Taf.  122,  der  aber  das  Motiv  des  Bildes  missver- 
steht. Die  Bewegung  des  rechten  Arms  der  Minerva  führt  nothwendig 
auf  die  Annahme,  dass  die  Göttin  den  Kopf  hält,  wie  es  auf  Taf.  124 
noch  deutlicher  ist. 

« 

141.  Perseus  und  Merkur. 

Von  den  drei  Figuren  dieses  Spiegels  ist  Merkur  an 
seinen  Attributen  kenntlich,  und  auch  die  mittlere  Figur  eines 
auf  einem  Stein  sitzenden  Jünglings  mit  einem  sichelförmigen 
Messer  in  der  Linken  darf  wohl  mit  Sicherheit  auf  Perseus 
gedeutet  werden.  Die  dritte  Figur,  ein  Jüngling,  der  sich  auf 
eine  Lanze  stützt,  ist  nicht  zu  benennen. 

Da  man  vom  Medusenhaupt  nichts  sieht,  so  scheint  ein 


76  I^ie  etruscischen  Spiegel. 

der  Enthauptung  vorhergehender  Moment  dargestellt.  Es 
würde  der  Situation  entsprechen,  wenn  man  sagte,  es  sei  der 
Moment  dargestellt,  wo  Perseus  von  der  "Wanderung  an  den 
Ort  der  That  sich  ausruht. 

142.  143.  Tyro  und  ihre  Söhne,  ersterer  aus  Gerhard's 
Nachlass  1869  erworben,  letzterer  von  unbekannte^?  Herkunft. 

Die  Autorität  eines  in  den  wesentlichen  Punkten  überein- 
stiromenden  Inschriftspiegels  berechtigt  uns,  in  diesen  beiden 
Spiegeln  Tyro  mit  ihren  Söhnen  Pelias  und  Neleus  zu  er- 
kennen. Auf  jenem  Spiegel  ist  nämlich  Tyro  in  niedriger 
Arbeit,  als  Tempeldienerin  "Weihwasser  tragend,  dargestellt 
und  einer  der  Söhne,  Pelias,  hält  die  Mulde  in  der  Hand,  in 
der  er  ausgesetzt  war  und  vermittelst  deren  die  "Wiedererken- 
nung zwischen  Mutter  und  Söhnen  erfolgte.  Auch  auf  unseren 
Spiegeln  sehen  wir  eine  Frau  mit  einem  kleinen  Eimer  in  der 
Hand,  den  sie  auf  einen  Altar  oder  wohl  richtiger  auf  ein 
Weihbecken  niedergesetzt  hat,  welches  sie  eben  mit  Wasser 
versorgen  musste.  Der  oben  erwähnte  Inschriftspiegel  und  ein 
vierter  Spiegel,  in  dessen  Hintergrund  ein  Tempel  angebracht 
ist,  zeigen  ijoch  deutlicher,  dass  Tyro  an  einem  Heiligthum 
Dienste  zu  verrichten  hatte.  Die  beiden  Jünglinge  haben  neben 
öich  ein  Geräth,  das  man  unter  Vergleichung  des  Inschrift- 
spiegels als  die  Mulde  erkennt,  in  der  sie  ausgesetzt  waren. 
Die  Erkennung  scheint  bereits  stattgefunden  zu  haben,  wenig- 
stens hat  auf  einem  der  beiden  Spiegel  Tyro  ihren  Arm  um 
den  Hals  eines  Sohnes  gelegt.  Im  üebrigen  fehlt  freilich  jeder 
Ausdruck  lebhafterer  Empfindung.  Wer  die  bekleidete  Frau 
ist,  die  man  in  der  Scene  bemerkt,  wissen  wir  bei  dem  völligen 
Mangel  jeder  Charakteristik  nicht  anzugeben. 

Abg.  Gerhard  Taf.  351,  2.  3.  Vgl.  IV.  p.  99  ff.  Gerhard  irrt 
hinsichtlich  der  Herkunft  des  zweiten  Spiegels,  der  nicht  aus  seiner 
Sammlung  stammt.  Er  irrt  auch  sehr  stark  in  der  Behauptung  Tyro 
trage  ausser  dem  Krug  auch  noch  die  TvAi/,  das  Kopfpolster,  auf  dem 
gewöhnlich  die  Krüge  getragen  werden,  denn  der  Krug,  den  Tyro  trägt, 
ist  eben  nicht  ein  Krug,  der  auf  dem  Kopfe,  sondern  der  an  einer  Kette 
schwebend  getragen  wurde,  und  es  ist  an  einem  dieser  Spiegel  deut- 
lich zu  sehen,  dass  die  angebliche  tvXtj  der  Ring  ist,  von  dem  die  den 
Krug  tragende  Kette  herabhängt.  Genau  solche  Krüge  wie  Tyro  hier 
trägt,  sind  nicht  selten  in  Etrurien  gefunden  und  werden  unten  eben 
vermittelst  dieser  Spiegel  als  Weihwasserkessel  bestimmt  werden. 

144.  Meleager  und  Oeneus,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben.    3339. 


Die  etruscischen  Spiegel.  77 

Nach  Analogie  eines  anderen  Spiegels  und  eines  etrus- 
cischen Reliefs  müssen  wir  hier  in  der  lebhaft  gestikulirenden 
Figur  den  Oeneus  erkennen,  der  dem  Meleager  Vorwürfe 
macht  wegen  der  Tödtung  seiner  Oheime.  Die  Unbärtigkeit 
der  Figur  ist  zwar  auffallend,  doch  in  dieser  Gattung  von 
Kunstwerken  zu  begreifen.  Das  Aermelkleid  werden  wir,  da 
diesem  Werk  ja  doch  griechische  Sage  und  Kunst  zu  Grunde 
liegen,  ebenso  erklären  dürfen,  wie  auf  den  unteritalischen 
Vasenbildern,  wo  es  die  Tracht  der  Herrscher  ist.  Auch  die 
phrygische  Mütze  liesse  sich  vielleicht  erklären,  wenn  es 
nicht  gerathener  wäre,  bei  Spiegeln  dieser  Art  lieber  an  die 
Möglichkeit  eines  Fehlers  zu  denken. 

Meleager  trägt  als  Sieger  einen  Kranz  um  den  Hut,  neben 
ihm  steht  ganz  nackt  Atalante,  deren  Nacktheit  auf  einem 
etruscischen  Spiegel  ebenso  wenig  auffallen  darf,  wie  die  der 
Artemis. 

Abg.  Gerhard  Taf.  174,  wo  die  Figur  zur  Linken  auf  Toxeus  er- 
klärt wird,  indem  willkürlich  behauptet  wird,  „die  barbarische  Tracht 
sei  seiner  ätolischen  Abkunft  entsprechend".  Kekulö,  de  fabula  Meleagrea 
Berol.  1861  p.  43,  erklärt  die  Figur  für  Althaea.  Ich  glaube  das  Bild 
darf  wegen  wesentlicher  Uebereinstimmungen  nicht  von  Taf.  175  und 
der  von  Kekuld  publicirten  etruscischen  Urne  getrennt  werden.  Die 
Taf.  175  ist  auch,  wie  mir  scheint,  nicht  richtig  gedeutet,  trotzdem 
dass  sich  in  London  ein  Inschriftspiegel  befindet,  der  den  Figuren  die 
Namen  giebt,  die  aus  ihrem  Habitus  hervorgehen.  Denn  die  dnrch  die 
Mondsichel  bezeichnete  Figur  kann  ja  doch  keine  andere  als  Artemis 
sein  und  die  trauernde  Atalante  hat  unverkennbare  Aehnlichkeit  mit 
der  auf  römischen  Sarkophagen  um  Meleager  trauernden  Atalante. 

145.  Kalydonische  Eberjagd  (?),  aus  der  Bartholdy'- 
schen  Sammlung  B.  63. 

Dieser  Spiegel  ist  von  besonderer  Grösse  und  reizte  da- 
durch zu  der  auf  Spiegeln  ungewöhnlichen  Gruppirung  mehrerer 
Figuren  übereinander.  Ob  die  kalydonische  Eberjagd  gemeint 
ist,  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden.  Man  könnte 
zwar  in  dem  unter  dem  Eber  liegenden  Verwundeten  den 
Ankaeus  erkennen,  der  in  Darstellungen  der  kalydonischen 
Jagd  nicht  fehlt,  es  ist  aber  noch  ein  zweiter  Verwundeter  da 
imd  es  fehlt  ausserdem  an  jeder  individuellen  Charakteristik. 
Mehrere  Jäger  haben  eigenthümliche  Spitzen  über  dem  Kopfe, 
vermuthlich  sollen  es  in  der  Heftigkeit  des  Kampfes  aufflat- 
ternde Haare  sein,  alle  aber  sehen  wie  Kinder  und  nicht  wie 
Männer  aus,  was  doch  schwerlich  Absicht  ist. 


78  I^i^  etruscischen  Spiegel. 

Abg.  Gerhard  Taf,  173,  dessen  Text  wieder  den  Charakter  des- 
Bildes vollkommen  verkennt,  indem  er  die  Haupthelden  Meleager  und 
Peleus  bestimmt  und  die  Dioskuren  aus  den  ^,Strahlen^^  zu  erkennea 
glaubt,  die  aber  ja  nicht  diesen  allein,  sondern  auch  jenen  gegeben  sind. 
Ein  ähnlich  componirtes  Spiegelbild  Taf.  329. 

146.  Atropos  zwischen  unglücklichen  Liebes- 
paaren, 1797  bei  Perugia  gefundener  Spiegel,  aus  der  Bar- 
tholdy'schen  Sammlung  (B.  62),  nachdem  er  früher  im  museo 
Oddi  in  Perugia  gewesen  war,  ins  Königliche  Museum  tiber- 
gegangen. 

Auf  diesem  berühmten  Spiegel  ist  die  Schicksalsgöttin  in 
der  Mitte  von  zwei  unglücklichen  Liebespaaren,  Meleager  und 
Atalante,  Venus  und  Adonis  dargestellt.  Sie  ist  als  Athrpa 
(Atropos)  bezeichnet  und  steht  im  Begriff,  einen  Eberkopf  mit 
Nagel  und  Hammer  festzuklopfen.  Man  könnte  an  die  An- 
nagelung  eines  Siegeszeichens  denken,  um  so  mehr,  als  auf 
einer  etruscischen  Cista  eine  ganz  übereinstimmende  und 
schwerlich  anders  als  Nike  zu  erklärende  Figur  vorkommt, 
aber  zu  dem  Namen  Athrpa  passt  eine  solche  Handlung  nicht. 
Wir  glauben  daher,  dass  der  Eberkopf  nicht  als  Siegeszeichen, 
sondern  als  ünglückszeichen,  zur  Andeutung  der  Veranlassung, 
die  nicht  allein  dem  Meleager,  sondern  auch  dem  Adonis  den 
Tod  brachte,  hier  von  der  Schicksalsgöttin  aufgerichtet  wird, 
und  es  lässt  sich  ein  bekanntes  Relief  griechischer  Erfindung 
damit  vergleichen,  auf  dem  über  der  Figur  des  verwundeten 
Adonis  ein  Eberkopf  hängt,  zur  Hindeutung  auf  die  Ursache 
seines  Todes.  So  aufgefasst  ist  die  Handlung  der  Mittelfigur 
für  beide  Gruppen  bedeutsam. 

Die  Gruppe  von  Meleager,  der  sichtbar  betrübt  dasteht, 
und  Atalante  ist  durch  Inschriften  gesichert,  Atlenta  und 
Meliaph  oder  wahrscheinlicher  im  Einklang  mit  der  sonstigen 
Benennung  des  Meleager  und  mit  dem  lautlich  zu  Erwartenden: 
Meliacr,  indem  C  und  D  in  einen  Buchstaben  zusammengezogen 
sind.  Von  der  anderen  Gruppe  sind  nur  von  dem  Namen  der 
Frau,  die  den  sitzenden  Jüngling  umfasst  und  mit  zärtlicher 
Neigung  des  Kopfes  anblickt,  ein  paar  Buchstaben  erhalten, 
nämlich  Tu,  das  sich  aber  gewiss  zu  Turan  ergänzen  lässt, 
da  die  Gruppe  den  sonst  auf  etruscischen  Spiegeln  vorkömmen- 
den Liebesscenen  zwischen  Venus  und  Adonis  entspricht. 

Die  Zeichnung  der  Körper  zeugt  vom  Studium  griechischer 
Vorbilder,  die  Gesichter  aber  sind  etruscisch  roh  und  aus- 
druckslos. 


Die  etruscischen  Spiegel.  79 

Abg.  Gerhard  Taf.  176.  Vgl.  p.  169  ff.  und  Kekulö  de  fab.  Meleagrea 
p.  43.  Gewöhnlich  wird  die  Handlung  der  Atropos  anders  aufgefasst, 
man  nimmt  nämlich  an,  sie  klopfe  neben  dem  Eberkopf,  der  zur 
Charakteristik  des  Meleager  diene,  einen  Nagel  ein  in  dem  Sinne  der 
horazischen  necessitas ,  clavos  trabales  gestans.  Aber  der  Künstler 
müsste  sich  dann  doch  höchst  missverständlich  ausgedrückt  haben,  da 
Jedermann  wie  auf  der  Cista  (Archaeol.  Ztg.  1862,  Taf.  164.  165),  so 
auch  hier  nur  an  ein  Festklopfen  des  Eberkopfes  denken  wird,  der  zu- 
dem sonst  in  der  Luft  schweben  würde,  ein  Umstand,  der  bei  einem 
besser  gezeichneten  Spiegel  wohl  in  Anschlag  zu  bringen  ist. 

147.  Orest,  Iphigenie  und  Pylades. 

Wie  auf  einem  Vasenbild  ^),  so  sitzen  hier  Orest  und 
Pylades  als  Schutzflehende  an  heiliger  Stätte,  während  Iphigenie 
zu  ihnen  tritt.  Es  ist  der  Moment  vor  der  Wiedererkennung 
der  Geschwister.  In  demjenigen  der  Jünglinge,  der  das  Götter- 
bild umfasst  hat,  ist  wohl  Orest  gemeint. 

Vor  dem  Götterbilde  steht  ein  Altar,  auf  dem,  wie  es 
scheint.  Flammen  emporschlagen.  Das  Salbgefäss  in  der  Hand 
der  Göttin  ist  ungewöhnlich,  doch  bei  der  üngenauigkeit  dieser 
Darstellungen  nicht  auffallend. 

Abg.  Gerhard  Taf.  239. 

148.  Tödtung  der  Klytämnestra,  1843  von  E.Braun 
in  Rom  angekauft.    2728. 

Orest  (Urusthe)  hat  die  Mutter  (Clutumustha)  am  Haar 
ergriffen  und  zückt  das  Schwert  gegen  sie,  die  bittend  ihre 
Hand  ausstreckt.  Hinter  ihm  erscheint  eine  Furie  mit  der  un- 
verständlichen Inschrift  Nathum,  die  nur  als  Verfolgerin  des 
Orest  anzusehen  ist,  wenngleich  des  Raumes  wegen  die  linke 
Hand  und  Schlange  ohne  Ziel  dahin  fährt.  In  der  wie  eine 
Jägerin  leichtgeschürzten  Furie  sind  die  griechischen  Vorbilder, 
wie  wir  sie  auf  späteren  Vasenbildern  finden,  unverkennbar, 
aber  eben  so  deutlich  ist  in  dem  wild  gesträubten  Haar  und 
in  dem  aus  dem  Munde  herausragenden  Zahn  die  etruscische 
Zuthat 

Im  Abschnitt  ist  Jason  dargestellt,  vom  Drachen,  den  er 
nach  der  Sage  von  innen  getödtet  hatte,  wieder  ausgespieen. 
In  der  Linken  scheint  er  das  goldene  Vliess  zu  halten.  Er 
hat  die  Beischrift  Heiasun,  deren  Aspiration  an  die  unter- 
italischen Vasen  erinnert,  wo  er  Hiason  heisst. 


»)  Overbeck  Gall.  her.  Biidw.  Taf.  30,  4. 


gQ  Die  etruscischen  Spiegel. 

Abg.  Gerhard  Taf.  238,  dessen  Erklärung  nicht  ohne  Missverständ- 
niss  ist. 

149.  Orest  undElektra,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.    3387. 

Neben  einer  Grabstele  sitzt  trauernd  eine  Frau  mit  einem 
Krug  im  Arm,  aus  dem  sie  unzweifelhaft  ein  Opfer  gespendet 
hatte     Vor  ihr  steht  ein  Jüngling  mit  tröstlichem  Zuspruch. 

Diese  Spiegelzeichnung  ist  fast  eine  Copie  griechischer 
Vasen  zu  nennen.  Nur  fragt  sich,  ob  Orest  und  Elektra  am 
Grabe  des  Vaters  oder  eine  allgemeine  Gruppe  Leidtragender, 
wie  auf  den  attischen  Vasen,  hier  copirt  sei.  Doch  ist  das 
Erstere  wohl  wahrscheinlicher. 

150.  Ringkampf,  unerklärte  Vorstellung,  1856  von 
E,  Braun  in  Rom  gekauft.    3210. 

Dieses  Bild  ist -noch  nicht  richtig  erklärt,  doch  ist  soviel 
einleuchtend,  dass  die  beiden  geflügelten  Dämonen  die  mittlere 
Figur  von  der  Stelle  zu  rücken  suchen.  Uns  scheint  die  Ana- 
logie einiger  anderer  Spiegel  dafür  zu  sprechen,  in  den  Dämonen 
dieDioskuren  zu  erkennen,  und  die  mittlere  Figur  könnte  viel- 
leicht, wie  von  einem  jener  Spiegel  gemeint  ist,  Talos  sein. 
Vergleicht  man  wenigstens  die  berühmte  Talosvase,  so  liesse 
sich  vielleicht  ein  Moment  des  Kampfes  zwischen  Talos  und 
den  Dioskuren  denken,  der  dem  hier  dargestellten  entspräche. 
Auffallend  ist  freilich  die  Bärtigkeit  der  Dioskuren. 

Die  Blume,  sowie  Mond  und  Sterne  dienen  nur  zur  Aus- 
füllung des  Raums. 

Abg.  Gerhard  Taf,  255.  Vgl.  p.  267,  wo  auch  die  anderen  Er- 
klärungsversuche mitgetheilt  sind.  Die  im  Text  herangezogenen  Spiegel 
sind  Taf.  56,  1  und  58  abgebildet. 

151.  Liebesscene  zwischen  Göttern,  unerklärte  Vor- 
stellung, aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.    3327. 

Das  Liebespaar  ist  sowenig  zu  bestimmen,  wie  die  Neben- 
figuren, nur  dass  es  Götter  sind,  lässt  sich  aus  einem  überein- 
stimmenden Spiegel  schliessen,  wo  die  den  Jüngling  umarmende 
Frau  Flügel  hat. 

Abg.  Gerhard  IV,  300,  der  sich  wieder  mit  Behagen  in  den  wun- 
derlichsten Vermuthungen  ergeht,  deren  Ausgangspunkt  die  für  einen 
Epheukranz  gehaltene  Locke  des  Jünglings  auf  dem  anderen,  überein- 
stimmenden Spiegel  ist. 


Die  etniscischen  Spiegel.  gl 

152.  Liebesscene  von  zweifelhafter  Bedeutung, 
1848  von  Dr.  Emil  Braun  in  Rom  angekauft.    2970. 

Dargestellt  ist  ein  zärtliches  Liebespaar,  von  Amor  einer- 
seits, von  einem  anderen  Paar  von  Mann  und  Frau  andererseits 
umgeben.  Die  Scene  ist  zu  wenig  individualisirt,  als  dass  es 
möglich  wäre,  Namen  zu  geben.  Im  Hintergrunde  eine  Säulen- 
halle, die  der  Zeichner  perspectivisch  zu  zeichnen  versucht  hat. 

Abg.  Gerhard  II,  206.     Vgl.  III,  196,  wo  natürlich  eine  Erklärung, 
freilich  eine  ganz  haltlose,  gegeben  wird. 

152*-  Aehnliche  Scene,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.    3399.  3401. 

Die  Mitte  des  Spiegels  nimmt  ein  Liebespaar,  ein  Jüng- 
ling auf  dem  Schooss  eines  Mädchens  sitzend,  ein,  rechts  ist 
ein  nackter  Jüngling,  links  eine  nackte  Frau  dargestellt.  Auf 
eine  Erklärung  müssen  wir  wegen  mangelnder  Charakteristik 
verzichten. 

Abg.  Gerhard  279,  3  und  als  „mystische  Hochzeit"  der  Libera  und 
eines  Dioskuren  gedeutet. 

153.  ßäthselhafte  Vorstellung,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung 1859  erworben.    3282. 

Eine  sitzende  mit  Aermelkleid  bekleidete  Frau  mit  drei 
nackten  Jünglingen. 

Abg.  Gerhard  II,  220,  der  die  Scene  ganz  haltlos  auf  Helena  von 
troischen  Helden  umgeben  deutet. 

154.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben. 
3318. 

Sowohl  die  ganze  Handlung  als  auch  die  einzelnen  Figuren 
sind  uns,  mit  Ausnahme  des  an  seinem  Schwanz  kenntlichen 
Satyrn,  nicht  deutlich.  Die  Mittelfigur  trägt  einen  Speer,  dessen 
Eisen  hinter  dem  Hut  zum  Vorschein  kommt. 

Abg.  Gerhard  Taf.  57,  dessen  Erklärung  lauter  Willkür  ist.  Be- 
sonders merkwürdig  aber  ist  der  „Wunderstab,  der  von  dem  verlängerten 
Finger  des  Hermes  ausgeht",  als  ein  Beleg,  wie  die  von  Gerhard  ver- 
tretene Richtung  eher  alles  Andere,  selbst  das  Abenteuerlichste,  annimmt, 
als  das  nach  dem  Charakter  des  Bildes  Natürliche,  nämlich  Flüchtigkeit 
der  Zeichnung. 

155.  Vier  Göttinnen,  1852  von  dem  Kunsthändler 
Marguier  angekauft.    3043. 

Friederichs,  £erlin*s  Antike  Bildwerke.  IL  6 


ä 


32  I^ie  etruscischen  Spiegel. 

Sowohl  die  Namen  Thanr,  Achuvitr,  Alpanu,  Tipanu,  als 
auch  die  Figuren  sind  uns  gänzlich  undeutlich.  Jedenfalls  sind 
sämmtliche  Figuren  weiblich. 

Abg.    Gerhard    Taf.    814,    der    sich    in    haltlosen    Vermuthungen 
ergeht. 

156.  Frauenscene,  in  Bomarzo  gefunden,  aus  Gerhardts 
Sammlung  1859  erworben.    3309. 

Ob  die  Figuren  göttliche  oder  sterbliche  Frauen  sind, 
wagen  wir  nicht  zu  entscheiden.  Die  mittlere  hat  ein  Salbge- 
fäss,  die  andere  nackte  hält  die  Zipfel  ihres  Gewandes  und 
trägt  ein  Kreuzband,  das  auf  dem  nackten  Körper  freilich  keine 
rechte  Bedeutung  hat,  da  es  zum  Halt  der  Gewänder  diente. 
Phantastisch  ist  der  Kopfputz  der  drei  Frauen,  doch  liegt 
schwerlich  eine  besondere  Bedeutung  darin.  Blumen  und 
Ranken  füllen  die  Zwischenräume. 

Abg.  Gerhard  Taf.  271,  wo  es  wieder  an  Phantasien  nicht  fehlt. 

157.  Verhüllte  Frau,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.    3350. 

Auf  diesem  kleinen  Spiegel  ist  eine  verhüllte  Frau  darge- 
stellt, die  an  manche  Figuren  griechischer  Grabsteine  und 
Vasen  erinnert.  Es  gehörte  zum  anständigen  Ton  in  Griechen- 
land, mit  verschleiertem  Kopf  zu  gehen. 

Abg.  Gerhard  Taf.  92,  4,  von  dem  die  Figur  natürlich  als  „Ein- 
geweihte" bezeichnet  wird. 

158.  Knabe  mit  seinem  Hund,  aus  Gerhardts  Samm- 
lung 1859  erworben.    3326. 

Ein  Knabe  lässt  seinen  Hund  nach  einem  Stück  Futter 
springen. 

159.  Obscöne  Lieb esscene,  Spiegel  aus  Präneste,  1860 
von  Dr.  Brunn  in  Rom  gekauft.    3439. 

Diese  Spiegelzeichnung  ist  dadurch  interessant,  dass  sie 
eine  Scene  des  Lebens  enthält,  was  in  dieser  Denkmälergattung 
ausserordentlich  selten  ist.  Höchst  charakteristisch  für  die 
Sphäre,  in  der  sich  die  Spiegelzeichnungen  bewegen,  ist  aber 
die  Wahl  der  Scene,  es  ist  nämlich  eine  derbe  Obscönität  dar- 
gestellt. Ein  Jüngling  hat  eben  ein  Mädchen  aufgedeckt  und 
will  sich  nun  zu  ihr  legen.     Amor  bringt  dem  Jüngling  den 


■  \ 


Die  etniscischen  Spiegel.  33 

Biegerkraiiz,  hinter  der  Liebesgruppe  aber  sieht  eine  Alte 
durch's  Fenster  und  krächzt  sehr  verwundert  über  das,  was 
sie  erblickt,  laut  auf.  Das  Beiwerk,  zwei  sich  schnäbelnde 
Tauben,  scheint  hier  zur  Darstellung  in  Bezug  zu  stehen. 

160.  161.  Köpfe,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben.   3358.  3317. 

Diese  beiden  Spiegel  sind  mit  Köpfen  verziert,  die  sich 
einer  näheren  Erklärung  entziehen.  Der  erste,  besser  gezeich- 
nete, ist  männlich,  der  andere  durch  die  Ohrringe  als  weiblich 
bezeichnet. 

Abg.  Gerhard  Taf.  71,  2.  4. 

162.  Kopf  mit  phrygischer  Mütze,  aus  Gerhardts 
Sammlung  1859  erworben.    3335. 

Der  Kopf  ist  weiblich,  wie  die  Ohrringe  zeigen,  und  trägt 
eine  phrygische  Mütze  von  der  Form,  wie  sie  in  den  späteren 
griechischen  Vasenbildern  vorkommt. 

Abg.  Gerhard  Taf.  287,  4. 

163.  Pflanzen  und  Fische,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben.  3382. 

Dieser  Spiegel  ist  ganz  eigenthümlich,  übrigens  höchst 
flüchtig  verziert.  An  beiden  Seiten  ist  ein  Abschnitt  gemacht 
und  mit  Schnörkeln  verziert,  in  der  Mitte  steht  ein  Baum  oder 
eine  andere  Pflanze,  welche  rings  von  Delphinen  umgeben  ist. 
Vielleicht  eine  rohe  Reminiscenz  irgend  eines  landschaftlichen 
Bildes. 

163**  Storch  und  Schlange,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben.  3333. 

Ein  Storch  kämpft  mit  einer  Schlange.  Im  Feld  zwei 
Bäume. 

164.  Ein  geflügeltes  Pferd,  aus  Gerhardts  Sammlung 
1859  erworben.  3320. 

165.  Spiegel  mit  unbestimmbaren  Figuren,  aus 
Gerhard's  Sammlung  1859  erworben.  3336. 

Die  Rückseite  dieses  Spiegels  ist  mit  vorstehenden  Ringen 
verziert,  als  wäre  sie  nicht  für  eine  Zeichnung  bestimmt  ge- 
wesen. Trotzdem  sind  auf  dem  äussersten  Ringe  einige  Figuren 
von  Menschen  und  Thieren  eingeritzt. 

6* 


ä 


34  ^^6  etruscischen  Spiegel. 

166.  Hippokamp,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  er- 
worben. 3287. 

Dieser  mit  einem  phantastischen  Seethier  verzierte  Spiegel 
ist  dadurch  besonders  interessant,  dass  er  seinen  alten  knöcher- 
nen Griff  bewahrt  hat,  an  welchem  man  nun  die  Rohheit  ab- 
nehmen kann,  mit  der  die  Etrusker  Griff  und  Spiegel  oft  ver- 
banden. 

167.  Geharnischter  Krieger,  in  Rom  durch  Emil  Braun 
1856  angekauft.  3211. 

Nur  die  mittlere  Figur,  ein  geharnischter  Jüngling,  ist  zu 
erkennen.  Der  Spiegel  ist  stark  oxydirt  und  in  viele  Stücke 
gebrochen. 

168.  Sitzender  Jüngling,  zerbrochener  und  sehr  durch 
Oxydation  zerstörter  Spiegel,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.  3297. 

Nur  die  Figur  eines  sitzenden,  halbnackten  Jünglings,  dem 
eine  andere  Figur  die  Hand  auf  die  Schulter  legt,  ist  erkennbar. 

169.  Zerstörter  Spiegel,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859 
erworben.  3301. 

Auf  diesem  theils  zerbrochenen,  theils  durch  Oxydation 
zerstörten  Spiel  sind  nur  die  Reste  einiger  Figuren  zu  er- 
kennen. 

170.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben 
3389. 

Es  sind  nur  noch  einzelne  Linien  erkennbar. 

171.  Desgl.,  aus  Gerhard's  Sammlung  1859  erworben. 
3388. 

172.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben. 
3374. 

173.  Spiegel  mit  reich  verziertem  Griff.  Aus  der 
Sammlung  Bellori.  B.  21. 

Der  Griff  läuft  unten  in  einen  Eselskopf  aus,  oben  in 
einen  Blumenkelch,  aus  dem  sich  drei  Köpfe  entwickeln,  er  ist 
übrigens,  vermuthlich  schon  im  Alterthum,  falsch  angesetzt 
denn  die  drei  Köpfe  befinden  sich  auf  der  Rückseite  des 
Spiegels. 

Abg.  Beger,  thes.  Brand.  III,  421.     Gerhard,  I,  23.  3.  4. 


Die  römischen  Spiegel.  85 

174.  Desgl.,  aus  der  Koller*schen  Sammlung  606. 

Der  Griff  dieses  Spiegels  ist  fast  ganz  derselbe,  nur  dass 
«r  richtig  mit  der  Spiegelfläche  verbunden  ist. 

Abg.  Gerhard  I,  23,  1.  2  (der  ihn  unrichtig  schon  in  Beger's  Zeit 
setzt).     Gargiulo  hält  den  Griff  für  modern,  was  ich  bezweifele. 

175.  176.  Spiegel  ohne  Zeichnung,  nach  der  birnen- 
förmigen Gestalt  zu  schliessen,  aus  Präneste,  der  erstere  aus 
der  KoUer'schen  Sammlung  611,  der  andere  aus  der  Sammlung 
Bartholdy  B.  68. 

177 — 187.  Elf  runde  Spiegel  ohne  Zeichnung, 
n.  177 — 186  sind  aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben. 
3292.  3293.  3392.  3393.  3394.  3395.  3396.  3397.  3398.3419. 

An  dem  Griff  von  nf  179.  180  sind  noch  die  Stifte  er- 
lialten  zur  Befestigung  der  Bekleidung  des  Griffes. 

188.  Spiegel  mit  moderner  Zeichnung,  aus  Ger- 
hardts Sammlung  1859  erworben.  3284. 

Der  Griff  dieses  Spiegels  ist  von  ionischen  Voluten  be- 
krönt, unten  aber  hohl,  vermuthlich,  um  irgendwo  befestigt  zu 
werden,  so  dass  der  Spiegel  fest  stand.  Als  Handspiegel  wäre 
er  auch  reichlich  schwer.  Dass  die  Zeichnung  modern  ist, 
lässt  sich  nicht  nur  an  der  Beschaffenheit  der  Linien,  sondern 
auch  daran  sehen,  dass  die  Linien  über  Gypsausbesserungen 
hinübergeführt  sind. 

Abg.  Gerhard  I,  23,  5,  der  bei  diesem  Spiegel  ohne  Grund  an  eine 
Opfprschale  denkt. 

189.  Spiegelkapsel  mit  Spiegel.  In  Cäre  gefunden, 
aus  Gerhardts  Sammlung  1859  erworben.  3391. 

Die  drei  Platten  sind  zusammen  gefunden,  der  Spiegel 
innerhalb  der  beiden  anderen,  so  dass  wir  hier  unzweifelhaft 
eine  vollständig  mit  Spiegel  erhaltene  Kapsel  vor  uns  haben. 

Abg.  Gerhard  I,  20,  1—4.  9,  p.  85. 

c.  Die  römischen  Spiegel. 

Schon  oben  ist  von  dem  Verschwinden  der  gravirteu 
Spiegel  in  römischer  Zeit  die  Rede  gewesen  und  die  Neigung 
zum  Luxus  als  Hauptgrund  dafür  angegeben.  Man  sah  mehr 
auf  Kostbarkeit  des  Materials  als  auf  Kunstwerth,  und  der  Ge- 


ä 


36  Die  römischen  Spiegel. 

brauch  silberner  Spiegel  wurde  daher  allgemein.  Plinius^) 
sagt,  dass  die  silbernen  Spiegel  durch  den  Künstler  Pasiteles 
zur  Zeit  des  Pompe  jus  eingeführt  seien,  früher  habe  maa 
Spiegel  aus  einer  Composition  von  Zinn  und  Kupfer  verfertigt 
und  in  Brundusium  seien  besonders  gute  Fabriken  solcher 
Spiegel  gewesen,  später  aber  seien  die  silbernen  Spiegel  in 
dem  Grade  allgemein  geworden,  dass  selbst  die  Mägde  sich 
derselben  bedient  hätten.  Dass  vor  Pasiteles  kein  silberner 
Spiegel  sollte  verfertigt  tvorden  sein,  werden  wir  nicht  wört- 
lich verstehen  dürfen,  um  so  gewisser  aber  ist  die  Thatsache 
des  allgemeinen  Gebrauches  silberner  Spiegel  in  der  Kaiser- 
zeit. Und  zwar  hatte  man  nicht  bloss  kleine  Handspiegel  von 
Silber,  wie  sie  auch  uns,  namentlich  aus  Pompeji,  erhalten  sind^ 
sondern  wir  hören  auch  von  Spiegeln  aus  Silber,  ja  aus  Gold, 
die  der  ganzen  Höhe  eines  Menschen  gleich  kamen  2). 

Es  konnte  indessen  nicht  ausbleiben,  dass  die  Sitte,  sil- 
Ijerne  Spiegel  zu  gebrauchen,  auch  billigeren  Ersatz  hervorrief, 
der  dem  äusseren  Anschein  nach  jenen  gleich  kam,  dem  Werth 
nach  aber  verschieden  war.  Und  so  besitzen  wir  auch  noch 
jetzt  römische  Spiegel,  die  anscheinend  von  Silber,  in  Wahr- 
heit aber  nur  plattirt  sind.  Daneben  finden  sich  manche 
Spiegel,  die  fast  wie  Silber  aussehen  und  doch  nach  chemischer 
Untersuchung  ^)  nur  eine  Composition  von  Kupfer  und  Blei  sind. 
Vermuthlich  sollten  auch  diese  Spiegel  ein  billigerer  Ersatz 
für  -die  silbernen  sein. 

In  künstlerischer  Hinsicht  sind  die  römischen  Spiegel,  so- 
weit wir  sie  kennen,  dürftig  und  uninteressant.  Man  findet 
einzeln  ein  kleines  Relief  an  der  Rückseite,  das  ist  aber  auch 
•  Alles,  was  sie  an  Schmuck  enthalten.  In  den  Formen  findet 
sich  manches  Spielende,  sehr  gewöhnlich  sind  z.  B.  die  aus- 
gezackten Ränder. 

Römische  Spiegel. 

190.  Grosser  viereckiger  Spiegel.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.  604.    L.  SS^/^".  Br.  18". 

Dieser  Spiegel  besteht  aus  einer  sehr  harten,  spröden, 
ganz  weissen  Metallmischung.  Eine  Hohlkehle  am  Rande  zeigt, 
dass  er  in  einen  Rahmen  gefasst  war. 


1)  83,  130  und  34,  160. 

^  Seneca  quaest.  nat.  I,  17,  8. 

"  Bei  Caylus  recueil  V,  p.  174  ff. 


Die  römischen  Spiegel.  37 

191.  Spiegel  aus  Pompeji,  mit  eigenthümlichem 
Griff.    Die  Hälfte  fehlt.    V,  5. 

192.  Grosser  Spiegel,  aus  Xanten.  Im  Jahre  1844  er- 
worben. 

Der  Spiegel  ist  zwar  gänzlich  zerbrochen,  doch  sieht  man 
noch  an  mehreren  Fragmenten,  dass  der  Rand  ausgezackt  war. 
Eben  diese  Verzierung  .kommt  öfter  in  römischer  Zeit  vor, 
man  fand  die  einfach  runde  Form  zu  einförmig. 

193.  Kleiner  plattirter  Spiegel,  bei  Cleve  gefunden, 
aus  der  Sammlung  Minutoli.    V,  3. 

Der  durchlöcherte  Rand  ist  eine  an  römischen  Spiegeln 
sehr  häufige  Verzierung.    Der  Griff  fehlt. 

Abg.  Gerhard  I,  20,  14. 

194.  Desgl.,  von  silberartiger  Masse  mit  Griff  von  Bronce. 

Abg.  Gerhard  I,  22,  10. 

195.  196.  Zwei  desgl.,  bei  Cleve  gefunden.  Aus  der 
Sammlung  Minutoli.    V,  1.  2. 

197.  Desgl.,  in  Stücke  gebrochen.  Aus  Trier,  von  Herrn 
Besselich  ebendaselbst  im  Jahre  1869  angekauft.  3595. 

198.  DesgL  Dieser  Spiegel  war  irgendwo  eingelassen. 
Aus  der  KoUer'schen  Sanmilung.  608. 

199.  Desgl.,  stark  restaurirt,  aus  Gerhardts  Nachlass 
1869  erworben. 

200.  Kasten  mit  Spiegelfragmenten. 

Diese  Fragmente  rühren  zum  Theil  von  römischen,  zum 
Theil  von  etruscischen  Spiegeln  her.  Unter  jenen  sind  zwei 
Fragmente  von  viereckigen  Spiegeln,  bei  Cöln  gefunden 
(Sammlung  Minutoli  V,  4),  hervorzuheben,  diese  bestehen  in 
6  Henkeln  und  einem  Fragment  eines  gravirten  Spiegels. 
Letzteres,  sowie  einer  der  Henkel  sind  aus  der  Gerhard'schen 
Sammlung  1859  erworben  (3404.  3402). 

201.  Spiegel  (?)  von  dickem  gegossenen  Metall,  mit  er- 


38  Die  Strigeln. 

erhöhtem  Rande;  3^/2"  lang.    Der  Stiel  hat  fast  die  Gestalt 
eines  Hermesstabes.    Aus  der  Sammlung  Bellori.    B.  23. 

Abg.  Beger,  thes.    Brand    III,   416,    der    ein    Feldzeichen   daraus 
machen  will. 

2)  Die  Strigeln. 

Die  Strigel  diente  dazu,  das  Oel,  mit  dem  man  sich  nach 
dem  Bade  einrieb,  vom  Körper  zu  entfernen,  und  es  ist  leicht 
einzusehen,  wie  passend  ihre  Form  für  diesen  Zweck  ist.  Beide 
Geschlechter  bedienten  sich  derselben,  es  fehlt  unter  den  alten 
Denkmälern  nicht  an  Badescenen,  in  denen  wir  sie  auch  in 
der  Hand  von  Frauen  erblicken*).  In  den  Gräbern  älterer 
Zeit,  besonders  in  den  griechischen,  ist  kaum  ein  Gegenstand 
gewöhnlicher  als  sie,  in  römischen  Gräbern  der  Kaiserzeit  aber 
ist  es  seltener,  eine  Strigel  zu  finden.  Das  Geräth  hatte  seine 
Bedeutung  im  Leben  verloren,  während  es  bei  den  Griechen 
gleichsam  das  charakteristische  Symbol  für  das  Leben  des 
Mannes  war,  das  fast  den  grössten  Theil  des  Tages  in  der 
Palästra  verlief. 

In  der  Form  der  Strigel  sind  einige  Unterschiede  zu 
merken.  Die  älteren,  griechischen  oder  etruscischen,  haben 
eine  Händhabe,  durch  welche  man  die  Hand  hindurch  stecken 
muss  und  zeichnen  sich  ausserdem  durch  eine  sehr  graziöse 
Krümmung  aus,  während  die  Handhabe  der  römischen,  beson- 
ders durch  die  pompejanischen,  die  man  in  Neapel  in  grosser 
-Anzahl  sehen  kann,  vertretenen  Strigel  nicht  immer  zum  Durch- 
stecken, sondern  oft  nur  zum  Umfassen  eingerichtet  und  die 
Krümmung  derselben  unschöner,  weil  plötzlicher  ist.  Auch 
pflegt  der  Griff  eckig  zu  sein,  was  keinen  so  schönen  Anschluss 
an's  Runde  giebt.  Eine  besondere  Species  sind  die  auffallend 
breiten,  im  Uebrigen  den  älteren  entsprechenden  Strigeln,  die 
in  Etrurien  und  Präneste  gefunden  werden  und  namentlich  in 
der  barberinischen  Sammlung  zu  sehen  sind. 

Das  gewöhnliche  Material  der  Strigel  war  wenigstens  in 
Attika  Eisen,  das  sich  häufiger  in  den  Gräben  findet  als  Bronce. 
Auch  bleierne  Strigel  kommen  vor,  nicht  als  wirkliche  Ge- 
räthe,  sondern  nur  zum  Schein,  wie  man  denn  fast  alle  Geräthe 
der  Grabesausstattung  auch  in  Blei  als  blosse  Scheingeräthe 
findet.    Davon  wird  unten  näher  die  Rede  sein. 


r      1)  Z.  ß.  auf  den  Spiegeln  bei  Gerhard,  Taf.  317.  318. 


Die  Strigeln.  39 

Interessant  sind  die  Strigeln  endlich  wegen  der  Inschriften 
der  Fabrikanten,  die  theils  griechische,  theils  lateinische  oder 
etruscische  Namen  geben.  Es  ist  begreiflich,  dass  bei  dem 
ungeheueren  Verbrauch  eines  für  das  tägliche  Leben  so  noth- 
wendigen  Geräthes  sich  überall  Lokalfabriken  bildeten.  Die 
Strigeln  mit  griechischen  Marken  finden  sich  übrigens  auch  in 
Etrurien  und  Palestrina. 

Vgl.  an  Fundberichten  bullet,  d.  instit.  1862,  p.  149,  1829,  p  204. 
Eine  Auswahl  römischer  Strigeln  ist  abgebildet  bei  Lindenschmit, 
Alterth.  unserer  heidn.  Vorzeit  11,  9,  4.  Ueber  die  Fabrikmarken  der 
Strigel  vgl.  Detlefsen  im  bullet.  1863,  p.  21  mit  dem  Zusatz  von  Brunn 
ebendas.,  p.  188. 

202.  Strigel  von  Bronce,  aus  Athen,  angekauft  mit 
dem  Nachlass  des  Prof.  Ross  in  Halle  im  Jahre  1860.   3413. 

Die  Strigel  hat  einen  sehr  niedlichen  Fabrikstempel,  der 
sich  am  Griff  zweimal  wiederholt.  Es  ist  nämlich  ein  nackter 
Mann  in  tanzender  Stellung  vorgestellt,  der  in  der  einen  Hand 
eine  Leier  (?),  in  der  anderen  eine  Strigel  (?)  hält.  Am  Kopf 
bemerkt  man  so  etwas,  was  wie  ein  Kopfflügel  aussieht,  so  dass 
man  an  Hermes  denken  könnte.  Dazu  die  Umschrift  POP) 
als  Anfang  des  Fabrikantennamens. 

Diese,  sowie  die  beiden  folgenden  Strigeln,  haben  in  der 
Form  das  Besondere,  dass  sie  an  der  Spitze  nach  Art  von 
Fingern  leise  aufwärts  gebogen  sind,  und  dass  das  nicht  zu- 
fällig ist,  beweisen  ein  paar  im  Besitz  von  Dr.  Heydemann 
hierselbst  befindliche  Strigeln,  an  deren  Extremitäten  deutlich 
ein  Nagel  angegeben  ist.    Vgl.  bull.  1869,  p.  16. 

203.  Desgl.,  ebendaher,  aus  derselben  Quelle.  3414. 

204.  Desgl.,  auf  der  Insel Kythnos  gefunden,  1849  durch 
Schaubert  eingesandt.    2976. 

205.  Desgl.,  aus  Athen,  mit  anderen  Sachen  1869  ge- 
kauft. 3762. 

206.  Desgl.,  fragmentirt,  aber  mit  eingravirten  Palmetten 
fein  am  Griff  verziert  und  mit  dem  Stempel  ^IlOA^O^Fily 
was  gewiss  aus  A7to'k'ko6(jjQ(jo  verschrieben  ist^). 

Nach  dem  Genitiv  auf  w  zu  schliessen,  war  der  Fabrikant 
Apollodorus  in  einer  dorischen  Stadt  zu  Hause.  Der  Griff  läuft 
nicht,  wie  es  gewöhnlich  ist,  bügeiförmig  aus,  sondern  schliesst 

^)  Das  Tt  ist  hier  und  auf  den  folgenden  Strigeln  bis  211  überall 
das  ältere  mit  ungleichen  Schenkeln. 


r 


90  I^»e  Strigeln. 

mit  kurzer,  in  einen  Knopf  auslaufender  Krümmung.    Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.    D.  80^). 

207.  Desgl.;  mit  demselben  Stempel,  1834  von  Prot 
Gerhard  in  Italien  gekauft.  Die  Strigel  besteht,  wie  öfters,  aus 
zwei  Stücken,  indem  der  Griff  und  die  andere  Hälfte  für  sich 
gearbeitet  und  dann  zusammengesetzt  sind. 

208.  Desgl.,  fragmentirt,  mit  demselben  Stempel,  1850 
von  einem  Reisenden  gekauft.    2978. 

Neben  dem  Stempel  ist  als  weiteres  Fabrikzeichen  noch 
eine  undeutliche  Thierfigur  angebracht. 

209.  Desgl.,  fragmentirt,  mit  demselben  Stempel,  der 
jederseits  von  einer  undeutlichen  Thierfigur  umgeben  ist.  Der 
Griff  wie  an  n.  206.    Aus  der  Sammlung  Bellori.    L.  5. 

210.  Desgl.,  fragmentirt,  miteingravirter  Palmette  am  Griff 
und  dem  Stempel  ÜAuiYMMA  XOY  (statt  IlaXtf^fiaxov), 
Griff  wie  bei  n.  206.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erwor- 
ben.   8. 

211.  Desgl.,  fragmentirt,  mit  dem  Stempel  JT^YMM^- 
XOPYy  was  gewiss  dasselbe  sein  soll,  wie  der  vorhergehende 
Stempel.  Zu  jeder  Seite  des  Stempels  ein  nicht  erkennbares 
Thier.    Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben,    11. 

212.  Desgl.,  fragmentirt,  mit  der  Inschrift  2i2TEIPA. 
Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    7. 

Diese*  Inschrift  wird  wohl  mit  Recht  so  erklärt,  dass  die 
mit  Soteira  bezeichnete  Göttin  gewissermaassen  die  Schutz- 
patronin der  Fabrik  gewesen  sei.    Vgl.  bull.  1860,  p.  10. 

213.  Desgl.,  fragmentirt,  von  dem  Stempel  ist  nur 
...  OAAO  zu  lesen.  An  jeder  Seite  neben  dem  Stempel  ein 
vierfüssiges  Thier,  etwa  ein  Löwe  oder  Panther.  Aus  Ger- 
hardts Nachlass  1869  erworben.    8. 

214.  Etruscische  Strigel,  fragmentirt,  mit  dem  Stem- 
pel AONOÄNCAjyij  daneben  eine  sternförmige  Verzierung. 
Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    9. 


^)  Die  bei  Detlefsen  a.  a.  0.  p.  22.  n.  7.  mitgetheilte  Inschrift  ist 
vielleicht  durch  den  Stempel  dieser  Strigel  zu  erklären. 


Die  Strigeln.  91 

215.  216.  Zwei  breite  etruscische  Strigeln,  aus 
Corneto.    Aus  der  Sammlung  Dorow.    560.  561. 

217.  218.  Zwei  desgl.  An  der  einen  schliesst  sich  der 
Griff  mit  einer  Palmette,  an  der  anderen  mit  einer  ausge- 
spreizten Hand  an.  Gewiss  sind  dies  dieselben  Strigeln,  die 
Emil  Wolff  vor  Jahren  im  römischen  Institut  vorzeigte.  Die 
Beschreibung  stimmt  wenigstens  ganz  überein,  sie  würden  dann 
aus  Aegina  stammen.    Vgl.  bull.  d.  inst.  1832,  p,  27. 

219.  Desgl.,  mit  einem  Hermesstab  als  Fabrikzeichen. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    D.  81. 

220.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.  623. 

221.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend. 

222.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.  624.  Die  ganze 
obere  Hälfte,  die  besonders  gearbeitet  war,  fehlt. 

223.  224,  Zwei  desjgl.,  fragmentirt. 

225.  Desgl.,  nur  die  obere  Hälfte,  die  für  sich  gearbeitet 
war,  ist  erhalten.  Aus  Gerhard's  No^chlass  1869  erworben.  12. 

226.  Römische  Strigel  von  der  in  Pompeji  so  gewöhn- 
lichen Form,  bei  Gelduba  gefunden.  Sammlung  Minutoli.  L.  2. 

227.  Desgl.,  von  derselben  Form. 

227*-  DesgL,  bei  Cleve  gefunden,  aus  der  Sammlung 
Minutoli.    L.  6. 

228.  Kleine  verbogene  Strigel  mit  halbrundem  Griff. 
Sammlung  Minutoli.    L.  7. 

229.  Strigel,  nur  zur  Hälfte  erhalten,  es  fehlt  nämlich 
das  Instrument  selbst,  nur  der  Griff  und  das  Blatt,  an  dem 
jenes  befestigt  war,  sind  erhalten.  Das  Blatt  ist  zierlich  aus- 
gezackt und  durchljrochen  und  man  bemerkt  noch  die  Spuren 
zweier  Nägel,  mit  denen  es  befestigt  war. 

230.  Griff  einer  Strigel,  worauf  als  Fabrikzeichen 
eine  niedliche  nackte  männliche  Figur  mit  einem  Thier  zur 
Seite  dargestellt  ist. 


^2        Oelkännchen.  —  Flache  Schale  zum  Badeapparat  gehörig. 

230*-  Desgl.;  bei  Cleve  gefunden,  aus  der  Sammlung 
Minutoli.    L.  8. 

230^-  Desgl.,  fragmentirt,  von  anderer  Form,  mit  Zeichen 
an  der  hintern  Seite,  IIK  am  Griff  und  III  weiter  oben  hinaul 
Aus  Pompeji.  Mit  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  er- 
worben.   2769. 

230^-  Fragment  einer  Strigel,  mit  dem  Nachlass  des 
Prof.  Ross  1860  erworben.  3429. 

230^*  Kasten  mit  zwölf  Fragmenten  von  Strigeln, 
darunter  zwei  von  Eisen. 

3)  Oelkännchen. 

231.  Oelkännchen,  aus  Athen,  1845  von  dem  Ge- 
sandten Brassier  de  St.  Simon  angekauft.  2820. 

Diese  Kanne  ist,  wie  Yasen  und  Reliefs  lehren,  die  rich- 
tige Oelkanne,  welche  die  athenischen  Jünglinge  und  Männer  an 
einem  Ring  hängend  mit  in  die  Palästra  nahmen.  Sie  haben  immer 
«inen  breiten,  aufstehenden  Rand  bei  enger  Mündung,  vermuth- 
lich,  damit  das  Oel  beim  Eingiessen  nicht  überlief  und  beim 
Ausgiessen,  soweit  es  nicht  gebraucht  wurde,  bequem  zurück- 
floss.    Vgl.  n.  1619  ff.,  1638  ff. 

Vgl.  wegen  der  Form  der  Kanne  z.  B.  das  Relief  Bd.  I, 
n.  21. 

232.  Desgl.,  aus  Athen  1846  erworben.  2825. 

Dies  Kännchen  unterscheidet  sich  nur  durch  den  an  dieser 
Klasse  von  Gefässen  seltenen  Henkel,  der  mit  Masken  ver- 
ziert ist. 

4)  Flache  Schale,  zum  Badeapparat  gehörig. 

232**  Man  hat  in  Pompeji  einmal  die  für  das  Bad  noth- 
wendigen  Geräthe  alle  zusammen  an  einem  Ring  hängend  ge- 
funden, nämlich  ein  Oelkännchen,  mehrere  Strigeln  und  eine 
flache  Schaale,  welche  aufs  Genaueste  mit  der  hier  aufgeführten, 
die  auch,  wie  man  an  der  Durchbohrung  des  Griffes  sieht,  an 
einem  Ringe  getragen  wurde,  übereinstimmt.  Durch  diesen  Fund 
ist  der  Zweck  dieses  Geräthes  im  Allgemeinen  bestimmt, 
Näheres  aber  wissen  wir  leider  nicht  anzugeben.  Am  nächsten 


Instrumente  zum  Ausreissen  kleiner  Härchen.  9^ 

liegt  wohl  die  Annahme,  dass  man  sich  nach  dem  Gebrauch 
der  Strigel  noch  einmal  mit  Wasser  abgespült  und  dazu  dieser 
Schalen  bedient  habe. 

Der  pompejanische  Fund  ist  abg.  Mus.  borb.  VII,  16. 

5)  Instrumente  zum  Ausreissen  kleiner 

Härchen. 

Es  war  eine  widerwärtige,  aber  sehr  gewöhnliche  Ko- 
ketterie im  Alterthum,  sich  mit  kleinen  Zangen  die  Härchen, 
z.  B.  des  Bartes,  auszureissen,  um  hübsch  glatt  zu  er- 
scheinen. Man  bediente  sich  dazu  der  im  Folgenden  auf- 
geführten Instrumente,  die  zwar  auch  für  Lampenscheeren  er= 
klärt  sind,  aber  sicher  Toilettengeräth  sind.  Den  Beweis  dafür 
giebt  ein  Exemplar,  das  zugleich  mit  einem  Ohrlöffel  an  dem- 
selben Tragring  befestigt  gefunden  ist  und  ferner  ein  anderes 
bei  uns  befindliches  (n.  237),  an  dessen  oberem  Ende  ein  Ohr- 
löffelchen angebracht  ist.  Man  darf  übrigens  diese  Geräthe 
nicht  mit  einem  ganz  gleich  gestalteten  medicinischen  Instru- 
ment verwechseln,  das  sich  nur  dadurch  unterscheidet,  dass 
es  gezahnt  ist. 

Diese  Haarzangen  werden  nicht  nur  in  classischen,  son- 
dern auch  in  barbarischen  Gräbern,  vorwiegend  in  denen  von 
Männern,  gefunden. 

Das  im  Text  citirte  Exemplar  ist  abg.  bei  Smith,  collect,  antiq.  II,. 
pl.  5,  1.    Vgl.  über  Fundnotizen  auch  Lindenschmit,  Alterth.  II  zu  V,  6. 

233.  Haarzange,  bei  Cöln  gefunden,  Sammlung  Minu- 
toli.   U.  4.  L.  3V2"- 

224.  235.  Desgl.  Zwei  ähnliche,  bei  Cleve  gefunden. 
L.  31/2".  U.  2.  3. 

236.  Desgl.  L.  2^1^".    Aeltere  Sammlung.    U.  5. 

237.  Desgl.  Oben  mit  einem  Ohrlöffel  versehen.  Aeltere 
Sammlung.    L.  43/^".    U.  1. 

238.  Desgl.  Aus  dem  Nachlass  von  Prof.  Rösel  1844 
erworben.  2787.    Aus  Pompeji.    L.  372"« 

239.  Desgl.  Aus  dem  Nachlass  des  Obristlieut.  Schmidt 
1846  erworben.  2868.    L.  l'/g". 


94  Ohrlöffel  und  Nagpelputzer.  —  Haarnadela. 

240.  241.  Zwei  desgl.    L.  4^/4''  und  241:  3V2". 

242.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  19- 
Von  der  Kette,  an  welcher  man  das  Geräth  trug,  ist  noch 

ein  Ring  übrig.    L. 

6)  Ohrlöffel  und  Nagelputzer. 

Man  hat  öfter,  namentlich  in  englischen  Gräbern,  kleine 
Bündel  von  Instrumenten  der  Körperpflege,  als  Ohrlöffel, 
Nagelputzer,  Nagelmesser,  Zahnstocher  an  einem  Ringe  hängend 
gefunden,  mit  welchen  die  im  Folgendem  aufgeführten  Geräthe 
übereinstimmen.  Wie  es  scheint,  wurden  sie  am  Gürtel  ge- 
tragen. 

Vgl.  Smith,  Collect,  ant.  VI,  p.  152  und  das  unter  dem 
Artikel  Zahnstocher  Citirte. 

242*-  Kleines  Bündel  von  Geräthen,  unter  denen  ein 
Ohrlöffel  kenntlich  ist.  Die  beiden  gabelförmig  auslaufenden 
Geräthe  werden  für  Instrumente  zum  Reinigen  der  Nägel  er- 
klärt. Das  letzte  Stück  scheint  ein  Zahnstocher  zu  sein. 
Sämmtliche  Geräthe  haben  Verzierungen  von  punktirten  Linien. 

242^-  DesgL,  grösser,  aus  der  Sammlung  Koller.  600. 

Unter  den  sieben  Stücken,  die  hier  zu  einem  Bündel  ver- 
einigt sind,  ist  der  Ohrlöffel  deutlich.  Die  übrigen  sechs  sind 
jsämmtüch  Nagelputzer. 

242<^-  Desgl.,  ebendaher.  600. 

Die  Geräthe  sind  zum  Theil  fragmentirt. 

242^-  Ein  einzelner  Nagelputzer. 

7)  Haarnadeln. 

243.  Haarnadel,  1845  von  dem  Kunsthändler  Marguier 
angekauft  2803. 

Von  schöner  Form  und  Patina.    L.  6". 

244.  Desgl.,  1844  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel 
^rekauft.  2756.    L.  579". 

-    245.  DesgL,  von  derselben  Form,  nur  kleiner.    Eben- 
daher. 2791.    L.  31/4". 


Haarnadeln.  95 

246.  Desgl.,  1846  hierselbst  gekauft.  2885.    L.  SVs"- 
277—249.  Drei  desgl.    L.  2^8".  ^^Is'-  ^Vs"- 

249*-  Grosse  Haarnadel  mit  einer  Figur  darauf.  Aus 
dem  Nachlass  von  Prof.  Gerhard  1869  erworben.  L.  107a"- 

So  grosse  Haarnadeln  sind  öfter  in  Etrurien  und  Pa- 
lestrina  gefunden.  Dass  sie  als  Haarnadeln  benutzt  wurden, 
geht  aus  der  Praxis  des  heutigen  Landvolkes  hervor,  das  sie 
noch  jetzt  von  derselben  Grösse  trägt,  wie  ja  überhaupt  das 
Landvolk  das  Grosse  und  Massive  am  Schmuck  liebt.  Ausser- 
dem giebt  das  Motiv  der  Figur  an  unserem  Exemplar  einen 
Grund  für  den  vorausgesetzten  Zweck  ab.  JDie  Nadel  ist  näm- 
lich von  einer  halbnackten,  nicht  ungraziösen  Frau,  bekrönt, 
die  mit  einer  Hand  an  ihrem  Haar  beschäftigt  ist.  Der  Stiel 
der  Nadel  entwickelt  sich  nach  etruscischer  Weise  aus  einem 
Thierkopf.    Schön  erhalten.    Späterer  etruscischer  Styl. 

Vgl.  die  Bemerkung  im  bullet.  1851,  p.  147  und  die  Ab- 
bildung in  monum.  d.  inst.  VUI,  tav.  58  e. 

249^-  Desgl.,  vierkantig,  an  der  Spitze  ein  King  mit 
Buckeln.  Von  Prof.  Gerhard  1851  ans  Museum  verkauft.  3004. 
L.  10". 

249*^-  Desgl.,  zum  Theil  mit  schräger  Cannelirung,  an 
der  Spitze  in  einen  Thierkopf,  etwa  Rehkopf,  auslaufend.  Eben- 
daher. 3006.    L.  10". 

249^-  Desgl.,  mit  drei  Knöpfen  am  Kopf,  doch  fehlt  der 
oberste.  Aus  dem  Gerhard'schen  Nachlass  1869  erworben. 
77.    L. 

249®-  Desgl.,  mit  fehlender  Spitze.  Der  Griff  ist  tek- 
tonisch  besonders  markirt  und  läuft  in  einen  Rehkopf  aus. 

249^-  Desgl.,  mit  fehlender  Spitze.  Der  obere  Theil  ist 
schräg  cannellirt.  Von  Prof.  E.  Braun  1856  in  Rom  gekauft. 
3215. 

249^-  Desgl.,  oben  mit  einem  Delphin  verziert.  Aeltere 
Sammlung.    S.  2.  L.  5V4". 

249^  Desgl.,  in  einen  Delphinkopf  auslaufend.  Bei  Cleve 
gefunden.    Aus  der  Sammlung  Minutoli.    S.  1.  L.  S^s"- 


96  Haarnadeln. 

249^-  Kopf  einer  Haarnadel  (denn  die  Spitze  fehlt 
fast  ganz)  in  Form  einer  Frauenhand,  die  zierlich  zwischen 
zwei  Fingern  eine  Frucht,  etwa  eine  Granate,  hält.  Solche  Mo- 
tive kommen  öfter  vor,  wie  z.  B.  Lindenschmit,  Alterth.  11,  11^ 
4,  4  eine  derartige  Haarnadel  abgebildet  hat,  1846  am  Ehein 
gekauft.  2916. 

249^  Haarnadel  (?),  an  beiden  Enden  in  ein  Ohrlöffel- 
chen auslaufend  und  somit  vielleicht  einem  doppelten  Zweck 
dienend.    Sammlung  Bartholdy.    D.  88.  L.  9^/^''. 

249^-  Fragmentirter  Kamm,  angeblich  aus  einem  pom- 
pejanischen  Grabe.    1843  angekauft.    2720. 

Man  wundert  sich,  dass  die  Alten  neben  ihren  Kämmen 
von  Holz  und  Knochen  auch  Kämme  von  Bronce  hatten. 
Doch  ist  die  Thatsache  durch  mehr  als  einen  Fall  festgestellt 
Vgl.  z.  B.  Annali  deir  instit.  1855,  p.  65. 

Hieran  schliessen  wir  die  Erwähnung  von  einigen  vor- 
zugsweise weiblichen  Geräthen,  die  wir  anderswo  nicht  so  gut 
unterbringen  können,  nämlich  der  Scheere  und  der  Nähnadeln. 

249™-  Scheere  mit  Verzierungen,  zum  Hausgebrauch. 
Die  meisten  antiken  Scheeren,  die  man  in  Fasano  besonders 
häufig  findet,  sind  Schafscheeren.    L.  6". 

249*^*  Grosse  Nähnadel,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben.  79.    L.  4:'^!^". 

249^-  Desgl.    L.  51/2"- 

24900.  Desgl.,  von  Eisen,  aus  der  Sammlung  Minutoli. 
Fragmentirt.    0.  9. 

249P-  Zwei  feine  Nähnadeln.  Aus  Lentini.  Aus  Ger- 
hardts Nachlass  erworben. 


8)  Fibeln  oder  Gewandnadeln. 

Wenn  man  die  Darstellungen  auf  den  antiken  Denkmälern 
allein  als  maassgebend  für  die  Lebenssitte  des  Alterthums  be- 
trachten wollte,  so  würde  man  annehmen  müssen,  dass  die 
Alten  sich  zur  Befestigung   der  Gewänder  nur  der  runden^ 


Fibeln  oder  Gewandnadeln.  97 

scheibenförmigen  Fibel,  die  in  der  Form  ganz  unserer  Brosche 
entspricht,  bedient  hätten.  Denn  nur  diese  kommt,  wenn  wir 
nicht  irren,  wenigstens  in  guter  Zeit  vor.  Aber  viele  Funde 
beweisen,  dass  auch  die  bügeiförmige  Fibel,  die  zur  Aufnahme 
der  Gewandfalte  halbkreisförmig  sich  ausbiegt,  bekannt  und 
zwar  seit  den  ältesten  Zeiten  bekannt  war,  und  wenn  wir  den 
in  den  Museen  befindlichen  Vorrath  an  Fibeln  überblicken,  so 
scheint  gerade  sie  die  gewöhnliche  gewesen  zu  sein.  Dar- 
gestellt ist  aber  die  bügeiförmige  Fibel  erst  auf  den  Diptychen 
und  spätrömischen  Münzen  und  Grabsteinen,  sodass  wir  an- 
nehmen müssen,  die  scheibenförmige  Fibel  sei  den  Künstlern 
für  ihre  Zwecke  passender  erschienen  und  eben  darum  so 
häufig  dargestellt.  Und  allerdings  ist  sie  auch  die  schönste, 
weil  es  am  natürlichsten  ist,  einen  Schmuck,  der  eine  centrale 
Stelle  zwischen  zwei  Gewandtheilen  einnehmen  soll,  kreisförmig, 
nach  allen  Seiten  gleich  zu  bilden. 

In  der  classischen  Zeit  wurde  die  Fibel  stets,  wie  es 
scheint,  zu  einem  praktischen  Zweck  benutzt,  nämlich  zum 
Zusammenhalten  von  zwei  Gewandzipfeln,  während  in  spät- 
römischer Zeit  der  Gebrauch  aufgekommen  zu  sein  scheint,  die 
Fibel  bloss  als  Ziernadel  vorzustecken^). 

Die  Fibeln  finden  sich  in  den  Gräbern  oft  in  grosser  An- 
zahl, schon  fünfzig  sind  aus  einem  etruscischen  Grabe  hervor- 
gezogen ^),  die  natürlich  nicht  alle  auf  dem  Gewände  des  Todten 
befestigt  waren.  Dass  man  ihrer  aber  eine  ziemliche  Anzahl 
trug,  zeigen  einzelne  spätrömische  Grabsteine,  die  einen  sichre- 
ren Schluss  auf  das  wirkliche  Leben  verstatten,  als  die  melir 
künstlerisch  ausgestatteten  Denkmäler,  die  eben  aus  künst- 
lerischen Gründen  oft  von  der  Wirklichkeit  abweichen.  Oft 
werden  die  Fibeln  paarweise  gearbeitet  gefunden,  da  viele  von 
ihnen  für  correspondirende  Stellen  des  Gewandes  bestimmt 
waren. 

Ueber  nationale  und  zeitliche  Besonderheiten  in  der 
Bildung  und  Ornamentirung  der  Fibeln  wird  bei  den  beson- 
deren Abtheilungen  gehandelt.  Doch  wird  von  den  Eigenthüm- 
lichkeiten  fränkischer  Fibeln  erst  im  folgenden  Bande,  der 
die  Gold-  und  Silbersachen  des  Antiquariums  umfasst,  ge- 
sprochen werden  können. 

^)  Dies  ist  ganz  deutlich  auf  dem  Grabstein  des  Blussus  im  Mainzer 
Museum;  vgl.  die  Abbildungen  v©n  Alterthümem  des  Mainzer  Museums 
1848,  Taf.  1. 

2)  bull.  1830,  p.  6. 

Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  7 


98  Die  Fibeln. 


a)  Bügeiförmige  Fibeln. 

Die  bügeiförmige  Fibel  ist  diejenige,  welche  sich  am 
weitesten  hinauf  verfolgen  lässt,  sie  findet  sich  bereits  in  den 
ältesten  etruscischen  Gräbern  und  ist  sogar  unter  der  Lava 
des  Albanergebirges  zusammen  mit  liöchst  primitiven  Aschen- 
urnen gefunden  worden.  Die  Nadel  entwickelt  sich  entweder 
—  und  dies  scheint  die  ältere  Form  zu  sein  —  ununterbrochen 
aus  dem  in  einen  Draht  auslaufenden  und  mehrfach  um- 
gewickelten Bügel,  sodass  sie  wie  eine  elastische  Feder  wirkt, 
oder  sie  ist  besonders  eingesetzt  und  herausnehmbar.  Die  im 
Folgenden  aufgeführten  Exemplare  sind  theils  römisch,  theils 
etruscisch  und  sich  untereinander  so  ähnlich,  dass  durchgehende 
Unterschiede  nicht  aufgestellt  werden  können.  Nur  in  n.  259 
tritt  ganz  specifisch  etruscischer  Geschmack  hervor.  Wohl  zu 
bemerken  sind  einige  grosse,  bestimmt  der  classischen  Welt 
angehörige  Fibeln,  die  man  für  barbarisch  halten  würde,  wenn 
man  niclit  das  Gegentheil  wüsste.  Denn  im  Allgemeinen  zwar 
ist  die  übermässige  Grösse  des  Schmuckes  ein  Zeichen  bar- 
barischen Geschmackes  und  gerade  die  Fibeln,  die  man  auf 
spätrömischen  Denkmälern  abgebildet  sieht  und  aus  deutschen 
Gräbern  des  fünften  und  sechsten  Jahrhunderts  noch  besitzt 
(vgl.  Lindenschmit  in  den  Abbildungen  von  Alterthümern  des 
Mainzer  Museums  1851,  p.  1  if.),  beweisen  das  sehr  deutlich, 
allein  es  gab  in  der  classischen  Zeit  auch  Bauern,  und  der 
Geschmack  der  Bauern  ist  wie  heutigen  Tages,  so  zu  allen 
Zeiten,  verschieden  von  dem  der  Gebildeten. 

A.  Mit  breiterem  Bügel. 

250.  Grosse  btigelförmige  Fibel,  vermuthlich  aus 
Pompeji,  da  sich  das  Siegel  der  neai)olitanisclien  Alterthümer- 
commission  daran  befindet.  Mit  einfachen  linearen  Verzierun- 
gen auf  dem  Bügel,  der  nach  innen  geöffnet  ist.    L,  ß^j^". 

250^'~^-  Drei  desgl.  aus  Pompeji,  durch  Herrn  Ternite 
erworben.    W.  g.  7 — 9.    L.  G^-V  bis  5''. 

251.  Desgl.,  doch  mit  geschlossenem  Bügel.  Aeltere 
Sammlung.  W.  f.  7.  L.  4\V'-  ^^^  linearen  Verzierungen, 
worunter  die. Würfelaugen,  bedeckt 


Die  Fibeln.  99 

251«-   Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.  619.    L.  5". 
25ib-e.  Yüni  desgl.,  ohne  Nadel. 

252.  Desgl.,  aus  Pompeji,  durcli  Ternite  erworben. 
I^.  472''»  Ani  Bügel  links  und  rechts  eine  knopfartige  Ver- 
zierung. 

252*-^-  Drei  desgl.  Ebendaher.  W.  g.  5.  6.  12.  L.  von 

2^8  bis  2«/8". 

253.  Desgl.  Ebendaher.  Aus  dem  Nachlass  von  Prof. 
Rösel  1844  erworben.  2771.    L.  VjJ'. 

254.  Desgl.,  durch  Ternite  in  Italien  erworben.  W.g.  2*- 
L  2V/'. 

255.  Desgl.,  bei  Cleve  gefunden.  Sammlung  Minutoli. 
W.  f.  4.    L.  2". 

25G.  Desgl.    Sammlung  Minutoli.    L.  l^/g".    W.  f.  6. 

257.  Desgl.  Koller\sche  Sammlung.  620.    L.  2^8". 

257*-  Desgl.,  etwas  fragmentirt.  Aeltere  Sammlung. 
"W'.  m.  X.  44. 

257^-^-  Drei  desgl.    L.  von  3"  bis  3^4". 

257«-   Desgl.,  die  Nadel  fehlt. 

258.  Desgl.,  mit  elgenthümlicher  Vorrichtung  zur  Be- 
festigung der  Nadel,  es  ist  nämlich  ein  Schieber  vorlianden, 
der  die  Nadel  vor'm  Heraussi)ringen  schützte.    L.  3%". 

259.  Desgl.,  ein  für  etruscische  Industrie  sehr  charak- 
teristisches Stück.  Der  Bügel  ist  nämlich  mit  drei  (ursprüng- 
lich vier)  kleinen  Enten  verziert,  die  sofort  die  analogen  Ver- 
zierungen der  etruscischen  Candelaber  oder  Thymiaterien  ins 
Gedächtniss  rufen.    Aus  Gerhardts  Nachlass   1869  erworben. 

199.  L.  i»;/'- 

259^-  Desgl.,  nicht  so  gut  erhalten.  Die  Nadel  fehlt 
und  zwei  Enten. 


7* 


ä 


100  ^ie  Fibeln. 

260—262.  Drei  desgl.  Gerhardts  Nachlass.  L.  2'^ 
36.  64.  92. 

263.  Desgl.,  aus  Gerhard's  Nachlass.  34.  Diese  Fibel 
hat,  was  sehr  selten  ist,  einen  Stempel,  wahrscheinlich  eine 
Fabrikmarke.    Man  Uest  AV.  CISSA.    L.  2V4". 

264.  Desgl.,  von  Eisen,  stark  verrostet.  Gerhardts  Nach- 
lass. 46.    L.  l'/g^'. 

Ein  Stück  des  Gewandes  ist  an  der  Fibel  hängen  ge- 
blieben. Die  Spitze  am  unteren  Ende  hatte  eine  knöcherne 
Umhüllung,  wie  man  aus  vollständig  erhaltenen  Exemplaren^ 
dergleichen  sich  z.  B.  im  Museum  von  Neapel  finden,  schliessen 
kann. 

265.  Desgl.,  aus  Italien  durch  Ternite  erworben.  W.k.  51^ 
L.  2'/8". 

Der  Bügel  ist  mit  Knochen  bekleidet. 

266.  267.  Zwei  desgl.,  versilbert,  bei  Cleve  gefunden. 
Sammlung  Minutoli.    W.  i.  3.  4.    L.  2"  und  1%". 

268 — 269.  Zwei  desgl.,  ein  Paar  bildend,  mit  feinen 
Verzierungen.    L.  2"  und  l'/s"» 

270 — 275.  Sechs  desgl.,  alle  mit  Knöpfen  am  Bügel 
versehen.    L.  von  478^  l^is  IV2"  ^^^S* 

275*-   Desgl.,  etwas  abweichend.    L.  3^/^".. 

276.  277.  Zwei  desgl.,  die  ein  Paar  gebildet  haben 
könnten.    L.  l'/g". 

278.  279.  Zwei  desgl.,  mit  Würfelaugen  verziert.  L.2'* 
und  IV4". 

280.  281.  Zwei  desgl.,  mit  linearen  Verzierungen. 
L.  iVs"  nnd  28/4". 

282.  Desgl.  Statt  der  Röhre,  in  welche  sonst  die  Nadel 
hineingebogen  wird,  ist  hier  eine  runde  Platte  am  Bügel  befestigt, 
die  einen  für  die  Nadel  bestimmten  Einschnitt  hat.  L.  2^/4". 

283.284.  Zwei  desgl.,  einander  ähnlich.  Aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.    D.  77.  78.    L.  2V2"  und  2^lj'. 


Die  Fibeln.  101 

285.  286.  Zwei  desgL>  fein  verziert;  einander  ähnlich. 
L.  iVs''. 

287.  288.  Zwei  desgl.,  einander  ähnlich.  Beide  hatten 
zierende  Anhängsel,  wie  man  aus  den  Löchern  am  unteren 
Ende  sieht.    L.  l^g"  und  l'/g". 

289.  290.  Zwei  desgl.,  versilbert.    L.  2"  und  2^8"- 

290**  Desgl.,  ohne  Versilberung.    L.  V/^". 

291.  292.   Zwei  desgl.,  fein  verziert.    L.  2"  und  IV2". 

293—295.  Drei  desgl. 

296.  296*-  Zwei  desgl.,  einander  ähnlich. 

297.  Desgl.,  abweichend. 

298.  299.  Zwei  desgl.,  mit  schildförmigem  Bügel,  der 
an  der  einen  mit  punktirten  Verzierungen  bedeckt  ist.     2" 

und  IV2". 

299*- ^-  Zwei  desgl.,  weit  grösser,  die  erste  aus  dem 
Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  1846  erworben  (2859), 
die  zweite  bei  Cleve  gefunden  und  aus  der  Sammlung  Minu- 
toli.  W.  e.  1.  Letztere  war  versilbert.  Man  sagt  gewöhnlich, 
dass  diese  grossen,  schildförmigen  Fibeln  zur  Befestigung  von 
Soldatenmänteln  gedient  hätten  (Fiedler,  Houben's  Antiquarium, 
p.  57),  aber  ohne  Beweis.    L.  4V4"  und  31/2". 

B.  Mit  schmalem,  drahtartigem  Bügel. 

300.  Grosse  Fibel  mit  seltsam  gewundenem  Bügel. 
Koller'sche  Sammlung.  617.    L.  6^/4". 

301.  Desgl.,  ähnlich,  mit  dickem  Knopf.  Sammlung 
Bartholdy.  D.  71,  früher  bei  Senator  Martini  in  Florenz. 
L.  5". 

« 

302.  Desgl.,  ähnlich.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869.  29. 
L.  58/4". 

303.  304.  Zwei  desgl.,  ähnlich.    L.  45/3"  und  31/2". 


102  Die  Fibeln. 

304*- ^-    Zwei  desgl.,  ähnlich.    L.  5"  und  8^2'^. 

305.  Desgl.,  noch  wunderlicher  gebogen.     Koller'sche 
Sammlung.  621.    L.  3V4". 

305**  Desgl.,  ähnlich,  etwas  fragmentirt. 

306.  307.  Zwei  desgl.,  ein  Paar  bildend,  mit  Knöpfen 
am  Bügel.    Gerhardts  Nachlass.  3I.  33.  L.  4:^'^". 

308.  309.   Zwei  desgl.,  ganz  ähnlich,  auch  ein  Paar 
bildend.    L.  378^'  und  3". 

310.  Desgl.,   ganz   ähnlich.     Gerhard's    Nachlass.    32. 
L.  3\/2". 

310*-  Desgl.,  ganz  ähnlich.    Fragment. 

311.  Desgl.,  ähnlich.    L.  2^IJ'. 

311*-  Desgl.,  ähnlich,  beiCleve  gefunden,  aus  der  Samm- 
lung Minutoli.    W.  1.  25.    L.  3^1^". 

311^-    Desgl.,  ähnlich,   aus   der  Sammlung  Bartholdy. 
B.  79.    L.  31/4''. 

311°-  Desgl.,  ähnlich,  durch  Ternite  erworben.  W. k.  50. 
L.  3«/8". 

311^-   Desgl.,  einfach  bogenförmig.    Sammlung  Koller. 
618.  L.  5V2". 

311®*  Desgl.,  aus  Pompeji.   Mit  dem  Nachlass  des  Prof. 
Rösel  1844  erworben.  2772.    L.  2^1^". 

311^-   Desgl.    L.  31/4". 

312 — 315.  Vier  desgl.,  am  Rhein  gefunden,  1846  ge- 
kauft. 2098— 2098«-   L.  2^1^"  bis  2V4". 

316.  Desgl.,   1846  von  einem  Hrn.  Meyer  angekauft. 
2886.    L.  l'/s". 

317.  Desgl.,    1854  von   Prof.  aus'm  Weerth  gekauft. 
3087.    L.  IV4". 


Die  Fibeb.  103 

318.  Desgl.,  besonders  interessant,  weil  der  Bügel  unten 
in  einen  Thierkopf  ausläuft  und  oben  in  einen  Ring,  an  dem 
ein  Anhängsel  hängt.  Es  war  nämlich  nicht  selten,  an  den 
Fibeln  noch  allerhand  zierende  Anhängsel  zu  tragen,  wie  man 
am  besten  in  der  Sammlung  des  Prinzen  Sayn- Wittgenstein 
beobachten  kann.    Die  Nadel  ist  von  Eisen.    L.  178''- 

319 — 325.  Sieben  desgl.,  einfach  und  gewöhnlich,  aus 
der  Sammlung  Minutoli.   L.  l»/^"  bis  2". 

326.  Desgl.,  Gerhardts  Nachlass.  35.    L.  2^1^". 

327.  Desgl.,  mit  wunderlich  gekrtinuntem  Bügel.  L.  2Vg" 

328 — 336.  Neun  de  Sgl.,  von  gewöhnlicher  Form.  L.  l^/g" 

bis  2V2". 

336**  ^-  Zwei  desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Kriegs- 
ministers V.  Rauch  1841  erworben.  2643.  2644.  L,  l^jo"  und 
336^-   2^V'  lang. 

336^-  Desgl.,  durch  Ternite  in  Italien  erworben.  W.  k.  52. 
L.  3''. 

336^-  Desgl.,  bei  Cleve  gefunden,  aus  der  Sammlung 
Minutoli.    W.  l.  19.    L.  2V4". 

336«-^-    Sechs  desgl.    L.  von  S^g"  bis  S^j^'^ 

33ßi-in.  Zwei  desgl.,  von  etwas  abweichender  Form. 
L.  4»  4"  und  336°^  L.  2V2". 

336°-  Bündel  von  sieben  Fibeln.  1846  gekauft.  2909. 

•  

336^-  Desgl.,  ein  Bündel  von  fünf,  aus  dem  Nachlass 
des  Obristlieutenants  Schmidt  1846  gekauft,  2860. 

336P-  Fibel  bei  Cleve  gefunden.  W.  k.  45.  Der  Me- 
chanismus dieser  Fibel  ist  uns  unklar.  Die  Nadel  entwickelt 
sich  aus  der  Mitte  einer  Spirale,  deren  Enden  einen  flachen 
Bogen  bilden,  den  die  Nadel  senkrecht  durchschneidet.  Wo 
sie  ihren  Halt  hatte,  wissen  wir  nicht. 

336^-  Desgl.,  ganz  übereinstimmend.    Die  Nadel  fehlt. 


104  I^ie  Fibeln. 


C.  Bügeiförmige  Fibeln  aus  spätrömischer  Zeit. 

Die  im  Folgenden  aufgeführten  Fibeln,  deren  Charakte- 
ristisches in  der  Kreuzform  und  den  Knöpfen  an  den  drei 
Ecken  liegt,  gehören  nicht  mehr  der  classischen  Zeit  an ;  man 
möchte  das  schon  aus  ihrer  plumpen  Form  folgern.  Zu  welcher 
Zeit  sie  üblich  waren,  zeigt  ein  Diptychon  aus  dem  Ende  des 
vierten  oder  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts,  auf  dem  sie  vor- 
kommen und  in  dieselbe  Zeit  führt  ein  Fund  von  Münzen,  mit 
welchen  eine  solche  Fibel  zusammen  gefunden  wurde.  Noch 
früher  aber  fällt  eine  aus  Arezzo  stammende  Fibel  Maximinians, 
deren  Zeit  durch  die  Inschrift  feststeht. 

Vgl,  die  hübschen  Aufsätze  von  A.   de  Longperier    in  der  Revue 
archeol.  XIV,  p.  103  und  von  Gamurrini  im  bull.  68,  p.  25. 

337.  338.  Zwei  Fibeln,  bei  Cöln  gefunden.    Sammlung 
Minutoli.    W.  h.  1.  14.    L.  31/2''  «nd  2^^". 
Erstere  war  vergoldet. 

339—344.  Sechs  dergl.  L.  3V8"  bis  2^/2 "•  Aeltere 
Sammlung.    W.  h.  3.  7.  8.  11.  13.  16. 

Die  Nadel  fehlt  bei  allen.  Zwei  davon  haben  Vergoldung. 
Eine  der  letzteren,  die  zwar  in  der  Form  plumper  als  alle  ist, 
hat  feine  eingelegte  Ornamente. 

345 — 348.  Vier  desgl.,  die  erste  vergoldet.  L.  S^jJ' 
bis  3". 

349.  Desgl.,  mit  einer  besonderen  Vorrichtung  zumFest- 
halten  der  Nadel.  Die  Nadel  befindet  sich  nämlich  in  einem 
cylinderförmigen  Schieber,  der  vermittelst  eines  Knopfes  an 
seinem  unteren  Ende  auf-  und  niedergeschoben  werden  kann. 
L.  2%''. 

350.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Bartholdy.  D.  76. 
L.  2^/8". 

351.  Desgl.  Sammlung  Böcking.  481.  Aus  Herappel 
bei  Trier.   L.  3V8". 

351»-   DesgL    Aeltere  Sammlung.   W,  h.  12.   L.  272"- 
351^-    Desgl.,   aus  dem  Nachlass   des  Kriegsministers 


Die  Fibeln.  105 

von  Rauch  1841  erworben.  In  zwei  Stücke  gebrochen.  2645. 
2647. 

D.  Fibeln  mit  Spiralen. 

Die  mit  Spiralen  verzierten  Fibeln  sind  ein  Schmuck 
der  Römer  und  Etrusker  gewesen,  selbst  die  grossen,  die 
auf  den  ersten  Blick  ganz  barbarisch  scheinen.  Denn  man 
findet  sie  sowohl  in  Pompeji,  wie  in  Corneto,  und  was  man 
im  Norden  findet,  ist  vermuthlich  eben  durch  die  Etrusker 
importirt.  Wahrscheinlich  waren  sie  nur  eine  Tracht  des 
niederen  Volkes,  das  überall  im  Schmuck  das  Grosse  und 
Schwere  liebt,  es  ist  übrigens  auffallend,  dass  sie  auf  bild- 
lichen Darstellungen,  soviel  wir  wissen,  nicht  vorkommen. 
Gewiss  wurden  sie  als  Brustnadeln  getragen. 

352.  Grosse  Fibel  mit  vier  Spiralen,  von  denen 
zwei  fehlen,  vermuthlich  aus  Pompeji  (da  sich  an  dem  Geräth 
das  Siegel  der  neapolitanischen  Alterthumscommission  befindet). 
L.  7%". 

Die  Nadel  ist  ganz  erhalten,  im  Centrum  war  eine  Ver- 
zierung angebracht,  die  nur  zum  Theil  erhalten  ist. 

Vgl.  das  in  Constanz  gefundene  Exemplar  bei  Linden- 
schmit  I,  9,  2,  9,  wo  die  Verzierung  des  Centrums  ganz  er- 
halten ist. 

353.  Desgl.,  mit  zwei  Spiralen,  aus  Corneto.  Dorow'- 
sche  Sammlung.    559.    L.  T^g"« 

354.  Desgl.  Nur  die  5"  lange,  mit  Bommeln  geschmückte 
Nadel  ist  erhalten,  aber  man  sieht  noch  Reste  der  eisernen 
Nägel,  mit  denen  die  Spiralen  befestigt  waren.  Aus  Pompeji, 
durch  den  Maler  Temite  erworben.  P.  z.  9.   L.  5". 

Diese  Nadel  ist  dadurch  sehr  merkwürdig,  dass  an  ihr 
kleine  Bommeln,  13  an  der  Zahl,  aufgereiht  sind.  Es  ist  ein 
Schmuck,  der  auch  an  kleineren  Fibeln  in  einzelnen  Fällen 
sich  erhalten  hat. 

355.  Desgl.,  die  Spiralen  fehlen.  Aus  Gerhard's  Nach- 
lass  1869.  n.  30.   L.  5Vo". 

355*-   Desgl.,  nur  die  Nadel  erhalten.   L.  6". 


106  i>ie  Fibeln. 

356.  Desgl.,  mit  zwei  Spiralen,  aus  Pompeji,  durch  den 
Maler  Ternite.  Die  Nadel  fehlt  und  die  beiden  Spiralen  sind 
auseinandergebrochen,   Y.  2.   L.  3%". 

357.  Desgl.,  ganz  erhalten,  aus  Pompeji.  Aus  dem 
Röserschen  Nachlass  1844  erworben.    2773.   L.  öV^". 

358.  Desgl.,  die  Nadel  fehlt.  Angeblich  aus  Palestrina. 
Von  einem  Herrn  Meyer  1843  erworben.    2721.   L.  3^/4". 

359.  Desgl.,  ganz  erhalten.  An  der  Nadel  hängt  eine 
Kette,  die  gewiss  einen  Bommel  oder  ähnlichen  Zierrath  trug. 
L.  51/4". 

359*-  Eine  einzelne  abgebrochene  Spirale,  aus 
Pompeji,  durch  Ternite  erworben.   Y.  1.   Durchm.  3^/J'. 

359*^-   Desgl.,  auseinandergegangen. 

359^-  Desgl.,  aber  in  der  Mitte  oifen  und  das  schlies- 
sende  Ende  im  Innern  ist  abgeplattet  und  von  einer  Niete 
durchbohrt,  als  sei  hier  eine  die  Mitte  ausfüllende  Verzierung 
angebracht  gewesen. 

359^®-  Zwei  desgl.,  kleiner  und  von  der  gewöhnlichen 
Form. 

Diesen  Fibeln  schliessen  wir  am  passendsten  zwei  Frag- 
mente von  exclusiv  barbarischen  Fibeln  an,  nämlich  von  jenen, 
die  aus  zwei  durch  einen  Bügel  und  die  Nadel  verbundenen 
schildförmigen  Platten  bestehen,  wie  man  sie  bei  Linden- 
schmit,  Alterth.  I,  7,  4  vollständig  erhalten  sehen  Eann. 

359^*  ^'    Zwei  Fragmente  barbarischer  Brustspangen. 


E.  Fibeln  in  Form  von  Thieren  und  anderen  Dingen. 

Auch  diese  Fibeln  sind  nicht  etwa,  wie  man  gemeint 
hat,  fränkischen  Ursprunges,  sie  waren  vielmehr,  wie  Styl 
und  Fundort  beweisen,  bei  Etruskern  und  Römern  in  Ge- 
brauch, sind  aber  allerdings  in  fränkischer  Zeit  imitirt. 

360.  Fibel  in  Form  eines  grasenden  Pferdes. 
Aeltere  Sammlung.   L.  l^/g".   W.  c.  1. 


fek. 


Die  Fibeln.  107 

361.  362.  Zwei  desgl.,  genau  übereinstimmend; bei  Cleve 
gefunden.    Sammlung  Minutoli.   W.  c.  3.   L.  1%". 

363.  364.  Zwei  desgl.,  ganz  übereinstimmend,  in  Form 
eines  Reiters.  Bildeten  wohl  ein  Paar.  Bei  Cleve  gefunden. 
Sammlung  Minutoli.    W.  c.  3.   L.  1^2''» 

365.  366.  Zwei  desgl.,  ganz  übereinstimmend,  in  Form 
von  Täubcheii.  Bildeten  wohl  ein  Paar.  Bei  Cleve  gefunden. 
Sammlung  Minutoli.    W.  c.  3.   L.  l^/g". 

367.  Desgl.,  in  Form  einer  Taube.  Aeltere  Sammlung. 
W.  c.  4.   L.  I^IJ'. 

Abg.  Beger,  thes.  III,  p.  434. 

368.  Desgl.,  in  Form  eines  Pferdes,  ganz  rund  ge- 
gossen.  Aeltere  Sammlung.   W.  c.  2.   L.  l^j.»", 

Abg.  Beger  III,  p.  434. 

368*-  Desgl.,  aber  platt.  Sammlung  Minutoli.  Ziemlich 
verstümmelt. 

369.  Desgl.,  in  Form  einer  Fusssohle.  Aeltere  Samm- 
lung.   W.  c.  8.    L.  1%''. 

370.  Desgl.,  einerseits  mit  einer  Doppelaxt,  anderer- 
seits mit  einer  einfachen  Axt  verziert.  Aeltere  Sammlung. 
W.  c.  7.    L.  1%''. 

370^-  Desgl.,  mit  Doppelaxt  (deren  eine  fehlt)  und 
Amazonenschild  verziert. 

Abg.  Beger  III,  p.  434. 

371.  Desgl.,  in  Form  einer  Axt,  versilbert.  Aeltere 
Sammlung.    W.  c.  6.   L.  IV4". 

372.  Desgl.,  mit  Ranken  verziert.  Aeltere  Sammlung, 
W.  6.  1.   L.  Vj,". 

Abg.  Beger  III,  p.  433. 


108  I^ie  Fibeln. 


F.   Fibeln,  die  mit  Email  oder  Glasmosaik  verziert 

sind  oder  waren. 

Die  hier  aufgeführten  Fibeln  scheinen  sämmtlich  römi- 
schen, wenn  auch  zum  Theil  spätrömischen  Ursprunges  zu  sein. 

373.  374.  Zwei  Fibeln,  die  eine  scheibenförmig,  die 
andere  rautenförmig,  beide  mit  Glasmosaik  verzi|3rt.  Aus  dem 
Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  1846  erworben.  2861^- 

2861.   D.  IV4''.  L.  2V8''. 

Diese  beiden  Fibeln  sind  zusammen  mit  einigen  Bronce- 
münzen  des  Kaisers  Valentinian  gefunden,  womit  ein  Anhalt 
für  ihre  Zeitbestimmung  gegeben  ist. 

375.  Desgl.,  wie  ein  Schild  mit  Buckel  gestaltet  und 
mit  verschiedenfarbigem  Email  gefüllt.  Aeltere  Sammlung. 
W.  a.  1.   D.  2'^ 

Abg.  Beger  HI,  p.  433 

376.  Desgl.,  wie  ein  platter  Knopf  gestaltet,  sternförmig 
verziert  und  emaillirt.   Aeltere  Sammlung.    W.  a.  2.  D.  1^/4". 

Abg.  Beger  III,  p.  433. 

377.  Desgl.,  viereckig,  schnallenförmig,  mit  kreuzweis 
sich  durchschneidenden,  durchbrochenen  Bögen.  Im  Durch- 
schneidungspunkt  war  Emailverzierung.  Aeltere  Sammlung. 
W.  6.  2.   D.  11/4''. 

Abg.  Beger  III,  p.  433. 

378.  Desgl.,  mit  einfachem  eckigen  durchbrochenem 
Bogen.  Jederseits  in  einen  rohen  Thierkopf  auslaufend.  Oben 
mit  Email  verziert.   Aeltere  Sammlung.   W.  6.  3.    L.  l'/s"« 

Abg.  Beger  III,  p.  433. 

379.  Desgl.,  bei  Cleve  gefunden.  Sammlung  Minutoli. 
Das  Email  ist  verschwunden.   W.  d.  5.   L.  l^/g". 

380.  Desgl.,  mit  blauem  und  rothem  Glas  verziert. 
Aeltere  Sammlung.   W.  d.  4.   L.  I^IJ', 

381 — 383.  Drei  desgl.,  in  Form  von  Seethier,  Taube 
und  Pfau,  mit  Glas  oder  Email  verziert.    L.  l^/^"  bis  ^s"* 


Die  Fibeln.  109 

384 — 388.  Fünf  desgl.,  bei  denen  die  Glas- oder  Email- 
verzierung meist  geschwunden  ist.     L.  1^/g"  bis  l^s"« 

389.  Desgl.,  scheibenförmig  mit  Buckeln,  in  der  Mitte 
mit  Glasmosaik  roth  und  weiss  verziert.  In  Cöln  gefunden. 
Aus  dem  Rauch'schen  Nachlass  1841.  2649.  Durchm.  1^4"« 

390—392.  Drei  desgl.,  am  Rhein  gefunden,  1846  an- 
gekauft. 2909  a — c.  An  einer  derselben  hängt  noch  eine 
Glasperle.   L.  IV2  l^is  2". 

Fränkische  Fibel. 

392*-  Schildförmige  Fibel,  die  sichtlich  einen  Mftnz- 
typus  imitirt,  da  sie  auch  auf  der  Rückseite,  wo  die  Nadel 
angebracht  war,  ein  Bild  hat.  Und  zwar  sind  es,  wie  Dr. 
Friedländer  mir  gezeigt  hat,  karolingische  Münzen,  denen  die 
hier  imitirte  Münze  sehr  ähnlich  ist.  Auf  der  Vorderseite 
ist  eine  Figur  mit  einem  Kreuz  in  der  Hand  dargestellt,  von 
einer  Inschrift  umgeben,  auf  der  Rückseite  erkennt  man  nur 
Spuren  eines  rohen  Kopfes.    3093.   In  Cöln  1856  gekauft. 

9)  Brustnadel. 

393.  Brustnadel,  ganz  wie  die  unserigen  gestaltet,  ein 
einfacher  Knopf  mit  sternförmiger  Emailverzierung.  Die  Nadel 
ist  nicht  ganz  erhalten.    Aelt.  Samml.  W.  a.  4.   Durch,  ^/g". 

Barbarische  Gewandnadeln. 

In  dem  merkwürdigen  Grabfelde  von  Hallstadt  hat  man 
auf  der  Brust  von  männlichen  und  weiblichen  Skeletten  lange 
Nadeln  gefunden,  die  unzweifelhaft  zur  Befestigung  des  Ge- 
wandes dienten.  Einige  derselben  haben  die  enorme  Länge 
von  18".  Die  obere  Hälfte  ist  gewöhnlich  mit  kugel-  oder 
scheibenförmigen  Körpern  verziert. 

Diesen  Nadeln  entspricht  die  hier  an  erster  Stelle  aufge- 
führte so  sehr,  dass  wir  sie  unter  dieser  Rubrik  aufführen  zu 
müssen  glaubten. 

Vgl.  V.  Sacken  das  Grabfeld  von  Hallstadt  p.  67.  Taf.  15,  10.  12. 

393*^-  Grosse  Gewandnadel,  mit  kugel-  und  scheiben- 
förmigen Körpern  verziert,  I5V2"  lang.    1852  gekauft.   3044. 


110    Schmuck  au  Halsketten.  —  Bommel  z.  Anhängen  an  Fibeht  etc. 

393**-  Desgl..  mit  einfachem  Knopf.    Diese  Nadel  hatte 
Yermuthlich  denselben  Zweck.    L.  18". 

393 <^-  Desgl.  fragmentirt. 


10)  Schmuck  an  Halsketten. 

394.  Halsschmuck,  blattförmig  gestaltet,  mit  einem 
Fisch  in  Email  verziert.  Vielleicht  christlich,  da  der  Fisch 
ein  bekanntes  Sjmbol  der  alten  Christen  ist.  InCöln  gefunden, 

,von  Prof.  aus'm  Weerth  1854  gekauft.    3083.    L.  l»/^". 
Könnte  übrigens  auch  ein  Olirring  gewesen  sein. 

395.  Desgl.  rautenförmig,  mit  Email  verziert.  Gerhard's 
Nachlass.    231.    L.  2^4". 

396.  Desgl.  ringförmig,  mit  lauter  kleinen,  aufrecht 
stehenden  Cjlindern  verziert,  in  denen  kleine  Glasknöpfe  sind 
oder  waren.  Drei  dieser  Cylinder  fehlen.  Aus  dem  Naclilass 
des  Hrn.  von  Radowitz.    1856  erworben.    320S.    D.  l^/V'. 

397.  Desgl.  herzförmig,  mit  Glasmosaik  fein  verziert. 
Zum  Theil  restaurirt.    L.  2^1  J'. 

337a. b.  7^vei  desgl.,  rund,  mit  Email  verziert;  der  eine 
hat  wie  es  scheint,  seine  Oese  verloren. 

397^-  Kleiner  emaillirter  Knopf,  der  wohl  zu  ähn- 
lichem Zweck  gedient  hat. 


11)  Bommel  zum  Anhängen  an  Fibeln  oder 

Halsketten. 

Man  pflegt  solche  Bommel  als  Kleiderbeschwerer  zu  be- 
trachten, die  man  an  die  Zipfel  der  Kleider  genäht  habe,  um 
dadurch  einen  schönen  Faltenwurf  hervorzubringen.  Es  ist 
sehr  möglich,  dass  diese  Sitte  existirte,  doch  felilt  bis  jetzt  der 
Beweis.  Denn  die  Bommeln,  die  man  an  den  Gewändern  der 
Marmorstatuen  so  oft  dargestellt  sieht,  sind  nicht  als  metallene 
Kugeln,  sondern  als  wollige  Troddeln  oder  Quaste  zu  denken, 
wie  man  an  einer  Statue  des  hiesigen  Museums  (n.  107),  wo 
die  Bommel  detaillirt  ausgeführt  ist,  beobachten  kann.     Wir 


Bommel  zmn  Anhängen  an  Fibeln  oder  Halsketten.  m 

halten  es  daher  für  gerathener,  die  fraglichen  Gegenstände  als 
Anhängsel  an  Fiheln  (vgl.  n.  354)  oder  Halsketten  zu  bezeichnen. 
Unter  den  Anhängseln  an  Halsketten  verdienen  besonders 
hervorgehoben  zu  werden  die  kleinen  einhenkligen  Krüge,  die 
man  nicht  selten  sielit.  Die  Probe,  ob  ein  solches  Krüglein 
nicht  zu  anderen  Zwecken,  etwa  als  Kinderspielzeug,  gedient 
hat,  lässt  sich  dadurch  machen,  dass  man  probirt  ob  es  stehen 
kann.  Die  als  Bommeln  benutzten  Krüge  haben  nämlich  einen 
Fuss,  aber  können  doch  nicht  stehen. 

Vgl.  Braun,  bullrt.  1844  p.  34. 

398.  Bommel,  hohl  und  geöffnet.  Aelt.  Samml.  P.  z.  1. 
L.  1'//'. 

399.  Desgl.,  durchbrochen  und  hohl.  Von  Hrn.  v.  Staif 
erhalten.    Aelt.  Samml.  P.  z.  4.    L.  l^g'/. 

400.  Desgl.  1858  in  Cöln  gekauft.    3269.    L.  2". 

401.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erwor])en. 
113.    L.  1»/^". 

401*-  Desgl.,  ganz  ähnlich. 

402.  403.  Zwei  desgl.    L.  l^s"  bis  iVs"- 

403*- ^-  Zwei  desgl. 

403^-  Anhängsel  in  Form  einer  kleinen  einhenkligen 
massiven  Kanne.  Von  Prof.  Petermann  1856  im  Orient  ange- 
kauft.   3147.    H.  1". 

4Q3d-ii.  Fünf  desgl.,  etwas  grösser,  ebenfalls  massiv. 
An  einer  derselben  ist  die  Patina  verdächtig.  Aus  der  Samml. 
Koller  412.    H.  l'V  bis  2'!^". 

403^-  Anhängsel  in  Form  einer  Hand  wie  an  einem  bei 
Jahn,  Berichte  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  1855  Taf.  5  abge- 
bildeten Halsband. 

403^'-  Desgl.,  1856  von  Prof.  Petermann  aus  dem  Orient 
mitgebracht.    3122. 

403^-  Anhängsel  in  Form  einer  kleinen  Herme.  Der 
Ring  ist  nicht  ganz  erhalten.    Vgl.  Jahn  a.  a.  0. 


112  ^^®  Gürtelschnallen. 


12)  Gürtelschnallen. 

Es  ist  eine  irrthtimliche  Annahme,  dass  der  Gürtel  im 
classischen  Alterthum  nur  zusammengeknotet  und  nicht  ge- 
schnallt worden  sei^).  Allerdings  war  das  Zusammenknoten, 
wie  man  an  den  Denkmälern  sowohl  bei  Männern  wie  bei 
Frauen  sieht,  die  gewöhnliche  Weise,  allein  es  genügt  auf  die 
ganze  Classe  römischer  Soldatengrabsteine  hinzuweisen,  um 
auch  für  den  geschnallten  Gürtel  Belege  zu  haben. 

404 — 408.  Fünf  Gürtelschnallen  in  einfacher  Ring- 
form.   Durchm.  von  274"»  l>is  '/s"- 

409 — 411.  Drei  desgl.,  die  erste  aus  der  alten  SammL 
J.  10.  Breite  von  l^^"  bis  Vj^'.  Diese  drei  Schnallen 
scheinen  fränkisch  zu  sein,  die  Form  und  die  Art  des  Schlusses 
sind  wenigstens  ganz  dieselben  wie  an  den  Schnallen  aus  dem 
Grabe  Childerichs.  Eine  derselben  ist  mit  den  bekannten 
Würfelaugen  verziert,  an  einer  anderen  läuft  die  Zunge  in 
einen  Thierkopf  aus. 

Vgl.  Cochet,  Le  tombeau  de  Childeric  p.  233  ff. 

412.  413.  Zwei  desgl.  von  etwas  anderer  Form.  Breite 
von  11/4"  his  IV2''. 

414 — 417.  Vier  desgl.,  mit  einer  Verlängerung  zum 
Aufnähen  auf  einen  anderen  Stoff. 

Diese  vier  Exemplare  scheinen  ebenfalls  fränkisch  zu  sein^ 

theils  wegen  der  Form  der  Schnalle  und  Zunge,  theils  wegen 

der  Verzierungen  die  wenigstens  an  zweien  an  die  fränkische 

Ornamentik  erinnern.    Auf  der  dritten  ist  ein  unbestimmbares 

vierfüssiges  Thier  roh  eingegraben.    L.  von  1^'  ^^s  2'/8"« 

'-% 
'^--     418 — 420.  Drei  desgl.  von  anderer  Form.  Sie  scheinen 

römisch  zu  sein  und  stimmen  mit  den  von  Lindenschmit  U,  6, 5 

publicirtön  ziemlich  überein. 

-  420*-   Fragment  einer  Schnalle,  aus  dem  Nachlass 
des  Kriegsministers  von  Rauch  1841  erworben.    2650. 

420^-  Kleine  Schnalle,  ganz  erhalten. 


^ 


')  Cochet,  Le  tombeau  de  Childeric  p.  265. 


Die  Gürtelketten.  113 


13)  Gürtelkette. 

Vom  Gürtel  zierende  Ketten  herabhängen  zu  lassen,  war 
bei  nicht  wenigen  Völkern  üblich.  Selbst  die  Römer  kennen 
sie  wenigstens  in  der  Soldatentracht,  wovon  unten  näher  die 
Rede  sein  wird.  Vorwiegend  ist  es  freilich  wohl  Barbarensitte, 
wie  die  Gräber  der  Barbaren  beweisen.  Doch  findet  man  sie 
auch  in  etruscischen  Gräbern,  falls  nämlich  das  hier  aufge- 
führte Exemplar  wirklich  den  Zweck  hatte,  den  wir  ihm  zu- 
schreiben. 

420*-  Grosser  Gürtelschmuck,  14"  lang  aus  Schnör- 
keln von  Broncedraht  bestehend,  die  jederseits  in  Spiralen  aus- 
laufen. Das  Gehänge  zerfällt  in  eine  obere  Abtheilung  von 
sechs  grösseren  und  in  eine  untere  von  achtzehn  kleineren 
Spiralen.  Der  etruscische  Ursprung  dieses  Schmucks  wird  dar 
durch  wahrscheinlich  gemacht,  dass  ein  genau  übereinstim- 
mendes, jetzt  in  Carlsruhe  befindliches  Exemplar  wirklich  in 
einem  etruscischen  Grabe  gefunden  ist. 

Vgl.  Lindenschmit  Alterth.  II,  11,  1,  1,  wo  das  Exemplar  in  Carls- 
nihe  abgebildet  ist. 

Im  Folgenden  führen  wir  einige  eigenthümlich  gestaltete 
Ringe  auf,  die  gewöhnlich  zum  Pferdeschmuck  gerechnet  wur- 
den, neuerdings  aber  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  so  erklärt 
sind,  dass  sie  dazu  gedient  hätten,  kleine  nothwendige  Uten- 
silien, Messer  etc.  aufzunehmen  und  sie  mit  dem  Gürtel,  an  dem 
man  sie  getragen,  zu  verbinden.  Diese  Annahme  stützt  sich 
hauptsächlich  auf  die  Praxis  einiger  nordischen  Völker,  die 
sich  noch  jetzt  dieser  Ringe  zu  dem  genannten  Zweck  bedienen. 
Die  Ringe  werden  vorwiegend  diesseits  der  Alpen  gefunden, 
sie  sind  indessen  auch  in  etruscischen  Fundstätten  zum  Vor- 
schein gekommen. 

Die  im  Text  befolgte  Annahme  ist  von  H.  de  Longp^rier 
aufgestellt  in  der  Revue  archöol.  N.  S.  XVI.  p.  343  ff.  337  ff., 
der  auch  eine  Classifikation  derselben  versucht. 

420^-^-  Zwei  Ringe  vom  Gürtelgehänge,  1844  aus 
dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  erworben.  Sie  sind  so  ziemlich 
von  der  Form,  die  in  der  R^vue  archeol.  a.  a.  0.  pl.  25,  10 
abgebildet  ist.    Bei  dem  kleineren  könnte  man  an  der  voraus- 

Friederichs,  Berlin*«  Antike  Bildwerke  II.  g 


114  Die  Fingerringe. 

gesetzten  Bestimmung  zweifeln,  weil  die  einzelnen  Parallelringe 
einander  so  nahe  und  eine  Befestigung  des  Gürtels  zwischen 
sich  schwer  zulassen.    Durchm.  b:!^/^"  —  c:2^lg", 

420^-  Desgl.  in  Form  eines  Rades,  oben  mit  einer  breiten 
Oese  zum  Anheften  versehen.  Aus  der  Sammlung  Koller  647. 
Durchm.  3V4". 

Dieser  Ring  entspricht  dem  in  derßövuea.  a.  O.pl.  25, 17 
abgebildeten. 

420®-  Desgl.  in  Form  eines  achtspeichigen  Rades,  ohne 
Oese  zum  Anheften.  Aus  der  Samml.  Koller  649.  Durchm.  8^4". 

Vgl.  Longperier  a.  a.  0.  p.  355. 

14)  Fingerringe. 

Ueber  die  Ringe  im  Allgemeinen  können  wir  erst  in  dem 
Bande  dieses  Werks,  der  den  Gemmen  gewidmet  wird,  sprechen 
und  über  die  Bronceringe  wissen  wir  wenig  zu  sagen.  Sie 
sind  im  Ganzen  eine  wenig  bedeutende  und  interessante  Classe 
von  Alterthtimern.  Es  lässt  sich  in  diesem  Material  nicht  viel 
Jiünstlerisch  Bedeutendes  erwarten  und  andererseits  fehlt  auch 
den  broncenen  Ringen  das  culturhistorische  Interesse,  das  der 
eiserne  Ring  wenigstens  in  Rom  hatte.  Es  scheint,  dass  sie 
hauptsächlich  für  den  Gebrauch  ärmerer  Leute  fabricirt  wurden 
und  auch  erst  spät  in  allgemeineren  Gebrauch  kamen.  Soviel 
ich  wenigstens  beobachtet  habe,  sind  Bronceringe  älteren  Stils 
sehr  selten. 

Hinsichtlich  der  Form  des  Ringes  kann  noch  darauf  auf- 
merksam gemacht  werden,  dass  in  spätrömischer  Zeit  die  un- 
schöne eckige  Form  aufkommt,  statt  der  bis  dahin  allein 
üblichen  runden. 

421.  422.  Zwei  ganz  einfache  Fingerringe,  bei 
Xanten  gefunden,  1854  von  Prof.  aus'm  Weerth  gekauft.  3086  *-^- 

423.  Desgl.  Gerhardts  Nachlass.  115. 

424—430.  Sieben  desgl. 

I  j  431.  DesgL  (?)  mit  einem  Schloss,  in  Form  eines  umge- 
legten Bandes.  Bei  Xanten  gefunden,  1854  von  Prof.  aus'm 
Weerth  gekauft.    3086. 


k 


Die  Fingerringe.  115 

Wir  sind  nicht  sicher^  ob  dieser  und  der  folgende  Ring 
wirklich  Fingerringe  gewesen  sind. 

432*  Desgl.,  war  ursprünglich  wohl  in  derselben  Weise 
arrangirt.    Jetzt  fehlt  das  Schloss. 

433 — 435.  Drei  desgl.,  mit  zwei  in  einander  gelegten 
Händen  verziert,  dem  Symbol  der  Eintracht,  das  auch  auf 
geschnittenen  Steinen  häufig  vorkommt,  n.  435  stammt  aus 
Gerhard's  Nachlass.    116. 

436—439.  Vier  desgL  mit  Zahlen  beschrieben,  YIUI, 
XXXIV,  XL  VI,  LXIV.  Auf  letzterem  ist  ausserdem  links  von 
der  Zahl  ein  M  und  rechts  davon  ein  Y  eingegraben.  Aus  Ger- 
hard's Nachlass  118.  117.  120.  119. 

Diese  sehr  häufig  vorkommenden  Ringe  hatten  vermuth- 
lich  irgend  eine  officielle  Bedeutung^). 

440—442.  Drei  desgl.  mit  V,  XXVI (?)  und  VIII.  Auf 
dem  letzten  ist  links  von  der  Zahl  ein  Pfeil,  rechts  ein  undeut- 
licher Gegenstand  eingegraben,  auf  dem  ersten  bemerkt  man 
rechts  von  der  Zahl  einen  Donnerkeil. 

443.  Desgl.  mit  einer  quergestellten  X,  Geschenk  des 
Hm.  V.  Olfers. 

444.  Desgl.  mit  einer  Glaspaste  verziert,  die  einen  Frosch 
vorstellt  und  skarabäenartig  durchbohrt  ist.  Der  Frosch  dient 
als  Amulet,  wie  man  auch  noch  heutigen  Tages  an  manchen 
Orten  an  Zauberkräfte  der  Frösche  glaubt. 

Vgl.  0.  Jahn,  Ueber  den  Aberglauben  des  bösen  Blicks  p.  99. 

445.  446.  Zwei  desgl.  in  Form  von  Schlangen,  welche 


1)  Nach  Vopisc.  Aurel.  cap.  7  trugen  die  Soldaten  einen  Finger- 
ring; es  wäre  möglich^  dass  sie  so  ausgesehen  hätten,  wie  die  hier 
aufgeführten.  Nur  ist  dabei  bedenklich,  was  schon  im  bullet.  1844 
p.  131  bemerkt  wurde,  dass  so  viele  enge  nur  für  Frauen  oder  Kinder 
oder  für  die  vorderen  Glieder  der  Finger  bestimmte  Ringe  mit  diesen 
Zeichen  vorkommen.  Nicht  zu  übersehen  ist  auch,  dass  römische  Zahl- 
zeichen auf  vielen  Geräthen  z.  B.  auf  Nägeln  ohne  irgend  eine  Bedeu- 
tung bloss  als  lineares  Ornament  vorkommen  (vgl.  unten  den  Abschnitt 
über  die  Nägel  und  Gozzadini  di  un  antica  necropoli  a  Marzabotto  1865 
p.  62),  allein  hier  scheint  der  Fall  doch  anders  zu  sein. 

8*' 


116         •  Die  Fingerringe. 

auch  die  Bedeutung  eines  Amulets  hatten.    Gerhard's  Nach- 
lass.    122.  123. 

Vgl.  Jahn  a.  a,  0. 

447.  Desgl.,  in  zwei  wie  Schlangenköpfe  gestaltete  Spitzen 
auslaufend.    Am  Rhein  gefunden,  1846  gekauft.    2912^ 

448.  449.  Zwei  desgl.,  mit  einer  knopfförmigen  Glas- 
paste verziert. 

450.  Desgl.,  mit  eingravirtem  Anker,  dem  altchristlichen 
Symbol,  daher  vielleicht  christlich. 

451.  Desgl.  mit  eingravirtem  Yogel. 

452.  Desgl.  mit  einem  Hirsch. 

453.  Desgl,  mit  einem  Löwen. 

454.  Desgl.  mit  Amor  auf  einem  Seepferd.    Gerhardts 
Nachlass.    126. 

455.  Desgl.  mit  Seepferd.    Gerhard's  Nachlass.    127. 

456.  Desgl.  mit  zwei  ganz  rohen  Figuren,  deren  eine, 
wie  es  scheint,  eine  Waage  hält.    Gerhard's  Nachlass.    131. 

457.  Desgl.  mit  zwei  nicht  näher  erkennbaren  Figuren. 
Ebendaher.    125. 

458.  Desgl.  mit  einem  Kopf  verziert,  der  wie  ein  byzan- 
tinischer Christuskopf  aussieht,  und  doch  wohl  einen  Serapis 
vorstellen  soll,  da  er  einen  Modius  trägt.  Gerhard's  Nach- 
lass.   128. 

469.  Desgl.  mit  einer  Figur  verziert,  deren  Handlung 
und  Attribute  nicht  deutlich  sind.    Ebendaher.     124. 

459*-  Desgl.,  darauf,  wie  es  scheint,  eine  Frau,  die 
einen  Kranz  hält,  fragmentirt.  Von  Prof.  Petermann  1856  im 
Orient  gekauft    3116.) 

460.  Desgl.  mit  undeutlicher  Verzierung.  Ebendaher.  130. 


Die  Fingerringe.  H7 

461.  Desgl.  ohneSchloss,  der  Reif  selbst  mit  Hirsch  und 
Blume  abwechselnd  verziert.    Ebendaher.     129, 

462.  463.  Zwei  desgl.  mit  undeutlichen  Figuren. 

463*-  Ein  Kästchen  mit  8  Ringen,  von  denen  7  frag- 
mentirt  und  mit  undeutlichen  oder  werthlosen  Zeichen  versehen 
sind,  während  der  achte  grösste  eine  wenigstens  zum  Theil  er- 
kennbare räthselhafte  Vorstellung  enthält.  Man  glaubt  näm- 
lich einen  dreiköpfigen  Vogel  zu  erkennen.  Von  Prof.  Peter- 
mann 1856  aus  dem  Orient  mitgebracht.  3112.  3113.  3115. 
3120.  3121.  3191. 

464.  Desgl.  aus  Athen,  mit  Punkten  und  undeutlichen 
Zeichen  verziert.    Aus  dem  Nachlass  von  Prof.  Ross.    3426. 

464*-  Desgl.,  man  erkennt  einen  Wagenlenker.  Eben- 
<daher.    3430. 

465 — 467.  Drei  desgl.,  mit  undeutlichen  oder  nichts 
bedeutenden  Zeichen  versehen. 

467*-'  Desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844 
erworben.    2752. 

468 — 470.  Drei  desgl.,  ohne  Verzierung  auf  dem  Schloss. 

470»-  Desgl.  1846  am  Rhein  gekauft.     2912. 

471.  Desgl.  von  eigenthümlicher  Form,  mit  sehrtreiter, 
einfach  verzierter  Platte.  Scheint  barbarischen  Ursprungs. 
1852  von  einem  hiesigen  Kunsthändler  gekauft     3055. 

Vgl.  den  ebenso  gestalteten  sicher  barbarischen  Ring  bei  Linden- 
•«chmit  I,  11,  8,  10»- 

472.  Desgl.  mit  einem Nikkolo  verziert,  in  den  eine  un- 
deutliche Figur  eingesclmitten  ist. 

473.  Desgl.  mit  Bernstein  verziert. 

474.  475.  Zwei  desgl.  deren  Stein  oder  Glas  herausge- 
fallen ist. 

475*-  Ein  Bündel  von  elf  werthlosen  Ringen. 

476.  Desgl.  mit  altlateinischer  Inschrift  und  alterthüm- 
licher,  einem  Stempel  ähnlicher  Form,  die  an  den  altetruscischeu 


118  Die  Fingerringe. 

in  Gold  gravirten  Bingen  gewöhnlich  ist.  Die  Inschrift  lautet: 
Manlio  Liber.  Opuergi.     Samml.  Bartholdy  D.  a.  68. 

Henzen,  dem  ich  den  Ring  zeigte,  erklärte  die  Inschrift  unter  Zu- 
stimmnng  Mommsen's  für  falsch,  indem  er  auf  das  umgekehrte  N  und 
B,  dann  auf  das  ganz  geschlossene  P  bei  sonst  so  alter  Schrift  auf- 
merksam macht.  Ich  erkenne  dies  vollkommen  an,  muss  aber  anderer- 
seits bemerken,  dass  aus  dem  äusseren  Ansehen  des  Ringes  nicht  daa 
geringste  Indicium  einer  Fälschung  abzuleiten  ist,  dass  er  im  Gegen- 
theil,  sowohl  wegen  seiner  ganz  singulären  Form,  als  auch  im  Uebrigeo 
entschieden  den  Eindruck  der  Aechtheit  macht. 

476*  Sechs  werthlose  Ringe  von  Eisen  in  einem 
Bündel. 

476**-  Ein  Kasten  mit  Bleiringen,  darunter  10  gut 
erhalten,  die  anderen  fragmentirt. 

Wir  hätten  diese  Ringe  vielleicht  richtiger  unter  der 
Rubrik  der  Grabesausstattung  aufführen  sollen,  denn  in  prak- 
tischem Gebrauch  sind  sie  schwerlich  gewesen.  Es  waren 
sicherlich  Todtenringe,  also  Scheinringe,  wie  man  gerade  das 
Blei  zu  solchen  Scheingeräthen  vorzugsweise  gebrauchte,  wovon 
unten  noch  näher  die  Rede  sein  wird.  Mit  dieser  Annahme 
stimmt  auch,  dass  die  Verzierung  des  Schlosses  bei  fast  allen 
dieselbe  ist.  Es  sind  nämlich  zwei  sich  kreuzende  und  an 
beiden  Enden  belaubte  Zweige. 

476^-  Fingerring  von  Bronce  aus  altchristlicher  Zeit,, 
mit  der  Inschrift :  I.  H.  S.  d.  h.  in  hoc  signo  seil,  vinces.  üeber 
dem  Querstrich  des  H  erhebt  sich  das  Signum,  nämlich  das 
Kreuz,  und  unter  dem  H  bemerkt  man  das  bekannte  altchrist- 
liche Symbol  des  Ankers.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben.    132. 

476^-  Broncemedaillon  in  silberner  Ringfassung^ 
freilich  sehr  unpraktisch,  um  als  Ring  getragen  zu  werden. 
Auf  beiden  Seiten  desselben  eingegrabene  Figuren,  welche  das 
Geräth  als  Schmuckgegenstand  charakterisiren.  Einerseits 
Venus  halbnackt,  sich  im  Spiegel  betrachtend,  und  neben  ihr 
Amor,  ein  Gewinde  emporhaltend,  mit  dem  er  sie  schmücken 
möchte;  im  Felde  ein  Candelaber  und  ein  zweites  Gewinde. 
Andererseits  die  drei  Grazien  in  der  gewöhnlichen  Zusammen- 
stellung, mit  Blumen  in  den  Händen.  Im  Feld  jederseits  eine 
Fackel.    Die  Arbeit  ist  roh  und  spät. 


Die  Armringe.  119 


15)  Armringe. 

Das  Armband  war  als  Männertracht  bei  Griechen  und 
Kömern  zwar  nicht  unbekannt,  aber  doch  nicht  geachtet.  Ein 
Trimalchio  schmückt  sich  damit,  nicht  aber  ein  anständiger 
Kömer.  Damit  ist  indessen  nur  die  Sitte,  der  gebildeten  Classen 
bezeichnet,  das  Landvolk  konnte  sehr  wohl  davon  abweichen. 
Auch  das  Militär  scheint  eine  Ausnahme  gemacht  zu  haben, 
bei  dem  das  Armband  theils  als  militärische  Auszeichnung, 
theils  als  ein  Stück  des  militärischen  Costüms  aufgeführt  wird  ^). 
Auf  den  Grabsteinen  römischer  Krieger  kommt  ein  Armband 
nicht  selten  vor  2). 

Auf  griechischen  Denkmälern  begegnet  man  vereinzelt 
jungen  Männern  mit  Armbändern,  aber  es  mögen  eher  Stutzer 
als  anständige  Leute  gemeint  sein.  Anders  dagegen  bei  den 
Barbaren.  Der  Unterschied,  den  gebildete  Völker  zwischen 
den  Geschlechtem  machen,  indem  sie  eigentlich  nur  dem  Weibe 
den  Schmuck  gestatten,  existirt  für  die  Barbaren  nicht.  Bei 
ihnen  schmückt  sich  Mann  und  Frau.  Ohrringe  z.  B.  trug  kein 
ordentlicher  Grieche  oder  Römer,  aber  bei  wieviel  barbarischen 
Nationen  finden  wir  den  Gebrauch,  dass  nicht  bloss  die  Frauen, 
sondern  auch  die  Männer  Ohrringe  trugen! 

Für  die  Frauen  ist  dagegen  die  Sitte  einen  Armring  zu 
tragen,  bei  allen  Völkern  dieselbe.  Und  zwar  trug  man  in 
classischer  Zeit,  wie  namentlich  die  pompejanischen  Gemälde 
zeigen,  sehr  oft  zwei  Armringe  zugleich,  den  einen  am  Unter-, 
den  anderen  am  Oberarm.  Gewöhnlich  besteht  der  Armring 
in  einem  einfachen  Keif,  der  sich  in  nichts  von  dem  über  die 
Fussknöchel  gelegten  Ringe  unterscheidet,  dessen  Anwendung 
eben  auch  die  pompejanischen  Bilder  am  besten  illustriren,  eine 
kunstvollere  Form  ist  die  Schlangenform,  von  welcher  bereits 
in  der  Einleitung  die  Kede  war. 

Die  classischen  Armringe  unterscheiden  sich  von  den  bar- 
barischen schon  durch  die  Form.  Ich  habe  unter  jenen  immer 
nur  kreisrunde  Kinge  gesehen,  nie  die  ovale  Form,  die  bei 
letzteren  gerade  die  gewöhnliche  ist.  In  dem  Gräberfelde  von 
Hallstadt  sind  nur  ovale  Ringe  gefunden^).     Auf  die  Unter- 


^)  Vopisc.  Aurel.  cap.  7. 

2)  Lindenschmit  Alterth.  I,  3,  7,  1;  4,  6;  6,  5. 

»)  Vgl.  E.  Sacken,  Das  Grabfeld  v.  Hallstadt  p.  69. 


120  ^^®  Armringe, 

schiede  der  Omamentirung  näher  einzugehen,  ist  hier  nicht  der 
Ort,  weil  die  barbarischen  Ringe  zu  spärlich  hier  vertreten  sind. 

A.   Kreisrunde  Armringe, 

477 — 479.  Drei  Armringe  von  dickem  Broncedraht,  der 
sechsfach  über  einander  liegt,  und  mit  seinem  Ende  spiral- 
förmig über  die  letzte  Windung  gewickelt  ist.  Alle  drei  sind 
sich  vollkommen  gleich.  Aus  Pompeji  von  dem  Maler  Temite 
erworben.  N.  x.  14  a — c.  Durchm.  3V2 — 3%"« 

Dieöe  Ringe  waren  vermuthlich  zum  Schmuck  des  Ober- 
arms bestimmt.    Vgl.  übrigens  n.  1002. 

Bei  Lindenschmit  Alterth.   I,  10,  1,  9  ist  |ein  genau  übereinstim- 
mender Ring  abgebildet. 

480.  Desgl.  ganz  von  derselben  Form  bis  auf  die  Zahl 
der  "Windungen,  deren  nur  vier  sind.  Beim  Festungsbau  in 
Cöln  gefunden.  Aus  dem  Nachlass  des  Generals  von  Ranch 
1841  erworben.    2656.    Durchm.  2^4". 

481.  Desgl.  mit  drei  Windungen,  aus  Pompeji.  Eine 
Windung  fehlt.  Aus  dem  Nachlass  von  Prof.  Rösel  1844  er- 
worben.   2774.    Durchm.  272"» 

481*-  Desgl.  mit  vier  Windungen.  Aus  der  Sanunl* 
Koller.    627.    Durchm.  3".  J 

481^*  Desgl.  mit  drei  Windungen,  aus  Gerhardts  Nach- 
lass 1869  erworben.    Durchm.  3". 

482.  Einfacher  Armring,  doch  mit  einem  Schloss  ver- 
sehen, auf  welchem  eine  schwarz  und  weiss  gestreifte  Paste  an- 
gebracht ist.  Die  Darstellung  derselben  —  ein  Jüngling,  der 
in  der  Linken  den  Griffel,  m  der  Rechten  das  Schreibtäfelchen 
hält  —  ist  auf  den  Abdruck  berechnet,  die  Gemme  konnte 
also  auch  zum  Siegeln  dienen.  Aus  dem  Nachlass  des  Ministers 
V.  Altenstein,  der  es  von  dem  Consul  Bartholdy  in  Rom  er- 

'halten,  1845  erworben.    2810.    Durchm.  278"- 

482*-  Kinderarmband  in  Form  einer  Schlange,  von 
fünf  Windungen. 

482^*  Fragment  eines  ähnlichen. 


h. 


Die  ArmriDge.  121 

482®*  Armband  in  Form  eines  breiten,  hohlen  Bandes 
,   mit  übergreifenden  und  spitz  zulaufenden  Enden.  Durchm.  2  Vs"- 

■ 

482 ««•  Desgl.  etwas  fragmentirt. 

482^-  Desgl.,  aber  mit  gegen  einander  stehenden  und  nicht 
^anz  geschlossenen  Enden.  Aus  Gerhard's  Samml.  1869  er- 
worben.   222.  • 

482®-  Zwei  Fragmente  derselben  Art. 

482'-  Desgl.  ein  schmaler  Keif  in  Form  einer  Schlange, 
deren  Schwanz  etwas  über  den  Kopf  hinausragt.  Aus  Gerhard's 
Nachlass  1869  erworben.     221. 

483.  Drei  desgl.,  die,  um  etwas  nachgeben  zu  können, 
nicht  ganz  geschlossen  sind,  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieut 
Schmidt  1846  erworben.    2854.    Durchm.  3^8 "• 

Die  Kinge  haben  eine  in  bestimmter  Distanz  sich  wieder- 
holende Verzierung,  die  ein  umgelegtes  Band  imitirt.  Wir 
sind  übrigens  nicht  ganz  sicher,  ob  diese  Binge  nicht  auch  zu 
anderen  Zwecken  gedient  haben. 

484.  Desgl.  mehr  bandartig  und  nach  der  Oeffnung  zu 
sich  verbreiternd.  Mit  Verzierungen.  Bartholdy.  Durchm.  2^2"« 

485.  Desgl.,  ganz  ähnlich  dem  beiLindenschmitI,  9, 1,7 
abgebildeten  und  bei  Mainz  gefundenen.    Durchm.  3". 

486.  Desgl.,  platt,  geriefelt  und  in  Knöpfe  auslaufend. 
Durchm.  S'/g". 

487.  Desgl.,  aus  zwei  ineinander  geflochtenen  Drähten 
bestehend  und  in  Haken  und  Oese  zum  Auf-  und  Zumachen 
auslaufend.    Durchm.  2^ Ig". 

488.' Desgl.  breiter  und  bandartig,  mit  Würfelaugen  ver- 
ziert.   KoUer'sche  Sammlung  630.  Durchm.  2^8"- 

489.  Desgl.  aus  einem  einfachen,  nach  den  Enden  immer 
dünner  werdenden  Draht  zusammengebogen.  Aus  dem  Nach- 
lass des  Generals  von  Bauch  1841  erworben  und  beim  Festungs- 
bau in  Cöln  gefunden.    2657.    Durchm.  2V8"- 


122  ^^^  Armringe. 

490.  Desgl.,  mit  abgebrochenen  Spitzen. 

490*-  Desgl.  in  Knöpfe  auslaufend.    Durchm.  2". 

B.   Ovale  Armringe. 

491.  Ovaler  Armring,  in  Thierköpfe Auslaufend,  gewiss 
barbarisch.  Sammlung  Bartholdy  D.  84.  Durchm.  2'/8  ^i^d  2*/g'^ 

492.  Desgl.,  ebenfalls  in  Thierköpfe  auslaufend.  Samm- 
lung Bartholdy  D.  85.    Durchm.  2V2"  und  2^lJ'. 

493.  Desgl.  in  Knöpfe  auslaufend.  Sammlung  Bartholdy 
D.  86.    Durchm.  31/4"  und  278". 

494.  Desgl.  mit  feinen  linearen  Verzierungen  bedeckt* 
Durchm.  31/2"  und  3". 

G.   Armringe  mit  übergreifenden  Enden. 

495.  King,  dessen  Enden  in  Knöpfe  auslaufen.  Durchm» 
2^/3 ".  Aelt.  Samml.  N.  20.  Abg.  bei  Beger  thes.  Brand.  HI;. 
p.  425. 

Vgl.  Lindenschmit,  AUerth.  I,  10  Taf.  1,  wo  viel  Aehnliches  ab- 
gebildet ist. 

496.  Desgl.  kleiner,  zum  Gebrauch  von  Kindern,  1843 
angekauft.    2724.    Durchm.  1%". 

497.  Desgl.,  aus  demNachlass  des  Hrn.  v.  Radowitz  dem 
Museum  1856  übergeben.    3207.    Durchm.  2^1^" 

498 — 509.  Zwölf  desgl.,  einige  verziert.  Durchm.  l'/g'* 
bis  gs/s". 

510.  Desgl.  Die  Grundlage  dieses  seltenen  Ringes  ist  ein 
starker  Broncedraht,  der  mit  feinem  Broncedraht  übersponnen 
i^.  Sodann  sind  längs  der  äusseren  Fläche  des  Ringes  über- 
silberte  Broncedrähte  aufgelegt,  die  durch  umgewickelten 
Silberdraht,  der  aber  immer  mit  kleinen  Zwischenräumen  an- 
gebracht ist,  befestigt  sind.  Um  die  Enden  des  Ringes  sind 
kleine  silberne  Cylinder  gelegt.    Durchm.  4". 

511.  Desgl.  Durchm.  38/4". 


Die  Armriage.  123 


D.   Armringe  in  Form  von  Spiralen. 

Die  Bestimmung  dieser  Spiralen  ist  durch  Gräberfunde 
in  Livland  und  am  Khein  ausser  Zweifel  gesetzt.  Man  fand 
nämlich  den  Unterarm  der  Skelette  damit  bedeckt,  will  sie 
aber  auch  am  Oberarm  bemerkt  haben,  und  zwar  nicht  bloss 
in  Männer-,  sondern  auch  in  Kindergräbem.  Dieser  letzte  Um- 
stand führt  darauf,  sie  im  Wesentlichen  als  einen  Schmuck- 
gegenstand anzusehen,  wenn  es  auch  nicht  unmöglich  ist,  dass  sie 
am  Arm  der  Männer  auch  einen  praktischen  Zweck  zum  Schutz 
des  Arms  hatten.  Soviel  mir  bekannt,  ist  darüber  nichts  fest- 
gestellt, ob  man  sie  auch  in  Frauengräbem  findet  oder  nicht> 
Es  soll  übrigens  solche  Spiralen  von  2V2'  Höhe  und  verhält- 
nissmässiger  Dicke  geben,  die  man  als  eine  Art  Beinschienen 
betrachtet. 

Die  meisten  Exemplare  verengern  sich  nach  unten,  um 
sich  der  Form  des  Arms  fest  anschliessen  zu  können,  doch 
giebt  es  auch  solche,  die  in  gleichmässiger  Breite  fortlaufen. 

Der  Schmuck  ist  entschieden  barbarisch,  die  antiken  Arm- 
ringe umringein  nie  den  ganzen  Arm,  sondern  immer  nur  einen 
kleinen  Theil,  eine  bestimmte  Stelle,  wie  es  ja  auch  im  Wesen 
des  Schmucks  begründet  liegt.  Dieser  barbarische  Ursprung 
wird  übrigens  schon  durch  die  Auffindung  dieser  Geräthe  in 
curländischen,  livländischen  und  skandinavischen  Gräbern  be- 
wiesen. Das  rheinische  Grab  —  in  Guntersblum  bei  Mainz  — 
in  welchem  man  diese  Spiralen  am  Arm  des  Skeletts  fand^ 
bietet  auch  einen  Anhalt  zur  Zeitbestimmung,  da  es  nämlich 
eine  Münze  des  Maxentius  enthielt. 

Ygl.  Kruse  Necrolivon.  p.  11.  Bahr,  Gräber  der  Liven 
p.  10  und  besonders  Frau  Mertens-Schaafhausen  in  d.  Khein. 
Jahrb.  XV,  p.  138,  Taf.  3. 

512.  Armband  in  Form  einer  Spirale,  amKhein  ge- 
funden, 1846  ebendas.  von  dem  Generaldirector  Hrn.  v.  Olfers 
gekauft.    2901. 

513.  Desgl.,  KoUer'sche  Sammlung  628, 

514 — 518.  Fünf  desgl.,  grösser  und  kleiner,  keins  voll- 
ständig. 

519.  Desgl.  von  acht  Windungen,  vollständig  erhalten, 


124  ^^6  Halsringe. 

SO  dass  man  die  einfach  zusammengerollten  Enden  des  Drahts 
sieht. 

520 — 523.  Yier  desgl.  für  Kinderarme,  grössere  und 
kleinere,  keins  vollständig. 

524.  525.  Zwei  desgl.,  breiter,  bandartiger. 

526.  Desgl.  Koller'sche  Sammlung. 629. 

16)  Halsringe. 

Die  Halsringe  für  Männer  sind  ein  Schmuck,  der  Griechen 
und  Kömern  unbekannt,  aber  unter  den  Barbaren  weit  ver- 
breitet war.  Berühmt  sind  die  Gallier  wegen  ihrer  gewundenen 
Halsbänder,  aber  wie  theils  die  Schriftsteller,  theils  neuere 
Ausgrabungen  lehren,  ist  derselbe  Schmuck  auch  den  Persem, 
Scythen,  Germanen  eigen  gewesen. 

527.  Zwei  Fragmente  von  röhrenartigen  Halsketten  aus 
eng  gewundenem  Broncedraht.  Wahrscheinlich  wurde  ein 
Draht  oder  Band  hindurchgezogen,  der  dann  zum  Zusammen- 
schluss  und  zur  Befestigung  diente.  Aus  dem  Nachlass  von 
Prof.  Kösel  1844  erworben.    2792. 

Solche  Halsketten  finden  sich  in  den  Gräbern  der  Liven 

(Bahr,  Die  Gräber  der  Liven  Taf.  2, 4, 5),  wo  sie  übrigens  auch 

zu    Kopfbedeckungen    zusammengewickelt    vorkommen.    Wir 

wissen  nicht,  ob  man  sie  noch  an  anderen  Orten  gefunden  hat. 

^^  * 

528 — 532.  Fünf  desgl,  in  verschiedener  Grösse  und  Dicke. 

533.  Gewundenes  Halsband,  torques,  1852  angekauft 
von  dem  Herrn  Vollard,  Secretär  des  Prinzen  Heinrich.  3057. 
Durchm.  ß^lJ'. 

534.  Desgl.  aus  Corneto.  Dorow'sche  Sammlung.  562. 
Durchm.  7V8". 

534*-  Desgl.  aus  der  Sammlung  Bartholdy.    D.  87. 
534^-  Desgl. 

535.  Halsring  von  einfachem  Draht,  aber  an  beiden  Enden 
in  einen  Kopf  von  sehr  roher  Arbeit  auslaufend.  Durchm.  572''« 


Die  HalsriDge.  125 

535*-  Desgl.  mit  Knöpfen  an  den  Enden.  1846  aus  dem 
Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  gekauft.  2853. 

536.  Desgl.,  mit  Knöpfen  verziert  und  in  Knöpfe  aus- 
laufend, durch  einen  Ring  zusammengeschlossen.  Dieser  Ring 
diente  vermuthlich  als  Halseisen,  das  ja  auch  dem  Alterthum 
bekannt  war.  Wenigstens  ist  der  zusammenschliessende  Ring 
bei  einem  gewöhnlichen  Halsring  nicht  erklärlich.  Von  Herrn 
V.  Vollard  1858  angekauft.    3245.    Durchm.  5V8"- 

537.  Desgl.,  der  Ring  ganz  glatt.  Von  dem  hiesigen 
Kunsthändler  Marguier  1852  angekauft.  3049.  Durchm.  5^/4''. 

538.  Halsring,  wie  ein  breites  Band  gestaltet,  mit  ein- 
geschlagenen Verzierungen,  concentrischen  Kreisen  und  ein- 
fachen Strichen,  bedeckt.    Durchm.  4^/2". 

539.  Desgl.  bandartig,  mit  übergreifenden  Enden,  die 
durchbohrt  sind  und  festgeschlossen  werden  konnten.  Aus  dem 
Besitz  Bellori's.  N.  x.  1.  Durchm.  5''. 

Dies  Halsband  gehört  zu  denen,  welche  man  entlaufenen 
Sklaven  um  den  Hals  legte,  wie  aus  der  Inschrift  hervorgeht, 
die  folgendermaassen  lautet:  P(e)tronia  tene  me  quia  fugibi  (vi) 
et  revoca  me  ad  domu(m)  A(?)theopotenis  ad  domnum  meum 
Vitalione(m). 

Mehrere  ähnliche  Denkmäler  haben  sich  erhalten.  VgL 
Marquards  Handb.  d.  röm.  Alterth.  V,  1,  p.  191  und  Henzen 
Annali  1853,  p.  123. 

Nachdem  wir  im  Vorhergehenden  die  einzelnen  Geräthe 
der  Toilette  aufgeführt,  schliessen  wir  mit  denjenigen  Geräthen, 
die  zur  Aufbewahrung  derselben  dienten,  mit  den  Cisten  oder 
Toilettenkasten. 

Die  Cisten  oder  Toilettenkasten, 

Die  Cisten  sind  gewöhnlich  von  cylindrischer,  selten  von 
ovaler  Form  und  noch  seltener  viereckig  i).  Einige  von  ihnen 
bestehen  aus  Holz,  das  mit  Leder  tiberzogen  und  an  den 
Rändern  mit  Metallstreifen  eingefasst  ist  oder  auch  aus  ganx 


^)  Wie  die  von  Pieralisi  in  der  lettera  sopra  una  cista  prenestina, 
Roma  1867  herausgegebene.  Eine  andere  habe  ich  kürzlich  im  Louvre 
gesehen.    Vgl.  bull.  59,  p.  100. 


126  ^i^  eisten  oder  Toilettenkasten. 

mit  Blech  überzogenem  Holz,  die  grosse  Mehrzahl  aber  ist 
nur  aus  Metallblech  gearbeitet,  Füsse  und  Henkel  aber  sind 
gegossen. 

Früher  Messen  diese  Cisten  cistae  mysticae,  indem  man 
einen  Gebrauch  derselben  in  den  Mysterien  voraussetzte,  aber 
die  Gegenstände  die  in  den  Cisten  gefunden  werden,  liessen 
nicht  lange  über  ihre  Bestimmung  zu  Toilettenkasten  zweifeln. 
Man  findet  nämlich  Spiegel,  Striegel,  Salbgefässe,  Schwämme, 
Haarnadeln,  Kämme  und  ähnliche  Gegenstände  darin.  Es 
steht  nichts  der  Annahme  entgegen,  dass  sie  für  den  Gebrauch 
beider  Geschlechter  dienten,  und  die  Darstellungen  auf  einigen 
derselben,  Scenen  athletischer  Kraft  und  Geschicklichkeit, 
scheinen  noch  ausdrücklich  auf  ihre  Benutzung  auch  von  Seiten 
der  Männer  hinzudeuten,  aber  doch  glauben  wir,  dass  sie  vor- 
wiegend von  den  Frauen  gebraucht  wurden.  Denn  in  den 
Bildern  der  Spiegel,  auf  denen  diese  Cisten  manchmal  vor- 
kommen, finden  sie  sich  fast  nur  in  Frauenscenen. 

In  Griechenland  scheinen  diese  Geräthe  unbekannt  ge- 
wesen zu  sein,  es  sind  wenigstens  keine  dort  gefunden,  noch 
auf  irgend  einem  griechischen  Monument,  soviel  wir  wissen, 
dargestellt.  Vorwiegend  werden  sie  in  den  Gräbern  von 
Präneste  gefunden,  von  einigen  ist  Etrurien  als  Fundort  be- 
kannt. Yermuthlich  wurden  sie  in  Präneste  zum  grossen 
Theil  auch  fabricirt,  lateinische  Beischriften  bei  den  Figuren 
der  Darstellungen  und  lateinische  Fabrikmarken  scheinen  das 
anzudeuten,  andererseits  deutet  der  Stil  von  manchen  und 
Eigenthümlichkeiten  des  Costüms  nach  Etrurien  hin.  Wir 
glauben,  dass  die  Fabrikation  der  Cisten,  ebenso  wie  die  der 
Spiegel,  von  Etrurien  ausging,  dass  sich  in  der  Folge  aber 
die  Sitte  auch  nach  auswärts  ausdehnte  und  dort  Fabriken, 
namentlich  in  Präneste,  in's  Leben  rief. 

Die  Cisten,  selbst  die  schönsten,  sind  im  Sinne  desAlter- 
thums  nur  ziemlich  werthlose  Fabrikarbeit.  Dies  geht  deut- 
lich aus  der  rohen  Verbindung  der  Füsse  und  Henkel  mit 
dem  Gefäss  hervor.  Dieselben  verdecken  nämlich  Theile  der 
Zeichnungen,  die  ihrerseits  olme  alle  Rücksicht  auf  diese  Zu- 
thaten  gearbeitet  sind.  Noch  störender  sind  die  Knöpfe,  an 
denen  die  Ringe  sich  befinden,  welche  die  Ketten  zum  Tragen 
des  Gefässes  aufnahmen,  oft  mitten  in  die  Brust  oder  in  den 
Kopf  einer  Figur  hineingesetzt.  Doch  ist  diese  Rohheit  an 
den  Cisten  noch  weniger  auffallend,  als  an  den  berühmten 
Hildesheimer  Silbergefässen,  wo  sie  genau  ebenso  wiederkehrt 


Die  eisten  oder  Toilettenkasten.  127 

Und  zwar  nicht  bloss  an  den  unbedeutenderen  unter  ihnen, 
sondern  sogar  an  dem  schönen  und  einzigen  Eühlgefäss  mit 
den  fischenden  Knaben  sind  die  Henkel  mitten  ins  Ornament 
hineingesetzt.  Aehnlich  ist  es  auch  an  der  berühmten  Medi- 
ceischen  Marmorvase.  Man  sieht,  dass  so  Vieles,  was  uns 
den  Eindruck  der  Kunst  im  eigentlichsten  Sinn  des  Wortes 
macht,  den  Alten  doch  nur  Fabrikarbeit  war. 

Eine  Angemessenheit  der  Darstellungen  zum  Zweck  des 
Oeräths  lässt  sich  nicht  immer  verfolgen.  Doch  kommen,  wie 
schon  erwähnt,  athletische  Scenen  vor  und  andererseits  Frauen- 
scenen,  in  denen  es  sich  um  den  Preis  der  Schönheit  handelt, 
die  sichtlich  charakteristisch  gewählt  sind.  Die  Composition 
ist  der  Regel  nach  so,  dass  das  Granze  aus  zwei  oder  drei 
Gruppen  besteht,  die  aber  ohne  räumliche  Trennung  neben 
einander  stehen.  Eine  Trennung  wäre  bei  einem  henkellosen 
Oefäss  unmotivirt,  eine  Zerlegung  in  Gruppen  ist  aber  anderer- 
seits nothwendig,  weil  man  immer  zur  Zeit  nur  eine  Hälfte 
des  Gefässes  sieht. 

Wir  müssen  indess  bemerken,  dass  bis  jetzt  das  Material 
kaum  reich  genug  ist,  um  solche  auf  das  Ganze  gehende 
Fragen  zu  beantworten.  Ein  vor  wenigen  Jahren  verfertigtes 
Yerzeichniss  zählt  nicht  mehr  als  fünfundsiebenzig  Cisten  auf, 
und  selbst  von  diesen  ist  ein  sehr  grosser  Theil  noch  nicht 
genauer  bekannt. 

Es  ist  daher  auch  noch  nicht  möglich,  über  die  historische 
Entwicklung  dieses  Industriezweiges  etwas  Vollständiges  auf- 
zustellen. Doch  wissen  wir  so  viel,  dass  man  bereits  in  sehr 
alter  Zeit  bildlich  verzierte  Cisten  hatte.  Wir  besitzen  näm- 
lich eine  silberüberzogene  hölzerne  Ciste,  die  alle  Zeichen 
eines  hohen  Alters  an  sich  trägt. 

Denn  die  zu  dekorirende  Fläche  ist  wie  bei  den  ältesten 
griechischen  Vasen  in  mehrere  Zonen  zerlegt,  so  dass  die 
Figuren  nur  klein  und  puppenhaft  ausfallen  konnten,  und 
der  Bilderschmuck  besteht  in  Thierfiguren,  die  zudem  ganz 
primitiv  gezeichnet  sind.  Diese  Ciste  steht  übrigens  ganz  allein, 
alle  übrigen  sind  durch  eine  Lücke  von  Jahrhunderten 
von  ihr  getrennt.  Denn  von  diesen  letzteren,  von  denen 
mehrere,  ihrer  Inschriften  wegen,  vor  dem  sechsten  Jahrhun- 
dert Roms  verfertigt  sein  müssen,  ist  schwerlich  eine  älter 
als  Alexander  der  Grosse.  So  dürfen  wir  wenigstens  behaupten, 
wenn  die  Annahme  richtig  ist,  dass  die  italische  Kunst  einen 
der  griechischen  Kunst,  von  der  sie  beherrscht  wurde,  ana- 


128  1^16  eisten  oder  Toilettenkasten. 

logen  Verlauf  gehabt  habe.  Erst  zur  Zeit  Alexanders  oder 
jedenfalls  nicht  viel  früher,  kamen  so  weichliche  Scenen  auf, 
wie  wir  sie  gerade  auf  den  hier  befindlichen  Cisten  dargestellt 
finden  und  für  die  anderen  Cisten  lassen  sich  andere  Gründe 
anführen,  die  auf  dasselbe  Kesultat  hinauslaufen. 

Die  Fabrikation  gravirter  Cisten  hat  vermuthlich  gleich- 
zeitig und  aus  denselben  Gründen  wie  die  der  gravirten 
Spiegel  ihr  Ende  erreicht.  Wir  verweisen  darüber  auf  das 
bei  den  Spiegeln  Bemerkte. 

Vgl.  Schöne  in  Annali  1866   p.  150  ff.  und   den  Nachtrag  eben- 
daselbst 186. 

540.  Cista  aus  Präneste,  1862  aus  Kom  erworben. 
Hoch  (ohne  Deckel)  llV*"-     Durchm.  91/2"- 

Das  Bild  am  Bauch  des  Gefässes  bezieht  sich  unzweifel- 
haft auf  den  Mythus  des  Meleager,  ist  aber  in  seinen  Einzel- 
heiten, wegen  mangelhafter  Charakteristik  der  meisten  Figuren^ 
schwer  verständlich.  Die  Hauptfigur  des  Ganzen,  um  die  sich 
auch  eine  grössere  Gruppe  gebildet  hat,  ist  eine  Victoria,  die 
einen  Eberkopf  an  einen  Palmbaum  annagelt,  ihn  also  wie 
eine  Trophäe  aufhängt.  Von  ihrer  Umgebung  drücken  die 
beiden  Jünglinge  zu  ihrer  Kechten,  durch  die  erhobenen  Hände^ 
Theilnahme  an  dem  Vorgange  aus,  es  ist  aber  nicht  bestinunt 
zu  sagen,  ob  in  freundlichem  oder  feindlichem  Sinne.  Von 
letzterer  Annahme  ausgehend,  hat  man  die  Figuren  für  die 
neidischen  Oheime  Meleagers  erklärt,  die  mit  unwilligem  Staunen 
der  Victoria  zusähen.  Es  könnten  aber  auch  Freunde,  be- 
wundernd theilnehmende  Freunde  und  Genossen  des  Meleager 
sein.  Die  beiden  anderen  zu  dieser  Gruppe  gehörigen  Figuren, 
die  nackte,  an  einen  Pfeiler  gelehnte  Frau  und  der  links  von 
der  Victoria  stehende  Jüngling  entbehren  jeder  näheren 
Charakteristik,  sodass  es  unmöglich  ist,  sie  zu  benennen  und 
ihr  Verhältniss  zur  Handlung  der  Victoria  anzugeben. 

An  diese  Hauptgruppe  schliessen  sich  links  und  rechts 
zwei  Gruppen  von  je  drei  Personen  an,  eine  belebte  und  eine 
ruhige.  Jene  scheinen  den  Jubel  über  den  Sieg  Meleagers 
repräsentiren  zu  sollen,  ein  Mann  hebt  im  Uebermaass  der 
Lust  eine  Frau  vom  Boden,  eine  andere,  mit  einem  Palmzweig 
in  der  Hand,  läuft,  wie  entsetzt  über  die  Vertraulichkeit  der 
beiden,  davon.  In  der  andern  Gruppe  erscheint  Meleager 
selbst,  kenntlich  am  Kranz  auf  seinem  Haupt.  Diese  Figur 
ist  sichtlich  nach  einem  berühmten  statuarischen  Typus,   in 


Die  eisten  oder  Toilettenkasten.  129 

welchem  der  siegesfrohe  Meleager  dargestellt  ist,  cöpirt,  nur 
dass  auf  der  Cista  der  Kopf  der  Figur  etwas  mehr  gesenkt 
ist.  Wir  wissen  aber  nicht,  ob  dies  Absicht  ist  und  ob  dar- 
aus geschlossen  werden  darf,  dass  Meleager  hier  traurig  sin- 
nend, als  ahne  er  die  Folgen  seines  Siegs,  dargestellt  werden 
sollte.  Noch  weniger  vermögen  wir  über  die  Frauengruppe 
neben  ihm  nähere  Auskunft  zu  geben. 

Die  Kinge  an  denen  die  Cista  getragen  wurde,  sind  zum 
Theil  mitten  in  die  Figuren  hineingesetzt 

Der  Deckel  ist  mit  einem  zum  Hauptbild  passenden 
Schmuck,  nämlich  mit  schwebenden  Yictorien  verziert.  Als 
Griff  fungirt  die  gewöhnliche  Gruppe  eines  Satyrn  und  einer 
Bacchantin,  über  den  Füssen  befinden  sich  kleine  Löwen. 

Abg.  Archaeol.  Ztg.  1862  Taf.  164,  165  und  erklärt  von  Kekul6, 
dessen  feine  Combinationen  ich,  wie  mein  Text  zeigt,  nicht  überall  als 
gesichert  acceptiren  konnte. 

541.  Cista  aus  Präneste,  in  Rom  von  Prof.  Brunn 
angekauft,  seit  1865  im  Museum.  3528.  Höhe  11"  (ohne 
Deckel)  Durchm.  9". 

Die  bildliche  Verzierung  zerfällt  in  zwei  durch  eine 
jonische  Säule  getrennte  Gruppen  von  vier  und  fünf  Personen. 
Die  erste  erinnert,  wie  schon  in  einer  Beschreibung  dieser 
Cista  bemerkt  worden  ist,  an  eine  Gruppe  der  berühmten 
Ficoroni'schen  Cista  und  könnte  sich  sehr  wohl  auf  die 
Fesselung  des  Amycos  durch  PoUux  beziehen.  Die  Hauptfigur 
ist  wenigstens  ein  wild  aussehender  Mensch,  dem  ein  Jüng- 
ling die  Hände  auf  dem  Rücken  zusammen  bindet,  während 
ein  anderer  Jüngling  ihm  drohend,  wie  es  scheint,  die  Faust 
entgegenstreckt.  Die  Frau  die  zu  dieser  Gruppe  gehört,  ver- 
mögen wir  nicht  näher  zu  bestimmen. 

In  der  zweiten  Gruppe  ist  ein  geharnischter  Jüngling 
mit  einem  eigenthümlichen  zackenbesetzten  Helm  die  Haupt- 
figur. An  ihn  heran  treten  drei  Jünglinge,  davon  zwei  leb- 
haft gestikulirend,  als  ob  sie  ihm  eine  wichtige  Mittheilung 
zu  machen  hätten.  Dahinter  eine  nackte  geflügelte  Frau, 
vermuthlich  eine  Nike.  Könnte  vielleicht  in  dieser  zweiten 
Scene  Jason  dargestellt  sein,  dem  die  Gefährten  und  Nike  die 
Nachricht  von  dem  Sieg  über  Amycos  bringen? 

Zwischen  den  Köpfen  fast  aller  Figuren  wiederholen  sich 
bedeutungslose,  raumfüllende  Linien. 

Auf  dem  Deckel  bemerkt  man  die  so  häufig  an  dieser 

Frietlerichs,   Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  9 


130  I^ie  eisten  oder  ToUettenkasten. 

Stelle  wiederkehrenden  SeethierC;  die  gewiss  nur  durch  den 
Eaum  veranlasst  sind,  für  den  sie  sich  sehr  gut  eignen.  Der 
Griff  wird  durch  die  ebenfalls  so  sehr  häufige  Gruppe  eines 
Satyru;  der  eine  nackte  Bacchantin  umfasst,  gebildet  Ueber 
den  Füssen  sind  liegende  Silene  angebracht. 

Die  Cista  ist  beschrieben  von  Schöne,  Annali  1866  p.  181  n.  62, 

542.  Cista  aus  Präneste,  1862  in  Rom  durch  Ver- 
mittlung von  Prof.  Brunn  angekauft.  3467.  Hoch  9^/2"  (ohne 
Deckel).   Durchm.  8". 

Auf  dem  Deckel  sind  zwei  Dreigespanne,  von  Frauen  ge- 
lenkt, dargestellt.  Die  eine  derselben  hat  die  Beischrift  Venus, 
die  andere  Aucena  oder  Alcena,  was  völlig  räthselhaft  ist* 
Das  Gespann  der  Venus  wird  von  einer  nackten  Frau  gelenkt, 
vor  den  Pferden,  der  anderen  flieht  ein  nackter  Knabe,  so 
dass  man  an  eine  Entführungsscene  gedacht  hat.  Die  Lücken 
der  Zeichnung  sind  durch  Thiere,  Schlangen  und  einen  Löwen, 
vor  dem  sich  ein  Pferdekopf  befindet,  ausgefüllt.  Zur  Be- 
lebung der  Fläche  sind  auf  dem  Körper  des  einen  Pferdes 
der  Aucena  und  ebenso  auf  den  Pferden  am  Bauch  der  Cista 
Blumen  gezeichnet,  eine  wunderliche  öfter  vorkommende  Weise, 
die  deutlich  zeigt,  dass  man  bei  diesen  Zeichnungen  nur  einen 
ganz  oberflächlichen  ornamentalen  Eindruck  beabsichtigte. 

Das  Dreigespann  übrigens  ist  eine  etruscische  Sitte,  wie 
viele  Denkmäler  beweisen^). 

Die  Henkelgruppe,  deren  Basis  einen  Theil  der  Zeich- 
nung verdeckt,  ist  die  so  oft  wiederkehrende  von  Satyr  und 
Bacchantin. 

Die  Zeichnung  an  der  Cista  selbst  zerfällt  in  zwei  Scenen, 
deren  eine  ganz  wie  ein  Parisurtheil  aussieht,  nur  dass  statt 
der  Göttinnen  Heroinen  gerichtet  werden.  Die  Handlung  geht 
an  einem  Brunnen  vor  sich,  dessen  Wasser  aus  einem  Löwen- 
maul in  ein  grosses  Becken  fliesst,  so  dass  man  sich  zu  denken 
hat,  die  Frauen  haben  erst  Toilette  gemacht,  was  auch  auf 
Parisurtheilen  griechischer  Vasen  sehr  anschaulich  darge- 
stellt wird. 

Paris  (Alixente(r)  überreicht  der  ihm  zunächst  stehenden 
Frau,  welche  die  Beischrift  Ateleta  führt  und  mit  der  Linken 


*)  Hauptsächlich  Grabsteine,  z.  B.  im  rauseo  Casuccini  in  Palermo. 
Ich  erwähne  nur  noch  die  Thonreliefs  aus  Velletri  in  Neapel,  deren 
etruscischer  Ursprung,  welcher  bezweifelt  worden  ist,  auch  durch  diese 
und  andere  Einzelheitai  bestätigt  werden  kann. 


Die  eisten  oder  ToUettenkastea.  13  X 

^ui  ihrem  Haar  beschäftigt  ist,  ein  Zweiglein,  eine  Handlung, 
die  wir  nur  als  eine  Art  von  Galanterie  auffassen  können, 
dergleichen  ähnlich  auf  den  Vasen  vorkommt.  Yermuthlich 
ist  die  Frau  Atalante.  Ihre  Nachbarin  mit  der  räthselhaften 
Beischrift  Alsir,  lehnt  sich  an  ein  Piedestal  und  hält  einen 
Apfel  in  der  Linken^).  Den  Gestus  ihrer  Rechten  verstehen 
wir  nicht.  Sodann  kommt  Helena  (Felena),  ihr  Gewand,  wie 
es  scheint,  ausbreitend,  um  ihre  Schönheit  zu  enthüllen. 

Die  Erklärung,  dass  hier  die  Ankunft  des  Paris  in  Sparta 
dargestellt  sei,  scheint  uns  durchaus  unwahrscheinlich,  sowohl 
die  Situation,  als  die  Bewegungen  der  Figuren  widersprechen. 
Wir  fassen  vielmehr  die  Scene  in  dem  oben  angegebenen 
Sinne  als  ein  Parisurtheil,  nicht  als  jenes  mythologisch  be- 
gründete, sondern  als  auf  freier  Erfindung  eines  Dichters  oder 
Künstlers  beruhend,  wie  wir  auch  etwas  Aehnliches  auf  dem 
Meleagerspiegel  (n.  146)  fanden. 

Die  zweite  Scene  ist  noch  schwerer  zu  verstehen,  weil 
sie  einmal  aus  mythischen  Figuren  besteht,  die  nach  unserem 
Wissen  nichts  mit  einander  zu  thun  haben  und  dann  weil 
gar  keine  Handlung  zwischen  diesen  Figuren  vor  sich  geht. 
Zunächst  dem  Paris  steht  ein  Jüngling  mit  Speer,  der  nach 
den  Resten  seines  Namens  eses  für  Theseus  zu  halten  ist, 
dann  folgt  zu  Pferde  Oinumama  d.  h.  ünimama,  eine  Bezeich- 
nung der  Amazonen,  die  ja  ihrer  kriegerischen  Uebungen 
willen  eine  Brust  verstümmelt  haben  sollen,  darauf  kommt 
wieder  ein  ruhig  stehender  Krieger,  mit  der  Inschrift  Ajax, 
sodann  eine  Crisida  d.  i.  Chryseis  genannte  Frau,  welche  einen 
Becher  präsentirend  emporhält  und  endlich  eine  zweite  Amazone 
mit  Namen  Cassenter(a). 

lieber  den  Füssen  befinden  sich  Löwen. 

Abg.  Monum.  dell'  instit.  VI,  55  mit  der  Erklärung  von  Garrucci 
in  Annali  1861  p.  162  ff.,  die  aber  ganz  unglücklich  ist.  Vgl.  0.  Jahn 
in  Mommsen's  Corpus  inscrtpt.  latin.  I,  p.  554. 

543.  Kleine  volcentische  Cista,  aus  Gerhardts  Nach- 
lass  1869  erworben.  H.  (mit  Deckel)  7".  Durchm.  oben 
3V2",  unten  S^/^". 

Die  Cista  hängt  an  drei  Ketten,  es  ist  uns  aber  nicht 
klar,  wie  der  erhaltene  nur  nach  zwei  Seiten  entwickelte  Griff 


^)  Der  Gegenstand  ist  auch  für  ein  Blatt  gehalten,  unmöglick  wegen 
der  Art  wie  die  Frau  ihn  anfasst. 


132  ^^^  eisten  oder  Toilettenkasten. 

mit  diesen  Ketten  verbunden  war.  Auf  dem  Deckel  befand 
sich  als  Griff  ein  Delphin  in  der  gewöhnlichen  Stellung,  den 
Kopf  nach  unten  gerichtet.  Sehr  plump  sind  die  Ftisse,  die 
unten  hufenartig  gespalten,  oben  das  Motiv  einer  aus  Blättern 
herauswachsenden  Blüthe  oder  Frucht  zeigen. 

544.  Deckelgriff  einer  Cista,  aus  der  Sammlung- 
Pourtales  1865  erworben.     3545.  • 

Der  Griff  wird  durch  zwei  mit  einander  ringende  Jüng- 
linge gebildet,  die  mit  den  Köpfen  gegen  einander  stossen 
und  eben  dadurch  eine  passende  Handhabe  herstellen. 

Der  Ring  auf  der  Basis  zwischen  den  beiden  Ringern 
diente  wahrscheinlich  dazu,  den  Deckel  auf  der  Cista  festzu- 
lialten,  doch  ist  der  Mechanismus  im  Einzelnen  nicht  deutlich. 

545.  Desgl.  durch  einen  nackten  Jüngling  gebildet,  der 
sich  hintenüber  gelehnt  hat,  als  sei  er  im  Begriff,  kopfüber 
zu  schlagen.  In  älterem  Stil  gearbeitet.  Dies  Motiv  ist  auf 
Gistendeckeln  nicht  selten.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
B.  49. 

546.  547.  eisten füsse  aus  Corneto.  Dorow'sche  Samm- 
lung.    563.  564. 

Ueber  den  Thierklauen  befindet  sich  in  Relief  eine  in 
altetruscischem  Stil  gearbeitete  Gruppe  von  zwei  Männern, 
die  einen  Schlauch  oder  wohl  eher  eine  grosse  Vase  davon- 
tragen. Der  eine,  grössere,  hat  eine  Keule,  der  andere  einen 
nur  in  graffito  angegebenen  Bogen.  Es  könnte  Herkules  und 
Jolaos  sein,  die  sich  gütlich  thun  wollen. 

Die  Gruppe  stimmt  ganz  mit  der  im  Mus.  Gregor.  I, 
6t,  2  abgebildeten  überein  und  war  durch  Nägel  an  der 
Cista  befestigt. 

547*-  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  6. 

Die  Attache  ist  mit  einem  nackten  geflügelten  Knaben 
in  kauernder  Stellung  verziert.  In  der  Rechten  hält  er,  wie 
es  scheint,  eine  Strigel. 

547^-  Desgl.  mit  einer  doppelleibigen  Sirene  über  der 
Kralle.   Ebendaher.    5. 

547 bb.  Desgl.  Ein  Mann  mit  Keule,  vielleicht  Herkules, 
einer  Frau  gegenüberstehend.  Die  Kralle  fehlt.  Ebendaher.  145. 


Die  Gißten  oder  Toilettenkasten.  133 

54Ybbi).  Nackter  Krieger,  in  der  Linken  den  Helm 
haltend;  die  rechte  Hand  auf  den  Kopf  seines  neben  ihm 
stehenden  Pferdes  legend.  Die  Beine  von  Mann  und  Ross 
sind  unten  verstümmelt.  Wahrscheinlich  von  dem  Fuss  einer 
Cista.  In  Corneto  gefunden.  Aus  der  Samml.  Dorow.  581. 
Höhe  iVe". 

547c.  Verzierungen  vom  Deckel  einer  Cista  oder 
eines  ähnlichen  Geräths,  bestehend  in  kleinen  rohen  Figuren 
von  Menschen  und  Thieren,  im  Ganzen  57  Stück,  aus  der 
Sammlung  Koller.     276—281. 

Die  ersteren  bestehen  in  zehn  theils  ganz  menschlich 
gestalteten,  theils  mit  Thierkopf  versehenen  Figuren,  es  ist 
indessen  nicht  unmöglich,  dass  alle  thierköpfig  sind,  was  bei 
der  Rohheit  der  Arbeit  nicht  immer  zu  entscheiden  ist.  Nur 
drei  Thierköpfe  sind  ganz  deutlich,  doch  ist  selbst  hier  die 
Gattung  schwer  zu  bestimmen,  es  sind  Thiere  mit  spitz- 
zulaufendem  Kopf,  an  deren  einem  man  auch  Hörner  be- 
merkt. Fast  alle  diese  Figuren  haben  beide  Arme  ausge- 
streckt, während  sie  mit  den  Füssen  fest  zusammengeschlossen 
stehen,  was  aber  einen  Zwischenraum  zwischen  den  Beinen 
nicht  ausschliesst,  so  dass  sie  krummbeinig  aussehen.  Die 
Füsse,  die  übrigens  gar  nicht  dargestellt  sind,  sind  mit  einer 
horizontal  liegenden  Spirale  verbunden,  die  als  Basis  der 
Figuren  diente  und  mit  eisernen  Stiften,  wovon  sich  an  einem 
Exemplar  ein  Rest  erhalten  zu  haben  scheint,  auf  einem 
Grunde  befestigt  war.  Zu  beiden  Seiten  des  Kopfes  oder 
auch  in  den  Händen  der  Figuren  befinden  sich  Löcher,  in 
denen  noch  Reste  von  Kettchen  hängen,  an  denen  das  Geräth, 
zu  dem  sie  gehörten,  getragen  wurde.  Die  Thierfiguren  be- 
stehen in  Vögeln  und  vierfüssigen  Thieren,  sind  aber  im  Ein- 
zelnen, mit  der  Ausnahme  eines  Hirsches,  schwer  zu  bestimmen. 
Sie  stehen  entweder  auf  schlichten  Basen  oder  sind  in  der 
oben  erwähnten  Weise  mit  Spiralen  verbunden,  den  meisten 
fehlt  jetzt  übrigens  die  Basis.  Alle  aber  haben  eine  Vor- 
richtung, um  Ketten  daran  zu  befestigen,  ein  Loch  im  Maul 
oder,  einen  Ring  auf  dem  Rücken,  sodass  sie  offenbar  in 
derselben  Weise  angebracht  waren,  wie  die  menschlichen 
Figuren. 

Und  wie  nun  beide  angebracht  waren,  erhellt  aus  ana- 
logen Denkmälern;  es  sind  Verzierungen  von  Deckeln  von 
Gefässen,  die  an  Ketten  nach  Art  der  Cisten  getragen  wurden, 


134  Das  Schreibgeräthe. 

und    zwar    nehmen    wir   an,    dass   von    jeder    der    kleinen 
Figuren  eine  besondere  Kette  ausging. 

Die  Figuren  sind  etruscisches  Fabrikat,  was  durch  einen 
neueren  Fund  festgestellt  ist.  Es  ist  auch  durchaus  derselbe 
etruscische  Geschmack,  der  sich  in  der  Verzierung  der  Weih- 
rauchständer und  Candelaberschäfte  mit  kleinen  Thieren  aus- 
spricht. 

Vgl.  Gerhard  Spiegel  I,  Taf.  18,  wo  ganz  übereinstimmeDde  Figuren- 
abgebildet  sind,  Gozzadini  di  un  sepolcreto  etrusco  1854  p.  23,  24,. 
tav.  5,  9  und  bullet.  1866  p.  98. 

547d.  Yier  desgl.  zumTheil  phantastisch  gebildet  Aus. 
Gerhardts  Nachlass  1869  erworben     192.  193.  195.  207. 

5476.  f.  Zwei  desgl.,  ganz  tibereinstimmend,  das  erstere 
aus  der  alt.  Samml.  B.  d.  B.  B.  35. 

547g.l1.  Zwei  de'sgl.,  aus  den  an  einander  gesetzten 
Vordertheilen  gehörnter  Thiere  bestehend.  Aus  der  SammL 
Koller  237.  238. 

547^   Desgl.    In  der  Mitte  des  Bauches  durchbohrt 


B.  Schreibgeräthe. 

1)  Schreibgriffel. 

Die  Alten  schrieben  auf  Papier  mitRohrfedem  ohne  oder 
mit  Spalte^),  auch  mit  Broncestiften  mit  gespaltener  Spitze^ 
auf  ihre  wachsüberzogenen  Holztafeln  aber,  von  denen  einige 
im  Pesther  und  im  hiesigen  Museum  zu  sehen  sind,  mit  ein- 
fachen Stiften  von  Bronce  oder  Knochen.  Man  hat  aber  auf-- 
zumerken,  um  diese  Schreibgriffel  nicht  mit  anderen  Dingen 
zu  verwechseln.    Denn  man  hat  die  Schreibgriffel  wohl  för 


^ 


*)  Das  erstere  wird  durch  die  in  Neapel  befindliche  Rohrfeder  be- 
wiesen, die  zugleich  mit  Martorelll's  bekanntem  Dintenfass  gefunden  ist^ 
lieber  das  Andere  vgl.  die  Stellen  in  Becker-Marquardt's  Handbuch  V^ 
p.  401. 

2)  In  Trastevere  wurde  an  der  Steile,  wo  der  Apoxyomenos  gefun- 
den ist,  ein  Broncegriffel  gefunden  colla  punta  spaccata  a  guisa  delle 
uostre  penne  uud  daneben  ein  kleines  Gefäss  mit  Dinte,  bullet.  1849 
p.  169. 


Das  Schreibgeräthe.  135 

Ohrlöffel  erklärt,  indem  das  obere  Ende  oft  einem  Ohrlöffel- 
chen ähnlich  sieht  und  gewiss  auch  so  benutzt  wurde.  Der 
Unterschied  ist  aber  dieser,  dass  der  Ohrlöffel  immer  ein 
kurzes  Instrument  ist  und  auch  keine  Spitze  unten  hat,  die 
dem  Grriffel  nothwendig  ist.  Das  obere  Ende  des  Griffels, 
das  dazu  diente,  irrthümlich  in's  Wachs  Eingeritztes  auszu- 
wischen oder  richtiger  auszuglätten,  oder  auch  bereits  benutzte 
Blätter  zu  neuer  Benutzung  herzurichten,  ist  verschiedenartig, 
immer  aber  sehr  praktisch  gestaltet.  Bald  sieht  es  wie  ein 
kleiner  Meissel,  bald  wie  ein  Ohrlöffelchen,  und  endlich,  was 
besonders  hübsch  ist,  wie  ein  glättender  Daumennagel  aus. 

Sichere  Ohrlöffel  sind  bei  Smith  collect,  antiq.  IX,  5,  1  publicirt, 
wo  der  Ohrlöffel  zusammea  mit  einer  volsella  noch  an  einem  Ring  hängt, 
cf.  Vi.  pl.  34,  3. 

548.  Schreibgriffel,  oben  meisselförmig  gestaltet,  mit 
feinen  Verzierungen.     L.  4%".     Aelt.  Samml.  R.  1. 

549.  Desgl.,  ganz  einfach.  L.  4%".  Aelt.  Samml.  R.  2. 

550.  Desgl.,  kleiner,  Minutoli.     L.  2'/8"« 

551.  Desgl.,  nicht  ganz  erhalten. 

552.  Desgl.,  oben  wie  der  Nagel  des  Fingers  gestaltet. 
Samml.  Minutoli. 

552*-   Desgl.  ähnlich,  aus  Gerhardts  Samml.  1869  er- 
worben.   28. 

553.  Desgl.  oben  ohrlöffelförmig.    Aelt.  Samml.  R.  7. 
L.  51/4''. 

554.  Desgl.  Aelt.  Samml'  R.  7»-  L.  b^jj'. 

555.  Desgl.  Aelt  Samml.  R.  8.     L.  4V4". 

556.  Desgl.  Aelt  Samml.   R.  9.   L    6". 

557.  Desgl.  Aus  dem  Nachlass  des  Obristlieut  Schmidt 
1846  erworben.     2866.     L.  572''- 

558.  Desgl.  Ebendaher.    2867.   L.  3". 

559.  Desgl.  Aus  Attika,  1869  gekauft.   2757. 


136  Das  Schreibgeräthö. 

559^  Zwei  desgl.  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben. 24.  80*-   L.  5". 

559^-   Zwei  desgl.,  einer  fragmentirt. 

559^-  Desgl.  mit  plattem  Knopf.  Aus  dem  Nachlass 
des  Prof.  Kösel  1844  erworben.     2755.     L.  5^8". 

560—564.  Fünf  desgl.  v.  S'/g"  bis  5''  Länge. 

2)   Dintenfässer. 

In  der  Bestimmung  der  im  Folgenden  aufgeführten  Ge- 
fässe  haben  wir  uns  theils  durch  pompejanische  Bilder  leiten 
lassen,  wo  ganz  ähnliche  Geräthe  vorkommen  und  aus  ihrer 
Umgebung  mit  Sicherheit  zu  bestimmen  sind,  theils  durch 
die  Aehnlichkeit  derselben  mit  modernen  Dintenfässern  und 
durch  ihre  für  den  vorausgesetzten  Zweck  praktische  Ein- 
richtung. 

Vgl.  Mus.  borbon.  I,  12. 

565.  Kleines  Dintenfass,  aus  Pompeji,  durch  Ternite 
ins  Museum  gekommen.   T.  3.   H.  l^lo"-   Durchm.  IV*''« 

566.  Desgl.  grösser  und  mit  Deckel.  Aus  Pompeji.  Von 
Prof.  Zahn  1869  angekauft.  3768.  H.  3^/4".  Durchm.  SV*". 

567.  Desgl.  aus  der  alt.  Sammlung  K.  33.  H.  21/4". 
Durchm.  2^U''. 

568.  Desgl.,  fragmentirt,  aus  der  Sammlung  Koller  364. 
Hierin  ist  noch  die  Dinte  in  versteinertem  Zustande  erhalten. 


3)   Angebliche  Siegelkapseln. 

Wir  führen  die  folgenden  Geräthe  unter  dieser  Benen- 
nung auf,  obgleich  wir  an  der  Kichtigkeit  derselben  zweifeln. 
Aber  da  wir  nichts  Besseres  an  die  Stelle  zu  setzen  wissen, 
so  schien  es  am  räthlichsten,  in  der  Classificirung  der  relativ 
besten  Annahme  zu  folgen. 

Nach  derselben  sind  diese  kleinen,  theils  runden,  theils 
viereckigen,  theils  herzförmigen  Kapseln  Siegelbehälter  ge- 
wesen, die  man  an  Diplome  heftete.    Durch  die  Löcher  die 


Die  angeblichen  Siegelkapseln.  137 

man  au  den  Seiten  und  auf  dem  Boden  der  Kapsel  bemerkt, 
wurde  wie  man  glaubt  das  Band  gezogen,  an  dem  die  Kapsel 
hing  und  dann  durch  das  darauf  gesetzte  Wachssiegel  be- 
festigt. Bei  dieser  Annahme  ist  nur  die  Kleinheit  mehrerer 
dieser  Kapseln  auffallend,  mehr  aber  noch  ein  bei  n.  573 
vorkommender  Umstand.  Diese  Kapsel  hat  nämlich  nicht 
einen  aufliegenden  oder  übergreifenden  Deckel,  wie  die 
übrigen,  sondern  einen  ins  Innere  der  Kapsel  hineingreifenden 
Deckel,  der,  wenn  zugeklappt,  unfehlbar  das  Siegel  zerstören 
würde.  Auch  der  Fundort  ist  bei  dieser  Annahme  auffallend, 
man  findet  nämlich  solche  Kapseln  in  Aschenurnen  i). 

Nach  Anderer  Meinung  waren  diese  Kapseln  zur  Auf- 
nahme wohlriechender  Stoffe,  etwa  von  Riechschwamm,  be- 
stimmt und  die  Löcher  zur  Verbreitung  des  Wohlgeruchs. 
Aber  dieser  Meinung  steht  der  Umstand  entgegen,  dass  keine 
dieser  Kapseln  eine  Oese  zum  Anhängen  hat,  und  anders  als 
nach  Art  schmückender  Anhängsel  konnten  doch  solche  Wohl- 
geruchkapseln schwerlich  getragen  werden.  Dass  sie  wenig- 
stens gesehen  werden  sollten,  beweisen  die  zum  Theil  nied- 
lichen und  feinen  Reliefs  auf  den  Deckeln. 

Alle  diese  Kapseln  scheinen"  übrigens  römischen  Ursprungs 
zu  sein. 

Die  Annahme,  dass  diese  Kapseln  zur  Aufbewahrung  von  Siegeln 
gedient  hätten,  rührt  von  Frau  Mertens-Schaafhausen  her,  die  ihrer 
viele  gesammelt  hatte.  Vgl.  Jahrb.  f.  Alterthumsfr.  im  Rheinlande  XV, 
p.  140  und  Taf.  4  und  XXVII,  p.  94.  Ebenso  meint  Brunn  im  bull. 
1862  p.  7.  Die  andere  Meinung  dagegen  ist  die  traditionelle,  die  auch 
E.  aus'm  Weerth  in  den  citirten  Jahrbüchern  an  der  zweiten  Stelle 
ausspricht. 

569.  Kapsel  mit  dem  niedlichen  Relief  einer  Victoria 
auf  dem  Deckel,  die  in  eilendem  Schritt  Palmzweig  und  Kranz 
überbringt.     Aus  der  Bartholdy'scben  Sammlung.   D.  91. 

570.  Desgl.  mit  dem  Bilde  eines  Merkur,  der  reich  mit 
Attributen  versehen  ist.  Er  hält  Caduceus  und  Beutel  und 
neben  ihm  steht  ein  Hahn  und  auf  der  anderen  Seite  wie  es 
scheint  ein  Schaaf.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  58. 

571.  Desgl.  herzförmig  und  auf  dem  Deckel  emaillirt. 
Ebendaher  50. 


^)  Gochet  sepultures  gauloises,  romaines  etc.  p«  65. 


138  Die  Sieg:el. 

572.  Desgl.  viereckig.    Ebendaher  49. 

573.  Desgl.  rund;  mit  eingreifendem  Deckel,  wovon  eben 
in  der  Einleitung  die  Rede  war.  Bei  Cleve  gefunden.  Aelt» 
Samml.  Q»-  1. 

574 — 576.  Drei  desgl.,  zwei  viereckig,  eine  herzförmig. 
Bei  Cleve  gefunden.    Aelt.  Samml.  Q*-  2 — 4. 

577 — 579.  Drei  desgl.,  ohne  Deckel.  Bei  Cleve  ge- 
funden.   Aelt.  Samml.  Q*«  5 — 7. 

4)   Siegel. 

Es  sind  uns  aus  dem  Alterthum  Siegel  von  Terrakotta 
und  von  Blei  erhalten.  Die  ersteren  waren  sämmtlich^  wie 
es  scheint,  zum  Anhängen  an  Schriftstücke  bestimmt,  sie  sind 
nämlich  ihrem  ganzen  Durchmesser  nach  durchbohrt,  um  die 
Schnur,  an  der  sie  hingen,  durchziehen  zu  können,  die  letz- 
teren sind  zum  Theil  von  derselben  Art  und  diese  erkennt 
man  leicht  an  dem  höheren  Relief,  das  schon  der  Durch- 
bohrung wegen  nöthig  war,  zum  grösseren  Theil  aber  sind 
sie  ganz  glatt  und  müssen  auf  andere  Weise,  etwa  in  Kapseln^ 
mit  dem  Schriftstück  in  Verbindung  gebracht  sein. 

Vgl.  Ficoroni  piombi  antichi  und  unten  den  Abschnitt 
über  Bleimarken. 

579^  Siegel  zum  Anhängen.  Einerseits  ein  Löwenkopf 
in  sehr  hohem  Relief,  andererseits  der  bekannte  Gemmen- 
und  Mänztypus  der  Venus,  auf  dem  sie  Helm  und  Lanze  in 
den  Händen  und  den  Schild  neben  sich  hat.  Auf  der  Seite 
des  Löwenkopfs  bemerkt  man  noch  die  Löcher,  durch  welche 
die  Schnur  gezogen  wurde.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben. 

579^-  Plattes  Siegel  mit  gnostischen  Emblemen.  Auf 
der  einen  Seite  der  auf  den  gnostischen  Gemmen  so  gewöhn- 
liche hahnenköpfige  und  in  Schlangen  auslaufende  Gott,  auf 
der  anderen  Seite  ein  kleiner  von  einem  Löwen  angegriffener 
Mann.    Ebendaher. 


C  Eiichengeräth. 

Es  ist  eine  auffallende  Thatsache,  dass  auch  das  Eüchen- 
geräth  zum  grossen  Theil  aus  Gräbern  hervorgezogen  wird. 


Casserolen,  Kessel  und  Aehnliches.  13^ 

Und  zwar  nicht  bloss  in  einzelnen  Stücken,  die  mehr  zufällig 
hineingesetzt  sein  könnten,  sondern  man  findet  manchmal  einen 
ganzen  Küchenapparat,  den  wir  nur  durch  die  Voraussetzung 
zu  erklären  vermögen,  dass  die  Wohnungen  der  Todten  ebenso 
wie  die  "Wohnungen  der  Lebendigen  ausgestattet  werden 
sollten. 

Küchengeräth  aus  Gräbern  von  Orvieto  bull.  1832  p.  217,  aus  eng- 
lischen Gräbern  Smith  Collect.  II,  29  ff. 


1)   Casserolen,  Kessel  und  Aehnliches. 

580.  Grosse  Casserole,  von  welcher  nur  der  Boden 
und  der  obere  Rand  mit  dem  Stiel  erhalten  ist.  Gefunden 
1869  auf  dem  Blumentharschen  Rittergute  Segenthin  im  Kreis 
Schlawe  in  Pommern.   3765.   Durchm.  9V2". 

Der  Stiel  trägt  den  Fabrikstempel  TALIO  F.  Inwendig 
ist  das  Gefäss  versilbert  oder  mit  einer  silberartigen  Compo- 
sition  überzogen. 

Antike  Gelasse  inwendig  verzinnt,  was  die  Alten  nach  Pliniii» 
kannten,  waren  einem  Kenner,  dorn  Grafen  Caylus  Recueil  d'antiq.  V^ 
292  nicht  bekannt,  die  herkulanischen  sind,  wie  er  behauptet,  versilbert. 
Von  den  unserigen  wage  ich  nur  nach  dem  Urtheil  eines  Sachverstän- 
digen zu  behaupten,  dass  sie  nicht  verzinnt  sind. 

581.  DesgL',  aus  der  KoUer'schen  Sammlung.  381» 
Durchm.  478"«  ^^^  Gefäss  war  aussen  und  innen  versilbert^ 
aber  die  Versilberung  ist  zum  Theil  heruntergegangen. 

582.  Desgl.  Auch  dies  Gefäss  war  aussen  und  innen 
versilbert.    Durchm.  A^IJ*. 

583.  Desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant 
Schmidt  zu  Berlin  1846  erworben.   2842.   Durchm.  7". 

Von  diesem  schönen  Gefäss  ist  leider  wenig  erhalten,, 
nämlich  nur  der  Henkel  mit  einem  Stück  des  Randes  und 
ein  anderes  Stück  des  Randes.  Der  Henkel  hat  einen  Fabri- 
kantenstempel VRBIANVS.  EPH)!,  und  ist  mit  feinen  Orna- 
menten verziert.  Das  Gefäss  war  innen  ganz  und  aussen  am 
Rand  versilbert. 

584.  Tiegel  zum  Kochen,  auf  drei  Füssen  ruhend* 
Durchm.  7V2". 


140  I^ic  Pfannen. 

584*-  Pfanuenartiges  Geräth,  aber  mit  einem  Fuss 
zum  Hinstellen  versehen.  Der^Griff  ist  mit  Knöpfen  ver- 
ziert.    Durchm.  OVs"* 

584^-  Grosser  Wasserkessel;  der  bestimmt  war  über 
dem  Feuer  zu  hängen,  1822  in  Pompeji  in  Gegenwart  des 
Königs  Friedrich  Wilhelm  III.  ausgegraben  und  aus  dessen 
Besitz  in  den  des  Museums  übergegangen.  A.  1.  H.  14^2". 
Durchm.  I3V2''. 

Der  Kessel  ist  vollständig  erhalten  bis  auf  die  Henkel, 
deren  früheres  Vorhandensein  indess  durch  Reste  der  Niet- 
nägel bewiesen  sind.  Wie  die  Henkel  aussahen,  kann  man 
an  den  genau  übereinstimmenden  im  Mus.  borb.  V,  58  abge- 
bildeten Exemplaren  sehen,  die  ebenfalls  in  Pompeji  ge- 
funden sind. 

Dies  ist  der  gewöhnliche  Wasserkessel,  der  wohl  in 
keinem  Hause  fehlte,  das  ahenum  quod  supra  focum  pendet. 

Die  Stellen  der  Alten  bei  Becker  Gallus  H,  312. 

584*-  Feuerbock  aus  Chiusi,  1841  durch  Professor 
Gerhard  gekauft.    2700. 

Höchst  wahrscheinlich  diente  dies  Geräth  zusammen  mit 
einem  zweiten  gleichen  dazu,  die  Unterlage  eines  Rostes  zu 
bilden,  der  dann  durch  übergelegte  Querstäbe  gebildet  wurde, 
oder  es  konnte  auch  ganz  einfach  zum  Feueranmachen  be- 
nutzt werden,  indem  man  Holzscheite  darüber  legte.  Jeden- 
falls hat  es  für  sich  bestanden,  da  man  nirgend  eine  Spur 
bemerkt,  dass  ein  anderer  Gegenstand  damit  verbunden  war. 
In  Pompeji  und  Pästum  sind  ähnliche  Geräthe  gefunden 
worden.  Vgl.  Mus.  borb.  X,  tav.  64  und  Rieh,  lUustrirtes 
Wörterbuch  der  Rom.  Alterth.  s.  v.  vara  n.  3. 

2)  Pfannen. 

Die  hier  aufgeführten  Pfannen  haben  zum  Theil  so  reich 
verzierte  Griffe,  dass  sie  vielleicht  gar  nicht  für  die  Küche 
bestimmt  waren.  Man  kann  freilich  andererseits  nicht  wissen, 
wie  weit  der  etruscische  Luxus  ging  —  denn  nur  um  etrus- 
cische  Pfannen  handelt  es  sich.  Denkbar  wäre  auch,  dass 
sie  nur  für  das  Grab  fabricirt  wären,  wir  können  diese  Fragen 
leider  nicht  beantworten. 

584^-  Etruscische  Pfanne,  aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy  B.  60.     Durchm.  12". 


Die  Pfannen.  14^ 

Der  Stiel  derselben  wird  durch  eine  nackte  männliche 
Figur  gebildet,  deren  alterthümlicher  Stil  mit  der  Strenge 
des  tektonischen  Motivs  in  glücklichstem  Einklang  steht.  Die 
Figur  die  in  Pfannen  von  Terrakotta  ganz  ähnlich  wiederkehrt 
ist  wie  eineArt  Atlant  gedacht,  sie  trägt  mit  symmetrisch  erhobe- 
nen Armen  die  Schale  tiber  ihrem  Haupte  und  ist  fest  mit  den 
Beinen  zusammengeschlossen,  um  griffartig  fungiren  zu  können. 
Da  nun  aber  der  Griff  seiner  Natur  nach  in  eine  Spitze  aus- 
laufen muss,  so  hat  man  wie  gewöhnlich  an  Griffen,  einen 
spitzzulaufenden  Thierkopf,  einen  Widderkopf  hinzugefügt. 
Auch  oben  konnte  die  menschliche  Figur  nicht  unmittelbar 
die  Schaale  berühren,  es  bedurfte  zur  Festigkeit  des  Zusam- 
menhangs zwischen  Griff  und  Schale  eines  breiteren  Mittel- 
gliedes, das  denn  nicht  unver ziert  bleiben  konnte  und  hier 
mit  Thieren,  mit  Schafen  verziert  ist.  Dies  Mittelglied  ist 
auch  in  künstlerischer  Hinsicht  nicht  unvortheilhaft,  eben  als 
vermittelndes  Glied  zwischen  dem  breiten  Rand  der  Schale 
und  dem  dünnen  Griff. 

Es  heiest  die  geistige  Sphäre,  in  welcher  sich  die  Fabri- 
kanten solcher  Geräthe  befanden,  völlig  missverstehen,  wenn 
man,  wie  geschehen  ist,  die  Verzierungen  dieses  Griffs  etwa 
auf  mythologische  oder  symbolische  Motive,  die  ohnehin  immer 
nur  mit  unlogischen  oder  gezwungenen  Operationen  gewonnen 
werden,  zurückführt.  Unter  n.  1037  ff.  werden  ganz  analog 
gebildete  Geräthe  aufgeführt,  nämlich  Gürtelhaken  in  Form 
von  geharnischten  Männern,  unter  Heren  Füssen  ein  Rehkopf 
angebracht  ist,  sollte  es  wohl  möglich  sein,  hiefür  eine  andere 
Motivirung  zu  finden,  als  die  Rücksicht  auf  die  tektonische 
Zweckmässigkeit  ? 

Uebrigens  ist  dieser  Griff  in  vielen  Exemplaren  vorhanden. 

584®-  Desgl.,  aus  der  Bartholdy'schen  Sammlung.  B.  61. 
Durchm.  9". 

Der  Griff  wird  durch  einen  Löwen  gebildet,  der  mit 
seinen  Vordertatzen  in  ein  jonisches  Kapitell  hineingreift, 
welches  die  Vermittlung  zwischen  Schale  und  Griff  bildet. 
An  die  Hinterfüsse  schliesst  sich  eine  Palmette  an,  die  keinen 
praktischen  Zweck  hat,  sondern  nur  omamental  ist,  sie  soll 
nämlich  den  Griff  in  eine  Spitze  auslaufen  lassen,  wozu  der 
Widderkopf  an  dem  vorigen  Stück  diente.  Man  kann  die 
figürlich  gestalteten  Henkel  von  Krügen  vergleichen,  an  welchen 
die  Figur  auf  einer  Palmette  steht. 


i 


142      Die  Küchensiebe.  —  Die  Trichter,  Schöpfkellen,  Reiben. 


3)   Küchensiebe. 

In  der  Unterscheidung  von  Küchensieben  und  Weinsieben 
haben  wir  uns  zunächst  durch  die  Erwägung  leiten  lassen, 
dass  die  letzteren  als  zum  Tafelservice  gehörig,  feiner  und 
eleganter  aussehen  mussten,  als  die  ersteren.  Sodann  aber 
scheint  auch  ein  Unterschied  der  Form  vorhanden  gewesen 
zu  sein,  die  Weinsiebe  haben  auf  den  Denkmäjem  nicht  die 
Form  einer  einfachen  tiefen  Schale,  sondern  einer  Schale,  in 
deren  Boden  sich  mit  besonderer  Ausbauchung  das  Sieb  an- 
hängt.   Vgl.  den  Artikel  über  die  Weinsiebe. 

585.  Küchensieb,  aus  der  Koller'schen  Sammlung  388. 
L.  12%".  Durchm.  4"  und  5^2 ".  Der  Boden  des  Siebes  ist 
eingesetzt,  aber  antik. 

586.  Desgl.,  aus  der  Koller'schen  Samml.  387.  L.  ll^«". 
Durchm.  5".  Das  Sieb  hat  auf  der  einen  Seite  einen  längeren, 
wie  es  scheint,  in  einen  Schlangenkopf  auslaufenden  Henkel 
und  auf  der  anderen  Seite  einen  kürzeren,  der  ein  festes 
Auflegen  des  Siebes  möglich  machte. 

4)  Trichter,  Schöpfkellen,  Reiben. 

587.  Trichter,  1822  in  Pompeji  in  Gegenwart  des 
Königs  Friedrich  Wilhelm  III.  gefunden,  der  ihm  dem  Museum 
geschenkt  hat.     B.  26*- 

Er  besteht  in  einer  halbkugelförmigen  Schale  und  langer, 
spitzer  Röhre.     L.  4V2"« 

588.  Schöpfkelle,  die  in  Pompeji  gefunden  sein  soll 
Aus  dem  Vermächtniss  des  Prof.  Rösel,  der  1844  eine  nicht 
kleine  Anzahl  von  Broncen  dem  Museum  vermachte.  2754. 
L.  12  Vi". 

Das  ziemlich  kugelförmige  Schöpfgefäss  ist  nur  vermit- 
telst eines  umgelegten  Drahtes  mit  dem  Griff  befestigt. 

Ein  ganz  übereinstimmendes  Geräth  ist  in  Gräbern  von  Nocera  ge- 
funden, das  Minervini  bullet,  napol.  N.  S.  V.  zu  tav.  3  irrthümlich  mit 
dem  Simpulum  identificirt. 

589.  DesgL,  flacher.  Aus  der  Bartholdy'schen  SammL 
D.  8.   L.  118/^". 


Die  Gefässe  zum  Waschen  der  Hände  und  Füsse.  ]^45 

589*-  Schöpflöffel;  beiCleve  gefunden,  aus  der  Samm- 
lung Minutoli.   B.  28.   L.  12". 

589^-  Löffel  mit  flachem  Blatt,  nur  zum  Umrühren 
bestimmt 

590 — 593.  Reiben,  drei  ziemlich  vollständig  erhalten, 
nebst  drei  Fragmenten.     Länge  von  4^2  l^is  5". 

Diese  Reiben  sind  fast  ganz  so  gestaltet,  wie  unsere  heu- 
tigen, nur  dass  sie  nicht  gebogen  sind.  An  einer  derselben 
sind  am  Rande  noch  Nietnägel  erhalten,  die  unzweifelhaft  den 
Zweck  hatten,  eine  Randverstärkung,  die  ja  auch  heutiges 
Tages  üblich  ist,  anzuheften.  Diese  Randverstärkung  wird 
zugleich  den  Griff  zum  Anfassen  gebildet  haben. 

In  Gräbern  von  Nocera,  Sorrent  etc.  sind  ähnliche  gefunden.   Vgl. 
Bullet,  archeol.  Bapolet.  N.  S.  V,  zu  tav.  III. 

593*-  Pfefferstreuer,  ein  seltenes  Stück.  Aus  der 
Sammlung  Koller  622.  Er  ist  eicheiförmig  gestaltet  und  der 
untere  Theil  der  Eichel  ist  siebförmig  durchlöchert,  während 
der  obere  den  Deckel  bildet,  der  jetzt  übrigens  nicht  mehr 
abnehmbar  ist.  Der  sechskantige  Stiel  ist  nicht  ganz  voll- 
ständig erhalten. 


D.  Tafelgeräth. 

1)  Gefässe  zum  Waschen  der  Hände  und  Füsse. 

Für  Hand-  und  Fusswaschung  musste  es  im  Alterthum 
kostbarere  Geräthe  geben,  als  bei  uns,  weil  diese  Proceduren 
nicht  bloss  im  Verborgenen,  in  der  Kammer,  sondern  auch 
öffentlich  in  festlicher  Umgebung  vorgenommen  wurden.  Denn 
es  war  Sitte,  vor  der  Mahlzeit  sich  zuerst  die  Füsse  waschen 
zu  lassen  und  dann  die  Hände  zu  waschen.  Von  den  Ge- 
räthen  freilich,  die  man  dazu  gebrauchte,  wissen  wir  kaum 
mehr  als  den  blossen  Namen,  doch  können  wir  uns  aus  den 
antiken  Darbtellungen  von  der  Fusswaschung  des  Odysseus 
und  des  Skiron  eine  Vorstellung  von  dem  betreffenden  Geräth 
machen.  Es  waren  flache  Schalen  von  grossem  Umfange,  wie 
es  für  die  praktische  Bestimmung  am  angemessensten  ist, 
dazu  mit  einem  Fuss  und  auch  wohl  mit  Henkeln  versehen. 


j^44  ^'6  Giesskannen. 

Das  Geräth  im  Hause  des  Odysseus  war  von  Erz  und  dies  wird 
wohl  in  begüterten  Häusern  das  Gewöhnliche  gewesen  sein. 

Vgl.  z.  B.  Monum.  d.  inst.  III,  47.  IV,  32.  Auf  einem  bekannten 
Wandgemälde  von  Tarquinii  (Mus.  Greg.  I,  104)  ist  ein  reich  besetzter 
Schenktisch  dargestellt  und  unter  demselben  stehen  Becken  mit  Kannen 
darin,  die  gewiss  zum  Waschen  der  Hände  und  Füsse  dienten. 

594.  Becken  zum  Fusswaschen,  mit  zwei  Henkeln 
und  Fuss.    Zierlich  omamentirt.    D.  16^ jj'. 

595.  Desgl.  Aus  der  KoUer'schen  Sammlung.  311.,  auch 
mit  Henkeln  und  drei  Füssen  in  Form  kleiner  Rollen.  D.  14^/8". 

Kleine  Rollen  als  Vasenfiisse  kommen  an  pompejanischen  Vasen 
vor  (Mus.  borb.  IV,  12,  2),  vielleicht  ist  auch  unser  Geföss  aus  Pompeji. 

596.  Kleineres  Gefäss  derselben  Form,  das  ver- 
muthlich  zum  Waschen  der  Hände  diente.  Mit  Fuss  und  zwei 
Henkeln.    D.  llVo". 

2)  Giesskannen. 

Die  Giesskannen  für  Wein  und  Wasser  sind  in  der  Form 
nicht  von  einander  verschieden,  es  wäre  auch  kein  Grund  far 
einen  Unterschied  denkbar.  Nur  hinsichtlich  der  Grösse  möch- 
ten wir  die  Voraussetzung  wagen,  dass  alle  kleinen  Giess- 
kannen Weingefässe  gewesen  seien.  Wo  wir  diese  kleinen 
Kannen  auf  Denkmälern  gesehen  haben,  da  wurde  Wein  da- 
raus geschenkt,  was  aber  mehr  bedeutet,  ist  der  Umstand,  dass 
die  Kleinheit  der  Kanne  beim  Wein  viel  besser  zu  motiviren 
ist  als  beim  Wasser.  Man  trank  den  Wein  doch  eben  in 
bestimmten  kleinen  Quantitäten  und  mit  sehr  viel  Wasser  ge- 
mischt Endlich  ist  auch  das  zu  beachten,  dass  an  diesen 
kleinen  Kannen  Verzierungen  vorkommen,  die  nur  für  Wein- 
kannen passend  sind,  z.  B.  Mus.  borb.  IV,  43. 

Die  kleinen  Kannen  sind  daher  alle  unter  dem  Wein- 
geräth  aufgeführt,  die  grossen  dagegen,  die  für  Jbeides,  für 
Wein  und  Wasser,  bestimmt  sein  mögen,  folgen  hier  unten. 

Man  hat  solche  Geräthe  auch  in  Thon,  an  denen  nur 
dem  Henkel  nach  der  Natur  des  Materials  nicht  die  Freiheit 
gelassen  ist,  wie  in  der  Bronce.  Henkel,  die  sich  schlank  und 
hoch  über  den  Rand  des  Gefässes  erheben,  dürften  sich  im 
guten  Thonstyl,  der  das  Praktische  sucht  und  in  den  Grenzen 
des  Materials  bleibt,  nicht  leicht  finden.    Anders  freilich  im 


Etruscische  Kannen  älteren  Styles.  145 

Verfallstyl,  wie  ein  Blick  in  eine  Sammlung  unteritalischer 
Vasen  lehrt,  wo  man  eben  über  die  Schranke  des  Materials 
hinausgeht  und  Broncehenkel  imitirt. 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  gerade  in  der  Gestal- 
tung der  Henkel  die  Bronce  einen  grossen  Vorsprung  hat  vor 
dem  Thon  und  dass  eben  darum,  da  die  Formen  des  Gefässes 
für  beide  dieselben  sind,  die  Broncegefässe  den  thönernen 
an  Schönheit  voranstehen.  Die  Broncekannen  mit  den  hohen, 
graziös  geschwungenen  Henkeln  gehören  in  der  That  zu  den 
schönsten  antiken  Geräthen,  die  existiren. 

Wir  können  nach  unserem  Material  Giesskannen  alten 
und  jüngeren  Styls  unterscheiden.  Doch  nur  in  etruscischen 
.  Arbeiten,  auf  die  wir  ja  überhaupt  wegen  der  Ärmuth  der 
griechischen  Gräber  fast  ausschliesslich  angewiesen  sind. 

Am  fühlbarsten  ist  der  Unterschied  älterer  und  jüngerer 
Bildung  an  den  unter  597 — 599  einerseits  und  606 — 608 
andererseits  aufgeführten  Kannen.  An  jenen  ist  alles 
starrer  und  strenger,  an  den  späteren  sind  die  Formen  be- 
lebter und  schwungvoller.  Diese  sind  nämlich  bauchiger,  so 
dass  ihr  Contour  eine  bewegtere  Linie  bildet,  während  jene 
gleichförmiger  ohne  starke  Ausladung  anwachsen.  Der  Hals 
bildet  an  jenen  ein  starres,  kaum  geschwungenes  Profil,  hier 
ist  er  stärker,  hohlkehlenartig  eingezogen,  am  fühlbarsten  aber 
ist  die  Verschiedenheit  der  Mündung,  indem  dort  die  auf- 
wärts gerichtete  Tülle  sich  in  starrer  gerader  Linie  lostrennt, 
während  hier  alle  Linien  abgerundet  sind,  so  dass  die  Klee- 
blattform der  Mündung  entsteht,  die  zugleich  so  praktisch  ist, 
indem  sie  alles  Uebergiessen  verhindert  und  in  höchstem 
Maasse  elegant  aussieht.  Endlich  bleibt  noch  die  Verschieden- 
heit des  Henkels  zu  erwähnen,  der  dort  ganz  einfach  und 
streng  gehalten  ist,  während  er  sich  hier  in  graziöser 
Schwingung  über  das  Gefäss  erhebt. 

Diese  elegantere  Form  der  Giesskanne  war  in  Griechen- 
land bereits  im  fünften  Jahrhundert  üblich,  wie  aus  den  Vasen- 
bildem  hervorgeht.  Sie  hat  sich  Jahrhunderte  lang  gehalten,  in 
Pompeji  und  Herkulanum  kommt  sie  noch  ganz  unverändert  vor. 

a.  Etruscische  Kannen  älteren  Styles. 

597.  Kanne,  aus  dem  Besitz  Bellori's.   A.  4.  H.  lOVg"* 
Der  Henkel  läuft  oben  in  Widderköpfe  aus,  unten  in 

einen  menschlichen  Kopf,  der  von  Schlangen  umringelt  ist, 

unter  denen  sich  die  Palmette  befindet 

Friedericbs,  Berlin^s  Antike  Bildwerke  II.  XO 


146  Etruscische  Kannen  älteren  Styles. 

Abg.  ßeger,  thes.  Brand.  III,  302,  der  irrthümlich  ein  Gefäss  des 
ägyptischen  Cultus  zu  erkennen  glaubt.  Vgl.  die  in  Mus.  Greg.  I,  4,  1 
publicirte  Kanne.  Auch  in  Nocera  ist  eine  solche  Kanne  gefunden. 
Bullet,  archeol.  napolet.    N.  S.  V,  3. 

598.  Desgl.,  1865  aus  dem  Verkauf  der  Sammlung 
Pourtal^s  erworben.   3544.   H.  9". 

Der  Henkel  läuft  unten  in  eine  Palmette  aus,  über  wel- 
cher, ähnlich  wie  bei  n.  597,  Schlangen  emporragen. 

599.  Desgl.,  Fragment  Nur  Hals  und  ein  kleines,  mit 
feinen  Verzierungen  bedecktes  Stück  des  Bauches  sind  er- 
halten. 

b.  Aehnliche  Kannen  älteren  Styles,  sämxntlich 

etruscisch. 

6(X).  Kanne  mit  kleeblattförmigem  Ausguss  und  fein  ver- 
ziertem Fuss.  Der  Henkel  läuft  oben  in  drei  Löwenköpfe, 
unten  in  eine  von  Schlangen  überragte  Palmette  aus.  H,  d^JJ'. 

Diese  Kanne  stimmt  mit  der  im  Mus.  Greg.  I,  7,  1  oder  I,  3,  1* 
publicurten. 

601.  Desgl.,  von  derselben  Form.  Der  Henkel  läuft 
oben  in  einen  von  Widderköpfen  umgebenen  Löwenkopf  aus; 
auf  der  unteren  Attache  ist  eine  aus  Voluten  sich  erhebende 
Palmette  in  graffito  angebracht   H.  8^/4". 

602.  Desgl.,  in  der  Form  etwas  schöner,  weil  sie  nach 
unten  spitzer  zuläuft,  wodurch  mehr  Bewegung  entsteht.  Der 
Henkel  wird  durch  eine  nackte  Jünglingsfigur  gebildet,  die 
auf  einer  von  zwei  Büsten  überragten  Palmette  steht  und  sich 
nach  hinten  überbiegt,  etwa  wie  Einer,  der  kopfüber  schlagen 
will.  Am  Bande  des  Gefässes  sitzen  zwei  nicht  näher  be- 
stimmbare Figuren.   H.  14". 

c.  Kannen  von  etwas  anderer  Form,    älteren 

Styles  und  speciflsch.  etruscisch. 

603.  Kanne  aus  Cometo.  Sanmilung  Dorow.  514. 
H.  T^/s". 

Diese  und  die  folgende  Kanne  sind  ebenfalls  etruscische 
Fabrikate,  wie  die  Tülle,   die  ähnlich  gestaltet  ist  wie  an 


Die  Löffel.  147 

n.  597  ff.  und  der  kantige  Contour  beweist  Auch  an  den 
griechischen  Yasenformen  lässt  sich  bemerken,  dass  im  alten 
Styl  kantige  Uebergänge  von  einem  Theil  der  Vase  zum  andern 
vorkommen,  während  der  elegante  Styl  alle  Kanten  abrundet, 
so  dass  der  Contour  der  Vase  durch  eine  ununterbrochene 
und  weich  geschwungene  Linie  gebildet  wird. 

Vgl.  die  im  Mus.  Gregor.  I,  4,  1  abgebildete  and  die  ähnliche  aus 
Nocera,  Bullet,  archeol.  napol  N.  S.  V,  8. 

604.  Desgl.,  von  derselben  Form,  etwas  zerfressen. 
Koller'sche  Sammlung.    334.   H.  S^IJ'. 

605.  Desgl.,  von  derselben  Form,  aber  aus  einer  späteren 
Entwickelung,  indem  das  Kantige  hier  abgerundet  erscheint. 
Der  Henkel  hat  feine  Verzierungen,  er  sieht  wie  eine  Flechte 
aus  und  legt  sich  mit  einer  Palmette,  in  deren  Mitte  sich  eine 
Eichel  befindet,  an  den  Bauch  des  Gefässes  an.   H.  13^/^". 

d.  Kannen  eleganteren  Styles. 

606.  Kanne  eleganten  Styles,  die  nach  ihrer  Form  so- 
wohl griechisch  als  etruscisch  sein  könnte.  Sie  ist  an  mehre- 
ren Stellen  verbogen.     H.  12^  1^"» 

Vgl.  die  übereinstimmenden  Kannen  im  Mus.  Greg.  I,  6,  1.  8,  1^»  etc. 

607.  De  Sgl,  aus  Corneto.  Dorow'sche  Sammlung.  518. 
An  einigen  Stellen  beschädigt.   H.  B'/g"» 

608.  Desgl.    Aeltere  Sammlung.    A.  5.    H.  IOV4". 

3)  Essgeräth. 
a.  Löffel. 

Die  gewöhnlichste  Classe  von  Löffeln,  die  man  in  den 
Museen  findet,  sind  die  für  Eier  und  zugleich  für  Schaal- 
thiere  bestimmten.  Es  sind  Löffel,  die  an  der  einen  Seite 
eine  kleine  Schaale,  bald  rund,  bald  von  der  Form  unserer 
Theelöffel  haben  und  am  anderen  Ende  in  eine  oft  ganz 
scharfe  Spitze  auslaufen.  Diese  Kennzeichen  werden  hin- 
reichen, um  sie  mit  dem  cochlear  zu  identificiren^  welches 
Martial  (14,  121)  sich  so  charakterisiren  lässt:  Sum  cochleis 
habilis,  sed  nee  minus  utilis  ovis.    Das  Löffelchen  an  dem 

10» 


148  Die  Löffel. 

einen  Ende  dient  nämlich  zum  Ausessen  der  Eier,  die  Spitze 
am  entgegengesetzten  Ende  zum  Herausholen  der  Schaalthiere 
aus  ihren  Gehäusen. 

An  vielen  dieser  Löffel  ist  die  Schaale  vermittelst  eines 
kleinen  Knies  an  den  Stiel  angesetzt,  wir  wissen  nicht,  ob 
hierbei  irgend  ein  praktischer  Grund  maassgebend  war. 

Es  ist  natürlich,  dass  diese  kleinen  Eierlöffel  sich  in 
leisen  üebergängen  mit  anderen  etwas  grösseren,  für  andere 
Zwecke  bestimmten  Löffeln  berühren  und  es  wird  daher  in 
jedem  einzelnen  Fall  nicht  möglich  sein,  eine  bestimmte  Ent- 
scheidung zu  geben. 

G.  Pagano,  la  ligula  ossia  quell'  istrumento  da  tavola  dl  cui  gli 
antichi  facevan  uso  invece  della  nostra  forchetta,  Napoli  1830  will  nach 
dem  Bericht  im  bullet,  d'inst.  1830,  p.  223  diese  kleinen  Löffel  mit 
der  ligula  identificiren  und  meint,  dass  eben  die  Spitze  derselben  die 
Gabel  ersetzt  habe.  Aber  die  Türken  beweisen,  dass  man  'solchen  Er- 
satz nicht  braucht  und  Martial  widerspricht  in  der  Benennung.  In  den 
Antiq.  du  Bosph.  Cimm.  zu  Taf.  30,  wo  ein  solcher  Löffel  aus  Silber, 
in  einem  scythischen  Grabe  gefunden,  abgebildet  ist,  wird  auf  Grund 
der  daran  befindlichen,  griechisch  geschriebenen  Inschrift  Vale  vermuthet, 
er  habe  zu  medicinischen  Zwecken  gedient.  Allein  die  Richtigkeit  der 
Lesung,  die  ich  bezweifele,  vorausgesetzt,  so  würde  die  Inschrift  doch 
auch  ebenso  gut  mit  dem  von  mir  angenommenen  Zweck,  den  übrigens 
auch  schon  Andere,  wie  z.  B.  Becker,  Gallus  III,  p.  276  vorausgesetzt 
haben,  stimmen. 

609.  Eierlöffel,  versilbert,  1846  am  Rhein  gekauft. 
2919.  Der  Schaft  dieses  Löffelchens  ist  kannellirt  und  an 
diesen  kannellirten  Theil  schliesst  sich  die  Spitze  an.   L.  5". 

610.  DesgL,  einfacher,  aber  ganz  mit  der  Spitze  er- 
halten.   Sammlung  Minutoli.    L.  4". 

611.  Desgl.  Aeltere  Sammlung.  M,  8.  L.  3",  Ab- 
gebrochen. 

612.  DesgL  Aeltere  Sammlung.  M.  9.  L.  2V2".  Ab- 
gebrochen. 

613.  DesgL,  1846  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant 
Schmidt  erworben.   Abgebrochen.    2862.   L.  372"- 

614.  DesgL  Sammlung  MinutolL  M.  4.  L.  31/2"-  Ab- 
gebrochen. 

615.  Desgl.,  ganz  erhalten  und  kannellirt.  Von  Silber. 
Aeltere  Sammlung.   M.  6.   L.  b^lJ*. 


i 


Die  Löffel.  149 

616.  Desgl.,  ganz  erhalten,  aber  verbogen.  Sammlung 
Bartholdy.   D.  82. 

617.  618.  Zwei  desgl.,  zusammen  mit  n.  609  gekauft. 
Sehr  fragmentirt.    2919. 

619.  620.   Zwei  desgl.,  fast  ganz  erhalten. 

620*-  Desgl.,  ohne  Stiel,  1863  vom  Obristlieutenant 
Senckler  erworben  und  in  Trier  gefunden.   3490. 

621.  Desgl.,  1846  gekauft.  2884.  Dieser  und  die  3 
folgenden  Löffel  könnten  auch  zu  anderem  Zweck  gedient 
haben,  da  die  Schaufeln  zum  Eieressen  fast  etwas  zu  breit 
zu  sein  scheinen.   L.  6". 

622.  Desgl.   KoUer'sche  Sammlung.    584.   L.  6". 

623.  Desgl.   Sammlung  Minutoli.   M.  3.   L.  ö'/g"* 

624.  Desgl.,  die  Spitze  halb  verloren. 

Esslöffel  oder  Suppenlöffel  sind  nicht  viel  aus  dem 
Atterthum  auf  uns  gekommen,  doch  sind  ihrer  mehrere  von 
Silber  in  Pompeji  gefunden. 

In  der  casa  del  Centauro  wurden  1829  13  silberne  Löffel  gefunden, 
sechs  kleine  und  sieben  grosse,  deren  Griff  meist  in  einen  Ziegenfuss 
ausläuft.    Bull.  1829,  p.  146. 

625.  Esslöffel.  Koller'sche  Sammlung.  583.  Die  Pa- 
tina dieses  Löffels  sieht  sehr  bedenklich  aus.   L.  5^/^". 

626.  Anders  gestalteter  Löffel,  die  Schaale  ist  mit 
einem  Knie  an  den  Stiel  gesetzt  und  lancettförmig.  Aeltere 
Sammlung.   M.  1.   L.  T^V'. 

627.  Löffel  von  Zinn,  mit  runder  Schaufel  Aeltere 
Sammlung.   M.  2.   L.  5". 

628.  Löffel  von  einer  weissen  mit  Bronce  überzogenen 
Masse,  der  platte  Stiel  fast  ganz  verloren.  Sammlung  Minu- 
toU.   M.  5.   L.  2%''. 

629.  Kleiner  Löffel,  1841  aus  dem  Nachlass  des 
Generals  von  Rauch  erworben.   2654.   L.  4^4"« 


150  I^^ö  Gabeln.  —  Die  Zahnstocher. 

Der  Löffel  hatte  wahrscheinlich  einen  eisernen  Griff,  der 
nicht  erhalten  ist. 

b.  Gabeln. 

Gabeln  sind  sehr  selten  und  es  scheint  mir  noch  zweifel- 
haft, ob  diejenigen,  welche  vorhanden  sind,  in  derselben  Weise 
gebraucht  sind  wie  die  unserigen,  denn  man  ass  gewöhnlich 
mit  den  Fingern.  Eine  in  England  gefundene  Gabel,  die  zu- 
gleich als  Löffel  diente  —  denn  an  der  einen  Seite  des  Ge- 
räthes  ist  eine  zweizinkige  Gabel,  an  der  änderen  ein  Löffel 
angebracht  —  könnte  am  ersten  den  Gebrauch  der  Gabel,  in 
unserem  Sinn  beweisen,  andererseits  aber  giebt  es  auch  eine 
andere  Verwendung  der  Gabel,  wie  ein  merkwürdiger,,  im 
Kgl.  Museum  vorhandener  Terrakottafries  zeigt.  Auf  diesem 
Fries  sind  nämlich  lauter  sakrale  Geräthe  dargestellt,  ein 
Augurstab,  Opfermesser,  Weihwedel,  eine  Priestermütze,  ein 
bindenbehangener  Ochsenschädel  und  endlich  eine  fünfzinkige 
Gabel,  die  nothwendiger  Weise  im  Cult  gebraucht  sein  muss^ 
vielleicht  zur  Fleischvertheilung.  Ob  nun  die  vorhandenen 
Gabeln  in  der  einen  oder  anderen  Weise  gebraucht  sind^ 
müssen  wir  dahingestellt  sein  lassen. 

Die  englische  Gabel  ist  abgebildet  bei  Smith,  Collect,  antiq.  IV^ 
pl.  16.  Vgl.  p.  62,  wo  die  in  England  gefundenen  aufgezählt  werden, 
von  denen  mehrere  erst  dem  8.  oder  9.  Jahrhundert,  eine  aber  aueb 
römischer  Zeit  angehören  soll.  Zwei  antike  Gabeln  bes«88  Kestner, 
bullet,  d'inst.  1846,  p.  95.  Dann  hat  Graf  Caylus,  Recueil  III,  pl.  84 
eine  zweizinkige  aus  einem  römischen  Grabe  publicirt  und  eine  fünf- 
zinkige  ist  in  Pästum  gefunden.  Rieh,  Illustrirt.  Wörterbnch  der  rö- 
mischen AUerth.  s.  v.  FasciRuIa. 

630.  Gabel  mit  zwei  Zinken,  deren  Griff  in  eine  kleine 
nackte  weibliche  Figur  ausläuft.  Etruscisch.  Aus  Gerhardts 
Nachlass  1869  erworben.    18.   L.  5". 

631.  Desgl.,.  ebendaher.   L.  5". 

c.  Zahnstocher. 

Ob  die  Alten  Zahnstocher  von  Bronce  hatten,  ist  zwar 
aus  schriftlichen  Nachrichten,  so  viel  wir  wissen,  nicht  zu 
entscheiden,  indessen  doch  wohl  wahrscheinlich.  Sie  kannten 
wenigstens  metallene  Zahnstocher,  wie  Trimalchio  bei  Petro- 
nius  einen  von  Silber  hat.   Jedenfalls  lässt  es  sich  sehr  wahr- 


-.1 


Die  Schöpflöffel.  151 

scheinlich  machen,  dass  die  im  Folgenden  aufgeführten  bron- 
cenen  Geräthe  Zahnstocher  sind.  Man  fand  nämlich  in  einem 
englischen  Grabe  zwei  solcher  Geräthe  nebst  einem  Ohrlöffel 
noch  an  dem  Ringe  hängend,  an  dem  sie  getragen  wurden, 
und  eben  diese  Nachbarschaft  des  Ohrlöffels  lässt  an  der  Be- 
stimmung dieser  Geräthe,  für  die  sie  übrigens  auch  sehr 
praktisch  eingerichtet  sind,  nicht  zweifeln,  so  wie  man  auch 
noch  heutiges  Tages  Ohrlöffel  und  Zahnstocher  zusammen 
trägt. 

Vgl.  Smith,  Collect,  antiq.  VI,  pl.  34  (der  übrigens  die  Zahnstocher 
für  Nadeln  erklärt)  und  IV,  16,  wo  sie  in  ganz  ähnlicher  Gesellschaft 
vorkommen. 

632.  Zahnstocher,  nach  oben  zum  bequemeren  An- 
fassen und  der  Festigkeit  wegen  allmählich  breiter  werdend 
und  in  der  Spitze  durchbohrt,  weil  an  einem  Ring  getragen, 
wie  die  an  der  citirten  Stelle  abgebildeten.   L.  SV*"« 

633.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend.   L.  S^*"« 

4)   Trinkgeräth. 
a.  Schöpflöffel. 

Die  Geräthe,  die  wir  im  Folgenden  zusammenstellen,  sind 
unseren  Punschlöffeln  zu  vergleichen  und  dienten  dazu,  aus 
tiefen  Krügen  den  Wein  herauszuschöpfen.  Dieser  Zweck  er- 
klärt die  Form  derselben  und  die  Form  rief  wieder  das  Or- 
nament des  Henkels  hervor.  Fast  jeder  dieser  Schöpflöffel 
läuft  nämlich  in  einen  Schwanenkopf  aus,  welches  Ornament 
offenbar  durch  die  gleichsam  langhalsige  Form  des  Geräthes 
hervorgerufen  ist. 

In  römischer  Zeit  scheinen  die  langhenkeligen  Schöpf- 
löffel, die  man  auf  den  griechischen  und  etruscischen  Denk- 
mälern sieht,  verschwunden  zu  sein.  Auf  römischen  Altären, 
auf  denen  der  Schöpflöffel  unter  anderen  Opfergeräthen  nicht 
selten  vorkommt,  entsinne  ich  mich  immer  nur  solcher  mit 
kurzem  Griff,  wie  z.  B.  mus.  borb.  VI,  57,  gesehen  zu  haben, 
und  dasselbe  gilt  für  das  profane  Leben  der  Kömer,  wofür 
das  pompejanischc  Bild  mit  den  zechenden  Amoren  und 
Psychen  bei  Zahn  III,  51  als  charakteristisches  Beispiel  an- 
geführt werden  kann.  Auch  unter  den  Hildesheimer  Silber- 
gefilssen  befindet  sich  ein  solcher  kurzhenkeliger  Schöpflöffel. 


152  Die  Schöpflöffel. 

Dass  übrigens  auch  das  Trinkgeräth  ebenso  wie  das 
Essgeräth  in  Gräbern  gefunden  wird,  bedarf  wohl  kaum  mehr 
der  Bemerkung. 

634.  Etruscischer  Schöpflöffel,  aus  Vulci,  1841 
durch  Prof.  Gerhard  gekauft.    2699. 

Das  Geräth  ist  aufs  Zierlichste  ornamentirt.  Unten  an 
der  leider  etwas  zerstörten  Schaale  bemerkt  man  aufstrebende 
Palmetten,  die  am  Rande  durch  ein  Bandgeflecht  zusammen- 
gehalten werden.  Das  Verbindungsglied  zwischen  Henkel  und 
Schaale  ist  mit  einer  Sphinx  und  andererseits  mit  einem  Jüng- 
ling verziert,  der  einen  Stab  und  wie  es  scheint,  einen  Apfel 
trägt,  übrigens  mit  der  Sphinx  wohl  in  keiner  Verbindung 
steht.  Am  Schluss  des  Henkelschaftes  ist  ein  sowohl  nach 
oben  wie  nach  unten  weisendes  Blüthenornament.  Die  Spitze 
des  Henkels  ist  abgebrochen.   L.  10". 

635.  Desgl.  Die  Schaale  ist  am  Rande  mit  einem  Ge- 
flecht verziert,  am  Verbindungsglied  ist  einerseits  eine  Sphinx, 
andererseits  ein  Tänzer  mit  Castagnetten  in  den  etrusciscb 
verrenkten  Händen  dargestellt.  Am  Schluss  des  Henkelschaftes 
ist  ein  ähnliches  Ornament  wie  oben  angebracht  und  statt  in 
eine,  läuft  dieser  Löffel  in  zwei  Spitzen  aus,  die  mit  Hirsch- 
köpfen verziert  sind.   L.  lO^j^". 

636.  Desgl.,  ganz  einfach,  in  zwei  Schwanenköpfe  aus- 
laufend.  Aus  Corneto.   Dorow'sche  Sammlung.   525.   L.  9". 

637.  Desgl.,  mit  einem  Schwanenkopf.  Ebendaher.  526. 
L.  8»//'. 

638.  Desgl.  Fragment.  Am  Henkelschluss  ist  ein  nack- 
ter Jüngling  mit  einem  Diskus  in  der  Hand  dargestellt.  Aus 
Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.   67. 

639 — 643.  Fünf  desgl.,  von  der  griechisch-etruscischen 
Form.  n.  639  aus  der  Sammlung  Bellori.  B.  27.  n.  640  aus 
der  Sammlung  Bartholdy.  D.  9.  n.  641 — 643  aus  der  KoUer'- 
schen  Sammlung.   405.  406.  407.   L.  von  IOV4"  bis  12". 

Der  Griff  des  letzten  läuft  in  einen  blossen  Eiiopf  ans, 
alle  anderen  sind  mit  einem  Schwanenkopf  verziert. 

D.  639  ist  bei  Beger  im  thes.  Brandenburgicus  III,  456  abgebildet. 


Das  Weinsieb.  I53 

644 — 647.  Vier  desgl.,  aus  der  JKoller'schen  Samm- 
lung. 401 — 404.  Diese  Löffel  unterscheiden  sich  durch  die 
tiefere  Schaale  von  den  vorigen.  Die  Henkel  von  allen  laufen 
in  Schwanenköpfe  aus.   L.  16"  bis  208/8". 

648.  Desgl.,  bedeutend  kleiner.  Die  Spitze  des  Henkels 
fehlt.   KoUer'sche  Sammlung.   408.   L.  ö^/g". 

Dieser  Schöpflöffel  ist  nach  dem  in  der  Einleitung  Be- 
merkten für  römisch  zu  halten. 

648*-  Henkel  eines  Schöpflöffels  aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.   D.  10. 

648^-  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.   487. 

648®-  Fragment  eines  solchen  mit  Schwanenkopf,  bei 
Cleve  gefanden.   K.  10.   Aus  der  Sammlung  lilinutoli. 


b.  Weinsieb. 

Es  war  im  Alterthum  Sitte,  dass  man  den  Wein  nicht 
unmittelbar,  sondern  durch  ein  feines  Sieb  in  den  Becher 
goss,  um  den  Bodensatz  zurückzubehalten.  Griechische  Vasen- 
bilder und  etruscische  Wandgemälde  zeigen  den  Aufwärter 
nicht  selten  mit  einem  den  hier  aufgeführten  entsprechen- 
den Siebe  in  der  Hand. 

649.  Weinsieb,  etruscisch,  1848  von  Prof.  Gerhard 
gekauft.   2965. 

Genau  ebenso  geformte  Siebe,  auch  mit  demselben, 
schlangenförmig  gewundenen  Henkel,  sieht  man  auf  etrus- 
cischen  Wandgemälden.  Die  Kleinheit  des  Siebes  zeigt,  dass 
es  nur  für  ein  kleines  Geräth,  Becher  oder  Schaale,  be- 
rechnet war.   L.  11%".   Durchm.  5". 

650.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend.  KoUer'sche  Samm- 
lung.   389.   L.  12%".   Durchm.  öVs"- 

651.  Desgl.,  1848  von  Professor  Panofka  für  das  Mu- 
seum angekauft.  2960.   L.  11".   Durchm,  5%". 

Der  Griff  dieses  nicht  zum  Besten  erhaltenen  Siebes  ist 
kunstreich  verziert.  Er  läuft  in  einen  Schwanenkopf  aus, 
unter   welchem   sich   in   Eelief  eine   mit  geflügelten  Füssen 


154  ^^^  Weinsieb. 

davoneilende  Meduse  —  ein  dem  alten  Styl  sehr  gewöhn- 
licher Typus  —  befindet.  Der  Schaft  des  Henkels  ist  mit 
Streifen  versehen,  auf  deren  mittlerem  eine  Keule  angebracht 
ist  Auf  der  Rückseite  am  Henkelschluss  befindet  sich  eine 
nicht  mehr  in  allem  Detail  deutliche  Vorstellung.  Man  unter- 
scheidet noch  eine  keulenschwingende  Figur  und,  am  Boden 
liegend,  vermuthlich  ein  Thier  mit  Tatzen. 

652.  Desgl.,  wir  wissen  nicht,  ob  etruscisch  oder  grie- 
chisch-römisch.  L.  10 Vs"-   !>•  5"- 

Der  Henkel  läuft  in  einen  Schwanenkopf  aus,  und  ist 
an  beiden  Seiten  mit  einem  fein  eingravirten  Palmetten-  und 
Volutenomament  verziert.  Der  Boden  des  Gefässes  ist  re- 
staurirt. 

653.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend.  Auch  hier  scheint 
der  Boden  restaurirt  zu  sein.    L.  10^/4".   D.  öVg"« 

654.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  nur  etwas  grösser. 
Boden  restaurirt.   L.  98/4".   D.  41/2". 

655.  Desgl.,  einfacher,  ohne  Ornamentik.  Die  Spitze 
des  Henkels  ist  nicht  erhalten.   L.  8^/4".  D.  4,'^! 2"' 

656.  Desgl.,  mit  einem  Ring  zum  Aufhängen  oben  am 
Henkel,  1841  von  Prof.  Gerhard  gekauft.  2706.  Etwas  zer- 
brochen.  L.  llVs"-   !>•  öVs"- 

657.  Kleine;* es  Sieb  mit  zwei  Henkeln,  die  sehr 
graziös  durch  stark  gekrümmte  Schwanenköpfe  gebildet  werden. 
Das  Gefäss  spitzt  sich  trichterförmig  zu,  über  dem  Trichter 
aber  liegt  das  Sieb.  Der  Trichter  hat  übrigens  einen  Fuss, 
so  dass  das  Gefäss  auch  hingestellt  werden  konnte.  Einer 
der  Henkel  ist  nicht  ganz  erhalten.  Aus  der  Sammlung 
Pourtal^s  1865  gekauft.   3549.   D.  4". 

658.  Desgl.,  sehr  zerstört  und  in  Gyps  restaurirt, 
übrigens  fast  ganz  mit  n.  657  übereinstimmend.   D.  474". 

659.  Desgl.  KoUer'sche  Sammlung.  396.  Mit  zwei 
Henkeln,  die.  in  Schwanenköpfe  auslaufen.  Der  Boden  ist 
restaurirt.   D.  3%". 


^  ?i 


Die  Weinkannen.  I55 

660.  Desgl.  Ebendaher.  395.  Die  Henkel  sind  ein- 
fach ringförmig,  einer  derselben  nebst  dem  Boden  fehlt. 
D.  31/2". 

661.  Desgl.,  mit  einem  in  einen  Kehkopf  auslaufenden 
Henkel.  Der  Boden  scheint  restaurirt.  Aus  der  Sammlung 
Pourtal^s  1865  angekauft.   3548.   D.  38/4". 

661*-  Ein  ähnliches  Henkelpaar,  1844  aus  dem 
Nachlass  des  Prof.  Rösel  erworben.   2795  e.  f. 

c.  Weinkannen. 

Schon  oben  ist  bemerkt,  dass  alle  kleineren  Kannen  unter 
den  Weingeräthen  aufgeführt  werden  würden,  weil  sie  nur 
hier  ihre  Erklärung  fänden.  Die  grosse  Mehrzahl  derselben 
hat  offenbar  für  den  täglichen  Hausbedarf  gedient,  denn  es 
scheint,  dass  man  den  feineren  Wein,  wenigstens  bei  den 
Römern,  aus  verschlossenen  Glasflaschen,  den  -gewöhnlichen 
dagegen  eben  aus  solchen  Kannen  trank.  Bei  Gelagen  scheinen 
wohl  nur  grössere  Kannen  in  Gebrauch  gekommen  zu  sein, 
denn  nach  den  Denkmälern  war  es  nicht  Sitte,  dass  jeder 
Gast  seine  besondere  Kanne  vor  sich  hatte.  Doch  sieht  man 
auf  dem  Schenktisch  eines  etruscischen  Gelages,  das  in  einem 
Grabe  zu  Orvieto  dargestellt  ist,  eine  grössere  Anzahl  solcher 
Kannen  in  verschiedener  Grösse,  deren  Zweck  uns  nicht  deut- 
lich ist. 

Die  pompejanischen  Kannen  haben  den  altetruscischen 
oder  altgriechischen  Typus  bis  auf  eine  Kleinigkeit  bei- 
behalten. Die  Tülle  nämlich,  die  bei  jenen  spitz,  blattförmig 
zuläuft,  ist  hier  durchaus  abgerundet.  Dieser  Unterschied 
gilt  auch  für  die  grössere  Kanne,  vielleicht  übrigens  nur  für 
den  älteren  Styl. 

662.  Kleine  Kanne  mit  kleeblattförmigem  Ausguss, 
aus  Bomarzo.  Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben. 
Etruscisch.     H.  48/4". 

662*-  Desgl.,  so  klein,  dass  sie  vielleicht  als  Kinder- 
spielzeug gedient  hat.  Aus  Cometo.  Der  Henkel  fehlt.  Samm- 
lung Dorow.    513.    H.  2''.   D.  l^". 

662^-  Desgl.,  etwas  grösser,  mit  Henkel.  Sammlung 
Koller.    344.   H.  3V4''.   D.  2V8". 


156  ^^®  Weinkannen. 

663.  Desgl.,  römisch.  Am  Henkelschluss  über  der  Pal- 
mette eine  Sirene  mit  vier  Flügeln  und  einer  Binde,  die  zu 
beiden  Seiten  auf  die  Schulter  herabhängt  und  in  Kupfer 
eingelegt  ist.  Auch  über  der  Sirene  sind  noch  einige  von 
Silber  und  Kupfer  eingelegte  Ornamente.  Schönes  Exemplar. 
H.  78/4". 

664.  Desgl.,  aus  der  Koller'schen  Sammlung.  342. 
Sehr  fein  ornamentirt.  Es  ist  eine  Art  feiner  Kannellirung  auf 
dieser  Vase  angebracht,  wie  sie  an  den  grossen  Marmorvasen, 
auch  an  den  schwarzen  Thonvasen  körperlicher,  runder,  effect- 
voller  angebracht  zu  werden  pflegt.  Hier  sind  es  flach  auf- 
liegende Streifen,  die  theils  vom  Fuss,  theils  vom  Hals  in 
entgegengesetzter  Richtung  ausgehen  und  nur  den  Zweck  haben, 
die  Form  zu  beleben,  indem  sie  Richtung  und  Bewegung  hinein- 
bringen. Da  wo  die  von  unten  und  oben  ausgehenden  Streifen 
sich  treffen,  ist  sehr  schön  ein  Bandgeflecht  umgelegt,  das 
der  sich  ausbreitenden  Richtung  jener  Streifen  gleichsam  ent- 
gegenwirkt und  das  Ganze  zusammenhält.   H.  6''. 

665.  Desgl.,  Aeltere  Sammlung.   A.  8.    H.  6^1^*'. 

Der  obere  Theil  des  Henkels  ist  mit  einem  Löwenkopf, 
an  dem  die  Hand  beim  Einschenken  eine  Stütze  hat,  der 
untere  mit  einer  Löwentatze  verziert. 

Abg.  Beger,  thes.  Brand.  III,  392.  Diese  Kanne  und  die  folgende 
stimmen  fast  ganz  mit  der  im  Mus.  borb.  IV,  43,  1,  2  publicirten  und 
vermuthlich  aus  Pompeji  stammenden  überein. 

666.  Desgl.,  fast  ganz  übereinstimmend.  Sammlung 
Bartholdy.   H.  6^8^.   D.  12". 

667.  Desgl.   Aeltere  Sammlung.   A.  7.   H.  6^/4^ 
Oben  ist  der  Henkel  mit  einem  Löwenkopf,  unten  mit 

einer  Maske  verziert. 

668.  Desgl.   KoUer'sche  Sammlung.    343.   H.  4%". 
Am  Henkelschluss  war  eine  geflügelte  Figur,  vermuth- 

ich  eine  Sirene,  von  welcher  nur  der  Kopf  erhalten  ist. 

669.  Desgl.  KoUer'sche  Sammlung.  341.  H.  5^/3 ".  Der 
Henkelschluss  ist  mit  Ranken  verziert,  ähnlich  wie  an  n.  665. 
666. 


Die  Weinkrug^e.  157 

670.  Desgl.,  mit  einer  Kindermaske  als  Henkelschluss. 
Oben  am  Henkel  erhebt  sich  aus  einem  Kelch  ein  Schwan, 
dessen  Kopf  dazu  diente,  um  die  Hand  beim  Einschenken  zu 
stützen.   H.  58/4". 

Weinkannen  von  etwas  anderer  Form. 

671.  Kanne,  in  der  Form  einer  Ente  ähnlich.  KoUer'sche 
Sammlung.    360.   L.  o^/J'.   H.  6". 

Diese  Form  ist  sowohl  aus  etruscischen  als  aus  pompe- 
janischen  Funden  bekannt,  und  es  scheint,  als  ob  sie  einer 
Ente  nachgebildet  wäre.  Wir  gestehen  übrigen^,  dass  wir  die 
von  der  Mündung  herabhängenden  vorstehenden  Streifen  nicht 
zu  erklären  vermögen. 

Gefässe  in  Thierform  sind  namentlich  in  Terakotta  sehr 
häufig  und  es  könnte  leicht  diese  Kanne  nach  einem  solchen 
Gefäss  in  Entenform  imitirt  sein. 

Vgl.  Mus.  borb.  II,  47. 

672.  Desgl.,  von  anderer  Form,  auf  drei  Füssen  in  Form 
von  Tatzen  stehend.  Der  Griff  läuft  unten  in  eine  Silensmaske 
aus,  oben  in  einen  Greifenkopf,  an  den  sich  zu  beiden  Seiten 
Enten-  oder  Gansköpfe  anschUessen.  KoUer'sche  Sammlung. 
333.   H.  8V2''- 

673.  Desgl.,  etwas  bauchiger.  Aus  der  Sammlung  Bellori. 
A.  10.    H.  68/4". 

Der  Henkel  ist  nicht  durch  das  Loth  befestigt,  sondern 
durch  Bänder,  die  durch  den  Rand  der  Vase  hindurchgehen. 

d.  Weinkrüge. 

Die  Bestimmung  des  Zweckes  der  Geräthe  ist  auch  hier 
wie  überall  sehr  schwer.  Doch  liess  sie  sich  in  einigen 
Fällen  sicher  machen,  indem  alte  Nachrichten  zu  Hülfe  kamen 
oder  auch  die  Formen  selbst  ihren  Zweck  so  entschieden 
aussprechen,  dass  kein  Zweifel  möglich  war.  Endlich  ent- 
schied auch  manchmal  die  Ornamentation,  denn  man  wird 
wenigstens  bei  sorgfältiger  gearbeiteten  Gefässen  eine  aus.  dem 
Kreise  des  Bacchus  genommene  Ornamentik  nicht  für  will- 
kürlich halten  dürfen. 


158  ^iö  Weinkrüge. 

674.  Amphora;  gefunden  1849  bei  Schwarzenbach  im 
Fürstenthum  Birkenfeld,  mit  der  Böcking'schen  Sammlung  1858 
angekauft.    H.  148/4".   D.  12". 

Man  fand  diesen  Krug  mit  verbrannten  Knochenresten 
gefüllt,  doch  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  er  ursprüng- 
lich nicht  zur  Aschenurne  bestimmt  war.  Seiner  Form  nach 
könnte  er  sowohl  für  "WasseV  als  für  Wein  bestimmt  gewesen 
sein,  denn  für  beide  Zwecke  sieht  man  Krüge  derselben  Ge- 
stalt auf  den  Denkmälern  verwendet,  allein,  da  er  einen  Deckel 
hat,  so  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  er  ein  Weinkrug  sein 
sollte.  Man  kann  sich  hierfür  auch  auf  die  Yerzierungen 
unter  den  Henkeln  berufen,  welche  Silene  darstellen,  deren 
einer  aus  einem  Becher  trinkt,  während  der  andere  die  Syrinx 
spielt.  Denn  es  ist  bei  einem  so  fein  ausgeführten  Geräth 
wohl  vorauszusetzen,  dass  die  Ornamente  mit  Bewusstsein  ge- 
wählt sind. 

Die  Verzierung  dieser  Yase  ist  eine  an  Vasen  derselben 
Form  sehr  gewöhnliche.  Denn  gerade  an  fusslossen,  wie 
hängende  Körper  gestalteten  Vasen,  ist  eine  Omamentation 
gewöhnlich,  die  sich  nur  vom  Hals  bis  über  die  Henkel  er- 
streckt, so  dass  der  grössere  Theil  des  Gefässes  ganz  glatt 
bleibt  Auch  unter  den  bemalten  Vasen  der  gleichen  Form 
findet  sich  an  der  bezeichneten  Stelle  ein  Bildstreifen,  wäh- 
rend alles  üebrige  unbemalt  bleibt.  Sichtlich  haben  die 
Thonmaler  in  diesem  Punkt  die  älteren  Produkte  der  Metall- 
arbeit imitirt.  Bei  den  Broncevasen  aber  scheint  uns  eine 
Naturanalogie  die  Art  dieser  Omamentation  zu  erklären.  Das 
Geräth  ist  sichtlich  nach  dem  Vorbild  eines  hängenden  Körpers, 
einer  Frucht,  gebildet.  "Wir  glauben,  dass  die  Eichel,  die  in 
der  ganzen  etruscischen  Ornamentik,  namentlich  in  den  Gold- 
arbeiten, eine  so  grosse  Rolle  spielt,  auch  hier  das  Vorbild 
abgegeben  habe  und  dass  eben  darum  sich  der  untere  Theil 
der  Vase  glatt  und  glänzend  aus  dem  oberen  rauhen  ent- 
wickele. 

Was  aber  die  Art  der  Omamentation  betrifft,  so  sind 
es  Streifen,  die  man  als  eine  Kannellirung  betrachten  kann 
und  welche  den  Zweck  haben,  die  Formen  zu  beleben  und 
gleichsam  zu  interpretiren,  indem  sie  nämlich  die  Ausbreitung 
des  Gefässes  versinnlichea  Das  Band,  das  sodann  umgelegt 
ist,  wirkt  dieser  Ausstrahlung  wieder  entgegen,  indem  es  die 
Form  zusammenfasst. 

Die  Henkel  sind,  was  nach  dem  bei  den  Gisten  Bemerk- 


Die  Weinkrüge.  15  9 

ten  nicht  mehr  auffallen  wird;  mitten  in  das  Ornament  hinein- 
gesetzt. Ehe  man  über  ein  etwas  künstlerisches  Arrangement 
nachdachte,  das  Henkel  und  Ornament  in  eine  organische 
Verbindung  brachte,  schien  es  viel  bequemer,  das  Ornament 
ganz  herumzuführen  und  dann  den  Henkel  an  beliebiger 
Stelle  hineinzusetzen.  Auch  diese  Vase  ist  eben  nichts 
Anderes  als  Fabrikarbeit 

Die  Gruppen  unter  den  Henkeln  sind  bereits  erwähnt, 
an  dem  oberen  Abschluss  derselben  liegen  kleine  zusammen- 
gekauerte  Hündchen,  die  sehr  glücklich  in  den  Raum  hinein- 
gebracht sind,  was  auch  von  den  Silenen  gilt,  deren  Stellungen 
zugleich  durchaus  charakteristisch  sind. 

Die  Auffindung  eines  rein  etruscischen  Gefässes,  das 
nach  seinem  Styl  nicht  später  als  im  fünften  Jahrhundert 
entstanden  sein  kann,  diesseits  der  Alpen,  hat  manche  Er- 
klärungen hervorgerufen,  die  aber  zum  grossen  Theil  ganz 
unhaltbar  sind.  Man  will  diese  und  ähnliche  Funde  als  einst- 
maligen Besitz  von  Römern  deuten,  die  wie  Verres  Liebhaber 
alter  Kunstsachen  gewesen  und  mit  ihren  Schätzen  hier  dies- 
seits der  Alpen  gelebt  hätten  und  begraben  wären.  Aber  die 
so  glauben,  haben  keine  Ahnung  von  der  Ausdehnung,  in  der 
sich  etruscische  Waare  im  Norden  findet.  Wir  begnügen  uns, 
livländische  Gräber  zu  citiren,  in  denen  sich  Thonkrüge  finden, 
die  aufs  Genaueste  mit  alten  clusinischen  Gefässen  überein- 
stimmen ^). 

Andere  meinen,  die  etruscischen  Geräthe,  die  man  dies- 
seits der  Alpen  gefunden,  seien  in  der  That  gar  nicht  so  alt, 
als  sie  «u  sein  scheinen,  sie  seien  Reproductionen  älterer 
Fabrikate,  die  erst  in  römischer  Zeit  gemacht  seien.  Aber 
dieser  Annahme  widerstrebt  Alles.  Wie  unwahrscheinlich 
wäre  es,  da  die  Blüthe  der  Kunstindustrie  doch  nicht  etwas 
von  den  Schicksalen  des  Volkes  Unabhängiges  ist,  dass  ein 
Volk  im  Zustande  der  Unselbständigkeit  und  des  Verfalles 
ganz  dasselbe  leisten  sollte,  wie  während  seiner  Blüthe!  Die 
schönen  etruscischen  Geräthe,  die  selbst  in  Athen  zur  Zeit 
des  peloponnesischen  Krieges,  also  während  der  höchsten 
Kunstblüthe  berühmt  waren,  konnten  gewiss  nicht  zu  jeder 
Zeit  entstehen,  ja  die  ganze  etruscische  Kunst  ist  ein  sprechen- 
der Beleg  dafür,  was  es  für  die  Kunst  ausmacht,  ob  ein  Volk 


1)  Vgl.  Bahr,  Die  Gräber  der  Liven,  Taf.  21.  n.  27. 


160  ^i®  Weinkrüge. 

frei  und  selbständig  dasteht  oder  von  einem  anderen  unter- 
drückt wird. 

Das  einzig  Richtige  ist,  die  im  Norden  gefundenen  etrus- 
cischen  Geräthe  der  Zeit  zuzuweisen,  welche  der  Styl  angiebt, 
und  anzunehmen,  dass  damals  ein  lebhafter  Handel  bestand, 
der  sie  zu  uns  führte.  Nur  durch  diese  Annahme  erklärt 
sich,  dass  die  etruscischen  Alterthümer  im  Norden  in  so 
grosser  Menge  und  über  so  weiten  Baum  verstreut  gefunden 
werden. 

In  Rom,  im  etruscischen  Museum  des  Vatikans,  befindet 
sich  eine  Broncevase  aus  Vulci,  die  fast  ganz  genau  mit  der 
unserigen  übereinstimmt  und  auch  den  ringförmigen  Unter- 
satz bewahrt  hat,  in  welchen  solche  fusslose  Vasen  hineingesetzt 
wurden.  An  etruscischen  Dreifüssen  und  anderen  Geräthen 
hat  man  bereits  dieselbe  überraschende  Uebereinstimmung 
zwischen  eis-  und  transalpinischen  Funden  beobachtet. 

• 

Abg.  von  Gerhard  in  d.  Archaeolog.  Ztg.  1856,  Taf.  86.  Vgl.  Rhein. 
Jahrb.  XXIII.  XXIV,  p.  131,  wo  derselbe  den  Silensfiguren  an  den 
Henkeln  „altgriechischen  Styl"  beilegt  (!).  Ueber  den  ganzen  Fond  vgl. 
E.  aus^m  Weerth,  Rheinisches  Festprogramm  zum  Winkelmannsfest  1870, 
p.  1  ff.  Die  römische  Vase  ist  im  Mus.  Gregor.  I,  Taf.  8,  4  abgebildet. 
Ueber  die  in  Deutschland  gefundenen  Broncen  und  ihre  Herkunft  vgl 
Lindenschmit,  Alterthümer  unserer  heidn.  Vorzeit  H,  Heft  2,  Beilage  sn 
Tat  1.  2. 

674*'  Grosse  Amphora.  Aeltere  Sammlung.  H.  18^/a". 

Die  Blätter,  womit  sich  die  Henkel  an  den  Bauch  an- 
legen, sind  mit  Satyrscenen  verziert.  Man  erkennt  deutlich 
die  langen,  spitzen  Ohren  und  das  Ziegenfell,  desseji  Tatzen 
um  den  Hals  geknüpft  sind. 

Abg.  bei  Beger,  thes.  Brandenb.  III,  p.  390,  aber  seine  Abbildung 
ist  ebenso  unbrauchbar  wie  seine  Erklärung,  dass  die  Satyrn  Osiris- 
statuen  seien. 

674^-  Desgl.    Sammlung  Koller.    294.    H.  9". 

Das  Gefäss  ist  krukenförmig  und  mit  zwei  zum  Heben 
eingerichteten  Henkeln  versehen.  Jeder  Henkel  ist  durch  je 
zwei  Silensköpfe  angefügt.  Das  Gefäss  ist  von  griechischem 
Styl  und  sehr  schön. 

Sogenannte  Kühler  und  Aehnliches. 

Die  im  Folgenden  aufgeführten  eimerförmigen  Geßlsse 
haben  unzweifelhaft  zum  Weingeräth  gehört,  wenn  sich  auch 


Die  Weinkrüge.  ißl 

über  das  genauere  Detail  ihrer  Verwendung  nicht  Alles  voll- 
kommen klar  machen  lässt. 

Es  gab  nämlich  im  Alterthum  ein  Weingeräth,  das  in 
der  Form  einem  Körbchen  verglichen  wird  und  seinem  Zweck 
nach  wie  ein  Mischgefäss  benutzt  wurde.  Man  sieht  es  oft 
abgebildet,  unter  Anderem  haben  es  die  Laren  in  der  Hand, 
um  es  aus  ihren  Hörnern  zu  füllen,  wodurch  zugleich  die 
Bestimmung  des  Geräthes  ausser  allen  Zweifel  gesetzt  wird. 
Diesen  Geräthen  entsprechen  die  unserigen  aufs  Genaueste. 

Schwierigkeit  macht  aber  Folgendes.  Das  Gefäss  hatte 
den  Namen  Kühler  und  worin  dieser  Name  seinen  Grund 
hatte,  das  eben  sieht  man  nicht  ein.  Wozu,  wenn  das  Ge- 
fäss wie  ein  anderer  Mischkrug  gebraucht  wurde,  dieser  ganz 
specifische  Name? 

Wir  glauben  daher,  dass  dieses  Gefäss  ursprünglich  nicht 
den  Zweck  hatte,  selbst  den  Wein  zu  enthalten,  sondern  viel- 
mehr diesen,  mit  kaltem  Wasser  oder  Schnee  gefüllt,  die 
Weinflasche  aufzunehmen,  um  ihren  Inhalt  kühl  zu  halten. 
Es  war  mit  einem  Wort  ein  Kühlgefäss,  und  dass  es  zu 
diesem  Zweck  praktisch  ist,  beweist  wohl  hinlänglich  die 
Thatsache,  dass  die  heutigen  *  Champagnerkühler  fast  ganz 
dieselbe  Form  haben. 

Dass  aber  die  Alten  die  Sitte  kannten,  ihren  Wein  in 
Kühlgefässe  zu  stellen,  beweisen  zwei  pompejanische  Bilder 
von  Gelagen,  auf  denen  Glasgefässe  in  beckenförmigen  Kühl- 
gefässen  sichtbar  sind.  Die  letzteren  sind  freilich  von  an- 
derer Form  als  die  hier  vorausgesetzten. 

Wir  glauben  daher,  die  ursprüngliche,  den  Namen  mo- 
tivirende  Bestimmung  war  die,  ein  Kühlgefäss  zu  sein,  man 
gebrauchte  aber  eben  dieselben  Gefässe  auch  zu  anderen 
Zwecken,  vor  Allem  als  Weinkrüge,  dann  auch  zu  Blumen 
und  Früchten  und  wie  auch  erwähnt  wird,  als  Milchgefässe. 

Ueber  diese  %pvxT^Q  genannte  Vasenform  hat  Ussing  in  den  Annali 
1849,  p.  139  ausführlich  gehandelt,  ohne  aber  die  im  Text  hervor- 
gehobene Schwierigkeit  zu  berühren.  Wenn  ich  ihn  recht  verstehe, 
so  bemerkt  er,  p.  141,  dass  die  auf  den  beiden  pompejanischen  Bildern 
dargestellten,  in  Kühlgefassen  befindlichen  Vasen,  die  übrigens  nicht 
von  Silber,  sondern  von  Glas  zu  denken  sind,  Psykteren  seien  und  die 
von  den  Alten  als  solche  bezeichnete  Form  hätten,  er  nimmt  also  wahr- 
scheinlich an,  dass  diese  Vasen  darum  Kühler  genannt  worden  seien,  weil 
sie  in  ein  Kühlgeföss  gestellt  zu  werden  pflegten.  Das  aber  wäre  eben 
wunderlich,  nicht  das  Kühlende,  sondern  das  Gekühlte  tpvxT^Q  zu  nennen. 
Friederichi;,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  11 


162  I^i®  Weinkrüge. 

675.  Weinkrug  in  Form  eines  Korbes,  mit  doppeltem 
beweglichen  Henkel.  Am  Hals  ein  Ornament,  das  ein  ge- 
flochtenes Band  imitirt.    H.  91/2".    Ob.  D.  S^jJ*. 

676.  DesgL,  von  derselben  Form,  mit  doppeltem  be- 
weglichen Henkel.  Sammlung  Koller.  298.  Boden  restaorirt 
H.  978"-   Ob.  D.  SVs''. 

676*-  Desgl.,  von  derselben  Form,  mit  einfachem  Hen- 
kel.   Aeltere  Sammlung.   A.  17.   H.  9".   Ob.  D.  88/4". 

677.  DesgL,  von  derselben  Form.  Sammlung  Koller. 
295.   H.  98/4''.   D.  SVs''. 

Die  beiden  Henkel  laufen  in  Chamieren,  die  wie  jonische 
Kapitelle  gestaltet  sind,  der  Art,  dass  die  Spitze  des  Henkels 
das  Auge  der  Yolute  bildet.  Die  Mündung  ist  mit  einem 
Eierstab  umgeben,  an  den  sich  ein  feines  Blattomament  an- 
schliesst.  Gleich  darunter  befindet  sich  auf  beiden  Seiten 
des  Gefässes  ein  sehr  feines  flaches  Belief,  Yictoria  auf  einem 
Tigergespann,  von  denen  leider  das  eine  fast  ganz  zerstört 
ist.  Der  untere  Band  ist  wieder  mit  einem  Eierstab,  der 
aber  eine  dem  oberen  entgegengesetzte  Bichtung  hat,  ein- 
gefasst,  und  getragen  wird  das  Gefäss  von  drei  zierlichen 
Sphinxen. 

Das  Gefäss  ist  von  rein  griechischem  Styl  der  besten 
Zeit.  Die  Zartheit  und  Eleganz  der  Ornamente  ist  bewun- 
dernswürdig. 

677»-  Eimerförmiges  Gefäss  mit  Hals,  1869  auf  dem 
Blumenthal'schen  Bittergute  Segenthin  im  Kreis  Schlawe  in 
Pommern  gefunden.   3764. 

Das  Gefäss  scheint  als  Weinkühler  gedient  zu  haben, 
jedenfalls  war  es  nach  den  Ornamenten  ein  Wassergefilss. 
Der  Henkel  ist  nicht  erhalten,  aber  man  sieht  noch  die 
Stellen,  wo  er  angelöthet  war. 

Höchst  merkwürdig  sind  die  Yerzierungen  und  besonders 
die  Technik,  in  der  sie  ausgeführt  sind.  Das  Gefäss  wurde 
nämlich  zuerst  auf  seiner  ganzen  Oberfläche  versilbert,  so- 
dann wurden  Figuren  und  Ornamente  eingravirt,  erstere  meist 
durch  fortlaufende  Linien,  letztere  durch  blosse  Punkte  und 
endlich  wurde  die  Versilberung  innerhalb  der  Contouren 
wieder  weggenommen,  so  dass  der  Kupfergrund  zum  Vor- 
schein kam. 


Die  Weinkrüge.  163 

Der  Hals  hat  zwei  Reihen  von  Ornamenten,  oben  einen 
Wein-  und  unten  einen  Olivenkranz.  Der  Bauch  hat  deren 
<lrei.  Zuerst  kommt  ein  schmales  Band  mit  Zickzackverzierung, 
dann  der  breite  Hauptstreifen,  auf  dem  zwischen  Fischen  und 
anderen  Seethieren  abwechselnd  drei  Tritonen  und  drei  See- 
centauren mit  Dreizack,  Trinkgefäss  und  Muscheltrompete 
dargestellt  sind,  endlich  der  untere  Saum,  der  wieder  in 
einem  Olivenkranz  besteht. 

Das  Gefäss  ist  eins  der  merkwürdigsten,  dass  je  in 
diesen  Ländern  gefunden  ist  Nach  seinem  Styl  kann  es 
nicht  jünger  sein  als  das  dritte  Jahrhundert. 

678.  Eimerförmiges  Gefäss  ohne  Hals.  KoUer'sche 
Sammlung.    299.    H.  9''.   D.  8''. 

Die  beiden  Henkel,  die  einst  vorhanden  waren,  sind  nicht 
erhalten.  Unter  den  Charnieren  je  eine  Silensmaske.  Das 
pefäss  ruht  auf  drei  Muscheln. 

679.  Desgl.,  von  derselben  Form.   H.  10".   D.  8". 

Die  Henkel  sind  erhalten  und  haben  Masken  des  ge- 
hörnten Bacchus,  wie  es  scheint,  am  Schluss.  Das  Gefäss 
ruht  auf  drei  Tatzen,  am  Rand  ein  Eierstab. 

680.  Desgl.,  dem  vorigen  in  der  Form  ganz  ähnlich. 
KoUer'sche  Sammlung.    296.   H.  98/4''.   D.  8''. 

Das  Gefäss  ist  Eimer  und  Ausgussgefäss  zugleich,  es  hat 
nämlich  zwei  Henkel  und  eine  Tülle  zum  Ausguss.  Gegen- 
tiber der  Tülle  befindet  sich  ein  Griff,  der  im  Verein  mit 
einem  ähnlichen,  unter  der  Tülle  befindlichen  Griff  die  Ope- 
ration des  Ausgiessens  sehr  bequem  macht.  Das  Gefäss  ruht 
auf  eigenthümlich,  etwa  birnenförmig  gestalteten  Füssen,  oben 
am  Rand  ist  es  mit  einem  Eierstab  verziert. 

681.  Desgl.,  von  etwas  verschiedener  Form,  nämlich 
geschweifter,  nach  unten  spitz  zulaufend.  Aus  Chiusi.  1841 
von  Prof.  Gerhard  in  Italien  gekauft.  2672.  H.  10  V^".  D.  9  V4". 

An  der  einen  Seite  befindet  sich  als  Henkelschluss  eine 
Silensmaske,  an  der  anderen  der  Ausguss  in  Form  einer 
Löwenmaske.  Am  Rand  des  Gefässes,  d.  h.  nicht  unmittel- 
bar am  Rand,  —  denn  diese  Stelle,  weil  von  den  nieder- 
gelegten Henkeln  occupirt,  konnte  nicht  ornamentirt  werden 
—  sondern  als  Saum  um  den  Rand  bei  niedergelegtem  Henkel 

11* 


1 64   I^ic  Trinkgefässe.  —  Die  Weihrauchgefässe  (Thymiaterien). 

ist  ein  Bandgeflecht  umgelegt,  von  dem  aber  nur  wenig  noch 
zu  erkennen  ist.    Das  Gefäss  ist  vielfach  restaurirt. 

681*-  Desgl.,  von  derselben  Form,  Der  Ausguss  kommt 
aus  einem  Thiermaul  heraus,  auf  der  anderen  Seite  läuft  der 
Doppelhenkel  in  einer  mit  einem  behelmten  Kopf  verzierten 
Attache.    Von  Prof.  Gerhard  1834  gekauft. 

e.  Trinkgefasse. 

Das  gewöhnliche  Trinkgefäss  bei  Griechen  und  Etruskem 
war  die  zweihenkelige,  mit  einem  Fuss  versehene  Schale,  die 
Kylix.  Doch  waren  bei  den  Etruskern  auch  henkel-  und  fass- 
lose  Schalen  in  Gebrauch  i).  Wir  meinen  nicht  Schalen^  die 
sich  durch  den  Buckel  in  der  Mitte  unterscheiden,  sondern 
ganz  einfache  Schalen,  an  denen  nichts  Besonderes  ist.  Ueber 
die  Form  und  geschichtliche  Entwickelung  der  Trinkschale 
ausführlicher  zu  reden,  versparen  wir  billig,  bis  wir  an  diö 
Betrachtung  der  Thongefässe  kommen. 

682.  Etruscische  Trinkschale,  ganz  einfach.  In 
Conjeto  gefunden.    Sammlung  Dorow.    520.   D.  5*^/g".  ^ 

683.  Zweihenkelige  Schale  (Kylix),  1841  durch  Prot 
Gerhard  in  Italien  gekauft.    2692.   D.  4V4". 

Die  Henkel  sind  bereits  ein  wenig  schnörkelhaft  und 
manierirt,  sie  stimmen  ganz  überein  mit  den  Henkeln  der 
kleinen  Thonschalen  unteritalischen  Styles,  mit  welchen  diese 
Schalen  wohl  gleichzeitig  sein  mögen. 

684.  Desgl.  Sammlung  Koller.  374,  genau  überein- 
stimmend.  D.  4c^ls"* 

6S5.  Desgl.,  flacher.  Sammlung  Koller.  375.  Der  Fuss 
ist  ergänzt  Diese  Schale  hat  im  Innern  eine  Vertiefung. 
D.  5". 

f.  Weüirauchgefasse  (Thymiaterien). 

Auch  diese  Geräthe  glaubten  wir  am  passendsten  unter 
den  Geräthen  des  Privatlebens  aufführen  zu  können.    Dass 


*)  Vgl.  z.  B.  Monum.  d.  instit.  VIII,  2.    Canina  Etrarla  maritima^ 
tav.  64 


Die  Weihrauchgefässe  (Tliymiaterien).  165 

das  Yerbrennen  von  Weihrauch  eine  religiöse  Cerenfbnie  im 
Alterthum  war,  ist  freilich  bekannt.  Aber  auch  im  Privat- 
leben, z.  B.  bei  Gelagen,  war  es  wie  bei  uns  Sitte,  wohl- 
riechende Substanzen  anzuzünden.  Die  dazu  erforderlichen 
Geräthe  Messen  Thymiaterien  und  sind  oft  auf  antiken  Dar- 
stellungen abgebildet,  so  dass  wir  sie  danach  unter  unseren 
Geräthen  wieder  erkennen  können.  Sie  haben  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  mit  den  Candelabem,  doch  liegt  der  Unterschied 
einmal  darin,  dass  der  Candelaber,  je  nachdem  er  auf  den 
Boden  oder  auf  den  Tisch  gestellt  werden  sollte,  eine 
variable  Grösse  hat  und  manchmal  mannshoch  ist,  während 
das  Thymiaterion,  mochte  es  nun  auf  den  Tisch  oder  auf  den 
Boden  gestellt  werden,  halbe  Mannsgrösse  nicht  überschreitet. 
Der  wichtigere  Unterschied  aber  liegt  in  der  Form.  Der 
Candelaber  hat  nämlich,  wie  wir  sehen  werden,  an  seinem 
oberen  Ende  Haken  zum  Anspiessen  der  Kerzen  oder  einen 
Teller  zum  Aufsetzen  der  Lampe  oder  endlich  drittens  eine 
Schale,  an  deren  Grunde  sich  ein  Dom  zum  Aufspiessen  der 
Kerze  befindet  und  die  den  praktischen  Zweck  hat,  den  Ab- 
fall vom  Licht  aufzufangen.  Das  Thymiaterion  dagegen  kann 
nur  in  eine  Schale  auslaufen,  die  natürlich  keinen  Dom  hat 
und  zur  Aufnahme  der  duftenden  Substanzen  dient.  Manch- 
mal ist  diese  Schale  von  einem  durchlöcherten  Deckel  bedeckt, 
aus  dessen  Löchern  dann  der  Rauch  entströmte.  Ausserdem 
aber  ist  die  Form,  wenigstens  der  meisten  auf  griechischen 
Denkmälern  dargestellten  Thymiaterien  dadurch  vom  Can- 
delaber verschieden,  dass  sie  nichts  von  dem  leicht  und 
schlank  Aufstrebenden  hat,  das  für  jenen  charakteristisch  ist. 
Der  Fuss  wird  nämlich  meistens  durch  eine  dreiseitige  Py- 
ramide gebildet,  ähnlich  wie  die  Füsse  der  Marmorcandelaber 
und  der  Schaft  ist  von  mehreren  flachen,  nach  unten  sich 
öffnenden  Schalen  umgeben,  deren  praktische  Bedeutung  wir 
nur  dadurch  motiviren  können,  dass  sie  die  Hand  beim  An- 
fassen oder  Herumtragen  vor  allen  etwa  abfallenden  brennen- 
den Stoffen  schützen  sollten.  Wir  gestehen  freilich,  damit 
nicht  die  Mehrzahl  dieser  Schalen  erklärt  zu  haben. 

Es  haben  sich  fast  nur  etruscische  Thymiaterien  er- 
halten, die  nur  selten  jene  pyramidale  Basis  der  griechischen 
haben  und  gewöhnlich  unten  candelaberartig  gestaltet  sind. 
Nach  etrascischer  Sitte  sind  sie  mit  Bildwerk  reich  ge- 
schmückt und  besonders  häufig  ist  es,  dass  sie  von  Figuren 
getragen  werden.    Es  lag  nahe,  so  leichte  Geräthe  kleinen 


166  Die  Weihrauchg^efässe  (Thymiaterien). 

Figuren'  auf  den  Kopf  zu  stellen.  Vergleicht  man  die  zu 
diesem  Zweck  gewählten  Figuren,  so  lässt  sich  nicht  ver- 
kennen, dass  mit  Vorliehe  Tänzer  dazu  genommen  sind.  Esr 
ist  eine  ganz  hühsche  Idee,  den  Schaft  auf  dem  Kopf  eines 
Tänzers  oder  Gauklers  halanciren  zu  lassen,  denn  anch  im 
Lehen  machen  ja  gerade  derartige  Leute  ähnliche  Kunststücke. 

Ueber  das  Thymiaterion  handeh  ausfährlich  Stephan!  im  Compte- 
rendu  p.  l'annee  1860  p.  30,  irrt  aber,  wenn  er  ibid.  Anm.  4  den  Unter- 
schied zwischen  Candelaber  und  Thymiaterion  verwischt.  .  Ueberhaupt 
wird  dieser  Unterschied  oft  übersehen,  namentlich  auch  im  museo  Gre- 
goriano.  Ein  sehr  instrnctives  Beispiel  eines  altetruscischen  Thymiaterions 
ist  in  den  Monum.  delP  inst.  VIII,  2. 

686.  Thymiaterion,  1848  von  Professor  Gerhard  iir 
Italien  angekauft.     2967.     H.  2'  IOV2''. 

Die  Form  ist  ganz  die  eines  Candelahers,  bis  auf  die 
Schale,  die  eben  das  Geräth  als  Thymiaterion  charakterisirt 
Die  Schale  wird  durch  eine  Karyatide  gestützt,  welche  sehr 
an  gewisse  Karyatiden  römischer  Kunst  erinnert.  In  der 
Stellung  und  Haltung  der  Arme  nämlich  ist  die  Figur  archi- 
tektonisch streng  componirt,  aber  mit  dieser  Strenge  contrastirt 
durchaus  die  Behandlung  der  Körperformen,  die  möglichst 
weich  und  üppig  hervorgehoben  sind. 

687.  Etruscisches  Thymiaterion,  getragen  von  einer 
Herkulesfigur,  welche  die  Keule  und  einen  Rest  des  Bogens 
in  den  Händen  hat  An  der  Ecke  der  Basis  stehen  kleine 
nackte  Männer,  die  den  Gestus  der  Reverenz  machen,  der  bei 
den  alten  Egyptern  üblich  war.  Wir  wissen  ihren  Gestas 
wenigstens  nicht  anders  zu  deuten  und  halten  bei  der  nahen 
Berührung  zwischen  ägyptischer  und  etruscischer  Kunst  diese 
Annahme  für  nicht  unwahrscheinlich.  Die  eine  dieser  Figuren 
fehlt  bis  auf  die  Füsse,  an  der  anderen  bemerkt  man  Spuren 
von  Vergoldung,  die  sich  wahrscheinlich  aufs  Ganze  erstreckte. 
Die  Schale  ruht  auf  einem  Blumenkelch.     H.  lö^/g". 

688.  Desgl.,  von  einem  Silen  gestützt,  der  in  der  Linken 
ein  Trinkhom,  in  der  Rechten,  wie  es  scheint,  einen  Tann- 
zapfen (den  man  auf  den  Thyrsusstab  steckte)  trägt.  An  der 
Basis  Enten.     H.  I6V4". 

689.  Desgl.,  1841  durch  Gerhard  in  Italien  gekauft. 
2667.     H.  19%". 

Das  Thymiaterion  tuht  auf  menschlichen  Beinen-  (lauter 


i 


Die  Weihraudigefasse  (Thymiaterien).  167 

rechten  Beinen  um  der  Symmetrie  willen),  welche  durch  ein 
Gewand  mit  einander  verbunden  sind.  Der  Schaft  ist  spiral- 
förmig cannellirt,  und  ein  Affe  klettert  daran  empor,  der  einen 
gefangenen  Vogel  triumphirend  emporhält.  Es  ist,  wie  schon 
bemerkt,  etwas  charakteristisch  Etruscisches,  überall  kleine 
Figuren  anzubringen,  die  beleben  sollen,  oft  aber  auch  spie- 
lend sind. 

690.  Desgl.,  auf  Pferdefüssen  ruhend,  die  aus  Greifen- 
mäulem  hervorgehen.     H.  16*^/8" 

Es  ist  ein  in  der  etruscischen  Tektonik  ausserordentlich 
häufiges  Motiv,  durch  ein  Thiermaul  eine  neue  Entwicklung 
anzuknüpfen,  gleichsam  als  habe  sich  das  Thier  daran  fest- 
gebissen. 

691.  D|esgl.  Sammlung  Koller  655.     H.  16 V2". 

Das  Thymiaterion  ruht  auf  Pferdebeinen,  in  der  Mitte 
des  Schaftes,  dessen  obere  Hälfte  restaurirt  ist,  sitzt  ein  Vogel 
und  auf  dem  Rand  der  Schale  sitzen  zwei,  ursprünglich  vier 
Tauben.  Dies  letztere  in  spät  etruscischer  Kunst  häufige 
Motiv  ist  vielleicht  durch  das  berühmte  Mosaik  des  Sosus 
veranlasst,  wo  Tauben  am  Rande  eines  Gefasses  sitzend  dar- 
gestellt waren.V/,  n. 

692.  Desgl.,  aus  Vulci,!  1841  durch  Prof.  Gerhard  in 
Italien  gekauft.     2669.     H.  10". 

Dieses  kleine  Thymiaterion  wird  von  einer  weiblichen 
Figur  getragen,  die  nach  der  Bewegung  ihrer  Arme  für  eine 
Tänzerin  zu  halten  ist.  Sie  ist  in  ganz  specifisch  altetrus- 
cischem  Stil  gearbeitet,  namentlich  sind  auch  die  unnatürlich 
verbogenen  Hände  für  die  Etrusker  charakteristisch.  Auf 
ihrem  Kopf  trägt  sie  zunächst  eine  Blume  und  aus  dieser 
entfaltet  sich  dann  der  Schaft,  welcher  die  Schale  trägt.  Die 
Blume  oder  richtiger  ein  Blattkelch  ist  oft  in  griechischer 
wie  etruscischer  Tektonik  ein  vorbereitendes  Mittel  aus  dem 
sich  die  eigentliche  Spitze  der  Sache  entwickelt.  Büsten  ent- 
wickeln sich  sehr  oft  aus  kelchförmigen  Basen,  gerade  wie 
die  Blüthe  aus  ihrem  Kelch. 

Die  Basis  der  Figur  bildet  ein  dreibeiniges  Tischchen. 

693.  Desgl.,  fragmentirt.  Nur  ein  Theil  des  Schaftes 
von  einer  Figur  gestützt,  ist  erhalten.    Bei  Clusium  gefunden. 


168  ^i^  Weihrauchgefasse  (Thymiaterion). 

von  Prof.  Gerhard  1841  in  Italien  gekauft   2686.   H.  474" 
ohne  Basis. 

Die  Figur  ist  so  überraschend  graziös^  dass  man  ihren 
etruscischen  Ursprung  bezweifehi  möchte,  wenn  er  zn  be- 
zweifeln wäre.  Sie  ist  aber  eben  darum  besonders  interessant 
und  wichtig. 

Es  ist  ein  Tänzer  der  mit  Castagnetten  in  der  Hand 
gerade  seinen  Tanz  beginnt.  Das  linke  Bein  ist  elastisch 
vorgestreckt  und  der  Kopf  neigt  sich  anmuthig  wie  im  Vor- 
gefühl der  Wonne  des  Tanzes.  In  der  Schmalheit  der  Hüften 
verglichen  mit  der  Breite  der  Schultern  ist  noch  ein  alter- 
thümlicher  Zug  bemerkbar,  aber  im  Ganzen  ist  die  Figur  be- 
reits frei  entwickelt 

Der  Schaft,  welchen  der  Tänzer  balancire^d  auf  seinem 
Kopf  trug,  ist  nur  bis  zur  Blüthe  erhalten,  aus  welcher  sich 
dann  ganz  wie  bei  n.  692  die  letzte  Abtheilung  des  Geräthes 
entwickelte. 

Der  dreifüssige  Tisch,  in  welchen  die  Figur  eingelassen, 
ist  modern. 

693*-  Tänzerin  in  alterthümlichen,  etruscischem  Stil 
mit  eng  anliegendem  Gewände,  worüber  eine  kurze  Jacke,  auf 
welcher  Kreuzbänder.  Sie  hat  Krotalen  in  den  Händen.  An 
dem  runden  Aufsatz  auf  dem  Kopf  sieht  man,  dass  die  Figur 
ein  Geräth,  vermuthlich  ein  Thymiaterion  trug.     H.  4^/«". 

693^-  Nackte  weibliche  Figur  mit  Bulla  und  etrus- 
cischen Armbändern,  in  den  Händen  Castagnetten.  Sie  trägt 
auf  dem  Kopf  einen  schräg  cannelirten  Schaft,  auf  welchem 
ursprünglich  vermuthlich  die  Schale  des  Thymiaterions  be- 
festigt war.    Die  Füsse  der  Figur  sind  ergänzt. 

694.  Thymiaterion,  fragmentirt,  nur  die  Basis  mit  der 
Figur  ist  erhalten.     H.  974"« 

Auf  einer  dreiseitigen  von  Krallen  getragenen  und  mit 
kleinen  Enten  an  den  Ecken  verzierten  Basis  steht  ein  nackter 
Tänzer  oder  Gaukler,  der  sich  in  einem  Kunststück  producirt 
Er  steht  nämlich  balancirend  auf  einem  Bein  und  hält  in 
der  ausgestreckten  Linken  hoch  erhoben  den  Schaft,  von 
welchem  aber  nur  die  Basis  erhalten  ist.  Die  Figur  ist 
specifisch  etruscisch,  besonders  in  den  eckigen,  ungraziösen 
Bewegungen.    Auch  die  spitzen  Schuhe  sind  etruscisch. 


Die  Candelaber.  169 

Im  cabin.  Pourtal^s  pl.  40  ist  ein  genau  übereinstim- 
mendes; aber  vollständig  erhaltenes  Thymiaterion  abgebildet, 
wodurch  das  unserige  ergänzt  werden  kann. 

695.  DesgL,  ganz  einfach  und  von  abweichender  Form. 
Aus  Vulci,  1841  durch  Prof.  Gerhard  in  Italien  gekauft. 
2670.     H.  8Vs". 

Eine  breite  Schale  ruht  auf  einem  dicken,  sich  nach 
oben  verjüngenden,  nach  unten  tellerartig  ausgebreiteten  und 
von  Krallen  getragenen  Schaft. 

695*- ^-  Die  oberen  Schalen  von  zwei  Thymiaterien,  die 
beide,  wie  man  an  den  Resten  des  Charniers  sieht,  mit  einem 
jedenfalls  durchlöcherten  Deckel  versehen  waren.  Sie  stimmen 
bis  auf  die  Grösse  vollkommen  überein.  Etruscisch.  Aus 
Cometo.     Samml.  Dorow.     Durchm.  aiS^/^''.  b:4'/8". 


E.  Beleuchtungsapparat. 

I)   Candelaber. 

Hinsichtlich  der  Candelaber  ist  ein  wesentlicher  Unter- 
schied zu  beachten,  sie  sind  nämlich  entweder  Lampenträger 
oder  Kerzenträger.  Die  ersteren  können  erst  verhältniss- 
mässig  spät  aufgekommen  sein,  weil  die  Lampe,  wie  die  Be- 
richte der  Alten  und  die  Monumente  lehren,  nicht  das  älteste 
Beleuchtungsmittel  ist.  Homer  kennt  sie  noch  nicht,  die  Be- 
leuchtung im  Hause  des  Odysseus  wird  dadurch  hergestellt, 
dass  man  trockenes  Holz  aufschichtete  und  anzündete,  wobei 
denn  immer  einer  zum  Nachschüren  dabei  stehen  musste  (Od. 
18,307),  im  vornehmeren  Hause  desAlkinoos  standen  goldene 
Knaben  auf  Postamenten  mit  Fackeln  in  den  Händen  (Od.  7, 
100),  die  an  erhaltene  Candelaber  erinnern,  an  denen  der 
Schaft  des  Candelabers  durch  eine  Figur  getragen  wird.  Als 
tragbares  Licht,  womit  beim  Schlafengehen  vorgeleuchtet  wird, 
diente  die  Fackel. 

Es  lässt  sich  aber  nicht  genau  bestimmen,  wann  die 
Lampe  eingeführt  ist  und  man  darf  nicht  glauben,  dass  die 
uns  erhaltenen  kerzentragenden  Candelaber  einer  der  Erfin- 
dung der  Lampe  vorausliegenden  Zeit  augehören.     Vielmehr 


170  ^^^  Candelaber. 

haben  wir  aus  Etrurien,  welchem  Lande  eben  diese  Candelaber 
angehören,  eine  grosse  reichverzierte  Lampe  —  die  von  Cor- 
tona  —  welche  in  Alterthtimlichkeit  des  Stils  mit  jedem 
Candelaber  rivalisiren  kann.  Es  wurden  mindestens  seit  dem 
Jahr  500  Lampen  neben  den  Kerzen  gebraucht. 

Das  Material,  mit  dem  wir  es  hier  zu  thun  haben  ist 
etruscisch  und  römisch,  Griechenland  hat  nur  sehr  wenig 
Candelaber  geliefert  und  von  diesen  wenigen  wissen  wir  nicht 
viel  mehr  als  ihre  Existenz  ^).  Die  etruscischen  Gräber  haben 
uns  dagegen  eine  reiche  Fülle  von  Candelabern  gegeben,  die 
fast  in  allen  Museen,  vorzüglich  reich  aber  im  museo  Grego- 
riano  des  Vaticans  vertreten  sind.  Diese  etruscischen  Can- 
delaber sind  nun  fast  alle,  die  älteren  unter  ihnen  ohne  Aus- 
nahme, Kerzenträger,  nicht  Lampenträger,  während  anderer- 
seits die  pompejanischen  und  herculanischen  Candelaber,  die 
uns  ebenfalls  in  reicherer  Anzahl  vorliegen,  Lampenträger 
sind.  Jene  senden  oben  drei  oder  vier  Spitzen  aus,  an  welche 
Kerzen  angeheftet  wurden,  was  sowohl  durch  alte  Nachrichten, 
als  auch  durch  die  vor  einigen  Jahren  bei  Orvieto  entdeckten 
etruscischen  Wandgemälde,  auf  denen  derartige  brennende 
Candelaber  dargestellt  sind,  bestätigt  wird  2). 

Die  Candelaber  sind  ohne  Ausnahme  gegossen,  natürlich 
stückweise,  selbst  der  Schaft  besteht  au  grösseren  Exemplaren 
aus  zwei  Stücken.  Wir  betrachten  zunächst  die  etruscischen, 
die  in  der  That  zu  den  schönsten  Geräthen  des  Alterthums 
gehören. 

Der  Schaft  ruht  auf  drei  Thierbeinen,  deren  Linie  nicht 
bloss  durch  ihre  graziöse  Bewegung  erfreut,  sondern  auch  die 
Vorstellung  thätiger  Kräfte  hervorruft,  als  übten  die  Füsse, 
wie  von  innerer  Lebenskraft  beseelt,  eine  Gegenwirkung  aus 
gegen  die  Last  des  Schaftes.  Sie  werden  zwar  niedergedrückt 
mit  ihrem  oberen  Theil,  verlieren  aber  doch  nicht  die  Elasti- 
cität,  den  Schaft  mit  neuer  Aufwärtsschwingung  leicht  und 
frei  emporzuheben.  Man  vergleiche  das  unter  n.  689  aufge- 
führte Thymiaterion,  an   dem  die  Biegung  nach  unten  fehlt, 


^)  In  einem  athenischen  Grabe  hat  man  einmal  zwei  silberne  Can- 
delaber neben  der  Leiche  gefunden  bullet.  1838,  p.  8.  Wo  sie  geblieben 
sind,  weiss  ich  nicht,  ich  habe  in  keiner  der  vielen  Sammlungen  Athens 
einen  Candelaber  gesehen,  Conze  und  Michaelis  haben  auf  ihrer  Reise 
durch  Griechenland  einen  gesehen.     Annali  1861,  p.  63. 

^)  Connestabile,  pitture  murali  a  fresco  etc.  tav.  XI. 


Die  Candelaber.  171 

xm  den  Unterschied  zwischen  einer  ausdruckslosen  und 
einer  gleichsam  beseelten  oder  organisch  belebten,  den 
Widerstreit  von  Kräften  veranschaulichenden  Form  nachzu- 
empfinden. 

Die  Verbindung  zwischen  den  Füssen  und  dem  Schaft 
wird  oft  in  den  schöneren  Exemplaren  durch  darüber  gelegte 
Blätter  vermittelt.  Wir  bemerkten  schon,  dass  der  Blattkelch 
analog  seiner  Funktion  in  der  Natur,  auch  in  der  Tektonik 
eine  neue  Entwicklung  vorbereitet. 

Ehe  wir  nun  die  Entwicklung  des  Schafts  verfolgen, 
müssen  wir  noch  ein  zwischen  den  Füssen  des  Candelabers 
befindliches  Ornament  erwähnen,  dessen  Angemessenheit  schon 
unter  dem  blossen  Gesichtspunkt  der  Kaumausfüllung  gerade 
durch  die  Vergleichung  der  kahleren  Exemplare  einleuchtet, 
das  aber  auch  noch  eine  tektonische  Bedeutung  hat.  Es  be- 
steht gewöhnlich  in  seinem  unteren  freien  Theil  aus  einer 
auf  den  Kopf  gestellten,  also  mit  der  Spitze  nach  unten 
zeigenden,  in  schräger  Richtung  hingestreckten  Palmette 
und  diese  Palmette  markirt  deutlich  die  Vorstellung  des  Ab- 
laufs. Der  obere  dem  Kern  des  Candelabers  verknüpfte 
Theil  des  Ornaments  hat  natürlich  eine  Entwicklung  nach 
oben  hin. 

Der  Schaft  beginnt  nun  mit  einem  Ornament,  das  in  den 
meisten  Exemplaren  seinem  Sinn  nach  undeutlich,  in  einigen 
aber  noch  klar  ausgeprägt  vorliegt,  es  sind  Kelchblätter  mit 
überhängender  Spitze,  die  auf  die  Entwicklung  des  Schaftes 
vorbereiten.  Und  nun  beginnt,  indem  zugleich  die  ganze 
Entwicklung  in  der  schönsten  Abstufung  vom  Dickeren  zum 
Dünneren  fortschreitet,  der  Schaft  im  engeren  Sinn  wieder 
mit  einem  Ornament  von  Blättern,  die  aber  ganz  verschieden 
von  jenen  sich  glatt,  schuppenartig  an  den  Stengel  anlegen. 
Es  ist  offenbar,  dass  bei  der  Erfindung  dieses  Geräthes,  an 
die  Analogie  eines  Rohrstengels  gedacht  ist,  der  sich  ja  ähn- 
lich aus  Blätterumgebung  schlank  entwickelt,  jedenfalls  aber 
handelt  es  sich  nicht,  wie  bei  den  späteren  Candelabern,  um 
genaue  Imitation  eines  Motivs  der  Natur,  sondern  es  bleibt 
bei  Anklängen  und  Analogien.  Und  namentlich  der  utiunter- 
brochen  aufstrebende  und  cannelirte  Schaft  —  nur  weniger 
schöne  Exemplare  haben  eine*  Unterbrechung  und  sind  un- 
cannelirt  —  hebt  das  Geräth  aus  der  Abhängigkeit  vom  Vor- 
bilde der  Natur  heraus.  Es  bedarf  kaum  der  Bemerkung, 
dass  der  Scliaft  wie  an  der  Säule,  sich  allmählich  verjüngt, 


172  ^**  Candelaber. 

wodurch   die  Schlankheit   und  Leichtigkeit  natürlich   erhöht 
wird. 

Unter  den  abspringenden  Haken,  an  welche  die  Wachs- 
kerzen angespiesst  wurden,  bemerkt  man  häufig  eine  Scheibe 
mit  einem  nach  unten  vorstehenden  Rand  und  ausserdem  ein 
wenig  nach  unten  gewölbt.  Offenbar  soll  sie  die  Hand^  die 
hier  bequem  anfassen  würde,  vor  abträufelndem  Wachs  schützen. 
Denn  man  gebrauchte  diese  Candelaber,  wenigstens  die  klei- 
neren, leichter  tragbaren  auch  zum  Vorleuchten,  wie  unsere 
Armleuchter.  Zwischen  den  Haken  des  Candelabers  steht  fast 
immer  ein  Figtirchen,  das  nicht  bloss  als  die  zierlichste  Be- 
krönung  von  ornamentaler  Bedeutung  ist,  sondern  wie  schon 
in  der  allgemeinen  Einleitung  bemerkt  wurde,  als  Handhabe, 
an  welcher  der  Candelaber  getragen  wurde,  auch  praktischen 
Werth  hat.  Die  Figürchen  haben  nämlich  häufig  abstehende 
Arme,  um  eine  bequeme  Handhabe  für  die  umfassenden  Finger 
abzugeben.  Natürlich  kann  dies  nur  bei  leichteren  und  klei- 
neren, halbe  Manneshöhe  nicht  tiberschreitenden  Candelabem 
der  Fall  sein. 

Die  Frage,  ob  die  Erfindung  dieser  Candelaber  den 
Etruskern  zuzuschreiben  ist  oder  den  Griechen,  wird  schwer 
mit  Sicherheit  zu  beantworten  sein.  Für  die  Etrusker  kann 
der  schon  in  der  allgemeinen  Einleitung  erwähnte  Umstand 
angeführt  werden,  dass  griechische  Zeugen  aus  der  Zeit  der 
höchsten  Kunstblüthe  die  Meisterschaft  der  Etrusker  in  allem 
Erzgeräth,  darunter  in  der  Verfertigung  der  Candelaber,  her- 
vorheben und  den  Gebrauch  desselben  in  Griechenland  an- 
deuten. Wir  besitzen  noch  Candelaber  aus  der  Zeit,  der 
diese  Zeugnisse  angehören,  und  können  somit  die  Wahrheit 
dieses  Lobes  bezeugen.  Andererseits  lässt  sich  nicht  läugnen, 
dass  einem  Theil  des  etruscischen  Metallgeräths,  z.  B.  den 
schönen  Weinkannen  griechische  Vorbilder  zu  Grunde  liegen, 
und  es  kann  daher  der  Vermuthung,  dass  es  sich  mit  dem 
Candelaber  ebenso  verhalten  möge,  kein  ernstlicher  Grund 
entgegengesetzt  werden. 

j  Die  Candelaber  der  zweiten  Art  sind  Lampenträger. 
Wie  jene  durch  die  etruscischen  Funde,  so  sind  diese  uns 
hauptsächlich  aus  Pompeji  und  Herculanum  bekannt*).     Sie 


*)  Ganz  einzeln  hat  man  auch  in  Pompeji  kerzentragende  Candelaber 
gefunden,  bullet,  d.  inst.  1841,  p.  114. 


Die  Candelaber.  173 

unterscheiden  sich  vornehmlich  durch  die  Bildung  des  oberen 
Theils,  der  vasenförmig  gebildet  und  oben  durch  einen  Teller 
geschlossen  ist,  welcher  zur  Aufnahme  der  Lampe  dient.  Im 
Uebrigen  haben  sie  die  schöne  etruscische  Form  fast  ganz 
beibehalten,  nur  dass  manchmal  die  Ornamente  zwischen  den 
Füssen  reich  dlirchbrochen  sind  und  dass  über  den  Füssen 
ein  reich  verzierter  Teller  liegt,  der  den  praktischen  Zweck 
haben  mochte,  den  Fuss  zu  beschweren,  aber  weil  er  die 
schlanke  Entwicklung  des  Schaftes  aus  den  Füssen  verdeckt^ 
dem  künstlerischen  Eindruck  des  Geräthes  nicht  gerade  vor- 
theilhaft  ist  2). 

Wie  beim  Thymiaterion,  so  finden  wir  auch  hier  den 
Schaft  oft  von  Figuren  getragen  und  die  fackelhaltenden 
goldenen  Knaben  in  dem  Palast  des  Alkinoos  sind  wohl  das 
älteste  Beispiel  dieses  Gebrauchs.  In  hochalterthümlichem 
griechischem  Stil  ist  die  Figur  eines  nackten  Jünglings  er- 
halten, der  wahrscheinlich  den  Schaft  eines  Candelabers  auf 
dem  Kopf  trug^).  Sie  ist  ganz  streng  componirt  und  geht 
völlig  in  ihrer  tektonischen  Funktion  auf  und  in  dieser  Weise 
haben  wir  uns  vielleicht  überhaupt  die  ähnlichem  Zweck 
dienenden  Figuren  des  alten  Stils  zu  denken.  Es  konnte 
aber  nicht  ausbleiben,  dass  die  Figur  sich  allmählich  freier 
und  selbständiger  benahm  und  den  tektonischen  Zwang  durch- 
brach, und  so  finden  sich  denn  auch  später  manche  hübsche 
und  freiere  Motive,  namentlich  dies,  dass  die  Figur  den  Can- 
delaber tanzend  auf  dem  Kopf  balancirt.  Endlich  löst  sich 
der  Zusammenhang  zwischen  Geräth  und  Figur  ganz,  indem 
letztere  als  Fussbeschwerer  einfach  daneben  gesetzt  und  so- 
mit reine  ornamentale  Zuthat  wird.  Dies  ist  namentlich  an 
einigen  pompejanischen  und  herculanischen  Candelabern  der 
Fall*). 

Aber  es  wird  auch  und  dies  allerdings  erst  in  späterer 
Zeit,  die  ganze  Idee  des  Candelabers  verändert,  wie.  schon 
oben  angedeutet  wurde.  Es  treten  nämlich  rein  naturali- 
stische Motive  auf,  der  Schaft  ahmt  einen  Schilfstengel  oder 
knorrigen  Baum  nach  und  die  Lampen  hängen  wie  Früchte 
an  den  Zweigen.     Es  ist  oben  die  Zeit  näher  zu  fixiren  ge- 


-')  Vgl  Bd.  I,  n.  875-881. 

')  Die  jetzt  in  Petersburg  früher  in  der  Sammlung  Pourtales  befind- 
liche bekannte  Statuette. 

*)  Vgl.  die  Bd.  I.  p.  882.  883  erklärten  Gypsabgüsse. 


174  ^^®  Candelaber. 

sucht,  wann  diese  neue  Bildung  aufkam^  die  reichsten  Bei- 
spiele dafür  liefern  Pompeji  und  Herculanum,  wo  zugleich 
die  ganz  ausdruckslose  Form  eines  Pfeilers  an  dem  die  Lampen 
hängen,  öfter  vorkommt. 

Die  Candelaber  werden  sehr  häufig  paarweise,  links  und 
rechts  von  der  Leiche  aufgestellt  gefunden.  Sie  gehören  näm- 
lich nicht  eigentlich  zur  Mitgabe  des  Todten,  sondern  wurden 
bei  Todtenfeiem  an  bestimmten  Tagen  benutzt.  Doch  stellte 
mancher  auch  nur  zum  Schein,  oder  um  der  Sitte  zu  geniigen, 
Candelaber  auf,  es  finden  sich  nämlich  ihrer  viele  von  Blei, 
die  zu  praktischem  Gebrauch  ganz  untauglich  waren.  Die 
Sammlung  Caputi  in  Euvo  besitzt  eine  grössere  Anzahl  davon. 

Die  Stellen  der  Alten,  auf  die  hier  Bezug  genommen  ist,  s.  bei 
Becker  Gallus  II,  345  und  Marquardt  Handb.  d.  röm.  Altertli.  V,  1 
p.  869.  Ueber  die  Aufstellung  der  Candelaber  in  den  Gräbern  bullet,  d. 
iust.  1838  p.  8,  1840  p.  56. 

In  der  Aufzählung  des  Einzelnen  schicken  wir  die  ältesten 
Candelaber,  d.  h.  die  für  die  Anheftung  von  Fackeln  einge- 
richteten voran,  und  bezeichnen  die  in  alterthümlich  etrus- 
cischem  Stil  gearbeiteten  als  altetruscisch,  die  übrigen  einfach 
als  etruscisch. 

696.  Altetruscischer  Candelaber,  in  Locri  gefunden, 
aus  der  Sammlung  Pourtal^s  1865  gekauft.  Der  Schaft  be- 
steht aus  zwei  Stücken.     H.  4'  4^4 "• 

Der  Candelaber  wird  durch  eine  Gruppe  bekrönt,  die 
vermuthlich  Mars  und  Venus  vorstellt.  Die  fehlende  Rechte 
des  Mars  hielt  wahrscheinlich  den  Speer.  Aecht  alterthüm- 
lich ist  der  langherabhängende  Helmbusch.  Die  Gruppe  und 
alle  übrigen  Ornamente  sind  sorgfältig  ausgeführt,  die  jBLaken, 
an  welche  die  Kerzen  angespiesst  wurden,  noch  etwas  starr 
und  gradlienig  gebogen.  Der  Diskus  der  die  anfassende  Hand 
vor  abträufelndem  Wachs  schützte,  fehlt  hier,  wie  übrigens 
auch  an  manchen  anderen. 

Die  Gruppe  ist  abg.  bei  Panofka  Antiq.  du  cab.  Pourtales  pl.  3, 
der  den  Stil  derselben  so  wunderbar  verkennt,  dass  er  sie  als  ein  Werk 
aus  römisch-etruscischer  Zeit  betrachtet  und  mit  den  Aschenamen  von 
Alabaster  zusammenstellt.  Vgl.  Dubois  description  des  antiques  du 
comte  de  Pourtales  1841  n.  721. 

697.  Desgl.  aus  Vulci,  1841  in  Italien  durch  Grerhard 


Die  Candelaber.  X75 

gekauft.    2660.    Der  Schaft  besteht  aus  zwei  Stücken.    Höhe 

4'  21/2''. 

Der  Candelaber  ruht  auf  geflügelten  Krallen^  denen  eine 
nackte  knieende  Figur  vorgelegt  ist,  die  sich  gleichsam  dem 
ausladenden  Fuss  entgegenstemmt.  Oben  ist  eine  ähnliche 
Gruppe  angebracht,  wie  an  n.  696,  nur  dass  diese  Gruppe 
entschieden  dem  täglichen  Leben  angehört.  Es  ist  ein  Jüng- 
ling und  ein  Mädchen,  die  sich  lieb  haben.  Ersterer  hält 
einen  Kranz.    Die  Gruppe  ist  sorgfältig  ausgeführt. 

698.  Desgl.  aus  Vulci,  1841  von  Gerhard  in  Italien 
gekauft.    2G63.   H.  3'  5V2". 

Das  Motiv  der  oben  stehenden  Figur  —  eines  mit  einem 
Mäntelchen  bekleideten  Jünglings  —  ist  nicht  recht  klar. 
Mit  der  Rechten  macht  er  eine  Geberde,  als  wollte  er  zur 
Stille  oder  Vorsicht  ermahnen,  in  der  Linken  schwingt  er  ein 
Geräth,  das  am  ersten  einer  Glocke  zu  vergleichen  ist. 

699.  Desgl.,    ebendaher   und   aus   demselben   Ankauf. 

2666.     H.  2'  9V2" 

Der  Candelaber  wird  von  der  Figur  eines  Kriegers  be- 
krönt, der  sich  einen  Helm  aufsetzt.  An  der  linken  Hüfte 
trägt  er  einen  Köcher. 

700.  Desgl.,  1844  von  Waagen  in  Italien  gekauft.  2731. 
H.  3'  11". 

Der  Candelaber  ist  besonders  fein  in  den  Verzierungen. 
Das  obere  Stück,  die  Haken  nebst  der  Figur,  fehlt. 

701.  Desgl.   H.  3'  3". 

Per  Schaft  ist  polygonal,  aber  uncannelirt  und  besteht 
aus  zwei  Stücken,  deren  Commissur  durch  einen  Knopf  ver- 
deckt wird,  welcher  sehr  unschön  die  schlanke  Entwicklung 
des  Schaftes  unterbricht.  Auch  fehlen  die  Palmetten  zwischen 
den  Füssen,  der  Candelaber  ist  überhaupt  kahl  und  unschön. 
Oben  ist  ein  pferdebeiniger  Satyr  angebracht  in  übertriebener 
etruscischer  Gesticulation.  Eine  unter  den  altgriechischen 
Broncen  aufgeführte  Figur  zeigt,  wie  dieser  Satyr  oder  viel- 
mehr sein  griechisches  Original  ursprünglich  gedacht  war. 
Er  sieht  nämlich  neugierig  ins  Weite. 

702.  Desgl.  H.  2'  111/2''. 

Auch  hier  ist  der  Schaft  polygonal  und  uncannelirt.  Oben 


276  ^^^  Candelaber. 

stand  ein  Knabe  mit  einer  Ente  auf  den  Händen,  der  kürz- 
lich von  roher  Hand  abgebrochen  und  entwendet  ist.  Nnr 
die  Füsse  sind  zurückgeblieben. 

703.  Desgl.,  1841  von  Prof.  Gerhard  in  Italien  gekauft 
2665.     R  3'  6V2". 

Der  Candelaber  ist  kahl  und  unschön,  der  Diskus,  der 
zum  Schutz  der  Hand  dient,  ist  ganz  ohne  Verzierung  ge- 
lassen. Oben  darauf  steht  ein  nackter  gestikulirender  Jüng- 
ling, der  wie  es  scheint  im  Begriff  ist,  einen  Tanz  zu  be- 
ginnen. 

704.  Etruscischer  Candelaber  aus  Vulci,  1841  von 
Gerhard  in  Itaüen  gekauft.   2661.   H.  4'  3«/^". 

Der  Candelaber  ist  von  einem  nackten  eine  Lanze  hal- 
tenden Jüngling  bekrönt,  dessen  linke  Hand  fehlt 

705.  Desgl.,  aus  Vulci,  zu  demselben  Ankauf  gehörig. 

2662.     H.  3'  71/2". 

Ein  Jüngling  der  ein  springendes  Boss  zurückhalten  will^ 
steht  oben  darauf. 

706.  Desgl.,  ebendaher  und  zu  demselben  Ankauf  ge- 
hörig.    2664.     H.  3'  5". 

Der  Candelaber  wird  durch  eine  Merkursfigur  bekrönt^ 
die  sich  auf  den  Hirtenstab  (dessen  oberes  krummes  Ende 
abgebrochen  ist)  stützt  und  nach  oben  schaut  Kenntlich  ist 
Merkur  an  dem  Flügelhut 

707.  Etruscischer  Candelaber.     H.  3'  4". 

Dieser  Candelaber  trägt  oben  eine  Schale,  in  deren 
Mitte  sich  ein  Dorn  zum  Aufspiessen  der  Kerze  befindet 
Die  Schale  ruht  auf  einem  Blattkelch,  aus  dem  sie  sich 
gleichsam  wie  die  Blüthe  entwickelt  Der  Schaft  des  Can- 
delabers  ist  viereckig  und  zweimal  unterbrochen  durch  weib- 
liche Figuren,  die  den  alterthümlichen  Venustypus  roh  imitirt 
darstellen.  Die  untere  von  ihnen  steht  auf  einer  Schildkröte, 
welche  hier  wohl  als  Attribut  der  Venus,  als  welches  sie 
bekannt  ist,  aufgefasst  werden  muss.  lieber  den  Köpfen  der 
Figuren  sind  je  zwei  Haken  angebracht,  um  Lampen  oder 
andere  kleinere  Gegenstände  daran  aufzuhängen^).  Der  Fuss 
ist  eine  Imitation  von  Rohr  oder  Schilf. 


Die  CandelabcF.  177 

Der  Candelaber  sieht  auf  den  ersten  Blick  sehr  alt  aus, 
und  doch  ist  er  es  nicht.  Das  naturalistische  Motiv  des 
Fusses,  und  die  unruhige  Unterbrechung  des  Schaftes  durch 
die  Figuren,  sprechen  dagegen.  Solche  Figuren  aber  wie  diese 
Venusfiguren  wurden  zu  allen  Zeiten  repetirt.  Sie  sind  übrigens 
nicht  mehr  mit  vollem  Verständniss  gemacht,  denn  die  rechte 
Hand  sollte  eine  Blume  halten. 

708.  Candelaber  römischen  Stils.  KoUer'sche  Samm« 
lung  652.  H.  2'  7^1^''. 

Das  obere  Ende  fehlte,  es  ist  daher  ein  moderner  Teller, 
von  welchem  drei  Haken  zum  Aufhängen  von  noch  mehreren 
Lampen  ausgehen,  hinzugefügt  worden.  Vermuthlich  war  es 
auch  ursprünglich  so.  Das  Motiv  der  feinen  Schilfblätter, 
die  den  ansteigenden  Schaft  zu  umgeben  pflegen,  ist  nicht 
mehr  verstanden. 

709.  Desgl.,  wahrscheinlich  aus  Pompeji.     H.  1972"« 
Dieser  kleine  Candelaber  hat  oben  die  Vasenform  und 

über  den  Füssen  den  Diskus,  was  beides  den  pompejanischen 
Candelabern  eigenthümlich  ist.  Auf  pompejanischen  Ursprung 
deutet  auch  die  bläuliche  Patina,  die  den  dort  gefundenen 
Broncen  (wenn  auch  nicht  ausschliesslich)  eigenthümlich  ist. 

710.  Lampengestell,  wahrscheinlich  ebendaher.  Samml. 
Bartholdy,  D.  35.   H.  1872"- 

Auch  dies  Lampengestell  hat  unter  den  pompejanischen 
Alterthümem  in  Neapel  mehre  Analogien.  Die  Lampen  hingen 
von  den  Ranken  herab,  die  vom  Schaft  ausgehen.  Die  Platte 
ruht  auf  Kuhfüssen  und  ist  ringsherum  fein  verziert. 

711.  Candelaber  in  Form  eines  Rohrstengels. 
H.  4'  4". 

Dies  Motiv  ist  unter  den  Candelabern  späterer  Zeit  sehr 
gewöhnlich.  Der  obere  Theil  ist  wie  ein  Blumenkelch  ge- 
staltet und  schliesst  mit  einem  flachen  Teller,  auf  den  die 
Lampe  gestellt  wurde. 


^)  Vgl.  das  Wandgemälde  bei  Caoina  £trnria  maritima  tav.  64, 
wo  eigene  candelaberähnliche  Stander  zam  Anhängen  kleiner  Gegen- 
stände, dergleichen  auch  in  Valci  nach  bullet  1882  p.  194  gefunden, 
vorgestellt  sind. 

Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke.  II.  X 


178  9^^  Gandeiaber. 

712.  Candelaber  in  Form  eines  Baumstamms.  SammL 
Bartholdy  D.  37.  H.  9%". 

Das  Motiv  eines  knotigen^  seiner  Zweige  beraubten 
Baumstamms  ist  für  Candelaber  römischer  Zeit  sehr  gewöhn- 
lich. Man  sieht  es  besonders  oft  an  den  pompejanischen 
Exemplaren.  Unser  Exemplar  hat  unten  zwischen  zwei  Füssen 
einen  au&echt  stehenden  Stachel^  auf  den  vielleicht  noch  eine 
Kerze  gesteckt  wurde. 

713.  Desgl.,  ganz  ähnlich.   Samml.  Koller  656.    H.  9". 
Der  Diskus  ist  alt,   für   das  Alter  des  Uebrigen  aber 

möchten  wir  nicht  garantiren. 

714.  Lampenuntersatz,  aus  Bellori's  Besitz.  Aeltere 
Samml.  B.  23*-   H.  31/2".  Durchm.  4". 

Dieser  Untersatz  entspricht  ganz  genau  den  zahlreich  in 
Pompeji  gefundenen  Lampenuntersätzen.  Wir  gestehen  übrigens, 
über  das  Alterthum  dieses  Gegenstandes  nicht  ganz  ruhig  zu 
sein,  die  Patina  sieht  jedenfalls  nicht  zum  Besten  aus. 

714*-  Der  obere  Teller  eines  Leuchters;  der  Dom 
zum  Aufspiessen  der  Kerze  ist  fragmentirt» 

715.  Candelaber  mit  fester  Lampe,  Samml.  Koller 
658.   H.  12 V2" 

Auf  diesem  Candelaber  sitzt  die  kleine,  zweidochtige 
Lampe  fest.  Der  Schaft  ist  spiralförmig  cannellirt,  die  Füsse 
sollen  wohl  Baumstämme  imitiren. 

715*-  Figur,  die  einen  etruscischen  Candelaber 
bekrönt  hat,  nämlich  eine  geflügelte,  oben  weibliche,  unten 
in  zwei  durcheinander  geflochtene  Fischschwänze  auslaufende 
Figur,  die  in  beiden  ausgestreckten  Händen  je  eine  Schlange 
emporhält.  Einen  bestimmten  Namen  für  die  Figur  ausza- 
sinnen,  wäre  Thorheit,  da  ein  solcher  gar  nicht  beabsichtigt 
ist.  Die  Angemessenheit  der  Figur  für  den  vorausgesetzten 
Zweck  ist  unmittelbar  einleuchtend,  auch  ist  ein  Candelaber 
bekannt,  auf  dem  eine  Copie  der  Figur  sich  erhalten  (bullet> 
62  p.  70).     H.  31/2". 

715^*  Desgl.,  ein  Silen  mit  Pferdehufen  mit  übertrie- 
benen, carrikirten  Bewegungen.  Bei  Clusium  gefunden,  durch 
Prot  Gerhard  1841  angekauft.    2686.    H.  4:%". 


Die  Candelaber.  179 

715*^-  Desgl.,  lang-  und  spitzbärtige  Figur  mit  einer 
spitzen  Mütze,  einem  kurzen  Wamms,  worüber  ein  Mäntelchen, 
die  Linke  in  die  Hüfte  gestüzt,  die  Rechte  wie  deklamirend 
erhoben.  Die  Figur  soll  wohl  einen  Lustigmacher  vorstellen. 
Etruscisch.   H.  3^0". 

715^-  Desgl.,  Amor  mit  einer  uns  nicht  verständlichen 
Bewegung  der  Arme.   Etruscisch.    H.  S^/V'. 

715®*  Desgl.,  ein  langweiliger  Silen,  mit  demTrinkhorn 
in  der  Rechten,  die  Linke  in  die  Hüfte  gestützt.  Aus  Bomarzo. 
In  der  Auction  der  Sammlung  Pourtal^s  1865  gekauft.  3537. 
H.  4". 

715^  Nackter  Jüngling,  in  der  Rechten  den  Diskus 
haltend,  die  Linke  etwas  ausgestreckt.  Die  Form  der  Basis 
ist  die,  wie  bei  den  oben  auf  den  Candelabem  befindlichen 
Figuren.  Aus  dieser  Verwendung  erklärt  sich  auch  die  Hal- 
tung der  Hände,  nämlich  um  einen  Anhalt  für's  Anfassen  zu 
haben.  An  den  Beinen  ist  die  Figur  ganz  unausgearbeitet. 
Etruscisch.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  47.  H.  ^^j.^'* 
mit  Basis. 

715?-  Nackter  Jüngling,  mit  der  Rechten  einen  Dis- 
kus an  seinen  Schenkel  drückend,  die  eigenthümliche  Haltung 
des  linken  Arms,  an  dem  die  Hand  fehlt  (so  wie  auch  beide 
Füsse  fehlen)  .erklärt  sich  durch  den  tektonischen  Zweck,  die 
Arme  sind  so  gekrümmt  zum  bequemen  Anfassen.  Etruscisch. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   C.  71.   H.  2%". 

715^*  Nackter  Jüngling,  die  Arme  zurückgezogen 
nach  einem  Motiv,  welches  bei  den  oben  auf  Candelabern 
befindlichen  Figuren  oft  vorkommt,  damit  nämlich  ein  be- 
quemes Anfassen  möglich  sei.  Etruscisch.  Aus  der  älteren 
Sammlung.   H.  278"- 

715*-  Desgl.,  in  ganz  derselben  Stellung.  Nur  hat  die 
Basis  nicht  die  gewöhnliche  Form.   Etruscisch.   H.  4:^1^*'^ 

715^  Jüngling  mit  Himation  in  feinem  etruscischen 
Stil.  Die  Arme  sind  rechtwinklig  gekrümmt  und  die  Rechte 
hielt  etwas,  was  nicht  mehr  da  ist,  die  Linke  macht  einen 
nichts  bedeutenden  Gestus.     H.  4*/e". 

12* 


130  ^^^  Lampen. 

715^  Nackte  Frau,  nur  am  rechten  Bein  vom  Gewand 
bedeckt.  Die  Figur  hat  Schuhe,  Halsband  und  Armband.  In 
der  linken  Hand  scheint  sie  etwas  gehalten  zu  haben  ^  der 
ganze  rechte  Arm  fehlt.  Die  Figur  steht  auf  einem  drei- 
seitigen korinthischen  Kapitell  und  oben  auf  ihrem  Kopfe  ent- 
wickelt sich  wie  aus  einem  Kelch  der  Ansatz  eines  Schaftes^ 
von  dem  nur  wenig  erhalten.  Es  ist  uns  nicht  ganz  sicher^ 
dass  sie  zu  einem  Candelaber  und  nicht  zu  einem  anderen 
Geräth  gehörte.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  28.  H.  8^2 "► 


2)  Lampen. 

Eigenthümlich  ist  die  Seltenheit  etruscischer  Lampen» 
Es  giebt  deren  und  zwar  bereits  in  ziemlich  früher  Zeit,  aber 
wenn  wir  von  den  Funden  in  den  Gräbern  einen  Schluss  auf 
die  Sitte  des  Lebens  machen  dürfen,  so  wurden  vorwiegend 
Kerzen  gebrannt.  Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  fast  alle 
erhaltenen  etruscischen  Candelaber  Kerzen-,  nicht  Lampen- 
träger sind. 

Auch  griechische  Broncelampen  sind  selten,  die  im  Fol- 
genden aufgeführten  Lampen  sind  sämmtlich  römischen  Ur- 
sprungs und  zwar  zum  Theil  heidnisch,  zum  Theil  schon 
christlich. 

An  bildlicher  Verzierung  sind  die  Broncelampen  im  All- 
gemeinen weit  ärmer  als  die  Thonlampen.  Dass  der  Griff  in 
einen  Thierkopf  ausläuft,  sollte  nach  der  Analogie  anderer 
Geräthe,  z.  B.  der  Spiegel  und  Schöpflöffel  viel  häufiger  vor- 
kommen, als  es  in  der  That  vorkommt,  nicht  gar  häufig  sind 
auch  die  mit  Masken  oder  Köpfen  verzierten  Lampen,  ein 
Motiv,  das  durch  die  Form  der  Lampe  und  durch  das  zum 
Eingiessen  des  Oels  nothwendige  Loch,  welches  dann  den 
Mund  der  Maske  bildet,  von  selbst  hervorgerufen  wurde. 

Wir  theilen  die  Lampen  in  heidnische  und  christliche 
und  schicken  in  jedem  Abschnitt  die  Hängelampen  den  zum 
Hinstellen  eingerichteten  voran.  Ein  Unterschied  der  Form 
ist  zwischen  diesen  Classen  freilich  nur  theilweise  vorhanden, 
die  Lampen,  welche  an  Candelaber  (wie  n.  710)  angehängt 
wurden,  sind  durchaus  nicht  verschieden  von  denen,  welche 
oben  auf  die  Candelaber  gestellt  wurden,  wohl  aber  haben 
diejenigen  Hängelampen,  welche  kronleuchterartig  in  der  Mitte 
eines  Zimmers  aufgehängt  wurden,   eine    abweichende  Form. 


Die  Lampen.  X81 

Sie  sind  kreisförmig,  das  Licht  nach  allen  Seiten  radienartig 
aussendend;  gebildet. 

a.    Heidnische  Lampen. 

a*   zum  Hängen  eingerichtete  Lampen. 

716.  Grosse  kreisförmige  Lampe  mit  sechs  Tüllen. 
Aus  dem  Nachlass  des  Hofraths  Becker  in  Offenburg  1837 
angekauft,    Durchm.  18"  mit  den  Tüllen. 

Die  sechs  Ketten  an  denen  die  Lampe  hing,  sind  nicht 
erhalten,  wohl  aber  die  sechs  Ringe,  an  welchen  die  Ketten 
befestigt  waren.  Der  Deckel,  welcher  die  für  das  einzugies- 
sende  Oel  bestimmte  Oeffnung  verschliesst,  hat  als  Griff  eine 
Mondsichel,  die  mit  einer  Maske  in  der  Mitte  verziert  ist, 
so  dass  die  beiden  Hörner  zum  Anfassen  frei  bleiben.  Zu 
beiden  Seiten  der  Sichel  sind  jugendliche  nicht  näher  be- 
stimmbare Köpfe  angebracht,  die  man  höchstens  wegen  der 
zwischen  ihnen  befindlichen  Epheublätter  nebst  Epheufrucht 
auf  Bacchus  beziehen  könnte. 

Um  die  Oeffnung,  welche  der  Deckel  schliesst,  läuft  ein 
doppeltes  Ornamentband,  ein  schmäleres  mit  einer  uns  ganz 
unverständlichen  Verzierung  versehen  —  es  sind  drei  kleine 
obere  Kugeln,  an  welche  sich  eine  mehr  schlauchartig  ge- 
staltete unten  anschliesst  —  und  ein  breiteres,  mit  Epheu- 
blättern  und  Epheufrüchten  verziert.  Zwischen  den  Tüllen, 
also  vertikal  stehend,  wiederholen  sich  die  auf  dem  Deckel 
befindlichen  Köpfe,  nur  dass  sie  —  offenbar  weil  vertikal  an- 
gebracht —  eine  Stütze  erhalten  haben.  Man  bemerkt  näm- 
lich unter  dem  Kinn  jedes  Kopfes  ein  mit  den  Schwänzen 
zusammengeflochtenes  Delphinenpaar,  das  gleichsam  als  Träger 
des  Kopfes  erscheint,  wie  man  etwas  Aehnliches  oft  auf 
Gemmen  sieht 

717.  Desgl.,  auf  sieben  Flammen  berechnet  Sammlung 
Koller  513.   D.  71/4"  mit  den  Tüllen. 

Die  Lampe  ist  vollständig  mit  ihren  drei  Ketten  und 
dem  sie  zusammenhaltenden  Binge  (dessen  Zugehörigkeit  ich 
freilich  nicht  garantiren  möchte)  erhalten.  Sie  ist  ganz  ohne 
Ornamente,  übrigens  schwerlich  modern,  wie  der  Verfasser 
des  KoUer'schen  Catalogs,  Gargiulo,  meint  Zwar  fehlt  die 
Patina  fast  ganz,  aber  unten  ist  doch  noch  ein  Pünktchen 
jsehr  schöner  Patina  erhalten. 


182  ^i®  Lampen. 

718.  Desgl.  für  zwei  Flammen,  ein  Weihgeschenk  ait 
Pallas  Victrix.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  Aelt.  Samml.  C. 
a.  1.   Die  Höhe  des  Ganzen  mit  den  Ketten  beträgt  19". 

Von  dem  Griff  der  Lampe  erhebt  sich  unter  einem  von 
Säulen  getragenen  Bogen,  der  unzweifelhaft  den  Eingang 
eines  Heiligthums  darstellen  soll,  eine  Figur  der  Pallas,  die 
mit  der  Linken  ihren  Mantel  fasst,  in  der  Rechten  aber  ein 
unbestimmbares  Geräth  (Laubzweig?)  hält.  Die  Lampe  wird 
von  drei  Ketten  getragen,  die  sich  an  einem  zu  ihrer  Auf- 
nahme dreifach  blattförmig  ausgezackten  Täfelchen  vereinigen^ 
welches  die  Inschrift  trägt  Palladi  Victrici,  welcher  die  Lampe 
dedicirt  war.     Darüber  ein  Haken  zum  Aufhängen. 

Die  Figur  der  Minerva  ist  roh,  überhaupt  das  Ganze 
aus  später  Zeit. 

719.  Desgl.  mit  zwei  Flammen,  auch  im  XJebrigen  sehr 
ähnlich.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  Aelt.  Samml.  C.  *a.  3. 
Länge  6". 

Der  Greif  der  sich  am  Griff  der  Lampe  befindet,  war 
zur  Zeit,  als  Beger  dies  Stück  im  thesaurus  Brandenburgicus 
ni,  p.  442  publicirte,  noch  etwas  besser  erhalten,  es  befand 
sich  nämlich  unter  der  erhobenen  Vordertatze  ein  sechs- 
speichiges  Rad.  Die  Säulen  aber  zu  beiden  Seiten  des  Greifen 
waren  schon  damals  beschädigt,  wir  glauben  mit  Bestimmt- 
heit annehmen  zu  dürfen,  dass  sie  ganz  ähnlich  wie  an  n.  718 
einen  Bogen  trugen,  von  welchem  auf  einer  Säule  noch  ein 
kleiner  Ansatz  sich  erhalten  hat.  Der  Greif  mit  dem  Rade 
scheint  uns  ein  religiöses  Symbol,  der  Vertreter  der  Gottheit,, 
welcher,  wie  wir  glauben,  die  Lampe  dedicirt  war.  Wir  sind 
indessen  nicht  im  Stande,  dies  Symbol  näher  zu  erklären. 

Die  drei  Ketten,  an  denen  die  Lampe  hing,  sind  voU-^ 
ständig  erhalten. 

720.  Desgl.  mit  zwei  Flammen,  in  Form  eines  Nachens. 
Samml.  Koller  518.   L.  8". 

721.  Desgl.  mit  zwei  Flammen,  von  derselben  Form» 
Die  Ketten  sind  erhalten.     Samml.  Koller  521.   L.  5". 

722.  Desgl.  mit  zwei  Flammen,  von  derselben  Form. 
Die  Ketten  und  einer  der  Ringe,  an  denen  sie  befestigt  waren, 
fehlen.     Samml.  Koller  524.    L.  4V2". 


.■  i 


Die  Lampen,  lg3 

723.  Lampe  mit  einer  Flamme,  in  einen  Pferdekopf 
auslaufend,  der  zugleich  als  Griff  dient.  Der  Pferdekopf  geht 
aus  einem  Kranz  von  Kelchblättern  hervor,  ein  ebenso  ge- 
wöhnliches als  anmuthiges  Motiv.  Das  Loch  zum  Oelein- 
giessen  befindet  sich  innerhalb  einer  Muschel,  die  bei  n.  741 
den  Deckel  bildet,  hier  aber  rein  ornamental  angebracht  ist 
Die  Ketten  sind  erhalten.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  Aelt. 
Samml.  C.  b.  1.   L.  61/2"- 

724.  Desgl.  aus  dem  Besitz  Bellori's.  Aelt.  Sammlung 
C.  b.  4.   L.  91/2". 

Die  Tüllen,  sowie  das  tulpenförmig  sich  ausbreitende 
hintere  Stück,  setzen  sich  an  den  Bauch  der  Lampe  mit  einem 
Kranz  von  Blättern  an.  Von  den  Ketten  ist  nur  wenig  er- 
halten. 

725.  Desgl.,  an  drei  Ketten  befestigt,  von  denen  aber 
nur  wenig  erhalten.  An  der  Handhabe  ein  eigenthümlich  ver- 
ziertes Schildchen.     Aelt.  Samml.  C.  b.  11.   L.  S^a"» 

726.  Desgl.,  an  drei  Ketten  hängend,  die  zum  Theil  er- 
halten. Am  Griff  eine  Mondsichel.  Aus  Trier,  ebendaselbst 
1869  gekauft.     3594.     L.  38/8". 

727.  Desgl.,  mit  derselben  Verzierung  am  Griff.  In  der 
Mitte  eine  komische  Maske,  durch  deren  Mund  das  Oel  ein- 
geschenkt wurde.  Von  den  Ringen,  an  denen  die  drei  Ketten 
hingen,  ist  nur  einer  erhalten,  doch  sieht  man  die  Spuren 
der  andern.     Sammlung  Koller  523.     L.  4^/2". 

^'^728.  Desgl.,  mit  derselben  Verzierung  am  Griff.  Am 
Griff  ist  der  Ring  erhalten,  in  welchen  die  Kette  eingriff. 
Samml.  Koller  534.   L.  3V2". 

729.  DesgL,  ganz  tibereinstimmend,  nur  etwas  grösser. 
KoUer'sche  Sanmilung  531.   L.  3^/2". 

730.  Desgl.,  an  zwei  Ketten  hängend.  KoUer'sche  Samm- 
lung 533.   L.  8V4". 

731.  Desgl.,  etwas  beschädigt,  doch  erkennt  man  noch 
aus  dem  Rest  eines  Ringes,  dass  die  Lampe  eine  Hänge- 
lampe war. 


134  P^6  Lampen. 

732.  Desgl.,  mit  einem  Deckel  und  blattförmigem  Schild 
über  dem  Griff.  Von  den  beiden  Ketten  ist'  nur  ein  Ring 
erhalten.     L.  6^2''« 

732*-  Desgl.,  ohne  Griff  und  ohne  Ketten,  die  kleine 
Lampe  war  nämlich  eine  Wandlampe  und  bestimmt  an  einem 
Nagel  aufgehängt  zu  werden,  wozu  der  vertikal  stehende  Bing 
diente.  Unter  demselben  bemerkt  man  einen  Stierkopf,  von 
welchem  einerseits  ein  aufgerichteter  Phallus,  andererseits 
eine  Hand  in  der  Geberde  der  fica  ausgeht.  Von  diesen 
S}Tnbolen,  welche  das  Geräth  gegen  bösen  Zauber  schützen 
sollten,  ist  unten  bei  den  Amuleten  näher  die  Rede.  Gefanden 
bei  Gelduba.   SammL  Minutoli.  C.  b.  16.   L,  2^lJ'. 

732^-  Lampe  in  Form  eines  Schiff leins,  mit  vier  Füssen 
und  einem  Griff,  der  in  einen  Ochsenkopf  (?)  ausläuft,  üeber 
demselben  scheint  ein  Ring  zum  Anhängen  gewesen  zu  sein 
und  ein  zweiter  Ring  war  inmitten  des  Bügels,  der  die  Lampe 
quer  überspannt. 

ß.   Zum  Hinstellen  eingerichtete  Lampen. 

733.  Lampe  für  zwei  Flammen,  mit  'einem  Adler  am 
Griff.     L.  6". 

734.  Desgl.  für  drei  Flammen,  aus  dem  Nachlass  des 
Prof.  Rösel  1844  erworben.    2736.   L.  6^1^". 

735.  Desgl.  für  eine  Flamme,  mit  einer  etwas  beschädigten 
Mondsichel  am  Griff.     Aelt.  Samml.  C.  b.  7.   L.  4^/3". 

736.  Desgl.,  mit  derselben  Verzierung  am  Griff.  Die 
Lampe  ist  oben  ganz  offen  und  hat  einen  Fuss,  der  darauf 
deutet,  dass  sie  nicht  aufgesetzt,  sondern  eingesetzt  wurde. 
Aelt.  Samml.  G.  b.  8.    L.  4". 

737.  Desgl.,  mit  derselben  übrigens  nurjsehr  theilweise 
erhaltenen  Verzierung  am  Griff.  Die  Lampe  ist  am  Rhein 
gefunden  und  dort  1846  gekauft.    2900.   L.  6^^". 

738.  Desgl.  mit  sehr  zierlichem  Griff,  der  durch  einen 
nackten  Knaben  gebildet  wird,  welcher  auf  einer  komischen 
Maske  steht  und  die  für  die  Krümmung  des  Griffs  noth- 
wendige    Stellung   angenommen    hat.     So    gewöhnlich    solche 


Die  Lampen.  ;]^35 

Motive  in  der  etruscischen  Kunst  sind,  so  verhältnissmässig 
selten  sind  sie  in  der  römischen,  der  dies  Stück  angehört. 

Die  Lampe  hatte  einen  Deckel,  der  durch  eine  Kette 
mit  dem  Griff  verbunden  war.  Von  der  Kette  hat  sich  ein 
8tück  erhalten. 

Von  Waagen  1842  in  Rom  für's  Museum  gekauft.  2732. 
L.  5V2". 

739.  Desgl.,  mit  einem  Griff,  der  wegen  der  Grösse  der 
Lampe  für  die  Hand,  nicht  wie  gewöhnlich  für  den  Finger 
eingerichtet  ist  und  durch  zwei  hochaufsteigende  Bügel  gebildet 
wird,  denen  vorn  ein  herzförmig  gestaltetes  Schild  vorgelegt 
ist.   Aus  dem  Besitz  Bellori's.   C.  b.  5.   L.  S^l^'» 

740.  Desgl.,  mit  einem  Relief  auf  der  oberen  Fläche, 
was  nur  selten  vorkommt.  Man  erkennt  ein  auf  einem  Delphin 
reitendes  Knäbchen,  ohne  aber  nähere  Details  angeben  zu 
können.  Aelt.  Samml.  G.  b.  10.   L.  3^lJ'. 

741.  Desgl.,  auf  der  Insel Polyandros  gefunden  und  von 
Schaubert  1849  eingesandt.    2975.   L.  5". 

Das  Schild  am  Griff,  das  zum  Halt  der  Hand  diente,  hat 
die  Form  eines  Blattes,  das  zum  Eingiessen  des  Gels  be- 
stimmte Loch  hat  einen  Deckel  in  Form  einer  Muschel. 

742.  Desgl.,  mit  ähnlich  gestaltetem  Griff.  Sammlung 
Bartholdy.   D.  41.   L.  3V4''. 

742*-  Desgl.,  bei  Cleve  gefunden.  Samml.  Minutoli. 
C.  b.  17.    L.  2V2". 

743.  Desgl.,  Samml.  Bartholdy  D.  40.   L.  2V2''. 

744.  Desgl.,  ganz  einfach.   L.  4^2''* 

745.  Lampe  von  besonderer  Form,  indem  nämlich 
die  für  den  Docht  bestimmte  Geffnung  wie  die  Mündung  einer 
Flasche  emporsteigt  und  der  Henkel  seitwärts  angebracht  ist. 
In  Thon  sind  diese  Lampen  gewöhnlicher,  übrigens,  weil  nur 
für  das  Grab  bestimmt,  ohne  Geffnung  in  der  Mitte,  die  viel- 
mehr durch  eine  Maske  geschlossen  ist.  Samml.  Koller  539. 
L.  28V'- 

746.  Lampe,  die  zugleich  zum  Hängen  und  zum 
Hinstellen  eingerichtet  ist.     Drei  Ringe  um  das  Loch 


1Q^  Die  Lampen. 

in  der  Mitte  herum,  von  denen  einer  vollständig  erhalten, 
deuten  auf  den  ersteren  Zweck,  und  ein  auf  Krallen  ruhender, 
übrigens  mit  der  Lampe  zusammenhängender  Untersatz  auf 
der  letzteren.  Eine  dornartige  Erhöhung  im  Innern  der  Lampe 
wissen  wir  nicht  zu  erklären.  Oben  um  die  Mündung  hemm 
und  am  Untersatz  sind  streifenförmige  Yerzierungen.  Samm- 
lung Koller.    517.   L.  41/4". 

747.  Desgl.,  ohne  Griff  und  in  Form  eines  Kinder- 
kopfes, doch  so,  dass  die  Dochtöfi&iung  besonders  angesetzt 
ist    Sammlung  Koller.   535.   L.  S^g"« 

Gargiulo  im  Katalog  der  Koller'schen  Sammlung  erklärt  diese  Lampe 
für  ein  Werk  des  Cinquecento,  was  uns  nicht  ganz  sicher  scheint. 

748.  Desgl.,  mit  einer  komischen  Maske  verziert,  deren 
Mund  zum  Eingiessen  des  Oeles  diente,  während  die  Docht- 
öffnung besonders  angesetzt  ist.   L.  4^/4". 

749.  Desgl.,  in  Form  eines  epheubekränzten  Mohren- 
kopfes, der  die  Flamme  aus  seinem  Munde  spie.  Die  Lampe 
hat  einen  besonderen  Fuss,  der  Deckel  fehlt.  Aeltere  Samm- 
lung.   C.  b.  12.   L.  31/2"- 

Vgl.  die  ähnliche  Lampe  im  mus.  borb.  VIT,  15. 

750.  Desgl.,  in  Form  eines  Elephantenrüssels,  dessen 
Spitze  die  Handhabe  bildet.  Die  obere  Fläche  ist  mit  einer 
phantastischen,  ganz  mit  Blättern  bedeckten  Maske  verziert, 
deren  Mund  die  Flamme  ausspie.  Aus  dem  Nachlass  des 
Hofrathes  Becker  in  Offenbach  1837  erworben.    L.  A^IJ'. 

751.  Desgl.,  in  Form  eines  mit  einer  Sandale  beklei- 
deten Fusses.  Die  Dochtöffnung  ist  ganz  unorganisch  an  die 
grosse  Zehe  angesetzt.  Etwas  beschädigt.  Bei  Cleve  ge- 
funden.    Sammlung  Minutoli.     C.  b.  15.   L.  4". 

752.  Grosse  Lampe  in  Form  einer  Ente,  deren  rück- 
wärts gedrehter  Kopf  den  Griff  bildet,  während  der  Schwanz 
in  zwei  Dochtöffnungen  ausläuft.  In  Wiesbaden  1863  an- 
gekauft.   3492.   L.  13''. 

752**  Eine  Lampe,  gebildet  durch  zwei  Figuren,  die 
im  Coitus  mit  einander  begriffen  sind.  Aeusserst  roh.  Aus 
der  Koller'schen  Sammlung.    688. 


Die  Lampen.  137 

b.  Altchristliche  Lampen. 

Es  war  den  alten  Christen  Bedürfiiiss,  die  Geräthe  des 
täglichen  Lebens  mit  Zeichen  und  Symbolen  ihres  Glaubens 
zu  verzieren,  damit  ihre  ganze  Umgebung  sie  stets  an  ihren 
Herrn  und  Meister  erinnerte.  Der  Trinkbecher,  die  Gewänder, 
der  Eing  und  Schmuck  und  so  auch  die  Lampe,  sowohl  die 
unscheinbare  thöneme  als  die  aus  kostbarerem  Material  ge- 
fertigte wurden  mit  religiösen  Zeichen  und  Sinnbildern  ver- 
ziert. Es  ist  im  Wesentlichen  dasselbe  grosse  Princip,  das 
im  Mittelalter  und  in  der  Bltithezeit  der  griechischen  Kunst 
herrschte,  das  Princip,  das  tägliche  Leben  mit  religiösen  Ge- 
danken zu  durchdringen,  das  für  die  Kunst  wie  für  das  Leben 
gleich  fruchtbar  war. 

753.  Grosse  Lampe  für  zwei  Flammen  und  mit 
muschelförmig  gestaltetem  Deckel.  Am  Henkel  erhebt  sich 
eine  fünf  Zoll  hohe  radförmig  gestaltete  und  aussen  mit 
Knöpfen  versehene  Verzierung,  in  deren  Mitte  die  Anfangs- 
buchstaben des  Namens  Christi,  das  X  und  P  zu  einem  Zuge 
verschlungen,  sich  befinden.  Rings  herum  läuft  eine  Wein- 
ranke mit  Trauben,  ein  auf  das  Gleichniss  Christi  vom  Wein- 
stock zielendes  altchristliches  Symbol.  Aus  dem  Besitz  Bel- 
lori's.   C.  a.  4.   L.  10". 

754.  Hängelampe  für  zwei  Flammen,  an  zwei,  vor- 
mals  drei  Ketten  hängend.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  C.  a.  5. 
L.  68/4". 

Am  Griff  ist  eine  ganz  ähnliche,  nur  einfeche  Verzierung 
wie  bei  n.  753.  Zum  Monogramm  Christi  tritt  hier  indessen 
ein  A  und  ß  hinzu,  nach  der  bekannten  Stelle  der  Offen- 
barung. 

Zu  dieser  Lampe  gehört  nach  LevezoVs  Inventar,  die 
Inschrift: 

NONIATTICI 

VCETINLVS 

TRIS. 

755.  Desgl.,  in  Form  eines  Delphins.  Aeltere  Samm- 
lung.  C.  1.  2.   L.  7". 

Die  Lampe  ist  für  zwei  Flammen  berechnet  und  die 
Tüllen  entwickeln  sich  aus  je  einem  Delphinskopf,  über  denen 


138  ^^^  Lampen. 

sich  ein  Kreuz  erhebt,  das  an  der. oberen  Spitze  durchbohrt 
ist,  um  eine  Kette  aufzunehmen.  Nur  eines  dieser  Kreuze 
ist  vollständig  erhalten.  Die  beiden  Delphinsköpfe  haben 
einen  gemeinschaftlichen  Leib  und  Schwanz,  welcher  letztere 
als  Handhabe  dient  und  sich  oben  in  eine  mit  Flossfedern 
blätterartig  umgebene  Tülle  öffnet,  die  zum  Oeleingiessen 
diente.  An  der  vorderen  Spitze  dieses  Blattkranzes  befindet 
sich  der  Best  eines  dritten  Kreuzes,  an  welchem  die  dritte 
Kette  befestigt  war.  Mitten  durch  den  Bauch  der  Lampe  geht 
ein  Loch,  dessen  Zweck  uns  unverständlich  ist. 

Die  Kreuze  erklären  sich  selbst,  auch  der  Fisch  ist  ein 
bekanntes  altchristliches  Symbol.  Er  erscheint  bald  als  Del- 
phin, bald  in  andrer  Form,  ohne  dass  irgend  ein  Unterschied 
ersichtlich  wäre. 

756.  Desgl.,  mit  einer  Tülle.  Aus  dem  Besitz  Bellori's. 
C.  b.  3.   L.  7^2". 

Die  Lampe  hängt  an  zwei  Ketten  und  ist  am  Griff  mit 
einem  aufrecht  stehenden  Weinblatt  verziert,  dessen  christ- 
liche Bedeutung  schon  oben  berührt  wurde. 

757.  Desgl.,  aus  dem  Besitz  Bellori's.    C.  b.  2.    L.  8". 
Der  Griff  läuft  in  einen  Greifenkopf  aus,  zwischen  dessen 

Ohren  sich  ein  oben  fragraentirtes  Kreuz  oder  wohl  richtiger 
Monogramm  erhebt.  An  beiden  Seiten  des  Deckels  ist  gleich- 
falls ein  Monogramm  angebracht.  Die  beiden  Ketten  ver- 
einigen sich  zu  einer  und  am  Vereinigungspunkt  hängt  eine 
Sichel  herab. 

Der  Greifenkopf  ist  hier  gewiss  nicht  bedeutungslos, 
doch  ist  er  uns  als  christliches  Symbol  unbekannt. 

758.  Desgl.,  in  Form  eines  Täubchens  mit  einem  Hals- 
band, an  welchem  ein  Kreuz  hängt.  Von  den  beiden  Ketten 
ist  nur  ein  Stück  der  einen  erhalten.    L.  S^/g". 

Lampen  in  Form  von  Tauben  waren  in  altchristlicher 
Zeit  sehr  gewöhnlich.  Mehreres  darüber  bei  Munter,  Sinn- 
bilder und  Kunstvorstellungen  der  alten  Christen,  p.  105  ff. 

758*'  Fragment  einer  altchristlichen  Lampe,  be- 
stehend in  einer  ganz  ähnlichen  Verzierung,  wie  wir  sie  an 
der  Lampe  n.  753  fanden.  In  dieser  radförmigen  Verzierung 
ist  das  Monogramm  nebst  dem  a  und  co  angebracht  und  oben 


Die  Laternen.  —  Kohlenbecken,  Zangen  und  Schaufeln.        Ig9 

darauf  sitzt  die  Taube.     Der  Griff  ist  einfach  hakenförmig 
gestaltet.   H.  58/4".' 

3)  Laternen. 

Laternen  sind,  so  viel  wir  wissen,  nur  in  Pompeji  zum 
Vorschein  gekommen.  Sie  haben  immer  dieselbe  einfache  und 
praktische  Form  und  waren  wohl  erst  später  mit  Glas,  früher 
mit  Hom  oder  anderem  durchscheinenden  Material  geschlossen. 
Dies  sieht  man  an  dem  hiesigen  Exemplare  sehr  deutlich,  an 
welchem  die  Nieten  erhalten  sind,  die  zur  Befestigung  von 
Glas  untauglich  wären. 

Vgl.  Becker-Marquardt's  Handbuch  d.  rom.  AU.  V,  2,  303. 

759.  Laterne  aus  Pompeji,  ausgegraben  im  Jahre  1822 
in  Gegenwart  Sr.  Majestät  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  IIL 
Die  Laterne  ist  vollständig  bis  auf  die  Hornumkleidung  er- 
halten.  C.  b.  14. 

760.  Laternenlämpchen,  vermuthlich  auch  aus  Pom- 
peji, da  es  ganz  mit  den  pompejanischen  übereinstimmt  und 
auch  die  bläuliche  Patina  hat,  die  den  pompejanischen  Broncea 
eigen  ist.    Sammlung  Koller.    530. 

F.  Feuerimgsapparat 

1)  Kohlenbecken,  Zangen  und  Schaufeln. 

Oefen  kannte  man  im  Alterthum  eben  so  wenig,  wie  man 
sie  heut  zu  Tage  im  Süden  kennt.  Als  die  Römer  sich  dies- 
seits der  Alpen  festsetzten,  übertrugen  sie  die  Art  der  Heizung,, 
die  sie  in  ihren  Bädern  bereits  angewandt  hatten,  auf  ihre 
Privatwohnungen.  Am  Rhein  sind  manche  Reste  derselben 
gefunden,  in  denen  die  Stuben  durch  das  sog.  hypocaustum 
erwärmt  wurden»  Es  war  eine  Luftheizung,  indem  von  einem 
unter  dem  hohlgelegten  Fussboden  befindlichen  Kamin  aus 
die  warme  Luft  sich  zunächst  unter  dem  Fussboden  frei  ver- 
breitete, dann  aber  auch  in  Röhren  mit  verschliessbaren  Oeff- 
nungen  die  Zimmerwände  hinauf  geleitet  wurde.  Indessen  war 
doch  auch  in  den  Privathäusem  des  Südens  für  besonders 
strenge  Kälte  irgend  ein  Wärmeapparat  nothwendig,  und  da 
bediente   man    sich   ganz   wie   noch    heutigen    Tages,    eines 


120  Kohlenbecken,  Zangen  und  Schaufeln. 

Kohlenbeckens,  das  mitten  in's  Zimmer  gestellt  wurde.  Man 
findet  auch  diese  Kohlenbecken  in  den  Gräbern  und  zwar  in 
der  Mitte  des  Grabes  aufgestellt,  mit  sichtlicher  Nachahmung 
der  häuslichen  Sitte. 

Ueber  die  Auffindung  dieser  Geräthe  bullet,  dell'  inst.  1843,  p.  101. 

761.  Etruscisches  Kohlenbecken,  auf  Löwentatzen 
ruhend,  die  sich  aus  dem  Maul  von  Greifen  entwickeln. 
Durchm.  22^2"- 

762.  Etruscische  Feuerzange,  1843  von  E.  Braun 
in  Rom  gekauft.    2729.    L.  18". 

Sehr  fein  verziertes  Geräth.  Ein  Bandgeflecht  zieht  sich 
an  den  Stielen  hinab,  deren  Spitzen  in  Widderköpfe  auslaufen. 

763.  Desgl.,  aus  Vulci,  1841  durch  Prof.  Gerhard  ge- 
kauft.   2694.   L.  I6V4". 

Diese  Zange  ruht  auf  Rädern,  eine  auf  den  ersten  Blick 
seltsame  und  doch  sehr  praktische  Einrichtung.  Das  GerÄth 
lag  nämlich  für  gewöhnlich  auf  den  oben  erwähnten  Kohlen- 
becken und  wird  auch  noch  in  dieser  Lage  gefunden,  um  es 
nun  aber  leichter  anfassbar  zu  machen,  wird  es  durch  die 
Räder  emporgehoben.  Die  Stiele  sind  schräg  cannellirt  und 
laufen  in  Eichelköpfe  aus. 

764.  Etruscische  Feuerschaufel,  1841  von^  Prof. 
Gerhard  gekauft.    2697.    L.  12^1^". 

Feuerschaufeln,  wie  die  vorliegende,  werden  auf  dem 
Kohlenbecken  liegend  in  den  Gräbern  gefunden  und  dienten 
dazu,  die  auseinanderfallenden  Kohlen  zusammenzuschieben 
und  dadurch  neue  Gluth  zu  entfachen.  Denn  die  Hand,  welche 
die  Stelle  der  Schaufel  vertritt,  macht  den  Gestus  des  Zu- 
sammenrakens,  wie  wenn  sie  von  allen  Seiten  die  Kohlen 
nach  dem  Mittelpunkte  zu  sammeln  wollte.  Die  Verbindung 
der  einzelnen  Theile  des  Geräthes  wird  durch  Thierköpfe 
vermittelt.  Aus  einem  Schlangenkopf  geht  die  Hand  hervor, 
und  ebenfalls  aus  einem  Schlangenkopf  entwickelt  sich  der 
schräg  cannellirte  Schaft.  Es  fehlt  an  dem  Geräth  nur  ein 
kurzer  knöcherner  Griff,  der  an  anderen  Exemplaren,  die 
nicht  selten  sind,  erhalten  ist. 

765.  DesgL,  aus  demselben  Ankauf, -weit  weniger  sorg- 
fältig gearbeitet.   2698.   L.  19''. 


Die  Dreifüsse.  191 

766.  Desgl.,  nicht  mehr  als  Hand  gebildet.  Die 
knöcherne  Bekleidung  des  Griffes  fehlt.   L.  12^/4". 

2)  Dreifüsse. 

Die  Dreifüsse ;  die  sich  in  den  Museen  befinden^  stam- 
men fast  alle  aus  Etrurien  und  zwar  aus  den  Gräbern  Yulci's. 
Die  Vermuthung,  dass  sie  den  Todten  als  errungene  Siegespreise 
und  somit  als  liebe  Andenken  mitgegeben  seien^  hält  bei  ge- 
nauerer Durchforschung  der  Fundberichte  nicht  Stich.  Na- 
mentlich führt  der  Fund  von  Dürkheim  zu  ganz  anderer 
Annahme.  Der  in  Dürkheim  gefundene,  jetzt  im  Museum  zu 
Speyer  befindliche  Dreifuss  enthält  nämlich  eine  Einrichtung, 
die  ihn  aufs  Deutlichste  als  Untersatz  einer  Vase  charakteri- 
sirt.  Es  ist  ein  Kohlenbecken  darin  angebracht,  das  sich 
nach  unten  durch  ein  Ventil  öffnet,  während  es  oben  von 
einem  Rost  überdeckt  ist,  auf  den  die  noch  erhaltene,  zu- 
gehörige Vase  gestellt  wurde.  Dieselbe  Einrichtung,  die,  weil 
von  Eisen,  leicht  verschwinden  konnte,  ist  auch  für  ein  paar 
jenseits  der  Alpen  gefundene  Dreifüsse  vorauszusetzen,  die 
bis  auf  das  fehlende  Kohlenbecken  mit  dem  Dürkheimer 
Exemplar  übereinstimmen.  Auch  eine  andere  Hypothese,  wo- 
nach die  Dreifüsse  als  Weihrauchgefässe  aufzufassen  seien, 
ist  mit  dem  Fund  von  Dürkheim  nicht  vereinbar,  auch  sind 
dazu  die  Gefässe  viel  zu  gross.  Die  etruscischen  Dreifüsse 
sind  vielmehr  Kohlenbecken  und  als  solche  ebenso  wohl  in 
den  Stuben  als  in  den  Gräbern  der  Etrusker  aufgestellt. 
Nirgends  herrscht  so  sehr  wie  in  Etrurien  die  Sitte,  das 
Grab  ganz  nach  dem  Vorbilde  der  Wohnung  der  Lebendigen 
auszustatten. 

Der  etruscische  Dreifuss  unterscheidet  sich  von  dem 
griechischen  durch  das  Fehlen  der  Henkel  und  durch  die 
auswärts  gestellten  Beine,  die  bei  letzterem  senkrecht  oder 
einwärts  zu  stehen  pflegen.  Vielleicht  bezieht  sich  dieser 
Unterschied  aber  nur  auf  den  alt  etruscischen  Dreifuss,  denn 
nur  solche  besitzen  wir,  und  die  zu  möglichst  festem  Stand 
weit  gespreizten  Beine  haben  in  der  That  einen  alterthüm- 
lichen  Charakter. 

Es  scheint,  dass  die  Erfindung  dieses  Geräthes  wesent- 
lich den  Etruskern  gebührt,  und  allerdings  der  Reichthum 
an  plastischem  Schmuck,  den  wir  auch  hier  wie  an  Cande- 
labern  und  Thymiaterien  finden,  ist  etwas  specifisch  Etrus- 


192  Die  Dreifüsse. 

cisches.  Auch  die  etwas  unorganische  Art,  wie  die  ver- 
schiedenen Stäbe  aus  dem  Fuss  herauskommen,  möchten  wir 
den  Etruskem  zuschieben.  Um  so  schöner  sind  dagegen  die 
Ornamente,  die  wie  ein  Halsband  mit  hängenden  Bommeln 
oben  das  kahle  und  durchsichtige  Stabwerk  znsammen- 
schliessen. 

Die  figürlichen  Verzierungen  an  den  Dreifttssen  sind 
ebenso  wie  diejenigen  der  Candelaber  und  Thymiaterien  ganz 
willkürlich,  wie  es  bei  fabrikmässiger  Verfertigung  nicht 
anders  zu  erwarten  ist. 

Der  Fund  von  Dürkheim  ist  abgebildet  bei    Liudenschmit ,   Alter- 
thümer  II,  2,  2. 

767.  Etruscischer  Dreifuss  aus  Vulci,  1837  in  der 
Versteigerung  der  Sammlung  Durand  in  Paris  gekauft.     H.  2' 

Die  meisten  Dreifüsse  scheinen  einen  besonders  ein- 
gesetzten Kessel  gehabt  zu  haben,  der  unserige  hat  einen 
festen  und  wie  alles  Uebrige  aus  Bronce  bestehenden  Kessel 
Als  Verzierung  befindet  sich  über  der  bogenförmig  gebogenen 
Stütze  die  dreimal  wiederkehrende  Gruppe  eines  Löwen,  der 
ein  Beh  zerfleischt,  während  die  geraden  Stützen  von  je  einer 
auf  die  Geschichte  der  Meduse  bezüglichen  Figuren  bekrönt 
sind.  Die  Meduse  ist  wenigstens  unverkennbar  und  so  werden 
die  beiden  sie  verfolgenden  Männer  wohl  Perseus  und  Merkur 
sein  sollen.  Von  Fabrikarbeiten  dieser  Art  ist  keine  Ge- 
nauigkeit zu  erwarten,  Perseus  z.  B.  macht  den  Gestns  des 
Zuschlagens,  hat  aber  keine  Waffe  in  der  Hand,  die  eben 
weggelassen  ist.  Auch  liegt  der  Wahl  dieser  Verzierungen 
natürlich  keine  besondere  Absicht  zu  Grunde. 

768.  Etruscischer  (?)  Dreifuss,  in  den  Ruinen  von 
Metapont  gefunden.  Früher  in  der  Sammlung  Pourtalös,  aus 
welcher  er  1865  zu  uns  kam.   3542.   H.  2'  4^/V'. 

Die  allgemeine  Form  dieses  Dreifusses,  dessen  Schaale 
übrigens  fehlt,  ist  etruscisch.  Auch  in  einigen  der  Thiere 
glauben  wir  etwas  Etruscisches  zu  bemerken.  Doch  liesse 
sich  schwer  der  Gegenbeweis  führen,  wenn  Jemand  ihn  dem 
altgriechischen  Styl  Unteritaliens,  den  wir  kaum  kennen,  zu- 
schreiben wollte. 

In  der  Zusammenstellung  der  Thiere,  Pferd,  Löwe,  Stier 
oder  Kuh  und  Schlange   suchen  wir  vergebens  nach  irgend 


Die  Schlösser.  193 

einem  leitenden  Gedanken.  Nicht  einmal  das  kann  zugegeben 
werden,  dass  diese  Thiere  als  Schützer  und  Wächter,  als 
a7C0TQ67t(xia  angebracht  seien.  Denn  wenn  dies  auch  von 
Löwe,  Schlange  und  Stier  gelten  könnte,  so  wissen  wir  wieder 
mit  den  Pferdeköpfen  nichts  anzufangen.  Es  scheint  daher, 
wir  müssen  dies  Geräth  wie  eine  Anzahl  alter  Keliefs  und 
Vasen  betrachten,  wo  ohne  besondere  Absichten  beliebte  und 
lebendige  Thiere  in  naiver  Weise  zusammengestellt  sind.  Die 
Pferdeköpfe  sind  übrigens  nach  auswärts  gebogen,  um  als 
Griff  dienen  zu  können. 

Bei  der  allgemeinen  Angabe  des  Fundortes  ist-  es  nicht 
möglich,  über  die  Bestimmung  des  Geräthes  etwas  Näheres 
anzugeben.  Da  indessen  die  unteritalischen  Gräber  meines 
Wissens  noch  keine  Dreifüsse  geliefert  haben,  so  ist  die  An- 
nahme, der  Dreifuss  sei  in  den  Ruinen  eines  Tempels  ge- 
funden, nicht  unwahrscheinlich.  Denn  in  den  Tempeln  und 
im  Tempelbezirk  standen  auf  Säulen  errichtet  nicht  wenige 
solcher  Tripoden,  die  seit  den  ältesten  Zeiten  ein  sehr  be- 
liebtes Weihgeschenk  waren, 

Abg.  bei  Panofka  cabin.  Pourtales  pl.  XIII,  dessen  Abbildung  aber 
ungenügend  ist,  noch  mehr  freilich  der  Text,  indem  zunächst  die 
Voraussetzung,  dass  die  Embleme  des  Dreifusses  aus  dem  Hauptcult  des 
Fundortes,  dem  Demetercult,  zu  erklären  seien,  ja  völlig  willkürlich  ist 
und  sodann  die  Durchführung  dieser  These  noch  viel  mehr  an  Willkür 
und  Unwahrscheinlichkeit  leidet. 

0.  Schlosser  und  SchliisseL 

1)  Schlösser. 

üeber  die  Einrichtung  der  römischen  Schlüssel  und 
Schlösser  —  denn  nur  vom  Verständniss  der  römischen,  nicht 
der  griechischen^)  und  etruscischen  kann  nach  dem  uns  vor- 
liegenden Material  die  Rede  sein  —  ist  auf  Grund  der  in 
der  römischen  Colonie  von  Neuwied  am  Ende  des  vorigen 
und  Anfang  des  gegenwärtigen  Jahrhunderts  gefundenen,  ganz 


^)  Doch  will  ich  hinsichtlich  der  griechischen  Schlüssel  auf  die  in 
den  Händen  von  Priesterinnen  so  oft  dargestellten  und  gewiss  mit  Recht 
für  Schlüssel  erklärten  Geräthe  aufmerksam  machen,  die  in  ihrer  Form 
ganz  den  specifisch  römischen  Schlüsseln  entsprechen  und  daher  wohl 
ebenso  eingerichtet  waren.  Die  Zinken  habe  ich  freilich  nie  dargestellt 
gesellen,  was  denn  auf  Rechnung  einer  bloss  andeutenden  Zeichnung 
käme. 

Frieatrichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  13 


194  I^ie  Schlösser. 

besonders  instructiven  Exemplare  mit  so  anßgezeichneter 
Sachkunde  gesprochen^),  dass  ich  mich  auf  ein  kurzes  Referat 
beschränken  kann. 

Die  römischen  Schlüssel  zerfallen  in  zwei  Classen,  deren 
eine  unseren  gewöhnlichen  deutschen  Schlüsseln  ziemlich  ge- 
nau entspricht,  während  die  andere  ganz  abweicht  Der  Bart 
der  letzteren  besteht  aus  längeren  oder  kürzeren  und  ver- 
schieden, sehr  oft  im  rechten  Winkel  gruppirten  Zinken, 
welche  mit  einem  ihrer  Gruppirung  entsprechend  durch- 
löcherten Schlussriegel  correspondiren.  Aus  den  Löchern 
dieses  Biegeis  haben  sie  zunächst  die  Stifte  herauszudrücken, 
die  den  Riegel  festhalten,  um  ihn  dann  verschieben  und  da- 
durch ö&en  zu  können.  Denn  dieser  Schlüssel  wird  nicht 
wie  der  andere  gebohrte  Schlüssel  im  Schloss  ganz  herum- 
gedreht, sondern  dient  nur  zum  Hin-  und  Herschieben.  Der 
Ausdruck  clavem  subjicere  bestimmt  näher  die  Art  und  Weise, 
wie  man  den  Schlüssel  gebrauchte,  der  Schlüssel  fasst  näm- 
lich unter  den  Schlussriegel  und  drückt  die  den  letzteren 
festhaltenden  Stifte  von  unten  nach  oben. 

Die  innere  Einrichtung  der  Schlösser  ist  an  den  in  Neu- 
wied gefundenen  Exemplaren  noch  gut  erhalten,  an  den  un- 
serigen  fehlt  sie.  Wir  gehen  deswegen  nicht  näher  darauf 
ein,  wollen  aber  doch  bemerken,  dass  die  antiken  Schlösser 
ebensowohl  ihre  Feder  hatten  wie  die  modernen. 

Man  findet  Schlösser  und  Schlüssel  sehr  gewöhnlich  in 
den  Gräbern,  sie  sind  die  metallenen  Ueberreste  hölzerner 
Kästchen,  insbesondere  von  Schmuckkästchen,  deren  Spuren 
oft  in  den  Gräbern  gefunden  werden. 

769.  Vorhängeschloss  in  Form  eines  kleinen  Cy- 
linders,  aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.    L.  2". 

In  Neuwied  ist  ein  ganz  übereinstimmendes,  nur  besser 
erhaltenes  Schloss  gefunden,  das  zur  Erklärung  des  unserigen, 
an  welchem  nicht  allein  die  ganze  innere  Einrichtung,  son- 
dern auch  die  Ketten  fehlen,  an  denen  es  hing  und  der  Riegel, 
der  ins  Schloss  ging,  verwandt  werden  kann*).  Es  ist  fBr 
einen  Schlüssel  der  gewöhnlichen  Form  bestimmt,  wie  die 
Form  des  Schlüsselloches  zeigt.     Man   bemerkt   ferner  den 


*)  Von  dem  Baumeister  Huadeshagen  bei  Dorow,  Rom.  Alterth.  io 
und  um  Neuwied,  p.  83—107.  Vgl.  Taf.  20.  21,  die  ganz  diesem 
Gegenstand  gewidmet  sind. 

2;  Abg.  bei  Dorow  a.  a.  0.,  Taf.  20,  2. 


Ik 


Die  Schlösser.  195 

Ausschnitt,  in  welchen  der  Riegel  hineingriff  und  die  drei 
liöcher,  die  mit  drei  Löchern  an  der  unteren  Fläche  cor- 
respondirend  Nägel  aufnahmen,  welche  durch  das  ganze  Schloss 
fingen  und  zum  Zusammenhalt  desselben  dienten. 

770.  Deckel  eines  ganz  ähnlichen  Schlosses,  ebendaher. 

44.   D.  IV2''. 

Dieser  Deckel  enthält  eine  Inschrift,  worin  dem  Besitzer 
glückliche  Benutzung  des  Geräthes  gewünscht  wird.  Man  liest 
EYTYXi22XPiI,  doch  in  den  Buchstabenformen  späterer 
Zeit  E  und  2  haben  die  runden  Formen  und  das  £i  ist 
cursiv. 

771.  Beschlag  eines  Schlosses,  rund  und  mit  einem 
Schieber  versehen,  um  das  Schlüsselloch  ganz  zu  schliessen. 
Letzteres  hat  die  einem  Winkelmaass  ähnliche  Form,  die  mit 
dem  specifisch  römischen  Schlüssel  correspondirt.  Sammlung 
XoUer.   504.  D.  48/4". 

772.  Desgl.,  viereckig  tmd  für  einen  Schlüssel  der- 
selben Form  bestimmt.  Die  Nägel,  mit  denen  das  Schloss 
befestigt  war,  sind  noch  zur  Hälfte  vorhanden,  es  wareif  im 
Ganzen  ihrer  acht.    Sammlung  Koller.   565.   L.  4"  und  S*/^". 

773.  Desgl.,  von  einem  Schubriegelschloss.  Die  Nägel 
sind    noch    zum    Theil    erhalten.      Sammlung    Koller.    566. 

L.  2»/8a". 

774.  Theil  eines  Schlosses,  von  Eisen. 

775.  Desgl. 

775*^  Desgl.  Aus  dem  Nachlass  des  Kriegsministers 
von  Rauch  erworben.   2651. 

776 — 794.  Neunzehn  Schlussriegel  mit  dem  spe- 
cifisch  römischen  Schlüssel  correspondirend,  in  verschiedener 
Weise,  einfacher  und  künstlicher  durchlöchert^),  n.  776  ist 
in  Cleve  gefunden  und  stammt  aus  der  Sammlung  Minutoli. 
F.  25;  n.  777  aus  der  älteren  Königl.  Sanmilung.  K.  30; 
n.  778   stammt   aus  Pompeji.   K  30 ;  n.  779  ist  aus  dem 


*)  Früher  hielt  man  diese  Geräthe  fiir  Schlüssel.    Vgl.  z.  B.  Caylos, 
Recueil  IV  zu  pl.  55,  5. 

13* 


196  öie  Schlüsse!. 

Nachlass  des  Oberstlieutenant  Schmidt  1846  erworben.  2852; 
n.  780  stammt  ans  Pompeji  und  ist  aus  dem  Nachlass  des 
Prof.  Rösel  1844  zu  uns  gekommen.  2783;  n.  781.  782 
endlich  sind  aus  Gerhard's  Nachlass  1869  acquirirt.  40.  41. 
Die  Länge  dieser  Schlossriegel  variirt  zwischen  3^/g"und  1^2"* 

794*-   Desgl.  (?)  von  Eisen,  ältere  Sammlung.    F.  31. 


2)  Schlüssel. 

a.   Die   gewöhnlichen,  unseren  deutschen  gebohrten 

Schlüsseln  entsprechenden. 

795 — 810.  Sechszehn  gewöhnliche  Schlüssel,  deren 
Ring  entweder  wie  bei  unseren  Schlüsseln,  dem  Bart  parallel 
gerichtet  ist  oder  aber  senkrecht  auf  ihm  steht,  n.  795  ist 
aus  der  Sammlung  Koller.  569;  n.  796  aus  der  älteren 
Sammlung.  F.  22;  n.  797  ist  bei  Cleve  gefunden  und  aus 
der  Sammlung  Minutoli.  F.  8;  n.  798  ist  in  Pompeji  ge- 
funden und  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  erworben. 
27 W;  n.  799.  800  sind  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  ac- 
quirirt, 42.  45;  801  ist  aus  dem  Besitz  des  Oberstlieutenant 
Senckler  1863  erworben.  3487*  Die  Länge  dieser  Schlüssel 
variirt  von  31/2"  bis  1^4". 

811.  Kleinerer  Schlüssel,  dessen  Griff  durch  eine 
weibliche  Hand  gebildet  wird,  welche  zwischen  Daumen  und 
Zeigefinger  eine  Frucht  hält.  Aus  dem  Nachlass  des  Oberst- 
lieutenant Schmidt  1846  erworben.    2851.    L.  1^/2". 

812 — 831.  Einundzwanzig  Schatullenschlüssel, 
die  sehr  praktisch  am  Finger  ringartig  getragen  wurden, 
n  812  ist  bei  Cleve  gefunden  und  befand  sich  in  der  Samm- 
lung MinutolL  F.  b.  21;  n.  813  ist  1841  aus  dem  Nachlass 
des  Kriegsministers  von  Rauch  angekauft.  2652;  n.  814 
stammt  aus  Pompeji  und  ist  mit  dem  Nachlass  des  Prof. 
Rösel  1844  zu  uns  gekommen.  2780;  n.  815  ist  aus  dem 
Nachlass  des  Oberstlieutenant  Schmidt  1846  erworben.  2850; 
n,  816  ist  1846  am  Rliein  gekauft  2910*;  n.  817.  818  sind 
vom  Oberstlieutenant  Senckler  1863  erw^orben.    3487^-  ®- 

831*-    Desgl.,  fragmentirt. 


•  Die  Schlüssel.  197 

832 — 846.  Fünfzehn  desgl.,  ungebohrt,  mit  anders 
geformtem  Bart.  n.  832  ist  bei  Cleve  gefunden  und  aus  der 
Sammlung  Minutoli.  F.  b.  22;  n.  833.  834  sind  aus  Pompeji 
und  1844  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  erworben.  2781. 
2782;  n.  835—837  sind  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  an- 
gekauft.  114*-*'- 

847.  848.  Eiserne  Schlüssel  von  ungewöhnlicher 
Form.  Der  erste  ist  1846  am  Rhein  gekauft  (2911),  der 
andere  ist  aus  dem  Nachlass  des  Herrn  v.  Radowitz  1856 
tibergeben.    3206.   L.  2"  und  2^1^". 

849 — 851.  Drei  desgl.,  zum  Theil  von  sehr  zierlicher 
Form.   L.  l^jj'. 

852.  Desgl.,  gebohrt,  aber  mit  ungewöhnlichem  Bart 
L.  2«/8". 

852*-  Ein  Schlüssel  ganz  mit  Inschriften  bedeckt, 
unter  denen  die  Worte  Cor(n)elia  sponsa  Pomponi  für  uns 
leserlich  sind. 

b.  Die  specifisch  römischen  Schlüssel. 

853 — 890.  Achtunddreissig  römische  Schlüssel 
mit  den  Zinken  am  Bart,  einige  von  Eisen,  n.  853.  854  sind 
aus  der  älteren  Sammlung.  F.  3.  5;  855  ist  von  Herrn 
v.  Staff  erworben.  F.  7;  856.  857  sind  bei  Cleve  gefunden 
und  aus  der  Sammlung  Minutoli.  F.  8.  9;  n.  858  ist  aus 
derselben  Sammlung.  F.  13;  n.  859  aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy.  D.  31;  n.  860 — 862  sind  aus  Pompeji  und  mit  dem 
Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  zu  uns  gekommen.  2776 — 2778; 
n.  863  ist  1846  am  Rhein  gekauft.  2910;  n.  864  ist  1856 
aus  dem  Nachlass  des  Herrn  v.  Radowitz  übergeben.  3205; 
n.  865 — 868  sind  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 
37 — 39,  43.  Die  Länge  dieser  Schlüssel  variirt  von  1''  bis 
3^2'^  ^^  einem  derselben  n.  869  ist  noch  die  Kette  erhalten, 
an  welcher  er  getragen  wurde. 

890*-  ^'  Zwei  desgl.,  von  Eisen,  bei  Cleve  gefunden. 
Aus  der  Sammlung  Minutoli.   F.  29.  30. 


198  Die  Waagen. 


H.  Maass  und  Gewicht. 

1)  Waagen. 

Es  gab  im  Alterthum,  wie  heutigen  Tages,  zwei  Arteit 
von  Waagen,  die  gewöhnliche  Waage  mit  zwei  und  die  Schnell- 
waage mit  einer  Schaale.  Die  erste  war  entweder  mit  einer 
Zunge  versehen  zur  allgemeinen  Angabe  des  Gewichtsunter- 
schiedes oder  sie  hatte  eine  Einrichtung  zu  genauerer  Be- 
stimmung der  Differenz,  indem  nämlich  auf  einer  an  einend 
der  Waagebalken  angebrachten  Skala  ein  kleines  Gewicht 
hin  und  her  geschoben  wurde. 

Diese  Einrichtung  ist  im  Wesentlichen  die  der  Schnell- 
waage, die  nur  mit  einer  Schaale  oder  nach  der  Be- 
schaffenheit des  zu  wägenden  Gegenstandes  mit  einem  Haken 
versehen  ist  und  an  dem  längeren  Waagebalken  eine  oder 
mehrere  Skalen  enthält,  an  welchen  das  Gewichtstück  auf 
und  nieder  gleitet.  Die  Anzahl  der  Skalen  richtet  sich  nach 
der  Anzahl  der  Aufhängungspunkte  des  Waagebalkens  und 
die  Art  derselben  nach  der  grösseren  oder  geringeren  Länge 
des  Hebelarmes.  Für  den  vom  Gewicht  entferntesten  oder 
dem  Aufhängungspunkt  des  zu  wägenden  Dinges  nächsten 
Aufhängungspunkt,  also  für  den  längsten  Hebelarm  gilt  die 
grösste  Skala,  für  die  näheren  die  anderen.  Das  Gewöhn- 
liche waren,  wie  wir  namentlich  aus  vielen  pompejanischen. 
Beispielen  entnehmen  können,  zwei  Aufhängungspunkte,  wo- 
mit man  schon  einen  Umfang  von  etwa  25  Pfunden  erreichte,. 
es  giebt  aber  auch  Waagen  mit  drei,  ja  wenn  ich  nicht  irre,, 
mit  vier  Aufhängungspunkten  und  entsprechenden  Skalen,  die 
begreiflicher  Weise  auch  zum  Wägen  bedeutend  schwererer 
Gegenstände  geeignet  waren. 

Griechische  —  mit  Ausnahme  einer  sehr  späten  —  oder 
etruscische  Waagen  entsinne  ich  mich  nie  gesehen  zu  haben, 
was  uns  erhalten  ist,  stammt  aus  römischen  oder  barbarischen 
Funden.     Auch  in  Gräbern  findet  man  Waagen. 

Vgl.  das  Material  im  Mus.  borb.  I,  55.  YIII,  16  und  bei  Caylus^ 
Recueil  IV,  pl.  9-4 — 96.  Eine  altrömische  ganz  von  den  gewöhnlichen 
abweichende  Waage  bei  Gamurriui  in  Annali  delP  inst.  1869  tav.  L. 
Ueber  die  Auffindung  der  Waagen  in  Gräbern,  vgl.  Cochet,  Sepoltureft 
gauloises,  romaines  etc.,  p.  185.  253. 


Die  Waagen.  199 


a.  Waagen  mit  zwei  Schaalen. 

891.  Waage  aus  Pompeji,  wo  sie  1822  in  Gegenwart 
des  Königs  Friedrich  Wilhelm  III.  ausgegraben  ist,  der  sie 
dann  dem  Museum  schenkte.   B.  b.  1. 

Der  14^/4"  lange  Waagebalken  hängt  an  einem  Haken, 
welcher  in  einen  Schwanenkopf  ausläuft  Die  eine  Hälfte 
desselben,  auf  welcher  ein  kleines  rundes  Gewicht  hängt,  ist 
in  4  Abtheilungen  zerlegt,  deren  jede  mit  Ausnahme  der 
letzten  wieder  in  3  Unterabtheilungen  zerfällt  Die  letzte 
hat  deren  nur  zwei,  weil  der  Rest  des  Waagebalkens  das 
ganze  Dutzend  voll  macht. 

Ob  die  Waageschaalen,  die  man  an  diesen  Waagebalken 
gehängt  hat,  ursprünglich  dazu  gehören,  ist  schwer  zu  sagen. 
Jedenfalls  sind  sie  nicht  beide  zugehörig,  denn  die  eine  der- 
selben ist  an  der  unteren  FlS^che  verziert,  während  die  andere 
glatt  ist 

892.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.   572. 

Die  Hälfte  des  Waagebalkens,  auf  welcher  das  (fehlende) 
Gewicht  hin  und  her  geschoben  wurde,  ist  mit  einer  Skala 
versehen,  die  jener  obigen  genau  entspricht.  Nur  dass  sie 
nicht  durch  Striche,  sondern  durch  Punkte  —  die  Haupt- 
abtheilungen durch  drei,  die  Unterabtheilungen  durch  einen 
Punkt  —  ausgedrückt  ist  Ob  die  Schaalen,  die  den  pom- 
pejanischen  sehr  ähnlich  zugehörig  sind,  vermögen  wir  nicht 
zu  sagen.    Länge  des  Waagebalkens  12^/g". 

893. ^Waagebalken  aus  der  KoUer'schen  Sammlung. 
573.   L.  14'^/8". 

Die  eine  Hälfte  desselben  ist  ganz  in  derselben  Weise 
getheilt,  wie  die  vorigen. 

894—896.   Drei  desgl,  ebendaher.    573.  L.  v.  11%'' 

bis  15V2". 

Die  Skala  ist  ganz  dieselbe. 

897.  Desgl.,  mit  derselben  Skala.  Die  Haken  an  den 
beiden  Seiten  sowie  der  in  der  Mitte  sind  erhalten.  L.  10%". 

898.  Desgl.,  am  Rhein  gefunden  und  1863  von  Oberst- 
lieutenant Senckler  erworben.    3480.   L.  8%". 


200  Die  Waagen. 

Dieser  Waagebalken  hat  weder  eine  Skala  noch  hatte 
er  eine  Zunge,  da  in  der  Mitte  noch  einer  der  Ringe  er- 
halten ist,  an  welchen  der  Haken  hing.  Man  konnte  daher 
mit  dieser  Waage  nur  nach  dem  Augenmaass  wägen. 

899.  Desgl;,  am  Rhein  gefunden  und  1846  gekauft. 
2914.   L.  6V4". 

Dieser  Waagebalken  hat  ein  doppeltes  Gelenk,  so  dass 
er  zusammengelegt  werden  kann  und  dadurch  sehr  bequem 
für  den  Transport  wird.  Man  hat  viele  derartige  Waagen 
diesseits  der  Alpen  gefunden. 

Vgl.  Kruse  in  den  Rhein.  Jahrb.  XVIII,  p.  248. 

b.  Waagen  mit  einer  Schaale. 

900.  Waage  mit  zwei  Aufhängungspunkten,  aus  Pompeji, 
mit  dem  Nachlass  des  Prof.  Rörsel  1841  erworben.  2702. 
L.  S^ls". 

Ob  die  Schaale  zugehörig  ist,  vermögen  wir  nicht  zu  be- 
stimmen, dagegen  ist  der  Waagebalken  mit  seinen  Anhängseln 
vollkommen  erhalten.  Das  Gewicht  hat  die  Form  einer 
Kindesbtiste.  Was  aber  an  diesem  Waagebalken  auffällt,  ist 
der  Mangel  der  Skala.  Ich  weiss  dafür  kein  zweites  Bei- 
spiel und  keine  andere  Erklärung,  als  die,  dass  dieses  Exem- 
plar noch  nicht  ganz  fertig  gewesen  ist. 

901.  Waagebalken  mit  zwei  Aufhängungspunkten,  aus 
dem  Besitz  Bellori's.     Aeltere  Sammlung.   D.  b,  2.    L.  6^/4". 

Auf  der  einen  Seite  ist  er  in  zwei  Hauptabtheilungen 
zerlegt,  die  durch  ein  S  (emis)  halbirt  werden.  Jede  Hälfte 
ist  durch  fünf  Punkte  in  6  Theile  getlieilt  bis  auf  die  letzte, 
die  unvollständig  ist  und  nur  4  Punkte  enthält,  aber  durch 
den  Knopf  des  Waagebalkens  ergänzt  wird.  Die  gegenüber- 
liegende Seite  des  Waagebalkens  zerfällt  in  4^2  Einheiten, 
von  welchen  die  vollen  durch  S  halbirt  werden,  während  die 
letzte  eben  nur  eine  Hälfte  ist.  Jede  Hälfte  ist  wieder  durch 
fünf  Punkte  getheilt.  An  der  Grenze  der  achten  und  neunten 
Hälfte  steht  seitwärts  am  Waagebalken  ein  V. 

902.  Desgl.,  mit  zwei  Aufhängungspunkten,  bei  Cleve 
gefunden,  aus  der  Sammlung  Minutoli.     D.  b.  3.   L.  6". 

Dieser  Waagebalken  ist  sehr  sinnreicli  eingetheilt,  näm- 
lich in  folgender  Weise.     Auf  einer  der  breiteren  Flächeu 


k 


Die  Waagen.  201 

liest  man  I,  II,  lU,  UU,  Y,  VI,  VII  und  correspondirend  mit 
dieser  Skala,  sind  auf  einer  der  schmalen  Kanten  die  Unter- 
abtheilungen dieser  grossen  Einheiten  angegeben.  Hier  cor- 
respondiren  nämlich  mit  jedem  Zwischenraum  zwischen  den 
Zahlen  zwölf  Punkte,  die  wieder  durch  Striche  in  Hälften 
zerlegt  sind. 

Auf  der  anderen  breiteren  Fläche  setzt  sich  die  Skala 
fort.  Sie  beginnt  mit  der  Zahl  VII,  mit  welcher  sie  auf- 
gehört hatte  und  dann  kommen  die  Abtheilungen  X,  V,  XX, 
V,  also  10,  15,  20,  25.  Auch  diese  Skala  hat  auf  der  an- 
deren sclimalen  Kante  ihre  Unterabtheilungen,  und  zwar  ihrer 
3  zwischen  VII  und  X  und  ihrer  5  zwischen  den  übrigen 
Zahlen.  Jede  Unterabtheilung  ist  durch  zwei  Striche  markirt, 
deren  Hälfte  wieder  durch  einen  Punkt  bezeichnet  ist. 

Die  pompejanischen  Waagen  im  Mus.  borb.  Vllf,  tav.  16  sind  ganz 
älinlich  eingetheilt. 

903.  Desgl.,  mit  zwei  Aufhängungspunkten,  aus  der 
Sammlung  Koller.    574.   L.  U^U". 

Dies  Exemplar  ist  nicht  ganz  vollständig  erhalten  und 
ausserdem  sehr  stark  oxydirt,  so  dass  die  beiden  Skalen,  die 
sich  darauf  befinden,  nicht  mehr  genau  zu  verfolgen  sind. 
Doch  erkennt  man  auf  der  einen  Seite  deutlich  eine  Anzahl 
von  Einheiten,  die  in  je  zwölf  oder  genauer  zweimal  sechs 
Theile  getheilt  sind. 

904.  Fragment  eines  Waagebalkens,  es  ist  das 
Eckstück,  an  .dem  die  verschiedenen,  nach  unten  und  oben 
gericliteten  Ringe  befestigt  sind. 

905.  Doppelhaken  von  einer  Waage,  6"  lang.  Aus 
■der  Sammlung  Minutoli.   J.  4. 

906.  Ein  einfacher  Haken,  um  eine  Waage  daran 
aufzuhängen,  wie  man  aus  anderen,  vollständig  erhaltenen 
Exemplaren  erkennen  kann. 

907.  Waagschaale  mit  vier  Löchern,  aus  Pompeji. 
Angekauft  von  dem  Finder  Prof.  Zahn  im  Jahre  1869.   3773. 

2)  Gewichte. 

a.    Griechische. 
Die  (Iriechen  hatten  für  ihre  Münzen  und  für  ihre  Ge- 


202  ^^®  Gewichte. 

Wichte  dieselbe  Benennung  und  Eintheilung.     Talent,  Mine, 
Drachme,  Obol  sind  zugleich  Münzen  und  Gewichte. 

Gewöhnlich  sind  die  griechischen  Gewichte  viereckig  und 
von  Blei,  welches  Material  seiner  Schwere  wegen  ein  mög- 
lichst kleines  Volumen  gestattet,  aber  auch  sehr  durch  Ab- 
reibung leidet.  Doch  kommen  auch  Gewichte  von  Stein, 
Bronce,  ja  von  Thon  und  in  anderen  Formen  vor. 

Die  Gewichte  ohne  bildliche  Verzierung  zu  lassen,  hätte 
dem  Sinn  der  Griechen  widersprbchen.  Doch  ist  man  noch 
nicht  sicher  über  die  Bedeutung  der  Symbole,  mit  denen  die 
Gewichte  verziert  sind.  Die  Meinung,  dass  das  Gewichts- 
zeichen die  Waare  angebe,  die  danach  gewogen  wurde,  hätte 
zwar  eine  unten  anzuführende  Analogie  in  römischer  Sitte 
für  sich,  ist  aber  doch  nicht  haltbar.  Vielmehr  scheinen 
diese  Zeichen  zu  den  Münztypen  in  näherer  Beziehung  zu 
stehen,  so  dass  sie  also  als  Kennzeichen  des  Staates,  dem 
sie  angehören,  fungiren.  Zu  ihnen  kommen  dann  noch  die 
in  Buchstaben  oder  Linien  und  Punkten  bestehenden  Zeichen 
zur  Angabe  des  Gewichtes.  Merkwürdig  ist,  dass  man  auch 
die  Gewichte  in  Gräbern  findet. 

Vgl.  Longp^rier  in  Annali  1847,  p.  333  ff.  und  Schillbach  ebendas. 
1865,  p.  160  ff.  Auffindung  von  Gewichten  in  Gräbern  bullet.  1862, 
p.  149. 

908.  Viereckiges  Bleigewicht  aus  Griechenland, 
1856  angekauft   3104. 

Dies  Gewicht,  eine  Mine,  hat  als  Symbol  einen  Delphin 
und  dabei  die  rückläufige  und  in  alterthümlichen  Buchstaben 
ausgeführte  Inschrift  MNA.     Das    Gewicht  beträgt  643  Gr. 

Abg.  Annali  1865,  tav.  M,  n.  1.  Nach  Sciüllbach's  Untersuchun- 
gen p.  171  ff.  steht  diese  Mine  ganz  allein  und  ist  eine  [ivä  i/iinogixij 
alter  Zeit.  Diese  Handelsmine  sollte  nämlich  150  Drachmen,  d.  h.  654  Gr. 
wiegen  und  damit  stimmt  das  Gewicht  dieses  Stückes  so  ziemlich  über- 
ein, indem  die  Differenz  auf  die  Abreibung  gerechnet  werden  kann. 

909.  Desgl.,  in  Athen  von  dem  Kunsthändler  Lambros 
1864  gekauft.   3500. 

Dies  Gewicht  ist  der  sechste  Theil  einer  Mine,  wie  die 
Inschrift  HMITPITON,  d.  h.  die  Hälfte  des  Drittels,  beweist 
Dasselbe  drückt  das  Symbol  aus,  eine  durchgeschnittene  Am- 
phora. Wie  nämlich  auf  den  Münzen  oft  Brüche  durch  wirk- 
liche Halbirung  des  Typus,  welchen  die  Einheit  trägt,  aus- 
gedrückt werden,  ebenso   verfuhr  man   auf  den  Gewichten. 


Die  Gewichte.  203 

Wir  haben  einen  Gewichtstypus,  der  die  ganze  Amphora  hat 
und  das  Doppelte  des  hier  aufgeführten  wiegt  und  anderer- 
seits auch  ein  Gewicht  mit  einem  Viertel  der  Amphora  und 
entsprechend  geringerem  Gewicht  Dies  System  der  Werth- 
bezeichnung  war  offenbar  auf  Leute  berechnet,  die  des  Lesens 
unkundig  waren  und  für  diese  ja  auch  sehr  praktisch. 

Wohin  die  Gewichte  mit  der  Amphora  gehören/  ist 
ebenso  wenig  zu  sagen  als  in  welches  Gewichtssystem  sie  ein- 
zureihen sind.    Das  Gewicht  dieses  Stückes  beträgt  151,97. 

Abg.  Annaii  1865,  tav.  M.    Vgl.  SchiUbach,  p.  175.    Longp^rier, 
a.  a.  0.,  p.  835. 

909*-  Desgl.,  ebendaher,  1871  angekauft.  Auf  der 
einen  Seite  eine  Viertel-Amphora,  während  die  andere  Seite 
leer  ist   6213. 

910.  DesgL,  von  derselben  Herkunft  wie  n.  909.  3498. 

Dies  Gewicht  hat  eine  Schildkröte  als  Symbol  und  ge- 
hört vermuthlich  nach  Aegina,  dessen  Münzen  denselben 
Typus  haben.  Die  Inschrift  ist  JEMO,  d.  h.  druioaiov  und 
bezieht  sich  darauf,  dass  es  amtlich  geprüft  ist. 

Aus  der  Insclurift  eines  anderen  Exemplares  geht  her- 
vor, dass  dies  ein  reraQTrinoQtoVy  der  vierte  Theil  einer 
Mine  ist.  Das  Gewicht  unseres  Exemplares  beträgt  217,2^ 
das  des  eben  erwähnten  besser  erhaltenen  aber  236  und  ent- 
spricht somit  derselben  Mine  wie  n.  909. 

Abg.  Moiium.  VIII,  14,  43.    Vgl.  Schillbach,  p.  176. 

911.  Desgl.,  ebendaher.    3499. 

Dies  Gewicht  ist  die  Hälfte  des  eben  erwähnten,  wie 
der  Typus,  die  halbirte  Schildkröte  und  die  Inschrift  HMITE- 
TAFTON  (d.  h.  die  Hälfte  des  Viertels  beweist).  Gewicht 
117,895. 

Abg.  Monum.  VIII,  14,  45.    Vgl.  Schillbach,  p.  176. 

912.  DesgL,  ebendaher.   3501. 

Der  Typus  ist  eine  Mondsichel,  in  deren  Mitte  ein 
Stempel,  nämlich  eine  Eule  zwischen  zwei  Oelzweigen,  ein- 
geschlagen ist  Da  dies  derselbe  Stempel  ist,  der  auf  atti- 
schen Münzen  und  Richtertäfelchen  vorkommt,  so  ist  das 
Gewicht,  gewiss  ein  athenisches.  Die  Inschrift  heisst  JEMO^ 
d.  h.  drjjiioaiov'^  wie  auf  den  Münzen  Athens,  so  ist  auch 


204  Die  Gewichte. 

hier  das  alte  E  noch  zu  einer  Zeit  beibehalten,  als  man  ber 
reits,iJ  schrieb. 

Dieser  Typus  findet  sich  übrigens  nur  bei  kleineren 
Grewichten,  Zu  was  für  einer  Mine  sie  gehören,  ist  nicht 
ganz  klar.     Gewicht  74,7. 

Abg.  Mohum.  VIII,  14,  53.    Vgl.  Schillbach,  p.  177  ff. 

913.  Desgl.,  ebendaher.    3502. 

Der  Typus  ist  eine  Sphinx,  die  auf  einer  Amphora  sitzt, 
und  da  dies  nun  der  Münztypus  der  weinreichen  Insel  Chios 
ist,  so  darf  man  über  die  Herkunft  dieses  Gewichtes  ausser 
Zweifel  sein.  Die  Inschrift  ist  nicht  mehr  zu  entziffern,  auch 
ist  das  Gewichtssystem,  zu  dem  das  Stück  gehört,  nicht  mit 
Sicherheit  anzugeben. 

Abg.  Monum.  VIII,  14,  73.  Vgl.  ScluUbach,  p.  180,  der  das  Ge- 
wicht irrlhiimlich  auf  Chios  gefunden  sein  lässt  und  OPdO  (ON)  zu 
erkennen  glaubt. 

914.  Desgl.  Durch  den  Bildhauer  Siegel  1858  in  Athen 
gekauft.    3248. 

Dies  Gewicht  ist  ganz  abweichend  von  den  anderen,  ge- 
wiss auch  erst  in  späterer,  römischer  Zeit  gemacht.  Es  hat 
auf  den  vier  Ecken  einen  Stempel,  der  wie  von  einer  römi- 
schen Münze  genommen  aussieht.  Man  unterscheidet  darauf 
den  Herkules  ganz  in  der  Haltung  der  farnesischen  Statue 
und  eine  unbärtige  Figur,  die  eine  Schale  vor  ersterem  aus- 
giesst,  ihm  also  ein  Opfer  bringt.  Diese  Figur  trägt  einen 
Panzer  und  darüber  die  Chlamys,  deren  Zipfel  am  rechten 
Arm  herabhängt,  sodann  einen  Speer  und  hohe  Stiefeln,  es 
ist  wahrscheinlich  ein  Kaiser,  der  hier  dem  Herakles  seine 
Verehrung  bezeugt.  Kings  herum  läuft  die  Inschrift /J?PO^£/ 
KQN  mit  runden  Buchstaben  und  dem  cursiven  w.  Eine  Münz- 
aufschrift ist  das  nicht,  wie  mir  von  competenter  Seite  ver- 
sichert wird,  vermuthlich  bezeichnet  die  Inschrift  die  Behörde 
oder  Corporation,  in  deren  Händen  sich  das  Gewicht  befand. 
Gewicht  262,3,  vermuthlich  ist  es  die  Hälfte  einer  Mine. 

Abg.  Monum.  VIII,  14,  75.     Vgl.  Schillbach,  p.  182. 

915.  Desgl.   Ebendaher.  3249. 

Dies  Gewicht  hat  an  den  Ecken  und  in  der  Mitte  einen 
Stempel,  in  welchem  man  die  Umrisse  eines  bärtigen  Kopfes 


Die  Gewiclite.  205 

erkennt.   Es  wiegt  318,  7  und  wird  für  ein  römisches  Pfund 
gehalten,  dessen  Gewicht  327,453  beträgt 

Vgl.  Schillbaeh,  p.  191. 

916.  Desgl.,  ebendaher.    3253. 

Dies  Gewicht  hat  einerseits  die  zwar  verstümmelte  aber  un- 
zweifelhafte Inschrift  TPIOYrKION^l  andererseits  ITAyU- 
KON,  so  dass  es  also  für  einen  römischen  Quadrans  zu  halten 
ist.  Letzterer  soll  Äwar  81,86  wiegen,  während  dies  nur 
64,8  wiegt,  allein  es  ist  eben  ganz  durchlöchert  und  auch 
am  Rande  beschädigt  Die  erstere  Inschrift  umgiebt  einen 
geflügelten  Caduceus,  der  als  Symbol  attischer  Münzen  vor- 
kommt, die  andere  eine  Amphora. 

Abg.  Monum.  VIII,  14,  88.     Vgl.  Schillbach,  p.  190. 

917.  Desgl.,  ebendaher.    3247. 

Dies  Gewicht  hat  einerseits  die  Inschrift  AElTPAy^ 
andererseits  ITAAIKH,  ist  also  ein  römisches  Pfund  trotz- 
der  Gewichtsdifferenz  von  271,3  zu  327,453,  die  schwer- 
lich allein  durch  die  Beschädigungen,  die  das  Gewicht  er- 
litten, erklärt  wird.  Die  Symbole  sind  eines  Theiles  ein 
Geräth,  das  einer  Fackel  am  ähnlichsten  sieht,  andererseits 
eine  Amphora. 

Abg.  Monum.  VIJJ,  14,  99.     Vgl.  Schillbach,  p.  191. 

918.  Desgl.,  ebendaher.    3250. 

Das  Gewicht  hat  den  doppelt  eingeschlagenen  Stempel 
]VE,  was  wohl  mit  Recht  als  das  Zeichen  der  Metronomen, 
der  Behörde,  welche  die  Aufsicht  über  das  Gewichtswesen 
hatte,  betrachtet  wird.  Es  wiegt  334,3  und  wird  auch  für 
ein  römisches  Pfund  gehalten,  was  indessen  nicht  ganz 
sicher  ist. 

Vgl.  Schillbach,  p.  191. 

919.  Desgl.,  ebendaher.    3252. 

Das  Gewicht  scheint  einen  Stempel  zu  haben,  der  aber 

nicht  mehr  erkennbar  ist.  Gewicht  147,1,  vielleicht  ein  halbes 

römisches  Pfund. 

Vgl.  Schillbach,  p.  191,  der  übrigens  irrthümlich  bemerkt,  dass  das> 
Gewicht  ursprünglich  durchbohrt  gewesen  sei. 

920.  Desgl.,  ebendaher.    3251. 

*)  OY  ist  in  Ligatur  geschrieben. 


206  I^ie  Gewichte. 

Das   Gewicht   ist   ohne  Bild    oder   Inschrift  und   wieg 
626,7,  vielleicht  ein  römisches  Doppelpfund. 
Vgl.  Schillbach,  p.  191. 

921.  Desgl.,  ebendaher.    3255. 

Ob  dies  runde,  in  der  Mitte  durchbohrte  Stück  Blei  ein 
Gewicht  ist,  mögen  wir  nicht  mit  Sicherheit  behaupten.  Den 
erhöhten  Rand  hat  es,  der  an  Gewichten  gewöhnlich  ist.  Es 
wird  für  ein  Zehndrachmeustück  gehalten,  dem  es  nach 
seinem  Gewicht  43,5  fast  ganz  genau  entspricht. 
Vgl.  SchUlbach,  p.  169. 

922.  Desgl.,  ebendaher.    3254. 

Von  diesem  runden  Stück  Blei  glauben  wir  eher,  dass 
es  ein  Gewicht  war,  da  die  Durchbohrung  daran  fehlt     Es 
wiegt  87,4,  was  dem  Gewicht  von  20  Drachmen  entspricht 
Vgl.  Schillbach,  p.  169. 

922*- Desgl.,  von  Bronce  mit  dem  Werthzeichen  OY^^), 
d.  h.  eine  Unze,  was  mit  dem  Gewicht  1  L.  6  Qu.  ziemlich 
übereinstimmt.  Das  Normalgewicht  wäre  l^/g  L.  Die  Buch- 
staben sind  wie  oft  bei  Broncegewichten  in  Silber  eingelegt 
Das  Gewicht  ist  aus  dem  Nachlass  des  Hofrath  Becker  in 
Offenbach  1837  erworben. 

B.  Römische  Gewichte. 

Wie  bei  den  griechischen  Gewichten,  so  heben  wir  auch 
hier  unserem  Zweck  gemäss  mehr  die  Form  als  den  Werth 
des  Gewichtes  hervor  und  diese  Betrachtung  liegt  bei  den 
römischen  Gewichten  um  so  näher,  weil  sie  in  ihren  Formen 
weit  mannichfaltiger  sind  als  die  griechischen.  -Man  kann 
dies  nirgends  besser  beobachten  als  im  neapolitanischen  Mu- 
seum unter  den  pompejanischen  Alterthümem.  Da  giebt  es 
Gewichte  in  Form  von  Köpfen  der  verschiedensten  Art,  da- 
runter auch  von  Götterköpfen,  ferner  in  Form  von  Eicheln, 
in  Form  von  Thieren,  von  Ziegen  oder  Schweinen,  in  Form 
«ines  Astragais  und  eines  grossen  Käses.  Man  hört  oft  die 
Meinung,  dass  diese  Verschiedenheit  der  Form  sich  durch 
das  Metier  der  einstmaligen  Besitzer  dieser  Gewichte  er- 
kläre, so  dass  also  z.  B.  das  Schwein  einst  einem  Metzger- 
laden angehört  haben  )Yürde,  und  es  ist  mir  von  anscheinend 


*)  OY  ist  in  Ligatar  geschrieben. 


Die  Gewichte.  207 

competenter  Seite  versichert^  dass  in  den  neapolitanischen 
Kramladen  sich  noch  einiges  Aehnliche  erhalten  habe^  doch 
würden  damit  immer  nur  einige  Fälle  erklärt  werden  können^ 
nnter  denen  auch  wenigstens  einer  noch  zweifelhaft  ist.  Denn 
das  für  den  Eäsehändler  bestimmte  Gewichtstück  hat  zwar 
genau  die  Form  eines  grossen  Eäses^  aber  alle  mir  bekann- 
ten Steingewichte  haben  eben  dieselbe  kreisrunde  oben  und 
unten  platte  Form^  so  dass  die  Uebereinstimmung  unabsicht- 
lich zu  sein  scheint  und  die  Form  des  Gewichtes  als  eine 
durch  sich  selbst  verständliche  betrachtet  werden  muss.  Für 
die  grosse  Menge  der  broncenen  Gewichte  —  und  das  sind  eben 
im  Gegensatz  zu  den  steinernen  und  bleiernen  diejenigen^ 
in  denen  alle  die  erwähnten  Formen  vorkommen,  ist  aber 
die  obige  Erklärung  nicht  ausreichend.  Was  für  einem 
Handwerk  sollten  z.  B.  die  Gewichte  in  Eichelform  und  in 
Form  von  Köpfen  zugeschrieben  werden? 

Wir  glauben  überhaupt  nicht,  dass  materielle  Gründe  bei 
der  Gestaltung  der  Gewichte  maassgebend  gewesen  sind,  es 
sind  vielmehr,  wenn  auch  für  den  einzelnen  Fall  symbolische 
Beziehungen  nicht  zu  leugnen  sind,  vorwiegend  formelle, 
künstlerische  gewesen.  Bei  dem  Gewicht  in  Eichelform  ist 
dies  unmittelbar  einleuchtend.  Es  ist  ein  Hängegewicht  und 
so  wie  man  überhaupt  in  der  Tektonik  hängende  oder 
schwebende  Körper  oft  als  Früchte  gestaltet,  wie  man  z.  B. 
den  Bommel  des  Ohrringes  oder  des  Halsbandes  oder  auch 
das  Loth  als  Eichel  bildet,  so  ist  dieselbe  Form  bei  einem 
Hängegewicht  natürlich.  Bei  den  Gewichten  in  Kopfform 
scheint  es  auch  mehr  darauf  anzukommen,  dass  ein  Kopf  als 
was  für  ein  Kopf  genommen  wurde,  denn  man  findet  viele 
ganz  unbestimmbare,  weil  gar  nicht  charakterisirte  Köpfe  da- 
runter, und  so  möchten  wir  glauben,  dass  die  Sitte,  Köpfe 
als  Hängeschmuck  an  Halsbändern  zu  tragen,  von  der  auch 
uns  noch  manches  erhaltene  Monument  Zeugniss  giebt,  etwas 
Aehnliches  für  die  Hängegewichte  —  denn  nur  solche  sind 
in  Kopfform  gebildet  —  hervorgerufen  habe.  Es  giebt  übrigens 
sogar  lebensgrosse,  künstlerisch  ausgeführte  Köpfe,  die  zu 
Gewichten  gedient  haben.  Von  dieser  Art  ist  ein  schöner 
Silenskopf  im  Museum  zu  Speyer.  Einzeln  kommen  auch 
ganze  Figuren  als  Gewichte  vor,  das  sicherste  Erkennungs- 
zeichen ist  überall  die  Ausfüllung  mit  Blei. 

Man  hat  sich  gewundert,  dass  das  Gewicht  der  Köpfe 
in  kein  bestimmtes  System  zu  bringen  ist   Aber  es  hat  keins 


208  ^**^  Hängegewl eilte. 

existirt  und  brauchte  nicht  zu  existiren,  denn  die  Skala,  an 
welcher  der  Kopf  hin-  und  hergeschoben  wurde,  enthielt  die 
genaue  Bestimmung,  während  es  bei  dem  Kopf  nur  auf 
Schwere  oder  Leichtigkeit  im  Allgemeinen  ankam.  Daher 
trägt  auch  kein  Kopf,  so  viel  ich  weiss,  ein  Werthzeichen. 

Die  anderen  Broncegewichte  haben  oft  die  Werthzeichen 
in  Silber  eingelegt.  Auf  den  Bleigewichten  von  Pompeji  kehrt 
oft  als  eine  gemtithliche  Zuthat  die  Inschrift  eme,  habebis 
wieder,  während  die  Inschriften  der  Steingewichte  nur  das 
officiell  Nothwendige,  das  Werthzeichen  und  eventuell  den 
Stempel  des  Präfekten  enthalten. 

Auch  römische  Gewichte  findet  man  in  Gräbern. 

Gewichte  in  Gräbern  bullet,  d'inst.  1846,  p.  32,  wo  p.  35  die 
Meinung  ausgesprochen  ist,  sie  hätten  dazu  gedient,  das  Fleisch  beim 
Leichenniahl  auszutheilen.  Gewicht  in  Form  eines  hockenden  Silens, 
Rhein.  Jahrb.  I,  p.  103. 

a.  Hängege^wichte. 

a.    In  Form  von  Köpfen. 

923.  Häugegewicht  in  Form  eines  aus  weiblichen 
Köpfen  zusammengesetzten  Doppelkopfes.  Die  Köpfe  sind 
einander  sehr  ähnlich.  Das  Gewicht  ist  mit  Blei  ausgefüllt. 
Die  zum  Aufhängen  erforderliche  Vorrichtung  scheint  un- 
gewöhnlich complicirt  gewesen  zu  sein,  ist  uns  aber  nach 
den  erhaltenen  Spuren  nicht  deutlich.  Sammlung  von  Koller.. 
H.  3V2". 

923*-  Desgl.  (?),  aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  16. 
Nach  der  schwärmerischen  Bewegung  scheint  dieser  Kopf  ein 
Venuskopf  zu  sein.  Er  ist  mit  einer  Stirnkrone  und  einem 
Halsband  geschmückt.  Oben  vor  dem  Stimschmuck  befindet 
sich  ein  Loch,  vermuthlich,  um  das  Blei  einzugiessen  und  zu- 
gleich die  Kette  zu  befestigen,  an  der  er  hing. 

923**-  Desgl. (?),  in  Form  eines  Doppelkopfes.  Der  eine 
ist  weiblich  und  mit  Hals-  und  Stirnschmuck  versehen,  an 
dessen  Enden  eine  Art  Kopfflügel  hervorstehen,  der  andere 
ist  ein  jugendlicher  Satyr  ohne  Satyrohren,  ebenfalls  mit 
einer  Stirnbinde,  von  der  lange  Bänder  herabhängen.  Beide 
Köpfe  haben  silberne  Pupillen.  1845  von  einem  hiesigen 
Kunsthändler  angekauft.    2801. 


Die  Hängegewichte.  209 

924.  Desgl.;  in  Form  eines  mit  anliegendem  Helm  be- 
deckten jugendlichen  männlichen  Kopfes.  Mit  Blei  ausgefüllt 
und  oben  mit  einem  Ring  versehen.  Sammlung  Bartholdy. 
C.  80.   H.  31/4"- 

925.  Desgl.;  in  Form  einer  Attisbüste.  Diese  Büste 
ist  von  dem  an  römischen  Grabmälem  nicht  seltenen  Typus 
genommen;  in  welchem  Attis  mit  gekreuzten  BeineU;  sinnend 
die  Hand  ans  Einn  gelegt;  dargestellt  ist  Mit  Blei  aus- 
gefüllt   Sammlung  Bartholdy.   C.  44.   H.  4". 

926.  Desgl.;  in  Form  einer  Krieger-  oder  vielleicht 
Kaiserbüste.  Der  junge  Krieger  trägt  einen  Schuppenpanzer 
und  ist  mit  einem  Oelkranz  mit  herabhängenden  Bändern 
geschmückt    Mit  Blei  ausgefüllt.     H.  3^4"- 

927.  Desgl.;  in  Form  eines  männlichen  bartlosen  Kopfes. 
Mit  Blei  ausgefüllt    Sammlung  Koller.   576.   H.  2V2". 

928.  DesglL;  in  Form  eines  Knabenkopfes.  Der  Boden 
und  die  vorauszusetzende  Bleifüllung  fehlen.  Von  Prof.  Ger- 
hard 1841  in  Italien  gekauft.   2689.   H.  2^IJ*. 

928*-  Gewicht  in  Form  eines  Negerkopfes.  Die  Blei- 
füllung ist  erhalten.     Aus  der  Koller'schen  Sammlung.    579. 

ß.  I|n  anderer  Form. 

929.  Hängegewi'cht  in  Form  eines  schön  gearbeiteten 
Widderkopfes.  Von  der  Kette  ist  noch  ein  Stück  erhalten. 
Mit  Blei  ausgefüllt  Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844 
erworben.   2746.   H.  l^j^". 

930.  Desgl.;  in  Form  eines  Wolfskopfes.  Der  Ring; 
an  welchem  das  Gewicht  hing;  befindet  sich  vom  am  Maul. 
Der  Kopf  ist  massiV;  aber,  wie  es  scheint;  nicht  mit  Blei 
ausgefüllt   H.  l»/^". 

931.  Desgl.,  in  Form  einer  Eichel.  Die  Bleifüllung 
ist  nur  zum  Theil  erhalten.  Dies  Gewicht  ist  1822  in  Pom- 
peji in  Gegenwart  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  HL  aus- 
gegraben; von  welchem  es  dann  dem  Museum  geschenkt  ist. 
A.  16.   H.  4V4". 

In  Pompeji  kommt  diese  Form  öfter  vor.    Vgl.  bnll.  186,  3,  p.  93t 
Friedericl^s,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  X4 


210  Die  Gewichte. 

932.  Desgl.,  von  derselben  Form,  nur  kleiner,  mit 
Blei  ausgefüllt.   H.  1%''. 

a.  Gewichte  zum  Hinstellen. 

a.  Yon  Stein. 

933.  Gewicht  von  schwarzem  Marmor,  aus  der  Samm- 
lung Bellori's.   D.  c.  1.   H.  3'/8"-   Dnrchm.  5^2"- 

Dies  Gewicht  trägt  wie  so  viele  andere  den  Stempel  des 
Q.  Jun.  Rusticus,  welcher  Stadtpräfekt  im  Jahre  345  unserer 
Zeitrechnung  war  und  als  solcher  die  Aufsicht  über  die  Ge- 
wichte hätte.  Man  liest:  EX-  AYGT-Q-  IVNI-  BVSTICI- 
PRF-  VR- 

Das  Gewicht  hatte  eine  Handhabe,  welche  in  das  oben 
bemerkbare  Loch  eingelassen  war.  Der  Verlust  derselben 
lässt  eine  genaue  Angabe  des  Gewichtswerthes  nicht  zu. 
Doch  sind  es  wahrscheinlich  10  römische  Pfund.  Es  wiegt 
59897  Par.  Gran,  während  das  Normalgewicht  61650  Gran 
beträgt  Die  Differenz  würde  eben  auf  den  Henkel  gerech- 
net werden  müssen. 

Vgl.  ßöckh,  Metrologische  Untersuchungen,  p.  172. 

934.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller  (Marmi  n.  71), 
mit  der  Aufschrift  Q-  IVN-  RVST-  PRAEF-  VRE-  Das  Ge- 
wicht wiegt  17267  Par.  Gran  und  wird  für  ein  Dreipfund- 
stück angesehen,  wobei  das  Pfund  nur  5875  Gran  betragen 
würde. 

Vgl.  Böckh,  a.  a.  0.,  p.  172.  * 

935.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.   (Marmi  72). 
Das  Gewicht  hat  die  Inschrift  Q-  FABll-  VIBVL-  PRAEF- 

VRE*  welche  Eöckh  mit  sammt  dem  Gewicht  selbst  für  un- 
echt erklärt,  weil  Q.  Fabius  Vibulanus  im  Jahre  der  Stadt  298 
Präfekt  gewesen  sei.  So  gewiss  es  freilich  ist,  dass  jener 
Präfekt  nicht  in  der  Inschrift  gemeint  sein  kann,  so  zweifeln 
wir  doch  wegen  des  ganz  unverdächtigen  Aussehens  an  der 
Fälschung.  Das  Gewicht  beträgt  9769  Gran. 
Vgl.  Böckh,  p.  169. 

936.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Bellori's.   D.  c.  2. 
Dies  Gewicht  hat  die  Inschrift  EX-  AVCTOR  und  wiegt. 

5863  Gran. 
-    Vgl.  Böckli,  p.  173. 


Die  Gewichte.  211 

937.  Desgl.,  ebendaher.   D.  c.  3. 

Es  scheint,  dass  dies  Gewicht  eine  Inschrift  hatte,  die 
/später  ausgemeisselt  wurde.    Es  wiegt  5343  Gran. 

Vgl.  Böckh,  p.  175. 

938.  Desgl.,  aus  Pompeji,  1869  von  Prof.  Zahn  ge- 
kauft.   3775. 

Das  Gewicht  hat  als  Werthzeichen  acht  Punkte,  welche 
gewöhnlich  die  Unzen  bezeichnen,  hier  aber  nicht  bezeichnen 
können,  weil  das  Gewicht  viel  zu  schwer  dazu  ist,  denn  es 
wiegt  1  Pfd.  9  Lth. 

939.  Desgl.,  mit  der  Inschrift  EX-  AV-  Q-  IVNI- 
RVST*  P*  Y*  Zwei  Punkte  bezeichnen  den  Werth  als  zwei 
Unzen,  womit  das  Gewicht  3  L.  5  Qu.  ziemlich  stimmt.  Das 
Normaigewicht  würde  3^/3  L.  betragen.  Aus  dem  Röserschen 
Nachlass  1844  erworben.    2778. 

940.  Desgl.,  mit  einer  Werthbezeichnung  in  Punkten, 
welche,  so  weit  bei  der  Zerstörung  der  Oberfläche  zu  er- 
kennen, das  Zeichen  der  halben  Unze  ist.  Gewicht  9  Qu., 
während  das  Normaigewicht  8^3  Qu.  betragen  würde.  Im 
Jahre  1863  erworben.    3475. 

941.  Desgl.,  aus  Gerhard's  Nachlass   1869   erworben. 

219.   Hier  ist  dasselbe  Zeichen  '. ,    nur    deutlicher,    ange- 
bracht.    Gewicht  ebenfalls  9  Qu. 

942.  Desgl.,  aus  weissem  Marmor,  aus  der  Sammlung 
Koller    (Marmi  69). 

Ein  Dreipfundstück  mit  der  Note  III,  dessen  Gewicht 
18246  Par.  Gran  beträgt,  also  nahe  ans  Normaigewicht  heran- 
kommt 

Vgl.  ßöekh  a.  a.  0.,  p.  174. 

943.  Desgl.,  ebendaher.    70. 

Zweipfundstück  mit  der  Note  II,  dessen  Gewicht  11970 
Par.    Gran   beträgt.     Der   Stein  hat  übrigens  an  der  einen 
Seite  stark  gelitten. 
Vgl.  Böckh,  p.  172. 

944.  Desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Generals  von  Ra- 
dowitz  1856  erworben.  Ohne  Inschrift  und  Werthzeichen, 
Gewicht  3  L.  6  Qu. 

14* 


212  ÖJe  Gewichte. 


ß.  Von  Bronce  und  Blei. 

945.  Gewicht  aus  Pompeji,  1859  von  Professor 
Zahn  gekauft.   3769. 

Das  Gewicht  hat  elliptische  Form  und  einen  Henkel. 
Es  war  mit  Blei  ausgefüllt  und  ist  es  zum  Theil  auch  noch.. 
Der  Boden  hat  sich  losgelöst. 

946.  Desgl.,  aus  demselben  Fundort  und  von  derselben 
Quelle  bezogen.   3774. 

Dies  Bleigewicht  mit  der  Inschrift  EME  und  anderer- 
seits HABEB  (is)  kommt  oft  in  Pompeji  vor.  Ein  Loch,  das 
an  dem  einen  Ende  durchgebohrt  ist,  könnte  vermuthen  lassen^ 
dass  es  ein  Hängegewicht  gewesen  sei,  doch  haben  wir  unter 
den  Hängegewichten  nie  eine  so  ungeschickte  Form  gefunden^ 
wesswegen  wir  dem  Loch  irgend  einen  anderen  Zweck  zu- 
schreiben.    Gewicht  26  L.  2  Qu. 

947.  Bleigewicht,  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieute- 
nant  Schmidt  1846  erworben.    2877. 

Das  Gewicht  hat  als  Werthzeichen  H,  es  ist  also  ein 
Zweipfundstück,  womit  das  Gewicht  1  Pfd.  8  L.  7  Qu,  ziem- 
lich stimmt.    Die  normale  Schwere  sollte  l^/g  Pfd.  sein. 

948.  Desgl.,  ebendaher.   2878. 

Dies  Gewicht  ist  mit  drei  Punkten  bezeichnet  und  wiegt 
5  L.  1  Qu.,  was  mit  dem  Normalgewicht  von  drei  Unzen 
(5  L.)  ziemlich  nahö  übereinkommt. 

949.  Desgl.,  von  Bronce.  Von  dem  Dragoman  Dr.  Rosen 
in  Constantinopel  1848  angekauft.   2959. 

Dies  kleine  Gewicht  kann  ein  Werthzeichen  gehabt 
haben,  ist  aber  jetzt  zu  sehr  beschädigt,  um  es  zu  erkennen. 
Gewicht  1  L.  8  Qu.,  es  würde  also  dem  Gewicht  einer  Unze 
ziemlich  entsprechen. 

950—954.  Fünf  Gewichtstücke,  in  Form  von  Wür- 
feln mit  abgestumpften  Ecken,  in  Somogy  in  Ungarn  gefunden 
und  von  dem  Kunsthändler  Egger  in  Wien  1860  gekauft. 
3412. 

Dass  diese  Broncestücke  Gewichte  sind,  ist  uns  einmal 
deshalb  wahrscheinlich,  weil  auch  heutiges  Tages  noch,  wenn 
wir  nicht  irren.  Gewichte  derselben  Form  vorkommen,  dann 


Die  Gewichte.  213 

^ber  deswegen^  weil  drei  derselben  offenbar  in  einem  be- 
stimmten Yerhältniss  zu  einander  stehen.  Das  schwerste  näm- 
lich, n.  950,  wiegt  1  Pfd.  4  L.  3  Qu.,  wog  aber  ursprüng- 
lich gewiss  mehr,  da  zwei  unausgefüUte  Löcher  sich  daran 
befinden,  in  welche  vielleicht  ein  Henkel  eingriff.  Das  zweite, 
n.  951,  wiegt  18  L.  1  Qu.,  es  war,  wie  wir  glauben,  die  Hälfte 
des  ersteren,  und  das  dritte  n.  952,  das  9  L.  3  Qu.  wiegt, 
scheint  die  Hälfte  des  zweiten  gewesen  zu  sein.  Das  vierte, 
n.  953,  wiegt  7  L.  und  das  letzte  n.  954  1  L.  8  Qu. 

Das  letzte  hat  als  Zeichen  einen  durch  Funkte  gebilde- 
ten Kreis,  das  dritte,  n.  952,  hat  fünf,  durch  kleine  Strahlen 
gebildete  Kreise,  das  erste  ist  überall  mit  einem  Zeichen  be- 
deckt, welches  aus  vier  kleinen  zu  zwei  und  zwei  übereinander 
gestellten  und  durch  einen  Strich  getrennten  Halbkreisen 
besteht. 


Münzgewichte,  exagia. 

Es  giebt  eine  Anzahl  kleiner,  meist  viereckiger  Bronce- 
gewichte  spätrömischer  Zeit,  die  zur  Gewichtsbestimmung  der 
Solidi,  der  Goldmünzen  dieser  späteren  Zeit  dienten.  Wir 
haben  solche  Gewichte,  die  sogenannten  exagia,  mit  den  In- 
schriften und  Portraiten  des  Kaiser  Honorius.  Gewöhnlich 
aber  sind  nur  die  Gewichtsmarken  darauf  angegeben,  wobei 
sehr  häufig  eine  Mischung  griechischer  und  römischer  Cha- 
raktere vorkommt. 

Vgl.  Eckhel,  Doctrina  nummoram  VIII,  p.  510  und  Fiorelli,  Annali 
•di  Namismatica  I,  p.  200  ff. 

955.  Münzgewicht,  aus  Gerhard's  Nachlass  1869  er- 
worben.  57. 

Dies  Gewicht  hat  die  Inschrift  NS,  d.  h.  6  numi  oder 
solidi,  es  wiegt  22^2  Gramm  und  hat  fast  5  Gramm  am 
Normalgewicht  zu  wenig,  ist  übrigens  auch  nicht  zum  besten 
erhalten. 


3)  Maasse  für  Flüssigkeiten. 

955*-  Trichterförmiges  Gefäss  mit  der  Umschrift 
IMP.  CAES.  P.  HELVI.  PERTINAGIS.  AVG.  P.  IH.  am 
Rande,  H.  8".  Oberer  Durchm.  4,".  Aus  der  älteren  Samm- 
lung.  B.  24. 


214  Oie  Glocken. 

Wie  die  Umschrift  ergiebt,  war  dies  Gefäss  ein  officielt 
beglaubigtes  Messgeföss  und  die  Form  desselben  lässt  an- 
nehmen ^  dass  es  in  eine  Umhüllung  von  Stein  eingelassen 
war^  so  dass  es  dann  ganz  in  derselben  Weise  benutzt  wnrde^. 
wie  die  in  Pompeji  und  in  Griechenland  gefundenen  officiellen 
Maasse.  Das  Quantum^  welches  der  Trichter  fasste^  ist  wie 
an  dem  bekannten  Famesischen  Congius  in  Pfunden  angegeben^ 
wir  vermögen  aber  die  Angabe  von  drei  Pfunden  nicht  mit 
einer  Unterabtheilung  des  Gongius  zu  identificiren  und  müssen 
diese  Frage  den  Metrologen  von  Fach  überlassen.  Der  Trichter 
fasst  '/s  Quart. 

955*'  Desgl.,  mit  der  Umschrift  IMP.  M.  AVR  AN- 
TONINI PII  FEL.  AVG.  CC.  H.  31/2"-  Oberer  Durchm.  2  Va"- 
Aus  der  älteren  Sammlung.   B.  25. 

Dieser  Trichter  fasst  nach  der  Inschrift  zwei  cyathi,  was 
mit  seinem  wirklichen  Inhalt  nicht  zu  stimmen  scheint.  Er 
fasst  nämlich  ^/^  Quart. 

955®-  DesgL,  ohne  Umschrift,  aber  ganz  von  derselben 
Form.  H.  3%".  Oberer  Durchm.  3".  Aus  der  älteren  Samm- 
lung.  B.  26. 

Der  Trichter  fasst  ^/g  Quart. 

a.  Glocken  und  Aehnliches. 

Es  wäre  etwas  sehr  Ueberflüssiges,  diejenigen  Gebrauchs- 
weisen der  Glocke  aufzuzählen,  die  den  Alten  und  Neueren 
gemeinsam  sind,  dagegen  dürfen  wir  auf  einen  Gebrauch  der 
Glocke  im  Alterthum  aufmerksam  machen,  der  uns  fremd  ist 
und  doch  eine  wahre  Unzahl  von  Glocken  erforderte.  Man 
hatte  im  Alterthum  den  Aberglauben,  dass  der  Ton  der 
Glocke  gegen  Verunreinigung  aller  Art  und  gegen  Gespenster 
schütze,  und  daher  wurde  sie  in  gewissen  Gülten  angewandt, 
namentlich  aber  in  der  reichsten  Weise  an  Amuleten  an- 
gebracht. In  Herkulanum  ist  eine  grosse  Anzahl  phallischer 
Amulete  (nach  Art  der  unten  unter  dem  betreffenden  Ab- 
schnitt erwähnten)  gefunden,  von  denen  kleine  Glocken  herab- 
hängen, die  nur  den  Zweck  haben,  die  zauberabwehrende 
Kraft  des  Phallus  noch  zu  verstärken.  Eins  derselben  hat 
ihrer  sogar  sieben.  Aus  demselben  Grunde  wird  auch,  wie 
wir  glauben,  Priap  mit  der  Glocke  in  der  Hand  vorgestellt 


Die  Glocken.  215 

^as  die  Aaf&ndnng  der  Glocken  betrifft^  so  kommen 
auch  sie  zum  grossen  Theil  aus  Gräbern. 

Vgl.  Bronzl  d'Ercolano  II,  tav.  96  ff.,  wo  auch  im  Text  viel  ge- 
lehrtes Material  gesammelt  ist.  Ueber  die  Auffindung  der  Glocken  in 
Gräbern  bullet.  1829,  p.  204.  1830,  p.  70.  1834,  p.  88. 

of.  Viereckige,  auf  vier  Punkten  ruhende  Glocken. 

956 — 958.  Drei  Glocken,  bei  Cleve  gefunden.  Samm- 
lung Minutoli.   G.  a.  2.  3.  4.   H.  2^2 ";  2^*". 

959.   De;sgl.,  Sammlung  Minutoli.   H.  2^8"«   Gl«  *•  &• 

960—963.  Vier  desgL,  Sammlung  Koller.  626.  H. 
zwischen  2"  und  3^/4". 

964.  DesgL,  Sammlung  Bartholdy.   D.  33.  H.  28/4". 

965.  DesgL,  aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben. 
47.   H.  l'/g". 

966—970.   Fünf  desgL   H.  zwischen  2''  und  2»/8". 

ß.  Bunde. 

971.  Glocke,  bei  Gelduba  gefunden.  Sammlung  Minu- 
toU.   H.  4%".   G.  b.  1.   H.  48/4". 

972 — 980.  Neun  desgL,  kleiner,  bei  Cleve  gefunden. 
Sammlung  Minutoli.  G.  b.  2.  3.  5 — 11.  H.  zwischen  l^j^** 
und  273". 

• 

981.  982.  Zwei  desgL  Aeltere  Sammlung.  G.  b.  4.  12. 
H.  2"  und  IV2". 

983 — 985.  Drei  desgL  [Sammlung  Minutoli  G.  K 
13—15.   H.  1V4"  nnd  2V8"- 

986.  987.  Zwei  kleine  halbkugelförmige.  Samm- 
lung MinutolL   G.  b.  16.  17.    '/s"  ^  Durchmesser. 

988.  DesgL,  aus  PompejL  Röserscher  Nachlass  1844. 
2795«- 

988*-  DesgL,  1846  am  Rhein  erworben,  fragmentirt  2920. 


216  I>ie  Glocken. 

989.  Desgl.,  mit  dem  Klöppel  vollständig  erhalten. 
Sammlung  Koller.   626. 

990.  Desgl.,  von  gewöhnlicher  Form.   Ebendaher.   626. 

991.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 
226.   Die  Kugel  des  Klöppels  ist  alt.   H.  4»/8". 

992.  Desgl.,  mit  langem  Handgriff,  etwa  wie  die  Glocken 
der  Ausrufer.     Sammlung  Koller.    625.   H.  6^/4". 

993.  994.  Zwei  desgl.,  von  gewöhnlicher  Form.  Samm- 
lung Bartholdy.   D.  32.  34.   H.  31/4"  und  IV2". 

995.  Desgl.,  aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben. 
48.   H.  l^/g". 

996 — 998.  Drei  desgl.,  darunter  eine  in  Form  einer 
halben  Kugel.   H.  zwischen  '/s"  und  172"« 

999.  liänglichrunde  Gjlocke,  aus  Pompeji,  durch 
Herrn  Ternite  erworben.  Diese  Glocke  hing  nach  Angabe 
des  alten  Inventars  an  zehn  runden,  mit  dem  Eierstab  ver- 
zierten Ringen,  so  dass  das  Ganze  2'  4^2"  lang  war.  Diese 
Ringe  sind  jetzt  nicht  mehr  aufzufinden  oder  zu  identificiren. 
G.  b.  18.   H.  2V8". 

1000.  Schelleninstrument,  aus  zwei  aufeinander 
passenden  Becken  bestehend,  die  am  Rande  siebenmal  zur 
Aufnahme  von  Ringen  durchbohrt  sind,  an  deren  einem  ein 
vollständig  erhaltenes  Glöckchen  hängt.  Aus  dem  Besitz 
Bellori's.   G.  c.  1. 

Abg.  bei  Begier,  thes.  Brand.  III,  p.  401.^ 

1001.  Zwei  Becken,  aufeinander  passend,  aber  nur 
in  der  Mitte  durchbohrt.  Sammlung  Koller.  505.  Durclun.  l'/g". 

1002.  Klapperinstrument(?)  aus  Pompeji,  durch  Herrn 
Ternite  erworben.   G.  c.  2. 

Auf  einem  Ring,  der  ganz  ähnlich  gestaltet  ist,  wie  die 
oben  (n.  477 — 479)  erwähnten  pompejanischen,  sind  hier  vier 
aus  je  zwei  aufeinander  passenden  schellenförmigen  HMften 
bestehende  Körper  aufgezogen,  die  von  verschiedener  Grösse 
in  absteigendem  Yerhältniss  sind. 


.j 


Die  Glocken.  217 

Dass  dies  Geräth  und  die  folgenden  musikalische  In- 
strumente waren,  lässt  sich  vielleicht  durch  die  Thatsache 
stützen,  dass  die  Neger  in  Sudan  noch  heutigen  Tages  sich 
derselben  Instrumente  bedienen.. 

Vgl.  R6vae  arch^ol  1868,  XVIII,  p.  56. 

1003—1006.  Vier  desgL,  theils  mit  ähnlichen  An- 
hängseln wie  bei  n.  1002,  theils  mit  einfachen  Ringen  ver- 
sehen. 

1007.  Kleinerer  Ring  mit  sechs  kleinen  eingehängten 
Ringen.  Aus  Pompeji.  Aus  dem  Nachlass  von  Prof.  Rösel 
1844  erworben.     2784. 

1007*-  Kleine  Schelle,  1846  gekauft.  2921. 

1007^-  Zwei  kleine  Schellen  mit  dem  Rest  eines 
Geräthes,  an  dem  sie  hingen.  Aus  der  Sammlung  Koller.  601. 


IL  Kriegsgerätk 

A.  Waffen. 

1)   Schutzwaffen* 

a  Der  Schild. 

Der  griechische  Schild  hat  eine  doppelte  Form.  Er  war 
entweder  kreisrund  oder  oval  mit  halbkreisförmigem  Aus- 
schnitt an  jeder  Langseite.  Der  erstere  soll  in  Arges  er- 
fanden sein  und  wurde  daher  als  argolischer  Schild  bezeichnet^ 
der  letztere  bildet  das  Emblem  der  böotischen  Münzen  und 
heisst  daher  böotischer  Schild.  Der  argolische  Schild^  der 
kleiner  war  und  daher  geringere  Deckung  gewährte ^  wurde 
oft  mit  einem  viereckigen  dichten  Zeuge  versehen,  das  zum 
Schutz  der  Beine  diente. 

An  beiden  Formen  beginnt  die  Wölbung  nicht  gleich  am 
RandC;  der  sich  vielmehr  in  der  Breite  von  ein  paar  Zoll 
von  der  Wölbung  abtrennt.  Der  gewölbte  Theil  hat  eine 
ganz  glatte  Fläche  ohne  vorspringenden  Buckel,  und  wenn 
auch  oft  metallische  Verzierungen  in  der  Mitte  angefttgt 
wurden,  so  steht  der  griechische  Schild  doch  immer  in  ent- 
schiedenem Gegensatz  zum  barbarischen,  dessen  Charakte- 
ristisches gerade  der  weit  vorspringende,  aus  dem  Zusanunen- 
hang  des  Ganzen  losgelöste  Buckel  ist. 

Der  Schild  hatte  zwei  Handhaben,  eine  am  Bande,  in 
welche  die  Hand  fasst  und  eine  zweite  in  der  Mitte,  in  welcher 
der  Arm  ruht.  Ausserdem  wurde  der  Schild  an  einem  Trag- 
band getragen,   sodass   der  Krieger,   wenn  er  ihn  nicht  ge- 


J 


Die  Schilde.  219 

brauchte^  ihn  über  den  Bücken  hängen  konnte^  wie  man  es 
oft  abgebildet  sieht  ^). 

Nur  wenig  griechische  Schilde  haben  sich  erhalten,  es 
giebt  einen  in  Palermo  and  im  Lonvre,  doch  könnte  der  letz- 
tere auch  etruscisch  sein. 

Der  etruscische  Schild  hat  auch  eine  doppelte  Form, 
aber  beide  sind  kreisrund.  Der  Unterschied  ist  nur  dieser, 
dass  die  ältere  Form  flacher,  scheibenförmiger  ist  und  den 
Rand  des  griechischen  nicht  hat,  während  die  spätere  ganz 
dem  griechischen  Bundschild  entspricht  Yon  den  älteren,  in 
grosser  Anzahl  aus  Caere  und  Tarquinii  erhaltenen  wird  gleich 
im  Folgenden  näher  die  Bede  sein,  Erzschilde,  die  ganz  mit 
den  griechischen  übereinstimmen,  hat  man  in  Orvieto  und 
Vulci  gefunden.  Doch  sind  auch  Schilde  von  Holz  mit  Leder 
oder  Bronce,  oder  von  Leder  mit  Bronce  überzogen,  sehr  ge- 
wöhnlich in  den  etruscischen  Gräbern,  man  erfährt  aber  in 
den  Berichten  selten  etwas  Genaueres  über  die  Form. 

Die  Bömer  hatten  nach  Diodor  in  ältester  Zeit  viereckige 
Schilde,  nahmen  dann  den  etruscischen  Bundschild  an  und 
kehrten  später  zum  viereckigen  zurück.  Auf  den  römischen 
Monumenten  sieht  man  wohl  nur  den  oblongen,  einem  halben 
Cylinder  gleichen  Schild. 

Die  ältesten  etruscischen  Schilde,  zu  denen  der  hier  be- 
flndliche  gehört,  sind  in  jeder  Beziehung  singulär.  Wir  be- 
zeichnen diese  Schilde  als  die  ältesten  etruscischen,  weil  sie 
sich  in  einem  nach  Bauart  und  Inhalt  hochalterthümlichen 
Grabe  gefunden,  dem  Begulini-Galassigrab  in  Caere,  und  in 
ihrer  Ornamentation  ganz  primitiv  sind.  Die  ganze  Fläche 
des  Schildes  ist  nämlich  in  concentrische  und  zwar  sehr  viele 
und  schmale  Streifen  zerlegt,  die  mit  gepressten  Ornamenten 
ausgefüllt  sind.  Die  Ornamente  sind  zum  Theil  Beihen  von 
kleinen  Buckeln,  die  meist  als  Saum  zwischen  die  einzelnen 
Streifen  gelegt  sind  und  auf  den  Streifen  selbst  finden  sich 
entweder  lineare  Ornamente  oder  kleine  Thierfiguren.  Das 
Ganze  wird  dann  von  einem  Bandgeflecht  umsäumt.  Es  ist 
offenbar  derselbe  Stil,  der  in  den  ältesten  Thonvasen  herrscht, 
wo  auch  die  zu  decorirende  Fläche  in  lauter  kleine  Streifen 
abgetheilt  und  mit  puppenhaften  Thieren  verziert  wird. 

Diese  Schilde  sind  in  Gräbern  gefunden,  doch  sind  sie 

1)  Wie  das  Tragband  befestigt  war,  sieht  man  sehr  deutlich  am  Schild 
des  Mars  Ludovisi  (Bd.  L  n.  486),  es  hing  in  zwe)  Ringen  oder  Schnallen,. 
die  an  jeder  Seite  am  Schildrande  befestigt  waren. 


220  ^'^^  Schilde. 

nicht  als  die  dem  Verstorbenen  ins  Grab  mitgegebene  Kriegs- 
waffe  aufzufassen.  Sie  sind  nämlich  so  dünn^  dass  sie  za 
keinem  praktischen  Gebrauch  dienen  konnten^  und  können 
Äuch  nicht  der  Ueberzug  eines  früher  vorhandenen  Holz-  oder 
Lederschildes  gewesen  seiu;  weil  man  dann  Löcher  für  die 
zur  Befestigung  nöthigen  Nägel  finden  würde.  Vielmehr 
dienten  sie  nur  zur  Ausstattung  des  Grabes.  Man  findet 
ihrer  immer  mehrere  beisammen  und  in  Tarquinii  ist  con- 
statirt;  dass  sie  an  den  Wänden  des  Grabes  aufjgehängt  wareiu 
Dass  man  Schilde  als  Zierrat  yerwerthetC;  stammt  gewiss  von 
der  Sitte,  erbeutete  Schilde  am  Tempel  oder  auch  am  Privat- 
hause aufzuhängen.  In  den  etruscischen  Gräbern  findet  man 
vielfach  nur  gemalte  oder  ausgemeisselte  Schilde^  bei  denen 
also  der  ornamentale  Zweck  unverkennbar  ist. 

Die  Schilde  aus  dem  Regulini-Galassigrab  sind  abgebildet  im  Mos. 
Oregor.  I,  18—20,  über  die  ähnlichen  aus  Tarquinii  vgl.  ballet.  1837 
p.  66  und  Annali  1829  p.  87.  Die  Schilde  aus  Vulcl  und  Orvieto,  die 
mit  den  griechischen  übereinstimmen,  sind  im  Mus.  Greg.  I,  tav.  21 
und  bei  Conestabile  Pitture  murali  tav.  12  zu  finden.  Ueber  sonstige 
Funde  von  Sclülden  in  Etrurien  vgl.  bullet.  1830  p.  238,  1869  p.  2^, 
und  über  die  Ausschmückung  der  Gräber  mit  Schilden  Dennis,  die 
Städte  und  Begräbnissplätze  Etruriens  I,  p.  169  Anm.  17  and  II,  p.  400. 

1008.  Etruscischer  Schild^  aus  Gorneto.  Sammlung 
Dorow  538. 

Der  Schild  ist  kreisrund,  war  ursprünglich  vergoldet  und 
hat  M'*  im  Durchmesser.  Er  gehört  der  ältesten^  noch  nicht 
nach  griechischen  Mustern  gebildeten  Classe  etruscischer 
Schilde  an  und  besteht  aus  einer  flachen  Scheibe  von  dünnem 
Bronceblech,  in  deren  Mitte  der  Buckel  sehr  gelinde  hervor- 
ragt. An  jeder  Seite  des  letzteren  treten  drei  Spitzen  her- 
vor, nämlich  die  Nägel,  durch  welche  die  inwendig  über  den 
Buckel  gespannte  Handhabe  befestigt  ist.  Die  ganze  Ober- 
fläche ist  mit  Ornamenten,  theils  linearen,  theils  figürlichen, 
bedeckt,  die  mit  einander  abwechseln.  Man  unterscheidet 
Pferde  und  andere  Thiere  und  menschliche  Figuren,  alle  in 
puppenhafter  Kleinheit,  dazwischen  finden  sich  Reihen  von 
kleinen  Buckeln,  eine  Nachahmung  von  Nagelköpfen,  ferner 
schräg  gegeneinander  gestellte  Striche  und  am  Rande  sehr 
passend  als  Saum  ein  geflochtenes  Band.  Der  Rand  ist  um 
einen  eisernen  Ring  umgebogen,  der  zur  Festigkeit  des 
Oanzen  beiträgt. 

Es  wurde  schön  in  der  Einleitung  bemerkt,  dass  diese 
dünnen  Schilde  nicht  zu  praktischem  Gebrauch,  sondern  nur 


.1 


Die  Helme.  221 

zur  Verzierung  des  Grabes  gedient  hätten.  An  unserem 
Exemplar  beweist  auch  die  aus  schwachem  Blech  gebildete 
Handhabe  die  Unmöglichkeit  des  Gebrauchs.  Auch  würde 
man,  wenn  der  Schild  praktisch  gebraucht  wäre,  im  Buckel 
einen  Ring  für  den  Arm  und  am  Bande  des  Schildes  die 
Handhabe  erwarten. 

1008*"  Fragment  eines  ganz^ähnlichen  Schildes» 
Nur  das  Mittelstück  ist  erhalten  mit  einem  Theil  der  Hand- 
habe, die  durch  die  aussen  vorstehenden  Nägel  befestigt  ist, 

1009.  Fragment  eines  Schildes  desselben  Stils.  Aus 
Cometo.     Samml.  Dorow  539. 


b.  Der  Helm. 

Die  ganze  Rüstung  der  Griechen  ist  ein  redendes  Zeug- 
niss  für  den  künstlerischen  Sinn  der  Nation.  Die  Formen 
haben  nichts  Willkürliches  und  Barockes,  sondern  sind  noth- 
wendig,  da  jeder  Theil  der  Rüstung  dem  zu  schützenden 
Gliede  genau  entspricht  Denn  der  Helm  ist  nur  ein  Kopf, 
der  Panzer  eine  Brust  und  die  Beinschiene  ein  Bein  von 
Metall,  und  die  Gliederung  der  einzelnen  Rüstungstheile  ent- 
spricht genau  der  Anatomie  der  betreffenden  Körpertheile. 
Beim  Panzer  lässt  sich  verfolgen,  dass  diese  Bildung  der 
Rüstung  erst  allmählich  bei  den  Griechen  entstanden  ist,  es 
war  ein  künstlerischer  Grund,  der  sie  hervorrief  und  nicht 
wohl  eher  wirksam  werden  konnte,  ehe  nicht  das  Handwerk 
ganz  künstlerisch  durchgebildet  war.  Bei  den  Römern  ist 
diese  Bildung  der  Rüstung  im  Wesentlichen  beibehalten. 

Der  Helm  also  ist  ein  Kopf  von  Metall,  über  welchem 
sich  dann  der  Busch  wie  das  wallende  Haupthaar  erhob.  Das 
Organische  der  Bildung  kann  man  am  besten  daraus  erkennen, 
dass  der  Helm  nicht  selten  als  wirklicher  Kopf  gestaltet  ist, 
wie  z.  B.  auf  Gemmen  eine  Minerva  vorkommt,  deren  Helm 
die  Form  des  Sokrateskopfes  hat  Und  wenn  Homer  dem 
Helm  das  Epitheton  „ehernwangig''  giebt,  so  spricht  er  damit 
nur  die  einfache  Anschauung  aus. 

Dieses  Epitheton  setzt  eine  Helmform  voraus,  deren 
Backenschirme  unbeweglich  waren,  und  das  scheint  allerdings 
die  älteste  Form  des  hellenischen  Helms  gewesen  zu  sein,  so 
dass  der  Kopf  ganz  und  gar  vom  Helm  umschlossen  wurde. 


222  ^*®  Helme. 

Später  wurde  der  Backenschirm  kleiner  und  beweglich,  so 
dass  er  auf-  und  niedergeklappt  werden  konnte,  er  schrumpfte 
zu  einem  breiten  Sturmbande  zusammen.  Auf  den  ältesten 
Vasen  ist  jene  Helmform,  übrigens  mit  Variationen  im  Ein- 
zelnen, die  herrschende^),  auf  den  rothfigurigen,  wo  übrigens 
auch  das  künstlerische  Bedürfniss  sich  geltend  machte,  das 
Gesicht,  das  dort  ganz  verdeckt  ist,  zu  zeigen,  ist  die  spätere 
Form  gewöhnlich.  Man  ^pflegt  heutigen  Tags  den  alterthflm- 
lichen,  mit  festen  Backenschirmen  versehenen  Helm  den  korin- 
thischen zu  nennen,  da  er  an  den  Pallasköpfen  der  korinthischen 
Münzen  gewöhnlich  ist.  Eine  besondere  Form  des  späteren 
Helms,  nämlich  die  mit  aufrechtstehendem  Stimschirm,  be- 
zeichnet man  als  attisch,  da  sie  der  Pallas  attischer  Monu- 
mente eigen  ist.  Als  dritte  Form  des  hellenischen  Helms, 
die  aber  ebenfalls  später  ist,  muss  dann  diejenige  Helmform 
bezeichnet  werden,  die  im  Uebrigen  dem  attischen  Helm  ent- 
spricht, nur  dass  der  Schirm  nicht  aufrecht  steht,  sondern 
zum  Schutz  von  Stirn  und  Augen  sich  vorstreckt. 

Der  etruscische  Helm  entspricht  dem  altgriechischen 
vollständig.  Doch  finden  sich  daneben  besondere  Formen  von 
Sturmhauben,  die  aus  Griechenland  nicht  bekannt  sind.  Aach 
Unteritalien  hat  Helme  eigenthümlicher  Form  geliefert,  wovon 
bei  den  einzelnen  Exemplaren  die  Rede  sein  wird®). 

Der  römische  Helm,  wie  wir  ihn  aus  den  Monumenten 
der  Kaiserzeit  kennen,  entspricht  durchaus  dem  attischen  Helm. 

Griechische  Helme  sind  besonders  zahlreich  in  Olympia 
gefunden,  sie  sind  aber  durchgehends  so  dünn,  dass  sie  wohl 
nicht  in  praktischem  Gebrauch  gewesen,  sondern  nur  als 
Weihgeschenke  gegeben  sind. 

Auch  die,  welche  man  in  den  Gräbern  findet  —  und 
daher   stammen   die   vielen   etruscischen  und  unteritalischen 


^)  Am  meisten  charakteristisch  für  den  ahen  Stil  ist  der  Helm  mit 
den  festen  Backenschirmen  und  der  hoch  emporstehenden,  vom  gekrümmten 
Röhre,  an  welcher  der  Helmbusch  befestigt  ist.  Diese  Helmform  mius 
man  im  Sinne  haben,  um  die  ausdrucksvolle  Schönheit  der  homerischen 
Worte  öeivbv  6h  Xöcpog  xaS-VTie^S-sv  %vevs  zu  verstehen. 

2)  Einen  unter  italischen  Helm  mit  Hörnern,  dnr  manchen  im  Norden 
gefundenen  Helmen  entspricht,  findet  man  in  Gypsabgas9  im  Neuen 
Museum.  Das  Original  ist  im  Artilleriemuseum  in  Paris  und  abgebildet 
in  Lindenschmit's  Alterth.  unserer  heidn.  Voi'zeit  I,  3,  2.  VgL  auch 
E.  aus'm  Weerth  im  Festprogramm  zu  Winckelmann's  Geburtstag 
1870  p.  18. 


Die  Helme.  223 

Helme  —  sind  oft  nur  Zierhelme  gewesen ,  für  den  Zweck 
der  Bestattung  gearbeitet,  wie  bei  n.  1011  näher  erörtert 
wird.  Doch  finden  sich  andererseits  auch  wirklich  gebrauchte 
Helme,  wie  man  am  leichtesten  an  den  Spuren  von  Schwert- 
hieben oder  Lanzenwürfen  erkennen  kann. 

Ueber  die  in  Olympia  gefmidenen  Helme  vgl.  Dodwell  a  classical 
tour  Ily  p.  331*  Ueber  die  Auffindung  etruscischer  und  unteritalischer 
Helme  bullet,  d'inst.  1835  p.  205.    1834  p.  37.    1836  p.  71. 

1010.  Griechischer  Helm,  auf  Milo  gefunden,  zuerst 
im  Besitz  des  Admirals  Haigan,  dann  in  der  Sammlung  Four- 
talös,  aus  der  er  1865  für's  hiesige  Museum  gekauft  wurde. 
3536. 

Dieser  Helm  hat  eine  spätere,  leichtere,  übrigens  schon 
im  fünften  Jahrhundert  übliche  Form.  Er  stimmt  nämlich 
genau  mit  dem  Helm  überein,  der  einer  Amazonenstatue  aus 
der  Zeit  des  Phidias  beigegeben  ist.  Unter  die  gewöhnliche 
Nomenklatur  der  griechischen  Helme  ist  er  nicht  einzureihen, 
er  bat  einen  einfachen  Stirn-  und  Nackenschirm  und  einen 
Kanmi  von  Bronce,  unter  welchem  vom  ein  Minervenkopf  an- 
gebracht ist,  während  links  und  rechts,  da  wo  die  Backen- 
klappen ansetzten,  zierliche  Medusenköpfe  hervortreten.  Die 
einzelnen  Theile  des  Helms  sind  zusammengenietet,  der  Helm 
hat  gewiss  nur  als  Zierhelm  gedient. 

Vgl.  den  in  den  Antiquitös  du  Bosphore  Cimmerien  pl.  28  abge- 
bildeten Helm,  mit  weichem  der  unsrige  bis  auf  die  fehlenden  Backen- 
klappen genau  übereinstimmt. 

1011.  ünteritalischer  Helm,  1841  von  Prof.  Gerhard 
angekauft.     2691. 

Dieser  Helm  ist  zwar  nicht  ganz  vollständig  erhalten, 
doch  erkennt  man  leicht  aus  dem,  was  zurückgeblieben^  dass 
er  zu  einer  Classe  von  Helmen  gehörte,  die  man  nur  in 
Unteritalien,  insbesondere  in  Ruvo  findet.  Die  Form  ist  im 
Allgemeinen  die  des  altgriechischen  und  altetruscischen  Helms 
mit  unbeweglichem  Visir,  oben  darauf  aber  pflegt  eine  Gabel 
{von  deren  Befestigung  man  hier  die  Spuren  sieht)  zu  stehen, 
die  den  Helmbusch  aufnahm,  und  ausserdem  an  jeder  Seite 
der  Gabel  eine  kleine  Stange,  die  ebenfalls  zur  Befestigung 
von  Federn  diente.  Auf  unteritalischen  Vasen  und  Wand- 
gemälden sieht  man  oft  solche  mit  dreifachem  Federschmuck 
versehene  Helme. 

Auch  der  Nasenschutz  ist  abgebrochen,  aber  der  Ansatz 


224  I^'c  Helme. 

davon  ist  noch  da.  Uebrigens  ist  schon  aus  der  viel  zu 
kleinen  Oeffnung  für  Augen  und  Nase  zu  schliessen^  dass 
dieser  Helm  nie  im  praktischem  Gebrauch  war.  Dasselbe 
beweist  auch  die  grosse  Dtinnheit  des  Metalls.  Wie  die  grosse 
Masse  der  bemalten  Vasen  nur  für  die  Beisetzung  gearbeitet 
ist^  so  sind  auch  unzählige  Broncegeräthe  nur  für  die  Grabes* 
ausstattung  berechnet.  Man  machte  dünnere^  weil  billigere 
Waare  für  das  Grab.  Dieser  Helm,  der  sich  auch  durch 
gleich  näher  zu  besprechende  eingravirte  Zeichnungen  aus- 
zeichnet, diente  gewiss  als  Paradehelm  bei  der  Bestattung* 
Man  wird  nach  der  noch  jetzt  in  Griechenland  bestehenden 
Bestattungssitte  voraussetzen  dürfen,  dass  der  Todte  in  offenem 
Sarge  und  daher  prächtig  kostümirt  hinausgetragen  wurde, 
die  Alten  unterschieden  sich  aber  dadurch  von  ihren  modernen 
Nachkommen,  dass  sie  dem  Todten  den  Schmuck  wie  ein 
Opfer  mitgaben,  während  diese  ihn  vor  der  Einscharrung 
wieder  abnehmen. 

Die  eingravirten  Figuren  sind  ein  Centaur  mit  Herkules 
und  Jolaos  im  Kampf.  Der  erste  schwingt  einen  Baumstamm 
als  Waffe  und  streckt  den  linken  Arm  gegen  Jolaos  aus,  der 
mit  Schild  und  Schwert  ihn  bekämpft,  übrigens  sehr  klein 
geratheri  ist,  weil  der  Raum  gerade  unter  der  Nasenöffimng 
es  nicht  anders  zuliess.  Hinter  ihm  steht  Herkules,  das 
Löwenfell  in  der  Linken  wie  einen  Schild  vorstreckend,  in 
der  Rechten  die  Keule  schwingend. 

An  den  äusseren  Winkeln  der  Augen  bemerkt  man  ein- 
gravirte Knospen,  ein  uns  unverständliches  Ornament,  und  an 
mehreren  Stellen  sind  Spuren  volutenartiger  Verzierungen. 

Diese  Helme  sind  nicht  gerade  selten,  in  Ruvo  sind  mehrere  ge- 
funden, die  sich  jetzt  in  Neapel  und  Carlsruhe  (Sammlung  des  Majors 
Maler)  befinden.  Vgl.  bull.  1834  p.  36.  1836  p.  72.  164.  1842  p.  70. 
Ein  der  letzteren  Sammlung  an  gehöriger,  bei  Lindensclunit  I,  3,  2,  7  ab- 
gebildeter, ist  vollständig  erhalten  und  stimmt  ganz  mit  dem  unsrigen 
überein. 

1012.  Unteritalisjcher  Helm,  Samml.  Koller  540. 

Wir  nennen  diesen  Helm  unteritalisch,  weil  ein  überein- 
stimmender in  Wien  befindlicher  Helm  aus  Unteritalien 
stammt^).  Es  ist  im  Wesentlichen  die  alterthümlichste  Form 
des  griechischen  Helms,  aber  mit  einer  sehr  entstellenden 
Abänderung.     Der  Nacken  bildet  nämlich  mit  dem  Hinter- 


Vgl.  V.   Sacken   und  Kenner,    das   Wiener   Antikencabinet  p.  293. 
n.  1101.  2. 


Die  Helme.  225 

köpf  eine  fast  gerade  Linie;  so  dass  die  schöne  organische 
Form  zerstört  wird. 

Der  Helm  hatte,  wie  man  namentlich  im  Innern  sieht; 
oben  einen  Bügel;  an  dem  der  Helmbusch  befestigt  war.  Die 
Löcher,  die  am  ganzen  Kande  hemmlaufen;  dienten  wie  man 
an  anderen  Exemplaren  deutlich  sieht,  dazu,  eine  Eandein- 
fassung  von  anderem  Metall,  etwa  Silber,  zu  befestigen. 

1013.  Desgl.,  ganz  tibereinstimmend.  Auch  dieser  Helm 
hatte  einen  Busch. 

1014. Unteritalische  Sturmhaube,  Samml. Koller  541. 

Es  ist  dies  die  einfach  konische  Helmform,  die  man  so 
überaus  häufig  auf  den  unteritalischen  Yasen  sieht  und  ge- 
wöhnlich aber  irrthümlich  für  einen  Filzhut  erklärt  Die 
Nägel,  die  man  an  einer  Seite  bemerkt,  dienten  vermuthlich 
zur  Befestigung  eines  Emblems.  Auf  der  gegenüberliegenden 
Seite  ist  ein  kleiner  Buckel  herausgetrieben,  dessen  Bedeutung 
uns  nicht  klar  ist. 

1015.  1016,  Zwei  altetruscische  Helme,  ganz  über- 
einstimmend mit  den  ältesten  griechischen.  Die  Helme  ahmen 
genau  die  Form  des  menschlichen  Kopfes  nach  und  sind 
darauf  berechnet,  ganz  über  das  Gesicht  hinübergezogen  zu 
werden.  Die  kleinen  Nägel  am  Bande  dienten  dazu,  eine 
Randverzierung  von  anderem  Metall  zu  befestigen,  man  sieht 
noch  deutlich  die  Spur  dieser  Befestigung. 

Der  eine  dieser  Helme  hat  die  deutlichsten  Zeichen  ehe- 
maliger Benutzung.  Ein  Hieb  ist  über  dem  linken  Auge 
sichtbar  und  ausserdem  ist  unmittelbar  über  demselben 
Auge  ein  kleiner  Riss  schon  in  alter  Zeit  ausgebessert  worden. 

1017.  Feinverziertjer  etruscischer  Helm,  Samml. 
Bartholdy.   D.  43. 

Der  Helm  ist  fragmentirt,  scheint  aber  die  Form  einer 
einfachen  Sturmhaube  wie  n.  1018  gehabt  zu  haben.  Der 
Rand  ist  mit  einem  feinen  Geflecht  umgeben  und  an  jeder 
Seite  ist  in  feiner  Gravirung  ein  Silen  angebracht.  Die 
Silene  haben  eine  etruscisch  übertriebene  Physiognomie,  am 
ganzen  Leibe  Haare  und  liegen  einander  lauernd  auf  den 
Knien  gegenüber,  gleich  als  wollten  sie  nach  Art  von  Thieren 
sich  mit  einander  balgen. 

Abg.  Gerhard  Ant.  Bildw.  55,  2  und  Müller  Wieseler  II,  520,  wo 
Gerhardts  wunderliche  Ideen  mit  Recht  beanstandet  werden. 
Friederichd,  Bcrlin's  Antike  Bildwerke  II.  15 


226  ^^®  Helme. 

1017*-  Fragment  eines  etruscischen  Helms.  Es 
ist  nur  eine  Backenklappe  erhalten,  worauf  in  flachem  Kelief 
ein  Hund  dargestellt  ist.  Aus  Gerhard's  Nachlass  1869 
erworben. 

1018.  Etruscische  Sturmhaube,  aus  VulcL  Samml. 
Dorow  540. 

Dass  dies  ein  etruscischer  Helm  ist,  wird  theils  durch 
zahlreiche  Funde  in  etruscischen  Gräbern  bewiesen,  theils 
durch  den  berühmten  im  britischen  Museum  befindlichen  Helm, 
den  der  König  Hiero  von  Syrakus  in  Olympia  als  Beute  der 
besiegten  Etrusker  dedicirte.  Jener  Helm  nämlich,  den  die 
Inschrift  als  einen  etruscischen  Helm  aus  der  Zeit  Hiero's 
charakterisirt,  hat  genau  dieselbe  Form  wie  der  unserige. 

Gleiche  Helme  z.  B.  in  Carlsruhe  bei  Lindeuschmit  I,  3,  2,  5  und 
im  Vatikan  Mus.  Gregor.  I,  21. 

1019.  Desgl.,  nur  dadurch  verschieden,  dass  der  Helm 
von  einem  kleinen  Kamm  bekrönt  ist,  der  mit  theils  einge- 
grabenen, theils  punktirten  geflecht-  oder  gewindeartigen  Ver- 
zierungen bedeckt  ist.  Feiner  sind  die  unteren,  mit  Stempeln 
eingeschlagenen  Verzierungen,  Voluten  mit  Palmetten  da- 
zwischen und  darunter  eine  Verzierung  in  Form  einer  X. 
Diese  umgeben  den  Helm  unmittelbar  unter  dem  Kamm,  wäh- 
rend der  vorstehende  Rand  mit  Spiralen  verziert  ist,  die  über 
und  unter  sich  die  eben  erwähnte,  einer  X  ähnliche  Verzierung 
haben.  Auch  im  innern  Rand  wiederholt  sich  die  Verzierung 
mit  Spiralen.  Die  Sturmbänder  sind  an  diesem,  wie  an  dem 
vorhergehenden  nicht  erhalten,  aber  man  sieht,  die  Vorrich- 
tung dazu.  Der  Helm  ist  1842  von  einem  hiesigen  Kunst- 
händler gekauft.    2717. 

1020.  Italischer  Helm  späterer  Form,  Sammlung 
Koller  542. 

Diesen  einer  Jockeymütze  nicht  unähnlichen  Helm  wissen 
wir  nicht  mit  Bestimmtheit  diesem  oder  jenem  Volke  zuzu- 
theilen.  Man  hat  solche  Helme  in  Vulci  gefunden,  aber  auch 
anderswo  und  ein  derartiges  Exemplar,  das  sich  in  der  Waffen- 
sammlung des  Kensingtonmuseums  befindet,  hat  einen  römi- 
schen Stempel.  Doch  entsinne  ich  mich  nicht,  auf  römischen 
Denkmälern  je  solche  Helme  gesehen  zu  haben. 

Man   hat  bei  diesem   Helm   geschwankt,    welches   die 


Die  Helme.  227 

Yorder-  und  welches  die  Hinterseite  wäre.  Aber  ein  in  der 
schönen  Waffensammlung  des  Petersburger  Museums  befind- 
liches Exemplar,  welches  über  dem  kleinen  Schirm  ieinen 
Löwenkopf  als  Verzierung  hat,  zeigt,  dass  die  Schirmseite  die 
vordere  war. 

An  unserem  Exemplar  fehlen  die  Backenklappen,  in  der 
Mitte  des  Schirms  bemerkt  man  Reste  eines  Charniers,  die 
uns  unverständlich  sind. 

Ein  übereinstimmender  Helm  aus  Vulci  ist  im  Mus.  Greg.  I,  21,  1 
rechts  abgebildet.  Die  Notiz  über  den  Petersburger  Helm  verdanke  ich 
<ier  freundlichen  Mittheilung  des  Herrn  Treu. 

1021.  Aehnlich  geformter  Helm  aus  Eisen,  stark 
angegriffen,  bei  dem  Schlosse  Greifenstein  in  der  Nähe  von 
Botzen  zusammen  mit  anderen  Gegenständen  gefunden,  1858 
erworben.    3258. 

Einen  gleich  geformten  Helm  habe  ich  bisher  nicht  ge- 
sehen, zusammen  damit  sind  eiserne  Schwerter  gefunden,  deren 
eins  entschieden  barbarisch  ist.  Ausserdem  befanden  sich 
die  Fragmente  eines  oder  mehrerer  Broncegefässe  dabei,  die 
ohne  Löthung  nur  durch  Nieten  hergestellt,  ausserdem  mit 
Verzierungen  bedeckt  sind,  deren  Ausführung  ziemlich  primitiv 
ist.     Vgl.  1154»- 

1022.  Römischer  Helm  mit  Reliefs  verziert,  bei 
Antinupolis  in  Aegypten  gefunden,  aus  der  ägyptischen  Samm- 
lung Minutoli,  die  zum  Theil  bei  Helgoland  verunglückte, 
zum  Theil  im  Jahre  1822  glücklich  ankam.  Vgl.  Levezow, 
Ueber  die  Kgl.  Preuss.  SammL  d.  Denkm.  alter  Kunst.  Erster 
Nachtrag.     Leipzig  1824  p.  14  n.  171. 

Der  Helm  entspricht  nach  seiner  Form  dem  sogenannten 
attischen  oder  römischen  Helm.  Nur  fehlt  der  Stirnschirm, 
der  aber  gewiss  vorhanden  war.  Denn  man  bemerkt  noch, 
gerade  in  der  Mitte  des  vorderen  Randes,  den  Rest  eities 
Charniers,  der  zur  Befestigung  eines,  wie  es  scheint,  beweg- 
lichen Schirms  diente.  Man  sieht  ferner  die  Spuren,  wo  die 
Backenschirme  und  der  Helmbusch  angebracht  waren.  Zur 
Befestigung  des  letzteren  scheinen  auch  die  beiden  Löclier 
in  dem  Nackenschirm  gedient  zu  haben. 

Der  Helm  stimmt  fast  genau  überein  mit*  dem  Helm  des 
borghesischen  Mars  (Bd.  I,  n.  720)  und  man  darf  daraus  wohl 
schliessen,  dass  die  Verzierung  eine  öfter  vorkommende,  ge- 
lb* 


228  ^^iß  Panzer. 

wohnliche  war.  Das  Feld  des  Helms  wird  durch  ein  in  ge- 
schwungener Linie  gezogenes,  in  Voluten  auslaufendes  Band 
in  eine  untere  und  obere  Abtheilung  zerlegt.  Dies  Band  ist^ 
wie  sich  aus  der  Vergleichung  älterer  Helme  ergiebt,  nichts 
Anderes,  als  eine  Imitation  der  Linie  der  Augenbrauen,  durch 
welche  an  den  ältesten,  dem  menschlichen  Gesicht  nachgebil- 
deten Helmen  Schädel  und  Gesicht  getrennt  wurden;  unter 
diesem  Bande  bemerkt  man  eine  Palmette,  welche  links  und 
rechts  Voluten  aussendet,  umgeben  von  Hunden  oder  Wölfen^ 
was  wir  nicht  genauer  zu  entscheiden  wagen.  Darüber  sind 
zwei  Greife  angebracht,  welche  die  ganze  Fläche  des  Schädels 
einnehmen.  Vermuthlich  haben  diese  Verzierungen  keine 
weitere  Bedeutung,  als  dass  sie  allgeuiein  kriegerische  Sym- 
bole sind. 

Der  Helm  war  vermuthlich  der  eines  hohen  Officiers. 

c.  Der  Panzer. 

Der  älteste  griechische  Panzer  unterschied  sich  von  dem 
späteren  dadur>ch,  dass  er  noch  nicht  völlig  anschmiegend 
gearbeitet  war,  der  Körper  hatte  Spielraum  darin.  Derartige 
Panzer  sind  zwar  nicht  erhalten,  aber  auf  den  ältesten  Vasen 
oft  abgebildet.  Auch  Homer  erwähnt  sie^).  Später  arbeitete 
man  die  Panzer  nach  dem  Körper  und  zwar  so,  dass  Brust 
und  Bücken  aufs  Genaueste  in  all  ihrem  anatomischen  Detail 
wiedergegeben  wurden.  Eine  künstlerische  Forderung  zwang 
dazu,  dieselbe  Forderung,  welche  die  Bildhauer  veranlasste, 
das  Gewand  nur  als  das  „Echo  der  Gestalt^^  zu  behandelo. 
Die  modernen  Panzer  sind  in  ihrer  nicht  so  anschmiegenden 
Form  viel  praktischer,  aber  es  ist  dies  nicht  der  erste  Fall, 
wo  die  Griechen  das  Praktische  dem  Schöneren  opfern.  Denn 
schöner  ist  die  griechische  Weise  gewiss,  wie  unglaublich 
hässlich  und  formlos  sieht  in  den  Waffensammlungen  ein 
Ritter  des  sechszehnten  Jahrhunderts  einem  griechischen  Ritter 
gegenüber  aus^. 


1)  cf.  II.  3,  348,  wo  es  von  Paris,  in  dem  Moment  als  sein  Panaer 
von  der  Lanze  des  Menelaos  durchbohrt  wird,  lieisst  o  ö^ixXlvB^rj  xal 
älsvaro  xtjQa  fiiXaivar, 

2)  Man  vergleiche  auch  barbarische  Panzer,  wie  den  in  Grenoble 
gefundenen,  dessen  Abguss  sich  im  Neuen  Museum  befindet.  An  diesen 
ist  von  einer  Wiedergabe  der  Anatomie  des  Körpers  keine  Rede.  Ab- 
gebildet ist  derselbe  bei  Lindenschmit  Alterlh.  I,  11,  1.  6.  7. 


Die  Panzer.  229 

Die  beiden  für  Brust  und  Rücken  bestimmten  Metall- 
stücke waren  bald  von  gleicher  bald  von  ungleicher  Ausdeh- 
nung, jenachdem  das  Vordersttick  auch  den  Bauch  bedeckte 
oder  nicht.  Der  römische  Panzer  reicht  regelmässig  auch 
über  den  Bauch,  bei  den  Griechen  war  dies  die  seltnere 
Form,  von  welcher  übrigens  schon  Beispiele  aus  dem  fünften 
Jahrhundert  vorkommen.  Gewöhnlicher  ist  bei  letzteren  das 
gerade  über  dem  Bauch  abgeschnittene  Vorderstück,  wobei 
denn  der  Bauch  nur  durch  metallbeschlagene  Lederstreifen 
geschützt  wurde. 

Die  Zusammenfügung  der  beiden  Stücke  geschieht  zu- 
nächst durch  Riemen,  welche  durch  die  an  den  Rändern 
beider  Stücke  befindlichen  Ringe  gezogen  werden.  Ausser- 
dem liegen  über  den  Schultern  besondere  Schutzbänder,  die 
vermittelst  Riemen  an  Rmgen,  welche  auf  dem  Panzer  selbst 
sich  befinden,  befestigt  wurden. 

Die  etruscischen  Panzer  stimmen  mit  den  griechischen 
überein,  aber  in  Unteritalien  begegnen  wir  einer  ganz  eigen- 
thümlichen  Form,  nämlich  einer  aus  drei  kleinen  Schilden 
zusammengesetzten  Brustplatte.  Zwei  dieser  Schilde  liegen 
neben  einander  auf  der  Brust,  während  das  dritte  gerade 
mitten  unter  den  anderen  sich  anschliesst.  Solche  Panzer 
sind,  wenn  auch  nicht  häufig,  in  unteritalischen  Gräbern  ge- 
funden, häufiger  aber  auf  den  unteritalischen  Vasen  darge- 
stellt, die  in  ihren  Trachten  so  manche  lokale  Besonderheit 
erkennen  lassen. 

Die  römischen  Panzer  erscheinen  auf  den  Monumenten 
in  grösster  Mannigfaltigkeit.  Ausser  jenem,  den  Griechen 
und  Römern  gemeinsamen  Panzer,  den  wir  schon  erwähnten, 
ist  besonders  häufig  der  Ketten-  und  Schuppenpanzer  darge- 
stellt. Ein  seltenes  interessantes  Fragment  unseres  Museums 
giebt  von  beiden  eine  deutliche  Vorstellung,  da  es  sowohl 
Ketten-  als  Schuppenpanzer  ist. 

Von  den  Panzern  humerischer  Zeit  giebt  das  aherthümliclie  Vaseu- 
i)ild  mit  dem  Tode  des  Patroklus  (Overbeck  Gall.  Taf.  23,  1)  den  besten 
Begriff,  anschmiegend  gearbeitete  Panzer  sieht  man  bereits  auf  der  dem 
fünften  Jahrhundert  augehörenden  Vase  bei  Fröhner,  choix  de  vases 
grecs  pl.  3.  Die  eigenthümliclien  unteritalischeu  Panzer  kann  mau  iu 
Neapel  sehen  (Catalogo  del  museo  nazionale  dl  NapoH,  armi  antiche 
n.  18.  19,  wo  sie  von  FiorelH  irrthümlich  als  d'(OQaS  ^ÄrrixovQyijc 
erklärt  werden)  und  in  Carlsruhe  und  in  der  Sammlung  des  Fürsten 
Sayn-Wittgenstein.  Vgl.  die  Abbildung  des  Exemplars  in  Carlsruhe 
bei  Lindenschmit  Alterth.  I,  31,  3.  Von  unteritalischen  Vasen,  wo  sie 
vorkommen,  vgl.  z.  B.  mus.  borb.  VI,  39. 


230  öie  Gürtel. 

1023.  Bruststück  eines  PanzerS;  ans  der  Sammlong^ 
Bartholdy  D.  44. 

Der  Panzer  war  mit  6  Ringen  an  dem  correspondirenden 
Rückenstück  befestigt.  Das  anatomische  Detail  der  Brust  ist 
vollkommen  deutlich  ausgedrückt.  Die  Form  ist  die  des 
älteren  griechischen  Panzers. 

1024.  Rückenstück  eines  Panzers,  nicht  besonders 
erhalten.     Aus  der  Samml.  Bartholdy  D.  45. 

Es  ist  ebenfalls  mit  sechs  Ringen  versehen  und  von 
griechischer  Form. 

1025.  Fragment  eines  römischen  Ketten-  und 
Schuppenpanzers  von  Eisen,  fein  gearbeitet  Bei  Rom 
gefunden  und  von  der  Herzogin  von  Sermoneta  im  J.  1842^ 
zugleich  mit  der  Mamorstatue  des  Meleager angekauft  2716*- 

Die  Grundlage  für  die  Schuppen  bildet  ein  äusserst 
feines  Geflecht  von  Eisendraht,  das  für  sich  allein  einen 
Kettenpanzer  bilden  würde.  Auf  demselben  sind  an  jeder 
Maschenreihe  dicht  neben  einander  die  Schuppen  befestigt, 
die  daher  sich  einander  grösstentheils  decken,  so  dass  jede 
Stelle  durch  die  doppelte  Stärke  der  Schuppe  und  ausserdem 
durch  den  Kettenpanzer  gedeckt  ist. 

Es  giebt  Fragmente  von  Schuppenpanzern  sowohl  von  Bronce, 
Smith  Collect,  ant.  VI,  p.  8.  Antiquit^s  du  Bosph.  Cim.  pl.  27.  Linden- 
schmit  I,  12,  4,  2,  als  von  Knochen  Mus.  borb.  V,  29,  5,  als  auch  ans 
Eisen,  Lindenschmit  ebendas.  n.  4  und  Dorow  Denkm.  german.  u.  röm. 
Zeit  in  den  Rhein- Westphäl.  Provinzen  Band  2,  p.  82. 

d.  Der  Gürtel. 

Griechische  Soldatengürtel  sind  unseres  Wissens  nicht 
vorhanden,  um  so  mehr  aber  sind  aus  unteritalischen  Gräbern 
hervorgezogen.  Kuvo,  Canosa  und  Pästum  sind  reiche  Fund« 
statten  dafür.  Die  Gürtel  bestehen  in  breiten  Broncebändem, 
die  mit  Leder  ^)  oder  einem  anderen  ähnlichen  Material  ge- 
füttert waren.  Das  Leder  griff  nach  aussen  über  die  Ränder 
hinüber,  wesswegen  eben  diese  fast  überall  sich  glatter  er- 
halten haben,  und  die  Art  der  Befestigung  ist  noch  an 
mehreren   Stücken   ganz   deutlich.     In  den  kleinen  Löchern 


*)  An  einem  Gürtel  aus  Ruvo  war  das  Leder  noch  erhalten,   ball. 
1834  p.  39.  cf.  p.  52. 


Die  Gürtel.  231 

nämlich;  die  in  bald  grösserem  bald  geringerem  Abstand  die 
Ränder  nmsänmen;  haben  sich  mehrfach  kleine  Nieten  oder 
richtiger  gespaltene  Splinte  erhalten,  die  aussen  einen  runden 
Nagelkopf;  innen  aber  nach  links  und  rechts  umgebogene 
oder  niedergedrückte  Bänder  zeigen,  durch  welche  eben  das 
Leder  gehalten  wurde.  Ausserordentlich  reich)  mannigfaltig 
und  sinnig  sind  die  Haken  verziert,  mit  denen  der  Gürtel 
geschlossen  wurde. 

Ueber  etruscische  Soldatengürtel  vermögen  wir  keine 
nähere  Auskunft  zu  geben,  die  römischen  sind  uns  dagegen 
durch  zahlreiche  Monumente,  insbesondere  durch  die  Grab- 
steine römischer  Krieger  genau  bekannt^).  Und  danach 
konnten  in  einigen  eigenthümlichen  Gehängen  gerade  die  am 
meisten  charakteristischen  Stücke  des  römischen  Soldaten- 
gürtels, die  lang  herabhängenden,  mit  Bommeln  besetzten 
Kettenbündel  erkannt  werden. 

1026—1028.  Drei  vollständig  erhaltene  Soldaten- 
gürtel aus  der  Samml.  Koller.  544.  L.  ohne  Haken  zwischen 

3'  IV2"  l)is  3'  48/4". 

Das  Blatt  des  Hakens,  an  welchem  er  befestigt  ist,  hat 
hier,  wie  gewöhnlich,  eine  palmettenähnliche  eingravirte  Ver- 
zierung, der  Haken  selbst  läuft  an  einem  der  Exemplare  in 
einen  spitzen  Thierkopf,  etwa  einen  Rehkopf  aus,  aus  dessen 
Maul  dann  die  gekrümmte  Spitze  herauskommt.  An  anderen 
Exemplaren  ist  dies  Motiv  übrigens  noch  deutlicher  sichtbar. 
Aehnliche  Uebergänge  fanden  wir  schon  oben  an  etruscischen 
Geräthen. 

Um  den  Gürtel  enger  und  weiter  machen  zu  können, 
sind  sechs  Löcher  für  die  Haken  in  drei  Reihen  hinter  ein- 
ander angebracht.  An  einem  derselben  (n.  1026)  sind  noch 
ein  paar  kleine  Nieten  zur  Befestigung  des  Futters  erhalten. 

1029.  Desgl.,  aus  der  Samml.  Dorow.   L.  2'  3". 
Die  Haken  laufen  in  Rehköpfe  aus,  welche  die  krumme 
Spitze  aus  sich  entlassen. 


^)  Erbalteu  in  natura  ist,  so  viel  ich  weiss,  nur  ein  römischer  Sol- 
datengürtel, der  im  amphitheatrum  castrense  gefundene  und  bei  Caylus 
Recueil  V,  pl.  96  abgebildete.  Er  ist  etwas  abweichend  von  denen, 
die  man  auf  den  Grabsteinen  sieht,  aber  der  herabhängende  Ketteu- 
schmuck  fehlte  auch  bei  ihm  nicht,  den  übrigens  der  Herausgeber, 
dessen  Zeichnung  das  Unterste  zu  oberst  kehrt,  verkannt  hat. 


232  Die  Gürtel. 

1030.  Desgl.,  nicht  ganz  erhalten/ doch  sind  die  Haken 
noch  vorhanden.   L.  2'  6". 

•  

1031.  De  Sgl    Fragment.    Es   ist   das   eine   Ende   des 

GürtelS;  in  welchem  sich  die  Löcher  für  die  Haken  befinden 
und  welches  sich  dadurch  vor  anderen  unterscheidet^  dass 
das  Metall  in  der  Nähe  der  Löcher  doppelt  liegt,  eine  Vor- 
kehrung, die  vermuthlich  das  Ausreissen  der  Löcher  verhin- 
dern sollte. 

1032.  Desgl.  Fragment.  Es  ist  die  Seite  des  Gürtels, 
auf  welcher  die  Haken  befestigt  wurden  und  dadurch  inter- 
essant, dass  sich  eine  ganze  Anzahl  kleiner  Nieten  zur  Be- 
festigung des  Futters  daran  erhalten  hat.   L.  9". 

1033.  Desgl.  Fragment,  an  dem  sich  auch  einige  Nieten 
erhalten. 

1033*-  Desgl.  Fragment,  woran  noch  einer  der  Haken 
erhalten.   L.  8". 

1034.  Desgl.  Fragment.  Beide  fein  mit  Palmetten  ver- 
zierte Haken  sind  erhalten.   L.  3^/^". 

1035.  DesgL  Fragment.  Die  Haken  laufen  in  Rehköpfe 
aus  und  ihre  Attachen  sind  in  Form  von  Löwen  gestaltet, 
die  selber  darauf  eingravirt  sind.   L.  3^/3". 

1036.  DesgL  Fragmente,  an  Zahl  40. 

1037.  1038.  Ein  Paar  Gürtelhaken,  aus  der  Samml. 
Koller  545. 

Nach  der  Seite  des  Hakens  hin  ist  dies  Exemplar  wie 
n.  1026  gestaltet,  nach  der  anderen  Seite  hin  läuft  jedes 
Stück  in  die  Figuren  von  Je  zwei  kleinen  geharnischten 
Männern  aus,  die  griffmässig  mit  parallelen  Armen  und  Beinen 
dastehen  und  unter  sich  einen  Rehkopf  haben,  um  in  die 
nothwendige  Spitze  auslaufen  zu  können.  Vgl.  das  über  den 
unter  n.  587^  aufgeführten  Pfannengriff  Bemerkte.   L.  4". 

1039.  1040.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  nur  ist  das 
eine  Stück  unten  etwas  verstümmelt.   L.  S'/s"» 

1041.   1042.    Desgl.    sehr    geistreich   ersonnen.     Die 


Die  Gürtel  235 

Attache  wird  nämlich  durch  je  zwei  auf  den  Hinterbeinen 
stehende  Ziegenböcke  gebildet,  die  mit  den  Köpfen  gegen 
einander  stossen.  Unter  den  Beinen  jedes  Ziegenbocks  be- 
findet sich,  zu  demselben  Zweck  wie  bei  den  eben  erwähnten 
Exemplaren,  je  ein  Widderkopf.  Das  eine  Stück  dieses  Paares 
hat  seinen  Haken  verloren. 

1043.  1044.  De  Sgl  Die  Haken  werden  durch  je  zwei 
kleine  nackte  Männer  gebildet,  die  vielleicht  Herkules  vor- 
stellen sollen.  Wenigstens  könnte  das  Geräth  in  ihrer 
Rechten  eine  Keule  sein,  während  es  uns  ganz  unklar  ist, 
was  sie  in  der  Linken  halten.  Die  Figuren  stehen  auf  Reh- 
köpfen. 

1045.  Desgl.,  ein  einzelner  Haken,  in  welchem  Herkules 
durch  Keule  und  Löwenfell  deutlich  charakterisirt  ist  L.  3". 

1046.  Desgl.  durch  eine  ganz  rohe  nackte  Figur  ge- 
bildet  L.  38/4''. 

1047.  1048.  Desgl.  ein  Paar,  ganz  einfach  gebildet. 
L.  31/4". 

1049.  Desgl.,  ein  Paar,  noch  mit  einander  verbunden, 
mit  fein  gravirten  Palmetten  verziert. 

1050.  Desgl.  aus  der  Sammlung  Dorow.  19.,  etwas  be- 
schädigt. 

1051.  Desgl.,  die  Haken  laufen  in  Köpfe  aus. 

1052 — 1055.  Vier  einzelne  Haken  mit  verschiedener 
Verzierung,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  13.  16. 
17.  26. 

.'      1055*-  Desgl.,  1852  von  einem  hiesigen  Kunsthändler 
gekauft     3052. 

1055^-  ^-  ^'  Drei  desgl. 

1056.  Desgl.,  die  Attache  in  Form  eines  Ochsenkopfs, 
der  hier  wohl  als  ein  Apotropaion  angebracht  ist 


234  I^iß  Gürtel. 

1057 — 1076.   Zwanzig  desgL  mit  verschiedenen,  zam 
Theil  feinen  Verzierungen. 

1077.  Achtzehn  Fragmente  von  Gtirtelhaken. 


Römische  Soldatengürtel. 

1078.  Kettenbündel  von  einem  römischen  Soldaten- 
gürtel.   Samml.  Koller  602.   L.  6". 

An  einem  Stück  Blech,  das  mit  dem  Ornament  des 
Würfelauges  verziert  ist  und  oben  an  drei  vorragenden  Spitzen 
durchbohrt  ist,  hängen  sechs,  ursprünglich  acht  Ketten  herab, 
deren  jede  unten  eine  Bommel  hatte  oder  hat  Vergleicht 
man  die  in  Lindenschmit's  Alterthümern  unserer  heidnischen 
Vorzeit  I,  10,  5  und  9,  4  abgebildeten  Soldatengräber,  wo 
.die  Verstorbenen  in  vollem  militärischen  Schmuck  dargestellt 
sind,  so  lässt  sich  die  Uebereinstimmung  dieser  Bronce  mit 
den  dort  sichtlichen  Gürtelanhängseln  nicht  verkennen.  Auf 
manchen  Denkmälern,  z.  B.  auf  der  Trajanssäule,  hat  der 
Soldatengürtel  sichtlich  lederne  Zipfel,  allein  die  ebencitirten 
Grabsteine  und  mehr  noch  der  erhaltene  oben  erwähnte  Sol- 
datengürtel, an  welchem  noch  einige  Ringe  hängen,  beweisen, 
dass  auch  metallene  Anhängsel  vorkamen.  Uebrigens  berührt 
sich  diese  römische  Tracht  sehr  nahe  mit  barbarischen  Trachten. 
(Vgl.  Kruse  Necrolivonica  Taf.  10  und  v.  Sacken  das  Grab- 
feld von  Hallstadt  p.  47). 

1079.  Desgl.,  doch  fehlen  unten  die  Bommeln.  Die 
Ketten,  sechs  an  der  Zahl,  sind  unten  durch  Ringe  mit  ein- 
ander befestigt,  so  dass  sie  immer  ein  Bündel  bilden  mussten. 
Wir  lassen  es  bei  diesem  und  den  folgenden  Stücken  unbe- 
stimmt, ob  sie  zur  römischen  Soldatentracht  gehört  haben 
oder  barbarisch  sind.  Doch  sind  es  gewiss  Gürtelanhängsel 
L.  6". 

1080.  Desgl.,  dem  vorigen  Stück  fast  ganz  entsprechend, 
nur  dass  die  Ketten  an  einem  blossen  Ring  befestigt  sind. 
L.  6V2". 

1081.  Desgl.,  doch  ist  nur  der  Rest  einer  Kette  erhal- 
ten, die  sich  in  zwei  Kettchen  theilt,  an  deren  jedem  Bommel 
herabhängen.   L.  ^^IJ'. 


Die  Beinschienen.  235 

1082.  Desgl.;  vollständig  erhalten.  An  einem  Ring  hängen 
drei  Ketten  mit  fünf  Bommeln  daran,   L.  3^2"« 

1082*-  Fragment  eines  Gürtelgehänges.  Aus  Gerhard'» 
Nachlass  1869  erworben.    103. 

e.  Die  Beinschienen. 

Ausser  dem  Panzer  waren  die  Beinschienen  ein  regel- 
mässiges und  nothwendiges  Schutzmittel;  da  der  Schild  die 
untersten  Theile  des  Körpers  nicht  mehr  zu  schützen  ver- 
mochte. Es  gab  auch  Schenkelschienen;  wie  wir  aus  antiken. 
Schriftstellern  und  Monumenten  erfahren;  doch  müssen  sie 
selten  gewesen  sein  und  waren  auch  nicht  so  nothwendig. 
Auch  Fuss-  und  Armschienen  kannte  maU;  doch  auch  diese 
nur  in  besonderen  Fällen. 

Die  griechischen  und  etruscischen  Beinschienen  stimmen 
ganz  übereiU;  sie  unterscheiden  sich  von  den  römischen  da* 
durch;  dass  sie  das  Bein  rundum  bedecken;  während  jene  nur 
die  vordere  Hälfte  schützen;  wie  schon  der  Ausdruck  Ttqoyivrifügy 
den  Folybius  von  ihnen  gebraucht;  andeutet.  Die  letzteren 
sind  übrigens  sehr  selten  dargestellt;  denn  es  ist.  begreiflich; 
dass  selbst  auf  den  historischen  DenJkmälern  der  Kömer  ein^ 
vollkommen  ausführliche  Wiedergabe  der  Wirklichkeit  nicht 
vorkommt.  Erhalten  ist;  so  viel  ich  weiss ;  keine  einzige 
römische  Beinschiene. 

Vgl.  Blackie  in  den  Annali  1831  p.  299. 

1083.  1084.  Ein  Paar  Beinschienen  griechischer 
Form.    Aus  der  Samml.  Koller  543. 

Die  am  Rande  umlaufenden  Löcher  enthielten  kleine 
Nieten  zur  Befestigung  des  Futters. 

1085.  Beinschienen  derselben  Form;  nur  dass  der  Knie- 
schutz höher  hinaufgeht;  etwa  wie  bei  einem  Stulpstiefel. 

Zwei  Reihen  von  feinen  LöcherU;  in  denen  zum  Theil 
noch  die  Niete,  die  das  Futter  festhielten;  erhalten  sind;  laufen 
am  Rand  herum  und  zwischen  ihnen  eine  Reihe  grösserer 
Nägel;  die  auf  der  Rückseite  umgenietet  sind  und  nur  zum 
Zierrat  gedient  haben.  Feine  etruscische  Arbeit.  Im  Jahr 
1855  von  dem  Antiquar  Meyer  gekauft.     3089. 

1086.  1087.  Zwei  desgl.;  derselben  Herkunft.  Nicht 
besonders  erhalten.     3090.  3091. 


^36  ^^^  Lanzen. 

1088.  Desgl.,  aus  der  Samml.  Bartholdy  D.  49. 

1089.  Fragmente  von  Beinschienen.  Ebendaher. 
D.  50. 

2)   Trutzwaffen. 

a.  Lanzen. 

Zwischen  den  griechischen  und  etruscischen  Lanzenspitzen 
scheint,  nach  der  Vergleichung  genau  gezeichneter  Denkmäler 
von  beiden  Völkern,  kein  Unterschied  gewesen  zu  sein.  Beide 
waren  blattförmig.  Nur  finden  sich  einzeln  bei  den  Etruskem 
phantastisch  geschweifte  Lanzen,  die  ich  auf  griechischen 
Denkmälern  nie  gesehen  habe. 

Die  in  den  cisalpinischen  Gräbern  gefundenen  Bronce- 
lanzen  stimmen  mit  den  etruscischen  überein.  Auch  bei  den 
Bömern  gab  es  blattförmige  Lanzenspitzen,  aber  vorwiegend 
waren  bei  ihnen  die  kantigen,  sei  es,  dass  die  Spitze,  wie 
beim  pilum,  vierkantig  oder  dreikantig  gestaltet  war. 

Vgl.    das   von    LIndenschmit    an    verschiedenen    Stellen  ;gegebene 
Material  und  seine  Bemerkungen  zu  I,  11,  4. 

a.   Blattförmige  Lanzenspitzen. 

1090. Lanzenspitze,  eigenthümlich geformt,  von  Bronce, 
etruscisch,  aus  Cometo.   Samml.  Dorow  541.   L.  9%". 

1091.  Desgl.,  gewöhnlich  blattförmig,  aus  Pompeji,  durch 
Herrn  Temite  acquirirt.  V.  f.  b.  3.   L.  4^/^". 

1092.  Desgl.,  am  Rhein  gefunden.  1846  angekauft. 
L.  31/2".    2902. 

1093.  DesgL  mit  sehr  schöner  Patina  und  feinen  ein- 
gravirten  Verzierungen,  ähnlich  denen  bei  Lindenschmit 
Alterth.  I,  5,  2,  1,  6  abgebildeten.  Aus  Italien,  früher  in 
der  Huth'schen  Sammlung  V.  b.  1.   L.  772"« 

1094.  Desgl.,  aus  der  Samml.  Bellori's.  V.  b.  2.  Die 
Tülle  ist  geriefelt.   L.  1%'', 

Abg.  Beger  thes.  Brandenb.  IIl,  p.  417. 


Die  Lanzen.  237 

1095.  Desgl.;  aus  der  Sammlung  Bartholdy.  D.  51- 
L.  111/2". 

1096—1099.  Vier  desgL,  ebendaher.  D.  52. 54. 55. 56. 
L.  zwischen  9*/8''  ^^^  5^8 "• 

1100.  Desgl.;  in  einem  Torfmoor  des  Kreises  Greven- 
broich zugleich  mit  zwanzig  Kaisermünzen,  die  bis  zu  Trajan 
reichten,  gefunden.    1839  erworben.    L.  5^2 "• 

1101.  Desgl.;  aus  der  Sammlung  Koller.    L.  l^jj'. 

1102.  Desgl.;  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant 
Schmidt  1846  erworben.  2847.  L.  4^/8". 

1103.  Desgl.;  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844 
erworben.  2753,  L.  7^4". 

1104—1110.  Sieben  desgl.  L.  zwischen  38/4"  und  5". 

1111.  Grosse  eiserne  Lanzenspitze;  1841  von  Pro- 
fessor Gerhard  angekauft.  2705.  L.  IS^Ii'. 

1111*-  Broncene  Lanzenspitze  mit  eigenthümlicher 
Schweifung.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    D.  57. 


ß.  Kantige  Lanzenspitzen. 

1112.  Römische  dreikantige  Lanzenspitze  von 
Eisen.    Aeltere  Sammlung.  V.  c.  1.  L.  5". 

Dieses  Eisen  entspricht  nach  Form  und  Länge  dem  von 
Vegetius  mit  den  Worten  aliud  minus  (missile)  ferro  triangulo 
unciarum  quinque,  quod  tunc  vericulum  nunc  verutum  dicitur 
beschriebenen  Wurfspeer. 


y.  Lanzenschuhe. 

1112*-    Unterer    Beschlag    eines    Speeres,    1841 
durch  Professor  Gerhard  in  Italien  angekauft.  2713. 

1112^-   Desgl.;  aus  der  Sammlung  Bartholdy.    D.  26. 
Diese  beiden  Stücke  könnten  übrigens  auch  an  Stöcken 
gesessen  haben. 


238  öie  Pfeile. 


b.  Die  Pfeile. 

Das  erhaltene  Material  reicht  schwerlich  aus,  um  hier 
die  Fragen,  die  man  stellen  könnte,  zu  beantworten.  Am 
sichersten  zu  bestimmen  sind  die  dreikantigen,  mit  Wider- 
haken versehenen  eisernen  römischen  Pfeilspitzen,  die  in  rö- 
mischen Kuinen  gefunden  sind  und  in  ihrer  Bildung  den  rö- 
mischen Lanzenspitzen  entsprechen.  Sie  sind  ohne  Tülle, 
aber  mit  einem  Dom  versehen,  der  in  den  Schaft  hinein- 
geschoben wurde.  Aus  Griechenland  sind  mir  nur  Pfeüspitzen 
von  Bronce  bekannt,  von  verschiedener  Form,  theils  blatt- 
förmig, theils  dreieckig  und  letztere  theils  mit,  theils  ohne 
Widerhaken.  Dass  Homer  schon  die  gefährlichen,  mit  Wider- 
haken versehenen  Pfeile  kennt,  geht  aus  der  Erzählung  von 
der  Verwundung  des  Menelaos  durch  Pandaros  hervor. 

Ueber  die  römischen  Pfeilspitzen  vgl.  Lindenschmit,  Alterth.  I,  11, 
Taf.  4. 

1113.  1114.  Zwei  Pfeilspitzen,  von  Professor  Ross 
auf  dem  Schlachtfeld  von  Plataea  gefunden.  Aus  dem  Nach- 
lass  des  Finders  1860  erworben.   3420.  3420*- 

Die  Spitzen  haben  Tüllen  zum  Einstecken  des  Schaftes 
und  sind  blattförmig  gestaltet.  Ihre  elegante  Arbeit  lässt  in 
Verbindung  mit  dem  Fundort  vermuthen,  dass  sie  wirklich 
von  der  Schlacht  von  Plataea  herrühren. 

1115.  Desgl.,  von  ähnlicher  Form,  doch  mit  kantig 
erhobenem  Rücken  und  mit  Widerhaken.  Auch  hat  sie  einen 
Dorn  zum  Aufstecken. 

Diese  Spitze  ist  mit  der  Inschrift  ¥E  versehen  und  soH 
am  Berge  Ithome  in  Messenien  gefunden  sein,  so  dass  die 
Buchstaben  wohl  als  Anfangsbuchstaben  des  Namens  Messe- 
nien gedeutet  werden  könnten.  Denn  wie  in  gewissen  Staaten 
—  es  wird  von  Sparta,  Sicyon,  Messene  berichtet  —  die 
Schilde  der  Krieger  mit  dem  Anfangsbuchstaben  ihres  Heimath- 
namens bezeichnet  wurden,  wie  auch  auf  Schleuderkugeln  der 
Name  des  Staates,  dem  sie  angehören,  vorkommt,  so  mochte 
dies  auch  bei  den  Pfeilspitzen  der  Fall  sein. 

1116.  Fünf  kleine  Lanzenspitzen  aus  Attika,  drei- 
eckig, mit  Widerhaken  und  Tüllen.  Im  Jahre  1869  angekauft. 
3758. 


Die  Schleudergeschosse.  239 

1117.  Zwölf  desgl.,  dreieckig  aber  abgerundet,  ohne 
Widerhaken  und  mit  Tüllen.  Von  Prof.  Petermann  1856  im 
Orient  gekauft.    3128—3139. 

1118.  Desgl.,  flach  blattförmig.     Ebendaher.   3140. 

1119.  DesgL,  vierkantig  und  mit  Widerhaken.  Aus 
der  Sammlung  Bartholdy.   D.  65. 

1120.  Desgl.,  vierkantig  ohne  Widerhaken,  mit  langem 
Dorn.     Im  Jahre  1853  gekauft.    3074. 

1121.  Desgl.,  dreikantig  mit  Widerhaken. 

1122.  Desgl.,  dreikantig  ohne  Widerhaken. 

1123.  1124.   Desgl.,  platt,  blattförmig. 

1125.  Fünf  .römische  Pfeilspitzen  von  Eisen,  von 
der  oben  beschriebenen  Form.  Aeltere  Sammlung  V.  f.  c. 
6— 10. 

1126.  1127.  Zwei  desgl.,  von  Eisen,  flach,  mit  zwei 
Widerhaken  und  mit  Tüllen.   Aeltere  Sammlung.    V.  f.  c.  4.  5. 

c.  Die  Schleudergeschosse. 

Bei  Griechen  wie  bei  Römern  finden  wir  seit  alter  Zeit 
Schleuderer  in  den  Heeren.  Zuerst  scheint  man  nur  mit 
Steinen  geworfen  zu  haben,  die  übrigens  später,  als  die  Blei- 
kugeln eingeführt  waren,  auch  noch  nicht  ganz  abkamen. 
Unter  den  Griechen  galten  die  Akarnanen,  die  Völker  am 
malischen  Meerbusen  und  die  Rhodier  als  besonders  geschickte 
Schützen,  bei  den  Römern  waren  es  die  Balearen,  denen  aber 
doch  die  Schleuderer  aus  Achaja  überlegen  waren.  Es  ist 
übrigens  leicht  begreiflich,  dass  diese  Waffe  nicht  besonders 
geachtet  war. 

Die  Schleuderkugeln  sind  gewöhnlich  von  Blei,  einzeln 
von  Terrakotta  und  noch  seltener  von  Erz.  Sie  haben  durch- 
gängig eine  olivenförmige  Gestalt.  Man  findet  sie,  wie  leicht 
begreiflich,  besonders  an  solchen  Orten,  die  einmal  belagert 
waren,  Enna  in  Sicilien  und  Askulum  im  Picenischen  sind 
Hauptfundstätten.  Ihr  Hauptinteresse  besteht  in  den  In- 
schriften,   die    den   Namen    des    cettimandirenden    Generals 


240  ^^®  Schleudergeschosse. 

oder  der  betreffenden  Legion  enthalten  oder  auch  soldatische 
Witze  und  Wünsche  zum  Theil  derber  Art,  die  man  der 
Kugel  mitgab.  Zwischen  griechischen,  römischen  und  etrus- 
cischen  Schleuderkugeln,  von  denen  uns  mit  Inschriften  be- 
zeichnete Exemplare  erhalten  sind,  scheint  kein  erheblicher 
Unterschied  der  Form  bestanden  zu  haben. 

Vgl.  Mommsen,  Corp.  inscr.  Lat.  I,  p.  188  S,  und  Vischer,  Antike 
Schleudergeschosse,  Programm  zum  Winkelmjinnsfest  der  Antiq.  Ge- 
sellschaft zu  Basel  v.  J.  1865. 

1128.  Schleuderkugel  aus  Athen,  1869  angekauft» 
6206. 

Auf  der  einen  Seite  steht  die  Inschrift  JES^Iy  die 
als  ein  humoristisches  „Nimm's^^  aufzufassen,  auf  der  anderen 
ein  Donnerkeil,  umgeben  von  zwei  Widderköpfen,  wie  es  scheint 
Der  Sinn  ist  offenbar,  dass  ein  Blitzstrahl  und  die  Thätigkeit 
der  Belagerungsmaschinen  über  den  belagerten  Platz,  in  wel- 
chen diese  Kugel  hineingeschossen  ist,  hereinbrechen  möge. 
Schleuderbleie  mit  dem  Blitz  und  der  erwähnten  Inschrift 
sind  in  Attika  häufig. 

Vgl.  Vischer  a.  a.  0.  n.  17.  bullet.  1849,  p.  148.  1851,  p.  129. 

1129.  Desgl.,  von  Ascoli  mit  der  Inschrift  FERI 
POMP  (ejum),  die  auch  sonst  schon  von  demselben  Ort  be- 
kannt war.     1864  aus  Rom  erhalten.    3520. 

Asculum  wurde  im  Jahre  664  a.  U.  von  Cn.  Pompejus 
Strabo  belagert,  auf  dessen  Heer  dieses  Geschoss  von  den 
Belagerten  abgeschickt  wurde. 

Vgl.  Corp.  I.  lat.  n.  650  und  bullet.  1864,  p.  82. 

1130.  Desgl.,  aus  Perugia.   Ebendaher  erhalten.  3521* 
Die  an  drei  Seiten  befindliche  Inschrift  ist  für  uns  ganz 

unleserlich. 

1131.  Desgl.,  mit  der  Inschrift  FIR,  1845  angekauft. 
2813. 

Diese  Kugel  stammt  wohl  (von  Firmum  im  Picenischen, 
in  welcher  Stadt  der  zu  1129  erwähnte  Cn.  Pompejus  Strabo 
bei  derselben  Gelegenheit  belagert  wurde,  als  er  Asculum 
belagerte.    Man  ergänzt  die  Inschrift  etwa  als  Finne  missa» 

Vgl.  Corpw  Inscr.  Lat.  n.  652. 


Die  Sclileuderg-eschosse.  241 

1132.  Desgl.,  von  Dr.  Friedländer  1847  in  Italien  er- 
worben.   2939. 

Diese  Kugel  trägt  die  Inschrift  des  Consuls  L.'Piso  L.  F, 
der  621  a.  U.  Consul  war,  und  stammt  wahrscheinlich  von 
Enna,  das  unter  diesem  Consul  belagert  wurde  und  daher 
viele  übereinstimmende  Kugeln  geliefert  hat.  Die  Inschrift 
ist  aber  mangelhaft  erhalten,  man  erkennt  noch  ISO  und  L. 

1132*-  Desgl.,  aus  Gerhard^s  Nachlass  1869  erworben. 
239. 

Von  der  Inschrift  sind  nur  ein  paar  Buchstaben  erhalten, 
mit  denen  wir  nichts  anfangen  können. 

1133.  Desgl.,  ohne  Inschrift,  1858  in  Cöln  auf  einer 
Auction  angekauft.  3268. 

1134.  Desgl.,  aus  Pompeji  durch  den  Maler  Ternite 
besorgt.   V.  f.  c.  11. 

1135 — 1141.  Sieben  desgl.,  aus  dem  Nachlass  des 
Obristlieutenant  Schmidt  in  Berlin  1846  erworben.    2879. 

1142.   Desgl.,  ebendaher,  von  runder  Form.    2880. 
Nur  zweifelnd  fügen  wir  diese  runde  Kugel  hier   an, 
wir  wissen  ihr  aber  keinen  anderen  Zweck  zuzuschreiben. 

Schleudergeschoss  gegen  Cavallerie,  sog.  tribulus. 

Das  im  Folgenden  aufgeführte  Geschoss,  das  aus  einer 
kleinen  Kugel  besteht,  von  welcher  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen vier  Stachel  ausgehen,  war  gegen  Cavallerie  bestimmt. 
Denn  da  es  immer  so  niederfällt,  dass  eine  seiner  Spitzen 
aufrecht  steht,  so  war  es  für  die  Füsse  der  Pferde  ausser- 
ordentlich gefährlich. 

Vgl.  das  bei  Caylus,  Recueil  IV,  pl.  98  3  abg.  Exemplar  und 
Rhein.  Jahrb.  XXXVII,  p.  249,  besonders  aber  Mus.  Chius.  II,  149, 
wo  auf  einer  etruscischen  Gemme  dieses  Geschoss  unter  einem  spren- 
genden Pferde  liegt. 

1142^  Tribulus,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben.   81. 

1142^-  Grosser,  schwerer  Bolzen,  vielleicht  ein 
Schleudergeschoss.     Er  ist  vorn  spitz,  hinten  rund  gestaltet. 

Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwer^ce  II.  16 


242  Die  Schwerter. 

d.   Die  Schwerter. 

Livius  bemerkt  in  der  Unterscheidung  des  gallischen 
und  liispanischen  Sollwertes  (XXll^  46);  dass  die  Hispaner 
mehr  mit  Sticlien  als  mit  Hieben  ihren  Feind  anzugreifen 
pflegten^  und  daher  kurze^  spitze  Scliwerter  hätten,  während 
die  Schwerter  der  Gallier,  die  mehr  den  Hieb  liebten,  lang 
und  ohne  Spitze  wären.  Diese  Bemerkung  lässt  sich  wohl 
dahin  ausdehnen,  dass  tiberliaupt  die  südlichen  Völker  mehr 
die  Stichwaifen,  die  nördliclien  die  Hiebwaffen  liebten.  Freilich 
haben  hier  die  Zeiten  viel  geändert  und  es  liegt  mir  fern, 
einen  scharfen  Unterschied  aufstellen  zu  wollen,  allein  es 
liegen  doch  genug  Thatsachen  vor,  um  die  obige  Bemerkung 
aufrecht  zu  lialten.  Von  den  Galliern  berichtet  Livius,  wie 
wir  sahen,  auf  der  Trajanssänle ,  wo  die  Waffen  gewöhnlich 
nicht  angegeben  sind,  sieht  man  doch  an  den  Bewegungen 
der  Dacier,  dass  sie  mit  Hieben  kämpfen,  auf  der  Antonins- 
säule liaben  die  Barbaren  krumme  Säbel  und  auf  römischen 
Grabsteinen,  wo  ein  Römer  als  Sieger  über  einen  Barbaren 
dargestellt  ist,  hat  letzterer  öfters  einen  gekrümmten  Säbel. 
Auch  die  Existenz  einschneidiger  Schwerter,  die  man  im 
Norden  vielfach,  im  Süden,  so  viel  ich  weiss,  nie  gefunden 
hat,  ist  ein  sprechender  Beleg  für  unsere  Behauptung.  Auf 
der  anderen  Seite  stehen  die  Griechen  mit  ihrem  zwar  auch 
zum  Hieb,  aber  doch  vorwiegend  auf  den  Stich  berechneten 
Scliwert,  das  bei  den  Spartanern  so  kurz  war,  dass  es  ge- 
wiss nur  dolchartig  gebraucht  werden  konnte,  und  die  Römer, 
welche  seit  dem  zweiten  punischen  Kriege  während  der  gan- 
zen Zeit  ihrer  Machtliöhe  sich  des  oben  erwähnten  hispani- 
schen Schwertes  bedienten.  Es  ist  psychologisch  begreiflich, 
dass  der  nordische  Barbar  die  gleichsam  aufrichtigere  und 
gewiss  derbere  Form  der  Vernichtung  durch  den  Hieb  vor- 
zieht, während  die  Weise  des  Südländers  mehr  Gewandtheit  er- 
fordert und  einem  etwas  hinterlistigen  Charakter  mehr  zusagt. 

Das  griechische  Schwert  ist  uns  mehr  aus  Abbildungen 
als  aus  erhaltenen  Exemplaren  bekannt.  Es  war  mit  einer 
Parirstange  versehen  und  zweischneidig  und  spitz  zulaufend, 
in  der  Form  eines  Blattes,  so  dass  der  Schwerpunkt  nach 
der  Spitze  zu  liegt,  wodurch  die  Wuclit  des  Hiebes  bedeu- 
tend verstärkt  wurde. 

Mit  dem  griechisclien  Schwert  stimmt  das  etruscische 
Schwert  überein  und  mit  diesem  wieder  in  der  Grundform 


Die  Schwerter.  243 

das  altdeutsclie  Bronceschwert.  Nur  der  Griif  des  altdeut- 
scheu  Schwertes  ist  in  Form  und  Ornamentik  abweichend. 
Fast  sämmtliche  hier  vorliandene  Schwerter  sind  von  der 
letzteren  Art,  die  überhaupt  durch  eine  Unzahl  von  Beispielen 
bekannt  ist. 

Das  römische  Schwert  älterer  Form,  das  mit  dem  galli- 
schen tibereinstimmte,  war  selir  lang  und  ohne  Spitze,  nur 
zum  Hieb  eingericlitet.  Es  ist,  so  viel  wir  wissen,  kein  Bei- 
spiel davon  erhalten.  Yon  der  liispanischen  Klinge,  ihrer 
späteren  Waffe,  besitzen  wir  einige  durch  Inschriften  ge- 
sicherte Exemplare,  an  denen  als  das  Charakteristische  dieser 
Waffe  die  starke,  vierkantige  Spitze  hervortritt.  Die  Klinge 
hat  eine  weniger  schöne  Form  als  die  griechische,  sie  läuft 
in  gleichförmiger  Breite  fort. 

Das  griechische  Schwert  wurde  an  der  linken,  das  rö- 
mische, je  nach  dem  Grade  des  Trägers,  an  der  linken  oder 
an  der  rechten  Seite  getragen.  Der  gemeine  Soldat  hat  es 
an  der  rechten,  der  Officier  an  der  linken  Seite. 

Römische  Schwerter  bei  Lindenschmit,  Aherth.  I,  5,  2.  3.  4.  8,  6.  4. 

1143.  Schwert  aus  dem  Nachlass  des  Hofrath  Becker 
in  Hamburg  1837  angekauft.  Soll  bei  Pella  in  Macedonien 
gefunden  sein.    L.  21". 

Griechiscli  ist  dies  übrigens  sehr  schöne  Schwert  niclit, 
weil  die  Parirstange  fehlt.  Es  entspricht  sowohl  in  der 
Form  der  Klinge  als  des  Griffes  nordischen  Schwertern.  Die 
fünf  Haftnägel  haben  starke  Buckel  und  der  Griff  ist  mit 
feinen  gravirten  Verzierungen  bedeckt. 

Vgl.   das   bei    Koldiug  in   Jütland   gefundene   Schwert  bei    Linden- 
scbniit,  Altertli.  II,  1.  3.  2. 

1144.  Desgl.,  ebendaher.  Soll  in  Siebenbürgen  ge- 
funden sein.  Ganz  ähnlich  dem  vorigen,  doch  ohne  die 
Buckel,  und  die  gravirten  Verzierungen  bestehen  vorwiegend 
in  dem  so  häufigen  Ornament  der  Wtirfelaugen.  L.  23 ^^''^ 

Dieses  Schwert  stimmt  fast  ganz  überein  mit  dem  bei  Lindcnsclmiit 
I,  7,  2,  3  pnblicirten. 

1145.  Desgl.,  soll  am  Rhein  gefunden  sein,  1846  an- 
gekauft.   2827.    L.  22%''. 

Ganz  mit  n.  1144  tibereinstimmend,  nur  weniger  fein  in 
der  Ornamentirung. 

16* 


244  ^^^  Schwerter. 

1146.  Desgl.,  ganz  mit  dem  vorigen  übereinstimmend, 
nur  dass  die  Spitze  fehlt.    1868  gekauft    3580.   L.  18". 

1147.  Desgl.,  ganz  ähnlich,  nur  dass  der  den  Griff 
oben  abschliessende  Bügel  volutenförmig  nach  oben  gebogen 
ist,  ähnlich  dem  bei  Lindenschmit  I,  7,  2,  2  abgebildeten 
Schwert.   L.  23". 

1148.  Desgl.,  von  anderer  Form.  Die  Klinge  läuft  in 
gleichförmiger  Breite  bis  zur  Spitze  fort  und  der  Griff  ist 
von  einem  jugendlichen  Kopf  bekrönt,  dessen  Styl  freilich 
ausserordentlich  schwer  zu  bestimmen.  Der  Griff  ist  da,  wo 
er  die  Klinge  umfasst,  mit  feinen  Punkten  umrändert,  welche 
den  Schein  erwecken,  als  sei  hier  die  Klinge  mit  feinen 
Nägeln  befestigt.   L.  20  V4". 

1149.  Desgl.,  von  ähnlicher  Form,  nur  ist  der  Griff 
verschieden,  indem  er  nämlich  auf  eine  Bekleidung  etwa  von 
Knochen  berechnet  ist.  Diese  Bekleidung,  zu  deren  Befesti- 
gung die  vier  Löcher  dienten,  ist  sehr  dünn  gewesen,  wie 
man  aus  den  umgebogenen  Rändern  des  Griffes  abnehmen 
kann.   L.  16^/4". 

Vgl.  die  bei  Lindenschmit  I,  1,  2,  13 — 16  abgebildeten  Schwerter, 
iVio.  in  der  Form  der  Klinge  freilich  abweichen. 

1150.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  am  Griff  sind  noch 
die  Nieten  zur  Befestigung  der  Bekleidung  erhalten.  Von 
Prof.  Gerhard  1841  gekauft.    2690.   L-  Ib^/J'. 

Dies  Schwert  steckt  noch  in  seiner  alten  Scheide,  die 
unten  mit  zwei  Scheiben  verziert  ist,  oben  aber  an  der  Mün- 
dung einen  Haken  hat,  um  an  einen  Ring  oder  Riemen  an- 
gehängt zu  werden. 

1151.  Schmale  Schwertklinge  mit  abgebrochener 
Spitze.  Aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  1846 
erworben.    2844.   L.  15V4". 

1152.  Desgl.,  auch  [ohne  Spitze,  von  Herrn  Vollard 
1852   angekauft.    3056.   L.  17^/4". 

1152*-  Griff  eines  Schwertes,  dessen  Klinge  von 
Eisen  und  einschneidig  war.  Der  Griff  besteht  aus  drei  durch 
eine  Querstange  gekreuzten  Broncestangen,  über  welchen  sich 


.J 


Die  Dolche.  245 

als  Knopf  ein  sechsspeichiges  Rad  erliebt.    Aus  Neapel  1841 
durch  Prof.  Gerhard  gekauft.    2704.   L.  ö'/g". 

1153.  Beschlag  von  der  Spitze  einer  Schwert- 
scheide, mit  Würfelaugen  verziert.   Sammlung  Koller.    560. 

1154.  Desgl.,  auf  dem  Rittergut  Segenthin  im  Kreis 
Schlawe  1869  in  Pommern  gefunden.    3766. 

Dieser  mit  fein  durchbrochener  Arbeit  verzierte  Besclilag 
ist  nicht  römisch,  vielmehr  deuten  die  phantastischen  Linien- 
verschlingungen  des  Ornaments  auf  die  Frühzeit  germanischer 
Kunst. 

Vgl.   die   bei   Lindeiisclimit  II,   11,   5,   2,   3   abgebildeten  Schwert- 
scheideübeschiäge. 

1154*-  Eisernes  Schwert  mit  Scheide,  zusammen  mit 
dem  1021  aufgeführten  Helm  in  der  Nälie  von  Botzen  ge- 
funden. 

Dieses  Schwert  berührt  sich  sehr  nahe  mit  dem  ger- 
manischen Scramasax,  es  ist  nämlich  einschneidig,  auf  den 
Hieb  berechnet,  doch  etwas  mehr  gebogen.  3259.  Länge  des 
Schwertes  12^/4".   Länge  der  Scheide  13''. 

Vgl.  Lindensclimit,  Alterth.  I,  2,  6,  9. 

1154^-  Desgl.,  mit  einem  kleinen  Fragment  der  Scheide, 
die  Klinge  läuft  gerade  und  ist  schmäler.  Aus  demselben 
Fund.   3261.   L.  Ib^jJ'- 

1154^-  Desgl.,  mit  Resten  der  Scheide  und  ziemlich 
mit  dem  erstgenannten  Schwert  übereinstimmend.  Aus  dem- 
selben Fund.    3260.    L.  14^/4''. 

1154*^-   Desgl.,  ebendaher,  ohne  Reste  der  Scheide. 

e.  Die  Dolche. 

Ausser  dem  Schwert  trugen  die  römischen  Soldaten  auch 
noch  einen  Dolch,  den  man  auf  den  Denkmälern,  namentlich 
auf  den  Grabsteinen  römischer  Soldaten,  oft  dargestellt  sieht. 
Er  ist  mehr  länglich  und  schmal  und  unterscheidet  sich  da- 
durch auf  das  Bestimmteste  von  dem  breiten,  kurzen  Dolcli, 
4er  in  barbarischen  Gräbern  so  oft  vorkommt  und  wohl  in 
jedem  Museum  anzutreffen  ist.    Dieser  letztere  ist  zwar  auch 


246  ^ie  Dolche. 

in  römischen  Fundstätten  vereinzelt  vorgekommen,  aber  wir 
möchten  daraus  noch  nicht  schliessen,  dass  er  auch  bei  den 
Römern  in  Gebrauch  war.  Auf  römischen  Monumenten  habe 
ich  ihn  nie  dargestellt  gesehen. 

Vgl.  Lindenschmit,  Äherth.  II,  11,  3. 

1155.  Eiserner,  übrigens  sehr  zerstörter  Dolch 
von  länglicher  Form,  zusammen  mit  der  Broncebekleidung 
seiner  Scheide  bei  Cleve  gefunden.  Aus  der  Sammlung  Mi- 
nutoli.    V.  a.  3.   Länge  der  Scheide  lO^/o". 

Die  Scheide  ist  eine  der  wenigen  erhaltenen  Exemplare, 
die  mit  Reliefs  verziert  sind.  Die  Anordnung  derselben  ist 
ganz  so,  wie  an  dem  im  britischen  Museum  befindlichen 
Schwert  des  Tiberius,  nur  dass  ein  Zusammenhang  des  Or- 
namentes mit  dem  Zweck  des  Geräthes  oder  auch  eine  son- 
stige Beziehung  desselben  durchaus  nicht  ersichtlich  ist.  Man 
bemerkt  oben  ein  Tempelchen,  in  welchem  ein  nicht  mehr 
erkennbares  Götterbild  aufgestellt  ist,  darunter,  gerade  in  der 
Mitte  der  Scheide,  ein  Medaillon,  in  welchem  die  Büste  eines 
jugendlichen  Bacchus  oder  Satyrn  angebracht  ist.  Die  Figur 
ist  mit  Epheu  bekränzt,  hat  ein  Fell  um  die  Schulter  und 
hält  eine  Kanne  und  einen  Stab,  der  ein  Thyrsus  oder  auch 
ein  Hirtenstab,  gewesen  sein  kann.  Unter  dem  Medaillon  be- 
findet sich  ein  Tisch,  aus  dessen  Mitte  sich  eine  Ranke  vo- 
lutenförmig  nach  beiden  Seiten  hin  erhebt,  eine  Vorstellung, 
bei  der  wir  uns  gar  nichts  denken  können.  In  der  Spitze 
der  Scheide  bemerkt  man  einer  kleine,  unkenntlichen  Figur,  die 
mit  dem  Rücken  an  eine  unverständliche  Architektur  lehnt 
und  über  dieser  eine  zweite,  ebenfalls  unkenntliche  Figur. 
Die  erstere  ist  durch  eine,  wie  es  scheint,  schon  im  Alter- 
thum  ausgeführte  Restauration  zur  Hälfte  weggeschnitten. 

Alle  diese  Verzierungen  sind  für  sich  gearbeitet  und 
dann  aufgelöthet. 

1156.  Desgl.,  von  derselben  Form,  besser  erhalten, 
aber  ohne  Scheide.     Aus  der  Sammlung  Bellori's.    V.  a.  2. 

L.  12Vo". 

Der  Griff  dieses  römischen  Dolches  war  ganz  mit  Bern- 
stein bekleidet,  welcher,  um  Halt  zu  haben,  in  zwei  Schichten 
durch  das  Eisen  hindurchgelegt  war. 

Abg.  Beger,  Thes.  Braiidenb.  III,  p.  419, 


J 


Die  Streitkolben.  247 

1157.  Breiter  unrömischer  Dolch  von  Bronce  mit 
feinen,  eingravirten  Verzierungen  an  der  Klinge,  die  durch 
neun  mit  Buckel  versehene  Nägel  mit  dem  Griff  verbunden 
ist.   L.  11". 

1158.  Desgl.,  von  derselben  Form,  aber  die  Klinge 
besteht  aus  broncebekleidetem  Eisen.   L.  S^j^^'. 

Die  Technik,  Bronce  mit  Eisen  zu  füttern,  ist  schon  in 
der  Einleitung  als  uralt  erwähnt,  sie  geht  aber  durch  die 
ganze  classische  Zeit  hindurch. 

Vgl.  die  unten  aufgeführte,  in  Cöln  gefundene  Maske  und  die  in 
Rotlietta  gefundenen  broncenen  mit  Eisen  gefütterten  ScliiUle,  bull.  1830, 
p.  181. 

1159.  Schmale  und  kleine  Dolchklinge  von  Bronce, 
aus  Pompeji,  durch  Ternite  besorgt.   V.  f.  a,  4.   L.  4^/2". 

f.  Die  Streitkolben. 

Die  Keule  als  Kriegswaffe  hat  einen  entschieden  bar- 
barischen Charakter,  und  so  passend  sie  ist  in  der  Hand 
struppiger,  halbnackter  Germanen  auf  der  Trajanssäule,  eben- 
sowenig passt  sie  zur  Bewaffnung  eines  civilisirten  Heeres. 
Daher  finden  wir  auch  bei  Griechen  und  Römern  nur 
schwache  Spuren  ihres  Gebrauches.  An  den  griechischen 
Heroen,  die  noch  jenseits  der  Civilisation  stellen,  verstehen 
wir  sie,  ja  wir  finden  sie  schön  und  charakteristisch  als 
Symbol  der  unwiderstehlichen,  niederschmetternden  Kraft 
ihrer  Träger,  später  aber  hört  sie  auf,  eine  ehrenvolle  Waffe 
zu  sein,  und  wir  hören  nur  nech  von  keulentragenden  Sklaven 
in  Sicyon,  die,  hinter  den  Hopliten  marschirend,  den  Auftrag 
hatten,  mit  Keulen  todtzuschlagen,  was  jene  übrig  gelassen  ^). 
Bei  den  Assyriern  dagegen  erwähnt  Herodot  die  mit  Eisen 
beschlagene  Keule  als  regelmässige  Waffe. 

Bei  den  Römern  müssen,  wie  die  Funde  ergeben,  Streit- 
kolben einzeln  in  Anwendung  gekommen  sein.  Doch  waren 
es  wohl  nur  barbarische  Auxiliartruppen,  wie  die  Germanen 
auf  der  Trajanssäule,  die  Keule  oder  Streitkolben  fülirten. 

1160.  Streitkolben  aus  Pompeji,  durch  Herrn  Ternite 
erworben.    V.  f.  d.  b     Durchm.  3^'J'. 


I . 


')  Vgl.  KöchW  Uli  Rü&tow,  Gescliichte  des  griech.  Kriegswesens, 
p.  51.  Die  xoQivrnfOQOL  des  Pisistratus  Herod.  I,  59  sind  natürlich 
niclit  als  eine  militärisehe  Truppe  aufzufassen. 


"248  Militärische  Ehrenzeichen. 

Dieser  Streitkolben  entspricht  seiner  Form  nach  dem  bei 
Lindenschmit^  Alterth.  I,  8,  2^  5  abgebildeten  und  in  Baiem 
gefundenen. 

1161.  Desgl.  Zwischen  den  Zacken  befinden  sich  kleine 
KnöpfC;  die  durch  Streifen  unter  einander  verbunden  sind.  Wir 
verstehen  den  Zweck  davon  nicht.    Durchm.  3". 

Ob  die  im  Folgenden  aufgeführten  ähnlichen  Geräthe  aUe 
zu  Streitkolben  gehört  haben,  ist  besonders  im  Hinblick  auf 
die  ganz  kleinen  wohl  sehr  zu  bezweifeln.  Da  wir  aber  für  die 
letzteren  mit  Sicherheit  keinen  Zweck  anzugeben  wissen ,  so 
haben  wir  sie  nicht  von  den  anderen  trennen  mögen. 

1162.  Streitkolben (?),  1852  von  einem  hiesigen  Kunst- 
händler angekauft.  3050.  Durchm.  l'/g". 

Die  vorspringenden  Theile  dieses  Stückes  laufen  nicht  in 
Spitzen  aus,  sondern  sind  abgerundet,  was  an  der  Bestimmung 
zum  Streitkolben  zweifeln  lässt. 

1163.  Desgl.,  mit  spitzen  Zacken,  Sammlung  Koller, 
551.    Durchm.  2V4". 

1163»'  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben.   206. 

1164.  Desgl.,  von  einem  hiesigen  Antiquar  1852  an- 
gekauft.   Durchm.  iVs"- 

1165—1173.   Neujn  desgl.    Durchm.  von  1"  bis  2". 

1174 — 1179.  Sechs  desgl.,  von  etwas  anderer  Form, 
dem  bei  Lindenschmit,  Alterth.  I,  8,  2,  6  abgebildeten  Exem- 
plar entsprechend.  Durchm.  von  1"  bis  l'/s"»  ^*  1174  ist  aus 
dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  erworben  und.  soll  aus 
Pompeji  stammen. 


g.  Militärische  Ehrenzeichen. 

Auf  den  Grabmälern  römischer  Soldaten  sind  nicht  selten 
die  unseren  Orden  entsprechenden  militärischen  Ehrenzeichen 
dargestellt.  Der  Verstorbene  wurde  eben  in  vollem  militäri- 
schen Ornat  auf  seinem  Grabe  abgebildet.  Diese  Ehrenzeichen 
nun  sind  von  dreierlei  Art,  es  sind  entweder  Medaillons  mit 


Militärische  Ehrenzeichen.  249 

einer  Verzierung  in  Relief  oder  Armringe  oder  endlich  grössere 
Ringe,  die  zusammen  mit  den  Medaillons  auf  der  Brust  ge- 
tragen wurden.  Gewiss  dürfen  wir  diese  Ehrenzeichen  mit  den 
in  den  Inschriften  so  oft  genannten  phalerae,  armillae,  torques 
identificiren,  denn  auch  jene  grösseren  Ringe  kommen  in  der 
That  in  der  Form  der  torques,  eines  gewundenen  oder  ge- 
drehten Bandes  vor.  Nur  wurden  sie,  wie  gesagt,  auf  der  Brust 
getragen,  nicht  als  Halsbänder,  wie  es  bei  mehreren  barbari- 
schen Völkern  üblich  war.  Neben  der  torques  aber  wurden 
auch  glatte  Ringe  gegeben,  die  auf  den  Denkmälern  mit  jener 
wechseln.  Es  sind  nicht  ganz  geschlossene  Ringe,  deren  beide 
Enden,  wie  es  nach  den  Darstellungen  scheint,  in  Knöpfe  aus- 
laufen. Was  ihre  Grösse  betrifft,  so  sehen  wir  zwei  derselben 
die  ganze  Breite  der  Brust  eines  Kriegers  ausfüllen. 

Diese  von  den  Denkmälern  genommenen  Kennzeichen  fin- 
den wir  an  den  im  Folgenden  aufgeführten  Ringen  wieder,  die 
wir  desswegen  als  militärische  Ehrenzeichen  betrachten.  Hals- 
ringe können  es  nicht  wohl  gewesen  sein,  da  es  uns  unmöglich 
scheint,  sie,  ohne  dass  sie  zerbrechen,  so  weit  auseinander- 
zubiegen, als  zu  diesem  Zweck  erforderlich  wäre. 

Auf  der  tav.  d'agg.  E  der  Annali  vom  Jahre   1860  sind  die  hier- 
her gehörigen  Denkmäler  zusammengestellt. 

1180 — 1193.  Vierzehn  gleichartige  Bronceringe, 
nicht  ganz  geschlossen,  nach  den  Enden  hin  dicker  werdend 
und  dort  mit  eingegrabenen  Verzierungen  und  knopfartigeu, 
roth  emaillirten  Buckeln  verziert.  Der  grösste  Durchmesser 
beträgt  5^g".    Aeltere  Sammlung.    N.  x.  2 — 14. 

Feldzeichen. 

1193*-  Eine  sehr  schöne  römische  Trophäe,  be- 
stehend in  römischen  Halbschienen  und  einem  römischen  Panzer, 
der  mit  feinen,  in  Silber  eingelegten  Verzierungen  bedeckt  ist. 
Der  bekrönende  Helm  fehlt.  Dieses  schöne  Stück  war,  wie  wir 
nach  der  Analogie  antiker  Darstellung  glauben,  die  Bekrönung 
eines  Feldzeichens. 

Vgl.  z.  B.  Caylus,  Recueil  III,  pl.  66. 


IIL  Geräth  für  besondere  Stände. 

A.  Handwerkergeräth. 

1)  Maurer-,   Zimmermannsgeräthe   und 

Aehnliches. 

a.  Perpendikel. 

Diese  Geräthe,  die  sich  sowohl  in  Bronce  als  in  Blei  er- 
halten haben^  sind  im  Wesentlichen  mit  dem  noch  heutigen  Tages 
von  Maurer  und  Zimmermann  gebrauchten  Loth  übereinstimmend, 
wesswegen  wir  an  ihrer  Bestimmung  nicht  zweifeln  dürfen. 
Auch  lässt  die  dreifache  Durchbohrung  am  Eopf  nur  an  ein 
Perpendikel  denken,  denn  das  eine  oben  befindliche  für  die 
Sclinur  des  Perpendikels  bestimmte  Loch  hätte  bei  einem  Ge- 
wi(;ht,  woran  man  auch  denken  konnte  und  gedacht  hat, 
keinen  Zweck. 

Von  einigen  bei  Caylus,  Recueil  III,  pl.  79,  3,  4  abgebil- 
deten ist  als  Fundort  ein  Grab  bekannt,  und  das  wird  wohl 
für  die  meisten  gelten,  ausser  den  pompejanischen.  Es  liesse 
sich  durch  viele  Beispiele  aus  Griechenland  und  Italien  nach- 
weisen, dass  man  den  Handwerkern  ihr  Handwerksgeräth  mit 
ins  Grab  gab. 

Pompejaiiische  Exemplare  sind  abg.  Mus.  borb.  VI,  15. 

1194.  Perpendikel  aus  der  Sammlung Bartholdy,  D,  28. 
Es  hat  oben  die  punktirte  Inschrift  M.  MVRGIVS.  FELIX,  die 
sich  am  Bauch,  wie  es  scheint,  wiederholt.  Sie  bezeichnet  wohl 
eher  den  Besitzer  als  den  Fabrikanten.  Das  Perpendikel  ist  sehr 
hübsch  mit  umlaufenden  Ornamentbändern  verziert.    H.  2^/V'e 


.  .     mhjl 


Die  Perpendikel.  251 

1195.  Desgl.,  ebendaher.  D.  29,  mit  einem  Eing  im 
oberen  Knopf,  der  vielleicht  nicht  ursprünglich  zugehörig  ist. 
Wenigstens  wäre  sonst  das  Loch  in  der  Spitze  des  Knopfes 
ganz  überflüssig.  H.  1". 

1196.  1197.  Zwei  desgl.    H.  l^/^"  und  iVs". 

1198.  Desgl.  Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben. 
69.  H.  1V4". 

1199.  Desgl.,  von  Blei,  von  längerer  und  spitzerer  Form. 

H.  2V4". 

Die  im  Folgenden  aufgeführten  Geräthe  haben  vermuth- 
lich  denselben  Zweck  gehabt  wie  die  Perpendikel,  sind 
aber  verschieden  in  der  Form,  nämlich  kugelförmig.  Man 
könnte  bei  einigen  glauben,  es  seien  Gewichte  gewesen,  oder 
auch  noch  eine  andere  Bestimmung  voraussetzen,  was  sich  aber 
nicht  sicher  beweisen  lässt. 

1200.  Perpendikel  in  Form  einer  Eichel,  in  einem 
pompojanischen  Privathause  gefunden  und  mit  anderen  Sachen 
1869  von  Prof.  Zahn  gekauft  3767.  H.  2'^!^". 

Der  Ring,  der  an  dem  Geräth  festgerostet  ist,  war  un- 
zweifelhaft an  der  nicht  erhaltenen  Schnur  befestigt,  an  wel- 
cher das  Geräth  hing.  Es  könnte  übrigens  auch  ein  Senkblei 
gewesen  sein. 

1201.  Desgl.  (?),  aber  kugelförmig  mit  einer  Stange  da- 
ran, deren  Spitze  zur  Aufnahme  der  Kette  durchbohrt  ist.  Die 
Kugel  ist  hohl.    Sammlung  Koller.  570.  H.  4V8"- 

1201'**   Desgl.,  die  Kugel  ist  geborsten. 

1202.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworhcn. 
211.  H.  3»/8^ 

1202*-  Desgl.,  von  anderer  Form,  aber  an  den  drei 
Löchern  kenntlich,  ebendaher.   101. 

1203.  Desgl.,  mit  einem  Theil  der  Kette.  Sammlurg 
Koller.  571. 

1204.  Desgl.,  mit  doppelt  durchbohrter  Stange,  wovon 
wir  den  Grund  nicht  einsehen. 


252  Zirkel.  —  Aexte. 

1205.  Desgl.,  ohne  Stange.  Ein  Theil  der  Kette  ist  er- 
halten. 

1206.  Desgl.,  von  der  Kette  ist  nur  ein  Ring  erhalten. 
Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.   197. 

1207.  Desgl.,  ebendaher.  89,  mit  zierlichen  Ornamenten 
bedeckt  und  mit  Blei  ausgefüllt.  Unten  läuft  ein  Kranz  von 
Löchern  herum,  dessen  Zweck  wir  nicht  verstehen. 

1207*-  Desgl.,  von  Blei,  den  heutigen  sehr  ähnlich. 
Aeltere  Sammlung.  P.  7. 

b.  Zirkel. 

Es  giebt  antike  Zirkel,  die  den  unserigen  vollkommen 
entsprechen,  aber  auch  andere,  die  am  Kopf,  an  der  Verbin- 
dungsstelle der  beiden  Beine,  abweichend  gebildet  sind.  Die 
Köpfe  der  Beine  liegen  nämlich  einfach  platt  aufeinander 
und  werden  nur  durch  eine  Axe  verbunden,  die,  um  eine  be- 
quemere Handhabe  zu  gewähren,  noch  etwa  einen  Zoll  lang 
vorsteht.  Damit  nun  der  Zirkel  eine  abgemessene  Distanz  fest-  * 
hielt,  wurde  die  Axe  gleich  hinter  dem  Zirkelkopf  durchbohrt 
und  ein  keilförmiger  Stift  in  das  Loch  hineingetrieben,  wodurch 
eben  eine  Verrückung  der  gegebenen  Distanz  der  beiden  Beine 
unmöglich  wurde. 

Von  dieser  Art  sind  die  im  Folgenden  aufgeführten  Zirkel. 

1208.  Zirkel,  bis  auf  die  eine  Spitze  vollständig  erhal- 
ten.   Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  L.  7". 

1208*-  Desgl.,  vollständig  erhalten,  mit  einer  Maske  an 
der  Achse.  L.  ö'V'- 

1208^-  Hälfte  eines  Zirkels  mit  einem  Kuhfuss  als 
Stütze.  1851  von  einem  hiesigen  Kunsthändler  gekauft.  2982. 
L.  10  V2". 

c.  Aexte. 

1208^-  Axt  aus  der  Sammlung  Koller.   552.  L.  7". 

1208^-  ^'  Zwei  desgl.,  aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
D.  58.  59.  L.  c.  6%".  d.  Ö-V^", 


Bleierner  Dübel.  —  Angel.  253 

1208«-  Desgl.    L.  ß\". 

1208^*  Beil,  dessen  Klinge  aus  eisengefüttertem  Bronce- 
blech  besteht,  während  das  Uebrige  von  Bronce  ist  und  reich 
ornamentirt.  Der  Rücken  der  Klinge  läuft  in  einen  Panther- 
kopf aus  und  die  Oeffnung,  durch  welche  der  Stiel  hindurch- 
ging, ist  an  beiden  Seiten  wie  eine  Vase  ornamentirt.  Wir 
zweifeln,  ob  dies  Beil  als  Handwerksgeräth  diente.  Aus  dem 
Besitz  Bellorfs.  V.  f.  e.  Breite  4''.  Höhe  4". 

d.  Bleierner  Dübel. 

1208»-  Bleierner  Dübel  in  Form  eines  Schwalben- 
schwanzes zur  Verbindung  von  zwei  Werkstücken.  Durch 
Prof.  Gerhard  1841  gekauft.  2709.  L.  6V4". 

e.  Eneipzange. 

1208^-  Kneipzange  von  Eisen,  ganz  wie  unsere  Schmiede 
sie  haben,  fragmentirt. 

f.  Meissel. 

1208^-  Eiserner  Meissel  aus  Pompeji,  durch  Ternite 
erworben.   V.  f.  e.  2. 

1208'^- ^-  Zwei  desgl.,  von  Bronce,  aus  der  Sammlung 
Koller.  582. 

2)  Fischergeräth. 
a.  Angeln. 

1209.  Angel  mit  Widerhaken.  Aus  dem  Nachlass  des 
Obristlieutenant  Schmidt  1846  erworben.  2870.  L.  3V2". 

1210.  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 
L.  41/4". 

1211.  Desgl.,  ohne  Widerhaken.  L.  2V4". 

1212.  Desgl.,  complicirter,  mit  zwei  grösseren  und  vier 
kleineren  Haken.  L.  1^/4". 


254  Netzaadeln.  —  Stempel. 

b.  Netznadeln. 

1213 — 1216.  Vier  Nadeln  zum  Netzstricken,  sämmtlich 
bei  Cleve  gefunden.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.-  P.  1 — 4. 
L.  zwischen  5"  und  7". 

3)  Geräth  für  Lederarbeiter. 

Die  im  Folgenden  aufgeiführten  breiten,  sichelförnugen 
Messer  sind  für  Rasirmesser  erklärt,  aber  ohne  tiberzeugenden 
Grund  oder  vielmehr  gegen  alle  Wahrscheinlichkeit^).  Wir 
lassen  uns  in  der  Bestimmung  dieser  Messer  von  dem  Umstand 
leiten,  dass  ganz  dieselben  Geräthe  noch  heutigen  Tages  von 
Sattlern  und  anderen  Lederarbeitern  gebraucht  werden.  Auch 
diese  Geräthe  findet  man  in  Gräbern,  übrigens  auch  im  Norden. 

Vgl.  AnoaU  1856  zu  tav.  13,  Rhein.  Jahrb.  XXXVI,  p.  146. 

1217.  Sichelförmiges  Messer,  von  Gerhard  1841  in 
Italien  angekauft.  2708.  L.  4". 

1218.  Desgl.,  von  Hrn.  v.  Vollard  1852  angekauft.  3059. 
L.  48/4". 

1219—1221.   Drei  desgl.    L.  von  3V2"  bis  41/4''.         * 

4)  Geräth  für  Fabrikanten. 

Stempel  zum  Eindrücken  in  weiche  Massen. 

Wir  haben  hier  alle  in  unserem  Museum  befindlichen 
Stempel  aufgeführt,  obgleich  wir  wohl  wissen,  dass  nicht  alle 
den  in  der  Ueberschrift  vorausgesetzten  Zweck  gehabt  haben. 
Allein  eine  Trennung  war  unmöglich  und  so  wussten  wir  nichts 
Besseres  als  sie  hier  unterzubringen,  wohin  jedenfalls  die 
grössere  Anzahl  gehört. 

1221*-  Schöner  Stempel  mit  der  Inschrift  P.  Nonius 
Primus.  Der  Griff  des  Stempels  wird  durch  einen  Siegelrmg 
gebildet  mit  dem  Emblem  einer  Leier.  Aeltere  Sammlung. 
E.  1.  L.  3''. 


1)  Von  Gozzadioi,  Di  uu  sepolcreto  etrusco  scoperto  presso  Bologna 
1854,  p.  25,  tav.  6.  Dass  wenigstens  die  römischen  Rasirmesser 
anders  aussahen,  ist  sicher,  da  man  sich  derselben  auch  zum  Nägel- 
schneiden bedienen  konnte,  was  bei  diesen  Messern  doch  unmöglich  an- 
geht.   Val.  Max.  3,  2,  15. 


Die  Stempel.  255 

1221^-   Desgl.  mit  der  Inschrift 

LMARICRES 
CFNTISIVN. 
Ebendaher.  E.  2.    L.  2". 

1221^-  Desgl.  mit  der  Inschrift  T.  RO.  Oben  auf  der 
Fläche  des  Ringes,  der  zum  Anfassen  diente,  ist  ein  Zweig 
oder  eine  Aehre  eingegraben,  so  dass  auch  dieser  Stempel  zu- 
gleich zum  Siegeln  gebraucht  werden  konnte.  L.  l^/o".  Von 
Hrn.  V.  Staff.  E.  3. 

1221^-  Desgl.,  wie  eine  Mondsichel  gestaltet,  mit  der 
Inschrift  VTE.  Dieser  Stempel  ist  am  Finger  als  Ring  ge- 
tragen. L.  1".  Ebendaher.  E,  4. 

1221®-  Desgl.,  von  gewöhnlicher  Form  mit  der  Inschrift 
C.  GASSI.  Der  Griff  ist  verloren  gegangen.  Aus  dem  Besitz 
Bellori's.  E.  5.  L.  2^lJ\ 

1221^-    Desgl.  mit  der  Inschrift 

LYDI-GLVC- 
SECVNDI 
Bei  Cleve  gefunden.    Sammlung  Minutoli.  E.  6.  L.  2*^/8". 

12218^-  Desgl.,  aus  Pompeji  durch  Ternite  erworben  mit 
der  Inschrift 

M-  STRON 
FAVORI 
Der  Griff  fehlt.    L.  2".    E.  7. 

1221**-  Desgl.,  von  abweichender  Form,  nämlich  in  der 
Form  eines  Schienbeines  mit  sehr  kleinem  Fuss,  aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.  D.  69.  Die  Inschrift  lautet 

EVPREPES 
FABI  HEDISTI. 

1221^-  Desgl.,  von  gewöhnlicher  Form  mit  der  Inschrift 
PEGASIVC.  Oben  auf  dem  Ring  ist  ein  weiblicher  Kopf  zum 
Siegeln  eingravirt.  Sammlung  Koller.  598.  L.  2^/4". 

1221^'-  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Dorow,  mit  der  In- 
schrift 

L-ATAFIDI 
IVSTIfi. 


256  öie  Stempel. 

Oben  auf  dem  Ringe,  der  die  Form  eines  Siegelringes  hat,  die 
Buchstaben  LAL 

1221^-  Desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Ministers  Alten- 
stein   1845   erworben.     Die    Inschrift   lautet    QIPIA.     2809. 

1221™-  Desgl.  Geschenk  von  Dr.  Kiessling,  mit  der  In- 
schrift 

C  •  IVLII 

VRBICI. 
Erworben  1863.   3476.  L.  1»//'. 

1221"-   Desgl.,  ebendaher,  fragmentirt.    3477. 

122P-  Desgl.,  aus  Messenien,  1869  angekauft.  Die  In- 
schrift ist  in  der  ersten  Zeile  mit  Ligaturen  geschrieben,  sie 
lautet  ohne  dieselben 

M.  L.  PATYLAC 
ATTICL 
L.  IV2".  3759. 

1221P-  Desgl.,  aus  dem  Uhden'schen  Nachlass  1837  er- 
worben, mit  der  Inschrift 

AVGGGNNN 
ACTLESBI. 

L.  2%-. 

1221^-  Desgl.,  mit  der  Inschrift  HISTONII.  L.  2^/2 ". 
Wir  sind  nicht  ganz  sicher,  ob  dieser  Stempel  acht  ist. 

1221^-   Desgl.  mit  der  Inschrift 

C  •  AVLI 
RESTITVTI 
und  am  Siegelring  die  Inschrift  BAR.    L.  2". 

1221^-  Desgl.  mit  der  Inschrift  P  •  R •  P  •  C  und  mit  einer 
Vin  auf  der  Siegelseite  des  Ringes,  wie  wir  schon  oben  rö- 
mische Zahlen  oft  als  Embleme  von  Ringen  fanden.    L.  2^'g"» 

1221*-   Desgl.  mit  der  Inschrift 

M  •  PETRO 
NI  •  PAN. 

Statt  des  Ringes  ein  blosser  Knopf.    L.  2^/g". 


% 


Medicinisches  Geräth.  ^         257 

122 P-   Desgl.  mit  Ring  und  mit  der  Inschrift 

D(?)EXSOI 
VIORVM. 
Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.   208.  L.  278". 

1221^-  Desgl.  mit  der  Inschrift  P-SA-LB.  Ebendaher. 
212.  L.  2V8". 

1221^-^-  Ein  aus  blossen  eckig  gebrochenen  Li- 
nien bestehender  Stempel,  dessen  Griff  ein  Pferd  ist.  Aus 
Gerhardts  Nachlass.   183. 

Hieran  schliesst  sich  unter 

1221^-  Ein  griechischer  Stempel,  wie  es  scheint,  ein 
Unicum,  das  ebenso  interessant  als  künstlerisch  werthvoll  ist.  Es 
ist  ein  Parallelepipedon  von  sehr  schwerem  weisslichen  Me- 
tall, in  welchem  man  einzelne  wie  Bronce  aussehende  Stellen 
bemerkt,  bei  welchen  man  nicht  ins  Reine  kommt,  ob  sie  Füll- 
stücke beim  Guss  waren  oder  ob  das  Ganze  etwa  aus  einem 
nur  legirten  Broncekern  besteht.  Der  Stempel  besteht  in  einem 
sehr  tief  geschnittenen,  en  face  genommen  behelmten  Minerven- 
kopf,  dessen  Styl  auffallend  an  die  Merkursköpfe  auf  den 
Münzen  von  Alnus  erinnert.  Doch  kann,  wie  mir  auch  die 
"Beamten  unseres  Münzkabinets  versicherten,  der  Stempel  nicht 
zur  Münzprägung  gedient  haben,  da  die  Form  des  Kopfes  nicht 
die  der  Münzen  ist,  vielleicht  hat  er  daher  zur  Ausprägung 
goldener  Verzierungen  oder  zu  ähnlichen  Zwecken  gedient.  Aus 
dem  Nachlass  von  Ross  1860  erworben.  3428.  H.  l^s"? 
B.  V«''  und  8/4''. 

B.  Medicinisches  Geräth, 

1222.'  Römisches  Arzneikästchen,  aus  dem  Nach- 
lass des  Obristlieutenant  Schmidt,  der  das  Kästchen  nebst  ver- 
schiedenen im  Folgenden  aufgeführten  Instrumenten  am'  Rhein 
zwischen  Neuss  und  Xanten  von  Arbeitern,  die  es  dort  beim 
Bau  einer  Strasse  gefunden,  gekauft  hatte.    2828.   L.  4^0''. 

Br.  2 1/2". 

Der  Inhalt  des  Kästchens  besteht  in  drei  kleineren  und 
einer  grösseren  Büchse  und  einigen  Stücken  Blei,  die,  nach 
ihrer  regelmässigen  Form  zu  urtheilen,  wahrscheinlich  Gewichte 
gewesen  sind.  Von  den  drei  kleineren  Büchsen  ist  nur  die 
Vorderseite  alt,  an  welcher  sich  der  Ring  zum  Herauszielien 

Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke.  II.  17 


258  Medicinisches  Gerälh. 

befindet.  Sie  sind  nämlich  ebenso  wie  die  bis  auf  den  Boden 
erhaltene  grössere  Büchse  wie  Schubkästchen  geformt,  wir  be- 
greifen aber  nicht,  wie  bei  einem  rings  geschlossenen  Kästchen 
eine  Einrichtung  zum  Herausziehen  und  nicht  vielmehr  zum 
Herausheben  angebracht  werden  konnte.  Die  Kästchen  wer- 
den ausser  den  Gewichten  wohl  auch  noch  Medicamente  ent- 
halten haben. 

Der  Deckel  ist  sehr  reich  verziert.  Es  ist  ein  Heiligthum 
des  Aesculap  vorgestellt  mit  der  Statue  des  Gottes  darin.  Eine 
Treppe  führt  zu  dem  von  korinthischen  Säulen  gestützten 
Tempel  empor,  in  welchem  auf  einer  durch  das  zauberab- 
wehrende Symbol  des  Stierkopfes  geschützten  Basis  der  Gott 
steht.  Der  Habitus  desselben  ist  ganz  der  gewöhnliche,  er  hat  " 
den  Oberleib  nackt,  stützt  die  Rechte  in  die  Hüfte  und  legt 
die  Linke  auf  den  Schlangenstab.  Neben  ihm  steht  ein  Geräth, 
das  wir  eher  für  ein  Weihrauchgefäss  als  für  einen  Candelaber 
halten.  Die  Säulen  sind  korinthisch  und  am  Schaft  mit  Wein- 
laub umwunden.  Zwischen  den  Kapitalen  hängen  Gewinde, 
Blumenketten,  von  denen  Schleifen  herabhängen,  ein  schon  aus 
Pompeji  bekanntes  Verfahren,  wodurch  man  die  Säulenhallen  zu  " 
beleben  suchte.  DerArchitrav  ist  mit  Lorbeer  verziert  und  da- 
rüber erhebt  sich  sofort  das  Giebelfeld,  das  durch  zwei  einen 
Schild  haltende  Amoren  ausgefüllt  ist  Auch  dies  ist  ein  zu- 
mal an  römischen  Sarkophagen  sehr  gewöhnliches  Motiv,  wo- 
durch man  in  sehr  passender  Weise  die  Inschrift  anbrachte, 
die  hier  freilich  durch  eine  gleichgültige  Verzierung,  einen 
Stern,  ersetzt  ist.  Die  Akroterien  endlich  werden  durch  Adler 
gebildet. 

Was  die  Technik  betrifft,  so  sind  sämmtliche  Verzierun- 
gen mit  einer  schwarzen  Masse,  vermuthlich  Niello,  ausgefüllt 
und  darüber  liegen  die  silbernen  Theile,  die  in  der  Weise  mit 
dem  Niello  abwechseln,  dass  an  der  Figur  des  Gottes  das 
Nackte  und  an  der  Architektur  alles  Dekorative  von  Silber 
eingelegt  ist.  An  der  Figur  des  Aeskulap  ist  übrigens  der 
rechte  Unterarm  und  Fuss  ergänzt. 

Der  Knopf  am  Rande  des  Deckels  .scheint  modern  zu 
sein,  dicht  daneben  befindet  sich  ein  Loch,  das  zum  Verschluss 
des  Kästchens  diente.  Ein  Haken,  der  durch  einen  auf  der 
A.ussenseite  befindlichen  Scliieber  bewegt  werden  konnte,  griff 
in  dies  Loch  ein.  Höchst  wahrscheinlich  stammt  dies  Kästchen 
mit  den  folgenden  Instrumenten  aus  dem  Grabe  eines  Arztes. 

Abg.  Rhein.  Jahrb.  1849,  Taf.  2  mit  Text  von  ürlichs,  p.  33. 


Medicinisches  Geräth.  259 

Mit  diesem  Kästchen  sind  die  unter  1223 — 1227  auf- 
geführten Gegenstände  zusammen  gefunden. 

1223.  Einsatz  des  eben  erwähnten  Kästchens  (?) 
2829.  Dies  Geräth  sieht  wie  ein  zweites,  dem  obigen  ganz 
gleiches  Kästchen  aus,  nur  dass  der  Boden  fehlt.  "Wir  be- 
greifen nicht  die  Angabe,  dass  dieses  Geräth  im  Innern  von 
n.  1222  gewesen  sein  soll. 

1224.  Reibplatte  von  grünem  Basalt,  wahrscheinlich 
^um  Reiben  von  Arzneien  bestimmt.    2830.   L.  5".  Br.  S^g"« 

Solche  Platten  werden  oft  am  Rliein  in  Särgen  von  Aerzten  ge- 
funden.    Rhein.  Jahrb.  XXV,  108  Anm. 

1225.  Röhre  von  Bronce,  wie  ein  Kinderpennal  ge- 
staltet, zur  Aufbewahrung  der  Sonde  bestimmt.  Der  Deckel  ist 
angerostet.    L.  e^/g".  Durchm.  1/2"-  2831. 

Abg.  a.  a.  0.  Taf.  2,  4.    Vgl.  die  ganz  übereinstimmenden  Geräthe 
aus  Pompeji  in  Mus.  borb.  15,  23. 

1226.  Silberne  Sonde,  die  in  der  eben  erwähnten 
Röhre  sich  befand.  2832. 

Die  in  Pompeji  und  Herkulanum  gefundenen  Sonden  und 
Sondenhalter  stimmen  ganz  mit  Mus.  borb.  15,  23. 

Abg.  a.  a.  0.  Taf.  2,  5. 

1227.  Plattirter  Spiegel,  aus  dessen  einer  Fläche 
zwei  Griffansätze  hervorstehen,  die  ihn  von  den  sonstigen 
Spiegeln  unterscheiden.  2833. 

Ein  ähnlicher  Fund  von  medicinischem  Apparat  ist  in 
Italien,  in  Lanciano,  gemacht  und  durch  Dr.  Friedländer  1846 
für  das  Museum  angekauft,  n.  1228 — 1235. 

1228.  Deckel  eines  Arzneikästchens,  fast  ganz  mit 
dem  vorigen  übereinstimmend,  nur  dass  hier  alle  Ornamente 
roher  und  bloss  in  graffito  ausgeführt  sind.  Man  sieht  aber 
aus  der  Uebereinstimmung,  wie  gewöhnlich  solche  Kästchen 
waren,  zumal  da  auch  in  Herkulanum  noch  ein  dritter  Deckel 
gefunden  ist,  auf  dem  auch  Aeskulap,  freilich  zusammen  mit 
Hygieia,  dargestellt  ist.   2889. 

Abg.  a.  a.  0.  Taf.  1,  1. 

17* 


260  Medicinisches  Geräth. 

1229.  Die  Vorderseite  des  Kästchens,  mit  dem 
drehbaren  Verschluss.    L.  2'/8".  Br.  1%".  2890. 

1230.  Drei  Vorderseiten  der  kleineren  inneren 
Kästchen,  in  denen  sich  die  Arzneien  befanden.  Zwei  davon 
haben  noch  ihre  zierlichen  Henkel  bewahrt.  2891. 

Abg.  a.  a.  0.  Taf.  1,  3—5. 

1231.  Zange,  mit  gezahnten  Enden,  zu  chirurgischem 
Gebrauch,  bei  Ausführung  von  Suturen.  Durch  einen  Schieber 
kann  die  Zange  geschlossen  und  geöffnet  und  beliebig  gestellt 
werden.  2892.  L.  T^/^". 

Abg.  a.  a.  0.  Taf.  1,  6.  7  (von  zwei  Seiten). 

1232.  1233.  Zwei  Spatel,  unter  sich  ganz  gleich,  zum 
Pflasterstreichen.  Der  Griff,  der  von  Eisen  war  und  in  die 
Bronce  eingelegt  ist,  fehlt.  2893.  2894. 

1234.  Sonde,  ganz  der  oben  erwähnten  entsprechend» 
2895. 

1235.  Instrument,  auf  der  einen  Seite  in  eine  Spitze, 
auf  der  anderen  in  eine  kleine  Schaufel  auslaufend.  2896. 

Dies  scheint  ein  Schreibgriffel  zu  sein,  dessen  Vorkommen 
unter  medicinischen  Instrumenten  nichts  Auffallendes  hat. 
Vgl.  den  Abschnitt  Schreibgriffel. 

1236.  Spatel,  ganz  wie  oben  n.  1232.  1233.  Der 
eiserne  Griff  nicht  erhalten.  L.  S^g"»  ^^  c«  3. 

1"237.   Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 

Auch  hier  fehlt  die  eiserne  Handhabe,  der  Bronceschaft 
aber,  an  welchem  die  Klinge  sitzt,  ist  mit  feinen,  niellirten  Or- 
namenten verziert. 

1238.  Desgl.  Bei  Gleve  gefunden.  Sammlung  Minutoli. 
L.  7".  N.  b.  1. 

1239.  Desgl.,  am  Rhein  gefunden,  1846  in  Cöln  ge- 
kauft. 2918. 

1240.  1241.  Zwei  desgl.  Bei  Gleve  gefunden.  Samm- 
lung Minutoli.    L.  5^1  2".  N.  c.  1.  2. 

1242.   Desgl.    Aeltere  Sammlung.    L.  6^8 "»  ^'  ^'  2. 


i 


Medicinisches  Geräth.  261 

1243.  Desgl.    L.  6V4".    Aeltere  Sammlung.  K  b.  3. 

1244.  Desgl.    Fragment.    Aus  Pompeji.    N.  b.  4. 

1245.  •Desgl.,  von  etwas  verschiedener  Form.  Aus  Me- 
gara.    1869  angekauft. 

1246—1249.   Vier  desgl. 

1250.  Sonde.  In  Cöln  gefunden.  Aus  dem  Nachlass  des 
Generals  von  Rauch  angekauft  1841.  2655. 

1251.  Desgl.,  am  Rhein  gefunden,  1846  in  Cöln  gekauft. 
2918^-   Fragmentirt. 

1252—1254.  Drei  desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben.  21 — 23. 

1255—1265.  Elf  desgl.,  zum  Theil  fragmentirt. 

1265*-  Desgl.,  fragmentirt,  1852  hierselbst  gekauft. 
3053. 

1265^*  Desgl.,  eine  heil  und  eine  fragmentirt,  1846  am 
Rhein  gekauft  2918. 

1265^-   Zwei  desgL    Fragmentirt. 

1266.  Bronceröhre,  fragmentirt,  ganz  wie  die  oben  er- 
wähnte und  daher  hier  aufgeführt,  wiewohl  diese  Röhre  eben- 
sowohl einen  anderen  Zweck  gehabt  haben  kann.  Zur  Auf- 
bewahrung der  Schreibgriffel  hatten  die  Kinder  nämlich  im 
Alterthum,  wie  man  im  Museum  von  Neapel  an  pompejanischen 
Funden  beobachten  kann,  ganz  dieselben  Geräthe,  unserem 
Kinderpennal  entsprechend.    Aeltere  Sammlung.    K.  27. 

1266*- ^-  Zwei  Deckel  solcher  Röhren,  wie  in  1266 
beschrieben  ist.  Aus  Pompeji,  1822  in  Gegenwart  des  Königs 
Friedrich  Wilhelm  III.  ausgegraben  und  von  diesem  geschenkt. 
T.  1.  2. 

1267.  Medicinisches  Instrument,  in  zwei  stark  ge- 
krümmte Haken  auslaufend. 

1268.  Desgl.,  etwas  beschädigt 


262  I>ie  Riehtertäfelchen. 

1269.  Medicinisches  Instrument,  wie  eine  Stimm- 
gabel mit  sehr  langen  Zinken  gestaltet,  die  an  den  Spitzen  ge- 
zahnt sind;  zum  Zweck  etwas  zu  fassen. 

1270.  1271.  Zwei  Instrumente,  die  an  der  einen  Seite 
mit  einem  kleinen  Messer  versehen  sind,  an  der  anderen  gabel- 
förmig auslaufen. 

1272.  Instrument,  auf  der  einen  Seite  meisselförmig, 
auf  der  anderen  gabelförmig  auslaufend. 

C.  Abzeichen  des  Richterstandes, 

Richtertäfelchen. 

Die  Mitglieder  der  attischen  Geschwornengerichte,  die 
Heliasten,  erhielten  als  Abzeichen  ihres  Amtes  ein  broncenes 
Täf eichen,  auf  welchem  ihr  Name,  Vatername  und  Demos,, 
ausserdem  die  Nummer  der  Sektion,  zu  welcher  sie  gehörten,, 
und  endlich  das  attische  Staatswappen  als  officieller  Stempel 
zu  sehen  war.  Der  Sektionen  waren  zehn,  welche  durch  die 
ersten  zehn  Buchstaben  des  Alphabetes  bezeichnet  wurden. 
Der  Stempel  besteht  in  der  von  der  Inschrift  ^0JFf  umgebenen 
Eule,  ganz  wie  auf  attischen  Münzen.  Der  Medusenkopf,  der 
sich  an  der  anderen  Seite  zu  befinden  pflegt,  soll  wohl  ein 
Schutzmittel  gegen  den  bösen  Blick  sein. 

Diese  Richtertäfelchen  sind  ein  charakteristisches  Stück 
attischer  Gräber.  Gewöhnlich  sind  sie  durchbohrt,  vielleicht 
weil  sie  an  einem  Bande  getragen  wurden. 

Vgl.  namentlich  Dumont  in  der  Revue  archeol.  1868,  XVII,  p.  140. 
1869,  XIX,  p.  225,  der  auch  die  andere  zahlreiche  Literatur  erwähnt. 
Die  Erklärung  des  Medusenkopfes  ist  von  Dodwell  aufgestellt  a  classi- 
cal  tonr  I,  437. 

1272*'  Attisches  Richtertäfelchen,  1860  aus  dem 
Nachlass  von  Prof.  Boss  erworben.   3425. 

Die  Inschrift  lautet:  E:  (womit  die  Nummer  der  Sektion 
bezeichnet  wird)  ANTIKFATH:^:  EYKT  [aiov)  AISÜ- 
NEY2.  Rechts  ist  das  Gorgoneion,  links  die  Eule  eingedrückt, 
bei  welcher  noch  Spuren  der  Inschrift  A&H  bemerkbar  sincL 

Vgl.  Ross,  Demen  von  Attika,  p.  57  n.  37. 


Der  Diskus.  263 


D.  Palästrische  Geräthe. 

1)  Der  Diskus. 

In  heroischer  Zeit  bedienten  sich  die  Griechen  zum  Wurf- 
wettkampf einfacher  Steine,  wie  z.  B.  Odysseus  bei  den  Phäaken, 
später  wurden  Scheiben  von  Bronce  oder  Blei  dazu  benutzt, 
die,  wie  es  scheint,  oft  kunstreich  und  charakteristisch  verziert 
wurden.  Wir  besitzen  zwar  nur  zwei  derartige  Disken,  von 
denen  der  eine  im  hiesigen  Museum,  der  andere  in  London  sich 
befindet^),  aber  der  Umstand,  dass  diese  beiden  Disken  ganz 
genau  bis  ins  kleinste  Detail  übereinstimmen,  lässt  auf  eine 
grössere,  fabrikmässige  Production  schliessen  2). 

Man  darf  wohl  annehmen,  dass  die  meisten  oder  alle  er- 
haltenen Disken  aus  Gräbern  herrühren;  bei  der  griechischen 
Sitte,  den  Todten  das  ins  Grab  zu  legen,  was  ihnen  im  Leben 
besonders  lieb  gewesen,  lag  es  nahe,  einem  Athleten  seinen 
Diskus  mitzugeben. 

1273.  Diskus  von  Bronce,  in  einem  Grabe  auf  Aegina 
gefunden,  von  dem  Bildhauer  Professor  Wolff  in  Rom  gekauft. 

Die  Zeichnungen  dieses  Diskus  sind  nicht  allein  für  ath- 
letische Wettkämpfe  im  Allgemeinen  charakteristisch,  sonderi 
sie  bezeichnen  das  Geräth  als  zu  einer  bestimmten  Kampf 
gattung  gehörig,  nämlich  zum  Fünfkampf,  der  Sprung,  Lanzen- 
wurf, Lauf,  Diskuswurf  und  Ringkampf  einschloss.  Auf  der 
einen  Seite  ist  ein  Springer  mit  den  Springgewichten,  die  un- 
seren Hanteln  vergleichbar  sind,  in  der  Hand,  im  Moment  des 
Anlaufes  vorgestellt,  auf  der  anderen  Seite  sehen  wir  einen 
Jüngling  mit  dem  im  Fünfkampf  üblichen  langspitzigen  Speer, 
den  er  vermittelst  einer  Schleife  fortzuschleudern  im  Begriff  ist. 

Der  Styl  der  Zeichnung  ist  alterthümlich,  die  Figuren  sind 
mager  und  hart,  der  Diskus  kann  nicht  wohl  nach  der  Mitte 
des  fünften  Jahrhunderts  entstanden  sein. 

Abg.  bei  Finder,  Ueber  den  Fünfkampf  der  Hellenen,  Berlin  18G7. 
Vgl.  p.  38.  96.  113. 


^)  Der  Diskus  in  London  war  früher  in  Corfu  in  der  Sammlung 
von  Lord  Woodhouse  und  soll  in  Sicilien  gefunden  sein.  Die  von 
E.  Braun,  bull.  1851,  p.  102  ff.  aufgeführten  figurirten  Disci  haben 
schwerlich  dem  vorausgesetzten  Zweck  gedient. 

^  Vischer,  Arcbaeol.  Epigraph.  Peitr.,  p.  2,  phantasirt  über  den 
Diskus  aus  der  Sammlung  Woodhouse. 


264  ^ic  athletischen  Ringe.  —  Die  Sporen. 

1274.  Diskus  von  Blei. 

2)   Athletische  Ringe. 

1275.  Athletischer  Ring  mit  sechs  Knoten,  1834  durch 
Professor  Gerhard  in  Italien  gekauft. 

Diese  Knotenringe  sind,  wie  es  scheint,  einer  besonderen 
Gegend  eigen,  nämlich  dem  alten  Picenum.  Dort  sind  sie  so 
gewölmlich,  dass  die  jetzigen  Bewohner  sich  ihrer  als  Thür- 
klopfer  bedienen.  Man  findet  sie  nur  in  einer  besonderen 
Classe  von  Gräbern,  nämlich  an  schwer  gerüsteten  Leichen 
und  zwar  entweder  auf  dem  Kopf  oder  in  der  rechten  Hand 
der  Leiche.  Es  sind  viele  verschiedene  Meinungen  darüber 
geäussert,  die  wahrscheinlichste  ist  diese,  dass  sie  zu  einem 
gymnastischen  Spiel  dienten,  wobei  es  darauf  ankam,  dass 
Einer  dem  Andern  den  Ring,  den  beide  zuerst  fassten,  entriss. 
Der  Sieger  konnte  dann  den  Ring  als  Kranz  benutzen,  und  in 
der  That  findet  man  auch  Statuetten  mit  einem  derartigen. 
Kranz  auf  dem  Kopf.  Daher  ist  es  auch  zu  erklären,  dass  der 
Ring  in  den  Gräbern  sich  auf  dem  Kopf  der  Leiche  befindet. 

Die  Zahl  der  Knoten  variirt  von  vier  bis  acht,  sie  dienen 
eben  dazu,  um  den  Ring  besser  festhalten  zu  können.  Gewöhn- 
lich sind  nicht  alle  Zwischenräume  gleich  gross,  sondern  einige 
sind  eigens  darauf  berechnet,  die  Hand  fest  hineinlegen  zu 
können,  während  andere  breiter  sind. 

Vgl.  den  eingehenden  Aufsatz  von  De  Paolis  im  bullet.  1842 
p.  72  ff.  Dieselbe  Meinung  ist  übrigens  schon  von  älteren  Archäologen 
geäussert  worden.     Vgl.  Caylus  Recueil  III,  p.  256. 

E.  Geräthe  zum  Reiten  und  Fahren, 

1)  Der  Sporn. 

Die  gewöhnliche  Meinung,  dass  das  Rädchen  am  Sporn 
dem  Alterthum  unbekannt  gewesen  sei,  möchten  wir  im  Hin- 
blick auf  n.  1279  bezweifeln.  Der  Regel  nach  scheint  freilich 
ein  einfacher  Stachel  genügt  zu  haben. 

Die  Griechen  trugen  nur  einen  Sporn.  Xenophon  spricht 
in  seinen  auf  das  Reitwesen  bezüglichen  Schriften  vom  Sporn, 
wenn  wir  nicht  irren,  immer  im  Singular,  was  schwerlich  zu- 
fällig ist,  und  eine  bekannte  Amazonenstatue,  trägt  nur  an 


j 


Die  Wagen-  und  Pferdegerälhe.  265 

«inem  Fuss  ein  Spornband.     Auf  Cypern  herrscht  noch  jetzt 
diese  Sitte,  offenbar  aus  alter  Ueberlieferung, 

Römische  Sporen  sind  zusammengestellt  bei  Lindenschmit  Denkm. 
uns.  heidn.  Vorzeit  II,  1,  7. 

1276.  Sporn  mit  kurzem,  vierkantigen  Stachel  ^us  dem 
Besitz  Bellori's.    W«-  1.    Durchm.  2 Vi". 

1277.  Desgl.  Aus  der  Samml.  Koller  548. 

1278.  Desgl.  fragmentirt,  am  Rhein  gefunden.  Aus  dem 
Nachlass  des  Obristlieut.  Schmidt  1846  erworben.    2871. 

1279.  DesgL,  mit  dem  Rädchen  oder  Stern  statt  des  ein- 
fachen Stachels.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  66. 

Wir  müssen,  gestützt  auf  dies  Exemplar,  die  Meinung, 
wonach  das  Alterthum  nur  den  einfachen  Stachel  am  Sporn 
gekannt  habe,  bezweifeln.  Sie  war  übrigens  auch  aus  unge- 
nügender Empirie  abstrahirt. 

1279*-  Desgl.,  der  Stachel  fehlt.  Aus  Gerhardts  Nach- 
lass 1869  erworben.    65. 

1279^-  Desgl.,  fragmentirt.  Aus  dem  Nachlass  des 
Obristlieutenant  Schmidt  1846  erworben.    2872. 


F.  Wagen-  und  Pferdegeräth. 

Es  ist  eine  für  gewisse  primitive  Culturstufen,  nämlich 
'  für  die  Zeit  kriegerisch  wilden  Lebens,  charakteristische  Sitte, 
dem  Todten  sein  Schlachtross  und  seinen  Streitwagen  mit  ins 
Grab  zu  geben.  Am  Rhein  und  in  der  Schweiz  sind  an  vielen 
Orten  Theile  von  Wagen-  und  Pferdegeschirr  in  Gräbern  ge- 
funden, die  Galliern  oder  Germanen  angehört  haben  werden. 
Aber  auch  in  altetruscischen  Gräbern  z.  B.  in  Bomarzo,  Tar- 
quinii,  Vulci,  Perugia  sind  nicht  selten  Pferdeknochen  und 
Pferdegeschirr  und  Tlieile  des  Streitwagens  zum  Vorschein  ge- 
kommen. Was  bei  uns  sich  Derartiges  befindet,  stammt  zum 
grössten  Theil  aus  cisalpinischen  Funden,  ist  aber  nicht  ein-  , 
heimisches,  sondern  offenbar  etruscisches  Fabrikat. 

Vgl.  für  die  italischen  Funde  z.  B.  bull.  30,  235.  35,  205.  Annali 
1829,  p.  97.  95  und  für  die  nordischen  z.  B.  Rhein.  Jahrb.  XVIII, 
p.  88. 


266  ^^^  Wagen-  und  Pferd egeräthe. 

n.  1280 — 1300.  Wagen-  und  Pferdegeräth  nebst 
anderen  Geräthen  aus  einem  rheinischen  Grabe. 

In  der  Nähe  von  St.  Goar,  bei  Dörth  liegt  ein  Wald,  ge- 
nannt Gallscheid,  der  einen  grossen,  weit  sichtbaren  Grabhügel 
umschliesst;  welcher  1851  von  den  Bauern  durchsucht  wurde 
und  die*  im  Folgenden  aufgeführten  interessanten  Alterthümer 
enthielt.  Die  Finder  verkauften  ihren  Fund  durch  gütige 
Vermittlung  des  Oberst  v.  Cohausen  an  das  hiesige  Museum.. 
2988—2999. 

1280 — 1281.  Zwei  vollständige  Achsen-  und  Nabe- 
beschläge. 

1282 — 1285.  Vier  Ringe  von  etwa  6"  Durchmesser,, 
zwei  fragmentirt,  wahrscheinlich  „dazu  dienend,  die  Nabe  vor 
und  hinter  den  Speichen  zusammenzuhalten". 

1286.  Ein  Kasten  voll  eiserner  Fragmente,  unter 
denen  die  meisten  Stücke  Radreifen  sind. 

1287.  Eine  grosse  Anzahl  Fragmente  von  bron- 
zenem Beschlag,  zum  Theil  rund  wie  eineStrigel  gestaltet,, 
zum  Theil  eckig,  das  Holz  noch  vielfach  darin  erhalten.  Ein 
Theil  derselben  diente  gewiss  zur  Einfassung  des  Wagenrandes. 

1288.  1289.  Zwei  knopfförmige  Beschlagstücke,- 
in  deren  einem  das  Holz  noch  erhalten,  vermuthlich  auch  zum 
Wagen  gehörig. 

1290.   1291.  Die  beiden  Seitenstücke  einer  Kan-. 
dare,  das   eigentliche  Gebiss  war  von  Eisen  und  hat  sich 
nicht  erhalten. 

1292—1296.  Fünf  kleine  Bronceringe,  die  auch  ver- 
muthlich zum  Pferdegeschirr  gehört  haben. 

1297.  Mehrere  ausgeschnittene  Zierbeschläge, 
die  auf  Leder  aufgenietet  waren,  von  dem  sich  mehre  Stücke 
erhalten  haben. 

Zugleich  mit  diesem  Wagen-  und  Pferdegeräth  wurden 
einige  andere  Sachen  gefunden,  welche,  da  sie  gerade  uns  Auf- 
schluss  geben  werden  über  Zeit  und  Charakter  des  Fundes, 
hier  aufgeführt  werden. 


Die  Wagen-  und  Pferdegeräthe.  267 

1298.  Schnabelförmiger  Krug,  von  specifisch  alt- 
etruscischer  Form,  der  Bauch  fragmentirt. 

1299.  Rand  eines  grossen  Gefässes,  von  dem  das 
Uebrige  zerfressen  ist. 

1300.  Viele  Fragmente  von  Bronce,  der  alterthüm- 
lieh  geformte  Hals  eines  Thonkruges  und  Reste  eines  Zahns. 

Schliesslich  sind  noch  einige  Goldsachen  mitgefunden,  die 
bei  den  übrigen  Goldarbeiten  aufbewahrt  und  daher  hier  nicht 
genauer  besprochen  werden,  übrigens  auch  zur  Beurtheilung 
des  ganzen  Fundes  wichtig  sind. 

Der  Berichterstatter  über  diesen  Fund  nämlich  ist  geneigt,^ « 
wegen  der  Verzierungen  auf  einem  der  goldenen  Stücke  das 
Grab  sehr  spät,  nämlich  schon  in  den  Anfang  der  Franken- 
herrschaft zu  setzen.  Allein  dies  ist  so  wenig  begründet,  dass 
vielmehr  das  Grab  mehr  als  tausend  Jahre  früher  zu  datiren 
ist.  Und  zwar  aus  den  sichersten  Gründen,  wegen  des  specifisch 
etruscischen  und  zwar  altetruscischen  Charakters  der  Giess- 
kanne  und  der  Goldornamente.  Gerade  nur  durch  diesen  alt- 
etruscischen Ursprung  erklärt  sich  auch,  dass  die  Arbeit  an 
allen  Stücken  so  ausgezeichnet  ist. 

Vgl.  V.  Cobausen  in  Rhein.  Jahrb.  XVIII,  p.  59  ff.     Die  Kanne  ist 
von  der  oben  n.  597  ff.  erwähnten  Form. 

1301.  1302.  Zwei  vollständig  mit  den  Bolzen  er- 
haltene Achsen- und  Nabebeschläge  nebst  zugehörigem 
Ring,  iit  Besseringen  gefunden,  mit  der  Böcking'schen  Samm- 
lung im  Jahr  1858  angekauft.    696.  697.    Durchm.  b^lJ'. 

Wir  zweifeln  keinen  Augenblick,  auch  dieses  Bronce- 
geräth  derselben  Zeit  und  demselben  Volk  zuzuschreiben,  wie 
das  oben  erwähnte,  mit  dem  es  fast  ganz  tibereinstimmt. 

1302*"'*'*  Drei  Achsenbeschläge  mit  viereckiger  Nabe. 
Aus  Cometo.     Sammlung  Dorow  547 — 549.    Durchm.  a  u.  b 

51/2"  — c  5 V4". 

1302^-  Breites,  massives  sechsspeichiges  Bronce- 
rad,  das  schwerlich  in  praktischem  Gebrauch  gewesen  ist. 
Vermuthlich  war  es  ein  Weihgeschenk.  Durchm.  lO^/o". 
Br.  3". 

1302''^-  Grosse,  schwere  Schnalle  aus  zwei  in  einander 


268  I^ie  Wagen-  und  Pferdegeräthe. 

greifenden  Stücken  bestehend;  vermuthlich  vom  "Wagengeräth. 
Von  den  Nietnägeln^  mit  denen  die  beiden  Theile  befestigt 
waren,  sind  noch  mehre  erhalten.  Etruscisch.  Aus  Corneto. 
Samml.  Dorow  555.    Länge  der  beiden  Stücke  T^/g". 

1302®-  Desgl.  nur  die  Hälfte  erhalten.  Aus  der  Samml. 
Minutoli.    K.  13. 

1302^- fif-  Zwei  Beschlagstücke  in  Form  eines  breiten 
arabischen  Bogens,  mit  einer  Oese  an  jedem  Ende  zum  Durch- 
ziehen eines  Riemens.  Sie  können  nach  der  Meinung  Sach- 
kundiger am  Ortscheid  gesessen  haben.  Aus  Corneto.  Samml. 
Dorow.  545.  546.    H.  3V2". 

1303.  Deichselkopf,  in  Form  eines  Pferdekopfs.  Komi- 
scher Stil.    L.  7". 

Vgl.  Lindenschmit  I,  2,  5,  4.  bullet.  1868  p.  207. 

1303*-  Pferdegebiss,  das  ganz  über  den  Kopf  gezogen 
wurde.    Aus  der  Samml.  Koller  546. 

1304 — 1306.  Drei  Pferdegebisse,  Trensen,  ganz 
tibereinstimmend,  etruscisch,  aus  Corneto.  Aus  der  Sammlung 
Dorow.    551—553.    L.  9''  bis  91/2"- 

1307.  Eine  desgl.    Aus  der  Samml.  Koller  643.   L.  9". 

1307^-  Kandare  mit  einem  Ring  jederseits.  Sammlung 
Koller  436.    L.  6''. 

1307^-  Sichelförmiges  Anhängsel,  wie  man  es  oft 
auf  Darstellungen  antiker  Pferde  als  Schmuck  sieht.  Aus  dem 
Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  erworben.    2795^- 

1307*^*  ^'  Zwei  desgl.,  die  indessen  auch  zu  anderem 
Zweck  gedient  haben  können,  weil  man  diesen  sichelförmigen 
Schmuck  nicht  bloss  an  Pferden  'findet. 

1307«- ^-  Zwei  ähnliche  Anhängsel. 

1307»"^-  Drei  Geräthe  in  Form  einer  Leier,  eins  frag- 
mentirt,  zwei  davon  rings  herum  mit  Buckeln  besetzt.  Nach 
der  Meinung  Sachkundiger  sind  es  Stücke  vom  Pferdegeschirr, 
so  dass  die  eine  Oeffnung  zur  Befestigung  und  die  andere 


Die  Grabgerälhe.  269 

ringförmige  zum  Durchziehen  der  Riemen  diente.    Sammlung 
Koller  633. 

1307^*  Sichelförmiges  Anhängsel  mit  Silber  tiber- 
zogen und  fein  verziert.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben.   230. 

« 

1307^-  Desgl.  von  einfacher  Bronce. 


G.  Grabgeräthe, 

Die  Grabgeräthe  waren  nur  zum  kleineren  Theil  praktisch 
brauchbare  Geräthe,  die  grosse  Masse  derselben  sind  nur 
Scheingeräthe,  für  praktische  Zwecke  untauglich  und  nur  für 
die  Ausstattung  des  Grabes  fabricirt. 

Zu  den  ersteren  gehören  namentlich  die  Aschenkrüge,  die 
im  Alterthum  aus  den  allerverschiedensten  Stoffen  verfertigt 
wurden.  Es  giebt  Aschenkrüge  von  Stein,  von  Bronce,  Silber 
und  Blei,  von  Thon  und  Glas.  Auch  die  Formen  sind  begreif- 
licherweise sehr  verschieden,  doch  ist  unter  denjenigen  von 
Bronce,  die  uns  hier  näher  angehen,  eine  vorherrschende  Form 
nachweisbar,  nämlich  diejenige  eines  bauchigen,  henkellosen 
und  fusslosen  Gefässes.  Man  setzte  nämlich  diese  Krüge  nicht 
unmittelbar  in  die  Erde,  sondern  schloss  sie  in  eine  Umhüllung 
von  Stein  oder  Terrakotta  ein,  wie  man  an  mehreren  Orten, 
z.  B.  in  Attika,  Corfu,  Capua  und  sonst  beobachtet  hat.  Die- 
jenigen von  Attika  und  Capua  sind  künstlerisch  am  inter- 
essantesten und  auch  dadurch,  dass  sie  uns  einmal  an  einem 
einzelnen  Fall  in  schlagender  Weise  das  Verhältniss  der  grie- 
chischen und  etruscischen  Fabrikation,  welcher  letzteren  die 
capuanischen  angehören,  anschaulich  machen.  In  dem  Formen 
nämlich  stimmen  sie  vollkommen  überein,  so  dass  man  deutlich 
sieht,  dass  ein  Zusammenhang  existirte,  in  der  Ornamentik 
aber  ist  der  grosse  Unterschied,  dass  die  Griechen  sich  mit 
einem  linearen  Ornament,  mit  einer  Umsäumung  des  Randes 
begnügen,  während  die  Etrusker  wieder  ihrer  Liebe  zu  figür- 
licher Verzierung  nachgeben  und  den  Rand  und  Deckel  der 
Vase  mit  Figuren  überfüllen.  Es  braucht  nicht  bemerkt  zu 
werden,  wie  viel  edler  die  griechische  Weise  gedacht  ist,  ein 
Grabgeräth  nur  mit  einfach  linearem  Schmuck  auszustatten. 
Die  schönste  attische  Grabvase  ist  übrigens  die  im  britischen 
Museum  befindliche,  welche  Schinkel  in  den  Vorbildern  für 


270  ^ic  Ascheukrüge. 

r 

Fabrikanten  und  Handwerker  II,  7,  3  zugleich  mit  ihrer  Mar- 
morumhtiUung  herausgegeben  hat. 

Von  der  zweiten  Classe  der  Grabgeräthe,  den  Schein- 
geräthen,  ist  schon  im  Vorhergehenden  an  einzelnen  Stellen 
die  Rede  gewesen,  hier  aber  ist  der  Ort,  über  das  Ganze  einige 
Bemerkungen  zu  machen. 

Die  Sitte  verlangte,  dass  man  dem  Todten  als  ein  Opfer 
der  Liebe  oder  als  eine  Ehre  möglichst  reiche  Gaben  ins  Grab 
legte.  BeiProperz^)  beklagt  sich  der  Schatten  eines  Mädchens, 
dass  ihr  Liebhaber  ihr  Grab  nur  mit  einem  zerbrochenen  Krug 
und  mit  armseligen  Blumen  ausgestattet  habe.  Besonders 
deutlich  ergiebt  sich  das  Motiv  der  Grabesausstattung  aus  den- 
jenigen bemalten  Vasen,  die  man  in  Scherben  und  verbrannt 
findet.  Sie  sind  meistens  sehr  schön,  so  dass  ich  oft  von 
Vasenkundigen  die  Bemerkung  gehört  habe,  man  finde  die 
schönsten  Vasen  in  Scherben.  Sichtlich  sind  nun  diese  Vasen 
mit  Absicht  von  den  Angehörigen  des  Todten  in  die  Flamme 
des  Scheiterhaufens  geworfen  und  man  nahm  dazu  die  schönsten, 
um  dem  Todten  ein  möglichst  kostbares  Opfer  zu  bringen. 

Es  war  natürlich,  dass  man  oft  Besseres  opferte,  als  der 
eigene  Hausrath  bot,  es  war  aber  ebenso  natürlich,  dass  man 
der  hergebrachten  Sitte  durch  billigere  Waare,  durch  Schein- 
geräthe,  genügte.  Daher  finden  wir  unzählig  viel  zu  praktischem 
Gebrauch  untaugliches  Geräth  in  den  Gräbern.  In  Bronce 
erwähnen  wir  die  dünnen  Helme  und  die  dünnen  Vasen  von 
allerlei  Form,  die  man  mit  dem  Finger  eindrücken  kann. 
Namentlich  aber  ist  Blei  das  Material  für  die  Scheingeräthe. 
In  Buvo,  wo  man  die  Bleigeräthe  besonders  häufig  findet  und 
in  der  Sammlung  Caputi  betrachten  kann,  findet  sich  vom 
Candelaber  bis  zum  Küchengeräth  alles  Mögliche  in  Blei  oder 
Zinn,  aber  kein  einziges  Stück  ist  zu  praktischem  Gebrauch 
tauglich. 

Vergleiche  Bull.  1848,  116.     Annali   1851,  36  und  über  die  Blei- 
arbeiten von  Ruvo  bullet.  1836  p.  73.     Vgl.  bullet.  1829  p.  203. 

a.  Aschenkrüge. 

1308.  Aschenkrug  von  gewöhnlicher  Form,  aus  einem 
attischen  Grabe,  1845  von  den  Kunsthändlern  Schenk  und 
Gerstäcker  angekauft,  die  ihn  höchst  wahrscheinlich  von  Prof. 
Boss  erworben  hatten.    H.  8^/4''.    D.  13".    2819. 

1)  Properz  V,  7,  33. 


Die  Wandverzierungen  etruscischer  Gräber.  271 

1309.  Desgl.,   grösser,   von   derselben  Form.    Durch- 
messer 19V2"« 

b.  Wandverzierungen  etruscischer  Gräber. 

Wir  fanden  schon  oben  Schilde  von  der  Grösse  der  wirk- 
lich gebrauchten  als  blosse  Wandverzierung  in  etruscischen 
Gräbern  aufgehängt.  Eine  ähnliche  Bestimmung  hatten  die 
hier  aufgeführten  Gegenstände.  Es  sind  nämlich  nicht  selten 
in  etruscischen  Gräbern  kleine  gewölbte  Rundschilde  mit 
Masken  im  Mittelpunkt  gefunden.  In  einem  tarquiniensischen 
Grabe  fand  man  einmal  ihrer  eilf  von  4 1  Centim.  Durchmesser. 
Diese  Schilde  dienten  unzweifelhaft  als  Zierrath,  es  geht  aber 
aus  den  Fundberichten  nicht  genau  hervor,  an  welcher  Stelle 
sie  angebracht  waren.  Sie  schmückten  entweder  die  Wände 
oder  die  Felder  der  Decke.  Die  Masken,  welche  sich  im 
Mittelpunkt  dieser  Schilde  befinden,  sind  gewöhnlich  von  wildem 
Charakter,  gleichsam  als  sollten  sie  zum  Schutz  des  Grabes 
dienen. 

Vgl.    Ball.  1829  p.  8.  150.     Dennis,    Städte    und  Begräbnissplätze 
Etruriens  p.  240  und  700 

1310.  Maske  des  Achelous,  aus  Corneto.  Sammlung 
Dorow  570.    H.  ß^j^". 

Einige  im  Vatikan  befindliche,  übereinstimmende  und  an 
demselben  Ort  gefundene  Denkmäler  lehren,  dass  diese  Maske 
nur  das  Centrum  einer  jener  eben  erwähnten  schildförmigen 
Verzierungen  bildete,  an  welche  sie  mit  Nägeln,  welche  noch 
erhalten  sind,  angenietet  war. 

Die  Augen  sind  von  Email  eingelegt,  was  dem  Kopfe 
ursprünglich  ein  höchst  lebendiges  Aussehen  gegeben  haben 
muss. 

Vgl.  Museo  Gregoriano  tav.  38. 

1311.  Desgl.,  kleiner  und  weniger  sorgfältig,  ebendaher. 
Samml.  Dorow  571.    H.  51/2''- 

1312.  Panthermaske,  ebendaher.  Samml.  Dorow  550. 
Durchm.  4c^lJ'. 

Diese  Maske  hat  auch  emaillirte  Augen  und  ist  überhaupt 
ganz  so  behandelt,  wie  die  Achelousmaske.  Der  Ausdruck  ist 
möglichst  wild.    Sie  stimmt  ganz  mit  den  anderen  in  Tarquinii 


272  ^^^  Todteomasken.  —  Die  Grabvasen. 

gefundenen  überein   und   hat   offenbar  zu  demselben  Zweck 
gedient. 

c.  Todtenmaske. 

1313.  Maske  in  Lebensgrösse,  von  Bronce  und  Eisen 
und  zwar  so,  dass  das  Eisen  mit  Bronce  plattirt  ist,  bei  dem 
Festungsbau  in  Cöln  gefunden,  1841  aus  dem  Nachlass  des^ 
Kriegsministers  v.  Rauch  angekauft.  2640.  Erheblich  zerstört. 
H.  7".    Br.  51/4". 

Vermuthlich  ist  diese  Maske,  an  welcher  man  noch  dies 
erkennt,  dass  sie  ein  Porträt  darstellt,  in  einem  Grabe  ge- 
funden^ Denn  es  ist  nicht  ganz  selten,  Porträtmasken  auf  den 
Köpfen  der  Skelette  zu  finden.  Man  hat  sie  von  Wachs,  von 
Gold  und  von  Bronce  gefunden.  Was  die  ersteren  betrifft,  sa 
lässt  sich  bestimmt  nachweisen,  dass  sie  Leichen,  deren  Köpfe 
fehlten  oder  entstellt  waren,  für  die  Ausstellungsfeierlichkeit 
substituirt  wurden,  eine  ähnliche  Bewandtniss  hat  es  vermuth- 
lich auch  mit  den  Masken  von  Gold  und  Bronce  gehabt,  deren 
Anfertigung  längere  Zeit  in  Anspruch  nahm.  Man  kann  sich 
denken,  dass  sie  zu  Ausstellungen,  die  längere  Zeit  nach  dem 
Tode  stattfanden,  benutzt  wurden. 

Vgl.  Stephani  in  den  Autiquites  du  Bosph.  Cim.  zu  pl.  1  und  über 
die  Wachsmasken  aus  Cumae  den  schönen  Aufsatz  von  de  Rossi  im 
bullet,  d'  inst.  1853  p.  6QS.  Eine  eiserne  Maske  wird  in  den  Rhein. 
Jahrb.  VII,  p.  68  erwähnt,  aber  über  die  Auffindung  scheint  nicht» 
Näheres  bekannt  zu  sein. 

d.  Grabvasen. 

Die  alterthtimlichen  Gefässe,  die  wir  im  Folgenden  auf- 
führen, sind,  wie  schon  in  der  Einleitung  bemerkt,  nie  im 
praktischen  Gebrauch  gewesen,  sondern  nur  für  den  Zweck 
der  Grabesausstattung  gearbeitet.  Sie  sind  aber  ihres  hohen 
Alters  wegen  sehr  interessant,  es  sind  die  ältesten  Broncevasen,. 
die  wir  besitzen.  Schon  die  Umstände  unter  denen  sie  ge- 
funden werden,  deuten  das  an.  Etrurien  ist  ihr  heimathlicher 
Boden,  es  ist  aber  noch  kein  etruscisches  Grab  aufgedeckt 
worden,  in  welchem  Broncevasen  dieser  Art  zusammen  mit  be- 
malten Vasen  gefunden  wären.  Sie  gehen  eben  der  Periode 
der  bemalten  Vasen  voran. 

Denn  auch  in  der  Form,  in  der  Art  der  Ornamentirung 
und  in  der  Technik  sind  sie  hochalterthümlich.    Die  Entwick- 


Die  Grabvasen.  273 

lung  der  Form  ist  an  den  Metallvasen  begreiflicher  Weise 
ziemlich  dieselbe  wie  an  den  Thonvasen,  und  so  finden  wir 
denn  hier  wie  dort  in  der  ältesten  Zeit  nicht  selten  kugelähn- 
liche Formen,  die  durch  ringförmige  Verzierung  ein  noch  ge- 
drückteres Aussehen  erhalten,'  während  später  das  schlankere 
Oval  dominirt;  allgemeiner  aber  und  wichtiger  ist  der  Unter- 
schied, dass  früher  die  einzelnen  Glieder  der  Vasen  schroff 
und  eckig  zusammenstossen,  während  später  das  Bestreben  ein- 
tritt, alle  Ecken  abzurunden  und  den  Contour  des  Gefässes  in 
eine  weich  geschwungene  Linie  aufzulösen. 

Interessant  ist  auch  die  Verschiedenheit  der  Ornamentirung. 
Am  Bauch  des  Gefässes  befinden  sich  später  in  der  Regel 
keine  Ornamente,  er  sollte  gewiss  durch  schöne  Politur  wirken, 
in  früherer  Zeit  ist  dagegen  die  Fläche  des  Bauches  mit  Orna- 
menten oft  wie  übersäet.  Und  zwar  sind  es  gewöhnlich  Knöpfe 
oder  kleine  Buckel,  die  in  Reihen  den  Bauch  umzirkeln.  Der 
Ursprung  dieses  Ornaments  ist  offenbar  ein  rein  technischer, 
die  Buckel  imitiren  die  Köpfe  der  Nägel,  die  zum  Zusammen- 
heften verschiedener  Stücke  notliwendig  waren.  Denn  die  Niet- 
arbeit ist  die  älteste,  der  Löthung  vorangehende  Technik,  wie 
wir  an  Homer  sehen,  der  nur  sie  kennt.  Bei  demselben  Dichter 
werden  auch  schon  die  Nagelköpfe  als  Verzierung  .von  Ge- 
räthen  erwähnt,  wofür  wir  nur  an  das  mit  goldenen  Nägeln 
beschlagene  Scepter,  das  Achill  zu  Boden  warf,  zu  erinnern 
brauchen.  Man  disputirte  im  Alterthum  darüber^),  ob  die 
Nägel  wirklich  eingeschlagen  oder  nur  Imitationen  wirklicher 
Nägel  waren,  was  jedenfalls  für  den  Effect  des  Ornaments  eine 
ziemlich  gleichgültige  Frage  ist. 

Was  endlich  die  Technik  dieser  Vasen  betrifft,  so  ist  sehr 
bemerkenswerth,  dass  kein  Theil  an  ihnen  durch  Guss  lierge- 
stellt  ist,  auch  der  Henkel  nicht,  der  später  regelmässig  ge- 
gossen ist.  In  Verbindung  mit  den  anderen  Zeichen  alter  Zeit 
lässt  sich  dieser  Umstand  wohl  nur  daraus  erklären,  dass  diese 
Vasen  einer  Zeit  angehören,  die  den  Erzguss  noch  nicht 
kannte. 

Auch  das  ist  endlicli  zu  erwähnen,  dass  der  Bauch  der 
Vase,  der  später  fast  immer  aus  einem  Metallstück  verfertigt 
ist,  liier  gewöhnlich  aus  zwei  zusammengenieteten  Stücken 
besteht. 


1)  Aihen.  XI,  e.  76. 
Friederiche,  Berlin's  Antilre  Bildwerke  IT.  lg 


274  öic  Grabvasen. 

1314.  Alterthümliche  Amphora,  etrascisch.    H.  16". 
Der  Fuss  dieses  merkwürdigen  Gefässes  wird  durch  einen 

hohen,  abgestumpften  Blechkegel  gebildet,  der  mit  dem  Bauch 
zusammengelöthet  ist.  Der  Bauch  ladet  weit  aus  und  biegt  in 
ziemlich  scharfer  Kante  schnell'zum Hals  um.  Gerade  auf  der 
Kante  befinden  sich  die  Nägel,  wodurch  Hals  und  Bauch  zu- 
sammengenietet sind.  Von  hier  aus  gehen  auch  die  aus  vier- 
kantigem Draht  bestehenden  Henkel,  die  an  besonderen 
Blechstreifen  durch  dieselben  Nietnägel  gehalten  werden.  Das 
Profil  des  Halses  ist  starr  gradlinig,  das  später  immer  eine 
concave  Linie  bildet.    Ein  breiter  Rand  umgiebt  die  Mündung. 

Vgl.  das  ganz  ähnliche  Gefäss  im  Mus.  Greg.  5,  5. 

1315.  Desgl.,  sehr  ähnlich.  Samml.  Dorow  507.  Aus 
Corneto. 

Fuss  und  Mündung  fehlen.  Bauch  und  Hals  sind  mit 
einer  Nagelköpfe  imitirenden  Verzierung  bedeckt. 

1316.  Desgl.,  sehr  zerstört.  Aus  Corneto.  Sammlung 
Dorow  506. 

Charakteristisch  für  alte  Zeit  ist  der  lange,  starre  Hals 
dieses  Gefässes.  Er  ist  an  den  vier  Seiten  mit  Verzierungen 
bedeckt,  die  wie  eine  auf  den  Kopf  gestellte  Haarnadel  aus- 
sehen, übrigens  dazu  dienen  sollen,  der  Form  Richtung  und 
Leben  zu  geben. 

1317.  Desgl.,  stark  restaurirt    H.  17%"., 

Auch  diese  Amphora  ruht  auf  einem  hohen,  kegelförmigen 
Fuss  und  ist  in  der  Mitte  des  Bauchs  zusammengenietet.  Die 
Henkel  sind  von  dünnem  Blech  und  angenietet.  Der  Rand  des 
Gefässes  passt  nicht  zum  Uebrigen  und  gehört  nicht  dazu. 

1318.  Altetruscische  Schale  mit  tiefer  Cannelimng. 
Aus  Corneto.  Samml.  Dorow.  522.  Ziemlich  stark  beschädigt. 
Durchm.  10". 

Diese  Form  ist  bereits  in  den  ältesten  etruscischen  Gräbern, 
z.  B.  in  dem  Regulini-Galassigrab  in  Caere  zum  Vorschein 
gekommen. 

Vgl.  Mus.  Greg.  I,  15,  2  a.  2  b. 

Hieran  schliessen  wir  zwei  kleine  Bleiplättchen,  wie  man 
sie  in  Gräbern,  zunächst  eins  mit  dem  Namen  des  Verstorbenen 


Die  GrabvaseD.  275         ^ 

bezeichnet,  findet,  sodann  ein  interessanteres  mit  einer  Ver- 
wünschung und  endlich  ein  Fragment  eines  Bleisarges. 

1318*-  Bleiplättchen  aus  Euboea,  1870  erworben. 
Von  dem  Namen  ist  die  zweite  Hälfte  NIK02  deutlich,  nicht 
die  erste.    6207. 

1318**-  Bleiplättchen,  in  Capua  1866  gekauft  mit  der 
Inschrift  Cn.  Numidium  Astragalum  il(l)ius  vita(m)  valetudin(em) 
quaistum  ipsu(m)  qulitabescat  morbu(s)  (hoc)  C.  Sextiu(s)  Tabsi- 
mado  rogo. 

Diese  Inschrift  gehört  zu  den  in  griechischen  und  römi- 
schen Gräbern  nicht  selten  vorkommenden  Inschriften,  vermit- 
telst derer  der  an  erster  Stelle  genannte  Mann  den  unter- 
irdischen Göttern  zu  völliger  Vernichtung  geweiht  werden 
sollte. 

Die  Inschrift  ist  von  Henzeu  im  bullet.  1866  p.  252  publicirt,    der 
auch  nähere  Nachweisnng  über  die  darin  berührte  Sitte  giebt. 

1318^-  Fragment  eines  Bleisarges,  der  nach  dem 
Inhalt  römischer  Zeit  angehört  haben  soll  und  im  Moselthal 
bei  Valevig  1858  in  Stücken  gefunden  ist.  Das  Blei  ist  ^/^ 
:Zoll  dick.    3224. 


W 


lY.  Geräthe  für  religiöse  Zwecke. 

A.  Cultusgeräthe. 

a.  Opferschale. 

Dass  der  Cultus  seine  besonderen  Geräthe  hat,  die  voit 
denen  des  profanen  Lebens  verschieden  sind,  ist  für  den  ernst 
denkenden  Menschen  ebenso  nothwendig,  wie  der  Unterschied 
zwischen  Kirche  und  Privathaus.  Auch  im  Alterthum  empfand 
man  das,  wie  die  freilich  nur  spärlichen  Beispiele  ergeben. 
Am  deutlichsten  sieht  man  es  an  der  Opferschale,  die  von  der 
Trinkschale  des  gewöhnlichen  Lebens  erheblich  verschieden 
ist.  Jene  ist  sehr  flach,  da  sie  nicht  viel  Inhalt  zu  fassen 
brauchte,  ohne  Fuss  und  Henkel,  und  ihre  strenge  Einfachheit 
wird  nur  durch  einen  Buckel  im  Innern,  dem  eine  Höhlung  am 
Aeusseren  correspondirt,  unterbrochen*).  Die  profane  Schale 
dagegen  ist  tiefer  und  hat  einen  Fuss  und  zwei  Henkel. 

Dass  jene  Schale  in  der  That  zu  religiösem  Gebrauch 
diente,  ist  aus  den  Denkmälern  deutlich  ersichtlich.  In  Opfer- 
handlungen sieht  man  nur  sie,  ebenso  an  den  Altären,  an  denen 
gewöhnlich  die  Altargeräthe  in  Eelief  angebracht  sind  2),  und 
auch  die  Götter,  die  so  oft  mit  einer  Schale  in  der  Hand  vor- 
gestellt werden,  haben  stets  diese  von  den  Alten  als  Phiale 
bezeichnete  Schale.  Auch  wenn  sie  nach  Homerischer  Weise 
zusammen  beim  Gelage  sitzen,  haben  sie  gewöhnlich  Phialen, 


^)  Diese  Verzierung"  ist  nicht  ohne  praktischen  Zweck,  der  Finger 
soll  sich  in  den  Buckel  hineinlegen  und  so  die  Schale  fester  halten  als 
sonst  möglich  wäre. 

2)  An  Altären  späterer  Zeit  ist  die  patera  manchmal  mit  einem 
Henkel  versehen,  wie  z.  B.  Smith  Collect,  ant.  VI,  pl.  7. 


Die  Opferkauaen.  —  Die  Weihwasserkessel.  277 

Während  in  den  Grelagen  der  Mensclien  die  Phiale  eben  so 
selten  ist,  als  die  Kylix  —  jene  oben  erwähnte  zweihenklige 
Schale  —  gewöhnlich.  Der  Gebrauch  der  Schriftsteller  scheint 
mit  diesem  Unterschied  vollkommen  übereinzustimmen. 

Phialen  von  Terrakotta  haben  sich  in  ziemlicher  Anzahl 
erhalten,  selten  aber  sind  solche  von  Erz,  wie  die  im  Folgenden 
aufgeführte. 

1319.  Opferschale  aus  Bomarzo.  Aus  Gerhardts  Nach- 
lass  1869  erworben  191.    Durchm.  ö^/g". 

b.   Opferkanne. 

Die  Weinkanne  des  Opfers  unterscheidet  sich  von  der 
profanen  Weinkanne  dadurch,  dass  sie  schlanker  und  weniger 
bauchig  ist.  Für  die  Spende  war  ja  ein  geringes  Quantum 
Wein  hinreichend.  Ihre  Form  ist  von  unzäliligen  Altären  und 
sonstigen  Darstellungen  bekannt. 

1320.  Opferkanne,  aus  der  Sammlung  Koller.  337. 
H.  77,". 

Nur  die  Mündung  und  der  Henkel  und  vielleicht  ein  Stück 
des  Fusses  sind  antik,  alles  Uebrige  ist  modern.  Der  Henkel 
läuft  in  eine  Palmette  aus. 

1320*-  Desgl.    Ebendaher  336. 
Nur  Henkel  und  Hals  sind  antik. 

c.  Weihwasserkessel. 

Auf  den  unter  n.  142.  143  aufgeführten  Spiegeln  ist  eine 
Frau  dargestellt,  die,  wie  der  Zusammenhang  ergab,  Weihwasser 
für  ein  Heiligthum  heranträgt.  Das  Gefäss  nun,  in  dem  sie 
das  Wasser  trägt,  entspricht  aufs  Genaueste  gewissen  erhal- 
tenen Geräthen,  die  wir  theils  wegen  dieser  Uebereinstimmung, 
theils  weil  die  Eigenthümlichkeiten  derselben  gerade  für  den 
vorausgesetzten  Zweck  völlig  angemessen  sind,  für  Weihwasser- 
kessel erklären  möchten.  Alle  diese  Gefässe  sind  wie  das  auf 
den  Spiegeln  abgebildete,  nur  klein,  weil  ja  geringe  Quantitäten 
Wasser  zur  Besprengung  genügten,  sie  sind  ferner  eimerförmig, 
und  haben  einen  in  der  Mitte  durchbohrten  Bügel,  an  welcliem 
€ine  längere  oder  kürzere  Kette  befestigt  ist,  die  zu  be- 
quemem Anfassen  oben  in   einen   Eing  ausläuft.    Die  Kette 


278  Di^  Weih  Wasserkessel. 

diente  dazu,  das  Gefass  in  den  Brunnen  hinabzutauchen,  der 
zu  den  nothwendigen  Erfordernissen  eines  Tempels  gehörte. 

1321.  Weihwasserkessel  aus  der -Samml.  Koller.  359. 
H.  68/«". 

Dies  Gefäss  entspricht  aufs  Genaueste  dem  auf  den  Spiegeln 
dargestellten;  von  welchem  eben  in  der  Einleitung  die  Rede 
war.    Es  ist  vollständig  mit  der  Kette  erhalten. 

Ein  übereinslimmencles  Gefass  ist  abgebildet  bei  Gozzadini  di 
iilteriori  scoperte  nelP  antica  necropoli  a  Marzabotto  Taf.  14,  n.  6. 

1322.  Desgl.,  bei  Vulci  gefunden,  1841  durch  Prof.  Ger- 
hard in  Italien  gekauft.    2671*-    H.  6", 

Wir  glauben,  dass  auch  dieses  Gefass  als  Weihwasser- 
kessel gedient  hat,  da  es  sich  von  dem  vorigen  nur  in  dem  un- 
wesentlichen Punkt  unterscheidet,  dass  es  nicht  zum  Hinstellen 
eingerichtet  ist,  sondern  nur  um  hängend  getragen  zu  werden. 
Diese  Bestimmung  zu  hängen  ist  in  der  Form  des  Gefässes 
aufs  Glücklichste  zum  Ausdruck  gebracht.  Die  Form  ist  näm- 
lich von  einem  Bommel  oder  einer  Frucht,  jedenfalls  von  einem 
hängenden  Körper  entlehnt. 

Das  Gefäss  ist  auf  seiner  ganzen  Oberfläche  sehr  fein 
oniamentirt,  von  unten  mit  aufstrebenden,  von  oben  mit  ab- 
wärts gerichteten  Ornamenten  und  zwar  an  beiden  Stellen  in 
je  zwei  Absätzen,  so  dass  je  zweimal  dasselbe  oder  wenigstens 
dem  Sinn  nach  gleiche  Ornament  sich  wiederholt.»  An  der 
Mündung  läuft  ein  feines  Riemengeflecht  herum. 

Dies  etruscische  Gefäss  gehört  zu  den  schönsten  Stücken 
der  Sammlung. 

1323.  Ganz  tibereinstimmendes  Gefäss,  nur  ganz 
ohne  Ornamente.    Ebendaher.    2714.    H.  4^/4". 

1323*-  Ganz  ähnliches  Gefäss,  nur  dass  es  einen 
kleinen  Fuss  hat.  Der  Henkel,  der  oben  einen  Ring  zum  An- 
hängen der  Kette  hat,  läuft  in  Attachen,  welche  die  Form  von 
Satyrköpfen  haben.    Etruscisch.    Aus  der  Samml.  Dorow  639. 

1324.  Gefäss  des  ägyptischen  Cults.  AusderSammL 
Koller.    310.    H.  b^jj'. 

Dieses  eigenthümlich  gestaltete  Gefäss  wurde,  wie  man 
aus  Abbildungen  entnehmen  kann,  im  ägyptischen  Cult  ge- 
braucht. Die  Tülle  der  Kanne  ist  offenbar  einem  Thierschnabely 


■A 


Die  Weihgeschenke.  279 

etwa  dem     Schnabel  des  Pelikan,  nachgeahmt    Gewiss  ist  die 
Form  durch  religiöse  Motive  veranlasst.    Der  Henkel  fehlt. 

Vgl.  das  interessante  anf  ägyptischen  CuH  bezügliche  Gemälde  im 
Mus.  borb.  X,  tav.  55. 


B.  Weihgeschenke. 

1325.  Hermesstab,  oben  in  Schlangenköpfe  auslaufend. 
Der  Stiel  war  bis  auf  das  obere  Stück  mit  einem  feineren 
Material,  etwa  Elfenbein  bekleidet,  auf  dem  oberen  Stück  Hest 
man  die  punktirte  Inschrift  FNA&lNilN, 

Der  Stab  ist  unzweifelhaft  ein  Weihgeschenk  der  Ein- 
wohner von  Egnatia  an  einen  Merkurstempel. 

Gefunden  in  Fasano,  erworben  1848  in  Rom  durch 
Dr.  Braun.    2969.    L.  2'  4^2". 

Eine  Inschrift,  in  welcher  dem  Merkur  ein  caduceus  dedicirt  wird» 
in  Rhein.  Jahrb.  1859  p.  68  Vgl.  1864  p.  163.  Abg.  bei  Minervini 
in  den  Monum.  ined.  possad.  da  Raf.  Barone. 

1326.  Desgl.,  der  Stiel  war  von  Holz  und  ist  nicht  er- 
halten. Der  obere,  broncene  Theil  desselben  ist  von  einem 
jonischen  Capitale  bekrönt,  über  dem  sich  die  in  Widderköpfe 
ausgehenden  Windungen  erheben.  Einer  der  Widderköpfe 
fehlt  Die  Augen  der  Voluten  sind  durch  silberne  Nägel 
markirt,  auch  der  Schaft  war  mit  einem  silberigen  J^agel  be- 
festigt.   L.  V\ 

1327.  Kleine  Leier,  vermuthlich  ein  Weihgeschenk. 
L.  2^/2''. 

1327*-  Kleine  Keule,  oben  durchbohrt,  um  angehängt 
zu  werden.  Die  Durchbohrung  veranlasst  uns,  das  Geräth  hier 
aufzuführen,  obgleich  wir  gestehen  müssen,  dass  dieser  Grund 
nicht  ausreicht. 

1327^-  Schönes  Füllhorn  in  einen  Hirschkopf  aus- 
laufend und  über  den  herabhängenden  Früchten  von  zwei 
Vögeln,  wie  es  scheint  Tauben,  bekrönt.  Auch  bei  diesem 
Stück  sind  wir  nicht  sicher,  ob  es  in  diese  Kategorie  gehört. 

1328.  Schiffsschnabel,  sog.  aplustre.  Aus  der  Samml. 
Bellori.    4"  lang.    K.  5.    L.  9^2"- 


280  ^^'6  Weihgescheake. 

Die  Form  dieser  Verzierung  erklärt  sich  aus  dem  Um- 
stände, dass  die  ältesten  griechischen  Schiffe,  die  wir  auf  den 
Vasenbildern  finden,  sichtlich  gewisse  Fischformen  imitiren. 
Die  Verzierung  des  Hintertheils  gestaltete  sich  danach  einem 
Fischschwanz  ähnlich. 

Höchst  wahrscheinlich  ist  dieses  Stück  ein  Weihgescheuk 
für  eine  glückliche  bestandene  Seereise. 

1329.  Vordertheil  eines  Schiffs,  Sammlung  Bellori. 
K.  6.    H.  48/4".    L.  31/4". 

Auch  dies  ist  vermuthlich  ein  Weihgeschenk.  Das  Stück 
hat  als  Schiffszeichen  einen  jugendlichen  Kopf. 

1330.  Bleiköcher  im  Jahr  1842  von  Fischern  aus  dem 
Hafen  von  Delos  hervorgezogen  und  von  dem  Grafen  Brassier 
de  St.  Simon,  der  ihn  als  Gesandter  in  Athen  erworben  hatte, 
dem  kgl.  Museum  geschenkt.    L.  15". 

Dass  dieser  Köcher  nicht  im  Leben  gebraucht  war,  geht 
schon  daraus  hervor,  dass  er  massiv  ist.  Es  ist  ein  blosses 
Weihgeschenk,  und  die  Inschrift  FE  NIN  F^  E^'Q^EN 
TAYTA  HMA^  —  in  welcher  Tveviiv  statt  Tteivrv  wohl 
ein  Schreibfehler  ist  —  motivirt  die  Dedikation  dieses  Köchers, 
die  nicht  erwähnt  zu  werden  brauchte,  weil  der  Ort,  wo  sich 
das  Denkmal  befand,  sie  hinlänglich  bezeugte.  Das  ralra, 
das  den  Schreiber,  wie  sie  sagen,  vor'm  Hunger  geschützt  habe, 
bezieht  sich  auf  die  Waffen,  die  neben  der  Inschrift  abgebildet 
sind.  Man  bemerkt  oben  einen  pfeilbelegten  Bogen,  sodann 
einen  Köcher  von  derselben  Form,  wie  das  Weihgeschenk 
selbst,  und  endlich  unter  der  Inschrift  einen  Wurfspeer  nebst 
Streitaxt.  Die  Beziehung  dieser  letzten  Waffen  ist  uns  nicht 
klar.  Sind  es  auch  Waffen  von  Bogenschützen  oder  Waft'en 
von  anderen  Soldaten,  so  dass  wir  annehmen  müssten,  es  hätten 
sich  an  diesem  für  Bogenschützen  so  charakteristischen  Weih- 
geschenk auch  Soldaten  anderer  Gattung  betheiligt  ?  Die 
Streitaxt  kommt  wohl  vor  bei  einem  Bogenschützen,  auch  der 
Wurfspeer,  allein  wir  wissen  nicht,  ob  wir  vereinzelte  Vorstel- 
lungen älterer  Vasen  hier  lieranziehen  dürfen,  ja  es  ist  uns 
überhaupt  nicht  ausgemacht,  ob  der  Köcher  von  Soldaten  und 
nicht  etwa  von  Jägern  dedicirt  ist. 

Ueber  die  Entstehungszeit  des  Werks  lässt  sich  nur  be- 
merken, dass  die  Schriftzüge  den  Charakter  der  Zeit  von 
Alexander  abwärts  tragen.  Der  Fundort  lässt  vermuthen,  dass 
es  einst  dem  Apoll  geweiht  war. 


Die  Weihgescheiike.  281 

Dies  Weihgeschenk  ist  übrigens  ein  gutes  Beispiel  dafür, 
dass  nicht  bloss  die  im  Leben  gebrauchten  Dinge,  sondern 
auch  blosse  Abbilder  derselben  den  Göttern  geweiht  wurden. 
Das  Loch,  das  man  oben  im  Blei  bemerkt,  war  verrautlilich 
mit  Pfeilen  ausgefüllt. 

Abg.  Annan  1842  tav.  K.  Vgl.  p.  88  ff. 

1330*-  Weihgeschenk  in  Form  einer  kleinen  vier- 
eckigen Platte,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    61. 

Auf  der  einen  Seite  steht  die  Inschrift  RESPECTI,  auf 
der  anderen  V.  L,  das  doch  wohl  Votum  libens  bezeichnen 
soll  und  uns  die  Berechtigung  giebt,  das  Plättchen  als  ein 
Weihgeschenk  zu  bezeichnen.  Was  es  aber  ist,  wissen  wir 
nicht  mit  Bestimmtheit  zu  sagen,  vermuthlich  ist  es  ein  Münz-  . 
gewicht,  mit  dem  es  die  grösste  Aehnlichkeit  hat.  Vgl.  oben 
n.  955. 

Die  Buchstaben  sind  in  der  Bronce  gravirt,  und  dann  mit 
Silber  eingelegt,  doch  so,  dass  das  Silber  nicht  ganz  den  ab- 
geschiedenen Raum  ausfüllt. 

1330^-  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  stammt  aus  Neapel 
und  befand  sich  früher  im  Münzkabinet. 

Auf  der  einen  Seite  steht  PYRPVRI,  auf  der  anderen 
V.  L.  Die  Inschriften  sind  ganz  auf  dieselbe  Weise  hergestellt 

1331.  Ein  Paar  Augen,  gewiss  ein  Weihgeschenk  eines 
Augenkranken.  Es  haben  sich  wenigstens  in  Marmor  zahl- 
reiche Platten  mit  zwei  Augen  und  Weihinschriften  darauf  er- 
halten, die  uns  berechtigen,  für  diese  Bronce  dasselbe  voraus- 
zusetzen. Der  Zapfen  diente  zur  Befestigung.  Die  Arbeit  ist 
spät  und  unbedeutend.  1851  aus  dem  Besitz  des  Prof.  Ger- 
hard augekauft.    3001., 

1332.  Ein  Fuss,  mit  der  Sandale  bekleidet  und  mit 
einem  Ring  zum  Aufhängen  versehen.  Dieser  Fuss  ist  wohl 
nicht  das  Dankgeschenk  eines  Fusskranken,  sondern  vielmehr 
eines  Reisenden  nach  glücklich  überstandener  Reise.  Es  ist 
eine  durch  Inschriften  bezeugte  Sitte,  dass  Wallfahrer  nach- 
dem sie  glücklicli  am  Ziel  ilirer  Wallfahrt  angekommen,  dem 
Heiligthum  einen  Fuss  von  geringerem  oder  kostbarerem  Mate- 
rial schenkten. 

Vgl.  0.  Jahn,    Ueber    den  Aberglauben    des    bösen   Blicks   in   den 
Ber.  d.  sächs.  Gesellj-ch.  d.  W'iss.  1855  p.  103  Anm.  310. 


282  ^^6  Weihgeschenke. 

1332*-    Eine  Fussohle  mit  der  Inschrift:  Spes  in  Dea^ 
Dies  offenbar  christliche  Weihgeschenk  ist  gewiss  eben 
so  zu  verstehen,  wie  das  eben  erwähnte  heidnische.    Die  heid- 
nische Sitte  dauerte  eben,  wie  so  manche  andere,  im  Christen- 
thum  fort. 

Munter  Sinnbilder  und  Kunstvorst.  d.  a.  Chr.  I,  p.  54  giebt  der 
Fusssohle  eine  andere  Bedeutung,  die  mir  eben  wegen  des  heidnischen 
Gebrauchs  nicht  wahrscheinlich  scheint. 

1332^-  Ein  Kästchen  mit  kleinen  Bleifiguren,  ein 
Mann  mit  Schild  und  Speer,  eine  Frau,  und  dazu  Fragmente 
von  Ringen  oder  vielleicht  Spiegeln.  Aus  Gerhardts  Nachlass 
1869  erworben. 

Diese  Bleifiguren  sind  zusammen  mit  anderen  und  mit 
Thonfiguren  an  den  Stufen  des  Menelaion  in  Sparta  gefunden,, 
als  dasselbe  im  Winter  1833/34  ausgegraben  wurde.  Man 
schliesst  aus  dem  Fundort  wohl  mit  Recht,  dass  alle  diese 
Figuren  Weihgeschenke  an  Menelaos  und  Helena  waren,  die 
dort  verehrt  wurden. 

Vgl.  Ross  Archaeol.  Aufs.  II,  p.  341  mit  Abbildung. 

1332*^-  Apollo  von  Blei  mit  Köcher  und  Köcherband; 
in  seiner  Linken  scheint  noch  ein  Stück  des  Bogens  erhalten,, 
die  rechte  Hand  fehlt  und  die  beiden  Beine  vom  Knie  abwärts. 
Gefunden  bei  Smyrna  an  der  Stelle  des  alten  Aesculaptempels 
und  dieser  Fundort  macht  auch  hier  die  Annahme  eines  Weih- 
geschenks wahrscheinlich.  1856  von  Hrn.  Consul  Spiegelthal 
in  Smyrna  eingesandt,  der  die  Figur  selbst  gefunden.  H.  1%"» 

Votivhände. 

Eine  eigenthümliche  Classe  von  Weihgeschenken  sind  die 
Votivhände,  deren  nach  einem  kürzlich  aufgestellten  Verzeich- 
niss  mindestens  dreissig  erhalten  sind.  Es  sind  Hände,  welche 
nach  den  Inschriften,  die  auf  einigen  derselben  vorkommen^ 
als  Weihgeschenke  in  Folge  von  Gelübden  gestiftet  bezeichnet 
werden  müssen  und  eben  desswegen  auch  den  Gestus  des  Ge- 
lobens  machen,  der  mit  dem  heutigen  Schwurgestus  überein- 
stimmt. Doch  hat  man  wohl  kein  Recht,  von  einem  besonderen 
Gestus  des  Gelobens  zu  reden,  wenigstens  kommt  derselbe 
Gestus  in  der  allgemeineren  Bedeutung  eine  feierliche 
Rede   zu   begleiten,    schon    auf  altgriechischen  Monumenten 


Die  Votivhände.  283 

vor  ^).  Dass  diese  Hände  immer  rechte  Hände  sind,  ist  begreif- 
lich, weil  natürlich  die  Rechte  das  Gelöbniss  ablegte.  Der 
Sinn  dieses  Gebrauches  ist  somit  dieser,  dass  man  der  Gottheit 
das  Organ  des  Gelübdes  in  der  Haltung  desGelobens  als  sicht- 
bares, gleichsam  beglaubigendes  Unterpfand  des  Geschehenen 
darbrachte. 

Wir  bezweifeln,  dass  diese  Sitte  sehr  alt  sei.  Alle  erhal- 
tenen Votivhände  scheinen  ziemlich  späten  Ursprungs  zu  sein 
und  die  Sitte  selbst  will  ilns  nicht  recht  naiv  und  natürlich 
vorkommen.  Die  Gottheiten,  denen  diese  Hände  geweiht  wur- 
den, sind  auch,  soweit  wir  aus  ihnen  selbst  erkennen  können^ 
die  Gottheiten  des  späteren  Alterthums,  phrygische  und  ägyp- 
tische Götter. 

Das  Bild  des  Gottes,  dem  die  Hand  geweiht  wurde,  ist 
oft  daran  angebracht,  ausserdem  aber  pflegen  diese  Hände  mit 
einer  Fülle  von  Symbolen  bedeckt  zu  sein,  die  alle  den  Zweck 
haben,  das  Geräth  gegen  bösen  Zauber  zu  schützen.  Es  sind 
theils  Thiere,  denen  man  eine  zauberabwehrende  Kraft  bei« 
legte,  theils  Attribute  von  Göttern. 

Vgl.  0.  Jahn,  Ueber  den  Aberglauben  des  bösen  Blicks  p.  101 
und  die  reirliere  Sammlung  von  J.  Becker  „Die  Heddernheimer  Votiv- 
hand^^,  Programm  zur  208ten  Philologen  Versammlung  mit  dem  Nachtrags 
in  den  Rhein,  Jahrb.  XXXIl,  p.  93.  Uebrigens  wird  die  Behauptung 
Becker's,  dass  alle  diese  Hände  Frauenhände  seien,  ebensowenig  zuge- 
geben werden  können,  wie  seine  Begründung  dieser  angeblichen  That- 
sache  (p.  18).  Gerade  die  Heddernheimer  Hand  ist,  wenn  irgend  eine, 
männlich  und  musste  ja  männlich  sein,  well  sie  von  einem  Manne  ge- 
stiftet ist.  Es  wäre  doch  mehr  als  wunderlich,  wenn  auch  bei  Dedika- 
tiouen  von  Männern  , jeuer  dem  Genius  der  Alten  ureigene  Sinn  für 
Schönheit  sie  die  Frauenhaud  «Is  Votivform  wählen  Hess!'* 

1333.  Votivhand,  aus  dem  Besitz  Bellori's.    H.  2''. 

Diese  Hand,  welche  bis  auf  die  Spitzen  der  drei  erhobenen 
Finger  vollständig  erhalten  ist,  war  dem  Serapis  dedicirt,  dessen 
Büste  an  den  erwähnten  Fingern  angebracht  ist.  Die  schützenden 
Symbole,  welche  die  äussere  und  innere  Fläche  der  Hand  be^ 
decken,  sind  theils  sakrale  Geräthe  bestimmter  Culte  qder  des 
Cultus  im  Allgemeinen,  theils  Thiere.  Zu  jenen  gehört  die 
Doppelflöte  des  phrygischen  Cultus,  eine  gerade  und  eine  ge- 
krümmte, und  der  Trinkbecher  des  Dionysos,  vielleicht  auch 
die  Waage  als  ein  Symbol  der  Justitia,  wenn  nicht  der  Fortuna. 
Als  allgemein  sakrale  Geräthe  sind  das  Opfermesser  zu  be- 


^)  Vgl.  meine  Schrift  über  Praxiteles  p.  129  Anm.  21. 


284  Die  Voüvtafeln. 

trachten  ^)  und  ähnlich  auch  der  Nagel  als  Gegenmittel  gegen 
Zauberei. 

Von  Thieren  sind  Frosch,  Eidechse,  Schildkröte  und 
Schlange  dargestellt,  denen  sämmtlich  eine  Zauber  abwehrende 
Kraft  zugeschrieben  wurde.  Nicht  zu  erklären  vermögen  wir 
ein  kornähnliches,  oben  mit  einem  Auswuchs  versehenes  Symbol, 
das  auf  mehreren  dieser  Hände  vorkommt. 

Unter  dem  Nagel  bemerkt  man,  ausgeschieden  von  den 
übrigen  Darstellungen,  eine  liegende  Frau  mit  einem  Kind  au 
der  Brust.  Diese  Gruppe  wiederholt  sich  auf  mehreren  der 
Hände  und  wird  gewiss  mit  Recht  so  gedeutet,  dass  sie  die 
Veranlassung  der  Darbringung  des  Weihgeschenks,  die  glück- 
liche Geburt  eines  Kindes,  andeute.  Der  Vogel  in  dieser  Gruppe 
ist  uns  eine  völlig  unverständliche  Zuthat. 

Abg.  bei  Jahn  a.  a.  0.  Taf,  4,  2a-  ^• 

1334.  Votivarm,  welcher  einen  Pinienzapfen  darreicht, 
1846  aus  demNachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  erworben. 
2841.    L.  33/V'. 

Wie  man  der  Gottheit  ganze  Figuren  mit  Opfergaben  als 
Weihgeschenk  darbrachte,  so  giebt  es  auch  blosse  Hände  und 
Arme  mit  Opfergaben,  die  gewissermaassen  als  abgekürzte 
Figuren  zu  betrachten  sind.  So  kommen  Hände  mit  einer 
Opferschale  vor-),  oder,  wie  unsere,  mit  einer  Gabe.  Man  er- 
kennt deutlicli  einen  Pinienzapfen  und  denkt  daher  zunächst 
an  ein  Weihgeschenk  für  Cybele,  wenngleich  der  Pinienzapfen 
auch  anderen  Göttern  heilig  war. 

Vgl.  Rhein.  Jahrb.  XXV,  p.  179  tf. 

Votivtäfelchen. 

Die  Weihgeschenke,  die  man  in  die  Tempel  stiftete,  wur- 
den oft,  wenn  es  ihre  Beschaifenheit  möglich  machte,  an  den 
Wänden  aufgehängt.  Um  aber  den  Namen  des  Gebers  der 
Erinnerung  aufzubewahren,  fügte  man  ein  kleines  Broncetäfel- 
chen  eigener  Form  hinzu.    Es  besteht  aus  einer  viereckigen, 


^)  Jahn  spricht  p.  105  von  dem  Messer  als  Symbol  des  phrygischeii 
Cultns,  allein  es  ist  ein  Opfermesser  in  der  bekannten  römlschea  Form 


dargestellt. 


-)  Wie  bei  Caylus  Recueil  V,  pl.  90,  3.  4  der  aber  die  sehr  präcis 
charakteriöirte  Opferschale  für  einen  Kuchen  erklärt. 


Die  Amulele.  285 

für  die  Inschrift  bestimmten  Tafel,  an  welche  sich  jederseits 
eine  Handhabe  anschliesst;  um  das  Täfelchen  anfassen  und  be- 
quemer lesen  zu  können.  Unzählige  Male  ist.  diese  Form  zur 
Umrahmung  von  Inschriften  benutzt,  auch  da  wo  die  Hand- 
liaben  gar  keinen  praktischen  Zweck  mehr  haben. 

Die  Täfelchen  haben  oben  und  unten  eine  Oese.  In  jenes 
fasste  die  Kette,  an  welcher  das  Ganze  aufgehängt  wurde,  in 
dieses  die  Kette,  an  welcher  der  geweihte  Gegenstand  hing. 
Vgl.  Mus.  borb.  IV,  tav.  29,  wo  ein  solches  Ganze  erhalten  ist. 

1335.  Votivtäf  eichen  von  schöner  Arbeit.  Aelt.  Samml. 

X.  4.    H.  21/V'.    L.  31/4". 

Die  Inschrift  ist  mit  Silber  eingelegt  und  lautet:  Maiti 
et  Fortunae  C.  Alfidius  Secundus,  Miles  Coh.  XVII.  d.  d. 

Gewiss  hingen  Waffen  an  diesem  Täfelchen,  die  von  dem 
genannten  Soldaten  dem  Mars  und  der  Fortuna  geweiht  wurden. 

1336.  Desgl.  aus  der  Samml.  Bartholdy.  D.93.  L.A^j^". 
H.  2^k''. 

Die  Inschrift  lautet  Ebilia  Cupido  v(otum)  lib(ans),  und 
wiederholt  sich  auf  der  anderen  Seite  mit  dem  Zusatz  /F/V 
den  wir  nicht  verstehen. 

1336*-  Desgl.  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844 
erworben.    2764.    Die  Inschrift  lautet; 

B.  AED 

IMMVl^IS 

GARBO. 


C.  Amulete. 

Die  Furcht  vor  dämonischen  Einflüssen,  die  Quelle  alles« 
Aberglaubens  im  Alterthum,  rief  das  Bedtirfniss  nach  Talis- 
manen und  Schutzsymbolen  hervor.  Manche  derselben  bot  die 
Natur,  namentlich  die  Steine,  die  man  nach  ihren  zum  Theil 
wunderbaren  Eigenschaften  seit  ältester  Zeit  mit  magischen 
Kräften  ausstattete,  andere  sind  edler  gedacht,  indem  sie  das^ 
ethische  Gebiet  berühren,  wohin  namentlich  die  kleinen  Götter- 
bilder gehören,  die  man  als  Unterpfänder  göttlichen  Schutzes 
bei  sich  trug.  Bekannt  ist,  dass  Sulla  ein  goldenes  Figürchen 
des  Apollo  in  allen  Schlachten  bei  sich  im  Busen  trug,  (Phit. 
Sulla  c.  29)  und  viele  kleine  Götterbildchen  haben  sich  er- 


286  ^'®  Amulele. 

halten,  deren  Bestimmung  als  Amulet  man  aus  ihrer  Kleinheit 
und  aus  dem  Ring,  mit  dem  sie  an  der  Hinterseite  zum  Auf- 
hängen eingerichtet  sind,  erkennt.  Die  grosse  Menge  der  er- 
haltenen Amulete  aber  ist  widerwärtig,  es  sind  die  Schutzmittel 
gegen  den  bösen  Blick. 

Es  kam  nämlich  darauf  an,  den  Blick  des  Neides  und  der 
Missgunst,  den  Jeder  zwar  nicht  als  dämonisch  wirksam,  aber 
doch  wenigstens  als  eine  unangenehme  Empfindung  fühlt,  auf 
alle  Weise  von  den  Sachen  und  Personen,  die  man  schützen 
wollte,  abzuwehren.  Und  hier  bediente  man  sich  mit  Vorliebe 
eines  Mittels,  das  statt  eingebildeten  Schaden  abzuwehren, 
grossen,  wirklichen  Schaden  stiftete,  man  hing  den  schutzbe- 
dürftigen Dingen,  insbesondere  auch  den  Kindern,  die  des 
Schutzes  besonders  bedürftig  schienen,  derbe  Obscönitäten  zum 
Theil  aus  den  Sitten  des  Pöbels  genommen,  als  Amulete  um. 
Wir  dürfen  freilich  nicht  vergessen,  dass  gerade  in  allen  Be- 
ziehungen des  geschlechtlichen  Lebens  der  schneidendste  Gegen- 
satz zwischen  antiker  und  christlicher  Anschauung  besteht, 
ein  Gegensatz,  den  aucli  die  edelste  griechische  Poesie  nicht 
verleugnete,  und  den  die  antike  Religion  zum  Theil  sanctionirte, 
indem  sie  obscöne  Symbole  in  einigen  Culten  zuliess. 

So  werden  wir  uns  nicht  wundern  dürfen,  wenn  wir  als 
beliebteste  Amulete  den  Phallus  und  die  Fica,  eine  noch  jetzt 
in  Unteritalien  übliche  obscöne  Geberde  finden.  Ausserdem 
ist  der  Stierkopf  nicht  selten,  entweder  für  sich  allein  oder  in 
Verbindung  mit  jenen.  Er  soll  noch  jetzt  in  gewissen  Gegenden 
als  Vogelscheuche  gebraucht  werden,  und  wurde  vermuthlich 
wegen  seiner  schreckenerregenden  Erscheinung,  ähnlich  wie 
das  Medusenhaupt,  als  Amulet  gebrauclit. 

Die  gewöhnliche  Form  derjenigen  Amulete,  die  von  Per- 
sonen getragen  wurden,  ist  natürlich  einem  Halsschmuck  nach- 
gebildet, es  ist  nämlich  eine  der  Mondsichel  ähnliche  Form, 
an  welcher  sich  unten  und  an  den  beiden  Spitzen  Ringe  be- 
finden, um  etwas  hineinzuhängen.  Ein  vollständig  erhaltenes 
Exemplar  zeigt,  dass  diese  Anhängsel  nur  Bommeln  in  Gestalt 
grosser  Perlen  waren.  Man  kann  daraus  auch  abnehmen,  dass 
diese  Amulete  nicht  etwa  versteckt,  sondern  ganz  offen  me 
jeder  andere  Halsschmuck  getragen  wurden.  Man  trug  ja  auch 
dieselben  Obscönitäten  als  Ohrringe,  wo  sie  nicht  versteckt 
werden  konnten. 

Die  für  Personen  bestimmten  Amulete  sind  ziemlich  klein 
und  reliefartig  gebildet,  so  dass  sie  auf  der  Rückseite  platt 


Die  Thiere  und  menschlichen  Figuren  als  Anmiete.  287 

sind.  Daneben  giebt  es  auch  grössere  und  ganz  rund  gearbeitete 
Phalli,  die  an  Sachen  aufgehängt  wurden.  Sie  sind  zum  Theil 
phantastisch  ausstaffirt,  indem  sie  mit  Flttgeln  und  Thierfüssen 
versehen  sind.  Die  Ringe,  die  sich  an  ihrem  unteren  Rande 
befinden,  enthielten  in  Ketten  hängende  Glocken  nach  dem 
Volksglauben,  dass  Gespenster  durch  Glocken  vertrieben 
werden. 

Vgl.  0.  Jahn  a.  a.  0.    Die  Phalli  sind  übrigens  in   altischeii  Gräbern 
nicht  seltener  als  anderswo.     Vgl.  bull.  1862  p.  147. 


a.  Thiere  und  menschliche  Figuren  als  Amulete. 

1337—1339.  Drei  Stierschädel,  die  vermuthlich  alle 
drei  an  irgend  einem  Geräth  befestigt  waren.  Einer  derselben 
ist  mit  einer  Binde  behangen,  nach  Art  eines  heiligen  Geräths. 
Man  findet  übrigens  Stierschädel  und  Stierköpfe  gleichmässig 
als  Amulet  gebraucht,  doch  ist  ersteres  gewiss  das  Ursprüng- 
liche, weil  Natürliche,  n.  1338  ist  aus  der  Sammlung  Koller. 
266.    H.  von  l»/^"  bis  ö^/s"- 

1339^^-  Stierkopf  mit  einem  Ring  zum  Anhängen.  Aus 
der  Samml.  Bartholdy  C.  120. 

1339*-  Heuschrecke,  in  den  Ruinen  des  Didymaeum 
von  Prof.  Ross  gefunden,  aus  dessen  Nachlass  sie  1860  er- 
worben ist     3418.    'y*  lang. 

Die  Heuschrecke  galt  als  Amulet;  selbst  auf  der  Akro- 
polis  von  Athen  befand  sich  eine  Heuschrecke  in  diesem  Sinn, 
die  von  Pisistratus  gestiftet  war.  Der  Grund  ist  wohl  der,  dass 
man  die  Heuschrecke,  die  auch  Prophetin  hiess,  zu  Wahr- 
sagungen benutzte,  ihr  mithin  geheimnissvolle  Kräfte  beilegte. 

Vgl.  Ross,  Archaeol.  Aufs.  I,  209  und  Jahn,  Ueber  den  Aberglauben 
des  bösen  Blicks  in  den  Ber.  d.  kön.  sächs.  Geselisch.  der  Wissensch. 
V.  J.  1855  p.  36.  37. 

1339^-  Zwei  kleine  Frösche  je  auf  einem  hohlen 
Cylinder  liegend,  die  wahrscheinlich  als  Glieder  einer  Kette  an 
einander  gereiht  waren,  aus  Argos.    1869  gekauft.    3600. 

Die  Frösche  spielen  noch  jetzt  eine  Rolle  im  Volksaber- 
i;lauben. 

Vgl.  Jahn  a.  a.  0.  p.  99. 


288  ^^^  obscönen  Amiilete. 

1339«-  Kleine  Schildkröte  ausMegara,  1869  gekauft. 
3599. 

Die  Schildkröten  sollten  nach  Angabe  des  Plinius  gegen 
Gift  helfen. 

Vgl.  Jahn  a.  a.  0.  p.  99. 

1339^-  Ein  kleines  Figürchen  mit  jugendlichem  Grc- 
sieht,  die  Arme  über  der  Brust  kreuzend,  wie  in  flehender 
Geberde,  unten  in  die  obscöne  Geberde  der  Fica  auslaufend. 
Hinten  ein  zerstörter  Ring  zum  Anhängen.  Aus  Pompeji.  Mit 
dem  RöseVschen  Nachlass  1844  erworben.    2750.    L. 

Ich  habe  solch  ein  Figürchen  sonst  unter  den  Anmieten 
noch  nicht  gesehen,  vielleicht  ist  es  ein  um  Schonung  bittendes^ 
Kind. 

1339^-  Kleine  Figur  des  Harpokrates,  unten  in  die 
Geberde  der  Fica  auslaufend,  hinten  mit  einem  Ring  versehen. 
Ebendaher  und  aus  derselben  Sammlung.    2751.    L. 

Es  wird  unten  bei  den  Statuetten  des  Harpokrates  Aehn- 
liehe s  aufgeführt  werden. 

1339^-  ^'  Zwei  kleine  Knabenfiguren,  hinten  mit  einem 
Ring  versehen,  der  bei  dem  einen  nicht  mehr  ganz  erhalten.. 
Diese  Knaben  bedecken  mit  der  einen  Hand  den  Mund,  mit 
der  anderen  die  hintere  Oeffnung  des  Körpers,  damit  el)en  von 
ihnen  kein  unzeitiger  oder  störender  Laut  ausgehe.  Der  Be- 
trachtende wird  dadurch  seinerseits  zu  demselben  Verhalten 
aufgefordert  und  eben  darin  liegt  die  Wirkung  des  Amulets- 
Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    110.  111. 

Vgl.  0.  Jahn  a.  a.  0.  p.  49. 

1339^-  Nackte  weibliche  Figur,  wie  es  scheint  Brüste 
und  Scham  mit  den  Händen  bedeckend.  Ganz  barbarisch.  Mit 
einem  Ring  auf  dem  Kopfe.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  c.  a» 
66.  22. 

b.  Obscöne  Amulete. 

1340.  Einfacher  Phallus  mit  Ring  zum  Aufhängen. 

1340*-  Desgl.  Bei  Cleve  gefunden.  Aus  der  Sammlung^ 
Minutoli.    R.  14. 


Die  obscöneu  Amulete.  289 

1341.  Desgl.,  oben  durchbohrt  Diese  beiden  Phalli 
könnten  auch  Weihgeschenke  von  Leuten  sein,  die  an  den  Ge- 
schlechtstheilen  litten. 

1342—135»-  Fünf  desgl.,  ithyphallisch.  Samml.  Minu- 
tolL  R^- 18.  Samml.  Koller  679.  Bartholdy  C.  103.  Aus  dem 
Nachlass  des  Obristlieut.  Schmidt  1846  n.  2873*-  Aus  Ger- 
hardts Nachlass  1869  erworben.    108. 

1346.  Desgl.,  von  derselben  Form. 

1346*-  Desgl.,  an  einer  kleinen  Kette  mit  Ring  hängend. 
Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.    105. 

1347.  Desgl.,  aus  sichelförmigem  Anhängsel  sich  erhebend. 
Aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  1846  er- 
worben.   2873. 

1348.  1349.  Zwei  desgl.,  ganz  übereinstimmend.  Aus 
Herappel.    SammL  Böcking  637^- 

1350.  Einfacher  Phallus,  von  einem  sichelförmigen 
Körper  herabhängend,  mit  drei  Bommeln  verziert  An  diesem 
Exemplar  sieht  man,  dass  die  leeren  Löcher,  die  sich  an  so 
vielen  Phallen  befinden,  ursprünglich  mit  Bommeln  ausgefüllt 
waren. 

1351.  Doppelphallus. 

1352 — 1354.  Ein  mittlerer  Phallus  von  je  einem 
ithyphallischen  an  den  Seiten  umgeben. 

1355.  Ring,  an  welchem  drei  Ketten  hängen,  von  welchen 
eine  einen  einfachen,  die  andere  einen  doppelten  aber  abge- 
brochenen Phallus  trägt.  Die  dritte  Kette  ist  nicht  ganz  er- 
halten.   Aelt  SammL  R^-  7. 

1356 — 1358.  Ein  mittlerer  Phallus  umgeben  von 
einem  ithyphallischen  einerseits  und  einer  obscönen  Geberde 
(der  sogenannten  Fica)  andererseits.  Dies  ist  die  gewöhnlichste 
Form  des  Amulets.    Aelt  Samml.  R.  9.  19.  20. 

1359—1363.  Fünf  desgl.,  aus  der  SammL  Koller.  667. 
668.  670.  671.  673. 

Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke,  n.  Xg 


290  ^iß  obscönen  Amulete. 

1363*'  Desgl.,  aus  Gerhardts Nachlassl869erworben.  104. 

1364 — 1373.  Zehn  desgl.,  zum  grossen  Theil  aus  der 
alt.  Sammlung. 

1374.  Desgl.,  mit  einer  Kette,  um  an  Sachen,  nicht  au 
Personen  aufgehängt  zu  werden. 

1375.  1376.  1376*- Drei  desgl.,  verstümmelt,  der  letztere 
aus  Gerhardts  Nachlass  106. 

1377.  Phallus  und  Fica,  ohne  den  mittleren  Phallus  mit 
einander  verbunden.    Aelt  Samml.  R.  13. 

1378.  Desgl.,  aus  der  Samml.  Koller  672. 

1378*-  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869erworben.  107. 

1378^-  Ein  Bündel  von  sieben  phallischen  Amu- 
leten,  zwei  aus  der  Sammlung  Koller  665.  678,  eins  aus  der 
Sammlung  Minutoli  und  bei  Cöln  gefunden. 

1379.  Stierkopf — von  dem  oben  die  Rede  war,  in  Ver- 
bindung mit  Phallus  und  Fica.    Samml.  Koller  674. 

1380.  Stierkopf  mit  drei  Phalli.  Samml.  Bartholdy 
C.  12. 

1381.  Desgl.,  fragmentirt.    Aelt.  Samml.  R.  8. 

1382.  Phallus,  gleichsam  personificirt,  indem  man  ilmi 
Beine  angefügt  hat  und  zur  Bezeichnung  seiner  Begier  Flügel. 
Aus  der  alt.  Samml. 

1383.  Desgl.,  ganz  ähnlich,  aus  der  Samml. Koller  680. 

1384.  Seltsame  Verbindung  mehrerer  Phalli  in  der 
Art,  dass  das  Ganze  die  Gestalt  eines  Vogels  hat  1851  bei 
einem  hiesigen  Kunsthändler  gekauft.    2981. 

1385.  Kleine  Muschel,  in  der  Spitze  durchbohrt,  um 
angehängt  zu  werden. 

Gewisse  Muscheln  wurden  wegen  ihrer  Aehnlichkeit  mit 
der  weiblichen  Scham  in  demselben  Sinn  wie  der  Phallus  als 
Amulet  gebraucht 

Vgl.  0.  Jahn,  lieber  den  Aberglauben  des  bösen  Blicks  p.  80. 


Die  Zaubemäg^el.  291 

1385^- ^-  Zwei  desgl.,  eine  grössere  und  eine  kleinere, 
beide  aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.    213.  63. 

1385°-  Priapischer  Kopf  mit  einem  Phallus  darunter 
und  einem  Ring  zum  Aufhängen  darüber.  Aus  der  alt.  Samml. 

H.  2  Vi  2''. 

1380^'   Desgl.,  ganz  ähnlich.    Aus  der  Samml.  Koller 
682.    H.  l5/e". 

1385®'  Muschel  in  natura.  Oben  durchbohrt.  Aus  Ger- 
hardts Nachlass  erworben. 


c.  ZaubernägeL 

Mit  Nägeln  ist  im  Alterthum  vielfach  Zauber  getrieben, 
der  noch  jetzt  nicht  ganz  verschwunden  ist.  Einen  Nagel  ein- 
schlagen, galt  als  wirksames  Mittel  in  Noth  und  Krankheit, 
Nägel  wurden  den  Todten  als  schützendes  Amulet  in's  Grab 
gelegt*).  Dazu  genügte  schon  der  einfache  Nagel,  oft  aber 
fügte  man  noch  eine  Zauberformel  hinzu,  um  die  Kraft  des 
Amulets  noch  wirksamer  zu  machen.  Wir  gestehen,  dass  wir 
den  psychologischen  Grund  für  diesen  mit  dem  Nagel  getriebenen 
Aberglauben  nicht  anzugeben  vermögen. 

In  den  Formeln,  mit  denen  die  Nägel  bedeckt  sind, 
spielen  namentlich  der  Gott  der  Basilidianer,  Jao  Sabaoth,  und 
auch  König  Salomo  eine  Rolle,  welcher  letztere  als  weiser 
König  für  alle  magischen  Künste  des  Mittelalters  von  Bedeu- 
tung war. 

Vgl.  Jahn  a.  a.  0.  p.  107  ff.  und  Henzen  im  bull.  1849,  p.  11. 

1386.  Zaubernagel,  4'/8"  ^^^Sf  ^-^s  der  Sammlung  Bel- 
lori.    H.  2. 

Die  vier  Seiten  dieses  Nagels  sind  mit  folgenden  In- 
schriften bedeckt: 


*)  Gewöhnlich  rühren  die  Nägel,  die  man  in  den  Gräbern  findet, 
von  dem  zerfallenen  Holzsarge  her.  Ein  ganz  sicheres  Beispiel  des 
Gebrauchs  als  Amulet  geben  die  von  Bamonte,  le  antlchitä  pestane  p.  77 
beobachteten  pästanischen  Gräber,  wo  sich  in  den  gläsernen  Todtenurneu 
regelmässig  ein  Nagel  findet. 

19* 


292  I^ic  Zaubernägel. 

1)  0PYGEYI  QOiiCüA. 

2)  FfH8  ß88  iSHE  B^  ITT  von  r.  nach  1. 

3)  ANSlXBIBIQYIIEQSiN 

CKEnriEiTiPH  r 

4)  TOYGOuiSlMONE 

Lesbar  ist  von  diesen  Formeln  nichts,  nur  steckt  vielleicht 
in  n.  4  der  Name  Salomo's,  der  anch  auf  zwei  anderen  der- 
artigen Nägeln  vorkommt  and  zu  Beschwörungen  benutzt  wurde. 

1387.  Desgl.;  4^2"  lang.  Aus  derselben  SammL    H.  3. 

Auf  den  vier  Seiten  dieses  Nagels  sind  römische  Zahl- 
zeichen eingegraben  I,  X  und  Y  in  bunter  Zusammensetzung. 
Vermuthlich  ist  dies  nur  eine  bedeutungslose  Verzierung,  da 
sie  auch  auf  anderen  Geräthen  nicht  selten  vorkommt 

Vgl.  Gozzadini,  di  una  aDtica  necropoli  a  Marzabotto  nel  Bolognese 
1865  p.  55. 


.  I 


Y.  Theile  von  Gerätlieii,  Henkel,  Griffe, 
Beschlag  und  Aelinliclies, 

1)  Henkel  von  Gefässen. 

In  allen  Museen  befinden  sich  viele  Henkel  ohne  die  zu- 
gehörigen Gefässe.  Der  Grund  ist  dieser,  dass  der  dünn  ge- 
triebene Bauch  der  Gefässe  der  Zerstörung  nicht  so  widerstand, 
wie  die  dicken,  gegossenen  Henkel.  Vom  Hals  der  Vase  hat 
sich  manchmal  ein  Stück  am  Henkel  erhalten,  weil  der  Hals 
dicker  zu  sein  pflegt,  als  der  Bauch. 

Hinsichtlich  der  tektonischen  Principien,  die  bei  der  Bil- 
dung des  Henkels  maassgebend  waren,  begnügen  wir  uns  hier 
mit  wenigen  Bemerkungen.  Besonders  beachtenswerth  scheint 
uns,  dass  die  höchste  Ausladung  des  Henkels  der  Regel  nach 
nicht  über  die  höchste  Ausladung  des  Bauches  hinausgeht.  Der 
Henkel  sitzt  gewöhnlich  so  am  Gefäss,  dass  seine  Ausladung 
in  einer  Einziehung  des  Gefösses  beginnt,  folglich  in  derselben 
Orenze  mit  der  Ausladung  des  Bauches  bleibt.  Und  eben  darin 
liegt  eine  Hauptschönheit  antiker  Geräthe.  Der  Henkel  steht 
nicht  ab  vom  Gefäss,  er  isolirt  sich  nicht,  sondern  bleibt  in 
dem  Zusammenhang  des  Ganzen.  Zu  den  schönsten  antiken 
Henkeln  gehören  die  Henkel  der  Weinkannen,  die  auf  der 
Ausbauchung  des  Gefässes  aufsetzen  und  dann  schmal  und 
hoch,  immer  in  der  Grenze  des  Gefässprofils  bleibend,  in  sanft 
geschwungener  Linie  aufsteigen. 

Dass  die  Form  der  Henkel  nach  dem  Zweck  der  betreffenden 
Gefässe  variirt,  ist  ohne  Weiteres  klar.  Man  erkennt  sofort 
aus  der  Form  der  Henkel,  ob  es  bei  dem  Gebrauch  des  Ge- 
fässes wesentlich  aufs  Heben  oder  aufs  Ausgiessen  u.  s.  w.  ab- 


294  Die  Henkel  von  Anophoreu. 

gesehen  war.  Wir  erwähnen  nur  ein  Beispiel,  nämlich  die 
Henkel  einhenkliger  Ausgussgefässe.  Hier  und  nur  hierher 
gehören  die  Henkel,  die  auf  der  Höhe  ihrer  Krümmung  eine 
vortretende  Verzierung  haben,  welche  den  praktischen  Zweck 
hat,  dem  Daumen  als  Stütze  zu  dienen  und  somit  ein  festeres 
Halten  des  Gefässes  beim  Ausschenken  zu  ermöglichen. 

Von  der  ornamentalen  Behandlung  des  Henkels  ist  schon 
in  der  allgemeinen  Einleitung  die  Rede  gewesen,  hier  fügen 
wir  noch  hinzu,  dass  kein  Volk  in  dieser  Beziehung  so  weit 
geht,  wie  die  Etrusker.  Henkel  in  Form  von  Figuren,  kleine 
Figuren  am  Henkelauslauf  auf  dem  Gefässrande,  überhaupt  ein 
Reichthum,  manchmal  eine  UeberfüUung  mit  kleinem  Schmuck 
ist  den  Etruriern  eigen,  während  die  Griechen  entschieden 
einfacher  und  strenger  verfahren.  Als  eine  römische  Eigen- 
thümlichkeit  verdienen,  wenn  wir  nicht  irren,  die  Reliefver- 
zierungen auf  der  ganzen  Fläche  des  Henkels  hervorgehoben 
zu  werden. 

A.  Feste  Henkel. 

1)  Henkel  von  Amphoren. 

1388  u.  1388*-  Ein  Paar  Amphorenhenkel,  aufs  Heben 
berechnet,  folglich  an  einem  krukenartigen  Gefäss  angebracht 
zu  denken.    Aus  der  Sammlung  Koller  446.    L.  ß^/^"- 

Der  bügeiförmig  gestaltete  Henkel  läuft  an  jeder  Seite 
in  eine  bärtige  Maske  aus,  die  nach  Stierhörnern  und  Stier- 
ohren für  Achelous  erklärt  werden  muss,  dessen  Maske  öfter 
als  Amulet  vorkommt,  wie  sie  auch  hier  gedacht  ist.  Die 
Masken,  die  in  schönem  griechischen  Stil  ausgeführt  sind, 
haben  eine  Fütterung  von  Blei,  um  etwaigen  Beschädigungen 
zu  widerstehen. 

1389.  Henkel  von  einem  ganz  ähnlichen  Gefäss.  Aus 
Corneto.    D.  528.    L.  Ö^/^". 

Am  Henkelschluss  sind  Sileusköpfe  in  getriebener  Arbeit 
dargestellt.    Etruscisch. 

1390.  Desgl.,  mit  einer  Palmette  am  Henkelschuss» 
L.  4V.>". 

1390**  Desgl.,  ganz  einfach,  1856  von  HeiTn  Consul 
Spiegelthal  in  Smyrna  eingesandt.    3098. 


Die  Heukel  von  Schalen.  295 

1391  u.  1391*-  Henkelpaar,  bügelfönnig  gestaltet  und 
jederseits  in  eine  Hand  auslaufend,  die  das  Gefäss  gleichsam 
umfasst.  Etruscisch.  1851  von  einem  hiesigen  Kunsthändler 
gekauft.    2983*-  ^-    L.  8". 

1391^-  Einzelner  Henkel  mit  demselben  Motiv.   L.  3" 

1392  u.  1392*-  Reichverziertes  volutenförmiges 
Henkelpaar  von  einem  grossen,  wie  ein  Krater  gestalteten 
Gefäss.    Aus  der  Samml.  Koller  445.    H.  5^1^". 

Diese  Henkel  sind  interessant  wegen  ihrer  Uebereinstim- 
mung  mit  den  Henkeln  der  grossen  unteritalischen  Thonvasen 
und  zeigen  eben,  dass  die  letzteren  nach  Bronce  copirt  sind. 


2)  Henkel  von  Schalen. 

1393  u.  1393**  Henkelpaar  von  einer  grossen  Schale. 
Der  Henkelschluss  sass  unmittelbar  am  Rand  des  Gefässes, 
nach  welchem  er  sogar  beschnitten  ist,  und  hat  eine  palmetten- 
ähnliche  Verzierung.    Aus  der  Samml.  Koller  437.    L.  7". 

1394  u.  1394%  1395  u.  1395»,  1396  u.  1396»-  Drei 
Henkelpaare,  von  grossen  Becken  herrührend,  mit  Rosetten 
am  Henkelschluss,  die  Henkelplatte  getragen  vom  knospen- 
förmig  auslaufenden  Henkel  und  verziert  mit  dem  Eierstab. 
Griechisch.  Aus  der  Samml.  Koller  439 — 441.  Höhe  von  2" 
bis  2V2" 

Ob  die  beiden  grössten  ein  Paar  gebildet  haben,  ist  uns, 
da  sie  im  Maass  nicht  unerheblich  differiren,  zweifelhaft. 

1397.  Aehnliches  Henkelpaar,  nur  ohne  alle  Ver- 
zierung.   Aus  der  Samml.  Koller  442.    H.  2^1 2*'* 

1398  u.  1398"-  Henkelpaar,  das  über  den  Rand  des 
Gefässes  emporragte  und  in  Löwenköpfe  ausläuft.  Etruscisch. 
1841  durch  Prof.  Gerhard  angekauft.    2676*-  ^-    H.  3. 

1398^-  Henkel  einer  grösseren  Schale,  woran  ein  Stück 
des  Gefässrandes  erhalten.    Samml.  Koller  482. 

1399.  Henkel  von  einer  Trinkschale,  bereits  etwas 
manierirt  geschweift.    Aus  der  Samml.  Koller  502.    L.  2". 


296  I^i®  Henkel  vou  einhenkligen  Ausgussgefasseo. 

1400.  Desgl.^  ganz  übereinstimmencL  Aus  dem  Nachlass 
des  Prof.  Rösel  1844  erworben.    2795^-   L.  2^1^". 

1400*-  Desgl.;  fragmentirt. 

1400^-  Desgl.,  ähnlich. 

3)  Henkel  von  einhenkligen  Ausgussgefässen. 

1401.  1402.  Zwei  ganz  übereinstimmende  Henkel, 
mit  Palmette  am  Schluss,  über  welcher  sich  zwei  Schlangen 
erheben.    1843  gekauft.    2723»-   H.  71/2". 

Die  Schlangen  finden  sich  in  der  etruscischen  Tektonik 
sehr  oft  an  dieser  Stelle.  Sie  waren  ein  passendes  Mittel,  um 
einen  Schnörkel  organisch  auslaufen  zu  lassen.  Uebrigens 
könnten  diese  beiden  Henkel  auch  wohl  an  einem  und  dem- 
selben Gefäss  gesessen  haben. 

1403.  Desgl.,  ganz  ähnlich,  etruscisch.  Aus  Gerhardts 
Samml.  1869  erworben.    201.    H.  6^2 "• 

1404.  Desgl.,  mit  demselben  Schluss*  Oben  ein  Lföwen- 
kopf  von  zwei  Affenköpfen  umgeben.  Etruscisch.  Aus  der 
Samml.  Koller  455.    H.  5V2". 

1405.  Desgl.,  mit  demselben  Schluss.  Oben  ein  Löwen- 
kopf von  zwei  fast  vollständig  ausgeführten  Löwen  umgeben. 
Etruscisch.    Ebendaher  451.    H.  4^/4". 

1406.  Desgl.,  oben  ganz  übereinstimmend,  während  unten 
zu  beiden  Seiten  der  Palmette  ein  Widder  herausspringt  von 
denen  einer  fragmentirt  ist.  Etruscisch.  Aus  Gerhardts  Samml. 
1869  erworben.    202.    H.  31/3 "• 

1407.  Desgl.,  am  Schluss  mit  Palmette  und  einer  sichel- 
förmigen Verzierung  darüber.    Etruscisch.    H.  6". 

1408.  Desgl.  am  Schluss  ein  Kopf,  von  dem  die  Schlangen 
allerdings  ganz  unorganisch  ausgehen.  Oben  wieder  ein  mensch- 
licher Kopf,  umgeben,  wie  es  scheint,  von  Affenköpfen.  Alt- 
etruscisch.  1841  durch  Prof.  Gerhard  angekauft.  2681. 
H.  5''. 

1409.  Desgl.,  1851  von  dem  hiesigen  Kunsthändler 
Marguier  angekauft.    2980.    L.  9". 


Die  Henkel  von  einhenkligen  Ausgussgefassen.  297 

Am  Henkelschluss  eine  Harpyie  oder  Sirene,  nach  orienta- 
lischer Weise  mit  vier  Flügeln,  die  von  der  Vorderseite  des 
Körpers  ausgehen.  Oben  zwei  schwer  bestimmbare  Thiere, 
etwa  Leoparden.    Etruscisch. 

1410.  Desgl.,  als  Schluss  eine  Thierklaue,  oben  ein  Thier-, 
etwa  Tigerkopf,  von  zwei  Delphinen  mngebeii.  Etruscisch. 
1841  von  Prof.  Gerhard  gekauft.    2682.    H.  öV^". 

1411.  Desgl.,  am  Henkelschluss  eine  nackte  geflügelte 
Frau,  mit  Kreuzbändern  über  der  Brust,  einer  auf  spätetrus- 
cischen  Spiegeln  häufig  vorkommenden  Göttin  entsprechend. 
L.  6V.". 

1412.  Desgl.,  mit  künstlichem  Henkelschluss.  Die  unterste 
Spitze  bildet  eine  Muschel,  über  welcher  sich  kreisförmig  zwei 
Delphine  erheben,  in  deren  Zwischenraum  ein  Wolf  oder  ein 
Hund  mit  halbem  Körper  hineinspringt.  Oben  in  der  Mitte 
springt  ein  Finger  heraus  als  Stütze  bei  der  Benutzung  des 
Gefässes.  1841  von  Prof.  Gerhard  angekauft.  2683.  Etrus- 
cisch.   L.  772"« 

1413.  Desgl.,  mit  einer  bekränzten  und  langlockigen 
Maske  am  Schluss,  die  für  Bacchus  oder  Melpomene  gehalten 
werden  könnte.  Aus  der  Samml.  Koller  456.  Römisch.  L.  4^/4". 

1414.  Desgl.,  mit  Voluten  und  Palmetten  am  Henkel- 
schluss. Es  ist  dasselbe  Ornament,  das  so  oft  zur  Bekrönung 
gebraucht  wird,  z.  B.  bei  Grabstellen,  hier  aber  durch  einfache 
Umkehrung  ebenfalls  seinem  Zweck  entspricht.  Aus  der  Samml. 
Koller  453.    L.  58/4". 

1415.  Desgl.,  mit  Medusenmaske  am  Schluss,  oben  in 
Schwanenköpfe  auslaufend.  1841  von  Prof.  Gerhard  gekauft 
2680.    L.  6". 

1416.  Desgl.,  ähnlich,  nur  ist  die  Maske  anders  und  so 
phantastisch,  dass  sie  schwer  zu  bestimmen  ist.  Ebendaher. 
2679.    L.  6V2". 

1417.  Desgl.,  sehr  ähnlich,  nur  kleiner,  mit  einer  Satyr- 
maske am  Schluss.  Etruscisch.  Aus  Corneto.  Samml.  Dorow. 
535.    L.  3»/8''. 


298  ^i^  Henkel  vou  einhenkligen  Ausgussgefasseu. 

1418.  Desgl.,  ähnlich,  am  Henkelschluss  eine  tragische 
Maske  mit  lang  herabhängenden  Locken.  Aus  der  Sammlung^ 
Bartholdy.    D.  23.    Römisch.    L.  3". 

1419.  Desgl.,  oben  in  Schwauenköpfe  auslaufend,  da- 
zwischen mit  einem  vorspringenden  Blatt  verziert  zum  Hand- 
auflegen, unten  in  ein  einfaches  Blatt  auslaufend.  Komisch. 
Aus  demNachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  1846  erworben^ 
2843.    L.  6V4". 

1420.  Desgl.,  am  Schluss  ein  nach  unten  gekehrter  sich 
öffnender  Blumenkelch.  Aus  der  Samml.  Bartholdy.  D,  24^ 
L.  4%''. 

1421.  Desgl.,  aus  zwei  zusammengeknoteten  Henkeln  be- 
stehend, deren  jeder  sich  mit  einem  Weinblatt  an's  Gefäss  an- 
legt. Auf  der  Stelle  des  Knotens  springt  ein  Finger  hervor^ 
als  Stütze  der  Hand.    Römisch.    L.  4^/2". 

1422.  Desgl.,  altetruscisch,  mit  phantastischem  Henkel- 
schluss, durch  einen  Kopf  gebildet,  der  unten  von  einer  Pal- 
mette, seitwärts  je  von  einer  Schlange  und  oben  von  je  einer 
ausgestreckten  Hand  umgeben  ist.  Oben  Thierköpfe.  1841 
von  Prof.  Gerhard  gekauft.    2678.    L.  6". 

1423.  Desgl.,  altetruscisch,  mit  einem  Rest  des  Gefäss- 
halses.  Am  Henkelschluss  gravirte  Voluten  nebst  Palmette^ 
rechts  und  links  in  Relief  eine  Sphinx.  Oben  Thierköpfe. 
L.  5^4". 

1424.  Desgl.,  sehr  ähnlich.  Nur  das  obere[Sttick  ist  er- 
halten.   Aus  der  Samml.  Koller  486. 

1425.  Desgl.,  ganz  erhalten,  oben  mit  einem  Finger  zur 
Stütze  der  Hand  versehen  und  in  Schwanenköpfe  auslaufend. 
Aus  der  Samml.  Koller  454.    L.  5". 

1426.  Desgl.,  in  zierlichem  römischen  Stil,  der  ganze 
Henkel  wie  eine  Ranke  charakterisirt.  Am  Schluss  eine 
komische  Maske,  deren  Epheukrauz  in  Silber  eingelegt  ist. 
Aus  der  Samml.  Koller  448.    L.  4^/4 ". 

1427.  Desgl.,  altetruscisch,  oben  mit  Thierköpfen,  unten 


^ 


Die  Henkel  von  ^einhenkligen  Ausgussgefässen.  299 

mit   eingeritztem  Voluten-   und  Palmettenornament  verziert. 
L.  4«/^^ 

1428.  Desgl.;  oben  in  unbestimmbare  Thierköpfe  aus- 
laufend, übrigens  nur  zur  Hälfte  erhalten. 

Bisher  wurden  nur  solche  Henkel  aufgeführt,  welche  sich 
oben  in  zwei  Arme  ausbreiten,  die  sich  an  den  Rand  des  Ge- 
fässes  anlegen.  Diese  Henkel  haben  wohl  fast  alle  an  Kannen 
mit  kleeblattförmiger  Mündung  gesessen,  denn  gerade  an  solchen 
Gefässen  ist  diese  Form  des  Henkels  gewöhnlich  und  gewiss 
besonders  anmuthig,  weil  man  bei  der  breiten  Ausladung  der 
Mündung  eine  Vermittlung  zwischen  Henkel  und  Mündung  ver- 
langt. Wo  sich  übrigens  der  Henkel  hoch  bogenförmig  über 
das  Gefäss  emporschwingt,  da  habe  ich  immer  nur  einfachen 
Anschluss  des  Henkels  ohne  Ausläufer  gefunden  und  zu  diesen 
einfacher  gestalteten  Henkeln  einhenkliger  Ausgussgefässe  gehen 
wir  jetzt  über. 

1429.  Henkel  einer  Ausgusskanne,  mit  einer  Sirene,  die 
sich  mit  beiden  Händen  an  die  Brust  schlägt  und  dadurch  un- 
zweifelhaft charakterisirt  ist,  am  Schluss.    Etruscisch.    L.  4". 

1430.  Desgl.,  mit  dem  Voluten-  und  Palmettenornament 
am  Schluss.  Etruscisch,  aus  Corneto.  Sammlung  Dorow  534. 
L.  8''. 

1431.  Desgl.,  mit  demselben  Ornament  am  Schluss,  das 
aber  eingravirt,  nicht  in  Relief  hergestellt  ist.  Samml.  Koller 
449.    L.  4''. 

1432.  Desgl.,  mit  demselben  Ornament.    L.  3^/«". 
1432*-  Desgl.,  ganz  einfach,    Samml.  Koller  452. 

1433.  Desgl.,  mit  einem  Phallus  am  Schluss,  der  das  Ge- 
fäss vor  bösem  Zauber  schützen  soll.  1847  angekauft.  2942. 
L.  6''. 

1434.  Desgl.,  mit  einer  Medusenmaske  am  Schluss.  Oben 
nicht  ganz  erhalten.  Altetruscisch.  1841  von  Prof.  Gerhard 
angekauft.    2677.    L.  7". 

1435.  Desgl.,  am  Schluss  eine  Sirene  mit  vier  Flügeln. 
Oben  abgebrochen.    Aus  der  Samml.  Koller  4G0.    L.  5'V4"- 


300  Figürlich  gestaltete  Henkel. 

1436.  Desgl.,  nicht  so  hoch  geschwungen  wie  die  vor- 
hergehenden Die  Verzierung  am  Schluss  ist  nicht  mehr  genau 
zu  erkennen.    Sammlung  Koller.  450.  L.  4^/4". 

1437 — 1439.  Drei  Henkel,  die  zu  einer  specifisch 
etruscischen  Ausgusskanne  gehörten,  wie  wir  sie  unter  n.  603. 
604  aufgeführt  haben.  Im  Mus.  Gregor.  I,  Taf.  6,  1  ist  ein 
derartiges  Gefäss  abgebildet  und  der  Henkel  desselben  stimmt 
genau  mit  den  unserigen  überein. 

Alle  drei  Henkel  laufen  oben  in  einen  Widderkopf  aus, 
unten  in  eine  viereckige  Platte,  die  den  Etruskem  willkommene 
Gelegenheit  zur  Omamentirung  bot.  Auf  n.  1437  ist  ein  Satyr 
vorgestellt,  der  aus  einem  Löwenkopf  Wasser  in  eine  Amphora 
fliessen  lässt,  auf  n.  1438  wiederholt  sich  beinahe  dieselbe 
Scene,  und  auf  n.  1439  ist,  wie  es  scheint,  eine  auch  auf 
Gemmen  vorkommende  Scene,  nämlich  Skiron  seine  Schildkröte 
fütternd,  dargestellt,  n.  1437  stammt  aus  Cometo  und  der 
Sammlung  Dorow  529,  die  beiden  anderen  sind  aus  Gerhardts 
Nachlass  1869  erworben.  97.  13.  L.  von  7"  bis  7^/4". 

1439*-  Die  Attache  eines  solchen  Henkels,  der 
Henkel  selbst  fehlt.  Es  ist  dieselbe  Scene,  doch  mit  leisen 
Veränderungen  dargestellt,  wie  auf  n.  1439.  Aus  Gerhard's 
Nachlass  1869  erworben.  163. 

1439^-  Desgl.,  mit  einer  geflügelten  und  bekleideten 
Frau  verziert,  die  ein  stabartiges  Geräth  in  der  Hand  hält. 
Stammt  aus  Bomarzo  Aus  Gerhard's  Sammlung  1869  er- 
worben.  164. 

Figürlich  gestaltete  Henkel. 

1440.  Henkel  einer  Ausgusskanne  mit  kleeblatt- 
förmiger Mündung,  in  Form  einer  nackten  männlichen  Figur, 
welche  in  den  Händen  die  Schwänze  der  auf  den  Armen  des 
Henkels  sitzenden  Löwen  hält.  Der  Henkel  ist  altetruscisch 
und  mit  strengster  Symmetrie  componirt.    L.  672"« 

1441.  Desgl.,  von  einem  nicht  näher  bestimmbaren  Ge- 
fäss  in  Form  einer  nackten  Frau,  die  in  nicht  ungraziöser 
Position  ihr  Haupt  mit  dem  linken  Arm,  dessen  Ellenbogen 
an  den  Rand  des  Gefässes  lehnte,  stützt,  während  die  Rechte 
an  die  Hüfte  gelegt  ist.     Die  Beine  sind  übereinander  ge- 


Figürlich  gestaltete  Henkel.  301 

schlagen^  das  Ganze  macht  den  Eindruck  einer  anmnthig  träu- 
merischen Stellung.  Die  Palmette,  mit  welcher  die  Figur  an 
den  Bauch  des  Gefässes  sich  anschloss,  ist  unter  den  Füssen 
derselben  erhalten. 

Eine  Bedeutung  hat  diese  übrigens  in  einer  für  etrusci- 
schen  Geschmack  charakteristischen  Weise  mit  Stiefeln,  Brust- 
und  Halsband  ausstaffirte  Figur  natürlich  ebenso  wenig  wie 
die  eben  erwähnte,  interessant  aber  ist  zu  vergleichen,  wie  in 
diesem  spätetruscischen  Styl  auch  in  tektonischem  Zusammen- 
hang die  Strenge  der  Composition  verschwunden  ist  Aus  Ger- 
hard's  Nachlass  1869  erworben.  346.  L.  5^4". 

1442.  Desgl.,  auch  hier  können  wir  das  Gefäss,  an  dem 
sich  der  Henkel  befand,  nicht  näher  bestimmen,  ja  nicht  ein- 
mal angeben,  ob  der  Henkel  horizontal  als  Griff  eines  Deckels 
oder  vertikal  angebracht  war.  Doch  glauben  wir  das  Letztere, 
weil  dann  die  Omamentirung  besser  zur  Geltung  kommt. 

Der  Griff  wird  nämlich  durch  eine  Gruppe  gebildet,  in 
welcher  ein  Krieger  sich  mit  einer  schwer  gerüsteten  Freundes- 
leiche, die  er  in  knieender  Stellung  über  seine  Schulter  ge- 
worfen, sich  nun  eben  vollends  aufrichten  will.  An  die  Füsse 
der  beiden  Figuren  schliessen  sich  sehr  lange  Zapfen  an,  die 
in  der  Spitze  von  Nieten  durchbohrt  sind,  resp.  waren,  denn 
nur  einer  ist  erhalten. 

Man  hat  diese  Gruppe  Ajax  mit  dem  Leichnam  des  Achill 
getauft,  nach  demPrincip,  überall  einen  Namen  zu  geben,  auch 
wo  keiner  gegeben  werden  kann.*  Dass  der  etruscische  Fabri- 
kant nur  an  die  Angemessenheit  der  Gruppe  für  einen  Henkel 
gedacht  hat,  ist  wohl  an  sich  klar,  ob  aber  ein  etwa  dieser 
Gruppe  zu  Grunde  liegendes  Original  die  obige  Bedeutung  ge- 
habt hat,  ist  eben  etwas  Unbeweisbares,  worüber  also  gar 
nicht  geredet  werden  sollte.  L.  4". 

1442*-  Griff  eines  kesseiförmigen  Gefässes  in  Form 
eines  Greifenkopfes,  der  wild  das  Maul  aufgerissen  hat.  Aelte- 
ster  etruscischer  Styl.  Aus  Corneto.  Sammlung  Dorow.  565. 
H.  5''. 

Dieser  Greif  gehört  zu  einem  Gefäss  von  der  Art  des  im 
Regulini-Galassigrab  in  Caere  gefundenen,  an  welchem  die 
Griffe  ebenfalls  in  Form  von  Thierhöpfen  gebildet  sind  und  in 
derselben  Weise  vorspringen.  Man  hat  dies  altetruscische  Ge- 
fäss öfter  und  mit  Recht  mit  dem  von  Herod.  4,  152  beschrie- 


302  Henkel  von  eimerförmig^en  Gerätheu. 

nen  samischen  Kessel  verglichen,  der  rings  herum  von  yQV7Ciov 
H€q)alal  TTQoxQoaaai  umgeben  war.  Denkt  man  sich  ein  Ge- 
fäss  wie  jenes  etruscische,  mit  Köpfen  von  der  Art  des  unseren 
verziert,  so  wircf  die  Aehnlichkeit  mit  dem  samischen  Gefäss 
vollkommen^  und  wir  erhalten  zugleich  ein  schätzbares  Bei- 
spiel der  üebereinstimmung  zwischen  griechischer  und  etrus- 
cischer  Gefässefabrikation  aus  verhältnissmässig  früher  Zeit. 
Uebrigens  war  unser  Greif  an  seinem  Gefässe  nicht  bedeutungs- 
los angebracht,  er  schützt  es  mit  aufgerissenem  Maul.  Der 
Griff  ist  gegossen  und  fein  und  charakteristisch  ausgeführt 

1442*a-  Aehnlicher  Griff  in  Form  einer  aufgerichte- 
ten ägyptischen  üranusschlange,  ein  interessantes  Stück  für 
den  Einfluss  der  ägyptischen  Kunst  oder  Industrie  in  alt- 
etruscischer  Zeit.  An  der  Brust  war  das  Thier  zum  Theil 
emaillirt.  Auch  dieser  Griff  war  natürlich  ein  Schutzsymbol 
für  das  Geräth.  AusCorneto.  Sammlung  Boro w.  567.  H.  3  V4". 

1442***-  Griff  in  Form  eines  Greifenkopfes  mit  auf- 
gerissenem Maul,  ähnlich  dem  unten  1442*  erwähnten,  aber 
viel  roher.    Aus  der  Sammlung  Koller.   559. 

1442^-  Henkel  eines  Ausgussgefässes  (?)  in  Form 
eines  Pan,  welcher  eine  Syrinx  am  Munde  hat  Die  Attache, 
auf  welcher  die  Figur  steht  hat  die  Form  eines  ausgebreiteten 
Ziegenfelles.    Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    229. 

L.  48/4''. 

1442*^-  Desgl.,  in  Form  eines  eingehüllten  Knaben,  unter 
dessen  Mantel  übrigens  an  falsclier  Stelle  sein  aufgerichtetes 
Geschlechtsglied  zum  Vorschein  kommt.  Man  kommt  daher 
auf  den  Gedanken,  dass  es  nicht  sein  Glied,  sondern  ein  als 
Schutzsymbol  angebrachter  Phallus  sei.  Aus  der  KoUer'scheu 
Sammlung.  457.  H.  Q^jJ*. 

B.  Bewegliche  Henkel. 

1)  Henkel  von  eimerförmigen  Geräthen. 

1443.  Henkel  eines  Eimers,  jederseits  in  einen 
Schwanenkopf  auslaufend,  in  der  Mitte  ein  Ring  zum  Auf- 
hängen.   Aus  Corneto.    Sammlung  Borow.   530.   Burchm.  8". 


..] 


Henkel  von  grossen  Schaalen  und  Aehullchem.  3Q3 

1444.  Desgl.;  in  Blumenknospen  auslaufend,  zusammen 
mit  den  Attachen,  in  die  er  eingriff,  erhalten.  Ebendaher.  Samm- 
lung Dorow.   531.  Durchm.  8  74''« 

1444a.  DesgL,  ganz  übereinstimmend,  nur  fehlen  die 
Attachen.  Ebendaher.  Sammlung  Dorow.  533.  Durchm.  S^g"« 

1445.  Desgl.,  in  einfache  Kn{)pfe  auslaufend,  bei  Gel- 
duba  gefunden.  Durchm.  6".  Sammlung  Minutoli.  I.  6.  L.  6". 

1446.  Desgl.,  Doppelhenkel,  einfach  in  Knöpfe  aus- 
laufend.   Aus  Corneto.    Sammlung  Dorow.   532.    Durchm.  5". 

1446*-  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.  464.  D.  8V2". 

1447.  Eimer henkel  aus  Chiusi,  in  Schwanenköpfe  aus- 
laufend, an  welchen  sich  noch  die  Attachen  in  Form  von  kleinen 
Amoren  befinden.  Der  Henkel  ist  in  der  Spitze  durchbohrt, 
hing  also  an  einer  Kette.  Durch  Prof.  Gerhard  1841  gekauft. 
2684.  Durchm.  7V4". 

1448.  Theil  eines  Eimerhenkels.  Dieses  Stück 
scheint  die  Hälfte  eines  in  zwei  Stücken  gearbeiteten  und  ge- 
rade in  der  Mitte  zusammengeschweissten  Eimerhenkels  zu 
sein.  Es  läuft  oben  in  einen  Zapfen  aus,  der  mit  einer  Tülle 
der  anderen  Hälfte  correspondirt  haben  wird.  Auf  seiner  gan- 
zen Fläche  ist  es  mit  einem  Rebzweig  in  Relief  verziert  und 
läuft  unten  in  einen  Schwanenkopf  aus,  an  welchem  noch  der 
Ring  nebst  Maske  hängt,  wodurch  die  Verbindung  mit  dem 
Gefäss  hergestellt  wurde.  Die  Maske  ist  eine  Silensmaske. 
Römische  Arbeit.  Von  dem  Kunsthändler  Hoffmann  1868  ge- 
kauft, der  es  seinerseits  auf  der  Pulszky'schen  Auction  erwor- 
ben hatte.   3586.  L.  5". 

1448**  Zwei  fragmentirte  Eimerhenkel. 

1448^*  Drei  werthlose  derartige  Henkel,  gross  und 
klein. 

2)   Henkel   von   grossen  Schaalen   und 

Aehnlichem. 

1449  u.  1449*-  Henkelpaar  von  einer  grossen  Schaalö 
oder  Becken  nach  Art  von  n.  590,  wo  ganz  dieselben  Henkel 


304  Attachen. 

vorkommen.  Aus  der  Sammlung  Koller.  443.  Durchm.  L.  4V2"- 
Breit  2^1^". 

1450.  1450*-  Desgl.,  Stücke  des  Gefässes  hängen  noch 
an  den  Attachen,  die  unten  in  eine  Palmette  auslaufen,  an 
ihren  Bändern  aber  von  Schlangen  umsäumt  werden.  Durchm; 
L.  3^8 ".  B.  2^8". 

1451.  Henkel  von  einer  grossen  Schaale,  ebenso  ge- 
staltet wie  n.  1449.  Aus  der  Sammlung  Koller.  489.  Durchm. 
L.  3"    B.  2V8". 

1452 — 1456.  Fünf  ebenso  gestaltete  Henkel  von 
grösseren  und  kleineren  Gefässen.    L.  von  S^/i"  bis  1%". 

1457.  Henkel  zum  Abheben  eines  Deckels,  mit  der 
Attache  erhalten.  Aeltere  Sammlung.  J.  5.  L.  279".  H.  VJ^", 

1458.  Desgl.,  fast  ganz  übereinstimmend.  L.  2^/4". 
H.  I8/4". 

1459.  Desgl.,  ähnlich.    Sammlung  Koller.   473.   L.  3". 

1460.  Desgl.,  die  Attache  nicht  erhalten.  Durchm.  178"- 

1461.  Henkel  von  einem  eckigen  Geräth.  Der 
Henkel  ist  sehr  zierlich  ornamentirt  und  läuft  in  Eichelköpfe 
aus,  von  denen  nur  einer  erhalten.    L.  472"« 

o)  Attachen. 

1462.  1463.  Zwei  Attachen  von  einem  schwebenden 
Geräth,  etwa  einer  Lampe.  Sie  werden  durch  zwei  Enten  in 
schwebender  Stellung  gebildet,  unter  deren  Schnabel  der  Bing 
eingreift,  an  dem  das  Geräth  hing.  Das  Gefäss  ruhte  auf  dem 
Rücken  der  Thiere,  deren  Vorderseite  ganz  frei  gesehen  zu 
werden  bestimmt  war.    Sammlung  Koller.  491. 

1464.  Ein  Attachenpaar  von  einem  Eimer  mit  Doppel- 
henkel,  mit  dem  Voluten-  und  Palmettenornament  verziert 
H.  2V8". 

1465.  DesgL,  einzeln,  von  dem  nämlichen  Geräth,  mit 
einem  Kopf  verziert    H.  2". 


Attachen.  3Q5 

1466.  1466*-  Desgl.,  ein  Attachenpaar  von  einer 
grossen  Schaale,  ganz  wie  das  bei  1450  erhaltene  gestaltet. 
Sammlung  Koller.  471.  H.  3". 

1467.  Attache  einer  grossen  zweihenkeligen  Schaale,  in 
der  Mitte  mit  einem  Kopf  verziert.  Sammlung  Koller."  488.  L.  5". 

1468.  Attache  eines  Deckelgriffes,  ganz  wie  n.  1457  ff. 
L.  28/^". 

1469.  Attache  von  einem  Henkelgefäss,  mit  einem 
Pantherkopf  im  Hautrelief  verziert.  Der-  Ring,  in  welchen  der 
Henkel  eingriff,  ist  nicht  ganz  erhalten.    Etruscisch. 

1470.  Attache  von  einem  Henkelgefäss,  mit  einer  Me- 
dnsenmaske  in  Relief.    Sammlung  Minutoli.   B,  a.  XXIV.  2. 

H.  2V2". 

1471.  Desgl.,  mit  Wtirfelaugen  verziert. 

1472.  Ein  Attachenpaar  von  einem  Eimer  mit  Doppel- 
henkel, verziert  mit  weiblichen  Köpfen  in  Basrelief.  Sammlung 
Koller.   182.  H.  2V4". 

1472*-  Attache  von  einem  eimerförmigen  Geräth,  ganz 
einfach.    Sammlung  Koller.  467. 

1472^-  Desgl.,  in  Form  einer  Schleife,  in  einem  Grabe 
bei  Smyrna  gefunden  und  von  dem  Consul  Spiegelthal  1855 
gesandt.  3099. 

1472*^-  Attache  mit  einem  Theil  des  Henkels,  verziert 
mit  dem  Brustbild  einer  Frau,  etwa  einer  Selene. 

1472^-  Desgl.,  mit  einem  Silenskopf  verziert,  oben  ein 
Ring  für  den  Henkel.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erwor- 
ben.   83. 

1472®-   Desgl.,  mit  Kinderkopf  verziert. 

1472^-  Desgl.,  mit  bärtigem  unkenntlichem  Kopf  ver- 
ziert. 

14728^-  Desgl.,  mit  einem  unbestimmbaren  Kopf  verziert. 
Oben  ein  Zapfen  mit  Loch  für  den  Henkel.    Von  dem  Herrn 

Friederichs,  Berlin^s  Antike  Bildwerke.  II.  20 


306  Attacheu. 

Brassier  de  Saint-Simon,  Gesandten  am  griechischen  Hofe  1845 
eingeliefert.  2823. 

1472^-  Desgl.,  mit  einem  Kopf  verziert,  der  Kopfflügel 
nnd  lange,  spitze  Ohren  hat.  Es  ist  nicht  zu  sagen,  ob  er 
weiblich  oder  männlich  ist.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben. 84. 

1472^-  Desgl.,  in  Form  eines  Bockskopfes.  Ebendaher.  85. 

1472^-  ^'  Bandverzierungen  (?)  eines  Geräthes  mit 
Bocksköpfen  in  der  Mitte.    1852  hierselbst  gekauft.   3048»-  ^• 

1472™-  Attache  mit  einer  Büste  des  Jupiter  verziert. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    (C.  ä.).    H.  i^l^*» 

1472°-  Desgl.,  mit  einer  Pansmaske.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.    C.  29.    H.  2V4". 

1472°-  Desgleichen,  mit  einer Silensmaske,  sehr  leben- 
dig und  gut  gearbeitet.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  28. 
H.  13/,-. 

1472P-  Desgleichen,  mit  einer  epheubekränzten  Silens- 
büste,  aus  einem  Blattkelch  hervorkommend.  B.  a.  XV.  ß.  21. 
Aus  der  Sammlung  Minutoli.    Gefunden  bei  Cöln.    H.  iVa"« 

1472^'  Desgleichen,  mit  derselben  Verzierung.  Aus 
der  älteren  königl.  Sammlung.    B.  a.  XV.  ß.  9.    H.  3^/4". 

1472'-  Desgleichen.  B.  a.  XV.  ß.  8.  Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.    H.  l^j^", 

1472^-  Desgl.,  mit  der  Maske  eines  spitzbärtigen  Silens. 
H.  iVe". 

1472*-  Desgl.,  der  Ansatz  des  Henkels  ist  noch  er- 
halten.   H.  iVö". 

1472"-  DesgL    H.  iVe^ 

1772^-  DesgL,  mit  einer  Medusenmaske  mit  Schlangen 
im  Haar  und  abstehenden  Flügeln.  Oben  daran  ein  Ring.  Aus 
der  Sammlung  Minutoli.    B.  a.  XXIV.  2.    H.  2V2". 


Attachen.  3Q7 

1472^-  Weibliche  Gesichtsmaske,  in  Haar  und 
Schnitt  des  Gesichts,  besonders  auch  in  den  Augen  den  alter- 
thtimlichen  Styl  nachahmend.  Am  Kopf  befindet  sich  ein  Oehr- 
chen,  in  dessen  Loch  noch  Metall  sitzt  und  ein  zweites  ist 
vorn  am  Halse,  dessen  Zweck  nicht  deutlich.  Aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.    C.  18.    H.  iVa". 

1472^-  Jugendliche  Maske,  ein  volles,  fröhliches  Ge- 
sicht. Oben  auf  dem  Kopf  etwas  beschädigt,  auch  ein  Oehrchen 
daran.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  34.    H.  1". 

1472^-  Beliefkopf  mit  langen  Flügeln  zu  beiden  Seiten. 
Oben  ein  Ring.    Aus  der  Sammlung  Koller.    2390.    H.  l^/^". 

1472y-  Maske  mit  kreisförmig  alterthümlicher  Frisur  und 
mit  einem  Flügel  jederseits.  Oben  ein  kleiner  Bing.  Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.    C.  86.    H.  l^/g". 

1472*'  Langgezogener  Kopf,  auf  welchem  wie  ein 
Hut  eine  Ente  oder  dergleichen  sitzt,  ihren  Schnabel  auf  seine 
Stirn  legend.  Unter  dem  Hals  des  Thieres  ein  Loch,  vermuth- 
lich  um  einen  Henkel  oder  dergleichen  aufzunehmen.  Aus  der 
Sammlung  Minutoli.    B.  c.  ß.  15.    H.  iVe''« 

1472*-  '•  Frauenkopf  mit  einem  Ring  oben.  Der  Kopf 
ist  an  einer  Seite  abgeplattet  und  inwendig  hohl.  Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.    C.  61.    H.  l^/ig". 

1472**  2-  Unbärtiger  Kopf  eines  Jünglings,  hohl.  Oben 
auf  dem  Kopf  der  Rest  eines  Ringes  oder  dergleichen.  Aus 
der  älteren  Sammlung.    B,  c.  ß,  9.    H.  1^/g". 

1472^3.  Weibliche  Büste,  in  einen  Fischleib  oder  wohl 
richtiger  einen  Vogelleib  auslaufend.  Oben  auf  dem  Kopf  ein 
Oehrchen.    Aus  der  Sammlung  Koller.    2383.    H.  3^/4". 

1472*-  *•  Kleine,  spitzbärtige  Figur,  zusammen- 
gekrümmt mit  hinaufgezogenen  Beinen  sitzend,  mit  lang  auf 
den  Rücken  herabhängenden  Haaren.  Zu  vergleichen  sind  die 
Silensfiguren  von  der  oben  aufgeführten  etruscischen  Vase  aus 
Birkenfeld.  Diese  Figur  hatte  denselben  Zweck,  nämlich  als 
Abschluss  eines  Henkels  an  einem  Gefässe  angebracht  zu  wer- 
den, daher  auch  die  symmetrische  Haltung  der  ganzen  Figur. 
Aus  der  Sammlung  Koller.    Bronzi  683.  H.  iVe"« 

20* 


308  Griffe  von  Schaalen,  Pfannen  und  anderen  G^räthen. 

1472«^  5.  Unkenntliche  Maske,  man  sieht  noch  den 
Ansatz  des  Henkels. 

1472*- ^-  Desgleichen.  Aus  der  älteren  Sammlung. 
K.  24. 

1472*"'  Desgleichen.  Aus  der  KoUer'schen  Sammlung. 

1472*-  ^-  Attache,  mit  einer  unkenntlichen  Vorstellung 
verziert.  Man  erkennt  eine  Halbfigur,  deren  Kopf  fehlt 
Etruscisch.    Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.     165. 

1472*- ^-  Stück  einer  Palmette.  Aus  dem  Rösel'schen 
Nachlass  erworben.    2795^- 

1472*-  ^^'  Büste  aus  Blumen  hervorgehend.  Hinten  ein 
Zapfen. 

1472^-  1-  Löwenkopf.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  d. 
BB.  4. 

1472^- ^-  Desgleichen.   Ebendaher.    B.  d.  BB.  6. 

1472^-  3.  Greifenkopf.    Ebendaher.    B.  d.  BB.  28. 

1472^-  4.  Ein  Widderkopf  in  hohem  Relief. 

1472^-  ^-  Katzenartiger  Kopf  auf  einer  runden  Platte, 

B.  Griffe. 

1)  Griffe  von  Schaalen,  Pfannen  und  anderen 

Geräthen. 

1473.  Griff  von  einem  Sieb  oder  einer  Pfanne.  Mit 
einer  Palmette  am  Schluss  und  in  einen  Schwanenkopf  aus- 
laufend. Bei  Gelduba  gefunden.  Aus  der  Sammlung  Minutoli 
B.  35.  L.  7%". 

1474.  Desgl.,  ganz  einfach,  oben  in  einen  Ring  aus- 
gehend.   L.  5". 

1474*-  Desgl.,  wie  durcheinander  geflochtene  Gerten 
gestaltet.    Bei  Cleve  gefunden.    Sammlung  Minutoli.  K.  19. 


Figürlich  gestaltete  Griffe.  309 

1475.  Desgl.,  kannellirt  und  in  einen  Widderkopf  aus- 
laufend. Gefunden  bei  Potsdam,  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
B.  34.  L.  5I/V'. 

1476.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  nur  nicht  wie  jener 
mit  Blei  ausgefüllt,  sondern  hohl.  Sammlung  Bartholdy.  D.  4. 
L.  57.,". 

1476*^-  Griff,  etwa  von  einem  Gewicht,  wie  ein  überein- 
stimmendes Exemplar  in  der  Wiener  Sammlung  an  einem  als 
Gewicht  dienenden  Schwein  verwandt  ist.  Der  Griff  besteht 
aus  zwei  mit  den  hinteren  Enden  aneinandergesetzten  und 
durch  einen  Ring  in  ihrer  Commissur  verdeckten  Fingern  oder 
richtiger  Fingertheilen.  Schon  in  der  Einleitung  war  die  Rede 
von  der  Verwendung  des  Fingers  als  Griff.  Die  Ättachen 
haben  die  Form  eines  zierlich  ausgezackten  Blattes.  Aeltere 
Sammlung.    K.  29.    L.  3". 

1476^-  Griff  eines  unbestimmbaren  Geräthes  aus  zwei 
zusammengebundenen  Metallstreifen  bestehend.  Der  Schluss 
der  Attache  war  frei  und  ist  mit  Ketten  behangen.    L.  8". 

Figürlich  gestaltete  Griffe. 

1477.  Griff  einer  Pfanne  in  Form  eines  Löwen,  der 
durch  eine  Palmette  an  den  Bauch  der  Pfanne  angeschlossen 
war  und  ebenfalls  eine  Palmette  unter  den  Füssen  hat,  damit 
der  Griff  in  eine  Spitze  auslaufe.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
B.  55.  L.  71/4". 

1477*-  Bügeiförmiger  Griff  in  Form  eines  gekrümm- 
ten Delphins,  etwa  von  einem  Gewicht  oder  Deckel  eines  Ge- 
fässes.    Augen  und  Flossen  sind  versilbert.    L.  472"» 

1478.  Pfannengriff  in  Form  eines  nackten  Jünglings, 
der  das  Gerätli  nach  Art  eines  Atlanten,  doch  leicht  und  ohne 
Anstrengung  stützt.  Die  Verbindung  zwischen  Stütze  und  dem 
Rund  des  Geräthes  ist  sehr  hübsch,  ähnlich  wie  bei  dem 
Spiegel  n.  6  bewerkstelligt.  Auf  dem  Kopfe  des  Jünglings  er- 
hebt sich  das  altjonische  Kapitell,  die  Voluten  mit  der  Palmette 
dazwischen,  und  daran  schliesst  sich  links  und  rechts,  um  aus 
dem  schmalen  sich  zu  dem  breiten  Rund  der  Pfanne  zu  er- 
weitern, eine  halbe  Palmette  an.    Die  Attache  ist  auch  sehr 


310  Griffe  von  Messern  und  ähnlichen  Geräihen. 

sinnig  gedacht,  es  ist  ein  vorspringender  Löwe,  der  mit  seinen 
Krallen  das  Gefäss  anpackt.  Die  Figur  steht  auf  einer  Palmette^ 
wovon  eben  die  Rede  war. 

Leider  müssen  wir  gestehen,  dass  die  Patina  dieses  Griffes 
verdächtig  aussieht.  Doch  ist  kein  Zweifel,  dass  die  Erfindung 
antik  ist,  da,  wenn  ich  nicht  irre,  ganz  übereinstimmende  und 
sicher  echte  Griffe  in  anderen  Sammlungen  vorkommen. 

Der  Griff  ist  1857  von  einem  hiesigen  Kunsthändler  ge- 
kauft. 3219.  L.  8V4". 

1479.  Griff  einer  Schaale  oder  Pfanne  in  Form  eines 
nackten  Jünglings,  der  sie  nach  Art  eines  Atlanten  stützt. 
Seine  Füsse  ruhen  auf  dem  Ringe,  an  dem  die  Schaale  auf- 
gehängt wurde.  Etruscisch,  1868  von  dem  Kunsthändler  Hoff- 
mann angekauft,  der  es  seinerseits  aus  der  Pulszky'schen 
Auction  erworben.  3585.  L.  mit  Ring  6^/4". 

2)   Griffe   von   Messern   oder   ähnlichen 

Geräthen. 

1480.  Grosser  Griff  von  Bronce.  Die  Klinge  war  von 
Eisen.    Ganz  einfach.  L.  5''. 

1481.  Desgl.,  mit  einem  Knopf  am  Ende.  Auch  hier 
war  die  Klinge  von  Eisen.  L.  4". 

1482.  Desgl.,  in  einen  Widderkopf  auslaufend.  Aus 
Pompeji.  Mit  dem  Nachlass  des  Professor  Rösel  1844  er- 
worben.  2768.  L.  3". 

1482*-  Desgl.,  in  einen  Hundekopf  auslaufend,  von  wel- 
chem eine  Klaue  ausgeht,  welche  der  Hand  eine  feste  Lage 
bereiten  soll.  Von  der  eisernen  Klinge  ist  ein  Stück  erhalten. 
L.  3". 

Figürlich  gestaltete  Griffe. 

1483.  Messergriff  in  Form  eines  liegenden,  lang  aus- 
gestreckten Hundes,  1836  in  der  Nähe  von  Xanten  gefunden. 
1837  im  Oct.  angekauft.  L.  4''. 

Von  der  Klinge  ist  noch  ein  Stück  erhalten,  sie  war  von 
Eisen.  Unter  dem  Maul  des  Hundes  befindet  sich  ein  Ring 
zum  Anhängen  des  Messers. 


Figürlieb  gestaltete  Griffe.  311 

1484.  Desgl.^  bei  Mainz  gefunden^  aus  der  Sammlung 
>Iinutoli.    B.  36.  L.  ÖVa" 

Der  Griff  besteht  in  einer  auf  einem  Blattkelch  auf- 
gebauten Gruppe  des  mit  dem  Löwen  ringenden  Herkules. 
Der  letztere  ist  wohl  in  Folge  der  späten  Zeit  etwas  ungewöhn- 
lich charakterisirt,  insofern  er  einen  kurzen  Rock  trägt  und 
an  Waffen  nur  den  Köcher,  doch  ist  an  der  Identität  nicht  zu 
zweifeln.  Auch  hier  ist  ein  Stück  der  eisernen  Klinge  noch 
erhalten. 

1485.  1486.  Zwei  desgl.,  unter  sich  übereinstimmend, 
von  dem  Kunsthändler  Benucci  aus  München  1845  angekauft. 
2811.  2812.  L.  2%". 

Die  Henkel  sind  mit  einer  aus  einem  Blattkelch  auf- 
steigenden Büste  verziert,  die  grosse  Aehnlichkeit  mit  einem 
unten  aufzuführenden  Priapuskopf  hat. 

1487.  Griff  eines  Dolches,  wenn  nicht  einer  Schaale, 
mit  einem  aus  Blättern  herauswachsenden  Doppelkopf,  der 
einerseits  durch  einen  unbestimmbaren  weiblichen,  anderer- 
seits durch  einen  bärtigen  Panskopf  gebildet  wird.  Ueber 
beiden  erhebt  sich,  damit  der  Henkel  in  eine  Spitze  auslaufe, 
ein  Eberkopf,  dessen  Fangzähne  zugleich  von  den  gekrümmten 
Hörnern  des  Pan  gebildet  werden.  Im  Maul  des  Ebers  ein 
Loch  für  den  Ring,  an  dem  das  Geräth  hing.  Aeltere  Samm- 
lung.   B.  29.  L.  3". 

1488.  DesgL,  von  einem  ähnlichen  Geräth,  in  einen 
möglichst  lang  gestreckten  Eselskopf  auslaufend,  der  sich 
wieder  aus  einem  Blattkelch  entwickelt.  Die  Kopfhaare  des 
Esels  sind  zu  einer  wunderlichen  Flechte  zusammengebunden. 
Im  Maul  des  Pferdes  noch  ein  Rest  des  Ringes,  an  dem  das 
Geräth  hing.    Sammlung  Minutoli.    L.  372"-  B«  30. 

1488*-  Desgl.,  von  einem  unbestimmbaren  Geräth,  in 
einen  Eselskopf  auslaufend.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.. 
B.  30.  L.  372"- 

1488^-  Desgl.,  mit  dem  aus  einem  Blumenkelch  vor- 
springenden Vordertheil  eines  Hundes  verziert.  Bei  Cleve  ge- 
funden.   Aus  der  Sammlung  Minntoli.    B.  33.   L.  2". 

1489.  Desgl.,  fast  ganz  übereinstimmend  mit  n.  1488^ 
Bei  Cöln  gefunden.    Sammlung  Minutoli.    B.  32.  L.  S^/g". 


312  Deckel  von  Gerätlien. 

1490.  Desgl.,  in  einen  Löwenkopf  auslaufend,  der  aus 
einem  Blattkelch  hervorgeht.  Am  Maul  ein  Loch  für  den 
ßing  zum  Aufhängen.  Aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant 
Schmidt  1846  erworben.    2858.  L.  21/2''. 

a.  Deckel  von  Oeräthen. 

1490*-  Einwärts  gebogener  Deckel  mit  einer  Oese 
zum  Anfassen.    Aeltere  Sammlung.    B.  1.    Durchm.  6^/2'-. 

1490^-  De  Sgl,,  von  derselben  Form.  Aeltere  Sammlung. 
B.  2.    Durchm.  6 1/2". 

1490^*  Desgl.,  von  derselben  Form.  Aeltere  Sammlung. 
B.  3.    Durchm.  41/0"- 

1490**  Desgl.,  ähnlich,  doch  mit  eingeschlagenen  Ver- 
zierungen, einem  Stern  (einer  sehr  passenden  Deckelverzierung) 
zwischen  Kreisen,  die  durch  Punkte  hergestellt  sind.  Aus 
Pompeji,  durch  Herrn  Ternite  erworben.  B.  3*-  Etwas  be- 
schädigt.   Durchm.  4". 

1490^^-  Kleiner  Stöpsel. 

1490®-  Nach  aussen  gewölbter  Deckel  mit  Knopf 
zum  Anfassen.    Durchm.  6". 

1490^-  Desgl.,  mit  breitem  Rand  ohne  Knopf.    D.  S^^^"» 

1490*^*  Kleiner  Deckel,  dessen  Knopf  sinnig  die  Form 
eines  gekrümmten,  zum  Einhaken  einladenden  Fingers  hat. 
Durchm.  272"- 

1490^-  Desgl.,  grösser  und  oben  offen;  an  der  inneru 
Seite  sind  drei  Buchstaben  schwer  bestimmbarer  Art  einge- 
kratzt.   Durchm.  478'' 

1490*^-  Desgl.,  von  der  Form  wie  1490*-  ff. 

Griffe  und  Henkel,  deren   Zugehöriges   nicht   näher 

zu  bestimmen. 

149Qhii.  Schöner  Henkel  in  Form  einer  Schlange,  die 
sich  in  der  Mitte  zu  einem  Knoten  zusammengeschlungen  hat. 
Aus  der  Sammlung  Koller  474,  in  deren  Katalog  Gargiulo  die 
Bronce  für  ein  Werk  des  Cinquecento  erklärt,  was  ich  nach 
Styl  und  Patina  entschieden  bestreiten  muss. 


Deckel  von  (jerätheu.  313 

1490*-  Etruscischer  Henkel  mit  eüier  Katze  oben  dar- 
auf.   Aus  Gerhard's  Nachlass  18G9  erworben.   14.  L  4". 

1490^-  Henkel  in  Form  einer  Bänke.    H.  4%''. 

1490^*  Griff,  durch  zwei  Panther  gebildet,  die  sich 
gegenüber  lagern  und  zwischen  sich  ein  Pferd  oder  einen  Esel 
haben,  den  sie  zerfleischen.  An  beiden  Seiten  fragmentirt 
Dieser  Griff  bildete  nach  seiner  Charakteristik  die  Mitte  eines 
Geräthes,  wo  zwei  Enden  zusammenlaufen.  Aus  der  Sammlung 
Minutoli. 

1490™-  Etruscischer  Griff,  durch  eine  Figur  gebildet, 
deren  Geschlecht  nicht  mit  voller  Sicherheit  zu  bestimmen  ist. 
Die  Arme  sind  abgebrochen.  Sie  steht  auf  einem  Stier.  H.  4". 

1490™"-  Halbfigur  eines  jugendlichen  geharnischten 
Kriegers,  der  beide  Hände  symmetrisch  an  den  Helm  legt,  wie 
um  ihn  fest  zu  drücken.  Die  Figur  läuft  in  einen  durchbohrten 
Zapfen  aus,  sie  war  als  ein  zum  Aufheben  bestimmter  Griff  — 
daher  die  Bewegung  der  Arme  —  irgendwo  eingesetzt.  Wir 
haben  oben  einen  etruscischen  Candelaber  aufgeführt,  auf  dem 
ganz  dieselbe  Figur,  nur  in  ganzer  Gestalt  als  Griff  angebracht 
war.  Etruscisch.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.  B.  c.  a.  66. 
21.  H.  1%". 

1490°-  Hülse  von  Bronce,  die  einen  hölzernen  Schwert- 
oder Dolchgriff  bekleidet  haben  mag.    L.  2^2''- 

1490*^-  Obertheil  einer  Tritonin,  das  mit  ausgebreite- 
ten Armen  von  einer  runden  Scheibe  losspringt.  Etruscisch. 
Kann  als  Handhabe  gedient  haben.  Aus  Gerhard's  Nachlass 
1869  erworben.   227. 

I49Q0. 1.  Gefässhenkel  (?)  etruscisch,  von  Prof.  Ger- 
hard 1841  angekauft.  2696. 

Die  Form  und  dann  die  Spuren  von  Löthung  am  unteren 
Ende  lassen  vermuthen,  dass  diesGeräth  ein  Henkel  war.  Der 
Henkel  läuft  in  drei  Pferdeköpfe  aus  und  auch  unter  diesen 
si)ringt  ein  Thierkopf  als  Griff  heraus. 

Vgl.  deu  Henkel  bei  Liiidenschmit,  Alterth.  I,  3,  5,  1. 

1490^--  Nackter  Jüngling,  auf  dem  linken  Bein  ba- 
lancirend.    Die  gerade  nacli  oben  ausgestreckte  Rechte  hält, 


314  Füsse  von  Geräthen. 

wie  es  scheint,  ein  Trinkhom,  die  herabhängende  Linke  ein 
kleines  Stück  Gewand.  Unter  der  runden  Platte,  auf  welcher 
die  Figur  steht,  befindet  sich  ein  hohler  Stiel,  der  unten  durch- 
bohrt ist.  Wir  wissen  nicht,  ob  die  Figur  als  Griff  diente 
oder  eine  Bekrönung  anderer  Art  war.  Aber  das  Ausgereckte 
und  in  die  Länge  Gezogene,  worin  das  Charakteristische  der 
Figur  liegt,  würde  die  erstere  Annahme  empfehlen.  Etruscisch. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  32.  H.  des  Ganzen  ß^/eV 
der  Figur  4  **/«". 

149Q0.3.  Männliche  Figur  mit  kleinen  Kopf flügeln  und 
angeschlossenen  Armen  und  Beinen,  an  ihrem  Untertheil  von 
einer  Umkleidung  umgeben,  aus  welcher  nur  die  Füsse  heraus- 
treten. Vorn  auf  dieser  Umkleidung,  die  hinten  noch  höher 
hinaufgeht,  unter  der  Scham  befindet  sich  eine  MondsicheL 
Die  Bedeutung  dieser  Figur  ist  unklar,  ihr  Habitus  aber  er- 
klärt sich  durch  ihre  tektonische  Verwendung  als  Griff.  H.  5  V«"« 

Verzierungen  von  den  Bändern  an  Geräthen. 

Es  ist  eine  specifisch  etruscische  Sitte,  oben  auf  den  Rän- 
dern der  Krüge  "kleine  Zierfiguren  anzubringen.  Zu  dieser 
Classe  von  Figuren  gehören  die  folgenden. 

1490P-^-  Zwei  liegende  Silene  mit  dem  Hom  in  der 
Hand,  fast  ganz  übereinstimmend,  ein  passender  Schmuck  für 
einen  Weinkrug.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.- 
139.  140. 

b.  Füsse  von  Geräthen. 

1491.  Fuss  eines  Candelabers,  bis  zum  Ansatz  des 
Schaftes  erhalten.    H.  5^/^". 

1492.  Desgl.,  kleiner,  aus  Pompeji,  aus  dem  Nachlass 
des  Prof.  Rösel  1844  erworben.   2770.  H.  2". 

1493.  Fuss  eines  etruscischen  Dreifusses  aus  der  Samm- 
lung Koller.  498. 

Es  wurde  oben  bemerkt,  dass  die  tragenden  Stäbe  der 
Dreifüsse  ganz  unvermittelt  aus  dem  krallenförmig  gestalteten 
Fuss  herauskommen,  hier  ist  zwar  die  Verbindung  auch  keine 
andere,  aber  es  ist  doch  den  Stäben  ein  lang  sich  erhebendes 


Füsse  von  Geräthen.  3.X5 

Blatt  vorgelegt,  das  die  Cbmmissur  verdeckt  und  den  Gedanken 
aufkommen  lässt,  als  wüchsen  die  Stäbe  aus  einem  Blattkelch 
heraus.  Etwas  Aehnliches,  aber  künstlerischer  ausgeführt,  be- 
merkt man  an  dem  Dreifuss  im  Mus.  Gregor.  I,  56,  wo  der 
Fuss  durch  ein  schön  stylisirtes  Ornament  bekrönt  ist,  das  sich 
vom  zu  einer  hohen  Palmette  erhebt.  Von  den  fünf  Stäben 
sind  nur  zwei  erhalten,  einer  der  dickeren  nach  oben  laufenden 
und  einer  der  dünneren,  die  horizontal  liefen  und  den  Spann- 
ring festhielten. 

1494.  Fuss  eines  etruscischen,  auf  Rädern  laufenden 
Kohlenbeckens.  Durch  Prof.  Gerhard  1841  gekauft.  2701.  L. 

In  altetruscischen  Gräbern,  z.  B.  in  dem  Regulini- Galassi 
und  Polledraragrab,  sind  nicht  selten  Kohlenbecken  auf  Rädern 
ruhend  gefunden,  die,  wie  man  sich  denken  kann,  sehr  praktisch 
im  Gebrauch  gewesen  sind.  Auch  diesseits  der  Alpen  sind 
solche  etruscische  Geräthe  gefunden,  worüber  denn  begreiflicher- 
weise starke  Phantasien  aufgestellt  wurden.  In  Homerischer 
Zeit  gab  es  aucli  solche  Geräthe,  wie  das  auf  Rädern  laufende 
Arbeitskörbchen  der  Helena  beweist,  und  allerdings,  glaube  ich, 
sind  diese  Geräthe  nach  den  Funden  der  älteren  Zeit  eigen. 
Uebrigens  giebt  es  solche  Geräthe  mit  beweglichen  und  festen 
Rädern.  Die  letzteren,  zu  denen  unser  Stück  gehört,  waren 
eben  mehr  Scheingeräthe,  wovon  wir  bereits  so  viele  andere 
Fälle  gehabt  haben. 

1495  Fuss  eines  Stuhles  oder  ähnlichen  Möbels,  das  in 
einem  etruscischen  Grabe  gefunden  sein  soll.  1852  von  Hm. 
Vollard  gekauft.   3060. 

Das  Bein  ist  den  pompejanischen  ähnlich',  zwei  kelch- 
förmige  Schaftglieder  steigen  übereinander  empor,  das  zweite 
länger  als  das  erste,  sodann  kommt  ein  schellenförmiges  Glied, 
das  wir  nicht  verstehen  und  endlich  der  Schlusstheil  des 
Schaftes.  Das  Bein  besteht  aus  broncebekleidetem  Holz  und 
war  am  Sitzbrett  mit  einem  eisernen  Zapfen  befestigt. 

1496.  Aehnliches  Stück,  ganz  einfach  kegelförmig  ge- 
staltet. Ebenfalls  aus  broncebekleidetem  Eisen.  Gefunden 
1838  in  Torre  deir  Annunziata  durch  Prof.  Zahn,  von  dem  es 
1864  gekauft  ist.   3515.  L.  8Va". 

1497.  Ein  Paar  halber  Rollen,  wie  man  sie  als  Füsse 
an  grossen,  beckenförmigen  Gefässen  findet.  Sammlung  Koller, 
462.  L.  1  •/./'. 


316  Füsse  von  nicht  näher  bestimmbaren  Geräthen. 


Ftisse  von  nicht  näher  bestimmbaren  Geräthen. 

1498.  Fuss  eines  Geräthes  in  Form  eines  Pferdehufes. 
Sammlung  Koller.  492.   H.  4". 

1498*-  Desgl.,  mit  einem  Silenskopf  in  flachem  Relief 
verziert.  Etwas  fragmentirt,  und  es  scheint  noch  ein  Stück 
daran  gesessen  zu  haben.    H.  4^/2''. 

1499.  Desgl.,  hufförmig  ohne  nähere  Charakteristik. 

1500.  Desgl.,   krallentormig.     Sammlung    Koller.    493. 

H.  2^U'\ 

1501.  Desgl.;  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant 
Schmidt  1846  erworben.    2848.    H.  2V2". 

1502.  Desgl.,  aus  Pompeji,  durch  Ternite  erworben. 
K.  38.    H.  2". 

Aus  der  Kralle  entwickelt  sich  zum  Anschluss  an's  Geräth 
gewissermaassen  das  Kapitell  des  Fusses,  das  wie  gewöhnlich 
jonisirend  gehalten  ist.  Eine  dopi)elte  Volute  entwickelt  sich 
rechts  und  links,  mit  Palmetten  in  den  Zwischenräumen  aus- 
gefüllt. 

1503.  Desgl.,  Eckfuss  eines  Geräthes.  Das  Kapitell  des 
Fusses  ist  ganz  ähnlich.    H.  '^j^", 

1504.  Desgl.,  oben  durch  ein  breites,  mit  gravirten  Or- 
namenten verziertes  Band  gesclilossen.    H.  3^/4''. 

1505.  Fuss  eines  runden  Geräthes,  in  eine  Kralle  aus- 
laufend. Die  Attache  wird  durch  eine  doppelleibige  aber  ein- 
köpfige Sphinx  gebildet,  da  sie  eben  bei  runden  Geräthen  eine 
Entwickelung  nach  beiden  Seiten  liin  haben  muss.  Aeltere 
Sammlung.    B.  d.  A.  A.  7.    H.  b^U'\ 

1506.  1507.  Zwei  desgl.,  dem  eben  erwähnten  Stück 
ähnlich  und  unter  sich  so  übereinstimmend,  dass  sie  vielleicht 
zu  einem  und  demselben  Geräth  gehört  haben.  Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.    B.  d.  A.  A.  8.  9.    H.  3^V'- 

1508.  Desgl.,  einfacher,  in  Form  eines  oben  weiblichen, 
unten  in  eine  Kralle  auslaufenden  Wesens  mit  zwei  Flügeln, 


Fi'isse  von  nicht  aaher  bestimmbaren  Gerätlien.  317 

die  sich  nach  beiden  Seiten  zum  Anschluss  an's  Geräth  aus- 
breiten.   H.  272". 

1Ö09.  Desgl.^  aus  einer  in  einen  Kelch  auslaufenden 
Kralle  erhebt  sich  der  Körper  eines  geflügelten  Kindes,  welches 
einen  Vogel  an  sich  drückt.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben.   96.  H.  2^U'\ 

1Ö09*-  Desgl.,  über  der  Kralle  eine  verschleierte  Frauen- 
büste mit  nackter  Brust.    Aeltere  Sammlung.    B.  d.  A.  A.  11. 

1510.  Desgl.,  in  Form  einer  Kralle,  aus  der  sich,  wie 
es  scheint,  eine  Eule  entwickelt.  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
B.  d.  B.  B.  41.    H.  18/4". 

1510.  DesgL  Aus  Cypern.  Mit  dem  Nachlass  von  Prof. 
Boss  1860  erworben.  3421.  H.  2". 

Der  Fuss  ist  exceptionell,  insofern  die  Attache  über  der 
Kralle  in  einem  nach  oben  gerichteten  Löwenfell  besteht.  Doch 
sollte  man  sich  den  Löwen  vielleicht  lebendig  und  in  das  Ge- 
fäss  sich  hineinkrallend  denken.  Das  Gefäss  oder  ein  Zapfen  des- 
selben griff  in  die  wie  ein  Spalt  gebildete  Attache  hinein.  H.  2", 

1512.  Desgl.,  über  der  Kralle  befinden  sich  liegende 
Spirallinien,  über  deren  Mitte  sich  eine  Palmette  erhebt.  Hin- 
ten springt  ein  Zapfen  vor,  auf  dem  dasGefäss  ruhte.  H.  272"- 

1513.  Desgl.,  aus  der  Kralle  entwickeln  sich  Flügel  und 
zwischen  diesen  steigt  eine  lange  Spitze  auf.  Hinten  ein  Zapfen. 
Aus  der  Sammlung  Minutoli.    K.  14.    H.  3V2"* 

1514.  Desgl.,  aus  der  Kralle  entwickelt  sich  ein  Kelch, 
der  eine  weibliche  geflügelte  Büste  aus  sich  entlässt  H.  2^/4". 

1515.  Desgl.,  die  Kralle  geht  in  eine  an  Kinn  und  Stirn 
verhüllte  Frauenbüste  über.  Sammlung  Koller.  180.  H.2V4". 

1516.  Desgl.,  in  Form  einer  Meduse  mit  ausgebreiteten 
Armen  und  Locken,  die  hennenförmig  und  in  eine  Kralle  aus- 
läuft Altetruscisch.  Die  Nägel  zur  Befestigung  des  Geräthes 
gehen  mitten  durch  die  Stirn  und  die  beiden  Arme.    H.  7^V- 

1517.  Schöner  Geräthfuss  aus  dem  Besitz  Bellori's. 
B.  a.  XV.  a.  5.    H.  6V2". 


318  Füsse  von  nicht  näher  bestimmbaren  Geräthen. 

Dieser  Fuss  entspricht  in  seiner  Bildung  ganz  den  so 
häufig  erhaltenen  marmornen  Tischfüssen.  Aus  der  Kralle  ent- 
wickelt sich  ein  Kelch  und  aus  diesem  die  Halbfigur  eines 
Satyrn,  der  in  der  Linken  den  Hirtenstab  hat,  auf  seiner  rech- 
ten Schulter  aber  eine  halbnackte  Bacchantin  schwingt.  Letztere 
hat  einen  Becher  in  der  Linken. 

1517*-  Atlas,  bärtig,  mit  einem  Schurz  um  die  Lenden, 
ganz  tibereinstimmend  mit  den  Atlanten  in  den  Bädern  von 
Pompeji.  Er  trug  auf  der  Schulter  etwas,  zu  dessen  Befesti- 
gung noch  vier  Löcher  sichtbar  sind.  Der  rechte  Fuss  ist 
restaurirt.  H.  2^/4". 

1517^*  Nackte  weibliche  Figur  —  nur  zwischen 
den  Beinen  hängt  ein  Stück  Gewand  herab  —  die  Rechte  auf 
einen  Pfeiler,  die  Linke  in  die  Hüfte  stützend.  Am  Rücken 
ein  Paar  ausgebreitete  Flügel  befestigt.  Man  sieht  namentlich 
am  Nacken,  dass  die  Figur  ein  Geräth  stützte.  Es  ist  schwer- 
lich richtig,  diese  Figur  Victoria  zu  nennen,  von  der  sie  nur 
die  Flügel  hat,  die  ihr  aber  ähnlich  wie  bei  dem  Bd.  L  er- 
wähnten Hermaphroditen  nur  zum  Anschluss  an  das  Geräth 
gegeben  zu  sein  scheinen.    H.  5". 

1517*^-  Hirten-  oder  Satyrknäbchen,  nackt,  mit  einem 
Fruchtschurz  im  linken  Arme,  einem  Pedum  im  rechten.  Die 
Figur,  die  nur  bis  zur  Hüfte  vorhanden,  kam  ans  einem 
Blumenkelch  hervor,  wovon  man  noch  den  Ansatz  sieht.  Man 
sieht  häufig  in  grossen  und  kleinen  Figuren  ganz  ähnliche  Mo- 
tive an  Tischfüssen.  Aus  der  Sammlung  Koller.  2332.  H.  1^/4". 

1518.  Ausgeschweifter  Fuss  nach  Art  der  Füsse  von 
pompejanischen  Dreifüssen,  wie  es  denn  auch  wahrscheinlich 
ist,  dass  dieses  Stück  ebenfalls  einen  kleinen  Dreifuss  stützte. 
1868  von  dem  Kunsthändler  Hoffmann  aus  Paris  gekauft,  der 
es  seinerseits  in  der  Auction  der  Sammlung  Pulszky  gekauft 
hatte.  H.  l^j^". 

Unten  hat  der  Fuss  die  Form  eines  Thier-,  etwa  Löwen- 
beines, dessen  Kralle  jedoch  fehlt.  lieber  dem  Bein  beginnt 
die  Ausschweifung  und  da  setzt  sich,  durch  Blätter  vermittelt, 
ein  Vogelkörper  mit  Menschenkopf  an.  Diesen  Kopf  vermögen 
wir  nicht  zu  bestimmen,  er  sieht  wie  ein  Achelouskopf  aus, 
stellt  aber  gewiss  was  Anderes  vor.  Denn  er  trägt  die  ägyp- 
tische Calantika,  eine  Art  Federkrone,  darüber  die  ägyptische 


Fusse  von  nicht  näher  bestimmbaren  Geräthen.  3 19 

Königskrone  und  darüber  die  Uranusschlange,  auf  welcher  das 
Becken  des  Dreifusses  auflag. 

Ich  meine,  dass  ähnliche  Füsse  sich  unter  den  pompe- 
janischen  Alterthümern  befinden,  auch  unter  den  Hildesheimer 
Silbersachen  ist  einer  in  Silber.  Möglich,  aber  nicht  noth- 
wendig,  dass  solche  Füsse  auch  zu  einem  Geräth  des  Isiscults 
gehörten,  wie  bei  dem  im  Isistempel  gefundenen  pompejani- 
schen  Dreifuss,  dessen  Füsse  mit  Sphinxen  und  Ammons- 
masken  verziert  sind^). 

1518*-  Desgl.,  von  einem  grösseren  Dreifuss.  Nur  das 
obere  Stück  des  Fusses  ist  vorhanden.  Unten  mit  einer  Maske, 
oben  mit  einem  Pantherkopf  verziert. 

1519.  Fussin  Gestalt  eines  Kuhfusses.  H.  ^IJ\ 

1520.  Desgl.,  in  Form  von  zwei  dicht  nebeneinander 
stehenden  menschlichen  Füssen.  Die  Verdoppelung  giebt  dem 
Fuss  mehr  Fläche,  wodurch  sein  Stand  sicherer  und  auch  sein 
Aussehen  angemessener  wird.    H.  2". 

1521.  Desgl.,  in  Form  eines  einfachen,  sandalenbekleide- 
ten Fusses.   Aus  der  Sammlung  Bellori.    K.  11.    H.  2^. 

Man  könnte  diesen  Fuss  für  einen  Votivfuss  halten,  wenn 
nicht  zwei  Nägel  oben  daran  erhalten  wären,  die  nur  zur  Be- 
festigung an  einem  Geräth  dienen  konnten. 

1522.  Geräthfuss  (?)  in  Form  einer  Vogelklaue,  die 
eine  kleine  Kugel  umspannt.  Oben  ist  eine  sattelförmige  Ein- 
biegung, unter  welcher  sich  ein  kleiner  Ring  befindet.  Aeltere 
Sammlung.    K.  25.    H.  1 V^''. 

1523.  Geräthfuss  in  Form  einer  kleinen  Rolle,  über 
welcher  sich  zum  Anschluss  an's  Geräth  ein  kleines  Voluten- 
omament  erhebt. 

Vgl.  Aehnliches  im  Mus.  borb.  IV,  12.     H.  l^/g". 

1523*-  Geräthfuss  in  Form  eines  Amazonenschildes, 
von  welcher  Form  mehrere  beim  Hildesheimer  Silberfund  vor- 
kommen.   Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    194. 


1)  Vgl.  Bd.  I,  n.  874. 


320  Basen  für  Gefässe. 

1524.  Desgl.,  in  Form  von  zwei  Krallen  mit  einem- 
weiblichen  Kopf  dazwischen.  Aus  der  KoUer'schen  Samm- 
lung.   496. 

1524*-  Desgl.,  in  Form  einer  menschlichen  Figur,  die 
unten  in  einen  Thierfuss  endet.  Fragmentirt.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.  501. 

1524^-   Desgl.,  ein  Kopf  mit  einer  Kralle  daran. 


Basen  für  Gefässe. 

Wir  glauben,  dass  die  im  Folgenden  aufgeführten  Metall- 
ringe alle  wirklich  Gefässen  als  fest  angefügter  Fuss  gedient 
haben.  Man  könnte  nämlich,  da  es  wegen  starker  Oxydirung 
oft  schwer  zu  sagen  ist,  ob  Spuren  einer  Verbindung  mit  etwas 
Anderem  vorhanden  sind  oder  nicht,  auch  an  Untersätze  zu 
fusslosen  Vasen  denken,  die  genau  ebenso  gestaltet  waren  wie 
diese  Basen,  und  in  welche  die  spitz  oval  zulaufenden  Geräthe 
eingriffen.  Indess  sind  doch  alle  unsere  Exemplare  zu  diesem 
Zweck,  wie  es  scheint,  zu  niedrig. 

1524.  Basis  für  ein  Gefäss,  mit  einem  nach  unten  ge- 
richteten, zur  Charakterisirung  des  Ablaufes  dienenden  Blatt- 
ornament.   H.  iVs"-  Durchm.  ß^g". 

1525.  Desgl.,  mit  Eierstab  verziert.  Hier  sind  die 
Nieten  zur  Befestigung  des  Geräthes  noch  vorhanden.  Aus 
der  Sammlung  Koller.  423.   H.  1".  Durchm.  öVs". 

1526.  1527.  Zwei  desgl.,  ähnlich  verziert.  Ebendaher. 
420.  424.  H.  '/g^  Durchm.  478",  ^^Is" 

1528.  Desgl.,  kleiner,  ähnlich  verziert.    H.  ^/g''.   D.  2"- 

1529 — 1531.  Drei  desgl.,  ohne  Verzierungen.  H.  '/g"; 
11/2",  1".    Durchm.  7V4",  Q%"y  4%". 

1532.  Desgl.,  so  gebildet,  dass  das  Gefäss  wie  in  eine 
Rille  hineingesetzt  wurde.  Durch  Prof.  Gerhard  1841  in  Italien 
gekauft.    2671^-  H.  ^jj'.    Durchm.  3". 

1533.  Desgl.,  ebenso  gebildet.    H.  1".    Durchm.  3%". 


Hals  eines  Geräthes.  321 

1533*-  Basis  von  eigenthümlicher  Form,  leicht  gekrümmt, 
so  dass  man  sieht,  sie  stützte  ein  rundes  Geräth  und  zwar  mit 
zwei  anderen  entsprechenden.  Die  Form  ist  am  ersten  einem 
Stück  der  attischen  Säulenbasis  zu  vergleichen,  insofern  oben 
und  unten  vorspringende  Omamentbänder  angebracht  sind, 
während  in  der  Mitte  ein  breites,  glattes  Feld  bleibt,  das  jeder- 
seits  durch  einen  Amazonenschild  begränzt  und  in  der  Mitte 
mit  einem  Knabenkopf  in  Relief  verziert  ist.  Hinten  sieht  man 
noch  Spuren  ehemaliger  Befestigung.  Aus  dem  Besitz  Bellori's. 
K.  37.    Oben  und  unten  4^2"  breit.  H.  2''!^*'. 

Abg«  bei  Beger  III,  p.  378.     Aehnliche    Basen  befinden  sich   in 
Louvre.     Vgl.  Longperier,  Nolice  n.  404.  405. 

1533^-  Desgl.,  von  derselben  Form,  doch  auf  dem  mitt- 
leren Bande  anders  verziert,  nämlich  mit  einem  Dreizack  zwischen 
zwei  Delphinen.  Dies  Stück  ist  mit  Blei  ausgegossen,  was  bei 
dem  vorhergehenden  und  nachfolgenden  vermuthlich  auch  der 
Fall  war.    B.  5".  H.  2»/g".    Aus  dem  Besitz  Bellori's.   K.  36. 

1533^-  Desgl.,  oben  und  unten  mit  Blattornamenten  ver- 
ziert, das  mittlere  Band  wird  durch  Delphine  abgeschlossen 
und  hat  als  Verzierung  der  Mitte  einen  etwas  breit  gequetsch- 
ten weiblichen  Kopf.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  D.  6. 
H.  3V4".  Br.  öS/s". 

Iö33^<^-  Kleine  hohlkehlenartig  gestaltete  Basis 
aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  135. 

1533CCC.  Viereckige  Basis,  vielleicht  für  eine  Statuette, 

1533^^°^*  Eine  reichgegliederte,  einerseits  ge- 
schlossene, andererseits  offene  Basis.  Aus  der  KoUer*- 
schen  Sammlung.  416. 


Hals  eines  Geräthes  (?). 

1533^-  Hals  eines  Geräthes,  in  der  Richtung  nach  unten 
korbförmig  gestaltet  und  hübsch  verziert,  mit  einem  beweg- 
lichen Stöpsel  versehen.  Das  Geräth  hängt  an  zwei  Ketten, 
die  sich  zu  einem  Griff  vereinigen.  Der  seitwärts  hängende 
Ring  ist  unverständlich.  Aus  Bomarzo.  Mit  Gerhard's  Nach- 
lass  1869  erworben.  71. 

FrieaerichB,  Berlin*s  Antike  Bildwerke.  II.  21 


322       Haken  zum  Anhäagen  oder  Herausziehen.  —  Schraube. 

Haken  zum  Anhängen  oder  Herausziehen. 

1533®-  Haken  in  Form  eines  gekrümmten  Fingers  mit 
einem  eisernen  Zapfen  zum  Einschlagen.  Der  Zweck  solcher 
Haken  war  verschieden,  sie  dienten  entweder  dazu,  um  eine 
Wandtafel  festzuhalten  oder  zum  Herausziehen  von  Schubladen 
oder  zu  anderen  Dingen.  Von  der  sinnigen  Form  war  schon 
in  der  Einleitung  die  Rede.  Aeltere  Sammlung.  L  1.  H»2*/8". 

Vgl.  Caylus,  Recueil  VII,  pl.  33,  3.  4  und  VI,  p.  307. 

1533^-  Desgl.,  aber  nur  aus  zwei  Gliedern  bestehend 
und  von  bronceüberzogenem  Eisen.  Aus  der  Sammhing  Mi- 
nutoli.    I.  2.    H.  IV4". 

15338^-  Desgl.,  in  Form  einer  Ranke,  die  aus  einem 
Löwenkopf  hervorgeht. 

1533^*  Desgl.,  in  Form  einer  vorspringenden  Schlange 
oder  richtiger,  wegen  des  Bartes,  eines  Drachen.  Von  Herrn 
V.  Staff  erworben.    I.  3.    L.  4^4''. 

1533^^-  Desgl.,  ganz  einfach. 

Schraube. 

Dass  die  Schraube  dem  Alterthum  unbekannt  war,  ist 
zawr  mehrfach  angenommen,  allein  mit  Unrecht.  Im  Wiener 
Antikenkabinet  befindet  sich  z.  B.  eine  Fibel  mit  einer  Schraube, 
auf  welche  mich  Dr.  Kenner  aufmerksam  machte.  Und  so 
würden  sich,  wenn  die  Aufmerksamkeit  darauf  gerichtet  würde, 
gewiss  noch  andere  Beispiele  finden. 

1533*-  Schön  gearbeitete  Schraube,  die  an  einem 
Stiel  befindlich  war,  von  welchem  nur  Unkenntliches  übrig  ge- 
blieben. 

C.  Beschlag. 

1)  Ausguss  von  Brunnen,  Fontainen  und 

Geräthen. 

.  1534.  1535.  Zwei  grosse  Tigerköpfe  von  Brunnen, 
mit  einem  Ausgussrohr  im  Munde.  Aus  der  Sammlang  Koller. 
261.  H.  4«/4". 

Vgl.  A.ehaliches  aus  Pompeji,  Mus.  borb.  I,  51. 


Ausguss  von  Brunnen,  Fontaiiien  und  Geräihen.  323 

1536.  Mündung  einer  Fontaine,  aus  Pompeji,  v(m 
Prof  Zahn  1869  angekauft.   3772.  H.  b^j^". 

Dies  Stück  ist  sinnig  componirt.  Es  besteht  in  einem 
oben  fein  durchbohrten  Kegel,  aus  dessen  unterer  Hälfte  links 
und  rechts  je  ein  Schiffsvordertheil  herausspringt,  etwa  in  der 
Weise,  wie  die  Columna  rostrata  verziert  war.  Denkt  man 
sich  nun  das  Stück  an  seine  richtige  Stelle  gesetzt,  nämlich  in 
die  Mitte  eines  Bassins  und  an  seinem  unteren  Theil  von 
Wasser  umgeben,  so  verliert  die  Verzierung  ihr  Seltsames,  die 
Schiffe  kommen  auf  ihr  Element  und  scheinen  zu  schwimmen. 

1537.  Ausguss  eines  zweihenkeligen  eimerförmigen  Ge- 
räthes.  Der  Ausguss  wird  durch  eine  Silensmaske  oder  durch 
eine  komische  Maske  gebildet,  darunter  ein  zweiter  Kopf. 
H.  2 1/4". 

1538.  Desgl.,  von  einem  unbestimmbaren  Geräth,  in 
Form  eines  Löwenkopfes.  Aus  der  Sammlung  Koller.  H.  1%". 

1538*-  Desgl.,  mit  einem  Haken  am  unteren  Ende, 
dessen  Zweck  uns  unbekannt  ist. 

1538^-  Desgl.,  ein  Stück  der  Röhre  ist  daran  erhalten. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  113. 

1538^-  Desgl.,  in  Form  eines  Widderkopfes,  aus  dessen 
Maul  eine  kleeblattförmige  Tülle  herauskommt.  Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.  A.  25. 

1538^-  Desgl.,  in  Form  eines  menschlichen  Kopfes,  was 
selten  ist,  ausser  bei  Satyrn.  Mit  einem  Ring  für  den  Henkel. 

1539.  Desgl.,  ebenso  gestaltet.  Sammlung  Minutoli. 
B.  d.  B.  B.  5.    a  1". 

1 540.  Desgl.,  in  Form  eines  weit  vorspringenden  Panther- 
kopfes, der  eine  Röhre  im  Maule  hat.  Aus  der  Sammlung 
Koller.  503.  L.  S^/«". 

1540*-  Ein  Ventil,  Geschenk  der  Frau Mertens-Schaaf- 
hausen  1846.  L.  9''.   2897. 

1540^-  ?•  Stück  einer  Röhrenleitung  (?)  aus  Pompeji. 
1822  in  Gegenwart  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  HL  aus- 

21* 


324  Thürbeschlag. 

gegraben  und  von  diesem  dem  Museum  geschenkt     In  zwei 
Stücke  gebrochen. 

2)  Thürbeschlag. 

1541 — ^1543.  Drei  vollsändig  erhaltene  Charnier- 
bänder,  aus  Pompeji.  Geschenk  des  Königs  Friedrich  Wil- 
helm EL    L.  13"  bis  138/4". 

1544.  1544*-  1544**-  Drei  desgl.,  von  denen  nur  da» 
erste  ganz  erhalten.    L.  10^/4". 

1544^-  Desgl.,  kleiner.  Aus  der  Sammlung  Koller.  563. 

1545.  Desgl.,  ein  kleines  Fragment   Sammlung  Koller, 

1546.  Beschlag  des  hölzernen  Zapfens,  der  sich 
in  der  Pfanne  drehte.  Es  ist  ein  breiter  Ring  mit  einem  in- 
wendig vorspringenden  Zapfen  und  entspricht  ganz  den  in 
Pompeji  gefundenen  Exemplaren.    H.  2^1^'^  Durchm.  2^2"« 

Vgl.  Annali   1859,   lav.  d'Agg.  E.   n.  B.  und  die  daselbst  p.    104 
gegebenen  Erläuterungen. 

1547  u.  1547*-  Pfanne  und  Angelbeschlag,  sich  in 
einander  drehend,  letzterer  mit  n.  1546  ganz  tibereinstimmend, 
nur  mit  dem  Unterschied,  dass  er  unten  geschlossen  und  mit 
einem  Falz  zum  Eingreifen  in  die  Pfanne  versehen  ist.  Von 
einer  grossen  Thür.  1848  in  Italien  erworben.  2961.  H.  28/g". 
Durchm,  5". 

1548.  Desgl.,  Angelbeschlag,  ebenso  gestaltet  wie  der 
eben  erwähnte.    H.  l»/^".  Durchm.  2V4". 

1549.  1550.  Zwei  ganz  übereinstimmende  Thür- 
griffe,  aus  Pompeji,  1869  von  Prof.  Zahn  angekauft.  3770*-  ^• 
L.  12*^/8". 

Die  Griffe  sind  zusammen  mit  dem  Beschlagband  der 
Thür,  in  welches  sie  mit  Zapfen  eingreifen,  erhalten  und  man 
bemerkt,  dass  sie  verschiebbar  und  ganz  herausnehmbar  ein- 
gerichtet sind,  was  unter  Umständen  von  Nutzen  sein  konnte. 

Sie  selbst  bestehen  aus  einem  halbkreisförmigen,  vertikal 
stehenden  Ring,  der  oben  und  unten  in  anmuthige  Verzierun- 
gen ausläuft. 


Beschlag  und  Verzierungen.  325 

1551.  Thürgriff,  links  und  rechts  in  Palmetten  aus- 
laufend, auch  die  eine  Attache,  —  denn  die  zweite  ist  ab- 
gebrochen, —  ist  zierlich  gebildet.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
444.  L.  6V4".    H.  3''. 

1552.  Beschlag  eines  Thürklopfers  in  Form  eines 
Xöwenkopfes,  der,  wie  man  sieht,  den  Ring  zum  Klopfen  im 
Maule  hatte.  Wir  sind  über  den  antiken  Ursprung  dieses 
Löwenkopfes  nicht  völlig  sicher,  doch  gab  es  so  gestaltete 
Thürklopfer  im  Alterthum.  H.  3".  ß.  2^1^". 

Beschlag  und  Verzierungen  von  verschiedenen,  zum 
Theil  unbestimmbaren  Dingen. 

1552*-  Verzierung  eines  Candelaberfusses,  es  ist 
nämlich  der  freilich  fragmentirte  Palmettenkranz,  der  die 
Lücken  zwischen  den  Füssen  ausfüllte  und  den  Ablauf  mar- 
kirte.  Von  den  drei  grossen  und  drei  kleinen  Palmetten  fehlt 
je  eine. 

1552^-  Beschlag  einer  Sandale,  aus  Cometo.  Samm- 
lung Dorow.  601.  Der  Beschlag  umzog  den  ganzen  Rand  der 
Sandale,  der  Träger  der  letzteren  berührte  aber  den  Boden 
nicht  mit  dem  Beschlag,  sondern  nur  mit  den  dick  vorstehen- 
den Nägeln,  die  an  mehreren  Stellen  erhalten  sind.  L.  9". 

1552®*  Desgl.,  nicht  so  vollständig  erhalten. 

1552^-  Beschlag  einer  Kindersandale  und  zwar  nicht 
l)loss  der  Sohlenbeschlag,  worin  die  vorigen  bestanden  und  der 
hier  mit  denselben  dick  vorstehenden  Nägeln  befestigt  ist,  die 
wir  an  jenen  bemerkten,  sondern  auch  der  Seitenbeschlag,  der 
hinten  am  Haken  hoch  hinaufgeht.  1841  von  Prof.  Gerhard 
gekauft.  2703.  L.  4V2". 

1552®*  Ein  Paar  buckeiförmige  Geräthe,  an  ihrem 
unteren  Theile  mit  vier  Löchern  versehen,  vielleicht  zum  Durch- 
ziehen von  Riemen  am  Pferdegeschirr.  Aus  dem  Nachlass  des 
Obristlieutenant  Schmidt  1846  erworben.  2856. 

1552^-   Zwei  desgl.,  kleiner. 

1552*^- ^-  Zwei  Anhängsel  in  Form   eines  mit    einer 


326  Beschlag  and  Verzierungen. 

Oes€  versehenen  Blattes.    Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben. 51.  52.  L. 

1552^-  Desgl.;  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844 
erworben.   2763. 

1052^*  Desgl.,  von  ähnlicher  Form,  die  Oese  läuft  in 
einen  Thierkopf  aus.  Mit  der  Münzsammlung  Peytrignet  im 
Jahre  1868  zugleich  gekauft.  3591. 

1552^-  Grosses  Weinblatt,  sehr  fein gravirt,  vornehm- 
lich mit  bärtigen  und  unbärtigen  Satyrmasken.  Auch  dies 
Blatt  war  zum  Anhängen  bestimmt.  Aus  Gerhardts  Nachlass 
1869  erworben.   188. 

1552™-  Desgl.,  der  Stempel  ist  abgebrochen  und  man 
weiss  nicht,  ob  es  zum  Anhängen  war.  Aus  dem  Nachlass  des- 
Prof.  Rösel  1844  erworben.   2762. 

1552°-  Desgl. 

1552^-   Ein  Epheublatt. 

155 2P-  Runde  Scheibe  mit  einem  Olivenblatt  daran 
und  Oesen  zum  Anhängen.  Vielleicht  zum  Verhängen  eines 
Thürschlosses.  Das  Blatt  dient  wohl  nur  zum  Anfassen.  An- 
gekauft 1864  von  Prof.  Zahn  hierselbst,  in  Pompeji  gefunden» 
3516. 

1552^-   Zwei  desgl.,  von  verschiedener  Form. 

1552'*   Sieben  knopfförmige  Verzierungen. 

1552^-  Anhängsel  in  Form  eines  Doppelhakens,  der  an 
einem  Ring  hängt,  welcher  wieder  mit  Anderen  zusammenhing. 
Aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  in  Berlin  1846 
erworben.  2857. 

1552**  Hängeverzierung,  aus  dem  Nachlass  des  Mi- 
nisters von  Rauch  1841  erworben.   5653. 

1552^-  Zwei  kleine  stangenförmige  Geräthe,  die 
jederseits  knopfartig  auslaufen.    L.  2^1^"  u.  2^/^ '. 

1552^-    Ornament  einer  Spitze  in   Form  eines  zu- 


Beschlag  und  Verzierungen.  327 

sammengeklappten  Eegenschirmes.    Aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy.    D.  66. 

1552^-  Eine  Anzahl  kleiner  Geräthe,  die  n.  1552^- 
ähnlich  sind,  nur  sftid  die  Stangen  kürzer  und  die  Köpfe  runder. 

1552^-  Zwei  ringförmige  Körper,  oben  gebuckelt. 
Von  Waagen  1844  in  Italien  gekauft.  Bei  Volterra  gefunden. 
2733. 

1552y-  Ein  ähnliches  Geräth. 

1502^-  Medaillonähnliches  Geräth,  jederseits  in 
Fächer  getheilt,  wie  zur  Aufnahme  von  Glas  oder  Email.  Aus 
Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  218. 

1552*-  ^-  Scheibe  mit  zwei  Oesen  und  einem  Haken 
hinten.    Aus  der  älteren  Sammlung.    Durchm.  1^1^*'- 

1552*-  ^'  Verzierung  derselben  Art,  doch  anders  ge- 
staltet.   Bei  Cleve  gefunden.    K.  20.  L.  3V2"- 

1552*-^  Achteckige  Scheibe,  hinten  mit  einem  Ring 
zur  Befestigung.  Auf  der  Scheibe  ist  eine  kleine  nackte  Figur 
dargestellt  mit  unkenntlichen  Ger§,then  in  der  Hand.  H.  1^/g". 

1552*- '^^  Verzierung,  bestehend  aus  einer  runden 
Scheibe,  an  welche  sich  oben  und  unten  Amazonenschilde  an- 
schliessen,  während  links  und  rechts  Oesen  zur  Befestigung 
angebracht  sind.  Auf  dem  Schild  ist  in  gutem  Styl  ein  nackter 
Jüngling  mit  einem  Hut  auf  dem  Kopf  vorgestellt,  der  sich 
mit  einem  schlauchartigen  Geräth  zu  thun  macht,  ohne  dass 
wir  den  Sinn  seiner  Handlung  errathen  könnten.  Im  Felde 
neben  ihm  je  eine  Muschel,  wie  es  scheint.    H.  2^2"- 

1552a.  5.  Runde  Scheibe  mit  einem  dreieckigen  Ansatz 
zur  Befestigung.    1846  gekauft.   2906. 

1552*- ^-  Vier  Verzierungen,  von  denen  zwei  wie 
Amazonenschilde  gestaltet  sind,  deren  eins,  das  grössere,  1820 
auf  dem  Tielberg  bei  Luxemburg,  das  andere  1838  bei  Bitt- 
burg im  Regierungsbezirk  Trier  gefunden  ist.  Vom  Obrist- 
lieutenant  Senckler  1863  erworben.   3488. 


328  Beschlag  und  Verzieraagen. 

1552*-  '^'  Anhängsel,  ringförmig,  fragmentirt.  1858  in 
Köln  gekauft.  3270. 

1552a.  a  Scheibe  von  Blei,  in  der  Mitte  durchbohrt, 
einerseits  mit  einem  Stern,  andererseits  mif  einem  Epheukranz 
verziert.    In  Attika  gefunden.    1869  erworben.  3760. 

1552*- ®-  Verzierung  in  Form  einer  Blume  mitStem- 
pel.   Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  82. 

1552*-  ^®-  Desgl.,  knopfförmig  mit  Nägeln  daran.  Eben- 
daher. 90. 

1552^*^-  Desgl.,  buckeiförmig  mit  Zapfen.  Aeltere 
Sammlung.    K.  15.    Durchm.  iVa"- 

1552^*  2-  Kleiner  durchlöcherter  Stift  mit  vier- 
seitigem geriefeltem  Kopf.    Aeltere  Sammlung.    K.  28. 

1552**- ^-  Etruscische  Verzierung,  vermuthlich  von 
einem  Geräthfuss,  bestehend  in  einer  schräg  vortretenden  Pal- 
mette, die  vielleicht  den  Ablauf  charakterisirt  und  darüber  eine 
alterthüinliche  Meduse  mit  vier  Flügeln  in  typischer  Stellung. 
Aus  Bomarzo.    Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    94. 

1552^- "*•  Desgl.,  ebenso  gebildet,  statt  der  Meduse  ein 
Silen.    Ebendaher.  95. 

1552b.  5.  Desgl.,  ähnlich  gebildet,  oben  eine  Blume, 
unten  ein  Medusenkopf. 

1552^- ^-  Randverzierung  (?)  eines  Geräthes,  von  zwei 
vorspringenden  Schlangenköpfen  flankirt,  über  denen  Affen 
sitzen.  Etruscisch.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  178. 

1552^'  ''•  Vordertheil  einer  Figur,  die  in  den  aus- 
gestreckten Händen  ein  unbestimmbares  Geräth  hält,  hinten 
ein  durchbohrter  Zapfen.    Ebendaher.   177. 

1552^- ®-  Ein  Lamm  auf  einer  Platte  liegend,  die 
unten  einen  Ring,  hinten  einen  Zapfen  hat.  Aus  Bomarzo. 
Ebendaher. 

1552^- ^-  Ein  von  einer  in  Löwenköpfe  auslaufen« 


Beschlag  und  Verzierimgen.  329 

den  Sichel  gekreuzter  viereckiger  Stab  mit  deretrus- 
oischen  Inschrift  Selen.    Ebendaher.  176. 

1552^-  ^^'  Knopfartige  Verzierung,  mit  vier  ganz 
rohen  Köpfen  bedeckt.    Ebendaher.   160. 

1552®-  ^'  Jugendlicher  Kopf  mit  Zapfen,  um  als  Ver- 
zierung irgendwo  aufgesteckt  zu  werden.    Ebendaher. 

1552^*  ^•^•*-  Drei  desgl.,  ziemlich  unkenntlich,  eben- 
daher.  167.  169.  170. 

]^552c.  5.  Desgl.,  noch  roher.    Ebendaher. 

1552^*  ®-  Beschlag  einer  Geräthspitze  in  Form  eines 
Löwenkopfes.    Sammlung  Koller.  262. 

1552®-  '•  Löwenkopf  mit  einem  Zapfen  hinten.  1846 
gekauft.  2907. 

1552^- ®-  Verzierung  in  Form  eines  Amazonen- 
schildes mit  einem  Kinderköpfchen  in  der  Mitte.  Aus  der 
Sanmilung  Koller.  484. 

1552^*  ®-  Zwei  Köpfe  wie  die  unter  1552^-  '^  ^-  erwähnten. 

1552*^'  ^^-  Verzierung  einer  Geräthspitze  in  Form 
eines  durchlöcherten  und  mit  Knöpfen  versehenen  Bades  Viel- 
leicht von  einem  Feldzeichen.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  K.  4 
Dur  ehm.  S^j^'*. 

1552^-  ^'  Kleines  Plättchen,  mit  Blumenranken  ver- 
ziert, hinten  ein  Zapfen. 

1552^- ^-  *•.  Zwei  Delphine,  ein  grösserer  und  ein  klei- 
nerer, die  an  Geräthen  befestigt  waren. 

1552*- *•  Verzierung,  mit  einem  unkenntlichen  Ding 
in  der  Mitte,  umgeben  von  zwei  Delphinen,  von  denen  einer 
fast  ganz  fehlt.    Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    93. 

155 2'*-^-  Plättchen  mit  Zapfen  und  einer  kleinen  Figur 
in  Hautrelief.   Ebendaher.   100. 

1552'^- ^-  Mandelförmige  aber  etwas  gekrümmte 
Verzierung.^  Ebendaher.   60. 


330  Beschlag  und  Verzierungen. 

1552^'*  Kleines  Anhängsel  mit  Ring,  von  Prof.  Peter- 
mann  1852  im  Orient  gekauft.  3124. 

1652^- ^-  Bekrönung  eines  Stabes,  in  Form  einer 
Spitze  mit  drei  Flügeln,  vielleicht  von  einem  Feldzeichen.  Ans^ 
der  Sammlung  Böcking  1858  erworben.  ß&. 

1552^  ®-  Anhängsel  in  Form  einer  Eichel,  mit  einem 
Loch  oben  darin. 

1552^-  ^^-  Anhängsel  von  dreieckiger  Form,  1846 
gekauft.   2924. 

1552®-  ^-  Ring  mit  einem  eisernen  Zapfen  daran,  vom 
Obristlieutenant  Senckler  186:^  gekauft.   3486. 

1552®- ^-  Fragment  mit  einem  Schlangenkopf  ver- 
ziert, am  anderen  Ende  ein  viereckiges  Loch.  1846  aus  dem 
Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  angekauft.  2849. 

1552®- ^-  Verzierung,  in  Form  eines  leeren  Vierecks 
mit  Zapfen  daran.    Aus  der  Sammlung  Koller.  648. 

1552®-  *'  Ein  Kasten  mit  vielen,  theils  werthlosen,  theils 
unbestimmbaren  Verzierungen,  resp.  Beschlagstücken. 

1552®- ^-  Ein  Draht,  der  jederseits  sich  spiralförmig  zu- 
sammenwindet und  an  dem  vier  hohle,  kegelförmige  Körper 
hängen. 

25526.6.  Kleine  dreieckige  Platte,  auf  welcher  in 
Relief  die  Figur  einer  Scylla,  in  Schlangenleiber  ausgehend,, 
den  rechten  Arm  erhoben  haltend. 

1552®-  "•  Runde  Platte  mit  vortretendem  Rande,  worauf 
in  Relief  drei  anscheinend  weibliche  Figuren  neben  einander 
stehen.  Es  lässt  sich  nichts  mehr  von  ihnen  erkennen.  Ge- 
funden bei  Köln  im  Jahre  1816.  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 

B.*c.  ß.  26.    H.  l7g''. 

1552®-  ®-  Widder  köpf,  als  Verzierung  einer  Spitze.  Aus 
der  KoUer'schen  Sammlung.  265. 

1552®-^-  Desgl.  Aus  dem  Nachlass  des  Ministers  von 
Altenstein  1845  erworben.  2807. 


i 


Beschlag  und  Verzierungen.  331 

1552®-  ^^-  Tigerkopf,  der  zu  demselben  ^Zweck  diente. 

1552^-  ^'  Fragment  eines  Thieres.  Aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.  C.  130. 

1552*'- 2.  Ein  Rehkopf. 

1552*^"  ^*  Ein  Hundekopf  mit  einem  Zapfen.  Aus  der 
Sammlung  Minutoli.    Bei  Cleve  gefunden.    K.  23. 

1552^- *•  Hundeartiger  Kopf  mit  dem  Rest  eines 
Ringes.    Aus  der  Sammlung  Dorow.  599. 

1552^-  ^'  Rest  eines  Greifenkopfes  mit  aufgesperrtem 
Maule. 

1552^-  ^'  Köpfchen  mit  Zapfen  und  ein  Knopf.  Aus  dem 
Besitz  des  Obristlieutenant  Senkler  1863  angekauft.  3489. 

1562^-  '^-  Drei  kleine  Verzierungen,  von  Prof.  Peter- 
mann 1856  aus  dem  Orient  mitgebracht.  3125. 

1552^-  ^'  Neun  Stück  Broncen,  zum  Theil  Verzierun- 
gen, Fibeln  oder  Schnallen.  Aus  dem  Nachlass  des  Herrn 
von  Radowitz. 

1552^'  ^'  Verzierungen  mit  durchbrochener  Arbeit. 
Vielleicht  von  einem  Gürtelschloss.  Aus  der  Koller'schen  Samm- 
lung. 637. 

1552^- ^^-  Stierkopf  mit  einem  Zapfen  daran.  Vielleicht 
Bekrönung  einer  Stütze. 

1552fif  ^'  Bronceplatte,  worauf  ein  unkenntlicher  Vogel 
roh  eingegraben  ist. 

1552«^-  ^-  Schwan  mit  einer  viereckigen,  durchlöcherten 
Röhre  hinter  sich. 

15528^- ^*  Eine  kleine,  stempelartige  Verzierung 
mit  undeutlichem  Vogel  darauf.  Aus  Gerhardts  Nachlass.  171. 

ibb2^'  '*•  Geräthverzierung  eigenthümlicher  Art.  Sie 
besteht  aus  einer  Achse  mit  zwei  Rädern,  an  welche  sich 
ein  Halbkreis  anschliesst.    Die  Radscheiben  sind  verziert  mit 


332  Beschlag  and  Verzierungen. 

nackten  Männern^  von  denen  einer  als  Sieger  charakterisirt  ist,  da 
er  sich  den  Kranz  aufsetzt  und  einen  Palmenzweig  trägt,  wäh- 
rend der  andere,  wie  es  scheint,  den  Besiegten  darstellt,  da  er 
hetrübt  die  Kechte  an  die  Backe  legt.  Die  Seiten  des  Halb- 
kreises sind  mit  einem  ähnlichen  Gegenstand  in  runden  Fi- 
guren verziert.  Jederseits  ist  nämlich  eine  Ringergruppe  in 
ziemlich  symmetrischer  Weise  angebracht. 

Der  Graf  Caylus,  Recueil  VII  zu  pl.  63  hat  ähnliche  Ver- 
zierungen einfach  als  Geräthgriffe  publicirt,  wir  verstehen  aber 
nicht,  wie  sie  am  Geräth  angebracht  waren. 

15528^- ^-  Desgl.,  nur  zerbrochen.  An  jeder  Seite  ein 
Panther  in  runder  Figur,  der  seinen  Fuss  auf  das  Rad  legt, 
an  welchem  ebenfalls  ein  Panther  in  Relief  angebracht  ist. 
Aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  1846  erwor- 
ben.  2840»- 

1552«- ®-  Desgl.,  Fragment  einer  solchen  Verzierung. 
Uebrig  geblieben  ist  ein  Panther,  der  seine  Klauen  auf  das 
mit  einer  gehörnten  Satyrmaske  verzierte  Rad  legt. 

15528^-  "•  Desgl.,  Fragment.  Erhalten  ist  der  Panther, 
seine  Klaue  auf  das  Rad  legend,  auf  welchem  eine  Ziege  in 
Relief  vorgestellt  ist. 

15528^-  ^'  Aehnliche  Verzierung.  Ein  Panther,  seine 
Tatzen  auf  ein  mit  Medusenhaupt  verziertes  Schild  legend. 
Aus  der  KoUer'schen  Sammlung.   235. 

15528f-^-  Desgl.    Aber  die  Maske  ist  unkenntlich. 

1552^- ^^-  Fragment  einer  ähnlichen  Verzierung, 
ein  Löwe  legt  seine  Tatzen  auf  ein  mit  unkenntlicher  Maske 
verziertes  Schildcheu. 

1552*^-  ^-  1552^-  ^-  Zwei  kraterförmige  Gefässe,  mas- 
siv aber  in  Relief,  jedes  bekrönt  von  einem  Panther.  An  dem 
Bauch  des  Kraters  ein  Ring,  unter  der  Basis  desselben  ein 
Zapfen.    Die  beiden  Nummern  stimmen  ganz  überein. 

Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  in  diesem  und  in  den  vor- 
hergehenden Fällen  der  Panther  als  Wächter  von  Weinkrügen 
aufgefasst  ist.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  d,  BB.  8.  0. 
H.  51/2". 

Abg.  b.  Beger  111,  pg.  403. 


Beschlag  nnd  Verzierungen.  335 

1552^-  ^-  Behelmte  Büste,  nach  unten  gabelförmig  aus- 
einandergehend.   Diente  vermuthlich  als  Bekrönung. 

1552^- *•  Bronceplatte,  worauf  eine  phantastische 
sphinxartige  Figur  eingegraben  ist.     Aus  Gerhardts  Nachlass. 

1552^-  ^'  Ein  kleiner  Knopf  mit  Keliefverzierungen. 

1553.  Eigenthümlicher,  schwer  zu  erklärender 
Beschlag,  bestehend  in  drei,  an  der  einen  Seite  geschlossenen 
und  knopfförmig  auslaufenden,  an  der  anderen  zackenförmig 
ausgeschnittenen  Cy lindern,  die  durch  kleine  Querleisten  mit 
einander  verbunden  sind.  Nägel  oder  Nägellöcher  lassen  dar- 
auf schliessen,  dass  in  den  Cylindem  ein  hölzerner  Stab 
steckte.  Unzweifelhaft  haben  diese  Bohren  zur  Bekrönung 
spitzer  Stäbe  gedient,  aber  Näheres  vermögen  wir  nicht  an- 
zugeben.   Aus  Corneto.    Sammlung  Dorow^  544.  H.  7". 

1554.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  nur  dass  die  drei 
Cylinder  durch  je  zwei  Leisten  über  einander  verbunden  sind. 
Ebendaher.    Dorow.   543.  H.  972"- 

1555.  Desgl.,  fragmentirt,  nur  zwei  Bohren  sind  erhal- 
ten.   Ebendaher.  Dorow.    544. 

1556.  Desgl.,  Fragment!,  1852  von  Herrn  Vollard  an- 
gekauft  3061. 

1557.  Spitz  zulaufende  Bronceröhre,  die  als  Be» 
schlag  einen  eisernen  Kern  deckt.    L.  6^/2". 

1557*-  Krönende  Verzierung  eines  ^Stabes  oder  der- 
gleichen, in  Form  eines  Pinienzapfens.  Aus  der  Sammlung 
Koller.  650.  H.  2V2"- 

1557^-  Die  Spitze  eines  Geräthes  in  Form  einer  Blume. 
Aus  Pompeji,  Geschenk  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  III.,  in 
dessen  Gegenwart  es  ausgegraben.  H.  5^4". 

1557^»  Desgl.,  in  Form  einer  aufbrechenden  Blume^ 
H.  IV2". 

1557^  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 
86.   H.  10/4''. 


334  Besclilagp  und  Verzierungeil, 

1557«-   Desgl.,  einfacher.    H.  2V2''. 

1557^-  Ein  schön  gearbeitetes  korinthisches 
Säulencapitell. 

1558.  Etruscischer  Beschlag,  bestehend  in  einem  an 
beiden  Enden  gekrümmten  Bronceband,  an  dessen  innerer 
Seite  zwei  kleine  viereckige  Kasten  ohne  Boden  vorspringen. 
In  den  Zwischenräumen  bemerkt  man  noch  die  Nägel.  Aus 
Corneto.    Sammlung  Dorow.   554.  L.  8". 

1558*-  Beschlag  von  der  Ecke  eines  Geräthes  mit 
einer  schwalbenschwanzförmigen  Einkerbung  an  einer  Seite. 
Aus  der  Sammlung  Koller.   500. 

1 558**-  Eine  dünne  gestanzte  Platte  mit  Verzierungen, 
die  zur  Bekleidung  eines  Geräthes  diente.    Fragmentirt. 

j^55gaaa.  Fragmente  von  schmalen  Streifen  Bronceblech 
mit  gepressten  Verzierungen.  Aus  Platäa.  Mit  dem  Nachlass 
des  Prof.  Boss  1860  erworben.   3423. 

1558****-  Beschlag  in  Form  eines  Dreiecks,  mit  ein- 
gravirten  Figuren  verziert. 

Oben  auf  der  breiten  Seite  des  Dreiecks  ist  der  siegreiche 
Lenker  eines  Viergespanns  vorgestellt  mit  Peitsche  und  Palra- 
zweig  in  den  Händen,  auch  seine  Pferde  sind  auf  den  Köpfen 
mit  hohen  Zweigen  geschmückt.  Rechts  im  Felde  ein  Kranz 
und  ein  Helm  von  der  Form,  wie  die  Lenker  der  Quadrigen 
ihn  tragen.    Links  ein  Gefäss  mit  Palmzweigen. 

Unter  dieser  Figur  befindet  sich  ein  Reiter,  der  ebenfalls 
Peitsche  und  Palmzweig  in  den  Händen  hält,  vermuthlich 
einer  jener  Reiter,  die  beim  Wettrennen  den  Wagenlenkem  zu 
eventueller  Unterstützung  beigegeben  wurden.  Unter  dieser 
Figur,  in  der  Spitze  des  Dreiecks,  bemerkt  man  eine  Figur  zu 
Fuss  mit  Peitsche  und  einem  Gefäss  in  der  Hand.  Auch  diese 
Figur  gehört  zu  den  beim  Wettrennen  betheiligten  Leuten, 
denn  das  Gefäss  in  ihrer  Hand  hat  ganz  die  Form  jener  ge- 
flochtenen Gefässe,  die  man  so  oft  auf  Circusdarstellungen 
sieht  und  die  den  Pferden  der  Gegenpartei  als  Hindßmiss  unter 
die  Füsse  geworfen  wurden. 

Wozu  dieser  Beschlag  gedient  habe,  wissen  wir  leider  nicht 
anzugeben. 

Vgl.  Visconti.  Pio  — Clem.  V,  tav.  43. 


Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  von  Geräthen,  335 


Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  von  Geräthen.   . 

Die  schöneren  Masken  werden  bei  den  Figuren  aufgeführt, 
die  anderen,  die  eben  nur  einen  tektonischen  Werth  haben, 
folgen  hier. 

1558^-  Kopf  der  Meduse  inmitten  eines  runden  Reliefs, 
von  dessen  Rand  in  gleichem  Abstände  acht  kleine  Köpfe 
herausragen.  Die  Meduse  ist  eigentlich  nur  an  den  Schlangen 
kenntlich.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  3'^ 

1558^-  Desgl.,  aus  derselben  Form.  Aus  der  Sammlung 
Koller.    H.  3". 

1558^-  Medusenkopf  mit  Schlangen  im  Haar.  Darum 
ein  Rand,  vielfach  durchbohrt,  zur  Befestigung.  Auch  durch 
das  Kinn  läuft  eine  Schraube  hindurch.  Und  ebenfalls  oben 
ist  eine  Vorrichtung  zur  Befestigung.  Aus  der  Sammlung 
KoUer.    H.  28/4''. 

1558®-  Medusen  köpf,  von  Schlangen  umgeben,  darum 
ein  Rand,  so  dass  das  Ganze  wie  eine  Rosette  aussieht.  Am 
Rande,  der  mehrfach  beschädigt,  sind  Silensköpfe  an  den  vor- 
stehenden Punkten  angebracht.  Links  und  rechts  vom  Kopf 
je  ein  Loch  zur  Befestigung.  Mit  Spuren  von  Vergoldung. 
Hoch  2",  breit  28/4". 

1558^-  Medusen  köpf,  von  einem  Rand  umgeben,  mit 
Flügeln  und  gesträubtem  Haar^  aber  ohne  Schlangen,  H.  2^/;^". 

15588^-  Medusenkopf  mit  Schlangen,  gesträubtem  Haar 
und  wildem  Blick.  Hinten  sind  zwei  durchlöcherte  Zapfen.  Aus 
der  Sammlung  Koller.    H.  iVe"» 

1558^-   Stumpfe  Maske.    H.  1''. 

15Ö8»-    Unbärtige  Maske  mit  vollen  Backen.    H.  1". 

1528^-  Fast  ganz  unkenntliche  Maske.    H.  1^/3". 

1558^-  Desgl.,  mit  lang  herabhängenden  Haaren.  Hinten 
eia  Zapfen.    Aus  der  Sammlung  Koller.  185.  H.  l^i"« 


336  Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  von  Gerathen. 

1558"-   Maske  mit  phrygischer  Mütze  und  herab- 
hängenden Haaren.    H.  1^/e". 

IbbS^    Kinderkopf    auf    einer    kreisrunden    Scheibe* 
H.  1V2". 

1558^-  Weibliche  Maske  mit  Stimschmuck  und  herab- 
hängenden Haaren.    H.  iVs"- 

1558P-  Unbärtige  jugendliche  Maske.    H.  '/g"- 

1508^-  Weibliche  Maske  mit hohemHaaraufsatz.  H.  1". 

1558'*  Eohe  Mädch.enmaske  mit  herabhängenden 
Flechten.    H.  8/^''. 

1558®-  Weibliche  Maske  von  der  Breite  des  Gesichtes^ 
wie  man  sie  an  Köpfen  der  Meduse  findet  Aus  der  älteren 
Sammlung.    B.  a.  XV.  ß.  17.    H.  2V2". 

1558*-  Weibliche  Maske  mit  einer  demKrobylos  ähn- 
lichen Haarordnung.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.     0.  39. 

H.  IV/'. 

1558^-  Jugendliche  Maske  mit  einem  hreiten  Bande 
über  der  Stirn.    H.  1'^ 

1508^-  Weibliche  Maske  mit  gesträubtem  Haar  und 
einer  Binde  über  der  Stirn.  H.  lVi2"« 

1558^-  Weibliche  Maske,  sehr  medusenähnlich,  und 
eine  Meduse  ist  auch  wohl  gemeint.  Gefunden  bei  Cleve.  Aus 
der  Sammlung  Minutoli.    B.  a.  XV.  ß,  19.    H.  1". 

1558*-  Bärtige  Maske,  die  Haare  über'^der  Stirn  und 
an  den  Seiten  sind  steif  symmetrisch  geordnet    H.  l^/g".  ^ 

1058^-  Jugendliche  Maske,  an  deren  pB[inn  sich  eine 
umgekehrte  Palmette  anschliesst    H.  1^2"» 

15Ö8'-  Jugendliche  Maske  mit  etwas  schmerzlichem 
Ausdruck  und  symmetrisch  herabhängenden  Locken.  Aus  dem 
Nachlass  des  ?rof.  Rösel  1844  angekauft    n.  2747.  H.  1^/«". 


Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  «1er  Geräthe.  337 

1508*-  ^-  Maske  eines  Stieres  mit  Menschengesicht, 
Achelous.    H.  -/g". 

1558*-  ^-  Jugendliche,  sinnlich  fröhliche  Maske, 
bekränzt,  vielleicht  mit  Ephen.    H.  1%". 

1558*-^  Maske  eines  Negers.    H.  1^4"« 

1558*- *•  Weibliche  Maske  mit  gewelltem  und  sym- 
metrisch herabhängendem  Haar.    H.  1^/2''- 

1558*- ^'  Weibliche  Maske  mit  dem  Hals  daran. 
H.  iVs". 

1558*- ^-  Maske  mit  symmetrisch  herabhängendem 
Haar,  von  einer  kranzartigen  Verzierung  umschlossen.  Aus 
dem  Besitz  Bellori's.    Aeltere  Sammlung.     B.  a.  XV.  ß.  16. 

H.  28/8 ". 

1558*-  '•  Bacchusmaske,  mit  einem  aufwärts  stehenden 
Weinblattkranz  geschmückt,  die  Binde  umgiebt  die  Stirn  und 
fällt  links  und  rechts  symmetrisch  herab.  Die  Augen  sind  aus- 
gehöhlt. AKS.  (B.  a.  XIV.  ß.  3).  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
H.  IV4". 

1558*-  ^*  Maske  der  Ariadne  (?),  mit  Epheulaub  und 
Epheutrauben  bekränzt.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  Iß,  36). 
H.  1''. 

15Ö8*-®  Maske  des  bärtigen  Bacchus,  mit  Epheu 

bekränzt.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   (C.  26).    H.  1". 

» 

1558*-  ^^-  Silensmaske,  kahlköpfig.  Aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.    (C.  30).    H.  l^,/'. 

1558^-  ^-  Silensmaske,  mit  einem  Epheublatt  über  jedem 
Ohr  und  oben  auf  der  Stirn.    H.  2^4".* 

1558^- ^-   Maske  eines  jugendlichen  Satyrs.    H.  1". 

1558^-  ^'  Silensmaske,  der  kahle  Kd|)f  mit  Epheu  be- 
kränzt.   H.  1". 

1058^-  *•   Desgl.,  H.  1 V- 

Kriederichfl,  B«riin'g  Antike  BUd werkt  II.  22 


338  Masken  und  Köpfe  als  Veraierangp  der  Greräthe. 

1558^- ^-  Tragische  Maske,  die  Haare  in  einen  Wulst 
zusammengewickelt.    H.  1%". 

1558^-  ^'  Desgl.,  mit  dem  Onkos  und  einem  Diadem. 
Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  2^IJ*. 

1558^-  '•  Desgl.,  mit  dem  Onkos.  B.  a.  XV.  ß.  14,  aus 
dem  Besitz  Bellori's.    H.  2%''. 

1558^- ^-  Desgl.,  mit  einer  hohen  Frisur  kurzer  krauser 
Locken.    Aus  der  älteren  Sammlung.    H.  iVa"- 

1558^*  ^-  Desgl.,  in  den  steif  herabhängenden  Locken 
und  oben  im  Kopf  durchbohrt  zur  Befestigung.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.    H.  Vj^". 

1558^- ^^'  Desgl.,  mit  herabhängenden  gedrehten  Locken. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  87.    H.  iVs"« 

1558®-  ^-  Desgl.,  nicht  eine  Maske,  sondern  ein  ganzer 
Kopf.     Verzierung.     Aus  der  Sammlung  Bartholdy.     C.  90. 

"•         /l2    • 

1558^- ^-  Ein  ganz  übereinstimmender,  nur  etwas 
kleinerer  Kopf.  -  Verzierung.    H.  ^IJ\ 

1558^- ^'  Komische  Maske,  an  ein  vierfach  durch- 
bohrtes Weinblatt  angesetzt,  zum  Anschluss  an  das  Geräth, 
welches  es  verzierte.    H.  4". 

1558^-  *•   Duplicat  der  vorigen  Nummer.    H.  4". 

IbbS^'^-   Desgl.    H.  IV/. 

1558*'- *•  Desgl.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  XV. 
ß.  10.    H.  8/4". 

1558®-  ^*  Relief,  zu  einer  Dekoration  bestimmt,  mit  zwei 
bacchischen  Masken  darauf  in  Relief,  einer  männlichen,  bärti- 
gen und  einer  weiblichen.    H.  2",  lang  8^/4". 

1558<^-  ^'  Maske  des  Jupiter.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.    C.  3.    H.  iV«". 


Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  der  Geräthe.  339 

lö58°-  ^-  Maske  des  Jupiter  Ammon  mit  thierischen 
Ohren.    B.  a.  ß,  3.    Aus  dem  Besitz  Bellori's.    H.  2". 

1558*^-  ^®-  Büste  des  Jupiter,  auf  der  linken  Schulter 
ist  ein  Stück  Gewand  sichtbar.  B.  a.  l.  ß,  1.  Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.    H.  2". 

1558^-  ^'  Büste  der  Juno  mit  Stirnkrone,  Schleier  und 
herabhängenden  Locken.  Angekauft  1846  aus  dem  Nachlass 
des  Oberstlieutenant  Schmidt  in  Berlin.    H.  3". 

1558^- 2-  Büste  der  Minerva.  Unter  der  Büste  be- 
findet sich  ein  Stück  eines  Ringes,  wie  es  scheint.  Die  Figur 
hat  weiter  keine  Abzeichen  als  den  Helm.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.    C.  8.    H.  3^/4''. 

1558^-  ^*  Büste  der  Minerva  mit  seitwärts  gewandtem 
Kopf.    Das  Gorgoneion  ist  mitten  auf  der  Brust.    H.  2^/2". 

1558^- *•  Desgl.,  kleiner.  Aus  der  älteren  Sammlung. 
B.  a.  IV.  ß.  3.    H.  l^/s''. 

1558*-  ^*  Desgl.  Der  Helm  ist  ohne  Helmbusch.  Eben- 
daher.   B.  a.  IV.  ß.  6.    H.  1". 

1558^-  ^'  Büste  des  Mars.  Aus  der  älteren  Sammlung. 
B.  a.  IV.  ß.  3.    H.  11/2". 

1558^-  ^-  Desgl.,  die  Brust  vom  Schwertriemen  durch- 
schnitten.   B.  c.  ß.  8.    Aus  der  Sammlung  Minutoli.  H.  1^/4". 

1558^- ®*  Desgl.,  die  linke  Schulter  ist  abgebrochen. 
Der  Schwertriemen  ist  ausgedrückt.  B.c.  ß,  6.  Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.    H.  Vj^", 

1558^- ®-  Desgl.,  der  Schwertriemen  kommt  auf  der 
linken  Schulter  zum  Vorschein.  B.  c.  ß.  7.  Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.    H.  l^fj'. 

1558^-  ^^-  Desgl.,  wenn  es  nicht  Minerva  sein  soll,  denn 
die  Einschnitte  auf  der  Brust  sehen  fast  so  aus,  als  sollten 
sie  Gewandfalten  andeuten.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a. 
IN.  ß.  5.    H.  1V2".- 

22* 


340  Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  der  Geräthe. 

1558°-  ^-  Desgl.,  die  Büste  geht  aus  einem  Blumenkelch 
hervor.  B.  a.  IV.  ß.  8.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.  Ge- 
funden bei  Cleve.    H.  1^2"* 

1558®-  ^  Desgl.,  ganz  barbarisch.  Auch  aus  einem 
Blumenkelch  hervorgehend.  Aus  der  Böcking'schen  Sammlung. 
H.  2V2". 

1558®-  ^-  Desgl.,  die  linke  Schulter  ist  abgebrochen. 
Aus  der  Böcking'schen  Sammlung.    H.  2". 

1558®- *•  Desgl.,  bärtig,  aus  einem  Blattkelch  hervor- 
kommend.   Aus  der  älteren  Sammlung.    B.  c.  ß,  5.  H.  1^/12"- 

1558®- ^-  Büste  eines  Amor,  die  Haaranordnung  ist  we- 
nigstens ganz  so,  wie  sie  an  Amor  sich  findet.  Aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.    C.  66.    H.  2". 

1558®-^-  Büste  des  jugendlichen  Bacchus  mit  Binde 
und  Weinbekränzung.  Die  Nebris  durchschneidet  quer  die 
Brust.   Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  XIV.  ß.  2.  H.  1^2"« 

1558®-  ''•  Bacchische  Büste,  nach  der  Brust,  die  nur 
zur  Hälfte  von  der  Nebris  bedeckt  wird,  männlich,  doch  ist 
das  ganze  Aussehen  eher  weiblich.  Die  Augen  sind  von  Silber 
eingesetzt.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  35.    H.  lV2"' 

1558®-  ^-  Büste  eines  Silens,  d.  h.  eines  langbärtigen^ 
kahlköpfigen,  mit  Epheu  bekränzten  Alten.  Aus  der  älteren 
Sammlung.   B.  c.  ß.  10.    H.  iV^". 

1558®- ^-  Büste  eines  jugendlichen,  lachenden  Sa- 
tyrn. Die  Nebris  läuft  von  der  rechten  Schulter,  wo  sie  ge- 
knüpft ist,  quer  über  die  Bnist.  B.  a.  XV.  ß,  13.  Aus  dem 
Besitz  Bellori's.   H.  272''- 

1558®-  ^^-  Büste  einer  Bacchantin,  die  nackte  Brust 
von  der  Nebris  durchschnitten,  mit  Trauben  und  Weinblättem 
bekränzt.  Nicht  ohne  Verdacht,  zumal  da  zwei  ganz  ähnliche 
Exemplare  vorkommen.  B.  a.  XV.  ß.  6.  Aus  dem  Besitz 
Bellori's.   H.  3". 

1558^-  ^-  Ganz  übereinstimmende  Büste,  nur  etwas 
kleiher.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  XV.  ß.  4.  H.  2^/4"- 


Masken  und  Köpfe  ab  Verzierung  der  Geräthe.  341 

1508^-  -  Ganz  übereinstimmende  Büste,  nur  ist  der 
Kopf  nach  der  anderen  (rechten)  Seite  gedreht.  Merkwürdig 
ist  auch  an  diesen  drei  Büsten,  dass  sie  alle  drei  an  den 
Brüsten  abgeplattet  sind.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  XV. 
ß.  5.    H.  3". 

1558^-  ^  Büste  einer  Isis,  wenigstens  ist  der  Gewand- 
knoten angedeutet,  und  wie  es  scheint,  sind  auch  Aehren  an 
der  Stirnkrone.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  A.  74.    H.  2". 

1058^- *•  Büste  des  bärtigen  Herkules.  Er  trägt, 
wie  öfter,  die  gewundene  Kopfbedeckung;  das  Löwenfell  durch- 
schneidet diagonal  die  Brust.   H.  1^2"- 

1508*^^-  Verschleierte  Büste  einer  Frau.  Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.    C.  83.   H.  1^/3". 

1558'- ^-  Büste  eines  nackten  Mädchens,  auf  einem 
Blumenkelch  aufgesetzt.  Die  Brust  ist  beschädigt.  Ver- 
dächtig.  Aus  der  älteren  Sammlung.    B.  c.  fi.  29.   H.  2^/0". 

1558*^- "•  Ganz  ähnliches  Werk  und  in  ähnlichem  Zu- 
stand der  Erhaltung.   Ebendaher.   B.  c.  ß,  2^.   H.  2^1^", 

1558*'- ^-  Büste  eines  mit  der  Chlamys  bekleide- 
ten Jünglings.  Der  Kopf  ist  seitwärts  gedreht.  Die  Augen 
sind  von  Silber.   H.  2^2''- 

1558^- ^-  Männliche  Büste  mit  Knebelbart  und  Schnurr- 
bart, mit  einem  Helm  auf  dem  Kopf,  worüber  eine  runde 
Scheibe  aufrechtstehend  angebracht  ist.  Auf  der  linken  Schulter 
ein  Stück  des  Gewandes.   H.  3^0 "• 

1558^- ^^-  Unbärtige  männliche  Portraitbüste  mit 
kurzem  krausen  Haar.  Am  linken  Arm  sieht  man  den  Ansatz 
<les  Panzers.  Darüber  ein  Mantel.  Hat  etwas  Aehnlichkeit 
mit  Caracalla,  ein  römischer  Imperator  scheint  gemeint. 
H.  VI,". 

1558^-  ^'  Männliche  jugendliche  Büste,  mit  einer 
Blume  und  Traube  am  Kopf  geschmückt.  Soll  vielleicht 
Bacchus  sein.  Hinten  ein  Zapfen  zur  Befestigung.  B.  a.  XV. 
ß.  2.    Aus  der  Sammlung  Minutoli.    H.  2^4^'. 


342  Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  der  Gerathe. 

1558^-  2-  Büste  eines  jungen  Mädchens,  im  einfachen 
Chiton,  der  mit  Spangen  auf  den  Schultern  befestigt  ist.  Oben 
auf  dem  Kopf  befand  sich  ein  Ansatz.   H.  2^1^". 

155.^^- ^-  Büste  eines  Kindes,  mit  einem  Stück  Ge- 
wand.   Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  2^/4". 

1558^- *•  Büste  eines  Knaben,  mit  einem  Gewand  be- 
deckt.  H.  2V2''. 

1558^- ^-  Büste  des  Achelous.  Die  Arme  sind  aus- 
gebreitet und  über  ihnen  befindet  sich  je  ein  Flügel,  der 
wohl  durch  den  tektonischen  Zweck  des  Werkes  veranlasst 
ist.    Unter  dem  Kopf  Voluten  und  Palmetten.    H.  l^s"« 

1558^- ^-  Bärtige  bekränzte  Satyrmaske  mit  Blei 
gefüttert,  sehr  zerfressen.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  er- 
worben.  H.  li'c".    162. 

1558^- ''•  Kopf  eines  Silens,  als  freischwebende  Ver- 
zierung benutzt.  Gefunden  bei  Cleve.  Aus  der  älteren  Samm- 
lung.   B.  a.  XV.  ß,  20.   H.  iVe". 

1558^- ^'  Desgl.,  oben  auf  dem  Kopf  ist  noch  ein  An- 
satz erhalten  von  dem  Gegenstand,  an  welchem  der  Kopf  hing. 
Aus  der  älteren  Sammlung.     B.  a.  XV.  ß,  25.    H.  1^/2". 

1558^- ^-  Desgl.,  der  Bart  ungemein  lang  und  spitz. 
Aus  der  älteren  Sammlung.    B.  a.  XV.  ß,  22.    H.  2". 

IbbS«'  ^^-  Maske  mit  steif  an  den  Seiten  herabhängen- 
den Haarlocken.   Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  37.  H.  2". 

1558^-  ^'  Jugendlicher  Kopf,  Hautrelief  auf  einer 
runden  Platte.  In  Pompeji  gefunden.  Aus  dem  Nachlass  des 
Prof.  Kösel  1844  erworben.   H.  1".    2749. 

1558^- 2-  Jugendliche  behelmte  Büste  des  Mars, 
hinten  ein  Zapfen.   H.  1^2''- 

1558^- ^-  Jugendliche  männliche  Maske,  an  der 
linken  Seite  etwas  beschädigt.  In  Cöln  gefunden.  Aus  dem 
]^achlass  des  Generals  V.  Rauch  1841  angekauft.  2641.  H.  2'/8"- 


Masken  und  Köpfe  als  Verzierung  der  Gerälhe.  343 

1558^-  *•  Jugendliche  Maske  auf  einer  schildförmigen 
Platte.   Aeltere  Sammlung.   B.  c.  ß,  30.   H.  1^2"- 

1558^- ^-  Knabenbüste  mit  lächelndem  Ausdruck.  Aus 
der  Sammlung  Koller.   H.  2^/^". 

1558^^-  Jugendliche  Büste,  nach  der  Haartracht 
weiblich.   Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   C.  84.   H.  l^/g". 

1558^  '•  Kopf  mit  symmetrisch  geflochtenen 
Zöpfen,  wie  an  tragischen  Masken.  An  einer  pompejanischen 
Lanpe  kommen  solche  Köpfe,  genau  übereinstimmend,  vor. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  92.   H.  ^j^", 

1558^-  ®-  Desgl.,  ganz  übereinstimmend.  Aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.    C.  90.   H.  11/12"- 

1558^- ®-   Desgl.,  nur  etwas  kleiner.   H.  ^/^^ 

1558^-  ^^'  Büste  der  Luna,  an  dem  Halbmond  kennt- 
lich. Aus  der  Sammlung  Minutoli.   B.  a.  VIII.  ß,  1.  H.  l^/^". 

1508^-  ^'  Schildförmige  Büste  der  Artemis  mit  dem 
Halbmond,  der  hier  in  der  Mitte  ein  Loch  hat.  Quer  über 
die  Brust  geht  das  Köcherband.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
C.  11.  H.  3". 

1558^- ^-  Kleine  jugendliche  Maske,  mit  einer  phry- 
gischen  Mütze  bedeckt.   H.  1". 

1558^-  ^'  Weiblicher  Kopf  in  bewegter  Haltung,  mit 
zwei  links  und  rechts  auf  seltsame  Weise  vom  Kopf  ab- 
stehenden Lockenbündeln.   H.  1". 

1558^-  *•  Doppelkopf,  wie  es  scheint,  von  weiblichen 
Köpfen.  Bekrönungsornament.  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
B.  c.  ß,  25.   H.  78''. 

1558^^-  Büste  eines  bekleideten  Jünglings,  mit 
langen  Locken  und  phrygischer  Mütze,  aus  einem  Blumen- 
kelch auftauchend.  Vielleicht  ist  Attis  oder  Paris  gemeint 
Bekrönung  eines  Stabes,  etwa  eines  Dreifussbeines,  wo  Aehn- 
liches  sich  erhalten  hat.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  XX. 
ß,  \,   H.  1«/^". 


VI.  Geräthe,  deren  Zweck  nur  ver- 
muthungsweise  oder  gar  nicht  angegeben 

werden  kann. 

Instrumente  zum  Haarscheiteln  (?)  (discemiculum). 

Da  man  eigene  Instrumente  zum  Haarscheiteln  hatte,  so 
wäre  es  nicht  unmöglich,  dass  die  im  Folgenden  aufgeführten 
Geräthe  zu  diesem  Zweck  gedient  hätten,  wozu  sie  wenigstens 
sehr  tauglich  sind.  Doch  bedarf  es  allerdings  anderer  Beweise, 
um  die  Sache  gewiss  zu  machen. 

1559.  1560.  Nadeln  zum  Haarscheiteln.  Aelterc 
Samml.     L.  G'/g".     0.  1.  2. 

Diese  zwei  ganz  gleichen  Geräthe  sind  platt,  oben  durch- 
bohrt, etwa  zum  Aufhängen  oder  um  an  einem  Ringe  getragen 
zu  werden,  und  unten  ziemlich  stumpf,  um  der  Haut  nicht 
wehe  zu  thuu.  Man  hat  sie  für  Packnadeln  erklärt,  allein 
dazu  sind  sie  ganz  unpraktisch. 

1561.  Desgl.  Samml.  Minutoli     L.  5". 

1561*-  Schnalle,  deren  Ring  nicht  geschlossen  ist,  son- 
dern in  aufgerollte  Enden  ausläuft,  die  einen  kleinen  Zwischen- 
raum zwischen  sich  lassen.  Aus  dem  Nachlass  des  Obrist- 
lieutenant  Schmidt  1846  erworben.     2855. 

1561^- ^-  Zwei  desgl.,  die  eine  ist  mit  Buckeln  ver- 
sehen, die,  wie  es  scheint,  emaillirt  waren. 

1561^-  Desgl. 


Die  Vasen  iu  Form  vou  Köpfen.  345 


Vasen  in  Form  von  Köpfen. 

1562.  Etruscische  Vase  in  Form  eines  weiblichen 
Kopfes,  der  eine  Stirnkroue  trägt  und  ein  Halsband,  an  wel- 
chem eine  Bulla  von  gewöhnlicher  Form  hängt.  Die  Pupillen 
der  Augen  sind  ganz  ungewöhnlicher  Weise  von  Gold  ein- 
gesetzt. 

Die  Vase  hat  einen  Deckel,  der  festgerostet  ist,  und  hing 
an  einem  Henkel  oder  auch  an  zwei  Ketten,  was  unentscheid- 
bar  ist,  da  nur  der  Rest  einer  ringförmigen  Attache  erhalten 
ist.    1862  gekauft.    3464.   H.  4Vo^ 

Die  an  Ketten  hängenden  Vasen  in  Kopfform  werden  von 
mehren  Seiten^)  für  Weihrauchgefässe  erklärt,  leider  aber 
fehlt  jeder  Beweis  und  ist  auch  nicht  aus  der  Sache  selbst 
zu  entnehmen. 

1562*-  Desgl.,  in  Form  eines  Venuskopfes,  was  durch 
das  Täubclieu  festgestellt  wird,  das  sich  links  und  rechts  am 
Kopf  befindet.  Die  Augen,  von  denen  eines  sich  erhalten  hat, 
waren  aus  einer  weissen  Masse  eingesetzt.  Die  Haare  sind 
steif  gelockt  und  gehen  hinten  in  einzelnen  Streifen  an  die 
Oeffnung  hinan,  um  die  Form  des  Gefässes  besser  zu  mar- 
kiren.  Etrusciscli.  In  Italien  durch  Prof.  Gerhard  angekauft 
und  1841  eingeschickt. 

1563.  Desgl.,  von  griecliischem  Stil.  Der  Kopf  ist  zier- 
lich geschmückt  mit  Halsband,  Ohrringen  und  einem  Stirn- 
band, dessen  Mitte  durch  eine  Verzierung  markirt  ist,  welche 
eine  Gemme  andeuten  soll  und  an  dessen  Seiten,  gerade  über 
den  Ohren,  zwei  wie  Kopffltigel  des  Merkur  aussehende  Dinge 
hervorragen,  über  welche  wir  keine  nähere  Auskunft  geben 
können.  Der  Kopf  hängt  an  Ketten  und  ist  oben  und  unten 
offen.  Unten  bemerkt  man  nicht  die  geringste  Spur,  dass  er 
geschlossen  war,  was  auch  schon  bei  anderen  Exemplaren 
bemerkt  ist,  auch  oben  an  der  Oeffnung  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden, ob  sie  durch  einen  Deckel  geschlossen  war  oder 
nicht.  Natürlich  können  broncene  Vasen  ohne  Boden  eben- 
sowolil  bestanden  haben,  als  solche  in  Terrakotta,  die  gar 
niclit  selten  sind  und  eben  nur  für's  Grab  bestimmt  waren. 


')  Z.  B.  von  Vaux  Handbook  to  tlic  aiiiiq.  of  ihe  bril.  mus.  p.  414; 
und  von  Brann  bullet,  d'inst.  1858  p.  159. 


346        I^ie  Vaseu,  die  vermuthlich  als  Maasse  gedient  haben. 

Unter  dem  Halsband  liest  man  die  unverständliche  In- 
schrift nOAYJJJM  —  iT(?)  ANTinnOM.  H.  3V2". 

1564.  Desgl.,  in  Form  eines  mohrenartigen  Knabenkopfes. 
Das  Haar  besteht  in  lauter  kleinen,  schlaff  herabhängenden 
Locken.  Am  Halse  trägt  er  ein  gewundenes  Halsband.  Das 
Gefäss  ist  unten  geschlossen,  hat  oben  eine  nur  kleine  Mttn- 
dung  und  hängt  an  einem  Henkel.  Aus  dem  Besitz  Bellori's. 
H.  ohne  Henkel  4".     A.  12. 

1565.  Desgl.,  fast  ganz  übereinstimmend,  nur  dass  noch 
eine  Büste  daran  ist.  Auch  hatte  die  Oeffnüng  oben  einen 
Klappdeckel,  von  dessen  Befestigung  die  Spuren  zurück- 
geblieben. Das  Gefäss  ist  unten  offen  und  man  sieht  keine 
Spur  eines  Bodens.  Es  hing  an  einem  Henkel  oder  an  Kingen. 
Aus  der  Samml.  Koller  160.     H.  41/4". 

1566.  Ausgussgefäss,  in  Form  eines  weiblichen  Kopfes, 
mit  Henkel  und  kleeblattförmigem  Ausguss.  Der  Boden  fehlt, 
war  aber  vorhanden.  Aus  der  Samml.  Bartholdy.  D.  13- 
H.  V\ 

Vasen,  die  vermuthlich  als  Maasse  gedient  haben. 

1567 — 1569.  Drei  etruscische,  sämmtlich  aus  Cor- 
neto  stammende  Gefässe,  von  einer  und  derselben  Form 
und  in  einem  bestimmten  Verhältniss  zu  einander  stehend, 
das  bei  den  beiden  ersten  noch  als  1:2  zu  controliren  ist 
Sie  sind  daher  vermuthlich  Maasse,  wozu  auch  die  Form  und 
der  hochragende  Henkel  (der  an  der  letzten  fehlt)  geeignet 
sind.   Aus  der  Samml.  Dorow  515 — 517.   H.  von  3"  bis  574". 

1570.  Vase  ähnlicher  Form,  die  vielleicht  auch  zu 
demselben  Zweck  gedient  hat.  Am  Henkelschluss  eine  Satyr- 
maske.    Aus  der  Samml.  Koller  357.     H.  3''. 

1571.  Desgl.,  von  ähnlicher  Form,  doch  ist  der  Henkel 
nicht  erhalten»  An  der  Mündung  und  am  Bauch  lineare  Ver- 
zierungen.    Aus  der  Samml.  Koller  358.     H.  2^/4". 

1572.  Etruscisches  Gefäss  ähnlicher  Form,  aus 
Corneto.     Samml.  Dorow.  512.     H.  674"- 

Dies  Gefäss  könnte  ein  Becher,  aber  auch  wohl  einMaass 
gewesen  sein. 


.Die  eimerförmigen  Geräthe.  ,  347 


Eimerförmige  Geräthe. 

1573.  Kleiner  Eimer  aus  Cometo.  Sammlung  Dorow. 
510.    Durchm.  b^jj*.    H.  3%". 

Henkel  und  Bauch  des  Gefässes  sind  in  schrägen  Win- 
dungen cannellirt.    Der  Henkel  läuft  in  Schwanenköpfe  aus. 

1574.  Desgl.,  schwer  gegossen,  mit  doppeltem  Henkel. 
Am  Bauch  die  Marke  V.  Aelt.  Samml.  B.  5.  H.  2^1^". 
Durchm.  4^/4". 

1575.  Desgl.,  grösser,  in  Pompeji  1822  in  Gegenwart 
des  Königs  Friedrich  Wilhelm  HL  ausgegraben  und  von  diesem 
dem  Museum  geschenkt.   A.  19.    H.  10".    Ob.  Durchm.  SVs"« 

Das  Gefäss  ist  von  Bronce,  der  Henkel  von  Eisen,  und 
zur  Befestigung  desselben  ist  der  Hals  von  einem  eisernen 
Reif  umgürtet,  aus  dem  sich  die  Ringe  für  den  Henkel  ent- 
wickeln. 

1575**  Kesseiförmiges  Gefäss,  das  seinen  Henkel  ver- 
loren hat,  vielfach  geflickt.   H.  8%". 

1575^-  Grosses  eimerförmiges  Gefäss,  das  indess 
auf  drei  mit  Kopf  und  Flügeln  versehenen  Löwentatzen  ruht. 
Der  Henkel  läuft  in  Schwanenköpfe  aus,  die  Attache  wird 
durch  einen  weiblichen  Kopf  gebildet,  von  welchem  Wolfs- 
oder Hundeköpfe  ausgehen.   H.  12^1 2"-   Durchm.  Q^s"- 

1575^  Kleines  cylinderförmiges  Gefäss,  welches 
nach  Ausweis  eines  früheren  Inventars  (von  Levezow  1825) 
einen  Henkel  hatte,  dessen  Ansatzstelle  man  wohl  bemerkt. 
Aelt.  Samml.  K.  34.    H.  28/8".   Durchm.  l»/^". 

1575^-  Kleines  kesseiförmiges  Gefäss,  mit  beweg- 
lichem Henkel  und  Deckel,  auf  dem  Bauch  in  Hautrelief  ein 
Kampf  zwischen  zwei  Centauren  und  einem  Löwenpaar.  Wei- 
tester Durchm.  3".  H.  2^12"»  Bei  Cleve  gefunden,  aus  der 
Samml.  Minutoli.   A.  11*- 

Becken-  und  schalenförmige  Gefässe. 

1576.  Grosses  Becken  mit  zwei  Henkeln.  Nach  der 
Patina  stammt  dieses  Gefäss  aus  Pompeji.  Durchm.  13 Vi". 
H.  51/2". 


348  .       ^^^  becken-  und  schalenförmig'en  Gefasse. 

1576*-  Desgl.,  wahrscheinlich  ebendaher,  da  es  das  Siegel 
der  neapolitanischen  Commission  der  Alterthümer  trägt.  Durchm. 
178/4".    Höhe  incl.  Fuss  8V2''. 

1577.  Desgl.,  aus  Pompeji,  ohne  Henkel.  1822  in  Gegen- 
wart des  Königs  Friedrich  Wilhelm  III.  ausgegraben  und  von 
diesem  dem  Museum  geschenkt.  B.  7.  H.  4".   Durchm.  l^^j^", 

1578.  Desgl.,  nur  zur  Hälfte  erhalten. 

1579.  Länglich  runde  Wanne  mit  umgebogenem  Rand, 
sehr  passend  zu  einem  Waschbecken,  dergleichen  wir  genau 
von  derselben  Form  besitzen.  Aus  Pompeji,  in  Gegenwart  des 
Königs  Friedrich  Wilhelm  III.  ausgegraben  und  von  diesem 
dem  Museum  geschenkt.    A.  22.    H.  5".   L.  16^/^". 

1580.  Desgl.,  kleiner.    H.  6^^''.   L.  14". 

1581.  Desgl.,  kleiner  und  ohne  Rand,  von  derselben  Her- 
kunft wie  1579.    A.  23.    L.  7".    Br.  dVs"-    H.  2iV'. 


1582.  Runde  Schale  mit  zwei  Henkeln,  auf  einer  kreis- 
förmigen Basis  mit  durchbrochener  Arbeit  stehend.  H.  3V4". 
Durchm.  10". 

1583.  Desgl.  mit  Fuss,  aber  ohne  Henkel.  H.  3V4". 
Durchm.  9V4''. 

1584.  1585.  Zwei  tiefe  henkellose  Schalen.  Samml. 
Koller  365.  367. 

1586.  1587.  Zwei  desgl.,  kleiner  und  geriefelt.  Die 
Form  ist  nicht  ganz  dieselbe.  Sammlung  Koller  371.  372. 
Durchm.  51/2".   H.  2V8". 

1588.  Flache  henkellose  Schale  ausCorneto.  Samml. 
Dorow.  521.   Durchm.  1172"-    H.  2^/3". 

1589—1592.  Vier  desgl.  Samml. Koller  319.  321.  322. 
366.    H.  V.  l'^/jj"— 2".    Durchm.  v.  T»/^"— 10". 

1593—1595.  Drei  desgl.  H.  v.  1%"— 2".  Durchm.  v. 

83/^"— IOV4". 

1595*-  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 
190.    Durchm.  7^/3^ 


Die  becken-  und  schalenförmigen  Gefässe.  34^ 

1596.  Desgl.,  die  Form  ist  etwas  abgerundet  SammL 
Koller  316.   H.  2V8".   Durchm.  TVg''. 

1597.  Desgl.  im  Jahr  1865  aus  der  Samml.  Pourtalös 
acquirirt.    3543.   H.  2^8".   Durchm.  TVa"- 

An  dieser  Schale  bemerkt  man  aussen  im  flachen  Belief 
ein  Blatt,  das  wie  eine  Attache  aussieht.  Auch  scheint  noch 
etwas  daran  gesessen  zu  haben,  doch  ist  uns  jede  nähere  Be- 
stimmung unmöglich. 

1598.  Desgl.,  mit  einem  kleinen  runden  Fuss.  H.  2^/4". 
Durchm.  S^/g". 

1598»-  Desgl. 

1598^-  Desgl.,  erheblich  zerstört. 

1599.  Kleiner  schwergegossener  flacherNapf,  mit 
einem  Blattornament  auswendig  verziert.  Aelt.  Samml.  B.  12. 
Durchm.  Vjs*'-   H.  iV»".        * 

1600.  Desgl.,  mit  der  Dedicationsinschrift:  A.  SEPTV- 
NOLENA.  PETE.  AMISI.  0.  DONO.  Aelt.  Samml.  Durchm. 
5".   H.  18/3". 

1600*"^-  Drei  kleine  Näpfe,  vermuthlich  Kinderspiel- 
zeug.  Samml.  Koller.  376—378.   Durchm.  von  1^/4 "—2^4". 

1601.  Kleine  Schale  mit  geriefeltem  Bauch.  An  der 
einen  Seite  ein  Henkel  in  Form  einer  Schlange,  die  zum  Hin- 
einfassen des  Fingers  einen  grossen  Ring  bildet.  Bei  Cleve 
gefunden.   Samml.  Minutoli.   Durchm.  3^4".   H.  1". 

1^01*- ^-  Zwei  graziöse  Schalen  auf  hohen  Füssen^ 
etwa  wie  die  antiken  Marmorbecken  gestaltet.  Aus  Gerhardts 
Nachlass  1869  erworben.   H.  2*^/8".   Durchm.  3''. 

1601  <^-  Tiefere  Schale,  welcher  der  Fuss  fehlt,  hübsch 
verziert.   Durchm.  3''.   Aelt.  Samml.  B.  6. 

Abg.  bei  Beger  III,  p.  385. 

1601^-  Desgl.,  noch  tiefer,  becherartig.  Aus  der  SammL 
Minutoli  A.  24. 

1601«'  Kleiner  Napf,  1846  gekauft.   2926. 


350  ^^^  lellerförmigen  Gefässe. 

1601^-  Desgl.,  aus  Gerhards  Nachlass  1869  erworben.  209. 

1601«-  Desgl.,  aus  der  Samml.  Koller  379. 

1601^  Kleine  Schale  in  Form  einer  Muschel,  mit  beiden 
Händen  von  einer  kleinen  nackten  Figur,  die  den  Griff  bildet, 
gehalten  und  gleichsam  präsentirt.  Sehr  graziöses  etruscisches 
Geräth.   L.  i^jj'. 

Tellerförmige  Gefässe. 

1602.  1603.  Zwei  Teller  mit  kleinem,  etwas  erhöhtem 
Fuss,  an  dem  sie  sehr  gut  zu  tragen  sind.  Vielleicht  waren  es 
Präsentirteller.  Durchm.  8".  H.  1".  Der  erste  stammt  aus  der 
Samml.  Koller  313. 

1604.  Grösserer,  etwas  vertiefter  Teller,  inwendig 
verzinnt  oder  versilbert,  aussen  innerhalb  des  Fusses  und  da- 
neben eingekratzte  Charaktere,  die,  wie  es  scheint,  etruscisch 
und  gewiss  Marken  der  Fabrik  sind.  Aelt.  Kgl.  Samml.  B.  9. 
Durchm.  10V2"-    H.  1V2". 

1605.  Kleinerer,  aber  etwas  tieferer  Teller,  sehr  ge- 
eignet zum  Suppenteller,  inwendig  verzinnt  oder  versilbert, 
aussen  unter  dem  Fuss  mit  Charakteren  derselben  Art  wie  1604 
versehen.   Aelt.  Kgl.  Samml.  B.  8.   Durchm.  8V2".    H.  l^/g". 

1606.  Desgl.,  inwendig  verzinnt  oder  versilbert.  Bei 
Gelduba  gefunden,^ aus  der  Samml.  Minutoli.  B.  9*-  Durchm. 
1^4".   H.  iVs". 

1607.  Ganz  flacher  Teller  mit  etwas  erhöhtem  Rande. 
Durchm.  9".   Aelt.  Samml.  B.  10. 

1608.  Flacher  Teller  mit  feinverziertem  Rand.  Durch- 
messer 7".   Aelt.  Samml.  B.  13. 

1609.  Desgl.,  ganz  ähnlich,  die  innere  Rundung  war  von 
einer  rund  vorstehenden  Schnur  umgeben,  von  welcher  man 
auch  bei  n.  1605  noch  schwache  Spuren  bemerkt.  Aelt.  Samml. 
B.  14.   Durchm.  68/4". 

1610 — 1613.  Vier  kleinere,  mit  feinen  Ornamenten, 
Palmetten  und  Lotosblumen  verziert.  Durchm.  4^2"«  Aeltere 
Samml.  B.  15—18. 


.  i 


Die  urDeuförmigea  Grefässe.  —  Die  henkelloseu  Töpfe.        351 

1613**  Kleiner  Teller  oder  Scheibe  ohne  Rand  mit 
einem  grösseren  Loch  in  der  Mitte  und  je  zwei  kleineren  an 
zwei  gegenüberliegenden  Seiten.  Man  denkt  zunächst  an  Waag- 
schalen, wobei  aber  das  Loch  in  der  Mitte  stört.  Auch  würde 
die  Schale  an  zwei  Punkten  nur  schwankend  hängen.  Aussen  ^ 
um  das  Loch  der  Mitte  sind  zierende  Würfelaugen  eingegraben. 
1843  gekauft.    2719.   Durchm.  g'/g". 

1613^-  Zwei  desgl.,  die,  wie  es  scheint,  ein  Paar  bilden. 
Aussen  eingekratzte  Verzierungen.   Durchm.  SVa"- 

IGIS®-®-  Drei  desgl.,  zwei  davon  mit  je  vier  Löchern 
an  den  Seiten.   Durchm.  S^/^".  d.  u.  e.  2^/2". 

1613^- ^-  Zwei  desgl.,  mit  einem  Buckel  in  der  Mitte. 
Die  erste  aus  der  Samml.  Koller  506.   Durchm.  2^1^", 

1613^-  Kleiner  wenig  vertiefter  Teller,  wenn  es 
nicht  die  Basis  eines  Geräthes  gewesen  ist. 

,  Urnenförmige  Gefässe. 

1614.  Grosses  urnenförmiges  Gefäss,  das  wohl  zum 
Aschenkrug  gedient  haben  könnte,  aus  mehreren  Stücken  zu- 
sammengenietet, doch  jedenfalls  aus  späterer  Zeit.    Durchm, 

141/2".   H.  IOV2''. 

1615.  Desgl.,  aus  Pompeji,  wo  es  1822  in  Gegenwart  des 
Königs  Friedrich  Wilhelm  III.  ausgegraben  ist.  Geschenk  des 

Königs.   A.  20.    H.  6".   Br.  9^2". 

• 

1616.  Desgl.,  kleiner,  ebendaher.  H.  5^2".  Br.  7^2 "• 
A.  21. 

1616*-  Desgl.,  von  ähnlicher  Form.  Sammlung  Koller. 
H.  5V2".   Durchm.  6". 

Henkellose  Töpfe. 

a.    Mit  enger  Mündung,  flaschenförmig. 

1617.  Flaschenförmiges  Gefäss,  1841  von  Prof. 
Gerhard  in  Italien  angekauft.    2674.   H.6V2".  Durchm.  4^2''- 

Die  Form  ist  specifisch  etruscisch,  wenigstens  nur  aus 
etruscischen  Fundorten,  soviel  wir  wissen,  bekannt.   Die  Ver- 


352  I^i®  henkellosen  Töpfe.  —  Die  einhenkeUgen  Krüge. 

zienmgen  sind  ziemlich  rohe  Blattkränze.  Das  Grefäss  ist 
übrigens  von  so  dünnem  Metall,  dass  es  wohl  nur  fttr  die 
Leichehbestattung  gearbeitet  ist.  Der  Deckel  ist  daran  fest-^ 
gerostet. 

Vgl.  die  gleichgestalteten  Gefässe  im  Mus.  Gregor.  I,  9,  3. 

1618.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller  346.  H.  b"' 
Durchm.  3". 

1619.  Kleines  henkelloses  Gefäss  mit  enger  Mün- 
dung aber  breitem  gewölbtem  Rand,  vermuthlich  ein  Oel- 
kännchen,  wenigstens  sieht  man  gerade  an  den  Oelkännchen 
von  Bronce  und  Thon  die  enge  Mündung  und  den  breiten 
Rand,  die  beim  Einschenken  des  Oels  jedes  Ueberlaufen  un- 
möglich machten.  Aus  der  Sammlung  Koller.  348.  H.  3"^ 
Durchm.  2V4". 

1620.  Desgl.,  von  ähnlicher  Form.  H.  4V2"-  Durch- 
messer 2^/4". 

,    1621.  Desgl.,  ähnlich,  der  Rand  fehlt.  H.3".  Durchm.2V8^ 

b.    Mit  weher  Mündung. 

1622.  Henkelloser  Krug  mit  weiter  Mündung.  Aus 
der  Samml.  Koller  409.   H.  Ö^/g". 

1623.  Desgl.    H.  6".    Durchm.  51/2''. 

1624.  1625.  Zwei  kleine  desgl.,  bauchig.  Sammlung 
Koller  355.  356.    H.  28/8".   Durchm.  3". 

1626.  1627.  Zwei  desgl.  weniger  bauchig.  Aus  der 
Samml.  Bartholdy.    D.  17.  18.    H.  2V2''.   Durchm.  28/8". 

Einhenkelige  Krüge. 

1628.  Krug  mit  Musenreliefs.  Aus  dem  Besitz  Bel- 
lori's.   A.  13.   H.  8V2". 

Am  Bauch  dieses  schweren,  gegossenen  Kruges  sind  unter 
korinthischen  Arkaden  sechs  Musen  angebracht.  Das  Motiv 
ist  aus  dem  Leben  genommen,  da  es  ja  sehr  üblich  war,  zwischen 
die  Säulen  oder  in  die  Nischen  von  Gebäuden  Statuen  zu  stellen; 
es  findet  sich  sehr  häufig  auf  den  Sarkophagen  späterer  Zeit^ 


j 


Die  eiDhenkeligen  Krüge.  353 

besonders  auch  bei  Musendarstellungen.  Die  Musen  sind  sämmt- 
lieh  kenntlich,  es  sind  Kalliope  mit  den  aufgeklappten  Täfelchen, 
Thalia  mit  der  komischen  Maske,  Erato  mit  Leier  und  Piektrum, 
vielleicht  aber  auch  Terpsichore,  die  auf  späteren  Denkmälern 
nicht  von  jener  geschieden  werden  kann,  dann  Klio  mit  der 
Rolle,  wenigstens  wissen  wir  sonst  nichts  aus  dem  Gegenstand 
zu  machen,  den  die  Figur  in  der  Hand  trägt,  darauf  eine 
attributlose  Muse,  die  wir  indess  ihrer  angelehnten  Stellung 
wegen  Polyhymnia  nennen  können,  för  welche  dies  charak- 
teristisch ist,  und  endlich  Melpomene  mit  der  tragischen  Maske. 
Hinter  dieser  Muse  ist  eine  unausgeftiUte  Nische,  in  welche 
unzweifelhaft  der  jetzt  fehlende  Henkel  hineingriff. 

Am  Hals  des  Krugs  sind  drei  Kinderfiguren  mit  Laub- 
gewinden  in  den  Händen  dargestellt,  ein  an  römischen  Friesen 
und  Sarkophagen  beliebtes  Motiv. 

Das  Gefäss  ist  seinem  Stil  nacli  zu  urtheilen,  nicht  vor 
dem  dritten  Jahrhundert  entstanden. 

Abg.  Beger  thes.  Brand.  III,  395. 

1629.  Desgl.,  mit  einer  nicht  mehr  im  Einzelnen  kennt- 
lichen Amorfigur  am  Henkelschluss.  An  diesem  Gefäss  befindet 
sich  das  Siegel  der  neapolitanischen  Commission  der  Alter- 
thümer.    H.  9V4".   Durchm.  6". 

1630.  Desgl.,  mit  demselben  Siegel.  Eine  Palmette  am 
Henkelschluss.   H.  8".    Durchm.  6". 

1631.  Desgl.,  am  Henkelschluss  eine  aus  einem  Kelch 
hervorwachsende  weibliche  Büste,  oben  läuft  der  Henkel  beider- 
seits in  unbestimmbare  Thierköpfe  aus,  in  der  Mitte  eine  Stütze 
für  die  Hand.   H.  8V4".   Durchm.  5". 

1 631  *•  De  Sgl.,  mit  einer  Maske  am  Henkelschluss.  Samml. 
Koller  303.    H.  d^jj',   Durchm.  6^U". 

1631^-  Desgl.  bauchiger.  Samml.  Koller  308.  H.  7^^". 
Durchm.  7", 

1632.  Desgl.,  auf  drei  kleinen  Füssen  stehend.  H.  8^/2". 
Durchm.  4^/g". 

1633.  Desgl.,  mit  einer  Medusenmaske  am  Henkel.  Be- 
deutend zerstört.   Aus  Corneto.    Samml.  Dorow  511.   H.  8". 

Friedericlis,  Berlin*8  Antilte  Bildwerke  II.  23 


354  I^iß  einhenkeligen  Krüge. 

1634.  Desgl.,  von  eigenthtimlich  eckiger  Form.  H.  7^/2". 

1635.  1636.  Zwei  desgl.,  von  ähnlicher  Form,  aus  der 
Samml.  Koller  338.  339.   H.  71/4". 

1637.  Desgl.,  von  ähnlicher  Form.  Der  Henkel  ist  ver- 
loren gegangen.   Aelt.  Samml.  A.  14.    H.  3^/2". 

1638.  Desgl.,  wahrscheinlich  ein  Oelkännchen.  Das  Ge- 
fäss  ist  bauchig,  hat  eine  enge  Mündung  und  sehr  breiten  ge- 
wölbten Rand,  ebenso  wie  1619.  Es  ist  am  Bauch  zierlich  mit 
gravirten  Ornamenten  geschmückt.   H.  2^/4".   Durchm.  2^4"- 

1639.  Desgl.,  ähnlich,  gewiss  auch  ein  Oelkännchen.  Der 
Henkel  fehlt.  Aus  Pompeji,  wo  es  1822  in  Gegenwart  Fried- 
rich Wilhelms  IIL  ausgegraben  ist.  Geschenk  des  Königs. 
H.  31/2".   A.  15. 

1640.  Desgl.,  ähnlich,  nur  ist  die  Mündung  weiter.  Der 
Bauch  ist  geriefelt.    H.  3  Vi". 

1641.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  nur  nicht  geriefelt. 
Samml.  Koller  345.   H.  31/2". 

1642.  1643.  Zwei  einhenkelige  geriefelte  Gefässe 
mit  weiter  Mündung.  Sammlung  Koller  350.  351.  H.  3^/8". 
Durchm.  38//'. 

1644.  Desgl.,  mit  feinen  Streifen  als  Verzierung.  Der 
Henkel  ist  höher  geschwungen.  Samml.  Koller  353.  H.  4^/4". 
Durchm.  S^/^". 

1645.  Desgl.,  der  Henkel  ist  abgebrochen.  Sammlung 
Koller  354.    H.  2^2".   Durchm.  2'/8". 

1646.  Desgl.,  von  ähnlicher  Form.  Samml.  Koller  352. 
H.  43/8".   Durchm.  31/2". 

1647.  Kleines  tassenförmigesGefäss,  dessen  Henkel 
in  einer  oben  verhüllten,  unten  aber  in  einer  ithyphalliscbe 
Herme,  wie  es  scheint,  auslaufenden  Figur  besteht.  1846  ge- 
kauft.   2826.   H.  2V2".   Durchm.  l'/g". 

1648.  Einhenkeliger  Krug,  am  Hals  und  am  Schluss 


i 


Die  zweihenkeligen  Krüge,  355 

und  auf  der  Fläche  des  Henkels  mit  zwei  Köpfen  und  einem 
Korb  dazwischen  verziert.  Samml.  Bartholdy  D.  14.  H.  5^4''» 
Durchm.  3^/2''. 

1649.  Becherförmiges  Geräth  in  Form  eines  Cylin- 
ders,  für  einen  Deckel,  wie  es  scheint,  eingerichtet.  Der  Henkel 
wird  durch  eine  gekrümmte,  langgezogene  nackte  Frau  gebildet, 
ganz  der  Liebhaberei  der  Etrusker,  denen  dies  Gefäss  angehört, 
entsprechend.  Von  den  drei  Füssen  ist  nur  einer  erhalten.  Im 
August  1834  gekauft.    H.  3^j^".   Durchm.  3". 

Zweihenkelige  Krüge. 

1650.  Langgezogene  Amphora,  mit  unkenntlichen 
Masken  am  Henkelschluss.   H.  S'/g"«   Durchm.  ö^o". 

1651.  Desgl.,  von  derselben  Form.  Aus  Pompeji,  wo  es 
in  Gegenwart  Friedrich  Wilhelms  HL  1822  ausgegraben  ist. 
Geschenk  des  Königs.   A.  3.   H.  7^/4".   Durchm.  4^2"- 

1652.  Desgl.,  von  derselben  Form.  Samml.  Koller  305. 
H.  TVs''.   Durchm.  4V2". 

1653.  Desgl.,  von  derselben  Form,  am  Bauch  geflickt. 
H.  121/2"-   Durchm.  8«/V'. 

1654.  Schöne  etruscische  Amphora  von  der  Form 
des  Kraters.  Die  Henkel  sind  gegossen  und  laufen  zu  beiden 
Seiten  in  Tritonen  aus,  eine  gerade  an  dieser  Stelle  sehr 
passende  Bildung.  Hals  und  Fuss  sind  reich  verziert.  Diese 
Vase  trägt  das  Siegel  der  neapolitanischen  Commission  der 
Alterthümer,  und  wird  daher  aus  Neapel  stammen.  H.  16^/4". 
Durchm.  lO«^''. 

1654*-  DesgL,  krukenförmig,  mit  Henkeln,  die  zum  Heben 
eingerichtet  sind.    Stark  restaurirt.   H.  1272"-  Durchm.  11", 

1655.  Becher  (?)  von  graziöser  Form.  Samml.  Bartholdy. 
D.  11.   H.  6V4".   Durchm.  3V4". 

Das  Gefäss  ist  eiförmig,  hat  einen  schlanken  Fuss  und 
awei  Henkel,  die  ganz  den  Schalenhenkeln  des  unteritalischen 
Vasenstils  entsprechen. 

1656.  Becher   mit  zwei  Doppelhenkeln,  die  in  Epheu- 

23* 


356      I^Jc  dreihenkeligen  Krüge.  —  Die  sogenannten  BogenspaoDer. 

blätter  auslaufen.  Das  Gefäss  hat  auch  einen  Deckel,  desseir 
Griff  durch  einen  kleinen  Löwen  gebildet  wird.  H.  mit  Deckel 
öVs"-    Durchm.  SVa"- 

Dreihenkelige  Krüge. 

1657,  Grosse  dreihenkelige  Hydria,  von  Consul 
Spiegelthal  1855  eingesandt,  nach  dessen  Angabe  in  einem 
Grabe  in  der  Nähe  von  Smyrna  gefunden.  3095 — 97.  H.  l?*/^". 
Durchm.  11 V2"- 

Im  Allgemeinen  entspricht  diese  Hydria  den  so  zahlreich 
vorhandenen  griechischen  Thonhydrien  schönen  Stils,  nur  dass 
sie  keinen  besonderen  Fuss  hat,  wie  jene.  Der  dritte  grössere 
Henkel  ist  durch  ein  grosses  Weinblatt  angefügt.  Das  Gefäss 
hat  einen  Deckel,  ist  übrigens  nicht  besonders  erhalten. 

Geräthe  in  Form  von  Büchsen. 

1658.  Kleine  cylinderförmige  Büchse  mit  einem 
durch  Charnier  beweglichen  Deckel,  dessen  Knopf  durch  eine 
Glaspaste  gebildet  wird.  Das  Gefäss  ruht  auf  drei  Füsschen 
in  Form  von  Amazonenschildchen,  die  genau  mit  den  beim 
Hildesheimer  Fund  erhaltenen  übereinstimmen.  Samml.  Koller 
411.    H.  2V8"-    Durchm.  4''. 

Sogenannte  Bogenspanner. 

Als  Begründung  der  gewöhnlichen  Annahme,  dass  die  im 
Folgenden  aufgeführten  Geräthe  zum  Spannen  des  Bogens  ge- 
dient hätten,  habe  ich  nur  eine  Bemerkung  des  auf  dem  Gebiet 
der  nordischen  Alterthumskunde  verdienten  Gelehrten  Thomsen 
auffinden  können,  nach  welcher  dieselben  oft  zusanoonen  mit 
Bogen  in  den  Höhlen  der  nördlichen  Völker  vorkämen  ^).  Man 
sieht  indess,  dass  dieser  Umstand  nicht  hinreicht,  um  den  vor- 
ausgesetzten Zweck  zu  bestätigen,  und  das  um  so  weniger,  als 
absolut  nicht  einzusehen,  wie  denn  dies  Geräth  soll  benutzt 
sein.  Zumal  diejenigen,  an  denen  sich  fünf  Zacken  befinden  — 
denn  es  kommen  solche  mit  drei,  vier  und  fünf  Zacken  vor  — 
sind  unter  diesem  Gesichtspunkt  ganz  unerklärlich.  In  Neapel 
sind    die  Geräthe   unter   den   zum  Pferdegeschirr  gehörigen 


^)  Vgl.  Gozzadini    di   un  antica  necropoli  a  Marzabotto  nel  Bolog- 
uese  1865  p.  62 


Die  sogenannten  Bogenspanner.  357 

'Gegenständen  ausgestellt,  ich  kann  aber  nicht  angeben,  wo  und 
wie  sie  angebracht  gewesen  sein  sollten.  Auch  für  Schleuder- 
geschosse gegen  Kavallerie  hat  man  sie  erklärt,  wozu  aber  die 
Spitzen  theils  zu  breit,  theils  zu  dick  und  kurz  sind.  Endlich 
will  ich  auch  noch  die  Meinung  eines  Technikers  anführen, 
der  sie  für  eine  Art  Schraubenzieher  erklärt. 

Uebrigens  sind  diese  Geräthe  sowohl  classischen  als  bar- 
.barischen  Ursprungs. 

1659.  Bogenspanner  aus  Corneto.  Samml.  Dorowö42. 
Die  Länge  dieser  Geräthe  ist  2^lg" — 3",  differirt  also  sowenig, 
dass  wir  uns  mit  dieser  Angabe  begnügen. 

1660.  Desgl.,  aus  der  Samml.  Bartholdy.  D.  64. 

1661.  Desgl.,  von  Hrn.  v.  Staff.  Aelt.  Samml.  F.  21. 

1662.  Desgl.,  aus  Pompeji,  aus  dem  Nachlass^des  Prof. 
Rösel  1844  erworben.   2765. 

1663.  Desgl.,  aus  der  Samml.  Koller  550. 

1664.  Desgl.,  mit  drei  Phalli  verziert,  die  das  Geräth 
gegen  bösen  Zauber  schützen  sollten. 

1664*-  Desgl.,  zu  demselben  Zweck  mit  einem  von  zwei 
Phalli  umgebenen  Stierkopf  verziert,  eine  Verbindung,  die  wir 
schon  bei  den  Lampen  fanden.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben.  215. 

1664^-  Desgl.,  ganz  einfach,  ebendaher  214. 

1665—1671.  Sieben  desgl. 

1672 — 1674.  Drei  desgl.,  fragmentirt. 

1675.  1676.  Zweji  desgl.,  mit  je  vier  Zacken,  während 
die  bisher  aufgeführten  nur  drei  hatten.  Einer  der  beiden  ist 
etwas  beschädigt. 

1677.  Desgl.,  mit  fünf  Zacken. 

Fleischhaken  (?). 

Diese  eigenthümlich  geformten  Geräthe  haben  manche 
2um  Theil  abenteuerliche  Erklärungen  hervorgerufen,  man  hat 


358  Die  Fleischhaken. 

sie  für  "Waffen  oder  für  Opfergeräthe,  ja  sogar  für  Marter- 
instrumente gehalten. 

A.  Castellani  fand,  nach  mündlicher  Mittheilung,  bei  den 
neapolitanischen  Fischern  noch  jetzt  ein  ganz  ähnliches  Geräth 
in  Uebung,  das  zu  nächtlichem  Fischfang  benutzt  wird.  Die 
Haken  und  der  Ring,  der  an  manchen  Exemplaren  vorhanden 
ist,  umschliessen  ein  Bündel  Werg,  das  angezündet  wird  und 
als  Leuchte  dient.  Bei  dieser  Erklärung  ist  die  Construetion 
des  Geräthes  sehr  einfach  und  einleuchtend  und  man  hat  sich 
nur  noch,  um  das  Ganze  complet  zu  haben,  einen  langen  Holz- 
stiel hinzuzudenken. 

Indessen  hat  doch  auch  diese  Erklärung  ihre  Bedenken.. 
Denn  die  Gegenstände,  mit  denen  es  zusammen  gefunden  wird, 
führen  doch  in  eine  ganz  andere  Lebenssphäre.  Man  findet 
es  nämlich  nur  mit  Dingen  des  häuslichen  Lebens,  insbesondere 
mit  Küchengeschirr  zusammen.  Der  in  etrurischen  Alter- 
thümern  erfahrene  Dennis  hat  es  deswegen  für  einen  Fleisch- 
haken erklärt,  wobei  nur  der  Ring  nicht  motivirt  wird,  den 
einige  haben.  So  viel  ich  weiss,  kommen  diese  Geräthe  nur  in 
Etrurien  vor,  was  auch  der  Hypothese  Castellani's  nicht 
günstig  ist. 

Vgl.  Dennis,  Städte  nnd  Begräbnissplätze  Etruriens  p.  293.  Anm.  3. 
bull.  1869,  p.  172. 

1678.  Fleischhaken  (?)  1841  durch  Prof.  Gerhard  an* 
gekauft.    2695.   L.  12". 

Dies  Exemplar  ist  bestimmt  etruscisch.  Man  bemerkt 
daran  ein  tektonisches  Motiv,  das  specifisch  etruscisch  ist, 
nämlich  den  Schlangenkopf,  aus  dem  der  gewundene  Stiel 
hervorgeht.  In  den  etruscischen  Geräthen  ist  dies  Motiv  sehr 
gewöhnlich,  um  denUebergang  von  einem  Theile  eines  Geräthes 
zum  andern  zu  vermitteln. 

1679.  Desgl.,  1851  aus  Prof.  Gerhardts  Besitz  angekauft. 
3002.    Etwas  beschädigt.   L.  13''. 

1680.  Desgl.,  aus  der  Samml.  Pourtal^s  1865  erworben. 
3547.    Mit  einem  Ring  daran.    L.  llVi"- 

1681.  Desgl.,  etruscisch,  mit  dem  Motiv  des  Schlangen- 
kopfes wie  oben.   Etwas  beschädigt.    L.  14". 


Die  Kelte.  359 


Kelte. 


Es  würde  uns  auf  ein  fremdes  Gebiet  führen,  wenn  wir 
uns  auf  die  Fragen,  welche  die  Kelte  betreffen,  einlassen  wollten. 
Wir  begnügen  uns,  die  wenigen  hier  vorhandenen  Kelte  auf- 
zuzählen und  folgen  in  ihrer  Classificirung  dem  Aufsatz  in  der 
Eevue  arch^ologique  N.  S.  XIII,  p.  59  ff. 

1682.  Kelt  mit  aufrechtstehenden  und  einwärts  gebogenen 
Randen.   L.  SVs"- 

1683.  Desgl.,  die  Schneide  ist  durch  einen  Rand  vom 
Schaft  getrennt,  letzterer  hat  aufrechtstehende  Ränder.  Aus 
dem  Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  in  Berlin  1846 
angekauft.    2845.   L.  6^2"- 

1684.  Desgl.,  ganz  ähnlich.  Aus  der  Huth'schen  SammL 
V.  d.  2.   L.  5V2". 

1685.  Desgl.,  ganz  ähnlich,  aber  nicht  vollständig  erhalten. 
1868  von  einem  Händler  gekauft.    3581. 

1686.  Desgl.,  ähnlich.  Aus  der  Samml.  Bartholdy  D.60. 

L.  3 Vi''. 

1687.  Desgl.,  ohne  Trennung  zwischen  Schaft  und  Schneide, 
mit  aufrechtstehenden  Rändern.  Aus  dem  Nachlass  des  Obrist- 
lieutenant Schmidt  in  Berlin  1846  erworben.  2846.   L.  3V2"* 

1688.  Desgl.,  mit  dem  Siegel  der  neapolitanischen  Com- 
mission  der  Alterthümer.    L.  7^/4". 

1689.  Desgl.  L.  4^8". 

1690.  1691.  Zwei  desgl.,  einander  fast  gleich.  h.2^ls". 
bis  3V4". 

1692.  Desgl.,  mit  einer  Tülle  versehen,  die  aber  nicht 
Löcher  zur  Befestigung  des  Schaftes  hat,  welcher  Zweck  viel- 
mehr durch  zwei  Haken  am  Ansatz  der  Schneide  erfüllt  wurde. 
Tülle  und  Schneide  sind  mit  Streifen  verziert.  Aus  dem  Besitz 
Bellori's.    V.  d.  5.   L.  6V2''- 

1693.  Desgl.,  mit  Löchern  an  der  Tülle.  Aus  der  Samml. 
Bartholdy  D.  61.   L.  4V8"- 


360  ^^6  Ringe.  —  Die  Ringe  mit  drei  Knoten. 

1694.  1695.  Zwei  desgl.   L.  4^8^'  l)is  5". 

1696.  Desgl.,  statt  der  Tülle  aufrechtstehende  und  ein- 
wärts gebogene  Ränder,  das  Uebrige  wie  an  den  eben  auf- 
geführten Exemplaren.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  L.  T^/^". 
V.  d.  4. 

1697.  Desgl.;  ganz  ähnlich,  nur  noch  feiner  verziert. 
Soll  in  Athen  gefunden  sein.  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
L.  91/2''-    V.  d.  3. 

Ringe. 

lieber  die  im  Folgenden  aufgeführten  schweren,  massiven 
Ringe  sind  zwar  Vermuthungen  aufgestellt,  z.  B.  dass  sie  als 
Hanteln  gedient  hätten,  wozu  manche  von  ihnen  viel  zu  leicht 
sind,  aber  etwas  Ueberzeugendes  fehlt.  Die  Ringe  haben  stets 
tibergreifende  Enden,  sind  inwendig  glatt  und  sehr  verschieden 
an  Durchmesser  und  Dicke.  Die  grosse  Mehrzahl  der  unsrigen 
scheint  etruscisch,  von  einigen  istCorneto  als  Fundort  bekannt. 

1698.  Schwerer  massiver  Ring  aus  Corneto.  Samml. 
Dorow.  556.    Durchm.  4V4".    Dicke  3/^". 

Die  beiden  Enden  sind  mit  Streifen  und  mit  Würfelaugen 
verziert,  einem  auf  etruscischen  Werken  sehr  gewöhnlichen 
Ornament. 

1699.  Desgl.,  in  dem  Ornament  der  Enden  etwas  ab- 
weichend, sonst  fast  ganz  gleich.  Aus  der  Samml.  Koller  549. 
Durchm.  4^8''-    I>icke  ^Z^". 

1700.  Desgl.,  aus  Corneto.  Samml.  Dorow  557.  Durch- 
messer 3^4".   Dicke  1/2"- 

1701 — 1705.  Fünf  desgl.,  sämmtlich  an  den  Enden  Ver- 
ziert.  Durchm.  von  23/^"  bis  3^/4".   Dicke  von  %''  bis  ^s"- 

Ringe  mit  drei  Knoten. 

1706 — 1708.  Drei  massive  Ringe  mit  je  drei  Knoten 
versehen.  Aus  der  Sammlung  Koller  469.  Durchm.  8^/4". 
Dicke  \''. 


Ungeschlossene  Hohlriuge.  —  Riuge  anderer  Art.  3g  1 


Ungeschlossene  Hohlringe. 

1709 — 1712.  Vier  ungeschlossene  Hohlringe  von 
der  Art,  wie  man  sie  nur  diesseits  der  Alpen,  wenn  ich  nicht 
irre,  findet.  Ueber  ihren  Zweck  ist  man  noch  nicht  im  Klaren. 
Unsere  Exemplare  sind  am  Rhein  gefunden  und  1846  erworben. 
L.  von  31/4  bis  B'/g". 

Vgl.    die    bei   Lindenschmil  Alterth.  I,  H.  6.  Taf.  4  abgebildeten, 
ganz  übereinstimmenden  Exemplare  mit  dem  Text  desselben. 

Ringe  anderer  Art. 

1713.  Massiver  Ring  von  eigenthümlicher  Form,  mit 
einer  Einwärtsbiegung,  so  dass  er  einem  w  ähnlich  wird,  doch 
stossen  die  Enden  dicht  zusammen.  L.  3".  Im  Jahr  1843 
erworben. 

1714 — 1717.  Vier  platte,  runde  Scheiben  oder  viel- 
leicht richtiger  breite  Ringe  zu  nennen,  denn  es  sind  Scheiben 
mit  einer  grossen  runden  Oeffnung  in  der  Mitte.  Die  beiden 
vollständigsten  sind  mit  fünf  concentrischen  Kreisen  verziert 
und  mit  je  einer  Oese  oben  und  unten.  Vielleicht  dienten 
diese  Ringe  zum  Pferdeschmuck.  Am  Rhein  gefunden,  1846 
angekauft.   Durchm.  3^/3".    2905*- ^•<^- 

1718.  Breiter  platter  Ring  mit  Würfelaugen  verziert» 
Dur  ehm.  4%". 

1719.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend,  nur  dass  einerseits 
drei,  andererseits  zwei  Löcher  eingebohrt  sind.  Durchm.  4^/^''. 

1720 — 1722.  Drei  desgL,  mit  demselben  Ornament, 
aber  ohne  eingebohrte  Löcher.   Durchm.  von  2*^/8"  bis  3^/jj". 

1723.  Ring,  mit  Buckeln  verziert.  Kann  ein  Armring 
gewesen  sein,  aber  auch  zu  anderen  Zwecken  gedient  haben. 
Durchm.  2^8"-    Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  225. 

1724 — 1727.  Vier  desgl.,  fast  ganz  übereinstimmend. 
Durchm.  von  2"  bis  2^4". 

1727*- ^-  Zwei  desgl.  Durchm.  a:  2^2"— 1>  •  •^"• 
j[727c.  Fragment  eines  solchen;  Zu  Castel  bei  Saar- 


362  Ringe  anderer  Art. 

bürg    gefunden.     Vom    Obristlieutenant    Senckler    1863    er-^ 
worben.    3491.    . 

1728.  Desgl.,  eben  so  verziert,  aber  kleiner,  von  der 
Grösse  eines  grossen  Fingerringes.  Solche  Kinge  sieht  man 
z.  B.  als  verzierende  Mittelglieder  an  Candelaberschaften. 
Durchm.  l^jj*.    1843  angekauft.    2722. 

1729.  1730.  Zwei  desgl.,  aus  der  Sammlung  Minutoli. 
N.  34.  35.   Durchm.  iVg"— iV*"- 

1731.  1732.  Zwei  desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben.    54*-  55*-    Durchm.  1^4"  und  1". 

1733—1738.  Sechs  desgl.   Durchm.  v.  '/g''  bis  IV4"- 

1739.  1740.  Zwei  dicke  massive  Kinge,  ebenfalls 
gebuckelt  oder  sternförmig  gestaltet.  Aus  der  Samml.  Koller 
644.   Durchm.  S«/^". 

1740*-  Ring  mit  Buckeln  verziert  und  mit  einem  Ring 
zum  Aufhängen.   Durchm.  2". 

1740^-  Desgl.,  doch  ohne  Ring  zum  Anhängen.  Bei 
Cleve  gefunden.  K.  22.  Aus  der  Samml.  Minutoli.  Durchm.  1", 

1741.  Ring  von  der  Grösse  eines  Fingerringes,  mit 
Streifen  auswendig.   Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben 

1742.  1743.  Zwei  glatte,  aus  der  Aelt.  Sammlung 
N.  26.  28. 

1744.  1745.  Zwei  desgl.,  aus  Gerhard's  Nachlass  53*-^ 

1746.  Ein  Bündel  von  zehn  platten  Ringen  ver* 
schiedener  Grösse. 

1746^  Desgl.,  mit  neun  Ringen  verschiedener  Grösse* 

1746^- Desgl.,  mit  sechs  Ringen,  darunter  einer  von  Blei. 

1747.  Drei  verschiedene  Ringe,  glatt  und  geriefelt 
Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  erworben.    2785. 

1748. Vier  Stüc^  ringförmig  zusammengewickelten 


Ringe  anderer  Art.  3ß5 

Broncedrahts,  aus  dem  Nachlass  von  Professor  Koss  1860 
erworben.    3427. 

1749.  Zwei  desgl. 

1749*-  Desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Gerhard 
1869  erworben.   224. 

1750.  Bing,  scheinbar  aus  Draht  zusammengewickelt» 
Aus  dem  Nachlass  des  Generals  Kadowitz  1856  erworben. 
3209. 

1751.  Geriefelter  King,  der  an  einer  Schublade  be- 
findlich gewesen  zu  sein  scheint,  er  wird  wenigstens  nach  den 
Enden  zu  schmäler  und  läuft  in  Haken  aus. 

1752.  Bing,  in  schnabelförmige  Enden  auslaufend.  Nach 
allem  Anschein  barbarisch.  Bei  Cleve  gefunden.  Aus  der 
SammL  Minutoli.   N.  15. 

1753.  Ein  Paar  kleiner,  nicht  ganz  geschlossener 
Binge  mit  eigenthtimlicher,  wie  es  scheint  barbarischer 
Ornamentik. 

1754.  Grosser  Bing,  an  einem  Zapfen  hängend,  der 
irgendwo  befestigt  war. 

1754*-  Bing,  mitten  durch  einen  Stab  halbirt.  Samml. 
Koller  635. 

1754^-  Hohler  Bing,  aus  gewölbten  Hälften  zusammen- 
gesetzt. 

1754^-  Die  Hälfte  eines  solchen  Binges.  Aus  der 
KoUer'schen  Sammlung.  434. 

1754^-  Massiver  Bing  von  derselben  Form. 

1754®-  Kleiner  Bing,  in  Trier  gefunden. 

1754^-  Kleines  Binggewinde,  jederseits  in  Köpfe^ 
etwa  Schlangenköpfe  auslaufend. 

Ketten,  Schnallen  und  Aehnliches. 

1755.  Eine   Kette,   aus  neun  gebuckelten  Bingen  ge- 


364  Ketten,  Schuallen  udcL  Aehnliches. 

bildet,  von  der  Art  wie  die  1723  ff.  erwähnten.  Diente 
vermuthlich  als  Pferdeschmuck.  Durchmesser  des  einzelnen 
Ringes  3". 

1756.  Desgl.,  aus  drei  Ringen  bestehend.  Durchm.  des 
einzelnen  Ringes  2^/2". 

1757.  Desgl.,  aus  sechs  glatten  Ringen  mit  verzierten 
Enden  bestehend.  Durchm.  des  einzelnen  Ringes  2%  "bis  3^2"- 

1758.  Eine  lange,  aus  46  meist  glatten  Ringen 
gebildete  Kette.  Die  Ringe  sind  wie  ein  oj  gestaltet.  Von 
einem  hiesigen  Antiquar  1855  erworben.    3092. 

1759.  1760.  Zwei  Ketten,  durch  je  6  und, 5  gebuckelte 
Ringe  gebildet,  die  unter  sich  durch  je  7  (wo  sie  vollständig 
erhalten  sind)  Drahtstricke  zusammengehalten  werden.  Aus 
der  Samml.  Koller  641.   L.  1759: 141/2".    1760:128/4". 

Schon  Graf  Caylus  hat  im  Recueil  VII,  pl.  63  solche 
Ketten  abgebildet  und  sich  vergeblich  an  ihrer  Bestimmung 
gemüht. 

1761.  Lange  viereckige,  aus  je  zweimal  vier 
Drähten  geflochtene  Kette,  in  Ringe  auslaufend,  die 
•durch  Haken  mit  einander  verbunden  sind.   L.  4'  3". 

1762.  Desgl.,  ebenso  geflochten,  in  Ringe  auslaufend. 
L.  15V2". 

1763.  Desgl.,  aus  Gliedern  gebildet,  die  einer  8  gleichen. 
Bei  Cöln  gefunden.    Samml.  Minutoli.  S<^-  1.    L.  141/2". 

1763**  Desgl.,  aus  lauter  kleinen  Schalen  gebildet,  die 
an  der  concaven  Seite  an  einer^Oese  aufgereiht  sind.   L.  24'^ 

• 

1764.  Desgl.,  aus  abwechselnd  kleineren  beweglichen 
Drahtgliedern  und  steifen,  spiralförmig  mit  Draht  umwundenen 
Gliedern  bestehend  und  mit  zwei  Haken  an  den  beiden  Enden 
versehen.  Bei  Cöln  gefunden.  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
L.  8". 

1764*-  Fragment  einer  Kette  von  5  Ringen,  aus 
Pompeji,  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  erworben. 
2786. 


Die  Nadeln  und  Nägel.  565 

1764^-  Desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant 
Schmidt  in  Berlin  1846  gekauft.    2887. 

1764^  Ein  Bündel  von  elf  grösseren  und  klei- 
neren Fragmenten  von  Ketten. 

1764^*  Fragment  von  zwei  längeren,  an  einem  Kinge 
befestigten  Ketten.   Aus  der  Samml.  Koller  642. 

1764®'  Desgl.  Aus  Gerhardts  Nachlass  erworben.  198* 

1764^'  Ein  Kästchen  mit  Fragmenten  von  Ketten 
und  einer  Menge  kleiner  Nagelköpfe  mit  Oesen  im  Innern^ 
Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben. 

Nadeln  und  Nägel. 

1765.  Ein  Bündel  mit  sechs  Nadeln,  deren  grösste 
aus  der  Samml.  Minutoli  stammt.  W.  m.  ß.  1 — 9. 

1765**  Nadel,  verrostet  und  fragmentirt  Bei  Cleve 
gefunden.   Aus  der  Samml.  Minutoli.    S.  4.   L.  Ö^/g". 

1765^-  Verzierte  Nadel,  bei  Xanten  gefunden,  von 
Prof.  aus'm  Weerth  1854  gekauft.    3085. 

1765^-  Zierliche  Nadel,  aus  dem  Nachlass  des  Obrist- 
lieutenant Schmidt  1846  erworben.    2865.i 

1765^- Desgl.,  fragmentirt,  oben meisselförmig zulaufend. 
Ebendaher  2863. 

1765®-  VierFragmente  vonBroncestäbchen.  Eben- 
daher.   2864. 

1765^-  Nadel  mit  einer  fragmentirten  Hand  oben  darauf. 
Bei  Cöln  gefunden.    Aus  der  Samml.  Minutoli.    S.  5. 

1765«-  Unverständliches  nadelartiges  Geräth, 
einerseits  mit  einem  Delphin,  andererseits  mit  einem  Knopf 
verziert   Aelt.  Samml.   S.  3. 

1765^-  Fragment  einer  Nadel,  vermuthlich  einer 
Haarnadel,  mit  einem  Frauenkopf  verziert.  1846  gekauft. 
2915. 


366  I>ie  Nadeln  und  Nägel. 

1765^  Sieben  nadel-  oder  auch  nagelartige  Ge- 
rät he,  zum  Theil  fragmentirt. 

1765^-  Bündel  eiserner  Nägel,  aus  Pompeji. 

1765^-  Eiserner  Nagel,  angeblich  aus  dem  Vesuv  aus- 
geworfen, 

1765°^-  Desgl.,  im  Innern  der  unten  aufgeführten,  in 
Xanten  gefundenen' Broncestatue  ♦gefunden.  3411. 

1765^^-  Nadel  mit  Knopf.  Aus  dem  Nachlass  des  Obrist- 
lieutenant  Schmidt  1846  angekauft.   2869. 

1765®-  Fragmentirte  Nadel,  die  mit  einem  Geräth 
verbunden  war.   Ebendaher.  2860. 

1765P-  Nagel  vom  Pantheon,  aus  dem  Besitz  Bellori's, 
der  diese  Herkunft  bezeugt.  Der  Nagel  ist  20"  lang  und 
2^/2"  dick.  Vor  dem  Kopf  liegt  ein  breiter,  scharfkantiger 
Bing. 

Vgl.  Beger  thes.  III,  p    417. 

1765^-  Eine  Nadel,  mit  einer  Hand  bekrönt,  die  eine 
Blume  hält.     Von  Prof.  Gerhard  1850  angekauft.    3005. 

1766.  Kleine  Nadel  oder  Nagel  mit  rundem  Kopf. 
Aelt.  Samml.   H.  4. 

1767.  Desgl.,  mit  zehnseitigem  Kopf,  aus  Pompeji,  durch 
Ternite  erworben.   H.  6. 

1768.  Desgl.,  aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844 
erworben.   2793. 

1769.  Ein  Bündel  von  zehn  desgl. 

1770.  Desgl.,  mit  einem  kleinen  Ring  am  Kopf. 

1771.  1772.  Zwei  Nägel  mit  dickem  bleiausgegossenem 
Kopf.   L.  6V2"  u.  6 1/4". 

1772*-  Nagel,  ganz  von  Bronce,  aus  Gerhardts  Nachlass 
1869  erworben.    72.   L.  3^lJ'. 


1 


Miscellaueen.  3ß7 

a.  Miscellaneen. 

1773.  Kleiner  Wagen  mit  zwei  Rädern,  von  der  Form 
der  Streitwagen.  Vielleicht  hat  dieser  Wagen  als  Kinder- 
spielzeug gedient,  aber  man  scheint  derartige  kleine  Wagen 
auch  als  Weihgeschenke  gegeben  zu  haben.  In  Neapel  be- 
findet sich  wenigstens  ein  ähnliches  Exemplar,  an  dem  Ketten 
erhalten  sind,  und  eben  diese  Ketten  führen  wohl  am  wahr- 
scheinlichsten auf  die  Annahme  eines  Weihgeschenks.  Aus 
der  Samml.  Koller  687. 

Vgl.  Mus.  borb.  zu  tav.  XV,  49. 

1774.  Kleiner  Brunnen,  der  vielleicht  als  Kinderspiel- 
zeug diente,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  2. 

Der  Brunnen,  oder  richtiger  die  Pumpe,  ist  den  heutigen 
ziemlich  ähnlich,  es  ist  ein  achtkantiger  sich  etwas  ver- 
jüngender Cylinder  auf  einer  runden  Basis  mit  spitzem  Deckel 
darauf.  Hinten  ist  ein  horizontal  stehender  Schwengel,  von 
dem  man  nicht  sieht,  wie  er  wirkte.  Vorn  kommt  ein  bogen- 
förmiger Draht  heraus,  der  offenbar  den  Wasserstrahl  dar- 
stellen soll,  da  er  in  ein  Geräth  mündet,  das  nur  einen 
Schlauch  vorstellen  kann.  Auf  diesem  Schlauch  reitet  eine 
komische  Figur,  an  welcher  wenigstens  die  komische  Maske 
erkennbar  ist. 

1775.  Kleine  sechseckige  Kapsel,  die  als  Schloss  an 
einem  aus  fünf  beweglichen  Gliedern  bestehenden  Ring  an- 
gebracht ist.  Der  Umfang  des  letzteren  würde  kaum  für 
einen  Kinderarm  ausreichen.  Die  Kapsel,  deren  Deckel  mit 
einem  ganz  barbarischen  Kopf  verziert  ist,  hatte  im  Innern 
einen  sehr  complicirten  Mechanismus,  dessen  Verständniss 
uns  aber  wegen  mangelhafter  Erhaltung  nicht  gelungen  ist. 
Man  bemerkt* im  Innern  eine  broncene  Feder  hinter  einem 
eisernen  Barren  (vgl.  n.  1776.  1777),  an  der  Seite  einen 
kleinen  Schieber  nebst  einem  Stift,  auf  welchem  der  Deckel 
anschloss,  der  ausserdem  an  seiner  inneren  Fläche  einen 
Haken  zu  nochmaligem  Anschluss  hat.  Vielleicht  sind  alles 
nur  Vorrichtungen  zu  festem  Verschluss.  Aber  der  Zweck 
des  Ganzen  ist  uns  vollständig  räthselhaft. 

1776.  Desgl.,  nur  die  Kapsel  ist  erhalten,  nicht  der 
Ring.  Der  Deckel  ist  mit  einem  langbärtigen,  barbarischen 
Kopf  verziert.   Aus  der  Sammlung  MinutolL  R**  11.  L.  l^jo". 


368  Miscellaneen. 

1777.  Desgl.,  der  Deckel  ist  mit  einem  unbärtigen^ 
ebenfalls  barbarischen  Kopfe  verziert.  Aus  Gerhard's  Nach- 
lass  1869  erworben.   87. 

1778.  Visirstab  eines  Augurn  (?)  1851  von  Prof. 
Gerhard  an's  Museum  verkauft    3003.   L.  ll^/g". 

Dieses  höchst  eigenthümliche  Geräth  besteht  aus  einem 
oben  etwas  gekrümmten  Stabe,  worauf  ein  viereckiges  Plätt- 
chen mit  Stiel  befestigt  ist.  Die  Art  der  Befestigung  ist 
höchst  eigenthümlich,  es  sieht  nämlich  aus,  als  ob  der  Stiel 
des  Plättchens  mit  einem  Bande  angebunden  wäre,  es  ist 
also  eine  ganz  primitive  Befestigungsweise  in  Erz  imitirt. 

Man  hat  dies  Instrument  für  ein  Visirinstrument  erklärt, 
wozu  eben  das  Plättchen  gedient  habe,  der  Augur  habe  mit 
demselben  seine  sich  kreuzenden  Linien  abvisirt.  Wir  müssen 
diese  Meinung  bezweifeln,  weil  der  gekrümmte  Theil  des 
Stabes,  der  unversehrt  ist,  sich  lange  nicht  so  weit  hemm- 
biegt, als  es  beim  Augurstab  der  Fall  war. 

Vgl.  Abekeu,  Mittelitalien  p.  207.  Das  Geräth,  von  dem  Abeken 
spricht,  befand  sich  zwar  damals  (1843)  noch  nicht  in  unserem  Anti- 
quarinm,  ist  aber  unzweifelhaft  dasselbe.  Es  war  nach  Abekeo  früher 
in  der  Sammlung  Spinelll  in  Neapel. 

1779.  Kleine  Broncetafel,  an  einem  Ringe  aufhängbar^ 
auf  der  einen  Seite  von  vertikalen  Linien  in  kleinen  Distanzen 
durchzogen.      Vielleicht   ist   diese    Tafel    ein    Notiztäfelchen. 
Aus  dem  Nachlass  von  Gerhard  1869  erworben.    68.    L.  3". 
Br.  2V4". 

1779*'  Messer  zu  unbekanntem  Gebrauch,  aber 
sehr  fein  an  Griff  und  Klinge,  mit  eingravirten  Spiralen  ver- 
ziert. Die  Form  des  Messers  ist  ausgeschweift.  Bei  Ruvo 
gefunden,  durch  Prof.  Gerhard  1841  gekauft.  2693.  L.  12«/V'. 

1779^-  Desgl.,  leicht  gebogen,  am  Stiel  ein  Ring  zum 
Anhängen.   Aus  der  Samml.  Bartholdy  D.  67.   L.  7^2"« 

1779*^-  Desgl.,  von  ähnlicher  Form.  Der  Griff  war  mit 
anderem  Stoff  belegt.     Aus  der  Samml.  Koller  557.    L.  8". 

1779^-  Desgl.,  ebendaher  558.  Nur  die  Klinge  ist  er-^ 
halten.    L.  6^4". 

1779^'  Desgl.    L.  2'^!^", 


Miscellaneen.  369 

1779'-  Desgl.,  stärker  gekrümmt,  so  dass  es  wohl  eine 
Sichel  hat  sein  können.   L.  4^/4". 

1779  8^-  Massive  Wallnuss.  Sammlung  Bartholdy 
C.  134. 

1779^-  Muschel,  auch  massiv.  Aus  Gerhardts  Nach- 
lass  1869  erworben.    88, 

1779*-  Würfel,  ganz  wie  die  unserigen,  1844  aus  dem 
Köserschen  Nachlass  erworben.    2788. 

1779*-  Kleine  Zange  mit  eigenthümlichem  Griff  und 
einem  Schieber  in  Gestalt  eines  kleinen  Hammers.  Aus 
Pompeji.     Ebendaher.    2775. 

1779^-  Kleines  Bronceplättchen,  darauf  ein  mit 
Ruderern  besetztes  Schiff  und  darüber  die  Buchstaben  VPM. 
Stammt  aus  Neapel  und  wurde  früher  in  unserem  Münz- 
kabinet  aufbewahrt. 

1779"'-  Geräth  von  Eisen,  dessen  Form  zwei  mit  den 
Basen  gegen  einander  gestellten  Pyramiden  entspricht.  Es 
scheint  auf  drei  Seiten  einen  Stempel  zu  haben. 

1779"-  Kleiner  durchbrochener,  nur  mit  Stäben  ge- 
schlossener Cylinder,  in  welchen  links  und  rechts  krumme 
Handhaben  eingreifen,  deren  eine  fast  ganz  fehlt.  In  Cöln 
gefunden.    1855  von  Prof.  aus'm  Weerth  gekauft.   3084. 

1779®-  Unförmliche  Thiergestalt  auf  einem  langen 
Stift.    1852  hieselbst  gekauft.    305l. 

1779^-  Broncestange,  von  einem  Diskus  in  der  Mitte 
und  zweien  am  Ende  umgeben.  Alle  drei  Disken  sind  an 
ihrer  ganzen  Rundung  durchbohrt,  um  Ketten  aufzunehmen, 
von  denen  noch  Reste  erhalten.     Samml.  Koller  599. 

1779^*  Stabartiges  Anhängsel  mit  Knöpfen  verziert 
und  unten  in  eine  kleine  Krone  auslaufend.  Aus  Pompeji, 
durch  Ternite  erworben.   K.  39. 

1779'-  Kleine  Herme  mit  vorgebeugtem  bärtigem 
Kopf.     Gehörte  zu  einem  Geräth. 

Friederich«,  Berlin's  Antike  BUdwerke.  n.  24 


370  Miscellaneen. 

1779^-  Anhängsel,  eine  unten  in  einen  Knopf  aus- 
laufende Stange^  die  an  Ketten  hängt,  an  welchen  sich  zwei 
Haken  hefinden. 

1779*-  Geräth,  wie  ein  Petschaft  ohne  Siegel  gestaltet 
Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.   216. 

1779^-  Kleiner  Löffel,  dessen  Stiel  zugespitzt  ist, 
dessen  Schale  aber  einen  eigenthümlichen,  in  der  Mitte  durch- 
bohrten Ansatz  hat. 

1779^-  Eine  Hacke  von  Eisen.  Aus  Pompeji.  Aus 
der  älteren  Sammlung.   V.  f.  e.  3. 

1779^-  Unbestimmbares  Geräth  von  Bronce,  be- 
stehend in  einer  dreieckigen  Spitze  mit  einem  King  daran. 
Yon  Herrn  Vollard  1852  angekauft.    3058. 

1779*-  Desgl.,  in  Form  einer  Lanzenspitze,  an  welche 
sich  unten  ein  halbkreisförmiger  Ring  schliesst  Aus  der 
älteren  Sammlung  V.  d.  1. 

1779 y-  Desgl.,  bestehend  in  einer  Stange,  die  an  einem 
Ende  durch  eine  Sichel  abgeschlossen  wird  und  am  anderen 
Ende  zwei  Arme  mit  einer  Spitze  zwischen  beiden  aussendet. 
Aus  der  älteren  Sammlung.   K.  7. 

1779*-  Geräth  aus  zwei  mit  einander  verbundenen  Ringen 
bestehend,  wie  wenn  zwei  Finger  hineinfassen  sollten.  Aus 
dem  Rösel'schen  Nachlass  1844  erworben.    2795*- 

■TS 

1779**  ^-  Messerartiges  Geräth.  Aus  der  KoU er'schen 
Sammlung  588. 

1779*-  ^-  Zwei  Bronce-Streife,  an  beiden  Seiten  durch- 
bohrt und  an  einer  Seite  zusammengenietet.   Ebendaher.  581. 

1779*-^  Eine  gewölbte  Scheibe,  woran  ein  Ring 
hängt.  Vermuthlich  von  einem  Kasten  zum  Herausziehen. 
Ebendaher.    485. 

1779**  *•  Beschlag  eines  Deckels  einer  Schachtel  Aus 
der  Sammlung  Koller.  622. 


Kinderspielzeug  von  Blei.  371 

1779*- ^-  Zwei  Klöppel  von  verschiedener  Grössie.  Aus 
dem  Köserschen  Nachlass  1844  erworben.    2790. 

1779*-  ®-  Ein  kleines  Bündel  mit  Nägeln  und  anderen 
Geräthen.  An  der  via  latina  gefunden.  1859  geschenkt. 
5271—3273. 

1780.  1781.  Zwei  räthselhafte  Geräthe,  oben  stift- 
artig und  nach  Art  von  Nähnadeln  durchbohrt,  nach  unteu 
in  zwei  Arme  auseinandergehend,  die  nach  ihrer  Wiederverr 
einigung  eine  herzförmige  Oeffnuug  zwischen  sich  lassen  und 
endlich  in  dreieckiger  Form  mit  der  kammartig  gezahnten 
Basis  nach  unten  abschliessen.    L.  3%". 

1781**  Nadel  mit  einer  rautenförmigen,  etwas  gebogenen 
Platte  auf  der  Spitze.    Vielleicht  diente  die  Platte  nur  als  Griff. 


Kinderspielzeug  (?)  von  Blei. 

Wir  führen  im  Folgenden  unter  dieser  Rubrik  eine  An- 
zahl von  Gegenständen  an,  die  möglichenfalls  einem  anderen 
Abschnitt  angehören.  Es  wäre  möglich,  dass  diese  kleinen 
Bleisachen  nur  zur  Ausstattung  von  Kindergräbern  gedient 
hätten  und  gar  nicht  im  wirklichem  Gebrauch  gewesen  wären, 
es  wäre  auch  möglich,  dass  manche,  ähnlich  wie  wir^s  an  den 
Weihgeschenken  aus  dem  Menelaion  sahen,  Weihgeschenke 
waren,  doch  bleibt  daneben  gestützt  auf  n.  1792  und  auf  die 
Analogie  unseres  eigenen  Lebens,  auch  die  zuerst  geäusserte 
Annahme  in  ihrem  Kecht. 

1782 — 1791.  Kleine  Bleivasen,  und  zwar  1782  eine 
kleine,  massive  Amphora  aus  der  Sammlung  Bartholdy  p.  62 
n.  10,  1783  desgl.  ebendaher  n.  11  mit  einem  gebrochenen 
Henkel,  1784  desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben 
n.  70,  welche  ein  nicht  verständliches  Loch  oben  über  der  Mün- 
dung hat,  1785  eine  platte,  runde  Flasche  aus  der  Samml. 
Bartholdy  n.  9,  1786  ein  zierliches  kleines  Ausgussgefäss, 
hohl  und  ganz  zum  wirklichen  Gebrauch  für  Kinder  geeignet, 
ebendaher  n.  8,  1787  ebenfalls  ein  Ausgussgefäss,  doch  von 
anderer,  gewöhnlicherer  Form,  ebendaher  n.  7,  1788  eine 
kleine  Amphora,  an  deren  Hals  man  M.  T  liest,  1847  von 
Dr.  Friedländer  in  Italien  gekauft  n.  2939,  1789  ein  kleiner 

24* 


372  Kinderspielzeug  von  Blei. 

Napf  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben  241,  1790  ein 
fragmentirtes  Geräth  ebendaher  242,  1791  ein  Napf. 

1792.  Ein  länglich  viereckiges  Bleikästchen  mit 
folgendem  Inhalt,  ebenfalls  von  Blei:  Ein  kleiner  Hirsch 
(1792*),  eine  kleine,  zierliche  Schale  in  Form  einer  Muschel 
(1792^),  ein  kleines,  räthselhaftes  Geräth,  für  das  wir  gar 
keinen  Anhalt  zur  Bestimmung  haben  (1792*^-)  und  endlicli 
eine  kleine,  an  den  Armen  zwar  verstümmelte  Figur,  in  welcher 
man  indess  an  der  Tracht  und  Geberde  leicht  einen  Wagen- 
lenker des  römischen  Circus  erkennt  (1792^).  Der  Deckel 
des  Kastens  ist  fragmentirt,  die  Fragmente  sind  unter  1792*- 
verzeichnet. 

Dieser  Kasten  stammt  gewiss  aus  einem  Kindergrabe 
und  enthielt  das  Spielzeug  des  verstorbenen  Kindes.  1841 
in  Italien  durch  Prof.  Gerhard  gekauft.   2711.   L.  5". 

1793.  Astragal,  genauer  nur  die  Hälfte  eines  Astragais, 
der  also  nicht  praktisch  zu  gebrauchen  war  und  wohl  nur 
einem  Kinde  in's  Grab  mitgegeben  ist. 

1794.  Ein  kleiner' Schlüssel,  fragmentirt. 

1795.  Kleiner  Helm,  den  Gladiatorenhelmen  ähnlich, 
mit  geschlossenem  Visir.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy 
p.  62  n.  5. 

1796.  Kleine  Minerva,  auf  die  Lanze  gestützt,  in  zwei 
Hälffeen  hohl  gegossen.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy  p.  62 
n.  2.    H.  3". 

1797.  Kleine  Venus,  oben  nackt,  unten  mitflattemdem 
Gewand  bedeckt.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 
236.    H.  2V2". 

1798.  Victoria,  ebenso  ge wandet  wie- die  eben  be- 
sprochene Venus,  unten  verbogen.  Aus  der  Samml.  Bartholdy 
p.  62  n.  4.    H.  2  Vi". 

1799.  Desgl.,  ganz  bekleidet,  mit  einem  Palmzweig  im 
Arm.    Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  437.  H.  Vl^". 

IHOO.  Kleine  halbbekleidete  Frau  mit  undeutlicher 
Geberde  der  Hände,  die  zudem  etwas  unkenntliches  halten. 


Anderes  von  Blei.  373 

Aus    dem  Nachlass    des  Prof.  Kösel  1844  erworben.     2796. 
H.  IV4". 

1801.  Kleiner  Knabe  mit  einer  Striegel  in  der  Hand, 
ganz  rund  gegossen  und  massiv.  Aus  Gerhardts,  Nachlass 
1869  erworben.    233.   H.  2V2"- 

1802.  Desgl.,  auch  mit  einer  Striegel.  Doch  sind  an  der 
linken  Hand  Reste  einer  Kette  und  hinten  ein  Loch  zur  Be- 
festigung, die  auf  eine  andere  Verwendung  der  Figur  deuten. 
Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.    234.   H.  2»/8"- 

1803.  Bärtiger  Kopf  mit  sehr  langem,  etwas  fragmen- 
tirtem  Hals,  dessen  Bestimmung  uns  vollkommen  unklar  ist. 
Er  ist  in  zwei  Hälften  hohl  gegossen.  Aus  Gerhard's  Nach- 
lass 1869  erworben.    235.   H.  2". 

1803*"  Kleiner  Spiegel  ohne  Einsatz,  aus  Gerhard's 
Nachlass  1869  erworben.  238.  Vielleicht  auch  ein  Weih- 
geschenk. 

1803^-  Kleiner  Schöpflöffel  von  Bronce,  mit  einem 
Kopf  am  Stiel  verziert  Er  sieht  ganz  wie  ein  Puppenlöffel  aus. 

1803^-  Eine  nackte  Figur,  auf  einem  unbestimmbaren 
Thier  sitzend,  vermuthlich  Kinderspielzeug. 

1803^-  Ein  desgl.  Nur  zur  Hälfte  erhalten.  Aus  der 
älteren  Sammlung  B.  d.  BB.  17. 

Anderes  von  Blei. 

1804.  Weibliche  Büste  in  flachem  Relief,  gewiss  eine 
Verzierung.  Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  er- 
worben.   2797.   H.  1". 

1804*-  Männlicher  Kopf,  wie  es  scheint  eine  Karikatur, 
in  zwei  Hälften  gegossen.  Aus  der  älteren  Sammlung 
B.  c.  ß.  14. 

1805.  Bleiplatte,  die  wie  eine  Gtirtelverzierung  aus- 
sieht und  mit  einem  undeutlichen,  froschartigen  Gebilde  ver- 
ziert ist.   L.  18/4".   Br.  IV^". 


374  1^16  Bleimarken. 

1806.  Zwei  runde  Bleistäbe,  27^"  und  l'/g"  lang^, 
mit  vortretenden  Ansätzen,  die  vielleicht  nur  vom  Guss  her- 
rühren.   1846  am  Khein  gekauft.    2925. 

1807.  Bleiplättchen  von  länglicher  Form.  Auf  der 
einen  Seite  stehen  die  Buchstaben  M.  P.  M.  auf  der  anderen 
L.  F.  S.;  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  1846 
erworben.    2882. 

Das  Stück  Ist  eine  Marke  irgend  einer  Art  gewesen. 

1808.  Rundes,  ziemlich  dickes  Plättchen  mit  einem 
unkenntlichen  Stempel.   Ebendaher.    2881.   Durchm.  '/s"- 

1809.  Massiver  Bleicylinder,  auf  einer  Seite  ab- 
geplattet und  geriefelt,  war  mit  dünner  Bronce  überzogen^ 
von  der  sich  ein  Stück  erhalten.   L.  2^/g". 

Bleimarken. 

Ficoroni,  der  im  vorigen  Jahrhundert  eine  grosse  Menge 
von  Bleimarken  gesammelt  und  publicirt  hat,  unterschied  vier 
Classen  derselben.     Zunächst  diejenigen,  die  man  an  Archi- 
tekturstücken,  namentlich  unten  an  Säulen  Schäften  eingelassen 
findet  und  die  schon  durch  ihren  Fundort  ihren  Zweck  ver- 
rathen.    Es  ist  eine  Art  von  Denkmünzen,  die  das  Andenken 
des  Bauherrn  am  Gebäude   selbst  verewigen  sollen  und  dem 
entsprachen  auch  die  Typen,  die  den  römischen  Kaisermünzen 
sehr  nahe  stehen.     Eine  zweite  zahlreichere  Classe  sind  die 
Siegel   von  Diplomen,    die    ebenfalls    officielle   Typen  zeigen. 
Daneben  kommen  auch  Siegel  von  mehr  privater  Natur  vor^ 
von   welchen    schon    oben    die  Rede    war.     Die  dritte  zahl- 
reichste Classe  bilden  die  kleinen  Marken,  die  mit  ganz  ver- 
schiedenen,  sichtlich   aber  nicht  officiellen  Tj-pen,   versehen 
sind.     Ficoroni    hält    sie   für   Einlassmarken    zu    allerhand 
Schauspielen,  und  seine  Meinung  wird  allerdings   durch  die 
grosse  Menge  der  auf  Sieg  und  Kampfspiel  bezüglichen  Dar- 
stellungen oder  Symbole  sehr  wahrscheinlich.     Viertens  hat 
er  auch  ein  Amulet  publicirt,  das  sich  durch  die  Darstellung 
in  Verbindung  mit  dem  Umstände,  dass  oben  ein  Haken  an- 
gebracht ist,  als  solches  ausweist.     Unbekannt  war  ihm  eine 
fünfte  Classe  von  Bleimarken,   nämlich    die   kaufmännischen, 
die  an  Gewebe  angehängt  wurden.   Sie  sind  sehr  leicht  kennt- 


Die  Fragmente.  375 

lieh  an  dem  langen  Haken,  der  durch  den  Stoff  hindurch- 
gebohrt und  dann  wieder  zur  Marke  zurückgebogen  wurde. 
Diese  letzten  hat  man  bis  jetzt  nur  in  Sicilien  gefunden. 

Die  im  Folgenden  aufgeführten  Marken  gehören  sämmt- 
lich  zur  dritten  Classe. 

Vgl.  Ficoroni,  piombi  antichi  und  Salinas  in  den  Annali  öeW  inst. 
1864  p.  343  ff.  und  1866  p.  18.     Smith  Collect.  111,  32.  VI,  16. 

1809**  Ein  Kästchen  mit  22  Bleimarken,  deren  Typen 
noch  einigermaassen  kenntlich  sind.  Es  würde  zu  nichts 
führen  sie  detaillirt  zu  beschreiben,  wir  begnügen  uns  mit 
der  Bemerkung,  dass  der  grösste  Theil  derselben  sich  auf 
Glück,  Keichthum  und  Sieg  bezieht,  was  der  oben  erwähnten 
Annahme  Ficoroni's  nur  günstig  ist.  Es  sind  nämlich  die 
Figuren  oder  Embleme  von  Merkur,  Fortuna,  Victoria,  die 
sich  öfter  wiederholen;  auch  ein  Sieger,  wie  es  scheint,  ein 
Wagenlenker  mit  Kranz  und  Palmzweig  kommt  vor,  dann  ein 
Wagenlenker  in  voller  Action  und  ein  Kämpfer,  vermuthlich 
ein  Gladiator.     Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.'^ 

1809^*  Desgl.  mit  31  Bleimarken,  von  deren  Typen 
wenig  oder  nichts  mehr  zu  erkennen  ist.    Ebendaher. 

b.  Fragmente. 

1810.  Ein  Kasten  mit  Gefässfragmenten,  Nägeln, 
Fibula  etc.,  die  1858  bei  dem  Schlosse  Greifenstein  in  der 
Nähe  von  Botzen  zusammen  mit  dem  unter  n.  1021  auf- 
geführten eisernen  Helm  und  den  unter  n,  1154*  ff.  auf- 
geführten eisernen  Schwertern  gefunden  sind.  Diese  Fragmente 
rühren  namentlich  von  einem  grösseren  Gefäss  her,  das  wie 
einige  altetruscische  ganz  ohne  Löthung  hergestellt  ist.  Auch 
die  Henkel  sind  angenietet.  Die  Verzierungen,  namentlich 
Palmettenreihen,  sind  etwas  roh  und  mit  wenig  Verständniss 
ausgeführt.  Einen  rein  etruscischen  Eindruck  machen  die 
Stücke  nicht.  Besonders  bemerkenswerth  ist  noch  der  Rand 
eines  Gefässes  mit  einer  umlaufenden  etruscischen  Inschrift. 
3262.  3263.  3264.  3265.  3450.  3266. 

1811.  Ein  Kasten  voll  Fragmenten  von  Gefässen, 
darunter  ein  grösseres  Fragment  eines  runden  Gefässes,  aus 
der  Samml.  Koller  415. 


376  I^»®  Fragmente. 

1812.  Kasten  mit  7  Stück  Eisengeräth,  darunter 
ein  Bing  und  zwei  Schnallen  ziemlich  erhalten.  Zwischen 
Mühlhofen  und  Engers  bei  Ooblenz  gefanden  und  von  dem 
Bauführer  Hm.  Dulk  dem  Museum  1857  geschenkt.  3222. 

1813.  Kasten  mit  eisernen  Fragmenten,  Rad- 
beschlägen etc. 

1814.  Desgl. 

1815.  Kästchen  mit  Broncefragmenten,  1869  mit  anderen 
Sachen  gekauft.    3763. 

1816.  Desgl.,  mit  anderen  Sachen  1869  gekauft.  3590. 

1817.  Kästchen  mit  Broncedraht  und  Knochenresten 
darin. 

1818.  Fragment  mit  dem  Rest  einer  Inschrift  DAC. 
Aus  der  Samml.  Bartholdy  D.  70. 

1819.  Kästchen  mit  sieben  Fragmenten  von  Geräthen. 

1820.  Best  eines  Geräthes  mit  einem  Phallus  darauf. 
Aus  der  Samml.  Bartholdy  C.  101. 

1821.  Fragment  eines  Gefässes,  bei  Andernach  ge- 
funden, Geschenk  des  Hrn.  Koch  in  Neuwied.    3274. 

1821*-  Zwei  Fragmente  vonGeräthen.  AusderSammL 
Koller  567.    636. 

1821^-  Geräthfragment,  meisselförmig  an  einer  Seite 
gestaltet.  Bei  Cöln  gefunden.  Aus  der  Samml.  Minutoli.  R.  6. 

1821°-  Zwei  Gerät]hfragm^ente. 

1821^  Vier  Fragmente  eines  Bleigefässes  aus  Pompe jL 

1821®  Fragment  eines  Geräthes,  in  welchem  noch 
das  Holz  erhalten  ist. 

■ 

1821'-  Desgl.,  mit  dem  Rest  einer  Inschrift.  Scheint 
ein  Stück  einer  Basis  zu  sein.  Aus  dem  Nachlass  des  Obrist- 
lieutenant  Schmidt  1846  erworben.    2876. 


Die  grossen  Broncen.  377 


A.  Die  grossen  Broncen'). 

Der  betende  Knabe,  in  oder  an  der  Tiber,  nach 
einer  weniger  beglaubigten  Notiz  in  Herculanum  gefunden 
und  zuerst  im  Besitz  von  Papst  Clemens  XI,  dann  beim  Mar- 
schall Belleisle,  von  welchem  Prinz  Eugen  von  Savoyen  ihn 
für  18,000  Frcs.  kaufte.  Nach  Eugen's  Tode  kaufte  ein  ve- 
netianischer  Antiquar  die  Statue,  überliess  sie  aber  bald  dem 
Fürsten  Liechtenstein,  und  von  diesem,  der  sie  in  England 
in  einer  Lotterie  wollte  ausspielen  lassen,  kaufte  Friedrich 
der  Grosse  sie  für  5000  Thlr.  (5833 Vs  Thlr.  nach  jetzigem 
Werth).  Sie  stand  zuerst  im  Garten  von  Sanssouci,  dann  im 
kgl.  Schloss  zu  Berlin,  von  wo  sie  in  der  napoleonischen 
Zeit  nach  Paris  entführt  wurde. 

Restaurirt  ist  der  rechte  Arm,  wie  der  Mangel  aller 
Patina  und  die  Verschiedenheit  der  Arbeit  beweist,  ausser- 
dem sind  am  linken  Fuss  zwei,  am  rechten  ein  Zeh  re- 
staurirt, die  dem  grossen  Zeh  nächsten  und  der  darauf  folgende. 
Der  linke  Arm  war  gebrochen.  Man  bemerkt  ausserdem 
einige  moderne  und  antike  Ausbesserungen.  Die  Statue  ist 
übrigens  so  dünn  gegossen,  dass  sie  von  einem  Mann  ge- 
tragen werden  kann,  während  die  ihr  gegenüberstehende 
Statue  aus  Xanten,  die  ihr  in  der  Grösse  entspricht,  von  vier 
Männern  transportirt  werden  musste. 

Der  rechte  Arm  ist  unzweifelhaft  richtig  restaurirt. 
Man  sieht  aus  den  Brustmuskeln,  dass  er  dieselbe  Erhebung 
hatte  wie  der  andere,  und  bei  der  Haltung  des  Kopfes  und 
des  erhaltenen  Armes  lässt  sich  nicht  wohl  an  etwas  Anderes 
denken,  als  an  einen  Flehenden.  Denn  beide  Arme  mit  ge- 
öffneten Händen,  als  wolle  man  die  Gabe,  um  die  man  bittet, 
in  Empfang  nehmen,  auszustrecken,  ist  der  natürliche  und 
zugleich  officielle  Gestus  des  bittenden  Gebetes  im  Alterthum. 

Aber  einen  betenden  Knaben  in  abstracto  darzustellen, 
war  schwerlich  die  Absicht  des  Künstlers.  Man  würde  nicht 
motiviren  können,  warum  er  gerade  einen  nackten  und  so 
geformten  Knaben  gewählt  habe.  Der  Figur  fehlt  alles  Genre- 
hafte, Allgemeine,  sie  weist  uns  durch  ihre  Nacktheit,  durch 

^)  Sie  siad  jetzt  uoch  im  Üubergang  vom  Altea  zum  Neuea  Mu- 
seum aufgestellt,  sollen  aber  künftig  im  Al'.en  Museum  unterg^ebracht 
werden.  Eine  Nummer  konnten  wir  ihnen  nicht  geben,  da  sie  einer 
andern  Abtheilung  des  Museums  angehören. 


378  ^i®  grossen  Broncen. 

ihre  edel  ausgebildeten  Formen,  durch  die  kurz  geschnittenen 
Haare  in  ein  bestimmtes  Gebiet,  es  ist  ein  jugendlicher  Athlet^ 
nicht  ein  Knabe  im  Allgemeinen,  der  hier  betet,  das  Gebet 
muss  also  auch  ein  specifisches  Athletengebet,  muss  ein  Ge- 
bet um  Sieg  im  Wettkampf  sein. 

Eine  solche  Statue  setzt  eine  bestimmte  Veranlassung 
im  Leben  voraus  und  so  hören  wir  denn  auch,  dass  unter 
den  Siegerstatuen  Olympia's  sich  mehre  in  betender  Stellung 
befanden.  Zu  dieser  Gattung  von  Statuen  gehört  auch,  wie 
wir  glauben,  die  unserige,  und  dass  der  Knabe  betend  dar- 
gestellt ist,  soll  seine  Frömmigkeit,  dass  er  von  der  Gott- 
heit, nicht  von  sich  den  Sieg  hoffte,  charakterisiren. 

Diese  Annahme  wird  auch  durch  das  Bild  einer  im 
hiesigen  Antiquarium  befindlichen  Vase  unterstützt,  welche» 
eine  Erzgiesserei  vorstellt.  Die  Arbeiter  sind  mit  zwei  Fi- 
guren beschäftigt,  einem  im  Ausfall  stehenden  Krieger  und 
einer  nackten  Jtinglingsfigur  von  derselben  Stellung,  wie  die 
unserige,  man  darf  annehmen,  dass  beides  häufiger  vorkom- 
mende Stellungen  und  Aufgaben  waren;  singulare  Stellungen 
würde  man  schwerlich  für  eine  solche  Darstellung  gewählt 
haben. 

Das  Vasenbild,  das  noch  dem  fünften  Jahrhundert  an- 
gehört, ist  jedenfalls  älter  als  die  Statue,  die  nicht  über  die 
Zeit  Alexanders  hinaufgerückt  werden  kann.  Der  kleine  Kopf 
und  die  schlanken  Proportionen  wurden  erst  durch  Lysippus, 
den  Zeitgenossen  Alexanders,  eingeführt,  und  die  Behandlung 
des  Haares  erinnert  in  überraschender  Weise  an  den  Apo- 
xyomenos  dieses  Künstlers.  Hier  wie  dort  das  zufällig  Durch- 
einandergeworfene der  einzelnen  Streifen  und  zugleich  das 
Vollere  und  Ueppigere,  während  früher  das  Haar  flacher  an- 
liegend gebildet  wurde. 

Ein  im  vollen  Sinne  originales  Werk  ist  die  Statue,  wie 
jenes  Vasenbild  zeigt,  nicht,  aber  damit  soll  nicht  gesagt 
sein,  dass  sie  nicht  mit  der  ganzen  Liebe  und  Freiheit  eines 
Originalwerkes  gearbeitet  sei.  Das  Motiv  ist  überkommen, 
ohne  dass  darum  die  Statue  Copie  wäre.  Ja  sie  mag  leicht 
unter  allen  Figuren  desselben  Motives  die  vorzüglichste  ge- 
wesen sein,  wie  es  ja  aus  der  alten  und  neueren  Kunst- 
geschichte genugsam  bekannt  ist,  dass  begabtere  Nachfolger 
die  Motive  ihrer  Vorgänger  beibehielten  und  erst  zur  vollen 
Schönheit  entwickelten.  Diese  Statue  ist  an  Reinheit  und 
Adel  der  Form  ausgezeichnet,  sie  ist  aber  nicht  bloss  formell, 


Die  grossen  BronceD.  379 

sondern  auch  ethisch  ebenso  anziehend  durch  die  Anspruchs- 
losigkeit der  ganzen  Erscheinung  und  durch  die  Unschuld, 
die  in  dem  Kopf  wirklich  ergreifend  ausgeprägt  ist. 

Abg.  Levezow,  De  juvenis  adorantis  signo,  Berolini  1808.  Visconti, 
Op,  var.  IV.  zu  tav.  22.  Die  weitere  Literatur  bei  Friederichs  in  dem 
Erlanger  Programm  zur  Eröffnung  des  dortigen  archäolog.  Museums  1857. 
Vgl.  Benndorf  im  Katalog  der  Gypsabgüsse  von  Schulpforte  1864,  p.  12 
und  Valentinelli  in  den  atti  dell'  institnto  veneto  di  scienze,  lettere  ed 
arli  XIII,  scr.  3,  p.  2,  der  mit  der  Venetianischen  Replik,  die  er  mit 
Recht  als  eine  antike  Replik  in  Anspruch  nimmt,  auch  die  hiesige  Sta- 
tue bespricht.  Die  Notizen  über  die  verschiedenen  Besitzer  der  Statue 
bei  J.  Friedländer,  Archaeol.  Anz,  1865,  p.  121  ff. 

Der  Knabe  von  Xanten,  am  16.  Februar  1858  im 
Bett  des  Kheins  in  der  Nähe  von  Xanten  gefunden.  Fischer 
zogen  die  Statue  hervor,  als  sie  die  ihren  Netzen  hinderlichen 
Steine  wegräumen  wollten.  Am  Rücken,  der  im  Sande  lag, 
hat  sich  Patina  angesetzt,  alles  Uebrige  ist  ganz  glatt  ge- 
blieben.   Die  Augen  waren  von  Silber  oder  Edelstein. 

Die  Bedeutung  der  Figur  ist  ganz  unsicher,  doch  ist  die 
Stellung  derselben  vermuthlich  die  eines  Wagenlenkers,  der 
mit  der  Linken  die  Zügel  hielt.  Man  könnte  an  einen  Trip- 
tolemus  denken,  der  in  ähnlicher  Stellung  auf  römischen 
Münzen  vorkommt,  mit  der  Rechten  den  Samen  über  die 
Erde  streuend.  Doch  ist  dies  nur  eine  unsichere  Vermuthung. 
Der  Kranz,  der  aus  Blumen  und  Früchten  von  Feld  und 
Wald  besteht,  deutet  wohl  auf  einen  Gott  oder  Dämon  des 
Naturlebens. 

Die  Figur  ist  unzweifelhaft  römischen  Ursprunges,  schon 
der  Fundort  macht  dies  wahrscheinlich,  wenn  auch  die  Mög- 
lichkeit nicht  in  Abrede  zu  stellen  ist,  dass  in  den  römischen 
Colonien  am  Rhein  auch  griechische  Werke  vorhanden  waren. 
Aber  die  Arbeit  der  Haare  verräth  noch  deutlicher  die  spä- 
tere Zeit.  Es  fehlt  nämlich  die  detaillirte  Ausführung,  die 
griechischen  Broncen  —  man  vergleiche  nur  den  betenden 
Knaben  —  sowohl  den  grossen  wie  den  kleinen  eigen  ist. 

Abg.  Archae(»l.  Ztg.  1860,  Taf.  133.  134.  vgl.  p.  1  ff.,  wo  auch 
die  frühere  Literatur  angegeben  ist.  Die  Erklärung  Wiesder  s  ebendas. 
1861,  p.  137  fusst  auf  der  in  dem  obigen  Aufsatz  gegebenen  Deutung 
des  Motivs,  die  ich  jr-tzt  fiir  falsch  halte. 

Victoria,  vergoldete  Broncestatue,  die  im  Februar  1836 
an  der  Grenze  der  Districte  von  Cremona  und  Mantaa  ge- 
funden ist.  Ergänzt  sind  die  Flügel,  die  aber  ursprünglich 
vorhanden  gewesen  zu  sein  scheinen,  der  linke  Arm  mit  dem 


380  ^i^  kleinen  Broncefigoren. 

Palmzweig  und  das  linke  Bein  mit  Ausnahme  des  grossen 
Zehs,  der  auf  der  Kugel  zurückgeblieben  war.  In  die  rechte 
Hand  denke  man  sich  einen  Kranz  hinein. 

Die  Figur  repräsentirt  den  in  der  Kaiserzeit  ausser- 
ordentlich häufigen  Typus  der  Victoria,  die  vom  Sitz  der 
Götter  auf  die  Erdkugel  herabschwebt,  um  einem  siegreichen 
Sterblichen  die  Zeichen  des  Sieges,  Kranz  und  Palme  —  denn 
der  linke  Arm  ist  gewiss  richtig  restaurirt  —  zu  bringen.  Das 
griechische  Original,  welches,  zwar  erheblich  verändert,  dieser 
Figur  zu  Grunde  liegt,  wird  unten  näher  besprochen  werden. 

Nach  der  Inschrift  ist  die  Statue  ein  Weihgeschenk 
eines  gewissen  M.  Satrius  Major,  dessen  Familienname  in 
den  Inschriften  des  Fundortes  sich  öfter  wiederholt.  Der 
Sieg,  durch  den  sie  veranlasst  ist,  wird  wahrscheinlich  der 
über  die  Parther  im  Jahre  916  d.  St.  von  Antoninus  und 
Varus  errungene  sein. 

Das  Löwenfell,  mit  dem  die  Figur  umgürtet  ist,  ist  an 
Victorien  ungewöhnlich.  Vielleicht  ist  es  als  ein  charakte- 
ristisches Beutestück  aus  dem  Kampf  mit  den  wilden  Bar- 
baren, deren  Bezwingung  sie  verkündet,  aufzufassen.  Auf- 
fallend ist  auch  die  übermässige  Kürze  des  Oberkörpers,  wo- 
durch die  Schlankheit  der  Figur  gesteigert  werden  sollte. 
Im  Uebrigen  ist  sie  immer  noch  für  ihre  Entstehungszeit  ein 
respektables  Werk. 

Vgl.  bull.  1837,  p.  24.  41.  137.  Annali  1839,  p.  73  ff.,  tav.  B. 
Die  Abbildung  ist  übrigens  ganz  nn brauchbar  und  in  Folge  davon  leidet 
auch  die  Erklärung  an  wesenllicben  Irrlhümern. 

Minervenkopf,  1843  von  Waagen  gekauft.  Der  Kopf 
ist  vergoldet  und  die  hohlen  Pupillen  waren  gewiss  durch 
Stein  oder  Glas  ausgefüllt.  Am  Helm,  der  im  Wesentlichen 
dem  attischen  entspricht,  bemerkt  man  die  Vorbereitung  zur 
Ausbesserung  eines  Schadens,  er  hat  ein  Loch,  um  welches 
zum  Einsetzen  eines  Flickens  ein  Quadrat  bis  zur  halben 
Dicke  der  Bronce  ausgeschnitten  ist. 

Wir  gestehen,  dass  wir  dem  Kopf  kein  besonderes  In- 
teresse abgewinnen  können.  Wir  können  auch  keinen  der 
sonst  bekannten  Minerventypen  darin  wiederfinden. 

Vgl.  Archaeol.  Ztg.  1843,  p.  30. 

B.  Die  kleinen  Bronceflguren. 

Diesem  Abschnitt  gehen  als  Einleitung  einige  Bemerkun- 
gen voran,  theils  über  den  Zweck  dieser  kleinen  Broncen, 


Die  kleinen  Broncefiguren.  381 

theils  über  die  Principien,   nach    denen   wir  dieselben  auf-- 
gestellt  haben. 

Eine  Anzahl  derselben  war  ursprünglich  mit  Geräthen  in 
Znsammenhang,  was,  wenn  nicht  ans  bestimmten  zurück- 
gebliebenen Resten,  doch  an  dem  Motiv  der  Figur  meistens 
leicht  zu  erkennen  ist.  Wir  haben  zwar  diejenigen,  deren 
tektonische  Funktion  einigermaassen  sicher  zu  bestimmen 
war,  unter  den  Geräthen  aufgeführt,  da  sie  ja  Geräththeile 
sind  und  nur  als  solche  verstanden  werden  können,  allein  es 
bleiben  doch  manche  zurück,  die  wir  dort  nicht  unterzubringen 
wussten  und  deswegen  hier  nachfolgen  lassen.  Namentlich 
gilt  dies  von«  einigen  schöneren  Stücken,  die  ausser  ihrer 
tektonischen  Bedeutung  auch  noch  einen  selbständigen  künst- 
lerischen Werth  haben. 

Die  kleinen  Broncen,  die  frei  für  sich  bestanden,  hatten 
einen  vierfachen  Zweck,  sie  waren  entweder  Cultbilder  oder 
Weihgeschenke  oder  Amulete  oder  endlich  blosse  Zierfiguren. 

Die  Cultbilder  waren  natürlich  nicht  für  den  öffentlichen^ 
sondern  nur  für  den  privaten  Cult,  für  den  Hausgottesdienst 
bestimmt.  Im  Pompeji  sind  oft  in  den  Capellen  oder  in  den 
Bildschreinen,  d.  h.  in  den  Wandnischen  der  Privathäuser 
solche  kleine  Idole  von  Bronce  gefunden,  unter  denen  die 
Laren  besonders  häufig  waren. 

Ebenso  gewöhnlich  war  der  Gebrauch,  kleine  Broncen 
als  Weihgeschenke  zu  stiften.  Wir  besitzen  sowohl  Thiere 
als  menschliche  Figuren,  die  sich  durch  Inschriften  als  solche 
ausweisen.  Solche  Broncen  werden  an  alten  Cultstätten  oft 
zu  vielen  Hunderten  beisammen  gefunden,  wie  dies  z.  B.  mit 
einem  oben  auf  der  Falterona  gemachten  Funde  der  Fall 
war^),  der  reicher  war  als  irgend  ein  ähnlicher  Fund. 

Die  kleinen  Broncen  dienten  ferner  als  Amulete  und 
wurden  als  solche  theils  am  Halse  getragen,  theils  den 
Todten  in's  Grab  mitgegeben.  Die  ersteren  sind  natürlich 
nur  klein  und  kenntlich  an  einem  kleinen  Ringe,  den  sie 
hinten  zum  Anhängen  haben.  Was  die  letzteren  betrifft,  so 
ist  die  Sitte,  den  Todten  Götterbilder  mit  in's  Grab  zu  geben, 
sehr  allgemein,  aber  gewöhnlich  sind  sie  doch  aus  anderem 
Stoff,  besonders  aus  Terrakotta  fabricirt,  und  ein  Götterbild 
aus  Bronce  ist  in  anderen  als  etrurischen  Gräbern  —  denn 


*)  Vgl.  bullet,  d'inst.  1838,  p.  66.  1845,  p.  96.  Auf  dem  Vor- 
gebirge Täiiarum  wurden  einmal  70  Figuren  von  Stieren  und  Pferden 
gefunden,  Weihgeschenke  an  Poseidon,  bullet.  1857,  p.  155. 


382  ^^^  kleinen  ßroncefiguren. 

in  diesen  fehlen  sie  allerdings  nicht  ^)  —  etwas  verhältniss- 
mässig  Seltenes. 

Sehr  zahlreich  ist  die  Classe  der  Zierfiguren,  unter 
denen  wir  eine  doppelte  Art  unterscheiden  können,  nämlich 
diejenigen,  welche  mit  irgend  einer  bestimmten  Lokalität  in 
Verbindung  standen  und  auf  sie  berechnet  waren  oder  solche, 
die  nach  Art  unserer  Nippfiguren  bloss  als  Augenweide  auf- 
gestellt wurden.  In  Pompeji  hat  man  auf^  Anschaulichste 
verfolgen  können,  wieviel  kleine  Broncefiguren  oder  auch 
Marmorstatuen  mit  bestimmten  Lokalitäten  des  Privathauses, 
namentlich  mit  dem  Brunnen  oder  Bassin  in  Verbindung 
standen,  unzweifelhaft  haben  auch  manche  Statuetten  in  unseren 
Museen  ursprünglich  ähnliche  Beziehungen  gehabt  und  es  gilt 
jetzt,  diese  Beziehungen  wieder  aufzufinden. 

Hinsichtlich  der  anderen  Art  der  Zierfiguren  ist  die 
Liebhaberei  der  Römer  für  Bronceu,  besonders  korinthische 
Broncen,  bekannt^)  und  das  berühmte  herkulanische  Haus,  in 
welchem  die  Papyrusrollen  gefunden  wurden,  hat  recht  an- 
schaulich gezeigt,  dass  die  Zimmer  der  Alten  wohl  in  der- 
selben Art  mit  Figürchen  ausgestattet  waren,  wie  die  unse- 
rigen.  In  den  verschiedenen  Zimmern  dieses  Hauses  ist  eine 
grosse  Anzahl  kleiner  Broncebüsten  gefunden,  unter  Anderem 
in  einem  derselben  die  vier  kleinen  Büsten  von  Demosthenes, 
Zeno,  Hermarchus,  Epicur^).  Wir  dürfen  annehmen,  dass  be- 
sonders die  vielen  Copien  berühmter  Kunstwerke,  die  sich 
unter  den  kleinen  Broncen  finden,  einst  in  den  Zimmern  ge- 
bildeter Römer  als  Schmuck  aufgestellt  waren. 

Das  gewöhnliche  Verfahren,  die  Antiken  nach  den  Gegen- 
ständen, die  sie  darstellen,  zu  ordnen  und  zu  katalogisiren, 
haben  wir  hier  nicht  befolgen  können.  Denn  es  ist  ein  rein 
äusserliches  und  oberflächliches  Princip,  und  der  Grund,  wa- 
rum es  fast  überall  adoptirt  ist,  offenbar  auch  nur  dieser, 
dass  es  sehr  leicht  und  bequem  zu  realisiren  ist.  Etwas 
Belehrendes  kommt  selten  dabei  heraus,  das  würde  nur  dann 
in  grösserem  Maasse  der  Fall  sein,  wenn  die  Antiken  uns  so 
vollständig  erhalten  wären,  dass  wir  von  jedem  Gegenstand 
vielfache  Exemplare  aus  den  verschiedensten  Zeiten  hätten, 
und  auf  diese  Weise  überall  historische  Ent Wickelungen  ver- 

*)  Vgl.  Gozzadini  in  der  zweiten  Abhandlung  über  das  sepolcreto 
von  Marzabotto,  p.  41. 

2)  Vgl.  z.  ß.  Plin.  epist.  III,  6.    Plin.  hi»t.  nät.  34,  38. 
^)  Vgl.  Antichitä,  di  Ercolano,  bronzi  I,  p.  51. 


Die  altgriechischen  Broncen.  383 

folgen  könnten.  So  aber  steht  es  mit  unsern  Antiken  nicht; 
Alles  ist  lückenhaft  auf  uns  gekommen^  und  selbst  da^  wo 
wir  eine  zusammenhängende  Reihe  zu  erblicken  glauben,  ist 
es  in  vielen  Fällen  nur  die  Theorie,  die  in  Zusammenhang 
setzt,  was  gar  nichts  mit  einander  zu  thun  hat.  Wenn  eine 
neue  Juno  gefunden  wird,  gleich  wird  ihr  mit  mathematischer 
Genauigkeit  ihre  Stelle  in  der  Entwickelung  des  Ideals  an- 
gewiesen, als  ob  das  Leben  sich  so  bewegte,  dass  alles 
Einzelne  Stufe  einer  Entwickelung  wäre.  Je  mehr  das  Ver- 
einzelte und  Zufällige  in  der  Erhaltung  der  alten  Denkmäler 
anerkannt  wird,  um  so  mehr  wird  die  Erkenntniss  des  wirk- 
lichen Sachverhalts  wachsen. 

Nach  der  Beschaffenheit  des  erhaltenen  Materials  wird 
es,  wie  gesagt,  nur  selten  möglich  sein,  auf  solche  Weise 
belehrende  Entwickelungen  zusammenzustellen  und  die  Fälle, 
in  denen  es  möglich  ist,  lassen  sich  auch  bei  anderer  Auf- 
stellung verwerthen,  da  es  ja  nicht  die  Absicht  sein  k^tun, 
ein  Princip  ganz  streng  und  rein,  oder  mit  anderen  Worten 
das  Princip  um  des  Principes  willen  durchzuführen.  Wir 
suchen  die  Figuren  im  Allgemeinen  historisch  zu  gruppiren, 
wohl  wissend,  wie  schwer  das  ist  und  wie  oft  man  genöthigt 
ist,  sein  Nichtwissen  zu  bekennen.  Eben  darum  ist  es  aber 
auch  anregend  und  zum  Nachdenken  reizend. 

Um  indessen  nicht  subjectiven  Meinungen  Spielraum 
zu  lassen,  haben  wir  die  Perioden  möglichst  gross  ge- 
macht. Zunächst  sind  die  Figuren  nach  den  Völkern  in 
griechische,  römische  und  etruscische  geschieden  und  die 
erste  und  dritte  dieser  Abtheilungen  zerfallen  nur  in  zwei 
Perioden,  während  die  zweite  ganz  ungetheilt  bleibt.  Wo  es 
freilich  sicher  geschehen  konnte,  haben  wir  auch  auf  eine  . 
Scheidung  innerhalb  der  Periode  hingedeutet.  Auf  diese 
Weise  treten  zunächst  die  nationalen  Unterschiede  sowohl  in 
der  Form  als  in  der  Gedankenwelt  hervor  und  sodann  wenig- 
stens im  Allgemeinen  die  historische  Entwickelung.  Durch 
die  Aufstellung  ist  dafür  gesorgt,  dass  das  Auge  sich  in  der 
Unterscheidung  der  Style,  z.  B.  des  altetruscischen  und  alt- 
griechischen, die  nicht  immer  leicht  zu  unterscheiden  sind, 
üben  und  bilden  kann. 

a.  Die  altgriechischen  Broncen. 

Wir  beginnen  die  Aufzählung  der  Broncefiguren  mit  dem 
alterthümlichsten  Stück  der  ganzen  Sammlung,  nämlich  mit 


/ 


384  ^'^^  altgriechischen  Broncen. 

1822.    Stier  von  getriebener  Arbeit,  ans  dem  Be- 
sitz des  Hofraths  Becker  in  Offenbach  1837  erworben.  H.  S^U", 

Dieser  Stier,  der  bis  auf  den  Schwanz  und  einige  kleine 
Beschädigungen  an  den  Hufen  vollständig  erhalten  ist,  be- 
steht aus  einem  Stück  Blech,  dessen  beide  Hälften  sich  an 
verborgener  Stelle,  nämlich  unter  dem  Bauch  treffen  und  hier 
vermittelst  eines  zwischen  sie  gelegten  Streifens  verbunden 
sind.  Auch  die  Beine  gehören  zu  demselben  Stück  und  sind 
daher  platt,  blechartig,  nur  nach  imten  zu  etwas  dicker  und 
völliger.  Die  Homer  sind  natürlich  besonders  eingesetzt. 
Die  Augen  waren,  wie  man  noch  zum  Theil  erkennt,  durch 
einen  Kreis  von  Punkten  mit  einem  grösseren  Punkt  in  der 
Mitte  angedeutet  Die  Figur  ist  höchst  alterthümlich  und 
doch  durchaus  nicht  ohne  Geschick  und  Verständniss  der 
Formen  gemacht. 

Eben  wegen  der  hohen  Alterthtimlichkeit  des  Styls  ist 
anzunehmen,  dass  die  Figur  einer  Zeit  angehört,  in  welcher 
die  Technik,  mit  der  gewöhnlich  solche  Werke  hergestellt 
wurden,  nämlich  der  Erzguss,  noch  nicht  bekannt  war.  Es 
sind  uns  nur  wenig  Werke  aus  dieser  Zeit  erhalten. 

Im  bullet,  vom  Jahre  1860,  p.  9  werden  ein  Hahn  von  getriebener 
Arbeit  und  die  im  britischen  Musenm  befindliche  Büste  aus  dem  Polle- 
draregrab  als  die  einzigen  Werke  dieser  Technik  bezeichnet,  ich  will 
nur,  um  ein  Missverständniss  zu  vermeiden,  bemerken,  dass  diese  Tech- 
nik mit  der  Erfindung  des  Erzgusses  natürlich  nicht  abstarb,  sondern 
neben  ihm  fortbestand  und  dass  es  daher  aus  späterer  Zeit  auch  durch- 
aus nicht  an  Beispielen  derselben  fehlt.  Noch  an  einer  Figur  aus  dem 
Silberfund  von  ßernay  finden  wir  sie.  Die  blosse  Technik  also  ent- 
scheidet über  das  Alter  nicht. 

1822*-  Kleine  Maske  von  Blei,  die  sich  als  Ver- 
zierung an  einem  Geräth  befand.  Der  Kopf  ist  höchst  alter- 
thümlich und  entspricht  den  Pallasköpfen  auf  den  ältesten 
Tetradrachmen  von  Athen.  Aus  Athen.  1840  angekauft. 
6205.    H.  1". 

1823.  Apollo  mit  dem  Lamm,  aus  der  Koller'schen 
Sammlung.    H.  6V2"- 

Man  hat  die  Figur  als  Hermes  erklären  wollen,  der  uns 
allerdings  als  Heerdengott  vertrauter  ist,  indessen  ist  es  nach 
unserm  Denkmälervorrath  unzulässig,  in  der  ältesten  Kunst 
einen  jugendlichen,  bartlosen  Hermes  vorauszusetzen.  Bei 
Homer  erscheint  zwar  dieser  Gott  schon  als  Jüngling,  allein 
der  Einfluss  Homerischer  Götteranschauungen  auf  die  älteste 


Die  kleinen  Broncefiguren.  385 

Kunst  ist  ausserordentlich  gering.  Wir  möchten  auch  die 
Darstellung  ApoUo's,  der  seit  ältester  Zeit  bartlos  dargestellt 
wird,  nicht  aus  dem  Homer  erklären,  sondern  vielmehr  aus 
der  durch  den  Eindruck  des  in  Apollo  repräsentirten  Natur- 
elements bedingten  Cultidee,  die  sich  im  ältesten  Schnitzbild 
gewiss  nur  in  reiner  bartloser  Gestalt  aussprechen  konnte. 
Denn  denkt  man  sich  die  Sonne  als  persönliches  Wesen,  so 
wird  man  sie  nur,  wie  auch  die  üebereinstimmung  verschie- 
dener Völker  in  diesem  Punkt  zeigt,  in  jugendlicher  Gestalt 
denken  können. 

Apollo  ist  in  dieser  Bronce  als  Schützer  der  Heerden 
dargestellt,  und  es  ist  dies  eine  jener  traulichen,  gemüth- 
lichen  Gruppen,  wie  nur  die  alte,  man  möchte  sagen  patriar- 
chalische Zeit,  sie  erfinden  konnte.  Dass  ein  Gott  das  Thier, 
das  er  schützt  und  hegt,  traulich  auf  die  Schultern  legt,  ganz 
wie  im  Leben  der  Hirt  mit  seinen  Schäfchen  verfährt,  ist  in 
der  That  ein  dem  alten  Styl  specifisch  eigenthümliches  Motiv, 
während  später  das  Verhältniss  des  Gottes  zu  seinem  Thier 
kälter  wird. 

Die  Bronce  ist  von  sehr  alterthümlichem  Styl,  wie  na- 
mentlich die  im  Verhältniss  zu  den  Hüften  sehr  breiten 
Schultern  andeuten.  Denn  nur  die  ältesten  Statuen,  die  noch 
unter  dem  Einfluss  ägyptischer  Tradition  stehen,  haben  die 
übermässig  breiten  Schultern.  Auch  die  etwa»  schiefe  Stel- 
lung der  Augen  ist  ein  sehr  alterthümlicher  Zug.  Die  sonsti- 
gen Eigenschaften,  die  hohe  Brust  und  das  hohle  Kreuz  sind 
allen  alterthümlichen  Figuren  gemein. 

Die  Ausführung  ist  nicht  übermässig  sorgföltig. 

Abg.  im  Berliner  "Winkelmannsprogramm  vom  Jahre  1861. 

1823*-  Desgl.,  sehr  lang  und  mager  mit  zusammen- 
geschlossenen Beinen,  von  denen  das  linke  etwas  vorsteht. 
Die  beiden  Arme,  deren  Hände  verloren  gegangen  sind,  stehen 
rechtwinkelig  und  parallel  vom  Körper  ab  und  hielten  Attri- 
bute, etwa  wie  die  bekannte  Statuette  im  britischen  Museum. 
H.  2%". 

1824.  Silen,  in  die  Ferne  schauend,  aus  Cypern, 
von  dem  Finder,  Prof.  Schoenbom,  1852  eingesandt.  3071. 
H.  3". 

Schon  in  dieser  höchst  alterthümlichen  Bronce  ist  die 
Satyrnatur  charakteristisch  behandelt.  Der  Satyr  ist  in  aller 
Hast  in's  Knie  gestürzt  und  sieht  nun  komisch  verdutzt,  fast 

Friederichs,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  25 


386  Die  kleinen  Broncefiguren. 

wie  zurückgeschreckt  —   denn    der  Oberkörper  ist  zurück- 
geworfen —  nach  seinem  Ziel  aus. 

Der  mit  n.  701  bezeichnete  Candelaber  ist  von  einer 
Silensgestalt  bekrönt,  die  augenscheinlich  mit  der  hier  auf- 
geführten auf  ein  Original  zurückgeht.  Um  so  interessanter 
sind  die  Verschiedenheiten  zwischen  jener  etruscischen  und 
dieser  zwar  in  der  Kindheit  der  griechischen  Kunst,  doch 
aber  mit  lebendigem  und  sicherem  Gefühl  ausgeführten  Figur. 
Der  etruscische  Künstler  hat  das  Motiv  des  Hinausschauens 
ganz  missverstanden  und  in  der  Bewegung  und  in  den  Formen 
übertrieben  und  carrikirt,  wie  es  so  oft  in  der  etruscischen 
Kunst  der  Fall  ist. 

Die  Figur  könnte  übrigens  auch,  wie  jene  etruscische, 
einen  Candelaber  bekrönt  haben,  wenn  es  den  etruscischen 
entsprechende  griechische  Candelaber  gab.  Der  linke  Arm 
fehlt. 

1825.  Knieender  Knabe,  griechischer  Herkunft,  1869 
gekauft.    3754.    H.  l^/g". 

Dies  Figürchen  ist  durchaus  eigenthümlich.  Die  Stellung 
ist  die  eines  Knieenden,  und  dass  die  Figur  nur  knieend  ge- 
sehen und  aufgestellt  werden  sollte,  geht  aufs  Deutlichst« 
aus  dem  Umstand  hervor,  dass  die  beiden  Füsse  vorn  glatt 
abgeschnitten  sind.  Denn  eben  nur  durch  das  Wegschneiden 
der  Zehen  wurde  es  möglich,  dass  die  knieende  Figur  in  ihrer 
Position  fest  stand.  Man  denke  übrigens  nicht,  dass  die  Zehen 
etwa  durch  eine  spätere  Verletzung  abhanden  gekommen,  denn 
die  Schnittfläche  ist  vollkommen  regelmässig  und  zeigt  ausser- 
dem ganz  dieselbe  Patina  wie  das  Uebrige. 

Was  die  Bestimmung  der  Figur  betrifft,  so  denkt  man 
zunächst  wegen  der  strengen  Symmetrie  in  der  Anordnung  des 
Ganzen  —  denn  wie  die  Beine,  so  bilden  auch  die  Arme,  die 
am  Leibe  herabhängen,  parallele  Linien  — ,  dass  die  Figur  zu 
einem  Geräth  gehört  habe,  allein  dies  kann  nicht  gewesen  sein, 
weil  man  nirgends  die  Spur  eines  Zusammenhanges  mit  etwas 
Anderem  bemerkt.  Die  Figur  hat  für  sich  gestanden,  und  wir 
können  zu  ihrer  Erklärung  nur  die  Vermuthung  aufstellen, 
dass,  wie  man  opfernde  und  betende  Figuren  den  Göttern  als 
Weihgeschenke  brachte,  so  auch  knieende  gestiftet  wurden  imd 
dass  diese  Figur  eben  ein  solches  Weihgeschenk  sei.  Denn  das 
Knieen  vor  den  Göttern  war  im  Alterthum  üblich. 

Die  Figur  hat  lange  im  Bücken  und  über  die  Schultern 


Die  kleinen  Broncefigiiren.  337 

herabfallende  Locken,  die  mit  einer  reifartig  vorstehenden 
dicken  Schnur  umwunden  sind.  Die  Ausführung  ist  nicht 
schlecht. 

Dass  das  Knieen  vor  den  Göttern  eine  im  Allerthum  bekannte  Ce- 
remuuie  war,  beweist  allein  das  bekannte  Relief  bei  Müller-Wieseler, 
Denkmäler  d.  A.  K.  II,  n.  794,  wo  Hermes  einen  Supplikanten  zu  As- 
klepios  und  den  Grazien  führt. 

1826.  Jüngling,  sich  im  Speerwurf  übend,  aus 
<ier  Bartholdy 'sehen  Sammlung.    10.   H.  SY^". 

Wenn  wir  die  etwas  schüchterne  und  zurückhaltende  Be- 
wegung des  Jünglings  als  beabsichtigt  und  nicht  etwa  durch 
die  Kunststufe,  der  ein  leidenschaftlicherer  Ausdruck  noch 
nicht  gelingen  wollte,  veranlasst  betrachten  dürfen,  so  ist 
nicht  ein  kriegerischer  Moment,  sondern  eine  Situation  der 
Palästra  dargestellt.  Der  Jüngling  übt  sich  im  Speerwurf 
und  hat  gerade  den  Speer  zum  Zielen  erhoben.  Auch  der 
Mangel  aller  sonstigen  Waffen  empfiehlt  diese  Auffassung. 
Vom  Speer  ist  übrigens  nur  wenig  erhalten. 

Die  Figur  ist  nicht  mehr  so  alterthümlich,  wie  der  Apollo 
mit  dem  Lamm,  doch  ist  an  ihr  eine  Eigenschaft  des  alten 
Styls  ganz  besonders  sichtbar,  nämlich  die  platten,  kantig 
abgeschnittenen  Seitenflächen.  Betrachtet  man  die  Ober- 
schenkel und  Hinterbacken,  so  sind  sie  völlig  gerade,  wie  mit 
dem  Messer  abgeschnitten,  in  ähnlicher  Weise,  wie  man  es 
am  Apoll  von  Thera  (Bd.  I,  n.  2)  beobachten  kann.  Man 
bemerkt  an  alterthümlichen  Figuren  zwar  auch  an  anderen 
Theilen  einen  kantigen  Schnitt,  aber  hier  an  den  Seiten  ist 
es  doch  ganz  besonders  auffallend.  Worin  das  seinen  Grund 
habe,  ist  uns  noch  nicht  klar.  Die  Ausführung  ist  nicht  sehr 
sorgfältig. 

Brann  im  Katalog  der  Glyptothek,  p.  51  scheint  die  scharfkantig-e 
Behandlung  der  alterthümlichen  Statuen  aus  dem  Einfluss  der  dem 
Marmorstyl  vorangehenden  Holzskulptur  zu  erklären,  aber  ich  bezweifele, 
ob  das  zur  Erklärung  der  erwähnten  Thatsache  ausreicht. 

1827.  Kopf  (Stück  von  einer  Statuette),  wie  es  scheint, 
männlich,  mit  allen  Anzeichen  echt  alterthümlichen  Styls: 
schräge  Linie  des  Profils,  vorspringende  Augen,  schmale, 
scharfkantig  geschnittene  Backen,  lächelnder  Mund,  steife 
Perrückenfrisur.  Das  Haar  ist  mit  einem  Band  umwunden. 
Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  1%''. 

25* 


388  ^^®  kleinen  Broucefignren. 

1828.  Büste  einer  Frau,  wie  es  scheint,  Portrait^ 
ein  seltenes  und  interessantes  Stück.  Die  feingekrümmten 
Haare  sind  über  der  Stirn  in  einen  kleinen  Knauf  zusammen- 
gebunden und  fallen  hinten  breit  und  lang  über  den  Rücken, 
während  je  zwei  einzelne  Streifen  über  die  Schultern  auf  die 
Brust  reichen.  Die  Augen  sind  von  Silber  eingesetzt.  Der 
Hals  ist  ganz  und  gar  mit  einem  besonderen  Gewandstück 
verhüllt,  in  der  Art,  wie  ich  es  nur  noch  an  der  bekannten 
Büste  des  britischen  Museums,  die  man  gewöhnlich  auf  Attis 
erklärt,  gesehen  zu  haben  mich  erinnere.  Nähere  Auskunft 
weiss  ich  über  diese  Tracht  nicht  zu  geben.  Das  Gewand 
ist  doppelt  und  nach  einem  beliebten  Motiv  der  alten  Kunst 
so  arrangirt,  dass  sowohl  Ober-  als  Untergewand  in  der 
Verschiedenheit  ihres  Stoffes  oder  ihrer  Falten  zur  Wirkung 
kommen,  die  eine  Schulter  ist  nämlich  nur  vom  Untergewand 
bedeckt,  während  von  der  anderen  das  faltenreiche  Ober- 
gewand ausgeht  und  quer  die  Brust  durchschneidet.  Das 
erstere  ist  ähnlich,  wie  an  so  vielen  Marmorstatuen,  aus 
feiner  Wolle  bestehend  angenommen  und  am  Saum  mit  einem 
Mäander,  an  den  Nähten  der  Aermel  aber  mit  einem  Streifen 
von  Rosetten  verziert.  Und  hier  dürfen  wir  wohl  einmal 
auf  diese  schöne  griechische  Weise  'der  Gewandverzierung, 
die  uns  Vorbild  sein  sollte,  aufmerksam  machen,  nicht  bloss 
den  Saum,  sondern  auch  die  Naht  durch  farbige  Ornamente 
—  denn  dass  diese  Ornamente  farbig  waren,  versteht  sich 
von  selbst  und  Hesse  sich  auch  leicht  durch  andere  Denk- 
mäler beweisen  —  hervorzuheben.  Das  Obergewand  ist  nicht 
ein  einfacher  Mantel,  sondern  ein  anschliessender  Ueberwurf 
mit  geschlitztem  und  wieder  zusammengenesteltem  Aermel, 
unter  welchem  die  Nahtverzierung  des  Untergewandes  zum 
Vorschein  kommt. 

Der  Kopf  ist  besonders  gegossen  und  dann  angelöthet 
An  der  ursprünglichen  Zusammengehörigkeit  beider  ist  nicht 
der  geringste  Zweifel  möglich,  schon  die  Patina  beweist  sie. 
Auch  die  Basis  ist  alt.     H.  15  72"« 

Eine  bis  auf  die  Verhüllung  des  Halses  yollkommen  übereinstim- 
mend drapirte  nnd  auch  im  Siyl  entsprechende  Figur  giebt  Buonarotti^ 
Medaglioni  antichi,  p.  93. 

1828*-  Weibliche  Figur  mit  zusammengeschlossenen 
Füssen  in  einem  nach  alterthümlicher  Weise  angeordneten 
Gewände.   Die  beiden  Vorderarme  fehlen,  sie  waren  Ursprung- 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  339 

lieh  eingesetzt,  man  sieht  noch  die  zu  ihrer  Aufnahme  be- 
stimmten OefFnungen.  Da  die  Figur  oben  auf  dem  Kopfe  ab- 
gefeilt ist,  so  hat  sie  wahrscheinlich  den  Griff  eines  Geräthes 
gebildet,  worauf  auch  das  ganze  Arrangement  derselben  hin- 
weist. Ein  echt  alterthümliches  Werk  ist  übrigens  die  Figur 
nicht.  Aus  der  älteren  kgl.  Sammlung.  B.  c.  a.  aa.  1.  H.  574"- 

b.  Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

Es  bedarf  einer  Vorbemerkung,  nach  welchen  Grund- 
sätzen wir  die  Broncen  dieser  Abtheilung  zusammengestellt 
haben.  Nicht  das  ist  unsere  Meinung,  dass  sie  in  griechi- 
scher Zeit  verfertigt  seien,  sondern  dass  sie  theils  bekannte 
griechische  Kunstwerke  wiedergeben,  theils  einen  unverkenn- 
baren und  specifisch  griechischen  Charakter  tragen.  Sie 
mögen  erst  in  römischer  Zeit  verfertigt  sein  —  darüber  würde 
nur  eine  in  grossem  Maasstabe  ausgeführte  chemische  Unter- 
suchung Auföchluss  geben  können  —  sie  bleiben  darum  aber 
ihrem  ganzen  Charakter  nach  griechisch.  _^ 

1829.  Apollo  bekränzt,  mit  übergeschlagenen  Beinen 
dastehend,  die  Linke  in  die  Hüfte  stemmend,  die  Rechte  auf 
eine  jugendliche  bekleidete  Herme  stützend.  In  der  rechten 
Hand  hat  er  wahrscheinlich  ein  Attribut,  etwa  den  Bogen, 
gehalten.  Der  Gott  ist  nackt,  die  zusammengerollte  Chlamys 
hängt  vom  linken  Arm  und  der  andere  Zipfel  von  der  Herme 
herunter.  Ein  dem  ApoUino  verwandter  Typus.  Aus  der 
älteren  Sammlung.   B.  a.  VH.  a.  1.    H.  2^/4". 

1830.  Ganz  ähnliche  Figur,  nur  ist  der  Körper 
nach  der  entgegengesetzten  Seite  ausgebogen.  Auch  fehlt  die 
Herme,  indess  ist  jedenfalls  der  linke  Arm  aufgestützt  zu 
denken.  Auch  die  Chlamys  fehlt.  Aus  der  älteren  Samm- 
lung.   B.  a.  Vn.  a.  2.   H.  3". 

1831.  Apollo  (?)  wenigstens  ist  Gesicht  und  Haar  das 
des  Apollo,  während  die  Formen  des  Körpers  zu  robust  zu 
sein  scheinen,  was  aber  auch  gewissen  Apollotypen  eigen  ist. 
Der  ausgestreckte  rechte  Arm  muss  sich  irgendwo  aufgestützt 
haben,  dann  hat  er  etwas  in  der  Hand  gehalten,  etwa  ein 
Piektrum,  sodass  es  ein  vom  Saitenspiel  ausruhender  Apollo 
wäre.     Der  linke  Arm  ist  verloren,  ebenso  die  Beine  vom 


390  ^^^  griechischen  Bronccn  entwickehen  Styls. 

Knie  abwärts.     Sehr  schön,  nur  sind  die  Ohren  nicht  aus- 
geführt.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  9.   H.  d^jj'. 

1832.  Kopf  der  Minerva  in  Relief,  von  einem  Ge- 
räthe,  sehr  schön,  so  dass  er  griechisch  sein  kann.  Nur  sind 
die  Backenklappen  des  Helmes  sehr  klein  ausgefallen.  Aus 
der  Sammlung  Koller.   H.  2^/2". 

1832*  Medus^nkopf  etwas  seitwärts  gewandt,  mit 
Flügeln  und  Schlangen.  Dieser  Kopf  hat  ganz  griechischen 
Charakter  und  ist  in  der  That  den  Medusenköpfen  an  dem 
oben  aufgeführten  Helm  von  Milo  sehr  ähnlich.  Er  könnte 
auch  als  Helmverzierung  gedient  haben.     H.  l^ji^'» 

1833.  Merkur,  ganz  nackt,  auf  einem  Felsen  sitzend 
in  ähnlicher  Stellung  wie  die  berühmte  Herculanische  Bronce, 
nur  dass  der  Oberkörper  mehr  zurückgelehnt  ist  Die  linke 
Hand  stützt  sich  auf  den  Felsen,  in  der  Rechten,  die  auf 
dem  Knie  ruht,  hält  er  den  Beutel.  Der  linke  Fuss  ist  aus- 
gestreckt, der  rechte  zurückgezogen,  beide  haben  Flägelsohlen» 
B.  a.  IX.  a.  1.     Aus  dem  Besitz  Bellori's.     H.  4^/2". 

Abg.  Beger  111,  p.  236. 

1833*-  Schöne  Büste  des  Merkur,  der  Petasus  war 
beflügelt,  aber  der  eine  Flügel  ist  aus-  der  andere  fast  ganz 
abgebrochen.  Oben  aus  dem  Petasus  springt  ein  Schwanen- 
kopf  hervor,  der  sich  so  anbiegt,  dass  ein  Oehr  entsteht 
Die  Brust  wird  begränzt  durch  zwei  Akanthusranken,  aus 
denen  rechts  und  links  an  jeder  Schulter  ein  Füllhorn  heraus- 
tritt, ein  Motiv,  das  in  Broncen  und  namentlich  in  Gemmen 
nicht  selten  ist  und  oft  nur  formelle  Bedeutung  hat,  hier 
aber  doch  auch  materiell  an  seinem  Platze  ist,  da  das  Füll- 
horn zu  den  zwar,  selteneren  aber  doch  selbstverständlichen. 
Attributen  des  Merkur  gehört  Hinten  bemerkt  man  je  zwei 
Oesen,  mit  welchen  die  Büste  an  einem  Geräth  befestigt  war. 
In  die  durch  den  Schwanenkopf  gebildete  Oeffnung  kann  ein 
Henkel  eingegriffen  haben.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  a^ 
IK.  ß,  1.    H.  7V2". 

Abg.  bei  Beger  3,  p.  234. 

1834.  Maske  des  Dionysos  von  sehr  edlem  Ausdrucke 
Die  Augen  sind  von  Silber  eingesetzt  und  die  Augensterne  aus- 
gehöhlt. Er  ist  mit  Weinlaub  bekränzt  und  symmetrisch  hängen 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  391 

links  und  rechts  zwei  Trauben  gleich  Ohrgeschmeiden  an  den 
Ohren  herab.  Diente  als  Verzierung  eines  Geräthes.  Aus  der 
älteren  Sammlung.  H.  2". 

1835.  Ausschauender  Satyr,  1837  aus  dem  Nachlass 
des  Hofrath  Beker  in  Offenbach  gekauft     H.  6". 

Schon  im  ersten  Bande  unter  n.  658  ist  der  Typus  näher 
besprochen,  den  wir  in  dieser  Bronce  vor  uns  haben.  Unsere 
Statuette  repräsentirt  ihn  aber  besser,  als  die  dort  beschrie- 
bene Statue,  denn  hier  sehen  wir  nicht  eine  jener  weichen,  dem 
Dionysos  ähnlichen  Satyrgestalten  vor  uns,  sondern  einen 
straffen  und  strammen  Körper,  wie  er  den  schnellen  und  be- 
henden Satyrn  eigen  ist.  Dass  aber  gerade  für  einen  solchen 
Satyr  die  gewählte  Situation  —  das  neugierige  und  lüsterne 
Hinausspähen  —  doppelt  charakteristisch  ist,  bedarf  keiner 
weiteren  Bemerkung. 

Die  Figur  ist  vortrefflich  ausgeführt  und  wie  es  scheint  die 
beste  Copie  eines  berühmten  Originals,  das  nach  den  im  ersten 
Bande  gegebenen  Erörterungen  der  alexandrinischen  Periode 
zuzuweisen  sein  wird. 

An  der  linken  Hand,  die  er  über  die  Augen  hält,  fehlt 
der  kleine  Finger,  in  der  gesenkten  rechten  hält  er  eine  Syrinx. 

1836.  Schöner  Silenskopf  mit  Hörnern,  in  Hautrelief, 
mit  Weinlaub  bekränzt.  Der  Kopf  gehörte  zu  einer  grösseren 
Composition,  die  dekorativ  irgendwo  angebracht  war.  Der 
obere  Rand  des  Fragmentes  wird  durch  eine  vorspringende 
Büste  gebildet,  unter  welcher  ein  Perlenstab  hinläuft,  was  auf 
eine  Friesverzierung  oder  Aehnliches  schliessen  lässt.  Aus 
dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel.   1844.   2738.  H.  4". 

1837.  Satyr  mit  der  Traube,  aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy.    C.  31.    H.  IV4". 

Ein  Satyrknabe  hält'  jubelnd  eine  grosse  Traube  in  die 
Höhe,  um  sie  allen  Leuten  zu  zeigen.  Sehr  hübsches  und 
naives  Figürchen.  Die  Füsse  fehlen.  In  der  Linken  hält  er  den 
Hirtenstab. 

1838.  Lachende  Maske  eines  jugendlichen,  mit  Epheu 
bekränzten  Satyrs  von  grosser  Lebendigkeit  und  Schönheit. 
Geräth Verzierung.   H.  IW'« 

1839.  Schöne  bacchische  Maske,  in  der  Art  tra- 
gischer Masken  gehalten,  mit  einem  reichen  Kranz  von  Epheu- 


392  J^ie  griechischen  Broncea  entwickelten  Styls. 

blättern   und   Epheublüthen    geschmückt.     Geräthverzierung. 
H.  3''. 

1840.  Sehr  schöne,  aber  schwer  zu  erklärende 
Maske  eines  bärtigen,  mit  einer  runden  Mütze  bedeckten 
Kopfes.  Der  feingekämmte  Bart  ist  so  geschnitten,  dass  die 
Form  des  Kinnes  deutlich  hervortritt  und  von  den  Ohren 
nach  der  Nase  sind,  wie  es  scheint,  Tücher  ausgespannt,  die 
aber  eben  so  fein  gestreift  sind,  wie  der  Bart  den  sie  be- 
decken. Da  man  nun  auch  die  Befestigung  dieser  Tücher 
nicht  begreift,  so  kommt  man  auf  den  Gedanken,  dass  die 
Tücher  nur  Theile  des  Bartes  seien,  der  an  diesen  Stellen 
höher  stehen  gelassen  und  dass  die  Pointe  des  Ganzen  eben 
in  diesem  künstlich  symmetrischen  Bartschnitt   liege.     Wir 

müssen  die  Sache  unentschieden  lassen.     H.  2", 

» 

1841.  Venus,  sich  die  Sandale  lösend.     H.  3^4 ". 
Schon   im   ersten    Bande   n.    598 — 600   ist    der  Typus 

dieser  Venus  näher  erörtert.  Wir  fügen  noch  hinzu,  dass 
das  schönst^  Exemplar  desselben  sich  seit  Kurzem  im  briti- 
schen Museum  befindet.  Das  britische  Exemplar  ist  eine 
Statuette  von  etwa  anderthalb  Fuss  Höhe  und  von  durchaus 
griechischem  Charakter. 

Vom  rechten  Arm,  der  an  der  Sandale  beschäftigt  war, 
ist  nur  wenig  erhalten. 

1842.  Venus,  ihr  Haar  trocknend.     H.  5^/4". 
Der  Typus,  den  diese  Venus  wiedergiebt,  ist  in  Gemmen 

und  Broncen  nicht  selten.  Es  ist  die  dem  Meer  entstiegene 
Göttin,  die  mit  beiden  Händen  ihr  Haar  fasst,  um  die  Tropfen 
herauszudrücken.  So  hatte  Apelles  seine  berühmte  Venus 
Anadyomene  gemalt  und  sehr  wahrscheinlich  ist  das  Motiv 
derselben  in  dieser  Bronce  erhalten.  Die  Formen  der  Figur 
sind  übrigens  nicht  sehr  schön.  Der  rechte  Fuss  ist  un- 
förmlich ergänzt 

1842*-  Venus  mit  dem  Apfel,  aus  der  Sammlung 
Koller.    H.  68/4". 

Die  Göttin,  mit  Stirnkrone,  Krobylos  und  lang  auf  die 
Schultern  fallenden  Locken  geschmückt,  hält  in  der  vor- 
gestreckten Linken  den  Apfel,  während  sie  mit  der  Rechten 
wahrscheinlich  die  Scham  bedeckte.  Darauf  lässt  wenigstens 
die  Haltung  des  halb  erhaltenen  rechten  Armes  schliessen. 


Die  griechischen  Broncen  eDtwickeiten  Styls.  395 

Offenbar  ist  Venus  in  dieser  Bronce  vor  Paris  stehend  zu 
denken,  wie  sie  eben  den  Apfel  erhalten  hat.  Die  Figur 
macht  durchaus  den  Eindruck  griechischen  Ursprunges. 

1842**-  Venus  mit  bittender  Geberde,  aus  der 
Sammlung  Bartholdy.    C.  14.    H.  68/4". 

Die  Göttin  bedeckt  mit  der  Linken  den  Schooss,  wäh- 
rend sie  die  Rechte  mit  bittender,  um  Schonung  bittender 
Geberde  ausstreckt.  Schönes  Motiv,  wenn  auch  die  Ausr 
führung  zu  wünschen  übrig  lässt.  An  der  rechten  Hand  sind 
einige  Finger  verstümmelt. 

1842*^-  Derselbe  Typus,  aber  in  bedeutend  schönerer 
Ausführung.  Der  rechte  Arm  fehlt.  Auf  dem  Verkauf  der 
Sammlung  Pourtales  1865  angekauft.     H.  7". 

1843.  Venus  mit  der  Sandale,  aus  der  älteren  Samm- 
lung.  B.  a   V.  a.  2.    H.  51/4". 

Es  sind  mehrere  kleine  Broncefiguren  griechischer  Her- 
kunft erhalten,  welche  eine  nackte  Venus  mit  drohend  er- 
hobener Sandale  in  der  Rechten  darstellen.  Denn  so  ist  in 
der  That  das  Motiv  der  Figur  aufzufassen,  die  Art,  wie  sie 
die  Sandale  hält,  lässt  zusammen  mit  dem  seitwärts  gerichte- 
ten Blick  keine  andere  Erklärung  zu.  Wir  glauben,  dass 
Scenen  wie  Lucian  sie  schildert,  wo  Venus  ihrem  bösen 
Böhnchen  Amor  die  derben  mit  der  Sandale  ertheilten  Lec- 
tionen  in's  Gedächtniss  ruft,  unsere  Figur  vollkommen  er- 
klären. Die  Sandale  hatte  im  Alterthum  eine  ganz  ähnliche 
Bedeutung,  wie  bei  uns  der  Pantoffel. 

Es  bedarf  keiner  weiteren  Bemerkung,  dass  das  Origi- 
nal dieser  Figuren  einer  Zeit  angehört,  als  man  bereits  mit 
den  Göttergestalten  spielte  und  tändelte.  Gewiss  ist  es  nur 
in  kleinen  Dimensionen  ancipirt,  ja  vielleicht  haben  eben 
diese  Broncen  die  Originalgrösse  bewahrt.  Es  kommt  übri- 
gens ein  ganz  übereinstimmender  Typus  auch  aus  griechischen 
Fundorten  vor,  wo  Venus  statt  der  Sandale  einen  zusammen- 
gelegten Strick  oder  etwas  dem  Aehnliches  in  der  Hand  hält. 

Wir  bezweifeln  übrigens  wegen  der  Patina  die  Echtheit 
dieses  Exemplares. 

Mehrere  dieser  Figuren  sind  abgebildet,  eine  aus  Cypern  in  Stackel- 
berg's  Gräbern  der  Hell.  Taf.  71,  eine  andere  aus  Damaskus  ist  von 
Merklin  in  dem  Aphrodite -Nemesis  betitelten  Dorpater  Programm 
vom  Jahre  1851  besonders  herausgegeben  und  höchst  unglßcklich  er- 


394  I^i®  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

klärt.  Die  Sandale  soll  den  Fnss  als  Maass  bedeuten  und  dies  Maas» 
wird  dann  ethisch  genommen,  so  dass  hier  Aphrodite  als  Wächterin 
des  Maasshaltens  dargestellt  sei.  Die  einfache  Erwägung,  dass  ein  so- 
ernster  Gedanke  auch  in  ernsteren  Formen  dargestellt  sein  würde, 
machte  Merklin  nicht,  für  den  überhaupt  die  Sprache  der  Kunst  un- 
verständlich war. 

1844.  Amor  mit  Doppelflöte,  aus  der  Sammlung^ 
Bellori's.   B.  a.  XIX.  a.  1.   H.  10". 

Schwerlich  wird  diese  schöne  Bronce  anders  restaurirt 
werden  können,  als  so  wie  es  die  Ueberschrift  angiebt.  Auf 
Flötenspiel  deutet  die  Haltung  der  Hände,  die  mit  Ausnahme 
einiger  Finger  unversehrt  sind,  und  die  Haltung  des  rechten 
Beins  beweist  deutlich,  dass  Amor  zu  seinem  Spiel  auch 
tanzt.     Aehnliche  Motive  finden  sich  auf  Gemmen. 

Diese  Bronce  gehört  zu  den  schönsten  Stücken  der 
Sammlung^  die  Kinderformen  sind  mit  grösster  Wahrheit 
wiedergegeben. 

Ergänzt  ist  fast  der  ganze  linke  Flügel. 

Abg.  aber  falsch  bei  Beger  III,  273. 

1845.  Selene,  aus  Bellori's  Sammlung,  B.  a.  VIIL  a.4- 
H.  4". 

Die  Göttin  schwebt,  getragen  von  ihrem  Mantel,  leise 
mit  gesenkten  Fackeln  zu  Endymion  herab.  Dies  ist  das 
Motiv  der  Figur,  das  sich  in  der  Stellung  des  rechten  Fusses, 
der  eben  den  Boden  berührt,  in  dem  geblähten  Mantel  mit 
den  aufwärts  gerichteten  Zipfeln  und  in  den  Falten  desUeber- 
schlages  am  Untergewand  deutlich  ausspricht.  In  dem  leise 
gesenkten  Kopf  glauben  wir  den  Ausdruck  der  Schüchtern- 
heit zu  erkennen,  mit  dem  Selene  ihrem  Geliebten  naht.  Auch 
in  der  Art,  wie  sie  den  Fuss  ausstreckt,  um  leise  aufzutreteo,, 
erkennt  man  die  Absicht  des  Künstlers,  die  Göttin  als  schüchtern 
herantretend  zu  schildern. 

Dieser  Typus  ist  in  Marmorstatuen  verschiedener  Grösse, 
unter  denen  die  kolossale  Figur  im  Capitol,  vielleicht  die  am 
vollständigsten  erhaltene  sein  dürfte,  sodann  auch  auf  Sarko- 
phagen mit  der  Darstellung  des  Endymion  mehr  oder  weniger 
frei  copirt.  Wir  glauben  aber,  dass  der  Charakter  des 
Originals  am  reinsten  und  schönsten  aus  dieser  kleinen  Bronce 
zu  erkennen  sei,  und  legen  die  Differenzen,  die  sich  an  ein- 
zelnen Marmorstatuen  finden,  den  Copisten  zur  Last.  Offenbar 
gehört  dahin  die  mit  dem  Gewände  vorgenommene  Aenderung, 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  395 

das  in  einigen  Fällen  anf  der  Schulter  der  Göttin  aufliegt, 
wodurch  der  ganze  Keiz  der  von  ihrem  Gewände  leicht  ge- 
tragenen Göttin  verschwindet.  Dahin  gehört  auch  die  Ab- 
änderung, dass  sie  nur  eine  Fackel  hat,  während  sie  mit 
der  anderen  Hand  den  ausgespannten  Mantel  hält.  Durch 
die  beiden  symmetrisch  gesenkten  Fackeln  erscheint  die  ganze 
Figur  weit  einfacher  und  der  Ausdruck  des  Schüchternen  und 
Leisen  wird  eindringlicher  und  dominirender.  Denn  eben 
darum  senkt  sie  doch  die  Fackeln,  damit  ihr  Glanz  den  ge- 
liebten Schläfer  nicht  störe. 

Wir  dürfen  nach  unserer  geringen  Kenntniss  der  grie- 
chischen Kunstgeschichte  uns  nicht  anmaassen,  die  Zeit  des 
Originals  genau  bestimmen  zu  wollen,  nur  das  wird  wohl  mit 
Sicherheit  behauptet  werden  können,  dass  es  nicht  über  das 
vierte  Jahrhundert  hinausgeht.  Und  ebenso  dies,  dass  das 
Original  von  Bronce  war. 

Der  Mantel  der  Figur  ist  mit  silbernen  Sternen  Über- 
säet, eine  bei  Selene  leicht  verständliche  Verzierung.  Die 
Fackeln  sind  bis  auf  den  Griff  verloren  gegangen.  Ausserdem 
fehlt  der  rechte  Fuss. 

Diese  Figur  muss  als  die  Perle  der  Sammlung  bezeichnet 
werden,  die  Ausführung  ist  von  der  höchsten  Feinheit  und 
Präcision. 

Abg.  Beger  III,  228. 

1846.  Aesculap,  aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  a.  XVIL 
a.  1.    H.  5". 

Aesculap  ist  in  dieser  Bronce  zwar  in  der  gewöhnlichen 
Tracht  vorgestellt,  aber  doch  mit  einem  Ausdruck,  der  in 
den  Darstellungen  dieses  Gottes  selten  ist  und  unserer  Figur 
einen  ganz  besonderen  Werth  giebt.  Gewöhnlich  nämlich 
steht  der  Gott  da,  ruhig  in's  Weite  schauend,  hier  aber  ist 
sein  Haupt  gesenkt  und  man  hat  den  Eindruck,  als  ob  er 
theilnehmend  und  voll  Mitleid  zu  denen  herabschaue,  die  sich 
ihm  nahen.  Wir  zweifeln  nicht,  dass  diese  für  den  Gott  der 
Heilkunde  so  treffende  Auffassung  älter  ist,  als  die  gewöhn- 
liche, die  ihr  gegenüber  etwas  Kaltes  und  Oberflächliches 
hat.  Auch  in  der  grossen  Sculptur  giebt  es  eine  Statue 
älterer  Zeit,  in  welcher  dieselbe  Auffassung  durchgeführt  ist, 
es  ist  das  die  schöne  Statue  in  Florenz,  die  jedenfalls  einen 
Typus  der  besten  Zeit  noch  aus  dem  Ende  des  fünften  Jahr- 
hunderts repräsentirt. 


396  ^^^  griechischen  Broncen  entwickeUen  Styls. 

Abg.    bei    Beger  III,  277    und    in    Müller -Wieseler's   Denkmälern 
ir,  772. 

1846*-  Desgl.,  fast  ganz  übereinstimmend,  nur  dass 
Basis  und  Schlan^enstab  fehlen.  Dagegen  hat  die  Figur  einen 
Modius  auf  dem  Kopf,  den  wir  bei  Aesculap  nicht  verstehen. 
Ob  die  Figur  acht  ist?  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  a.XVII. 
a.  2.   H.  38/4". 

1846^-  Aesculap  in  der  gewöhnlichen  Tracht  mit  ent- 
blösstem  Oberkörper,  sitzend,  neben  ihm  der  von  der  Schlange 
umwickelte  Baumstamm,  auf  den  er  vielleicht  die  linke  Hand 
legte,  die  vorn  etwas  verstümmelt  ist.  In  der  rechten  Hand, 
welche  fehlt,  hielt  er  wahrscheinlich  eine  Schale  ausgestreckt. 
Er  hat  die  Beine  auf  eine  Fussbank  gestellt.  Sein  Kranz 
scheint  ein  Fichtenkranz  zu  sein.  Die  Figur  diente,  wie  aus 
Betrachtung  der  Rückseite  hervorgeht,  zu  einer  Verzierung, 
hat  übrigens  griechischen  Charakter  und  in  der  That  einige 
Aehnlichkeit  mit  der  berühmten  Statue  von  Epidauros,  die 
uns  in  einem  Münztypus  erhalten  ist.  Aus  der  Sammlung 
Koller.   H.  3". 

1847.  Narzissus,  zuerst  in  der  Sammlung  des  Römers 
Fulvio  Orsini,  dann  in  der  des  Gherardo  di  Rossi.  Durch 
Bartholdy  1823  für  das  Museum  angekauft.   H.  15". 

Es  ist  unmöglich,  in  diesem  zarten  langlockigen  Jüng- 
ling, der  schwärmerisch  wie  mit  ganzer  Seele  versunken 
niederblickt,  den  Narziss  zu  verkennen,  der  sein  eigenes  Bild 
in  der  Quelle  betrachtet.  Es  ist  nach  unserer  Ansicht  die 
schönste  Darstellung  des  Narzissus,  und  die  hohe  Grazie  der 
Composition  lässt  auf  ein  Original  von  erheblichem  Kunst- 
werth  schliessen.  Eine  genau  —  auch  in  der  Grösse,  wie 
es  scheint  —  übereinstimmende  Bronce  befindet  sich  in 
Florenz. 

Der  Kranz,  den  der  Jüngling  trägt,  ist  wahrscheinlich 
ein  Narzissenkranz.  Wir  schliessen  dies  allerdings  nur  dar- 
aus, dass  er  in  mehreren  ganz  verschiedenartigen  und  von 
einander  unabhängigen  Denkmälern  eben  denselben  Kranz  trägt 

Die  Beziehung  auf  Narzissus  wird  noch  treffender,  wenn 
wir  ihm  nach  Analogie  so  vieler  Pompejanischer  Figuren  seine 
ursprüngliche  Stelle  am  Bassin  eines  Hauses  anweisen  dürfen, 
so  dass  er  sich  im  Wasser  betrachtet. 


Die  griechischen  BroDcen  entwickelten  Styls.  397 

Die  Beine  waren  über  dem  Knie  gebrochen  und  scheinen 
bei  der  Ausbesserung  etwas  zu  lang  gerathen  zu  sein. 

Die  richtige  Erklärung  dieser  Figur  hat  Wieseler  in  seiner  Abhand- 
lung über  Naizissus  p.  2fS  ff.  gegeben,  wo  auch  zugleich  die  der  unserigen 
völlig  entsprechende  florentinische  Statuette  abgebildet  ist.  Dass  freilich 
die  Statue  im  Louvre,  die  man  gewöhnlich  als  Todesgenius  bezeichnet, 
mit  dieser  Statuette  zusammengestellt  wird,  scheint  mir  durchaus  irrige 
denn  das  für  Narziss  wesentliche  und  nothwendige  Niederblicken  fehlt 
ihr  ja,  ich  kann  aber  bei  einem  sichtlich  mit  Sorgfalt  und  voller  Ueber- 
It'gnng  ausgeführten  "Werk  über  einen  so  bedeutenden  Umstand  nicht 
so  leicht  hinweggehen,  wie  Wieseler  p.  32. 

1848.  Bä.rtiger  Herkules,  stehend,  von  seinen  Mühen 
ausruhend  mit  gesenktem  Kopf.  Der  rechte  Arm  ist  in  die 
Seite  gestemmt,  in  der  Linken  hält  er  die  Keule,  deren  oberes^ 
Stück  abgebrochen  ist.  Das  Löwenfell,  welches  linke  Schulter 
und  Arm  bedeckt,  ist  an  den  Spitzen  nicht  ganz  vollständig 
erhalten.  Sehr  schön.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  a.  XVL 
a.  3.   H.  4''. 

Abg.  Beger  III,  p.  278. 

1848*-  üebereinstimmende  Figur.  Die  Löwenhaut 
ist  etwas  verstümmelt.     Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  4V8"* 

1848^-  Copie  des  farnesischen  Herkules,  die  in 
Taormina  gefunden  sein  soll.  1869  angekauft.  H.  IIV2"' 
3592. 

1849.  Herkules  mit  der  Schlange,  aus  dem  Besitz- 
Bellori's.   B.  a.  XVL  a.  1.   H.  41/2". 

Wir  können  diesen  Knaben  nicht  anders  als  Herkules 
benennen,  obgleich  er  es  nur  mit  einer  Schlange  zu  thun 
hat.  Aber  die  Art,  wie  er  mit  der  Schlange  umgeht  —  die 
Rechte  verhindert,  dass  das  Thier  ihn  umringelt,  während 
die  Linke  den  Hals  desselben  gerade  unter  dem  Kopfe  zu- 
sammendrückt —  und  die  Naivität  und  Furchtlosigkeit,  mit 
welcher  er  das  ohnmächtige  Züngeln  der  Bestie  beobachtet, 
endlich  die  kräftigen  ja  derben  Formen  des  Knaben  lassen 
wohl  keine  andere  Erklärung  zu.  Sehr  naiv  ist  die  An- 
strengung in  den  Beinen  dargestellt.  Wir  wissen  übrigens 
keinen  Grund  dafür  anzugeben,   warum    eine  Schlange  fehlt. 

Die  Basis  der  Figur  ist  vollständig  erhalten  und  er-^ 
innert    an    so    manche  Pompejanischen   Basen.     Es   ist   die 


398  I^ic  griechisclieu  Brouceu  entwickelten  Styls. 

attische  Form,    deren    oberer   und   unterer  Wulst  als  Blatt- 
kränze charakterisirt  sind. 
Die  Figur  war  vergoldet. 

Abg.  bei  Beger  III,  283. 

1850.  Heros,  unbärtig,  ganz  nackt,  mit  einem  Kranz, 
dessen  Bänder  auf  die  Schultern  herabhängen.  Er  schreitet 
stark  aus  und  hat  das  rechte  Bein  hoch  erhoben,  so  dass  er, 
womit  auch  der  nach  oben  gerichtete  Blick  stimmt,  wie  auf 
eine  Anhöhe  hinaufsteigend  gedacht  ist.  Der  Oberkörper 
ist  vorgeneigt,  der  rechte  Arm  fehlt  vom  Ellenbogen  an,  der 
linke,  dessen  Ellenbogen  scharf  zurückgebogen,  ist  ohne 
Hand.  Das  Gesicht  hat  etwas  Aehnlichkeit  mit  der  Herkules- 
physiognomie. Man  hat  an  Kapaneus,  Thebens  Mauer  er- 
stürmend, gedacht,  was  sehr  wahrscheinlich  ist.  In  der  rechten 
Hand  muss  er,  wie  man  sieht,  das  Schwert,  in  der  linken 
den  Schild  gehalten  haben.  Angekauft  1837  vom  Hofrath 
Becker  in  Homburg.    H.  2'/8". 

1851.  Büste  eines  jugendlichen  Heros.  Er  hat 
einen  Helm  auf  dem  Kopf,  und  ein  Schwertriemen  durch- 
schneidet quer  die  Brust.  Das  Gesicht  hat  einen  wehmüthigen 
Zug  und  die  leichte  Wendung  des  Kopfes  verstärkt  noch 
diesen  Eindruck.  Man  denkt  an  Mars  oder  Achill,  sieht  man 
sich  aber  nach  Analogien  unter  den  erhaltenen  Denkmälern 
um,  so  stehen  entschieden  die  idealisirten  Alexanderköpfe  am 
nächsten,  die  in  der  Wendung  und  im  wehmüthigen  Ausdruck 
des  Kopfes  vollkommen  tibereinstimmen.  Der  Helmbusch  ist 
abgebrochen.     Reiche  Spuren  von  Vergoldung.   H.  4:^1  g*'. 

1851*-  Nackter  Jüngling,  die  Brust  vom  Schwert- 
riemen durchschnitten,  mit  einem  Helm  auf  dem  Kopf.  Die 
beiden  Arme  fehlen  vom  Ellenbogen  an.  Der  Jüngling 
schreitet  mit  starkem  Schritt  davon,  während  sein  Kopf  sich 
stolz  umdreht.  Beide  Füsse  restaurirt.  Es  ist  gewiss  etwas 
Heroisches.  Das  Motiv  ist  sehr  schön  und  der  ganze  Charakter 
der  Figur  griechisch.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  G.  53. 
H.  6V2''. 

1852.  Athletischer  Jüngling,  sich  salbend  (?).  An- 
gekauft 1846  aus  dem  Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt. 
2834.    H.  5''. 


Die  griechischen  Broucen  entwickelten  Styls.  399 

An  dieser  schönen  Bronce  sind  Hände  und  Füsse  un- 
glücklicherweise nicht  erhalten,  sodass  über  das  Motiv  der 
Figur  einige  Unsicherheit  zurückbleibt.  Doch!  nähern  sich 
die  Arme  unleugbar  zu  einer  gemeinsamen  Action  gegen  ein- 
ander, sodass  der  Kreis  der  Möglichkeiten  nicht  sehr  weit 
ist.  Man  könnte  an  einen  einschenkenden  Jüngling  denken, 
wenn  nicht  die  Formen  vielmehr  auf  ein  Motiv  der  Palästra 
führten.  Wir  haben  daher  angenommen,  dass  die  Figur  in 
der  Rechten  ein  Oelkännchen  hielt  und  damit  in  die  Linke 
goss,  ein  Motiv,  das  sich  auch  an  Statuen  findet. 

Die  Formen  sind  sehr  kräftig  und  von  der  Art,  wie 
man  sie  an  den  gewöhnlich  als  polykletisch  bezeichneten 
Figuren  findet.  Nur  ist  der  Kopf  kleiner  und  weniger  alter- 
thümlich  als  an  den  letzteren.  Jedenfalls  macht  die  Figur 
sowohl  nach  ihren  Formen  als  nach  dem  Motiv  einen  durch- 
aus griechischen  Eindruck. 

Jupiter. 

Unter  den  Jupiterstatuetten  ist  in  allen  Museen,  wenn 
wir  nicht  irren,  am  häufigsten  der  Typus  des  Jupiter  Conser- 
vator  vertreten.  Wir  kennen  diesen  Typus  aus  römischen 
Kaisermünzen,  besonders  aus  denen  des  Doraitian,  der  dem 
Jupiter  Conservator  ein  Heiligthum  gestiftet  hatte.  Jupiter 
führt  diesen  Beinamen  als  Bewahrer  und  Schützer  in  öffent- 
lichen und  privaten  Angelegenheiten^)  und  es  ist  begreiflich, 
dass  wir  gerade  diesen  Typus  so  oft  unter  den  kleinen  Broncen 
finden,  deren  viele  gewiss  für  den  häuslichen  Cult  gedient 
haben. 

Zu  bemerken  ist  übrigens,  dass  die  Münztypen  nicht 
ganz  genau  übereinstimmen.  Auf  den  Münzen  Domitians  ist 
die  Chlamys  um  die  Hüfte  der  Figur  gelegt,  während  sie  auf 
der  Münze  bei  Buonarotti  medagl.  tav.  25  vom  linken  Arm 
herabhängt  ohne  den  Körper  zu  berühren.  Der  letzteren 
Weise  entsprechen  meist  die  kleinen  Broncen.  Im  Uebrigen 
aber  bleibt  der  Typus  derselbe,  die  Linke  hält  hoch  auf- 
gestützt das  Scepter,  die  Rechte  etwas  erhoben  den  Donner- 
keil und  die  Stellung-  des  Körpers  ist  etwas  ausgebogen. 

1853.  Jupiter,  stehend,  in  der  Rechten  die  Schale,  in 
der  Linken  ein  Vogelscepter  haltend.   Die  Attribute  und  zum 

*)  Vgl.  PreUer  Rom.  xMytliol.  p.  185. 


400  I^Jc  griechischen  BroDcen  entwickelten  Styls. 

Theil  die  Arme  sind  restaurirt,  aber  wohl  richtig.   Am  Kopf 
ist   auch   restaurirt,  ja   vielleicht  ist   der   ganze  Kopf  neu. 
Gargiulo  zweifelte  an  der  Aechtheit  der  Figur,  doch  hat  sie 
mehrere    Stellen   mit   ächtester   Patina.     Aus  der  Sammlung 
Koller.    H.  11". 

1854.   Aehnliche   Figur.     Ergänzt  sind  beide  Beine 
von  den  Knien  abwärts  und  die  linke  Hand  mit  dem  Scepter. 
'AKS.  B.  a.  I,  1.   H.  IOV2". 

Ih55.  Aehnliche  Figur,  nur  hält  sie  in  der  Rechten 
statt  der  Schale  den  (fragmentirten)  Donnerkeil  und  die  Linke, 
durch  welche  das  nicht  mehr  erhaltene  Scepter  lief,  ist  nicht 
gehoben,  sondern  gesenkt.  Der  Kopf,  der  nach  unten  geneigt 
ist,  trägt  einen  Lorbeerkranz  mit  einer  Blüthe  gerade  über 
der  Stirn.  Haar  und  Bart  ist  etwas  streng  angeordnet.  Das 
linke  Bein  vom  Knie  abwärts  ist  restaurirt  und  unter  dem 
linken  Arm  ist  ein  Stück  eingesetzt.  Gefunden  in  Xanten, 
1830  erworben.   H.  11". 

1856.  Aehnliche  Figur,  nur  dass  der  Kopf  nicht  ge- 
senkt ist.  Der  Donnerkeil  in  der  Rechten  ist  nur  zur  Hälfte 
erhalten,  auch  der  linke  Unterarm,  der  das  Scepter  hielt,- 
fehlt.  Yom  linken  Arm  hängt  die  Chlamys  herab.  Die  Füsse 
fehlen.  Der  Kopf  ist  bekränzt.  Gefunden  zu  Stadtlohn  im 
Kreis  Ahaus  in  Westphalen.     Angekauft  1861.     H.  b^j^'*. 

1857.  Derselbe  Typus,  nur  liegt  die  Chlamys  am 
Körper  an.  Die  Hälfte  des  Donnerkeils  ist  abgebrochen  und 
das  Scepter  in  der  linken  Hand  fehlt.  Aus  der  Sammlung 
Koller.    H.  S'/g". 

1858.  Ganz  übereinstimmende  Figur,  nur  von 
besserem  Styl.  Das  Scepter  fehlt  und  die  vordere  Hälfte  des 
Donnerkeils.  Auch  hat  die  Figur  Sandalen.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.   H.  41/8". 

1859.  Ganz  übereinstimmende  Figur,  nur  dass  die 
Chlamys  frei  hängt.  Das  Scepter  fehlt.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy  B.  1.   H.  ^Vs". 

1860.  Aehnliche  Figur,  aber  die  Stellung  ist  bewegter, 
der  rechte  Arm  mit  dem  Donnerkeil  mehr  ausgestreckt,  der 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  401 

linke  Ann  höher  gehoben.     Die  linke  Hand  fehlt.     Aus  der 
alt.  Samml.  B.  a.  I,  2.   H.  S^g". 

1861.  DesgL,  ganz  übereinstimmend.  Die  linke^  voll- 
ständig erhaltene  Hand  kann  nicht  das  Scepter  gehalten 
haben,  aber  in  dem  dieser  rohen  Nachliildung  zu  Grunde 
liegenden  Original  war  die  Hand  so  gedacht.  Aus  der  alt. 
Samml.  B.  a.  I,  3.   H.  3". 

1862.  Ganz  übereinstimmende  Figur,  aus  derselben 
Form  ausgegossen.     Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  3". 

1863.  Desgl.,  nur  verstümmelt  Die  beiden  Unterarme 
fehlen  und  das  rechte  Bein  vom  Knie  abwärts  nebst  dem 
linken  Fuss  sind  ergänzt.  Die  Chlamys  ist  auch  nicht  ganz 
erhalten.     Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  3". 

1864.  Völlig  nackter  Jupiter,  ruhig  stehend,  in  der 
herabgesenkten  Rechten  den  Donnerkeil,  in  der  Linken  das 
Scepter  haltend.  Vielleicht  befand  sich  auf  dem  Scepter 
ursprünglich  ein  Adler.  Gefunden  in  Coblenz  in  einem  Stein- 
sarge, 12  Fuss  unter  der  Erde.  1855  in  Coblenz  angekauft. 
H.  31/2". 

1865.  Jupiter,  ganz  nackt,  die  herabhängende  Linke 
zusammengeballt,  in  der  hocherhobenen  Rechten  den  Donner- 
keil schwingend,  etwa  als  Gigantentödter  gedacht.  Levezow 
hielt  diese  Bronce  für  falsch,  der  Typus  ist  aber  jedenfalls 
acht,  da  sich  im  britischen  Museum  und  sonst  ganz  über- 
einstimmende Figuren  befinden.  Aus  der  alt.  Samml.  B.  a. 
I,  4.   H.  4V4". 

1865*-  Nackter,  bärtiger  Jupiter,  helmbedeckt.  In 
der  erhobenen  Linken  hält  er  einen  Blitzstrahl,  in  der  etwas 
vorgestreckten  Rechten  scheint  er  auch  etwas  gehalten  zu 
haben.   Aus  der  Sammlung  Koller.    2324.   H.  3^6"- 

1866.  Kleine  Jupiterstatuette  in  Hautrelief,  auf 
einer  Platte  von  Chalcedon  befestigt.  Die  Figur  ist  unter- 
wärts bekleidet,  und  der  eine  Gewandzipfel  kommt  auf  der 
linken  Schulter  zum  Vorschein,  der  andere  fällt  über  den 
Arm.  Auf  der  linken  Hand  hält  er  den  Adler,  die  Rechte, 
welche  das  Scepter  hielt,  ist  abgebrochen.   Auch  beide  Füsse 

Friederich«,  Berlin'»  Antike  Bildwerke  II.  26 


402  T)ie  fi^ricclilsdtea  Broncon  entwickelten  Styls, 

fehlen.     Von  Bunsen  atls  Rom  1830  an  Rauch  übersandt  und 
durch  letzteren  dem  Museum  übergeben.    H.  '/s"« 

1866*-  Nackter  Jupiter,  in  Xanten  am  Rhein  gefunden, 
1860  angekauft    3405.   H.  71/2"- 

In  der  gesenkten  Linken  hat  er  den  Donnerkeil,  wäh- 
rend die  Rechte  das  nicht  mehr  vorhandene  Scepter  hielt. 
Das  Gesicht  hat  etwas  Portraitartiges,  worauf  aber  in  diesem 
Styl  wohl  kein  Gewiclit  zu  legen.    Er  steht  auf  antiker  Basis. 

Diese  Bronce  ist  für  den  Styl  des  Verfalls  ausserordent- 
lich charakteristisch.  Der  grosse  Kopf,  besonders  aber  die 
Starrheit  der  Glieder,  als  wären  sie  zu  keiner  Bewegung 
mehr  fähig,  sind  die  Hauptkennzeichen  dieser  Periode. 

Jupiter  Ammon. 

1867.  Kopf  des  Jupiter  Ammon,  schön  ausgeführt 
Aus  der  SammL  Minutoli.   B.  a.  ß.  2.   H.  2V2"- 

Der  Kopf  ist  hohl  gegossen  und  scheint  der  besonders 
gegossene  Kopf  einer  ganzen  Figur  zu  sein.  Der  Ausdruck 
ist  finster,  wovon  wir  gern  den  Grund  wüssten. 

Jupiter  Serapis. 

1868.  Jupiter  Serapis  mit  demModius,  ganz  bekleidet 
mit  Chiton  und  Himation,  die  Rechte  liegt  am  Körper  an, 
die  Linke  ist  erhoben  und  als  ein  Scepter  haltend  gedacht, 
wenn  auch  wegen  der  Rohheit  und  Flüchtigkeit  der  Arbeit 
nicht  ausgeführt.  Er  steht  auf  einer  Kugel  und  soll  damit 
wohl  als  Herrscher  über  den  Erdball  charakterisirt  werden. 
Vielleicht  diente  die  Figur  als  Griff  eines  Geräthes.  Aus  der 
Sammlung  Koller.   H.  2^1^*'. 

1869.  Ganz  übereinstimmende  Figur,  aus  derselben 
Form,  nur  ist  die  Kugel  unter  den  Füssen  nicht  mehr  er- 
halten.    Aus  der  alt  Samml.  B.  a.  I,  5.   H.  2V2" 

1870.  Ganymed  mit  phrygischer  Mütze,  die  linke  Hand 
auf  die  Schulter  des  Adlers  legend,  der  auf  einem  Stamm 
sitzt,  auf  dessen  Spitze,  wie  es  scheint,  der  Donnerkeil  des 
Zeus  quer  über  liegt.  Ganymed  hält  dem  Adler  ein  Trink- 
hom  hin,  um  ihn  daraus  zu  tränken.  Der  rechte  Ellenbogen 
ist  durch  eine  Stütze  am  Körper  befestigt.    Am  Rücken  des 


Die  griechischeu  Broucca  eulwickeKuu  Slyls.  4ü3 

Ganymed  ist  ein  Stück  eingesetzt,  auch  im  Rücken  des 
Adlers  ist  ein  Loch.  Sehr  plump,  doch  Nachahmung  eines 
öfter  vorkommenden  Typus.  1839  von  dem  königl.  preuss. 
Consul  Herrn  Wodekind  zu  Palermo  geschenkt.    H.  ö^/g". 

1870*-  Raub  des  Ganymed,  au  einem  Geräthfuss  be- 
findlich. Der  Knabe  (denn  Ganymed  ist  hier  ganz  knabenhaft 
dargestellt)  fasst  mit  der  rechten  Hand  das  entgleitende  Ge- 
wand, während  er  mit  der  Linken  den  Hals  des  Adlers 
umfasst,  der  ihn  mit  seinen  Klauen  an  der  nackten  Hüfte 
ergriffen  hat.  Der  Adler  ist  hier  der  verwandelte  Gott  Die 
Gruppe  geht  nicht  auf  das  berühmte  Werk  des  Leochare», 
sondern  auf  eine  spätere  sinnlichere  Darstellung  zurück.  Von 
dem  Kunsthändler  Marguier  in  Berlin  1845  angekauft 
H.  31/2". 

1871.  Juno  in  einfachem  Chiton  mit  Stirnkrone,  in  der 
Rechten  die  Schale  haltend,  die  Linke  ist  erhoben,  als  hätte 
sie  ein  Scepter  gehalten,  und  so  ist  die  Figur  auch  gedacht, 
wenn  auch  nicht  ausgeführt  Levezow  meinte  nach  der  Patina^ 
die  Figur  sei  modern,  was  wir  für  wahrscheinlich  halten. 
Aus  der  alt  Samml.  B.  a.  H.  er.  1.   H.  8^/4". 

1872.  Neptun,  Wiederholung  eines  sehr  gewöhnlichen 
Typus,  wie  ihn  z.  B.  die  Statue  im  Lateran  repräsentirt. 
Das  rechte  Bein,  dessen  Fuss  ergänzt,  war  aufgestützt  und 
auf  dem  rechten  Knie  liegt  die  rechte  Hand,  welche  einen 
Delphin  hält  Die  Linke,  die  vom  Ellenbogen  an  fehlt,  hielt 
den  Dreizack.     Gefunden  1846  in  Xanten.   H.  38/4". 

1873.  Ceres,  mit  verhülltem  Hinterkopf,  wie  man  es 
auch  an  iliren  Statuen  findet,  mit  einem  liohen  Kopfaufsatz, 
vermuthlich  dem  Modius,  über  dem  sich  aber  ein  eigenthüm- 
licher  sichelförmiger  Gegenstand  befindet,  in  der  linken  Hand 
drei  Aehren  mit  einem  Mohnkopf  haltend,  in  der  Rechten 
eine  grosse  FackeV  aufstützend.  Aus  dem  Nachlass  des  Prof. 
Ross  in  Halle  1800  erworben.  Gefunden  auf  der  Insel 
Cypern.    H.  32/3". 

1874.  Vulkan  mit  der  halbeiförmigen  Mütze  auf  dem 
Kopfe,  mit  dem  Handwerkerchiton  bekleidet,  der  den  rechten 
Arm  und  Scliulter  freilässt.  In  der  Linken  hält  er  die  Zange, 
in  die  Rechte,  die  vom  Ellenbogen  abwärts  restaurirt  ist,  ist 

26* 


404  ^i^  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls, 

ihm  der  Hammer  gegeben^  gewiss  mit  Recht^  wie  eine  besser 
erhaltene  Wiederholung  beweist  An  beiden  Beinen  unten 
ergänzt.  Im  britischen  Museum  und  in  Wien  sind  ganz  über- 
einstimmende Figuren.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  a.  YI. 
a.  1.   H.  41/4". 

Abg.  bei  Beger  III,  p.  276. 

1875.  Minerva  mit  Helm  und  in  einfachem  Chiton^  eine 
noble  Figur,  wenn  auch  die  Gewandung  im  Stil  späterer  Zeit 
gehalten.  Der  Kopf  ist  gesenkt,  die  Arme  sind  beide  fast 
gluiE  verloren,  so  dass  das  Motiv  dunkel  bleibt.  Mit  antiker 
Sfisis.  Aus  Cäsarea  in  Gappadocien.  Angekauft  1865  von 
dem  Dragoman  der  preussischen  Gesandtschaft  in  Constantinopel 
Dr.  Busch.    H.  10".   Höhe  der  Basis  2".    3529. 

1876.  Minerva,  in  einfachem  Chiton  und  Aegis,  die 
linke  ist  speerhaltend  gedacht,  auf  der  ausgestreckten  Rechten 
sitzt  die  Eule.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.  B.  a.  III.  a.  4. 
?.  38/4". 

1877.  DesgL,  ähnlich,  nur  dass  sie  noch  das  Himation 
hat  Die  linke  Hand  ist  verstümmelt,  und  in  der  Bechten 
hält  sie  eine  Bjiospe,  auf  welcher  die  Eule  sitzt.  Die  Figur 
steht  auf  einer,  wie  es  scheint,  antiken  glockenförmigen  Basis, 
die  aber  wohl  ursprünglich  nicht  zur  Figur  gehört  hat.  Aus 
der  Sammlung  Bartholdy  C.  6.   H.  3"  ohne  die  Basis. 

1878.  Desgl.,  in  einfachem  Chiton  mit  Aegis  und  Helm, 
in  der  Rechten  die  Schale,  in  der  Linken  hielt  sie  den  Speer. 
Die  Figur  war  hinten  befestigt.  Aus  der  alt.  Samml.  B.  a. 
nj.  a.  2.   H.  4". 

Abg.  bei  Beger  III,  p.  223. 

1879.  Desgl.,  in  ganz  gleicher  Stellung,  doch  ohne 
Aegis  und  unter  der  Brust  gegürtet.  Beide  Hände  und  mit 
ihnen  die  Attribute  fehlen.  Sie  steht  auf  einer  viereckigen 
Platte.     Aus  der  Samml.  Minutoli.  B.  a.  IH.  a.  b.   H.  2V9'*- 

1880.  Desgl.,  mit  Aegis  und  Himation,  die  Schale  in 
der  Rechten,  die  erhobene  Linke  hielt  den  Speer.  Aus  der 
Sammlung  Minutoli.   B.  a.  III.  a.  3.   H.  2V8"- 

1881.  Desgl.,  nur  dass  sie  den  Speer  in  der  Rechten 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  405 

hielt.     Beide  Hände  verstümmelt.     Aus  der  Samml.  Minutoli. 
B.  a.  IIL  a.  3.   H.  2^U". 

1882.  Desgl.;  in  der  erhobenen  Linken  scheint  sie  den 
Speer,  in  der  Rechten,  welche  nicht  erhalten  ist,  die  Schale 
gehalten  zu  haben.  Gefunden  in  Herappel  bei  Trier.  Mit 
der  Sammlung  des  Oberbergraths  Böcking  in  Saarbrücken  im 
Jahre  1858  angekauft.    124.   H.  SVa". 

1883.  Desgl.,  aber  der  Chiton  ganz  verschieden  an- 
geordnet, und  am  Kücken  hängt  ein  Himation  herab,  das  auf 
beiden  Schultern  aufliegt.  In  der  erhobenen  Rechten  hielt 
sie  ursprünglich  einen  Speer,  die  Linke  ist  so  ausgestreckt 
und  zusammengeballt,  als  sei  sie  einen  Schild  haltend  zu 
denken.  Die  Patina  der  Figur  erregt  Verdacht,  auch  das 
Gesicht  ist  eigenthümlich  und  die  Gewandung  ungewöhnlich. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy  C.  7.   H.  47»". 

1884.  Minerva,  sehr  schmalhüftig,  mit  Chiton  und 
Himation,  in  der  erhobenen  Rechten  hielt  sie  den  Speer,  mit 
der  herabhängenden  Linken  scheint  sie  einen  Schild  gefasst 
zu  haben.  Sie  entspricht  so  ziemlich  dem  statuarischen 
Typus  der  Minerva  Tritonia.  Aus  dem  Kachlass  des  königL 
Obristlieutenant  Schmidt  in  Berlin  angekauft  im  Jahr  1846^. 
H.  38/4". 

1885.  Minerva,  ganz  ähnlich  drapirt,  in  der  Rechten 
eine  Schale  haltend;  was  sie  in  der  Linken  gehalten,  ist  nicht 
deutlich.  Der  Kopf  ist  etwas  geneigt.  Hinten  ist  der  Rest 
eines  Zapfens  sichtbar.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  a.  HI. 
a.  1.   H.  5V4". 

Abg.  bei  Beger  III,  223. 

1886.  Minerva  ohne  Kopf  und  Füsse,  am  linken  Arm 
den  mit  einem  unkenntlichen  Relief  verzierten  Schild  haltend, 
in  der  Rechten  scheint  sie  den  Speer  gehalten  zu  haben. 
Gefunden  auf  der  Insel  Cypem.  Angekauft  1860  aus  dem 
Nachlass  des  Prof.  Ross  in  Halle.   H.  2". 

1887.  Bewegt  vorschreitende  Minerva,  mitflattem- 
dem  Gewände.  Beide  Hände  sind  nicht  mehr  erhalten.  Am 
linken  Arm  hielt  sie  den  Schild,  in  der  Rechten  scheint  sie 


W 


40G  r)ie  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

den  Speer  gehalten   zu   haben.    Aus  der  alt.  Samml.   B.  a. 
IIL  a.  7.   H.  2Va" 

1888.  Ganz  ähnlicher  Typus.  In  die  Kechte  ist  der 
Speer  hineinzudenken.  Der  am  linken  Arm  befindliche  Schild 
ist  moderne  Restauration.  Die  Füsse  scheinen  gar  nicht  vor- 
handen gewesen  zu  sein.  Gefunden  zu  Neunkirchen  am  Rhein. 
Aus  der  Böcking'schen  Sammlung.   H.  3^4"- 

1889.  Kopf  der  Minerva,  Stück  einer  Statue,  mit 
sehr  hohem  Helmbusch.  Der  Helm  ist  als  ein  menschliches 
Gesicht  gebildet.  Gefunden  am  Rhein.  Angekauft  1846  von 
dem  königl.  Reg.-Baumeister  a.  D.  H.  Schauss.    H.  2'/4" 

Diana. 

1890.  Diana  als  Jagdgöttin^  aus  der  alt.  Samml.  B.  a. 
VIIL  ce.  1.    H.  7". 

Der  Typus  dieser  Diana,  die  in  heftiger  Bewegung  be- 
griffen ist  und  gerade  einen  Pfeil  aus  dem  Köcher  nimmt, 
als  gälte  es  jetzt  eben,  ein  plötzlich  sichtbar  gewordenes 
Wild  zu  erlegen,  ist  zwar  im  Allgemeinen  bekannt  und  ge- 
wöhnlich genug,  doch  wüssten  wir  unter  den  vielen  ähn- 
lichen Statuen  und  Statuetten  eine  ganz  genau  überein- 
stimmende nicht  anzuführen.  Es  kann  diese  Statuette  daher 
nur  als  eine  ungefähre  Copie  eines  schon  in  griechische  Zeit 
hinaufreichenden  Originals  angesehen  werden. 

In  der  gesenkten  Linken  hielt  die  Figur  natürlich  den 
Bogen.    Das  rechte  Bein  vom  Knie  abwärts  ist  ergänzt 

Abg.  bei  Beger  III,  p.  230. 

1891.  Desgl.,  ruhig  stehend,  mit  einem  Diadem  auf  dem 
Kopfe.  Sie  hält  den  Bogen  in  der  »Rechten.  Der  Köcher  ist 
auch  auf  dem  Rücken  angedeutet.  Aus  der  älteren  Sammlung 
B.  a.  VIIL  a,  2.    H.  6". 

Abg.  bei  Beger  III,  p.  230. 

1892.  Desgl.,  mit  dem  Bogen  in  der  Linken;  was  sie 
in  der  ausgestreckten  Rechten  gehalten,  ist  aber  nicht  deut- 
lich. Der  Köcher  wird  durch  ein  Kreuzband  gehalten,  und 
wo  die  beiden  Bänder  sich  auf  der  Brust  durchschneiden,  da 
ist  ein  Medaillon  angebracht.    Das  linke  Bein  vom  Knie  ab- 


Die  griecliischeii  Broncea  eutwic)Lelteii  Styls.  407 

wärts   ist  neu.    Aus   der   Sammluug  Minutoli.     B.  a.  VIII. 
a.  3.    H.  3". 

1893.  Desgl.^  ruhig  stehend  mit  entblösster  linker  Brust 
In  der  herabhängenden  Linken  hält  sie  den  halberhobenen 
Bogen,  mit  der  Rechten  nimmt  sie  einen  Pfeil  aus  dem  Köcher. 
H.  4V2". 

1893*-  Diana,  kurz  bekleidet,  mit  dem  Köcher  auf  der 
Schulter.  Die  Geberde  der  erhobenen  Linken  ist  nicht  klar, 
die  Rechte  verstümmelt.   H.  2V2". 

1894.  Büste  der  Diana  auf  einer  schildförmigen  Platte, 
die  zu  einer  Verzierung  diente.  Das  Haar  ist  über  der  Stirn 
in  einen  Krobylos  gewunden.  Sie  hat  den  Köcher,  und  auch 
der  Bogen  ist  neben  ihr  angebracht.  Aus  dem  Besitz  Bel- 
lori's.  B.  a.  VIU.  ß.  2.   H.  4:%". 

Abg.  bei  Beger  III,  231. 

1895.  Desgl.,  nur  ist  der  Kopf  seitwärts  geneigt.  Das 
Gewand  fällt  von  der  linken  Schulter  etwas  herab.  Sie  hat 
einen  Köcher,  dessen  Band  die  Brust  durchschneidet.  H.  372"« 

Merkur. 

In  jedem  Museum  ist  die  Zahl  der  Merkurfiguren  unter 
den  kleinen  Broncen  sehr  bedeutend,  nur  Fortuna  und  Harpo- 
krates  halten  ihnen  die  Waage.  Von  diesen  Merkurdarstel- 
lungen aber  sind  gewiss  unter  zehn  neun,  die  den  Gott  in 
seiner  Beziehung  zu  Handel  und  Erwerb  darstellen.  Es  ist 
culturhistorisch  interessant,  einmal  die  Menge  der  Darstel- 
lungen des  Handelsgottes,  sowie  des  verwandten  Begriffes  der 
Fortuna,  die  uns  aus  römischer  Zeit  und  gerade  aus  den 
Kreisen  des  Privatlebens  erhalten  sind,  zu  verfolgen,  sodann 
die  ganze  Entwicklung  dieses  Götterbegriffs  von  altgriechischer 
Zeit  an  zu  vergleichen.  Denkt  man  an  all  die  edlen  Dinge, 
die  man  in  altgriechisclior  Zeit  im  Hermes  anschaute  und 
darstellte,  an  seine  Beredsamkeit  und  palästrische  Tüchtigkeit, 
an  seine  Schnelligkeit  und  Gewandtheit  als  Göttferbote,  so 
erscheint  die  in  den  Broncen  vorwiegende  Auffassung  gemein 
und  niedrig  und  man  fühlt  sich  aus  idealen  Richtungen  in 
eine  Zeit  des  Eigennutzes  versetzt. 

Die   Vorstellung   des   Hermes   mit   dem  Beutel   in   der 


408  ^ic  griechischen  Broncen  entwickelten  StyU. 

Hand^  wodurch  er  eben  als  Gott  des  Gewinns  charakterkirt 
wird,  ist  eine  griechische  Erfindung,  wenn  auch  aus  späterer 
Zeit.  Dies  wird  schon  dadurch  deutlich,  dass  auf  den  Yasen- 
bildem  erst  ein  einziges  Mal  und  zwar  auf  einer  Vase 
späteren  Styls  ein  Hermes  mit  dem  Beutel  zum  Vorschein 
gekommen  ist^). 

Vermuthlich  ist  von  Lysippus  oder  seiner  Schule  der 
Gedanke  des  beuteltragenden  Hermes  ausgegangen  und  ein 
Marktplatz,  für  welchen  ja  Hermesfiguren  vielfach  begehrt 
wurden,  konnte  leicht  Veranlassung  zu  solcher  Darstellung 
geben.  Was  mich  zu  dieser  Annahme  veranlasst,  ist  eine 
Hermesstatue  im  Theseum  in  Athen,  die  unzweifelhaft  nach 
der  Haltung  der  fast  ganz  unversehrten  Hand  einen  Beutel 
trug%  übrigens  aber  im  Kopf  und  auch  in  Haltung  und 
Formen  des  Körpers  so  sehr  an  den  bekannten  Apoxyomenos 
des  Lysippus  erinnert,  dass  sie  demselben  Meister  oder  seiner 
Schule  zugeschrieben  werden  muss. 

1896.  Merkur,  stehend,  mit  Flügeln  am  Hut  und  an 
den  Füssen.  Die  Chlamys  bedeckt  ihn  hinten  und  vorn.  In 
der  Rechten  hat  er  den  Beutel,  in  der  Linken  hielt  er,  wie 
man  sieht,  den  Caduceus.  Ein  Theil  der  Füsse  ist  neu,  auch 
die  broncene  Basis.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  a.  IX. 
a.  4.   H.  4". 

Abg.  bei  Beger  III,  232. 

1897.  Desgl.,  ganz  ähnlich,  nur  ist  die  Chlamys  etwas 
kürzer  und  an  den  Füssen,  die  auf  einer  kleinen  Basis  stehen, 
hat  er  keine  Flügel.  Auch  hier  fehlt  in  der  Linken  der 
Caduceus.    Aus  der  alt.  Samml.    B.  a.  IX.  a.  5.   H.  374". 

Abg.  bei  Beger  III,  232. 

1898.  Desgl.,  nur  fehlt  die  rechte  Hand  mit  dem  Beutel, 
auch  die  Flügel  des  Hutes.  Dagegen  ist  in  der  Linken  der 
geflügelte  Caduceus  erhalten.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
H.  2V2''. 

1899.  Desgl.,  aber  die  Chlamys  geht  von  der  rechten 
Schulter,  auf  welcher  sie  befestigt  ist,  nach  dem  linken  Arm, 


1)  Vgl.  Brunn  im  bull.  1859,  103. 

2)  Nicht    den    caduceus,   wie   Kekule,  Biidw.  im  Theseion  p.  119 
schreibt,  was  ich  bestimmt  in  Abrede  stellen  muss. 


Die  ^eohischen  Bronoen  entwickelten  Styls.  409 

ohue  deu  vorderen  Theil  des  Körpers  zn  bedecken.  Er  hat 
in  der  Rechten  den  Beutel^  in  der  Linken  den  geflügelten 
Caduceus.  Der  rechte  Fuss  ist  ergänzt.  Aus  der  alt.  Samml. 
B.  a.  IX.  a.  11.    H.  S»/»". 

1900.  Desgl.,  aber  die  beiden  Füsse,  die  rechte  Hand 
mit  dem  Beutel  und  ein  Theil  des  Caduceus  fehlen.  Vom 
linken  Arm  geht  ein  Stab  zur  Erde,  dessen  Sinn  nicht  deut- 
lich ist.    Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  2^/4". 

1901.  Desgl.,  ganz  vollständig  erhalten,  mit  dem  Beutel 
in  der  rechten,  dem  geflügelten  Caduceus  in  der  linken  Hand. 

H.  2V4". 

1902.  Desgl.,  aber  der  Beutel  ist  verstümmelt  und  das 
linke  Bein  fehlt  fast  ganz,  das  rechte  vom  Knie  abwärts. 
Aus  der  Sammlung  Minutoli.    B.  a.  IX.  a.  7.    H.  2". 

1903.  Desgl.,  ganz  roh,  völlig  erhalten.  Wie  die  Chlamys 
gedacht  ist,  sieht  man  nur  noch  am  Rücken.  Er  steht  auf 
einer  platten  Basis.  Aus  der  alt.  Samml.  B.  a.  IX.  a.  12. 
n.  3". 

1904.  Desgl.,  auf  einer  Basis  mit  Hohlkehle  stehend. 
Der  Caduceus,  den  er  in  der  Linken  gehalten  zu  haben 
scheint,  ist  nicht  mehr  vorhanden.  Der  rechte  Arm  mit  dem 
Beutel  ist  restaurirt.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy  C.  22. 
H.  3V2". 

1905.  Desgl.,  nur  fehlt  auch  hier  der  Caduceus  und 
der  halbe  rechte  Arm,  der  den  Beutel  hielt.  Von  weit  besserem 
Styl.  Es  scheint  wegen  der  Löcher  auf  dem  Kopf,  dass  der 
Hut  besonders  gearbeitet  und  aufgeheftet  war.  Aus  der  alt. 
Samml.    B.  a.  IX.  a.  10.    H.  3V8". 

1906.  Desgl.,  ungefähr  in  der  Stellung  des  sogenannten 
Antinous  vom  Belvedere.  Der  rechte  Arm  und  die  beiden 
Vorderfüsse  fehlen.  Er  ist  ohne  Kappe  und  die  nur  theil- 
weise  erhaltenen  Flügel  scheinen  an  einem  um  den  Kopf  ge- 
wundenen Bande  befestigt.  Angekauft  aus  dem  Nachlass  des 
Obristlieutenants  Schmidt  in  Berlin  1846.    H.  3". 

1907.  Merkur  mit  Flügelhut,  die  Chlamys  über  dem 
linken  Arm  hängend.    Er  hält  in  der  Rechten  den  Beutel,  in 


410  ^ic  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

der  Linken  scheint  er  den  Caduceus  gehalten  zu  haben.  Beide 
Füsse  fehlen.     Aus  der  alt  Samml.    B.  a.  IX.  a,  6.    H.  3". 

1908.  Desgl.,  nur  fehlen  der  linke  Fuss,  das  rechte 
Bein  vom  Knie  und  der  rechte  Arm  vom  Ellenbogen  abwärts. 
Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  angekauft  1844.    H.  2^/4". 

1909.  DesgL,  nur  hat  er  auch  den  Fitigelhut  In  der 
Bechten  hält  er  den  Beutel,  die  Linke  scheint  den  Caduceus 
gehalten  zu  haben.  Das  linke  Bein  vom  Knie  abwärts  fehlt 
Aus  der  Böcking'schen  Sammlung.  Gefunden  in  Asbacher- 
Hütte  nahe  bei  Bonn.    H.  31/2". 

1910.  Desgl.,  nur  bedeckt  die  Chlamys  nicht  völlig  den 
linken  Arm,  sondern  ein  Stück  des  Oberarmes  kommt  daraus 
zum  Vorschein.  Ganz  erhalten,  bis  auf  den  Caduceus  in  der 
Linken.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  3^/4". 

1911.  Desgl.,  die  Chlamys  bedeckt  den  ganzen  linken 
Arm.  In  der  linken  Hand  hat  er  den  Beutel,  die  rechte  ist 
mit  dem  Caduceus,  den  sie  trägt,  ergänzt,  ebenso  beide  Füsse. 
Aus  der  Sammlung  Koller,    H.  S*^"- 

1912.  Merkur  mit  Flügeln  am  Kopf  und  einfachen 
Sandalen  unter  den  Füssen.  In  der  Rechten  hat  er  den 
Beutel,  in  der  Linken,  an  welcher  etwas  zu  fehlen  oder  ab- 
gefeilt zu  sein  scheint,  hat  er  einen  Gegenstand,  der  wie  ein 
Apfel  aussieht.  Die  Chlamys  ist  auf  der  rechten  Schulter 
befestigt  und  fällt  über  die  linke  Schulter  und  Arm  herab. 
Die  Figur  ist  sehr  verdächtig  nach  Styl  und  Darstellung,  und 
die  Patina  ist  schwerlich  alt.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
H.  71/2". 

1913.  Merkur,  mit  der  Chlamys,  welche  die  ganze 
Hinterseite  bedeckt  Er  hat  den  Flügelhut,  den  Beutel  in  der 
Linken  und  streckt  die  Reclite  in  rednerischer  Bewegung 
aus.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  Vlo". 

1914.  Desgl.,  in  vorschreitender  Bewegung.  Er  hält 
den  Beutel  in  der  Rechten  und  hatte  in  der  Unken  den 
Caduceus.    H.  b%'\ 

1915.  Merkur,  ganz  nackt,  mit  Flügeln  am  Kopf,  deren 
einer  verstümmelt     Auf  der  rechten  Hand  wie  darreichend 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  4ll 

streckt  er  den  Beutel  aus,  in  der  Linken  hat  er  auch  ein 
Attribut  gehalten,  wahrscheinlich  den  Caduceus.  Aus  der  alt. 
Samml.    B.  a.  IX.  a.  8.    H.  2V2". 

1916.  Desgl.,  von  den  Attributen  sind  aber  nur  die 
Kopfflügel  vorhanden.  Der  rechte  Arm  fehlt  fast  bis  zuÄ 
Ellenbogen.  Der  linke  Fuss,  und  zum  Theil  auch  der  rechte, 
ist  restaurirt    Aus  der  alt  Samml.   B.  a.  IX.  a,  9.  H.  272"« 

1917.  Desgl.,  ganz  nackt,  in  der  herabhängenden 
Rechten  den  Beutel  haltend,  in  der  Linken  hielt  er  den  Cadu- 
ceus. Die  Flügel  am  Hut  und  der  linke  Fuss  sind  beschädigt. 
R  a.  IX.  or.  15.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.'  Bei  Cleve 
gefunden.    H.  2^8 "• 

1918.  Desgl.,  ganz  nackt,  in  der  Rechten  den  Beutel 
haltend,  in  der  Linken  befand  sich  wahrscheinlich  der  Cadu- 
ceus. Aus  dem  Nachlass  des  Obristliöutenant  Schmidt  in 
Berlin  1846  angekauft.    H.  4V2". 

1919.  Desgl.,  ganz  ucfckt,  mit  dem  Flügelhut,  dessen 
Flügel  beschädigt  sind.  In  der  Linken  scheint  er  den  Cadu- 
ceus gehalten  zu  haben,  die  Rechte,  welche  fehlt,  hielt  wahr- 
scheinlich den  Beutel.  Auch  der  rechte  Fuss  fehlt.  Aus  der 
Böcking'schen  Sammlung.  Gefunden  in  Tolly  am  Rhein. 
H.  7V4". 

1919*-  Desgl.,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben. 
Der  linke  Fuss  fehlt. 

1920.  Desgl.,  ganz  nackt,  nur  kenntlich  an  den  Flügeln 
am  Kopf.  Denn  beide  Unterarme  mit  den  Attributen  fehlen. 
Aus  der  Böcking'schon  Sammlung.  Gefunden  in  Herappel 
bei  Trier.    H.  5". 

1921.  Desgl.,  sitzend,  mit  Flügelhut,  die  Chlamys  fällt 
hinten  den  Rücken  lünab.  Die  erhobene  Rechte  hielt  ein 
Attribut,  ebenso  die  auf  dem  Felsen  ruhende  Linke,  denn 
beide  sind  durchbohrt.  Die  Figur  hat  auch  eine  Basis.  Aus 
der  alt.  Samml.    B.  a.  IX.  «.  2.    H.  2V2". 

1922.  Desgl.,  nur  fehlt  der  Fels,  auf  dem  er  sitzend  zu 
denken.  In  der  Rechten  hält  er  den  Beutel,  die  Linke  hielt 
ursprünglich    den    Caduceus.    Die  Flügel  am  Hut  sind  ver- 


412  ^^  griechischen  Bronoen  entwickelten  Styls. 

istümmelt.     B.   a.   IX.   a.  3.     Aus   der   Sammlung   Minntoli 
H.  2V3". 

1923.  DesgL,  auf  einem  Felsen  sitzend,  in  der  Linken 
den  Beutel  haltend,  die  Rechte  auf  den  Felsen  stützend.  Am 
Flflgelhut  sind  die  Flügel  etwas  beschädigt  Die  Chlamys, 
die  auf  der  rechten  Schulter  befestigt  ist,  bedeckt  fast  die 
ganze  Brust.  Die  Figur  war  irgendwo  angesetzt,  es  ist  hinten 
noch  ein  Zapfen  erhalten.  Aus  der  Sammlung  Koller.  H.  2^2". 

1923^'  Büste  des  Merkur,  auf  einer  schildförmigen 
Platte,  die  zu  einer  Verzierung  diente.  Der  eine  Flügel  des 
Hutes  ist  abgebrochen.  Die  Chlamys  ist  auf  der  rechten 
Schulter  befestigt  und  geht  über  die  linke  Schulter  nach  hint^ 
hin.    Aus  der  alt  königl.  Samml.   B.  a.  IX.  ß.  2.    H.  8^2". 

Abg.  bei  Beger  III,  238. 

1923^-  Geflügelter  Caduceus,  ganz  erhalten.  Ob  er 
von  einer-  Statue  herrührt  und  nicht  vielmehr  für  sich,  etwa 
als  Weihgeschenk,  fabricirt  wurde,  ist  nicht  zu  entscheiden. 
Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844.   H.  3". 

1923*'-  Geflügelter  Merkurshut,  in  der  Mitte  durch- 
bohrt.  Ebendaher.   H.  ^Z^". 

Mars. 

1924.  Mars,  bärtig,  mit  Helm,  römischem  Panzer  und 
Beinschienen,  in  der  Linken  die  Lanze  aufstützend,  in  der 
ausgestreckten  Rechten  das  Schwert  haltend.  Die  Chlamys 
hängt  ihm  vom  linken  Arm  herab.  Es  ist  derselbe  Typus, 
wie  in  römischen  Marmorstatuen,  z.  B.  in  der  capitolinischen. 
Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  3^/^". 

1925.  Mars,  unbärtig,  nackt,  mit  dem  Helm.  Die  Füsse 
fehlen.  Von  dem  rechten  erhobenen  Arm  fehlt  der  Vorder- 
arm, die  linke  Hand  scheint  etwas  gehalten  zu  haben,  was 
ein  Schwert  gewesen  sein  kann.  Der  rechte  Arm  stützte 
wohl  die  Lanze  auf.  Gefunden  zu  Toley  am  Rhein.  Aus  der 
Böcking'schen  Sammlung.   H.  5''. 

1925»-  Desgl.,  derselbe  Typus.  Der  linke  Arm  fehlt 
Von  dem  Oberstlieutenant  Tenkler  1863  angekauft   3481. 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  413 

1926.  Desgl.,  derselbe  Typus.  Beide  Beine  und  beide 
Arme  zur  Hälfte  verstümmelt  Gefunden  zu  Saarburg  in  der 
Nähe  von  Trier,   Aus  der  Böcking'schen  Sanmilung.   H.  1^/4". 

1927.  Desgl.,  derselbe  Typus.  Beide  Arme  halb  ver- 
stümmelt, auch  das  linke  Bein,  während  das  rechte  bis  zur 
Wade  erhalten  ist  Gefunden  bei  Cleve.  B.  a.  IV.  a.  3.  Aus 
der  Sammlung  Minutoli.   H.  2". 

1927*'  Mars,  genau  übereinstimmend  mit  dem  auf 
römischen  Münzen,  z.  B.  denen  des  Vespasian,  vorkommenden, 
ein  Siegeszeichen  tragenden  Mars.  Er  hat  Helm  und  Bein- 
schienen, und  der  verstümmelte  Gegenstand  in  seiner  Linken 
ist  eben  das  Tropäum,  während  für  die  Rechte  die  Lanze 
vorauszusetzen.  Er  geht  tänzelnd  auf  den  Fussspitzen,  auch 
die  um  den  Leib  gewickelte  Chlamys  mit  zurückflattemden 
Zipfeln  ist  den  Tänzern  eigenthümlich,  so  dass  es  scheint, 
als  solle  die  Freude  über  den  errungenen  Sieg  in  seiner 
Stellung  ausgeprägt  werden.   H.  3^/4". 

1927^*  Kleine  Herme  des  Mars  mit  dekorirtem  Schaft 
Geräthverzierung.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  IV.  ß.  2. 
H.  2". 

1927^-  Kleine  Reliefplatte,  worauf,  wie  es  scheint, 
Mars  in  seinem  Tempel  dargestellt  ist.  Er  thront  halbnackt 
mit  Lanze  und  Schwert  in  den  Händen  und  mit  einem  Helm 
auf  dem  Kopf.  Panzer  und  Schild  lehnen  an  seinem  Sitz. 
Vor  ihm  steht  ein  Palmbaum  und  der  Tempelbrunnen,  an 
welchem  ein  undeutlicher  Vogel  sich  befindet.  Am  Fuss  des 
Tempels  sind  Eroten  dargestellt 

Venus. 

1928.  Venus,  sich  im  Spiegel  betrachtend,  aus  der 
Barthold/schen  Sammlung.   H.  5^4"- 

Venus  hält  sich  einen  Klappspiegel  vor  das  Gesicht, 
dessen  Deckel  bis  auf  das  Chamier  nicht  erhalten  ist  Si^ 
ist  nackt,  trotzdem  aber  reich  geschmückt  mit  silbernen  Arm- 
und  Fussringen  und  mit  einem  in  Silber  eingelegten  Hals- 
band. Besonders  merkwürdig,  aber  ist  der  in  einem  Ohr» 
erhaltene  Ohrring,  bestehend  in  einer  mit  Golddraht  be- 
festigten Perle. 


41 4  I^i®  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

Die  ithyphallische  Herme,  worauf  sie  sich  stützt,  be- 
zeichnet den  Charakter  dieser  Venus,  die  schwerlich  auf  einen 
älteren  griechischen  Typus  zurückzuführen  ist.  Es  kommen 
mehrere  Venustypen  vor,  in  denen  die  Göttin  einen  Spiegel 
hält,  immer  aber  ist  es  dann  zum  Zweck  der  Haaranordnung, 
während  es  hier  nur  der  Ausdruck  reiner  Selbstgefälligkeit 
ist.     Dieser  Action  entspricht  auch  der  reiche  Schmuck. 

Abg.  bei  Gerliard.  Uebcr  Agathodämoii  und  Bona  Dea,  Taf.  4,  2. 
In  Neapel  ist  nuter  n.  1661  ein  iilinlieh»?b  Figiiivlicii,  dessen  Spiegel 
ganz  erhalten  ist. 

1929.  Venus,  halb  bekleidet,  das  Gewand  ist  um  den 
unteren  Theil  des  Körpers  zusammengeschlagen.  Sie  hat  eine 
Stirnkrone  und  fasst  mit  beiden  Händen  ihr  Haar,  das  sie 
ordnet.   Aus  der  älteren  Sammlung.   B.  a.  V.  d.  7.    H.  2^2"- 

1930.  Kleine  nackte  Venus,  die  als  Amulet  diente, 
man  sieht  nämlich  ein  Loch,  an  dem  sie  aufgehängt  war. 
Aus  der  älteren  k.  Sammlung.    H.  1'^ 

• 

1931.  Desgl.,  auch  als  Amulet  gebraucht,  da  sich  hinten 
am  Bücken  ein  Oehrchen  befindet.   H.  *  g". 

1932.  Ganz  übereinstimmend,  auch  mit  einem  Oehr- 
chen hinten  am  Kücken.   H.  ^/g". 

1932*-  Eine  halb  bekleidete  Venus,  die  mit  der 
Kechten  den  Zipfel  des  Gewandes  über  die  Schulter  vom 
Rücken  aus  zu  ziehen  sucht.  Sie  hält  im  linken  Arm  eine  kleine 
Figur,  die  nach  der  Form  des  Beins  ein  Pan  zu  sein  scheint 
Das  Figürchen  diente  als  Amulet,  am  Halse  sieht  man  ein 
Loch  durcligebohrt  zum  Aufhängen.   H.  l^o''- 

1933.  Venus,  ganz  nackt,  mit  einer  Stirnkrone.  Auf 
der  ausgestreckten  Linken  sitzt  eine  Taube.'  Aus  der  älteren 
Sammlung.    B.  a.  V.  a.  1^-    H.  6V4". 

1934.  Desgl.,  die  Hand  vor  die  Scham  haltend.  Locken 
hängen  ihr  auf  die  Schultern  herab.  An  der  Figur  ist  viel 
restaurirt,  namentlich  der  linke  Arm  und  das  linke  Bein,  und 
die  Restauration  ist  sehr  schlecht  ausgefallen.  B.  a.  V.  er.  3. 
Aus  dem  Besitz  Bellori's.    H.  5%''. 

Abg.  bei  ßeger  III,  268. 


Die  grlechisihen  ßronceii  entwickelten  Slyls.  41 5 

1935.  Desgl.,  in  der  Rechten  eine  Muschel  (?)  haltend, 
die  Linke  ist  erhoben  und  hat  etwas  gehalten,  was  ein  Scepter 
gewesen  ist  oder  ein  Ding  mit  einem  Stiel,  vielleicht  ein 
Spiegel.  Der  linke  Fusß  fehlt.  Aus  der  alt.  königl.  Samml. 
B.  a.  V.  a.  4.   H.  SVa". 

1936.  Desgl.,  in  scheusslichem  Styl.  Beide  Arme  sind 
abgebrochen.  Die  Figur  trägt  ein  hohes  ausgezacktes  Diadem. 
B.  a.  V.  a.  6.   Aus  der  Sammlung  Minutoli.   H.  3^/4''. 

1937.  Venus  (?)  eine  mit  einfachem  Chiton  bekleidete, 
sehr  mädchenhafte  Figur,  den  linken  Arm  in  die  Seite  stem- 
mend, auf  der  ausgestreckten  Rechten  einen  Apfel  haltend. 
Die  Figur  ist  uns  ein  wenig  verdächtig.  Aus  der  älteren 
Sammlung.   B.  c.  a.  aa.  2.   H.  4^/4". 

1938.  Venus,  ihr  Haar  ordnend  oder  austrocknend, 
sehr  roh.     H.  3". 

1939.  Venus,  ganz  nackt^  in  der  Stellung  der  medi- 
ceischen  Venus,  nur  der  Kopf  ist  gerade  aus  gerichtet. 
H.  1V2". 

1939*-  Venus  (?)  in  abscheulichem  Styl,  ganz  nackt^  mit 
einem  Halsband  und  Löchern  für  Ohrringe,  auch  Armbändern, 
gerade  stehend,  die  Füsse  neben  einander.  Die  rechte  etwas 
beschädigte  Hand  ist  erhoben,  die  linke  fehlt  vom  Armband 
an.     Beide  Beine  von  der  Wade  an  sind  ergänzt.   H.  6". 

1939^-  Büste  der  Venus  mit  Diadem,  aus  einem 
Blumenkelch  hervorgehend.  Die  linke  Brust  ist  entblösst 
Vermuthlich  Geräthverzierung.  Aus  der  älteren  königl.  Samm- 
lung.  H.  18/4". 

1940.  Amor,  in  eiliger  Bewegung,  den  linken  fast  bis 
an  den  Ellenbogen  abgebrochenen  Arm  erhebend,  während 
der  rechte,  der  etwas  gehalten  zu  haben  scheint,  gesenkt  ist. 
B.  a.  XIX.  «.  2.     Aus  der  Sammlung  Minutoli.   H.  4^3''. 

1941.  Amor,  in  der  herabhängenden  Linken  eine  Traube 
haltend,  auch  die  erhobene  Rechte  hielt  etwas,  da  sie  durch- 
bohrt ist.  Aus  der  älteren  königl.  Sammlung.  B.  a.  XIX. 
a.  3.    H.  3". 

Abg.  bei  Beger  111,  274. 


416  ^^^  griechisebe«  ßroncea  entwiekeitea  Styl^ 

1942.  Amor,  aus  einem  Salbfläschchen,  das  er  in  der 
Rechten  hält^  in  ein  mnschelförmiges  Gefäss  eingiessend. 
B.  a.  XIX.  a.  4.   Aus  der  Sammlung  MinutolL    H.  2". 

1943.  Amor^  einen  Krug  auf  der  Schulter  tragend. 
War  irgendwo  ajs  Verzierung  angesetzt.  Der  linke  Fuss 
fehlt.   B.  a.  XIX.  a.  5.   Aus  der  Samml.  Minutoli.    H.  1%". 

1944.  Ganz  ähnliche  Darstellung,  nur  trägt  er  den 
Krug  auf  der  linken  Schulter.  Der  linke  Flügel  ist  fast  ganz 
verloren.  Aus  der  älteren  königl.  Sammlung.  B.  a.  XIX 
a.  10.   Gefunden  bei  Cleve.   H.  2^U". 

1944*-  Amor,  in  der  Linken  ein  geflochtenes  Körbchen 
mit  Früchten  tragend,  in  der  Rechten  einen  verstümmelten 
undeutlichen  Gegenstand.  Beide  Flügel  sind  abgebrochen. 
1846  angekauft.    Gefunden  am  Rhein.   H.  SVs"* 

1945.  Amor,  sitzend,  in  beiden  Händen  eine  Syrinx 
haltend,  die  er  an  den  Mund  setzen  will.  Aus  der  älteren 
königL  Sammlung.   B.  a.  XIX.  a.  6.   H.  2V2". 

Abg.  bei  Beger  III,  275. 

1946.  Amor,  sitzend  zu  denken,  mit  einer  merkwürdigen, 
schwer  verständlichen  Geberde.  Es  ist  fast  als  ob  er  einen 
Nagel  einschlagen  wollte.  Die  Bronce  ist  ganz  erhalten,  aber 
die  Geräthe,  die  er  in  den  Händen  haltend  zu  denken  ist, 
sind  nicht  ausgedrückt.  B.  a.  XIX.  a,  7.  Aus  der  Sammlung 
MinutolL   H.  2". 

1947.  Amor,  auf  einer  Basis  ausgestreckt  liegend,  beide 
Hände  auf  je  eine  Traube  legend,  die  er  eifersüchtig  bewacht 
Die  Flügel  sind  abgebrochen.  Aus  der  älteren  königl.  Samm- 
lung.  B.  a.  XIX.  a.  9.   H.  1»/«". 

Abg.  bei  Beger  III,  274. 

1948.  Amor,  sitzend,  in  der  Rechten  eine  Schale  hal- 
tend, die  Linke,  die  wohl  ein  Trinkhom  oder  dergl.  hielt^ 
fehlt     Aus  der  älteren  königl.  Sammlung.   H.  l*^". 

1949.  Amor,  stehend,  den  rechten  Arm,  dessen  Hand 
fehlt,  erhoben,  von  der  gesenkten  Linken  ist  nur  die  Hälfte 
da.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy  G.  19,  H.  3", 


Die  griechisohen  Broncen  entwickelten  Styls.  417 

1950.  Amor,  stehend,  beide  Arme  gesenkt  und  beide  nur 
zur  Hälfte  erhalten.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  20. 
H.  2V,''. 

1951.  Amor,  sitzend,  mit  einer  grossen  Kithar  im 
linken  Arm.  Ein  Gewand  geht  ihm  über  die  OberschenkeL 
Er  hat  Ringe  an  den  Füssen  und  Händen.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.    H.  2^/2''. 

1952.  Amor  mit  erhobener  Rechten,  in  weleher  er 
etwas  hält,  was  nicht  mehr  deutlich  ist,  in  der  gesenkten 
Linken  scheint  er  einen  Apfel  oder  dergleichen,  zu  halten 
Aus  der  Sammlung  Koller.     H.  2^/4". 

1953.  Amor,  laufend  mit  geöffneten  Händen,  die  Rechte 
hoch  erhebend.     H.  1*^^". 

1954.  Amor,  sitzend,  in  der  Rechten  eine  Schaale 
haltend,  in  der  Linken  vielleicht  ein  Trinkhorn.  War  irgend- 
wo als  Ornament  angebracht.     H.  2^2"« 

1955.  Amor  in  eilig  jubelnder  Bewegung  mit  erhobe- 
ner Rechten,  auch  die  Linke  ist  ausgestreckt,  die  irgendwo 
aufgeruht  zu  haben  scheint  Die  Fingerspitzen  der  rechten 
Hand  sind  etwas  verstümmelt.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
G.  21.     H.  2V4". 

1956.  Amor  auf  einem  Seestier,  dessen  Kopf  er  mit 
der  Linken  fasst,  während  er  in  der  Rechten  die  Peitsche 
geschwungen  zu  haben  scheint.  Das  Ganze  ist  Hautrelief  und 
war  bestinunt,  irgendwo  an  einem  Geräth  aufgesetzt  zu  wer- 
den.    Aus  dem  Besitz  Bellori's.     H.  1^/4". 

1957.  Amor  in  der  erhobenen  Rechten  einen  undeut- 
lichen Gegenstand  emporhaltend,  während  er  mit  der  Linken 
etwas  an  den  Mund  hält.  Die  Figur  steht  auf  einem  Stiel, 
sie  diente  wahrscheinlich  als  Griff.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
H.  23/j''. 

1957**  Niedliche  Amormaske,  Verzierung  eines  Ge- 
räthes.  Der  lächelnde  Ausdruck  und  die  Andeutung  der 
Flügel  am  Kopf  (nach  Analogie  der  Medusenköpfe)  empfehlen 
diese  Benennung.     H.  1". 

Friedorichs,  üerlia'^  Antiko  Bildwerk»  II.  27 


418  ^i^  griechisclien  Bronceu  entwickelten  Styls. 

Bacchus. 

1958.  Brustbild  des  Bacchus^  aas  einem  Schilde 
hervorragend,  diente  als  Verzierung.  Er  hat  die  Kopfbinde 
und  einen  Weinlaubkranz.  Die  Locken  fallen  auf  beide 
Schultern  herab;  die  auf  der  linken  Schulter  geknüpfte  Ne- 
bris  durchschneidet  diagonal  die  Brust.  Unter  dem  Stumpf 
des  rechten  Armes  befindet  sich  eine  Schaale^  am  linken 
Arm  ein  mit  einem  Band  umwickelter  Stab,  der  oben  und 
unten  öine  eiförmige  Spitze  hat,  aber  doch  wohl  nichts  an- 
deres sein  soll,  als  ein  Thyrsusstab.  Aus  der  älteren  Eönigl 
Sammlung.    B.  a.  XIV.  ß.  5.     H.  4". 

Abg.  Beger  3,  242. 

1959.  Hermenbtiste  des  Bacchus,  an  der  Stimbinde 
kenntlich  und  den  auf  die  Schultern  herabhängenden  Haaren. 
Die  Herme  ist  bekleidet,  um  dem  einförmigen  Pfahl  mehr 
Leben  zu  geben.  Die  unförmliche  Ausladung  des  Kopfes  ist 
durch  die  Form  des  Ganzen  veranlasst.  Aus  der  Sammlung 
Koller.   H.  1%". 

1960.  Büste  des  Bacchus  mit  der  Nebris  quer  über 
der  Brust.  lieber  der  Stirn  eine  Blüthe,  an  den  Ohren 
herabhängende  Trauben,  Die  Büste  kommt  aus  einem  Blatt- 
kelch heraus,  darunter  noch  der  Ansatz  zu  einem  Geräth. 
Auch  am  Rücken  ist  ein  Ansatz.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
H,  3V4". 

1961.  Bacchuskind,  mit  Nebris  über  der  Brust  und 
Epheukranz,  auf  einem  Felsen  sitzend.  In  der  Rechten  hält 
es  den  Kantharus  und  zwar  so,  dass  er  ausfliessen  muss,  die 
Linke  liegt  auf  dem  Schenkel.  Die  Figur  befindet  sich 
auf  einer  trichterförmigen,  ausgezackten  und  am  Rand  durch- 
löcherten Basis,  die  irgendwo  als  Verzierung  aufgesetzt  war. 
H.  3V4". 

1961*-  Bacchuskind,  wenn  nicht  ein  Satyrkind,  mit 
dem  Fell  bekleidet.  Das  Kind  sitzt  und  streckt  den  rechten 
Arm  nach  Hülfe  aus,  weil  es  gern  aufstehen  möchte.   H.  1". 

1962.  Liber  und  Libera,  hermenförmig.  verbunden, 
ersterer  ganze  und  runde  Figur,  letztere  Büste.  Das  Ganze 
diente  nämlich,  wie  auch  aus  den  Zapfen  an  den  Füssen  des 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  41 1^ 

Liber  hervorgeht,  zur  Verzierung  eines  Gefässes,  so  dass  es 
etwa  einen  Henkel  bildete.  Die  Büste  der  Libera,  die  mit 
einem  Kranz  von  Trauben  geschmückt  ist,  worunter  links 
und  rechts  je  eine  versilberte  —  auch  die  Augen  sind  von 
Silber  eingesetzt  —  sendet  links  und  rechts  einen  Schwanen- 
kopf  aus,  zum  Anschluss  an  das  Gefäss.  Bacchus,  an  dessen 
Traubenkranz  auch  eine  versilberte  Traube  zu  bemerken,  ist 
mit  der  Nebris  und  den  hochgehenden  Sandalen  bekleidet 
In  der  erhobenen  Rechten  hielt  er  etwa  ein  Trinkhorn  und 
in  der  Linken  den  Kantharus.  Aus  der  Böcking'schen  Samm- 
lung.    H.  68/4". 

1962^  Bacchus  mit  dem  Hirtenstab  in  der  Linken  an 
einen  Pfeiler  gelehnt,  in  weicher,  schwärmerischer  Position. 
Relief  von  Blei. 

1963.  Silen  mit  dickem  behaartem  Bauch,  den  rechten 
Arm  ausruhend  auf  den  Kopf  legend.  Die  Hälfte  des  linken 
Armes  und  die  Beine  von  der  Wade  abwärts  fehlen.  Die 
Figur  war  irgendwo  angesetzt,  wie  man  am  Rücken  sieht. 
Auch  oben  ist  ein  Ansatz.  Vielleicht  Träger  eines  Geräthes, 
wie  die  Silene  auch  sonst  vorkommen.  Aus  der  Sammlung 
Koller.     H.  2^2". 

1964.  Bärtiger  Silen,  nach  Ohren  und  Physiognomie 
unverkennbar,  ganz  eingehüllt  in  einen  Rock,  der  in  sym- 
metrischen Falten  bis  an  die  Waden  herabreicht.  Auf  dem 
kahlen  Kopf  hat  er  eine  abnehmbare,  d.  h.  als  Deckel  die- 
nende Kapuze,  die  hmten  an  einem  Charnier  befestigt  ist 
Die  Figur  ist  hohl  und  oben  auf  dem  Kopf  durchbrochen. 
Hinten  ist  ein  Ring,  um  die  Figur  irgendwo  einzuhaken. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.     B.  1.   H.  272". 

19G5.  Satyrkind,  mit  beiden  Händen  einen  auf  der 
linken  Schulter  befindlichen  Korb  mit  Früchten  fassend.  Die 
Figur  scheint  an  einem  Griff  oder  desgleichen  befindlich  ge- 
wesen zu  sein, 'wovon  noch  ein  Ansatz  zurückgeblieben.  H.  1%". 

1965*-  Satyrknabe,  wenigstens  sind  die  Ohren  deut- 
lich satyrhaft,  mit  einer  kurzen  Exomis  bekleidet.  In  der 
Linken  hält  er  eine  tragische  Maske,  in  der  Rechten  einen 
oben  verstümmelten  Stab,  der  nicht  ein  Pedum  gewesen  ist 
Die  Figur  steht  an  einem  viereckigen,  hohlen,  etwas  ver- 
stümmelten Pfeiler.     H.  ii". 

27* 


420  ^^^  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

1966.  Silen,  Halbfigur,  mit  vorgestrecktem  Bauch  und 
eingestemmten  Armen,  als  ob  er  sich  gegen  eine  Last  stemmte, 
womit  auch  der  eingezogene  Kopf  stimmt.  Das  Ganze  ist 
nämlich  der  Fuss  eines  Geräthes,  die  Halbfigur  des  Silens 
entspringt  aus  einem  Blätterkelch,  der  sich  über  dem  als 
Thierklaue  geformten  Fuss  befindet.  Der  dickbäuchige  Silen 
trägt  das  Geräth,  begreiflicherweise  ausserordentlich  mtthsam. 
Sehr  geistreich.  Aus  der  älteren  Königl.  Sammlung.  B.  c. 
ß.  20.     H.  IV4". 

1967.  Bärtiger  Pan  mit  grossen  Hörnern,  eine  grosse 
Amphora  auf  der  linken  Schulter  tragend,  die  rechte  Hand 
ausstreckend.  Der  rechte  Fuss  fehlt.  In  der  rechten  Hand 
hatte  er  vielleicht  einen  Becher.  Aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy.     C.  27.     H.  2^3". 

1968.  Jugendlicher  Pan,  ein  Böcklein  auf  der  Schulter 
tragend.  Die  Figur  diente  zu  einer  Verzierung  aa  einem 
Geräth..  lieber  den  Armen  hängt  symmetrisch  das  Zi^en- 
fell  herab,  auch  beide  Arme  sind  ganz  symmetrisch  angeord- 
net, lieber  dem  Kopf  des  Pan  ragt  eine  Art  Korb  hervor, 
inwendig  ausgehöhlt.  Schön.  Aus  dem  Besitz  Bellori's. 
H.  SVs". 

1969.  Sehr  schlanke  Bacchantin  auf  einer  antiken 
Basis,  nackt  bis  auf  das  Pantherfell,  das  vorn  quer  über  die 
Brust  geht,  hinten  den  Rücken  und  einen  Theil  des  Ober- 
schenkel bedeckt.  Sie  hat  Schuhe  an  den  Füssen,  Binge  an 
den  Knöcheln  der  Arme  und  Beine  und  um  den  Hals  ein 
Halsband  von  Silber.  In  der  Linken  hat  sie  eine  Kanne,  in 
der  erhobenen  Rechten,  die  durchbohrt  ist,  trug  sie  wohl 
nicht  den  Thyrsus,  sondern  eher  ein  Trinkhorn.  Man  könnte, 
wenn  das  Fell  nicht  da  wäre,  zweifeln,  ob  es  eine  Bacchan- 
tin sei.     H.  8V3". 

1969*'  Epheubekränzte  Bacchantin,  in  lebhafter 
Bewegung  mit  flatternden  Gewändern,  Das  linke  Bein  tritt 
nackt  aus  dem  Gewand  hervor.  In  der  erhobenen  Linken 
hält  sie  ein  Gewandstück,  der  rechte  Arm  und  rechte  Fuss 
fehlen.  Der  Kopf  war  gebrochen  und  ist  mit  Blei  eingesetzt. 
Mit  Basis  8V2"  hoch.  Aus  Cäsarea  in  Cappadocien,  zusam- 
men mit  der  unter  n.  1875  aufgeführten  Minerva  von  dem 
Dragoman  der  preussischen  Gesandtschaft  in  Gonstantinopel 
Dr.  Busch  gekauft.    3530. 


Die  griecliisohen  Broncen  entwickelten  Styls.  421 

Priapus. 

Priap;  der  Dämon  üppiger  Fruchtbarkeit  wird  entweder 
hermenförmig  mit  aufgerichtetem  Geschlechtsglied  oder  in 
langer  weichlicher  Tracht,  die  aber  das  Geschlechtsglied, 
dessen  Hervortreten  eben  das  Charakteristische  in  der  Er- 
scheinung des  Dämons  bildet  und  bilden  muss,  nicht  oder 
nur  unvollkommen  verbirgt.  Die  erste  Darstellung  ist  die 
für  Priap  als  Wächter  der  Gärten  gewöhnliclie,  und  es  be- 
greift sich,  dass  für  diesen  Zweck  die  möglichst  einfache  und 
auf  das  Nothwendigste  beschränkte  Darstellung  gewählt  wurde. 
Wo  er  aber  in  Yerkehr  mit  anderen  Figuren  tritt  oder  wo 
die  Darstellung  höhere  Ansprüche  macht,  da  tritt  die  andere 
Tracht  ein,  die  aus  seiner  asiatischen  Herkunft  zu  motivireu 
ist.  Als  eine  dritte  offenbar  frei  aus  der  Phantasie  erfun- 
dene Bildung  bezeichnen  wir  die,  wo  Priap  am  Kopf  hahnen- 
artig charakterisirt  ist;  und  viertens  wird  Priap'  auch  pan- 
theistisch  vorgestellt,  umgeben  von  den  Attributen  anderer 
Götter.  Dies  ist  ein  neuer  Beleg  dafür,  dass  in  diesen  signa 
Panthea  eher  die  Frivolität  als  irgend  eine  tiefere  religiöse 
Idee  ihren  Ausdruck  fand. 

Ueber  die  gewöhnlichen  Darstellangen  vgl.  0.  Jahn,  Der.  d.  sächs. 
Geselisch.  d.  Wiss.  vom  Jahre  1855,  p.  235  ff.  £in  pantheistischer 
Priap  aus  Stein  in  natürlicher  Grösse  ist  in  Klausenburg  gefunden,  der 
ausser  den  ihm  als  solchem  zukommenden  Attributen  noch  den  Adler 
des  Zeus  neben  sich  hat,  ausserdem  die  Keule  des  Herkules,  darüber 
den  Blitz  und  auf  dem  Kopf  den  Modius«  Vgl.  bullet,  d.  inst.  1848, 
p.  181.     Ueber  hahuartige  Priapköpfe  bull.  1845,  p.  26. 

1970.  Priap,  aus  der  Sammlung  Minutoli.  B.  a.  XXL 
a.  1.   H.  2»//'. 

Der  Gott  trägt  zierliche  Schuhe  und  ein  langes  Aermel- 
gewand,  das  vorn  zu  einem  Schooss  aufgenommen  ist,  in 
welchem  sich  Aehren  und  allerlei  Früchte  befinden.  Durch 
diesen  Gestus  wird  der  grosse  Phallus  zum  Theil  sichtbar. 
Den  Kopf  umgiebt  ein  Kranz  von  Blumen  und  Weinlaub, 
zusammengehalten  durch  Bänder  mit  lang  herabhängenden 
Enden.  Die  Figur  ist  fein  ausgeführt,  auch  der  Kopf  hat 
einen  charakteristischen,  sinnlich  trunkenen  Ausdruck. 

1971.  Desgl.,  H.  2V2". 

Diese  Figur,  an  welcher  übrigens  die  Füsse  fehlen,  ent- 
spricht im  Wesentlichen  der  vorhergehenden,  nur  dass  sie 
den  Modius  trägt,  wie  jene  in  der  Note  der  Einleitung  er- 


422  I^iß  griechischen  Broncen  entwickelte«  Styls. 

wähnte  pautheistische.  Nicht  unmöglich  wäre,  dass  diese 
unten  nicht  vollständige  Figur  von  anderen  Attributen  um- 
geben und  daher  auch  pantheistisch  gewesen  wäre,  doch  Hesse 
sich  der  Modius  auch  aus  der.  eigensten  Natur  des  Priapus 
erklären.  Er  würde  ihn  mit  demselben  Hechte  tragen  wie 
Ceres  und  Serapis.  Die  Figur  ist  übrigens  sehr  symmetrisch 
componirt,  die  Beine  sind  dicht  geschlossen  und  die  Haltung 
der  Arme  ist  vollkommen  dieselbe.  Wahrscheinlich  hat  sie 
mit  einem  Geräth  in  Verbindung  gestanden. 

1971*-  Priap,  hermenförmig,  mit  vorgestrecktem  Phallus, 
die  Linke  in  die  Seite  gestützt,  in  der  Rechten  eine  Glocke 
haltend,  wovon  schon  oben  bei  den  Amuleten  die  Bede  war. 
Die  Herme  läuft  in  eine  Thierklaue  aus,  vermuthlich  diente 
das  Ganze  als  Geräthfuss.  Aus  der  älteren  Königl.  Samm- 
lung.    B.  a.  XXI.  a.  3.     H.  3^2"- 

1972.  Kopf  einer  Priapstatuette,  H.  2^6 "• 
Dieser  Kopf  hat  den  Kamm  und  die  Kinnlappen  und  die 

dicken  Auswüchse  hinter  den  Ohren  vom  Hahn;  Priap  sollte 
dadurch  als  ein  besonders  geiler  Dämon  charakterisirt  werden. 
Der  Habitus  der  ganzen  Figur  entsprach  dem  völlig,  denn 
der  Kopf  gehörte  gewiss  zu  einer  Figur,  wie  die  folgende. 

1972^-  Priap,  mit  hahnartigem  Kopf  und  sehr  grossem 
Phallus,  in  der  Rechten  einen  Beutel  haltend.  Zu  Beger^s 
Zeit,  unter  dem  die  Figur  angekauft  ist,  hing  noch  eine 
Glocke  an  der  Linken  und  an  dem  grossen  Phallus,  der 
unten  ein  Oehr  hat,  hingen  kleine  Phallen  und  eben  solche 
unten  vom  Beutel  herab.  Den  Beutel  trägt  Priap  vermuth- 
lich in  ähnlichem  Sinn  wie  Merkur,  afs  Spender  des  Reich- 
thums. 

Wir  können  über  die  Echtheit  oder  Unechtheit  dieser 
Figur  nicht  ins  Reine  kommen.  An  manchen  Stellen  ist  die 
Patina  ganz  schlecht,  an  anderen  sieht  sie  wieder  ganz  antik 
aus.  Wenn  die  Figur  modern  ist,  so  ist  sie  jedenfalls  nach 
einer  antiken  copirt,  da  sie  vollkommen  antik  gedacht  -ist 

Abg.  Beger  III,  266. 

Aesculap. 

1973.  Aesculap,  in  der  gewöhnlichen  Erscheinung,  in 
der  Rechten  den  Schlangenstab  haltend,  die  Linke  liegt  am 


Die  griechisclieu  Broncen  entwickelten  Styls.  423 

Körper  an.  Aus  der  älteren  EönigL  Sammlung.  B.  a.  XYÜL 
a.  3.  H.  1%". 

Abg.  Beger  III,  277. 

Fortuna. 

In  der  Darstellung  der  Fortuna  sind  drei  Typen  zu 
unterscheiden.  Zunächst  die  gewöhnliche  Darstellung,  in 
welcher  Fortuna  durch  das  Füllhorn  als  Spenderin  von  Glück 
und  Segen  und  durch  das  Ruder  als  Lenkerin  der  mensch- 
lichen Dinge  bezeichnet  wird.  Hierzu  kommen  noch  öfter  das 
Scheflfelmaass  auf  dem  Kopf,  das  sie  mit  den  Gottheiten,  die 
der  Erde  Fülle  und  Reichthum  spenden,  mit  Ceres,  Serapis, 
Priapus  theilt,  und  das  Rad,  das  ihre  Unbeständigkeit,  den 
beständigen  Umschwung  von  oben  nach  unten  charakterisiren 
solL  Sodann  die  Darstellung  der  Fortuna-Isis,  oder  richtiger 
Isis-Fortuna,  denn  Isis,  die  Tausendnamige,  führt  auch  den 
Beinamen  der  Fortuna,  sie  ist  der  Hauptbegriff;  und  der  Sinn 
der  Figur  ist  der,  dass  von  Isis  alles  Heil  und  Segen  stammt 
Endlich  die  pantheistische  Auffassung.  Auf  Fortuna  werden 
die  Attribute  möglichst  vieler  Götter  gehäuft,  offenbar  in  dem 
Sinne,  sie  als  Inbegriff  alles  Göttlichen  darzustellen.  Es  giebt 
keine  Götter  ausser  dem  Glück,  ausser  dem  Zufall,  ist  der 
frivole  Gedanke  dieser  Darstellungen,  die  für  den  religiösen 
Bankerott  des  Heidenthums  bezeichnend  sind. 

Gewöhnliche  Darstellung  der  Fortuna. 

1974.  Fortuna  mit  Stimkrone,  Modius  und  Füllhorn; 
das  Ruder,  das  sie  in  der  Hand  trug,  ist  nicht  erhalten.  Aus 
der  älteren  Sammlung.    B.  a.  XXHI.  a.  3.   H.  4". 

1975.  DesgL,  von  ganz  rohem  Styl.  Auch  hier  fehlt 
das  Ruder.  Gefunden  bei  Kula  in  der  Nähe  von  Smyrna. 
Vom  Generalkonsul  Spiegelthal  in  Smyrna  1856  eingesandt. 
3100.   H.  47»". 

1976.  Desgl.,  vom  Ruder  nur  ein  klein  Stück  erhalten. 
Aus  dem  Nachlass  des  Directors  Levezow  1840  erworben. 
2630.   H.  273". 

1977.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Böcking.  913.  H.2%". 
Vom  Ruder  und  Füllhorn  sind  nur  schwache  Reste  er- 
halten. 


424  ^*^  griechischen  BFoucen  entwickeiten  Styls. 

. .    1978.   DesgL,  gut  erhalten  und  niedlich.     Unter  dem 
Ruder  befindet  sich  das  Rad.     H.  2^1  2". 

Isis-Fortuna. 

1979.  Isis-Fortuna,  hübsche  und  unversehrt  erhaltene 
Statuette.  Sie  hat  Füllhorn  und  Ruder  in  den  Händen  und 
trägt  auf  dem  Haupt  den  Kopfschmuck  der  Isis,  den  von 
Hörnern  und  Federn  und  Aehren  umgebenen  Diskus.  Das 
Öbergewand  bedeckt  schleierartig  den  Hinterkopf,  die  Falten 
sind  mit  Gesclimack  gelegt.  Aus  dem  Besitz  Bellori's*  B.  a. 
XXm.  a.  1.   H.  5V2". 

Abg.  bei  Beger  III,  295. 

1980.  Desgl.,  mit  denselben  Attributen,  nur  dass  zum 
Kopfschmuck  noch  die  (der  Isis  entlehnte)  Mondsichel  und 
der  Modius,  das  Scheffelmaass  hinzugefügt  ist.  Die  linke 
Brust  ist  entblösst.  Vom  Füllhorn  ist  nur  das  untere  Stück 
erhalten.     Aus  der  Sammlung  Bartholdy.     C.  56.     H.  3\V'. 

1981.  Desgl.,  aus  der  älteren  Sammlung.   B.  a.  XXHL 

a.  6.   H.  3  Vi". 

Die  Attribute  sind  ganz  dieselben,  doch  die  Figur  ist 
fast  ganz  nackt,  indem  nur  ein  kurzer  Mäntel  einen  Theil 
des  Unterkörpers  bedeckt.  Das  Füllhorn  theilt  sich  in 
zwei  Aeste. 

1982.  Desgl.,  aus  der  älteren  Sammlung.    B.  a.  XXIII. 

a.  7.   H.  3V4". 

Die  Figur  stimmt  mit  der  vorhergehenden  vollständig 
überein,  sie  scheint  mit  ihr  aus  derselben  Form  zu  stammen. 

1983.  Desgl.,  sehr  ähnlich.  Die  Hände  mit  den  Attri- 
buten sind  verloren  gegangen.     H.  3". 

1984.  1985.  Zwei  desgl.,  bekleidet,  fast  gsuiz  überein- 
stimmend, n.  1984  aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  XXIII. 
er.  4,  n.  1985  aus  der  Sammlung  Koller.  An  letzterer  ist 
eigenthümlicher  Weise  eine  Stütze  unter  dem  Arm  befindlich. 
Ruder  und  Füllhorn  nur  theilweise   erhalten.     H.  2^/4"  und 

1986.  Desgl.,  ähnlich.  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
B.  a.  XXIII.  a.  5.    H.  22/3''. 


Die  griechischen  Broncen  entwiokdten  StyU.  426 

1987.  DesgL  Das  verstümmelte  Attribut  der  Beckten 
vermögen  wir  nicht  zu  ergänzen,  aber  ein  Ruder  war  es 
nicht.     Aus  der  Sammlung  Koller.     K.  3'^ 

Pantheistische  Fortunen. 

1988.  Pantheistische  Fortuna,  aus  dem  Besitz 
Bellori's.     B.  a.  XXIII.  a.  2.     H.  6". 

Zu  den  gewöhnlichen  Attributen  der  Fortuna  treten  hier 
liinzu  Flügel  und  Köcher,  Rehfell,  Schlange  und  Schaale. 
Letztere  scheint  übrigens,  da  sie  nicht  von  der  Hand  der 
Fortuna  berührt  wird,  in  anderem  Sinn  als  sonst  an  Götter- 
statuen angebracht  zu  sein.  Vermuthlich  ist  sie  nebst  der 
Schlange,  die  daraus  trinken  zu  wollen  scheint,  von  der 
Hygieia  entlehnt. 

Ausserdem  ist  das  Füllhorn  von  zwei  Büsten,  einer 
männlichen  bärtigen  und  einer  weiblichen,  überragt,  die  un- 
zweifelhaft Götter  vorstellen  und  eben  auch  nur  die  Summe 
der  in  dieser  Figur  vereinigten  Gottheiten  vermehren  sollen. 
Eine  im  britischen  Museum  befindliche,  überhaupt  sehr  ähn- 
liche Statuette  berechtigt  uns  zu  dieser  Auffassung.  Dieselbe 
zeigt  nämlich  über  dem  Füllhorn  sieben  zum  Theil  durch 
die  Attribute  deutlich  charakterisirte  Götter,  während  wir  in 
unserem  Fall  wohl  behaupten  dürfen,  dass  Götter,  nicht  aber 
welche  Götter  dargestellt  seien. 

Der  Unterarm  der  Figur  fehlte  und  ist  daher  die  Hand 
mit  dem  Füllhorn  unmittelbar  an  den  Ellenbogen  angesetzt. 
Die  Ausführung  der  Figur  ist  nicht  ohne  Sorgfalt. 

Abg.  bei  Reger  III,  295. 

1989.  Pantheistische  Fortuna,  aus  der  Bartholdy'- 
schen  Sammlung.     C,  57.     H.  372"- 

Zu  den  Attributen  des  Füllhorns,  des  Ruders  (von  dem 
nur  das  unterste  Stück  erhalten)  und  des  ägyptischen  Kopf- 
schmuckes treten  hier  hinzu  die  Aegis,  die  Flügel  und  ein 
oben  über  dem  Kopfschmuck  sitzender  Vogel,  dessen  Be- 
stimmung schwierig  ist,  weil  er  den  Kopf  verloren  hat. 

Luna. 

1990.  Luna,  den  Kopf  mit  dem  Himation  verschleiert, 
die  Mondscheibe  über  der  Stirn.   In  beiden  Händen  hielt  sie 


426  I^ic  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

Fackeln  und  zwar  aufwärts  gerichtete  Fackeln,  von  denen 
aber  nur  wenig  erhalten.  Sie  steht  mit  den  Fussspitzen  auf 
einer  Kugel  und  ist  auf  den  Erdball  zu  Endymion  nieder- 
steigend gedacht.    Aus  dem  Besitz  Bellori's.    H.  3". 

Abg.  bei  Beger  III,  p.  228. 

Helios. 

1990*-  Helios,  in  Relief,  kenntlich  an  der  Strahlen- 
kröne.  Die  Chlamys  bedeckt  die  link;e  Schulter  und  Arm. 
In  der  Rechten  hält  er  sein  gewöhnliches  Attribut,  die 
Peitsche.  Die  kleine  Platte,  auf  der  sich  das  Relief  befindet, 
ist  fragmentirt.    Sic  ist  auf  einem  Achat  befestigt    H.  */j". 

Viktoria. 

Unter  den  kleinen  Broncebildern  der  Viktoria  kommt 
besonders  häufig  ein  Typus  vor,  der,  wie  es  scheint,  einem 
im  Alterthum  hochberühmten  Kunstwerk  entspricht,  nämlich 
der  von  Augustus  aus  Tarent  nach  Rom  in  die  Curia  Julia 
versetzten  Viktoria.  Es  wird  zum  Verständniss  der  im  Fol- 
genden aufgeführten  Figuren  wichtig  sein,  eine  Reconstruction 
jener  Statue  zu  versuchen,  um  so  mehr,  als  die  Frage  eine 
kunsthistorische  Wichtigkeit  hat  und  ausserdem  die  richtige 
Erklärung  einer  der  schönsten  Marmorstatuen  des  hiesigen 
J^useuras  dadurch  gewonnen  wird. 

Auf  den  Münzen  des  Augustus  kommt  häufig  eine  Vik- 
toria vor,  die  den  unten  folgenden  Statuetten  durchaus  gleicht 
Man  sieht  sie  bald  en  face,  bald  im  Profil,  in  letzterem  Fall 
offenbar  am  treuesten,  da  in  der  anderen  Darstellungsweise 
vorspringende  Glieder  etwas  verändert  werden  mussten. 
Danach  schwebt  nun  Viktoria  mit  eng  zusammengeschlossenen 
Füssen  auf  eine  Kugel  herab,  die  sie  eben  mit  den  Fuss- 
spitzen berührt  und  hält  in  der  Linken  einen  über  der 
Schulter  liegenden  Palmzweig,  während  die  ausgestreckte 
Rechte  einen  Kranz  hinreicht.  Es  ist  Viktoria,  die  vom 
Himmel  auf  die  Erdkugel  herabgekommen  ist,  um  einen 
Sieger  zu  kränzen  und  die  ganze  Stellung,  die  eng  zusammen- 
geschlossenen Beine  sind  eben  dadurch  zu  motiviren,  dass  sie 
sich  auf  eine  (verhältnissmässig  kleine)  Kugel,  die  ja  nur  eine 
Andeutung  für  die  Phantasie  ist,  herabgelassen  hat.  Natür- 
lich kann  dabei  der  Faltenwurf  nicht  ruhig  sein,  sondern  das 
Gewand  flattert  heftig  nach  hinten. 


Die  griechischen  Bronccn  entwickelten  Styls.  427 

Diese  Figur  ist  nun  in  kleinen  Broncen  ausserordentlich 
häufig^  sie  kommt  aber  auch  in  grossen  Marmorstatuen  vor^ 
von  denen  zwei  durch  die  Restauration  freilich  unverständ- 
lich gewordene,  in  der  Rotunde  des  hiesigen  Museums  auf- 
gestellt sind.  Die  eine  derselben  ist  ein  ausgezeichnetes, 
man  möchte  sagen,  griechisches  Werk,  die  andere  genau 
übereinstimmende  dagegen  ganz  schlecht  und  nachlässig  ge- 
arbeitet. Die  Extremitäten  sind  an  beiden  neu,  man  erkennt 
aber  auch  aus  dem,  was  übrig  bleibt,  die  volle  üeberein- 
stimmung  mit  den  Broncen.  Wunderlich  ist  die  Restauration 
verfahren.  Die  Füsse  waren  bei  beiden  verloren  gegangen, 
man  hat  sie  einfach  angesetzt,  aber  ohne  die  Kugel,  die,  wie 
wir  sahen,  die  ganze  Stellung  erst  motivirt.  Ja  man  hat 
ihnen  überhaupt  keinen  Grund  gegeben,  wiewohl  man  doch 
von  den  Vögeln  hätte  lernen  können,  dass  geflügelte  Wesen 
gerade  dann  die  Beine  dicht  zusammenschliessen,  wenn  sie 
sich  auf  den  Boden  niederlassen.  Nun  starren  die  Füsse  in's 
Leere  hinaus,  denn  der  Block,  der  an  der  Hinterseite  der 
Figur  stehen  geblieben,  reichte  nicht  unter  die  Füsse  hinunter, 
diente  überhaupt  nur  als  Stütze,  wir  müssten  uns  daher  eine 
im  Herabschweben,  selbst  mitten  in  ihrer  Bahn  fixirte  Figur 
denken,  was  denn  doch  gegenüber  der  durch  Hinzufügung  der 
Kugel  so  natürlich  motivirten  Situation  höchst  wunderlich  wäre. 

Die  linke  Hand  der  Statue,  die  mit  sammt  dem  Arm 
neu  ist,  ist  richtig  ergänzt,  sie  soll  einen  Palmzweig  über  der 
Schulter  haltend  gedacht  werden.  Die  ebenfalls  ergänzte 
Rechte  hält  zwar  einen  Kranz,  aber  die  Art,  wie  sie  ihn 
hält,  ist  höchst  wunderlich  und  durchaus  unantik.  Wie 
anders  kann  eine  Viktoria,  die  vom  Himmel  herabschwebt, 
einen  Sieger  zu  krönen,  den  Kranz  halten,  als  indem  sie  ihn 
mit  einer  gewissen  Lebendigkeit  ausstreckt,  hinreicht?  Diese 
Statue  ist  gewiss  das  schönste  Exemplar,  das  uns  von  diesem 
Typus  erhalten,  die  Gewandung  ist  von  höchster  Lebendig- 
keit, mit  tief  geschnittenen  kühnen  Falten,  die  sich  scharf- 
kantig brechen,  wie  es  der  Natur  des  Leinenstoffes  entspricht. 
Nur  in  griechischen  Werken  wüssten  wir  Analogien  dazu^). 


^)  ßei  dieser  Gelegenheit  erlaube  ich  mir,  da  derjenige  Band  dieses 
Werkes,  in  welchem  die  Sculpturen  erklärt  werden,  noch  nicht  sobald  er- 
scheinen wird,  eine  Bemerkung  über  die  Restaurationen  in  unserer 
Sculpturcngallerie.  Ich  gestehe',  dass  ich  keine  Sammlung  kenne,  die 
im  Allgemeinen  und  insbesondere  auch  in  den  Restaurationen,  so  ver- 
walirlost  wäre,  wie  die  unsere.    Ea  wäre  Pflicht  der  Wissenschaft  ge- 


428  ^i®  griechischen  Broncen  entwidkelten  Styls. 

Trotzdem  ist  diese  Figur  kein  Originalwerk.  Betrachten 
wir  die  Münzdarstellang^  die  Stellung  der  Figur  auf  einer 
kleinen  Kugel;  so  giebt  sie  uns  offenbar  einen  nur  in  Bronce 

wesen,  wenigstens  in  den  Catalogen  auf  die  falschen  Restaurationen 
anfmerksam  zu  machen  und  das  Richtige  an  die  Stelle  zu.  setzen,  aber 
von  dem  Catalog  der  Sammlung  mag  ich  gar  nicht  redeo,  da  er  zn 
leichtfertig  geschrieben  ist,  als  dass  er  irgend  einen  Werth  hätte.  Ich 
will  eine  Anzahl  von  Beispielen  nach  der  Folge  der  Nummern  des  Ca- 
taloges  anfuhren. 

Unter  N.  8  ist  eine  Gruppe  von  Venus  und  Amor  aufgeführt^  in 
welcher  der  letztere  auf  einem  Seethier  stehend  eine  Fackel  vor  das 
Gesicht  der  Venus  zu  halten  sich  bemüht.  So  die  Restauration,  die, 
wie  ich  gestehe,  mir  vollkommen  unverständlich  ist.  Was  Amor  in  der 
Hand  gehalten,  ist  eigentlich  von  selbst  zu  errathen  und  wird  durch  ein 
genau  übereinstimmendes  Gemmenbild,  das  sich  im  Besitz  der  Frau  Ge- 
neralin von  Gansauge  hierselbst  befindet,  angegeben.  Er  hielt  nämlieh 
der  neuerstandenen  (jöttin  einen  Spiegel  vor,  um  darin  ihre  Schönheit 
zu  bewundem. 

N.  112  ist  die  früher  zur  Familie  des  Lycomedes  gehörige  und 
später  zum  Apollo  ergänzte  Figur.  Es  ist  nicht  zn  verstehen,  wie  man 
in  der  Zeit  von  Rauch — Tieck  einen  so  leidenschaftlich  bewegten  mn- 
sicirenden  Apoll  annehmen  konnte,  da  ja  gerade  diese  leidenschaftliche 
Haltung  dem  Wesen  des  Apoll  durchaus  widerspricht.  Eine  in  Rom 
befindliche  genau  übereinstimmende  Figur,  die  ihren  alten  Kopf  hat, 
zeigt,  dass  Dionysos  dargestellt  ist.  Uebrigens  ist  diese  falsch  ergänzte 
Figur  auch  auf  dem  Giebel  des  Opernhauses  wiederholt. 

N.  122.  Einem  Torso,  der  dem  in  Band  I,  n.  673  erwähnten  ge- 
wöhnlich auf  Narcissus  gedeuteten  Typus  genau  entspricht,  ist  ein 
Apollokopf  aufgesetzt,  wodurch  denn  die  Statue  unverständlich  wird. 

N,  127.  Ein  Torso,  welcher  einem  bekannten  Typus  des  Oanymed 
entspricht,  ist  hier  zu  einem  Hermes,  der  seinen  Beutel  in  ganz  unver- 
ständlicher Weise  in  die  Höhe  hält,  ergänzt.  Dass  die  Formen  viel  zu 
reich  für  Hermes  sind,  muss  auf  den  ersten  Blick  einleuchten. 

N.  173.  Torso,  dem  ohne  allen  Grund  ein  Bacchuskopf  aufgesetzt 
ist    Diese  Ergänzung  stammt  noch  aus  der  französischen  Zeit. 

N.  214  Dieser  Ganymed  entspricht  einem  bekannten  Typus  des 
Ganymed,  in  welchem  er  den  Adler  des  Zeus  auf  einem  Pfeiler  neben 
sich  sitzen  hat. 

N.  236.  Dieser  Antinous  ist  eine  Wiederholung  des  im  Capitol 
und  anderswo  repräsentirten  Typus  und  hätte  danach  ergänzt  werden 
sollen. 

N.  402*  Diese  Figur  ist  ein  Product  möglichst  manierirten  fran- 
zösischen Styls,  figurirt  indess  noch  immer  trotz  wiederholter  Erinnerung 
als  Antike. 

N.  579.  An  diesem  Sarkophag  ist  eine  Muse,  in  deren  Hand  sich 
der  Schreibgriffel  erhalten,  zur  Urania  restaurirt,  wiewohl  letztere  nicht 
den  Griffel,  sondern  den  Radius  fuhrt,  es  ist  Klio. 

N.  758.  Ein  zu  einer  Amazone  ergänzter  Torso.  Schon  die  ein- 
fache Thatsache,  dass  die  Figur  den  Köcher  auf  dem  Rücken  trägt, 
zeigt  die  Unrichtigkeit  der  Ergänzung,  denn  die  Amazonen  tragen  den 


J)ie  griechischen  Bronceu  entwickelteu  Styis.  429 

ZU  realisirenden  Typus  wieder  und  diese  Ueberzeugung  wird 
verstärkt;  sobald  wir  die  Marmorstatue  ansehen,  welcher  ein 
dicker,  übrigens  geschickt  versteckter  Block  zur  Stütze  an- 
gefügt ist  Das  Original  war  offenbar  von  Bronce  und  die 
im  Folgenden  an  erster  Stelle  aufgeführte  Figur  giebt  uns 
von  dem  ganzen  Arrangement  desselben  eine  durchaus  treue 
Vorstellung. 

Wir  haben  also  einen  bedeutenden  statuarischen  Typus 
griechischen  Styls  in  üebereinstimmung  mit  einer  Münze  des 
Augustus  gefunden,  und  eben  dieser  Umstand  wird  uns  be- 
rechtigen, die  bisher  ganz  vage  unbewiesene  Behauptung, 
dass  jene  Münzdarstellung  die  berühmte  aus  Tarent  ent- 
führte und  in  Rom  in  der  Curia  Julia  aufgestellte  Viktoria 
darstelle,  mit  Bestimmtheit  zu  wiederholen.  Wir  wissen  von 
jener  Statue  freilich  nichts  Näheres,  nur  dürfen  wir  annehmen, 
dass  sie,  weil  aus  Tarent  stammend,  ein  griechisches  Werk 
war  und  ferner,  dass  sie,  weil  beim  Leichenbegängniss  des 
August  vorangetragen,  von  Bronce  und  nicht  allzu  colossal 
war.  Aber  es  wäre  eigenthümlich,  wenn  Augustus  für  seine 
Münzen  einen  anderen  Typus  genommen  hätte,  als  diesen  zu- 
gleich so  berühmten  und  für  ihn  bedeutungsvollen. 

Man  könnte  mir  einwenden,  dass  auf  den  Münzen  des 
August  noch  eine  andere  Viktoria  vorkomme,  die  ebensowohl 
darauf  Ansprüche  machen  könne,  jene  tarentinische  zu  sein, 
nämlich  diejenige,  welche  sich  auf  ein  Schiffsstück  nieder- 
gelassen hat.  Sie  scheint  sogar  noch  das  vor  der  anderen 
vorauszuhaben,  dass  ihre  Beziehung  auf  den  Sieger  Augustus 
noch  viel  treffender  ist,  indem  sie  offenbar  direkt  auf  seinen 
Sieg  bei  Actiums  anspielt  Allein  es  ist  einmal  nicht  gewiss, 
ob  diese  beiden  Typen  wirklich  von  zwei  verschiedenen 
Werken  herrühren  oder  ob  sie  nicht  vielmehr  nur  ein  Typus 

Köcher  au  der  linken  Hüfte.  Zudem  ist  der  Körperbau  viel  zu  schlank 
und  zart  im  Vergleich  mit  dem  Amazonentypus,  es  ist  Artemis. 

N.  801.  Nach  der  Ergänzung  ein  junger  Athlet,  in  Wahrheit  aber 
ein  Antinous,  der  so  deutlich  wie  möglich,  sowohl  im  Kopf  als  im 
Körperbau  charakterisirt  ist. 

Diese  Beispiele  werden  genügen,  um  einen  Begriff  davon  zu  geben, 
mit  welcher  Sorglosigkeit  nicht  etwa  bloss  in  älterer  Zeit,  sondern  auch 
in  der  Periode,  als  Rauch  und  Tieck  am  Museum  thätig  waren,  die  Re- 
staurationen ausgeführt  wurden.  Denn  es  leuchtet  ja  ein^  dass  alle 
diebc  Fehler,  die  jetzt  störend  oder  irre  führend  wirken,  durch  einfache 
Zuziehung  eines  detailkundigen  Archaeologen  hätten  vermieden  werden 
können. 


430  I^ie  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

sind,  der  in  dem  letzteren  Fall  ein  wenig  modificirt  ist 
Denn  die  Attribute  und  die  Haltung  der  Arme  ist  genau  die- 
selbe, während  allerdings  in  der  Anordnung  der  Beine  ge- 
ändert ist.  Ausserdem  aber  müssen  wir  uns  darauf  berufen, 
dass  jene  auf  der  Kugel  stehende  Viktoria,  wie  gezeigt  wor- 
den ist,  einen  berühmten  statuarischen  Typus  vertritt,  wäh- 
rend die  andere  ganz  isolirt  steht. 

1991.  Viktoria,  die  Weltkugel,  auf  welche  sie  sich 
niedergelassen,  mit  den-Fussspitzen  berührend,  in  der  Linken 
den  Palmzweig,  in  der  ausgestreckten  Bechten  den  Eranz 
haltend.  Sie  trägt  eine  Stirnkrone.  Aus  dem  Besitz  Bellori's. 
B.  a.  XXV.  a.  1.    H.  5". 

1992.  Desgl.,  mit  einiger  Verschiedenheit  in  der  Hal- 
tung der  Arme.   Aeltere  Sammlung.  B.  a.  XXV.  a.  2.   H.  3". 

1993.  Desgl.,  mehr  der  erstgenannten  entsprechend. 
Palmzweig,  Flügel  und  der  rechte  Arm,  der  den  Eranz  hielt, 
sind  nur  theilweise  erhalten.  Aus  der  Sammlung  Koller.  H.  1  ^/g". 

1994.  Büste  der  Viktoria  in  Schildform,  die  als 
Verzierung  diente.  Sie  hat  Palmzweig  und  Eranz  in  de« 
Händen,  die  durch  Stützen  mit  dem  Grunde  des  Reliefs  ver- 
bunden sind.     Sammlung  Bartholdy.    C.  55.   H.  274". 

1995.  Kleines  Figürchen  der  Viktoria,  das  wahr- 
scheinlich als  Ohrring  diente.  Auf  dem  Eopf  befindet  sich 
nämlich  ein  Bing  zum  Anhängen  und  in  Gold  sind  sehr  viele 
als  Viktorien  gestaltete  Ohrringe  von  derselben  Grösse  er- 
halten. Man  liebte  es,  wie  schon  in  der  Einleitung  bemerkt 
wurde,  schwebende  Figuren  als  Ohrringe  zu  tragen. 

Das  Figürchen  hält  seine  Arme  so,  als  wäre  es  an  den 
Haaren  beschäftigt.  Die  Füsse  fehlen.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.   C.  54.   H.  1%''. 

Musen. 

1996.  Drei  Musen  in  Hochrelief,  Ornament.  Die 
mittlere  ist  sicher  Melpomene,  weil  neben  ihr  grösstentheils 
erhalten  eine  Eeule  sich  befindet.  Das  obere  Stück  derselben 
fehlt,  nebst  beiden  Händen  der  Muse.  Die  Figur  zur  Linken 
der  Melpomene  ist  wahrscheinlich  Thalia.     Der  Eopf  fehlt, 


Die  grieclüsclien  ßroncen  entwickelten  Styls.  431 

aber  in  der  Linken  ist  ein  Stück  eines  Stabes  zurückgeblieben, 
der  nach  der  Haltung  des  linken  Armes  auf  der  Schulter  ge- 
legen haben  muss,  wie  die  Thalia  den  Hirtenstab  trägt.  Die 
Muse  an  der  anderen  Seite  hat  eine  Schildkrötenleier,  also 
Erato  oder  Terpsichore.  Aus  der  älteren  königl.  Sammlung. 
B.  a.  XXIL  a.  1.     H.  2'',  breit  iVa". 


Harpokrates. 

Es  ist  bekannt,  dass  Harpokrates  ein  aus  Aegypten  ent- 
lehnter Gott  ist,  der  nach  seinem  Namen  dem  kleinen  Horus, 
dem  Kinde  des  Osiris  und  der  Isis  entspricht,  dass  aber  die 
Römer  die  ägyptischen  Bilder  dieses  Gottes,  welche  ihn  den 
Finger  an  den  Mund  legend  darstellen,  um  durch  diesen 
Eindergestus  seine  Jugend  zu  bezeichnen,  so  missverstanden, 
als  solle  dieser  Gestus  Schweigen  andeuten  und  ihn  dess- 
wegen  als  Genius  des  Schweigens  betrachtet  haben. 

Weniger  bekannt  ist  das  Verhältniss  der  römischen 
Darstellungsform  zur  ägyptischen.  Die  Aegypter  stellen  den 
kleinen  Horus  dar  als  nacktes  Kind  mit  dem  erwähnten 
Gestus,  mit  der  Königskrone  auf  dem  Kopf  und  endlich 
kahlköpfig  bis  auf  die  lange  Flechte,  die  am  rechten  Ohr 
herabhängt.  Diese  Flechte  ist  nichts  den  Horus  ausschliess- 
lich Charakterisirendes,  sondern  allgemein  eine  Kindertracht, 
die  ich  unter  Anderem  im  Museum  von  Kairo  an  vielen 
Kindern  in  Grabgruppeu  des  alten  Reiches  und  auch  noch 
im  jetzigen  Leben  auf  den  Strassen  von  Kairo  bemerkt  habe. 
Diese,  wenn  ich  so  sagen  darf,  national- ägyptische  Darstellung 
ist  selten  in  römischer  Kunst,  gewöhnlich  erscheint  Harpo- 
krates wie  in  den  Formen,  so  auch  in  der  Haartracht  ent- 
nationalisirt,  es  wird  ihm  überhaupt  das  Unlebendige,  Schema- 
tische des  ägyptisclien  Typus  genommen  und  er  fängt  an, 
sich  frei  und  natürlicli  wie  ein  wirkliches  Kind  zu  benehmen. 
Sein  gewöhnliches  Attribut  ist  das  Füllhorn  und  dies  ist 
eine  rein  römische  Zuthat,  die  schwerlich  auf  tiefere  Gründe 
zurückzuführen  ist,  sondern  wohl  nur  allgemein  einen  Segen 
bringenden  Genius  nach  Art  der  Laren  oder  des  Agatho- 
dämon  charakterisirt. 

Daneben  erscheint  Harpokrates  sehr  häufig  in  pantheisti- 
sclier  Auffassung  und  zwar  schon  früh,  da  die  unter  n.  2003 
aufgeführte  Bronce  noch  sehr  guter  Zeit  angehört. 


432  ^*ö  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

1997.  Harpokrates  in  gewöhnlicher  Auffassung.  Aus 
der  Sammlung  Minutoli.     B.  a.  XXVI.  a.  2.     H.  3". 

Die  gewöhnliche  Charakteristik  des  Harpokrates  in  rö- 
mischen Broncen  besteht  zunächst  in  dem  bekannten  Grestus, 
von  dem  eben  die  Rede  war.  Sodann  hat  er  an  Attributen 
den  sogenannten  Pschent,  die  ägyptische  Königskrone  von 
Ober-  und  Unterägypten,  auf  dem  Kopf  und  ein  Füllhorn 
im  Arm. 

Diese  sehr  niedliche  Figur  wurde  als  Amulet  getragen, 
wie  man  aus  dem  durch  eine  Locke  gebildeten  Ring  am 
rechten  Ohr  sieht.  Auch  an  der  linken  Hand  ist  ein  Haken, 
der,  wie  es  scheint,  wiederum  ein  Anhängsel  trug. 

Die  Füsse  fehlen  und  das  Füllhorn  sowie  das  vom  lin- 
ken Arm  herabhängende  Gewand  sind  etwas  beschädigt. 

1998.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Bartholdy.  A.  76., 
ganz  mit  der  vorigen  Nummer  übereinstimmend,  nur  besser 
erhalten.     H.  2V2". 

1999.  Desgl.,  ganz  übereinstimmend  bis  auf  die  un- 
wesentliche Verschiedenheit,  dass  Harpokrates  hier  den  linken 
Arm  auf  einen  Baumstamm  stützt.     H.  l*^/s". 

2000.  Desgl.,  H.  h^j^*,  ganz  übereinstimmend.  Aus 
dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  gekauft.    2739. 

2001.  Desgl.,  ganz  ähnlich  und  mit  Sicherheit  so  zu 
benennen,  wenn  auch  die  Attribute  fehlen  und  zwar  auch  der 
Kopfschmuck.  Aber  aus  der  Biegung  des  bis  an  die  Hand- 
wurzel erhaltenen  Armes  lässt  sich  der  für  Harpokrates 
charakteristische  Gestus  erkennen.  Auch  die  vom  linken 
Arm  und  Schulter  herabhängende  Chlamys  kommt  öfter  so 
bei  Harpokrates  vor.  Vom  linken  Arm,  der  auf  einen  Stamm 
sich  stützend  zu  denken  ist,  fehlt  etwas  mehr  als  die  Hand. 
H.  41/2". 

2002.  Harpokrates  mit  der  Flechte,  kleines  nacktes 
Figürchen,  das,  wie  man  aus  dem  hinten  angebrachten  Ring 
sieht,  als  Amulet  gedient  hat.  Die  Rechte  macht  den  be- 
kannten Gestus,  die  Linke  liegt  am  Leibe  an.     H.  1". 

2002*-  Harpokrates,  nackt  auf  der  Erde  sitzend,  die 
linke  Hand  aufstützend.  Er  ist  zu  erkennen  an  dem  Gestus 
der  Rechten  und  an  der  Locke  an  der  rechten  Seite  des 
Kopfes.    H.  2". 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  435 

2003.  Harpokrates  iu  panthcistischer  Auffassung. 
H.  28/4". 

Zu  den  im  Vorhergehenden  erwähnten  gewöhnlichen  Ab- 
zeichen des  Harpokrates  kommt  hier  zunächst  die  Bulla  hin- 
zu, die  als  Tracht  römischer  Kinder  bekannt  und  als  solche 
auch  dem  Harpokrates  umgehängt  ist.  Ausserdem  aber  sind 
dem  Knaben  Flügel,  ein  Rehfell  und  eine  Schlange  (die  sich 
am  FtÜlhorn  befindet)  beigegeben,  die  niclit  wohl  anders  als 
Entlehnungen  von  anderen  Göttern,  nämlich  von  Amor, 
Bacchus  und  Aesculap  zu  betrachten  sind. 

Die  Bronce  ist  von  ganz  besonderer  Schönheit,  obwohl 
sie,  wie  die  Bulla  bestimmt  andeutet,  römischen  Ursprungs 
ist  Die  Stellung,  die  das  auf  der  Erde  sitzende  Kind  an- 
genommen, ist  sehr  kindlich,  und  wahrhaft  wundervoll  sind 
die  weichen  und  doch  prallen  Kinderformen.  Im  Kopf  ist 
sogar  neben  dem  Charakter  des  Kindlichen  in  Formen  und 
Ausdruck  auch  der  ägyptische  Typus  sehr  treffend  ausgedrückt 

2004.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Koller.     H.  2^/V. 
Harpokrates  hat  hier  Flügel  und  ein  nicht  näher  be- 
stimmbares Fell, 

2005.  Desgl.,  aus  der  Sammlung  Minutoli.  B.  a.  XXVI 
ö.  1.     H.  iVa". 

Zu  den  gewöhnlichen  Kennzeichen  des  Harpokrates  treten 
hier  die  Flügel,  eine  Entlehnung  von  Amor,  hinzu,  sodann  der 
Köcher,  der  von  demselben  Gott  oder  von  Apoll  herüber- 
genommen  ist,  femer  das  Rehfell  des  Bacchus,  das  Sistrum 
der  Isis,  die  Schlange  des  Aesculap,  die  um  einen  Stamm 
gerollt  ist,  der  Pfau  (?)  der  Juno  und  endlich  ein  Hund,  der 
vielleicht  von  Diana  entlehnt  ist.  Die  Bestimmung  der  beiden 
letzten  Thiere  ist  weder  in  dieser  noch,  wie  es  scheint,  in 
anderen  ähnlichen  kleinen  Broncen  mit  Sicherheit  zu  machen. 

Eine  ähnliche  Figur  ist  n.  520  im  Louvre,  die  nach 
Longp6rier  Hund  und  Pfau  und  einen  Frosch  neben  sich  hat. 
Aehnlich  ist  auch  die  durch  Cuper's  und  Jac.  GronoVs  wider- 
wärtige Streitschriften  bekannte  Figur,  deren  Abbildungen 
aber  zu  schlecht  sind,  um  genau  darüber  urtheilen  zu  können, 

Isis. 

2005^-  Isis,  kenntlich  an  dem  Gewandknoten  zwischen 
den  Brüsten,  mit  einer  zum  Theil  zerstörten  Stirnkrone.    Die 

Pri«4«rich8,  Bttrlin's  Antike  Bildwerke  Tl.  o^ 


i 


434  ^^6  griechischen  ßroncen  entwiclselten  Siyls. 

linke  Hand  und  der  rechte  Unterarm  fehlen.   Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.     H.  4^4". 

2005»»-  Der  Apis   mit  Diskus   und   Uräus   und   dem 
Dreieck  über  der  Stirn.     Römischer  Styl. 

2005"*-   Desgl.,  weit  roher. 


Cybele  und  Attis. 

2005^-  Cybele,  Attis  und  Hermes,  auf  einer  ver- 
goldeten Bronceplatte,  die  1852  nebst  zwei  zugehörigen  Frag- 
menten vom  Grafen  Ingenheim  an's  Museum  verkauft  ist. 
3067.  3068.     H.  4V2",  Br.  31/2". 

Die  Platte  sieht  wie  ein  Theil  eines  Polygons  aus,  sie 
ist  durch  zwei  Falze  in  drei  Flächen  zerlegt,  von  denen  die 
beiden  an  den  Flügeln  hinter  der  mittleren  etwas  zurück- 
treten. An  der  rechten  Seite  bemerkt  man  deutlich  die 
Spuren  eines  Charniers.  lieber  dem  Ganzen  erhebt  sich  ein 
Giebeldreieck. 

Wir  glauben,  dass  diese  Platte  die  Thür  zu  einem  po- 
lygonal gestalteten  Kästchen  gebildet  hat,  das  zu  irgend  einem 
sacralen  Zweck  im  Cult  der  Cybele  diente.  Genau  überein- 
stimmende Kästchen  können  wir  freilich  nicht  anführen,  auch 
nicht  die  Verwendung  der  beiden  zugehörigen  Fragmente  be- 
stimmen. 

Die  drei  Figuren  des  Reliefs,  die  übrigens  getrieben 
sind,  befinden  sich  innerhalb  eines  Tempels,  dessen  Giebel 
durch  cannelirte  korinthische  Säulen  getragen  wird.  Der  mit 
seinem  Viergespann  strahlenbekränzt  aufsteigende  Helios  ist 
der  Schmuck  des  Giebelfeldes. 

Gerade  unter  ihm  sitzt  Cybele  auf  einem  reich  verzier- 
ten Thronsessel.  Die  Mauerkrone  und  die  Löwen,  deren  zwei 
wie  Wächter  ihren  Sessel  umgeben,  während  ein  dritter  jun- 
ger auf  ihrem  Schooss  liegt  und  von  ihr  geliebkost  wird, 
sind  ihre  gewöhnlichen  Attribute,  seltener  dagegen  ist  der 
Mohnkopf  in  ihrer  Rechten,  der  indessen  als  Entlehnung  von 
der  Ceres  gerade  hier,  wo  Cybele,  wie  sich  zeigen  vnrd,  als 
Mutter  Erde  fungirt,  besonders  passend  ist.  Die  Lehne  des 
Thronsessels  ist  oben  an  den  beiden  Ecken  mit  Figuren  ver- 
ziert, wie  schon  in  altgriechischer  Zeit  so  oft  an  feierlichen 
Thronen  der  Götter  erwähnt  wird.    Man  erkennt  zwei  kurz- 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  435 

bekleidete  P'igureii,  die  über  der  Göttin  einen  Kränz  empor- 
halten.  Auf  eine  Benennung  derselben  müssen  wir  verzichten. 

Rechts  neben  Cybele  steht  Attis,  auf  den  Hirtenstab  ge- 
stützt und  in  seiner  Rechten  das  ungewöhnliche  Attribut  der 
Blume  haltend.  Doch  ist  dies  Attribut  bei  der  Bedeutung 
des  Attis  als  Alles  schaffenden  Sonnengottes  itnd  Herrn  der 
Jahreszeiten  leicht  verständlich.  Ihm  gegenüber^  auf  der  an- 
deren Seite  der  Cybele,  steht  Merkur  in  bekanntem  Typus 
mit  Caduceus  und  Beutel. 

Im  Felde  über  Attis  bemerkt  man  eine  phrygische 
Doppelflöte  und  eine  Cymbel,  der  eine  andere  neben  Hermes 
correspondirt.  Es  sind  die  Instrumente;  die  im  Gybelecult 
gewöhnlich  waren. 

Die  Verbindung  dieser  drei  Gottheiten  ist  uns  auch 
durch  Inschriften  bezeugt.  Hermes  neben  der  Cybele  als 
Erde  und  Attis  als  Sonne  wird  wohl  mit  Recht  als  Gott  des 
Planeten  erklärt,  „der  als  der  nächste  Begleiter  der  Sonne 
den  Thierkreis  und  Jahresumlauf  am  geeignetsten  vertritt.^ 

Abg.   ia  den   Jahrbüchern   des   Rhein.    Altenhumsvereins   XXIII, 
Taf.  3.     Vgl.  p.  62  ff. 

Attis. 

2006.   Attis,  aus  dem  Besitz  Bellori's.   B.  a.  XX.  a.  1. 

H.  2«V'. 

Syrinx  und  Hirtenstab  sind  die  gewöhnlichen  Abzeichen 
des  Attis,  der  als  Hirt  von  der  Sage  bezeichnet  wird,  und 
die  phrygische  Mütze  deutet  seine  Herkunft  an.  Sie  ist  aber 
liier,  was  selten  vorkommt,  mit  Sternen  verziert,  wie  es  auch 
ausdrücklich  heisst,  dass  Cybele  ihrem  Liebling  den  stemen- 
geschmückten  Hut  aufgesetzt  habe,  den  wir  als  ein  Symbol 
orientalischer  Eönigswürde  auffassen  müssen^).  Eigenthümlich 
ist  auch  die  Gewandung  und  sichtlich  für  ihn  hergerichtet, 
indem  das  phrygische  Kleid  aufgeschlitzt  ist  und  zwar  so, 
dass  der  Bauch  ganz  nackt  hervortritt,  während  das  Gewand 
an  den  Beinen  an  bestimmten  Stellen  wieder  zusammen- 
genestelt ist,  so  dass  nun  Theile  des  Nackten  sichtbar  sind. 
Es  sollen  die  weichen,  üppigen  Formen  des  Eunuchen  —  denn 


^)  Anch  unter  den  Hildesheimer  Silberrachen  ist  die  für  Lnnns  er- 
klärte Figur  eben  wegen  der  Sterne  am  Hut  ein  Attis,  worauf  wir  im 
nächsten  Bande  des  Näheren  zumckkommeu. 

28* 


436  I^i®  griechisohen  Broncen  entwickelten  Styls. 

Attis  hatte  sich  nach  der  Sage  selbst  eutmaunt  —  zur  An- 
schauung kommen.  Mit  diesem  Charakter  der  Körperformen 
steht  auch  das  Gesicht  vollständig  im  Einklang. 

Im  Allgemeinen  haben  die  Attisdarstellungen  wenig 
künstlerischen  Werth,  am  meisten  noch  diejenigen,  in  denen 
Attis  in  sanftdr  Melancholie  dargestellt  ist,  eine  Auffassung, 
die  nach  seiner  Geschichte  sehr  nahe  lag.  Es  muss  freilich 
von  all  den  fremden  Gülten,  die  in  der  letzten  Zeit  des 
Heidenthums  Rom  überschwemmten,  bemerkt  werden,  dass  sie 
für  künstlerische  Gestaltung  ausserordentlich  wenig  Ausbeute 
gegeben  haben.  Es  waren  eben  nicht  hellenische,  zu  ethischen 
und  darum  künstlerischen  Charakteren  ausgeprägte  Gestalten, 
sondern  Gottheiten  von  symbolischem  und  ceremoniellem  Wesen. 
,  Die  Ausführung  unserer  Figur  ist  ziemlich  sauber. 

2007.  DesgL,  in  derselben  Tracht,  die  Rechte  an  die 
Mütze  legend,  in  der  Linken  den  Rest  eines  Hirtenstabes 
haltend.  Der  untere  Theil  des  linken  Beines  fehlt.  Die 
Figur  steht  an  einem  viereckigen,  SVg"  hohen,  inwendig 
hohlen  Pfeiler,  der  irgendwo  befestigt  war.  Durch  diesen 
Pfeiler  erklärt  sich  auch  die  Stellung  der  Figur.  Aus  der 
älteren  königl.  Sammlung.   B.  a,  XX.  a.  2.   H.  2V2"- 

Abg.  bei  Beger  III,  292. 

2007*-  Attis,  mit  phrygischer  Mütze,  Chiton  und  Chla- 
mys  bekleidet,  sitzt  auf  einem  Stein.  Er  hat  das  rechte 
Bein  heraufgezogen  und  den  rechten  Ellenbogen  darauf  ge- 
stützt und  seinen  Kopf  trauernd  auf  die  Hand  gelegt.  Man 
könnte  auch  den  trauernden  Barbarenknaben  auf  dem  grossen 
Pariser  Cameo  vergleichen.  Aus  der  Sammlung  Bartholdj. 
C.  43.   H.  2". 

2008.  Desgl.     H.  13/^''. 

Dies  kleine,  rohe  Figürchen,  das  mit  einem  üeräth  in 
Verbindung^  stand,  ohne  dass  wir  sagen  könnten  wie,  re- 
präsentirt  genau  denselben  Typus  des  Attis,  der  auf  spät- 
römischen Grabsteinen  nicht  ganz  selten  vorkommt.  In  wel- 
chem Sinne  man  diese  trauernde  Gestalt  auf  die  Grabsteine 
setzte,  ist  nicht  ganz  leicht  zu  sagen,  vermuthlich  in  dem- 
selben Sinn  wie  die  Mythen  auf  den  Sarkophagen,  nämlich 
als  ideales  Vorbild,  dessen  trauriges  Loos  dem  des  Verstor- 
benen analog  betrachtet  wird. 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  437 

Vgl.  Urlichs,  Rhein.  Jahrb.  XXIII.  XXIV,  p:  49  und  in  derselben 
Zeitschrift  XIX,  p.  160  nebst  Hurzen  in  Annali  1856,  p.  110  ff. 

Der  Gott  Bes. 

2008*-  Monströse  Figur,  der  Gott  Bes,  der  unter 
den  ägyptischen  Alterthümern  oft  vorkommt,  übrigens  als 
asiatische  Importation  betrachtet  wird.  Die  Figur  steht  auf- 
recht, aber  die  Kniee  sind  ein  wenig  eingeknickt,  als  habe 
sie  eine  Last  zu  tragen.  Dazu  stimmt  auch  die  Haltung  der 
Hände,  die  sich  auf  die  Hüften  stützen,  so  dass  die  Schultern 
tragfähiger  werden.  Offenbar  hat  die  Figur  als  Stütze  ge- 
dient, vermuthlich  von  einem  Spiegel,  wie  sie  auch  unter  den 
ägyptischen  Alterthümern  öfter  vorkommt.     H.  5". 

Vgl.  Mariette,  Notice  des  monuments  principaux  du  musee  d'anti- 
quites  egyptiennes  a  Boulag  n.  188. 

2008**-  Barbarisches  Idol  mit  einem  Januskopf,  mit 
Kränzen  am  Oberkörper  umwunden.  In  der  einen  Hand  einen 
Zweig,  in  der  anderen,  wie  es  scheint,  eine  Muschel  haltend. 

Phrygischer  Sonnengott  (?). 

2008^-  Erzrelief,  wahrscheinlich  ein  ex  voto,  oben 
und  unten  ein  viereckiges  Loch  zur  Befestigung.  Die  Mitte 
des  Ganzen  nimmt  ein  bärtiger,  kurz  bekleideter  Mann  mit 
phrygischer  Mütze  ein,  auf  einem  sprengenden  Pferd  sitzend, 
in  der  Rechten  eine  Axt  haltend,  wie  zum  Schlage  bereit. 
Die  Vorder-  und  Hinterfüsse  des  Pferdes  und  das  rechte 
Bein  des  Reiters  treten  auf  einen  der  Länge  nach  unter  dem 
Pferde  ausgestreckten,  kurzbekleideten  Jüngling.  Vor  dem 
Pferde  steht  eine  verschleierte  Frau,  deren  Geberde  etwa 
als  bittend  zu  deuten  sein  möchte.  Hinter  ihr  steht  ein  eben- 
falls kurz  bekleideter  Manu,  der  auch  eine  phrygische  Mütze 
zu  tragen  scheint,  welcher  in  der  Rechten  ein  Trinkhorn  er- 
hebt, wie  man  es  an  den  Laren  ganz  ähnlich  findet.  Ueber 
der  Frau  befindet  sich  das  vielgedeutete,  leiterähnliche  Ge- 
räth,  das  auf  unteritalischen  Vasen  so  häufig  ist.  Hinter  dem 
Reiter  steht  ein  kurz  bekleideter,  bärtiger  Mann  mit  phry- 
gisclier  Mütze,  in  der  Linken  einen  Schädel  oder  eine  Maske 
haltend,  in  der  Rechten,  die  erhoben  ist,  einen  Stab,  der 
nicht  ganz  sichtbar  ist.  Ueber  ihm  ein  Widderkopf.  In  der 
unteren   Darstellungsreihe    sieht    man    zuerst   einen   Widder 


438  Pi^  griechischen  Broncen  entwickelten  StyU. 

und  über  ihm  eine  Schaale  oder  wohl  eher  eine  Lampe; 
dann  einen  Stier^  dann  auf  einem  Dreifuss  einen  Fisch,  end- 
lich einen  Vogel  mit  langem  Schnabel  und  über  ihm  einen 
Krater.  Die  Darstellung  wird  an  jeder  Seite  begränzt  durch 
eine  Palme,  aus  welcher  sich  je  eine  Schlange  entwickelt,  die 
sich  über  der  Mittelgruppe  mit  den  Köpfen  zusammenbiegen, 
doch  so,  dass  sie  noch  durch  eine  Löwenmaske  getrennt  sind, 
üeber  diesen  Schlangen  befindet  sich  links  oben  in  der  Ecke 
die  strahlenbekränzte  Büste  des  Helios  mit  Hörnern  an  deu 
Schultern,  neben  ihm  ein  Stern,  ihm  correspondirend  an  der 
anderen  Ecke  ebenfalls  eine  Büste  mit  Hörnern  an  der  Schul- 
ter, aber  ohne  Strählen  am  Kopf,  gewiss  Luna,  und  vor  ihr 
auch  ein  Stern.  Die  im  unteren  Räume  befindlichen  Thiere 
sind  offenbar  Opferthiere,  wofür  auch  der  Krug  passt.  Eine 
sichere  Erklärung  dieses  Reliefs  ist  noch  nicht  gefunden. 
Hoch  41/2",  breit  48/4". 

Abg.  Monum.  d.  inst.  IV,  88,  1.    Vgl.  Arch.  Ztg.   1849,  p.  64. 
Anm.  64.    Rhein.  Jahrb.  XXII,  41. 

Bonus  Eventus. 

2009.  Bonus  Eventus,  ein  Jüngling  mit  reichgelock- 
tem und  fichtenbekränztem  Haar,  mit  demHimation  bekleidet, 
das  den  unteren  Theil  des  Körpers  und  den  linken  Arm  be- 
deckt. In  der  linken  Hand  hält  er  den  von  seinem  Füll- 
horn übrig  gebliebenen  Griff,  in  der  Rechten  eine  Schaale, 
worauf  Früchte  liegen.  Hier  also  ist  die  Schaale  nicht  ge- 
dacht als  zum  Empfang  der^ Spende  bestimmt,  sondern  zum 
Austheilen  der  Gaben.  Der  rechte  Fuss  fehlt.  Aus  dem 
Besitz  Bellori's.   H.  5V2". 

Abg.  Beger  UI,  289. 

2010.  Derselbe  Typus,  nur  etwas  kleiner.  Das 
Füllhorn  ist  abgebrochen,  aber  erhalten,  auch  die  rechte 
Hand,  die  eine  Schaale  hielt,  ist  verstümmelt  und  dann  fehlen 
beide  Füsse.  Gefunden  am  unteren  Rhein  bei  Niederbiber. 
Durch  Director  Rein  in  Crefeld  1859  besorgt     H.  5  72"« 

Die  Laren. 

Es  ist  eine  doppelte  Classe  von  Laren  zu  unterscheideD, 
die  zunächst  in  den  Attributen  unterschieden  sind,  insofern 


Die  griechiscfaea  ßroncen  entwickelten  Style.  439 

die  E^en  Füllhorn  und  Schaale  oder  statt  letzterer  Aehren 
halten,  während  die  Anderen  aus  einem  Hörn  in  eine  Schaale 
oder  in  einen  Krug  einschenken.  Sie  sind  sich  in  der  Tracht 
vollkommen  gleich^  höchstens  dass  letztere  manchmal  im 
blossen  Chiton  erscheinen,  während  erstere  wohl  immer  mit 
Chiton  und  Mäntelchen  bekleidet  sind.  Auch  im  übrigen 
Habitus  ist  keine  Verschiedenheit  da,  bis  auf  die  Stellung, 
indem  diese  ruhig  stehen,  während  jene  oft  einen  tänzelnden 
Schritt  haben. 

Indessen  sind  doch  beide  Classen  bestimmt  zu  trennen, 
weil  die  mit  dem  Füllhorn  versehenen  Laren  eine  offenbar 
selbständigere  Bedeutung  haben  als  jene  anderen.  Diese 
Laren  sind  für  sich  selbst  vollkommen  verständlich,  es  sind 
freundliche  Genien  der  Flur,  deren  Gaben  sie  bieten.  Wir 
dürfen  sie  gewiss  als  Lares  rurales  bezeichnen. 

Sehr  schwierig  sind  dagegen  die  anderen  zu  erklären, 
Sie  treten  paarweise  auf  und  sind  so  oft  mit  einem  Genius 
als  Hauptfigur  verbunden,  dass  sie  in  der  That  nur  unselbst- 
ständige,  untergeordnete  Wesen  zu  sein  scheinen.  Auch  ist 
ihre  Action,  das  Einschenken  von  Wein  nicht  etwas  in  sich 
Beschlossenes,  sondern  auf  einen  Anderen  Bezügliches.  . 
Wir  gehen  daher  in  ihrer  Erklärung  von  den  so  häufigen 
Darstellungen  aus,  auf  welchen  der  Genius  mit  dem  Füllhorn 
als  Hauptperson  in  der  Mitte  steht  und  umgeben  ist  von 
diesem  Larenpaar.  Der  Genius,  in  der  Tracht  und  Haltung 
des  Opfernden,  kann  wohl  nicht  anders  verstanden  werden, 
als  dass  er  opfert  für  die  von  ihm  repräsentirte  Familie  und 
die  Laren,  die  ihn  umgeben,  bringen  den  Wein  zu  diesem 
Opfer,  sie  werden  daher  treffend  und  mit  Recht  als  Opfer- 
diener bezeichnet. 

Den  tänzelnden  Schritt,  den  einige  der  beim  Opfer 
assistirenden  Laren  haben,  möchten  wir  nicht  als  eine  An- 
deutung wirklichen  Tanzes  fassen,  was  mit  der  Opferhand- 
lung und  mit  der  eigenen  Action  der  Laren  nicht  recht  ver- 
einbar scheint,  vielmehr  ist  es  wohl  ähnlich  zu  beurtheilen, 
wenn  Nike  mit  eiligem  Schritt  und  zierlich  auf  den  Fuss- 
spitzen  wandelnd  herankommt,  um  dem  Apoll  einzuschenken. 
Es  ist  der  Ausdruck  einer  sorglichen,  eilfertigen  Geschäftigkeit. 

Wir  halten  es  nicht  für  unmöglich,  dass  diesen  Laren- 
figuren ein  altgriechischer  Typus  zu  Grunde  liegt.  Das  zier- 
liche, tänzelnde  Schreiten  auf  den  Fussspitzen,  auch  die  regel- 
mässige Zickzackfältelung  der  Obergewänder  erinnern  lebhaft 


440  ^'^  griechischen  Broncen  entwickesHen  Styls. 

an   Figuren   des    alten  Styls.     Etwas  Näheres  lässt  sich  in- 
dessen nicht  angeben. 

Ueber  die  Lareu  ist  neuerdings  Manches  geschrieben,  doch  sind 
überzeugende  Resultate  dabei  nicht  gewonnen.  Gegen  die  Ansichten 
Jordan^s  in  dem  Aufsatz  de  larum  imaginibus  atque  cuitu  in  Annali 
1862  p.  300  ff.  und  im  Berliner  Winkeimannsprogramm  von  1867  vcr- 
liält  sich  der  Text  zweifelnd,  während  ich  mir  aus  Relfferscheid's  Ab- 
handlung de  larum  picturis  Pompejanis  iu  Annali  1863  p.  130  die  Auf- 
fassung der  Gruppe  des  Genius  mit  den  Laren  angeeignet  habe,  üebri- 
gens  ist  hier  nicht  einmal  der  Anfang  zu  einer  Sichtung  des  Materials 
gemacht.  Jordan  zählt  von  der  einen  Gattung  der  Laren  sehr  viele 
Fälle  auf,  aber  ich  glaube  es  wäre  besser  gewesen,  statt  dessen  die 
verschiedeneu  Gattungen  der  Laren,  wenn  auch  nur  in  einzelnen 
Beispielen,  zu  erwähnen.  Eine  sehr  interessante  Bronce  befindet  sich 
im  Louvre  n.  464  in  der  notice  des  bronces  antiques  du  Louvre  von 
Longperier,  der  sie  auch  genauer  beschreibt.  £s  ist  ein  Lar  mit  Rhytoo 
und  Schale,  mit  einem  Hundsfell  bekleidet  und  in  einer  Stellung,  die 
man  eher  als  die  eines  Tanzenden  auffassen  könnte,  als  die  der 
anderen  Laren. 

2011.  Lar,  mit  einem  Chiton,  der  wie  vom  Winde 
zurückgeweht  erscheint,  bekleidet  Darüber  trägt  er  die 
Chlamys  sehr  hübsch  angeordnet,  so  dass  die  Zipfel  vom  bis 
über  die  Knie  herabhängen,  symmetrisch  gefältelt.  Auf  dem 
Kopf  hat  er  einen  Fichtenkranz  mit  herabhängenden  Bändern, 
an  den  Füssen  Sandalen.  In  der  linken  Hand  trägt  er  ein 
Füllhorn,  in  der  rechten  eine  Schale.  Aus  der  Sammlung 
Koller.  JI.  38/4". 

2012.  Derselbe  Typus.  Das  Füllhorn  in  der  Linken 
ist  erhalten,  die  Schale  in  der  Rechten  fehlt  mit  dem  Vorder- 
arm und  rechten  Fuss.  1840  aus  dem  Nachlass  des  Director 
Levezow  erworben.    H.  2^/2". 

2013.  Derselbe  Typus,  die  Attribute  sind  nicht  er- 
halten, aber  man  sieht  noch,  dass  und  wie  er  sie  hielt.  Aus 
der  Sammlung  Koller.   H.  472". 

2014.  Derselbe  Typus,  nur  dass  die  Figur  in  der 
Rechten  statt  einer  Schale  Aehren  trägt.  Sie  steht  auf 
antiker  Basis.   R  4^8". 

2015.  DesgL,  mit  einem  Kranz  auf  dem  Kopfe,  von 
welchem  Bänder  herabhängen.  In  der  Linken,  von  welcher 
etwas  mehr  als  die  Hand  weggebrochen,  hielt  er  die  Schale, 
in  der  erhobenen  Rechten^  an  welcher  die  Finger  verstümmelt 


D!e  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  '  441 

sind;  ist  ein  Trinkhorn  vorauszusetzen.  Die  Beine  sind  weg- 
gebrochen, auch  eine  Partie  des  Gewandes  an  der  linken 
Seite  fehlt.   Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   C.  49.   H.  4^/4". 

2016.  Desgl.,  vollständig  erhalten,  in  tänzelnder  Be- 
wegung. Er  hält  in  der  Linken  die  Schale,  in  der  Rechten, 
deren  Hand  fehlt,  ist  das  Khyton  vorauszusetzen.  B.  a.  XXXI. 
a.  2.   Aus  dem  Besitz  Bellori's.    H.  2%". 

2017.  Aehnliche  Figur,  nur  ist  der  linke  Arm  er- 
hoben und  der  rechte  vorgestreckt.  Beide  Hände  mit  den 
Attributen  fehlen.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy,  C.  48. 
H,  3". 

2018.  Derselbe  Typus,  die  Hände  haben  die  Attribute 
verloren  und  sind  selbst  etwas  beschädigt.  Auch  der  linke 
vortretende  Fuss  ist  abgebrochen  und  an  dem  anderen  ist 
die  Spitze  restaurirt     Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  5^/4". 

2019.  Desgl.,  im  Ganzen  mit  den  anderen  Darstellungen 
übereinstimmend,  aber  ruhig  stehend.  In  der  Linken  erhebt 
er  eine  Schale,  in  der  gesenkten  Rechten,  welche  abgebrochen 
war,  hält  er  den  Rest  eines  Trinkhorns.  Aus  der  älteren 
königl.  Sammlung.    B.  a.  XXXL  «i  6.   H.  3^/4". 

2020.  Ganz  übereinstimmende  Figur,  aus  derselben 
Form.     Sie  ist  ganz  ohne  Beschädigung  erhalten.   H.  8^/4". 

Man  könnte  bei  diesen  beiden  Figuren  einige  Bedenken 
hinsichtlich  ihrer  Aechtheit  haben. 

Genius. 

Vom  Genius  war  schon  eben  bei  den  Laren  die  Rede. 
Er  wird  dargestellt  opfernd  für  das  Wohl  der  Familie,  mit 
halb  verhülltem  Haupt  und  der  Opferschale  in  der  Rechten. 
In  der  Linken  trägt,  er  das  Füllhorn,  das  Symbol  des  segens- 
reichen Dämons. 

2021.  Römischer  Genius  mit  der  Toga,  die  den 
Hinterkopf  verhüllt,  in  der  Linken  ein  Füllhorn,  in  der 
Rechten  die  Schale  haltend.  Am  Gewand  läuft  von  der 
Schulter  vertikal  ein  eingelegter  Silberstreif,  wie  man  ihn 
ähnlich  an  Camillen-Tänzern  und  ähnlichen  Figuren  si^ht. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  59.   H.  5". 


442  ^^^  griechiecben  Broocen  entwickeUen  Styls. 

2082.  Derselbe  Typas,  an  welchem  nur  der  linke 
Vorderfaßs  fehlt.  Die  Figur  steht  auf  einer  kleinen^  vier- 
eckigen antiken  Basis.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  Q.60. 
H.  4V6"  mit  Basis. 

2023.  Derselbe  Typus,  t?ie  sich  wohl  mit  Sicherheit 
sägen  lässt,  wenn  auch  beide  Häude  mit  den  Attributen  ver- 
loren  gegangen   sind.     Aus  .der   älteren   königl.    Sammlung. 

B.  a.  XXX.  a.  4.   H.  4". 

2023*-  Derselbe  Typus,  beide  Hände  fehlen,  im  linken 
Ellenbogen  ist  aber  das  Füllhorn  erhalten.  H.  2^2^'  mit  Basis. 

Flussgott. 

2023^-  Schöne  Büste  eines  jagendlichen  Fluss- 
gottes^  kenntlich  an  der  Schilfbekränzung  und  an  dem  pathe- 
tischen Ausdruck,  der  den  Dämonen  des  Meers  eigen  ist. 
Der  Kopf  ist  seitwärts  gewandt  und  über  den  Augen  bemerkt 
man   einen   schmerzlichen  Zug.    Aus  der  SammL  Bartholdy. 

C.  75.   H.  3". 

Herkules. 

Der  Typus  des  Herkules,  der  in  lebendiger  Angriffs- 
stellung mit  geschwungener  Keule  in  der  Rechten  und  den 
Bogen  in  der  ausgestreckten  Linken  haltend  dargestellt  ist^ 
ist  wohl  in  allen  Museen  der  gewöhnlichste.  Er  kommt  in 
allen  Stylen  vor,  etruscisch,  griechisch,  römisch,  und  sowohl 
in  völliger  Rohheit  als  in  feiner  Ausführung. 

Verfolgt  man  diesen  Typus  nach  rückwärts,  so  stösst 
man,  als  auf  das  relativ  älteste  Exemplar,  auf  eine  kleine, 
altgriechische  Bronce,  die  sich  in  der  Privatsammlung  des 
Herrn  Oppermann  zu  Paris  befindet  und  durch  die  Liebens- 
würdigkeit des  Besitzers,  der  mit  grösster  Freigebigkeit  die 
Photographien  derselben  vertheilt^),  vielleicht  schon  in  wei- 
teren Kreisen  bekannt  ist.  Diese  Bronce  ist  zugleich  trotz 
ihres  specifisch  alterthümlichen  Charakters  die  schönste  von 
allen.    Herkules   ist  ganz   Leben   und  Aktion,   er  hat  jene 


^)  Keknie,  der  diese  Figar  im  bullet,  p.  65  nach  Gebühr  würdigt, 
bemerkt,  dass  sie  schon  von  F.  Leaormani  publiciri  sei.  Ich  bedanre, 
dass  mir  diese  Pnblication  nicht  zu  Gesicht  gekommen  ist. 


Die  griechischeD  Broncen  entwickelten  Styl«.  443 

hastig  gewaltsame  Schrittstellang^  die  der  alteu  Kunst  eigen 
ist  und  ist  überhaupt  für  das  Ringen  des  alten  Styls^nach 
Leben  und  Ausdruck  ein  höchst  charakteristisches  •  Werk. 
Den  (nur  halb  erhaltenen)  Bogen  hält  er  in  der  ausgestreckten 
Linken,  die  Keule  in  der  Rechten  ist  roUständig  erhalten. 
Das  Motiv,  den  Bogen  mit  der  Linken  auszustrecken,  ist 
eigentlich  nicht  recht  verständlich  und  könnte  auch  nur  im 
alten  Styl  vorkommen.  Denn  man  begreift  nicht,  wozu  ihm 
der  Bogen  in  dieser  abnormen  Haltung  nützen  soll  und  warum 
er  es  sich  nicht  bequemer  mit  ihm  macht.  Aber  es  scheint 
dem  alten  Styl,  der  überhaupt  seinen  Figuren  lieber  zu  viel 
als  zu  wenig  Attribute  giebt,  zu  entsprechen,  dass  Herkules 
auch  hier  Bogen  und  Keule  in  den  Händen  hat 

Es  liegt  bei  dieser  künstlerisch  durchgeführten  Figur 
die  Yermuthung  nahe,  dass  sie  uns  das  Werk  eines  Künstlers 
alter  Zeit  aufbewahrt  habe  und  in  der  That  wird  uns  von 
einer.  Statue  des  Onatas,  des  berühmtesten  Künstlers  der 
äginetischen  Schule  berichtet,  die  in  den  Attributen  eine  auf- 
fallende Uebereinstimmung  mit  dieser  Bronce  verräth.  Onatas 
machte  nämlich  für  die  Thasier  einen  zehn  Ellen  hohen 
Herkules,  der  in  der  Rechten  die  Keule,  in  der  Linken  den 
Bogen  trug. 

Indessen  würde  doch  die  blosse  Uebereinstimmung  der 
Attribute  die  Ideutificirung  der  Statue  des  Onatas  mit  unserer 
Bronce  nicht  rechtfertigen^),  denn  vielleicht  waren  sie  anders 
gehalten  in  dieser  als  in  jener,  es  sind  aber  auch  noch  andere 
Gründe  vorhanden,  und  eben  der  Schriftsteller,  dem  wir  die 
Notiz  über  den  Herkules  des  Onatas  verdanken,  Paus^as, 
führt  durch  seine  Bemerkung,  dass  die  Thasier  ursprünglich 
Phönicier  aus  Tyrus  seien  und  mit  den  Tyriern  denselben 
Herkules  verehrten,  auf  den  richtigen  Weg  der  Untersuchung. 
Auf  den  Münzen  von  Tyrus  nämlich  und  noch  auf  anderen 
phönicischen  Münzen  finden  wir  genau  denselben  Herkules, 
in  derselben  Haltung  und  Stellung  und  mit  denselben  Attri- 
buten wie  die  Broucen  ihn  zeigen^).  Dies  ist  also  offenbar 
der  tyrische  Herkules,  der  in  Tyrus  sogut  wie  in  Thasos  ver- 


^)  E.  Braun  hat  in  den  Annali  1836  p.  67  eben  wegen  der  üeber- 
einstimmuDg  der  Attribute  die  Yermuthung  ausgesprochen,  dass  dieser 
Typus  auf  Ooatas  zurückgehe. 

*)  Vgl.  den  essai  sur  la  numismatique  des  satrapies  et  de  la 
Ph^nicie  sons  les  rois  Achaemeuidcs  par  H.  de  Luynes  pl.  13  ff. 


444  ^i^  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

ehrt  und  unzweifelhaft  von  Onatas  in  jener  Statue  vorgestellt 
wurde.  Das  Datum  jener  Münzen  ist  zwar  nicht  mit  voller 
Sicherheit  zu  bestimmen^  allein  selbst  wenn  sie  jünger  sein 
sollten  als  Onatas,  dem  sie  ihres  Styls  wegen  jedenfalls  nicht 
fem  stehen,  so  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  der  Typus, 
den  sie  geben,  ein  national  und  alt  phönicischer  ist,  und  dass 
nicht  die  Tyrier  den  Onatas,  sondern  umgekehrt,  der  für  die 
phönicischen  Thasier  arbeitende  Onatas  die  Tyrier  imitirte. 

Wir  sehen  in  diesem  Herkulestypus  die  Abhängigkeit 
der  griechischen  Kunst  vom  Orient  einmal  mit  einer  Deutlich- 
keit, wie  wir  sie  sonst  nur  selten  finden.  Ein  ursprünglich 
phönicischer  Typus  wird  von  einem  berühmten  griechischen 
Künstler  imitirt,  treu  imitirt  trotz  der  schon  oben  erwähnten 
Sonderbarkeit  des  Bogens,  die  eben,  weil  nicht  aus  natür- 
lichen oder  künstlerischen  Grründen  zu  motiviren,  beweist,  dass 
der  Künstler  von  einem  bestimmt  gegebenen  Typus  nicht  ab- 
weichen durfte.  Was  er  von  seinem  Eigenen  hinzu  that  ist 
eben  das,  was  die  griechische  Kunst  auch  in  ihren  früheren 
Perioden  specifisch  von  der  orientalischen  und  äg}'ptischen 
unterscheidet,  die  Lebendigkeit  der  Bewegung,  die  selbst  der 
ägyptischen  Kunst,  welche  in  den  Gesichtszügen  doch  das 
sprechendste  Leben  zu  erreichen  wusste,  nur  ganz  ausnahms- 
weise und  in  bedingtem  Maasse  gelang.  Bei  eingehenderem 
Studium  der  orientalischen  Kunst  werden  sich  noch  mehre 
ähnliche  Fälle  herausstellen;  die  letztere  ist  für  die  grie- 
chische Kunst  das  gewesen,  was  die  byzantinische  für  die 
moderne,  sie  hat  Typen  gegeben,  die  von  den  Griechen  ebenso 
imitirt  wurden,  wie  in  der  modernen  Kunst  byzantinische 
Typen  bis  in  raphaelische  Zeit  festgehalten  worden  sind.  Die 
Bronce  der  Sammlung  Oppermann  ist  ein  Höchstes  an  Lebendig- 
keit und  übertrifft  in  dieser  Beziehung  weit  die  angreifenden 
Krieger  in  den  Giebelfeldern  des  äginetischen  Tempels.  Man 
sieht,  dass  auch  in  Aegina  Werke  entstanden,  die  den  alt- 
attischen hinsichtlich  der  Lebendigkeit  nicht  nachstanden,  und 
es  wird  uns  dadurch  immer  schwieriger  gemacht,  den  Unter- 
schied zwischen  äginetischen  und  altattischen  Werken  an- 
zugeben. 

Der  Umstand,  dass  dieser  Herkulestypus  sich  als  ursprüng- 
lich phönicisch  herausgestellt  hat,  erklärt  wohl  am  besten 
die  weite  Verbreitung  desselben,  er  tritt  wie  die  phönicische 
Bevölkerung  überall  auf.  Leise  Verschiedenheiten  kommen 
vor,  an  dem  einen  Exemplar  fehlt  die  Löwenhaut  —  unter 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  445 

andern  auch  an  der  Oppermann'schen  Bronce  — ,  an  dem 
andern  ist  sie  da;  das  eine  Mal  ist  Herkules  bärtig  —  und 
dies  scheint  die  ursprüngliche  Darstellung^  die  sowohl  auf 
den  phönicischen  Münzen  als  in  der  eben  erwähnten  Bronce 
sich  findet  —  das  andere  Mal  ist  er  ganz  jugendlich,  immer 
aber  bleibt  das  Grundmotiv  nebst  den  Attributen. 

Die  im  Folgenden  aufgeführten  Exemplare  dieses  Typus 
sind  mit  einer  Ausnahme  künstlerisch  völlig  werthlos.  Zum 
grössten  Theil  gehören  sie  dem  Verfallstyl  der  alten  Kunst 
an.  Solche  Exemplare  werden  besonders  häufig  in  den 
römischen  Fundstätten  des  Rheins  —  vgl.  z.  B.  Dorow 
Denkm.  german.  u.  röm.  Zt.  iu  den  rhein.  -  westphäl.  Pro- 
vinzen Taf.  9,  1  —  gefunden,  und  ebendaher  stammen  auch 
mehrere  der  unserigen. 

Herkules  mit  Keule  und  Bogen. 

2024.  Jugendlicher  Herkules,  mit  dem  Löwenfell, 
das  über  den  Kopf  gezogen  ist  und  vom  linken  Arm  herab- 
hängt. In  der  erhobenen  Rechten  hielt  er  die  Keule,  in  der 
Linken  den  Bogen.  Aus  der  Sammlung  Koller.  H.  6Vi"- 
Etruscisch. 

2025.  Desgl.,  mit  dem  Löwenfell,  das  gerade  so  an- 
geordnet ist.  Er  hält  die  Keule  geschwungen  in  der  Rechten; 
für  die  Linke  ist  der  Bogen  vorauszusetzen,  von  welchem  in 
der  Hand  ein  Rest  zurückgeblieben  scheint.  Die  Füsse  mit 
Basis  sind  neu,  und  an  den  Waden  ist  mit  Wachs  restaurirt. 
Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  6^/0".   Etruscisch. 

2026.  Desgl.,  das  Löwenfell  ebenso  angeordnet  Die 
Keule  in  der  erhobenen  Rechten  ist  abgebrochen  und  der 
linke  Arm  bis  zum  Ellenbogen  fehlt.  Aus  der  älteren  königl. 
Sammlung.   B.  a.  XVI.  a.  4.   H.  S'/s"-   Etruscisch. 

2027.  Desgl.,  das  Löwenfell  hängt  vom  linken  Arm 
herab.  Die  Linke  ist  den  Bogen  haltend  zu  denken,  die 
Rechte  die  Keule,  die  abgebrochen  ist.  Die  Figur  steht  auf 
einer  antiken,  viereckigen  Basis  von  Bronce.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.   H.  5"  mit  Basis. 

2028.  Desgl.,  die  Löwenhaut  hängt  vom  linken  Arm 
herab.     Für   die    durchbohrte  Linke   ist  der  Bogen  voraus- 


446  ^i®  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

stttsetzen^  in  der  erhobenen  Rechten  ist  noch  der  Griff  der 
Keule  erhalten.  Die  Figur  steht  auf  zwei  zor  Befestigimg 
dienenden  Zapfen.  Angekauft  mit  der  Böcking'schen  Samm- 
lung 1859.   960.   H.  31/2"- 

2029.  Desgl.^  der  linke  Arm  fehlt  fast  ganz  und  die 
Hälfte  des  rechten  Beines.  Von  der  Keule  in  der  erhobenen 
Bechten  nur  der  Griff  erhalten.  Aus  der  Böcking'schen 
Sammlung.   684.   Gefunden  zu  Saarburg.   H.  S^', 

2030.  DesgL  Die  Figur  ist  freilich  bekleidet  mit  einem 
kurzen  Leibrock^  aber  in  der  Bechten  erhebt  sie  die  Keule 
und  die  Linke  macht  den  zum  Halten  des  Bogens  erforder- 
lichen Gestus.  Vom  linken  Arm  hängt  etwas  herab,  was  ein 
Löwenfell  vorstellen  kann.  Aus  der  Böcking'schen  Sammlung. 
915.   H.  3V2". 

2031.  Derselbe  Typus^  nur  ist  Herakles  ganz  nackt. 
Der  linke  Vorderarm  fehlt  und  die  Keule  in  der  Rechten. 
Die  Figur  hat  eine  kleine  Basis.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
H.  4^8". 

2032.  Desgl.,  die  Löwenhaut,  von  welcher  nur  ein 
kleines  Stück  erhalten,  hängt  vom  linken  Arm  herab,  in  der 
fehlenden  rechten  Hand  schwang  er  die  Keule.  Aus  dem 
Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844  erworben.   2742.   H.  2^2"- 

2033.  Derselbe  Typus,  nur  noch  roher.  Ganzerhalten. 
Ebendaher.   2741.   H.  2V2". 

2034.  Desgl.,  die  linke  Hand  fehlt.  Aus  der  Sammlung 
Kdler.   H.  S'/g"- 

2035.  Desgl.,  der  linke  Fuss  etwas  verstümmelt.  Aus 
der  Sanmilung  Koller.   H.  3%". 

2036.  Desgl.,  die  Keule  ist  etwas  verletzt  Aus  der 
Sammlung  Koller.   H.  2V2". 

2037.  Desgl.,  die  Keule  ist  fragmentirt,  die  Beine  fehlen 
vom  Knie  abwärts.    Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  2^/0". 

2038.  Desgl.,  die  Löwenhaut  verstümmelt.  Aus  der 
Sammlung  Koller.   H.  4". 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  447 

2039.  DesgL;  auch  hier  scheint  die  Löwenhaut  nicht 
ganz  erhalten.     Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  3'-. 

2040.  Desgl.;  mit  dem  Löwenfell  auf  dem  Kopf;  so  dass 
es  am  Halse  geknüpft  ist  und  von  dem  linken  Arm  herab- 
hängt. Die  durchbohrte  Rechte*  hielt  die  Keule.  Beide  Füsse 
sind  verletzt.     Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  378"« 

2041.  Desgl.;  die  Keule  erhoben  in  der  Rechten^  das 
Löwenfell  am  linken  Arm,  die  linke  Hand  fehlt.  Aus  der 
Sammlung  Koller.   H.  3V4". 

2042.  Derselbe  Typus,  ganz  erhalten.  Aus  der  Samm- 
lung Minutoli.   B.  c.  a.  bb.  11,   H.  3^/4 ".  • 

2043.  Desgl.;  nur  fehlt  ein  Stück  der  Keule.  Aus  der 
Sammlung  Minutoli.   B.  c.  a.  bb.  13.   H.  273"« 

2044.  Desgl.;  die  Keule  fehlt;  wenn  sie  überhaupt 
ursprünglich  vorhanden  war.  Aus  der  Sammlung  Minutoli. 
B.  c  a.  bb.  12.   H.  S«/*". 

2045.  Desgl.;  die  Löwenhaut  ist  über  den  Kopf  ge- 
zogen und  hängt  am  linken  Arm  herab,  ist  aber  nicht  ganz 
erhalten;  die  Rechte  schwang  die  (nicht  erhaltene)  Eeule;  die 
Linke  hielt  den  BogeU;  von  dem  noch  Reste  vorhanden. 
H.  4Ve". 

2046.  Ganz  ähnliche  Figur;  aber  die  Bewegung  iÄt 
etwas  lebendiger.   Der  Griff  der  Keule  ist  erhalten.   H.  372"« 

2047.  Desgl.;  die  Keule  fehlt.   H.  3V2". 

2048.  Desgl.;  die  Keule  ist  erhalten;  aber  der  linke 
Arm  fehlt.   H.  4V2". 

2049.  Derselbe  Typus,  beide  Füsse  und  beide  Hände 
fehlen.  Die  unten  verstümmelte  Löwenhaut  sieht  eher  wie 
ein  Gewand  auS;  es  ist  aber  doch  ein  Herkules  gemeint. 
H.  SVs"- 

2050.  Desgl.;  die  Keule  ist  verstümmelt  und  die  Spitze 
des  linken  Fusses  fehlt.   H.  38/4". 

2051.  Desgl.;  die  rechte  Hand  fehlt.   H.  4''. 


448  ^'^  griechischen  Broncen  entwickelten  Style. 

2052.  Desgl.,  die  Keule  fehlt   H.  3^/e". 

2053.  Desgl.,  unversehrt.   H.  5". 

2054.  Desgl.,  auf  einer  Basis.  Die  Keule  in  der 
Eechten  ist  nicht  mehr  vorhanden,  in  der  Linken  befindet 
sich  der  Rest  des  Bogens.    H.  S^s"» 

2055.  Desgl.,  die  Keule  fehlt,  die  Löwenhaut  unten 
verstümmelt  Der  rechte  Fuss  ist  in  Waclis  restaurirt.  Aus 
der  Sammlung  Koller.    H.  ö*/^". 

2056.  Desgl.  Beide  Arme  und  der  Hnke  Unterschenkel 
fehlen,  aber  die  Figur  ist  doch  mit  Sicherheit  zu  beneönen. 
Der  rechte  Fuss  ist  in  Wachs  restaurirt.   H.  372"« 

2057.  DesgL,  der  linke  Arm  fehlt,  von  der  Keule  ist 
nur  der  Griff  in  der  Rechten  zurückgeblieben.   H.  3^/4". 

2058.  Desgl.,  die  Keule  ist  abgebrochen,  die  linke 
Hand  fehlt,  und  beide  Füsse  sind  in  Wachs  restaurirt  Das 
Löwenfell  ist  über  den  Kopf  gezogen,  der  Zipfel  desselben 
ist  abgebrochen.   H.  5%". 

2059.  Derselbe  Typus,  nur  weit  schöner  und  be- 
wegter. Die  Rechte  ist  mitsammt  der  Keule,  welche  sie 
schwang,  verloren  gegangen,  die  Linke  hält  das  Löwenfell 
wie  einen  Schild  vorgestreckt.  Diese  Figur  hat  noch  guten 
Styl.     Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   C.  52.   H.  474"* 

2060.  Desgl.,  ganz  roh.  Der  rechte  Arm  fehlt  H.2V8"- 

Herkules  mit  den  Aepfeln  der  Hesperiden. 

Die  folgenden  drei  Broncen  entsprechen  genau  dem  eben 
erwähnten  Typus,  nur  dass  Herkules  statt  des  Bogens  die 
Aepfel  in  der  Hand  hat 

2061.  Herkules,  mit  dem  Löwenfell  am  linken  Arm 
und  den  Aepfeln  in  der  linken  Hand.  In  der  Rechten  schwingt 
er  die  Keule.  Eigenthümlich  ist  das  Kopfband,  wegen  der 
Spitze  über  der  Stirn,  die  oft  vorkommt,  aber  für  uns  nicht 
recht  verständlich  ist  Der  linke  Fuss  ist  etwas  verstümmelt. 
Etruscisch.  Aus  der  Sammlung  Koller,   H,  6", 


Die  gpriechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  449 

2062.  Desgl.,  mit  der  Löwenhaut  über  dem  Kopfe,  in 
der  erhobenen  Rechten  ist  noch  der  Griff  der  Keule  erhalten, 
in  der  Linken  hat  er  einen  Apfel.  Der  rechte  Fuss  fehlt. 
Etruscisch.    1843  erworben.   H.  4^8  "• 

2063.  Desgl.,  mit  dem  Löwenfell  über  dem  Kopf,  das 
am  linken  Arm  herabhängt.  In  der  Rechten .  hielt  er  die 
Keule,  die  jetzt  verloren;  die  linke  Hand,  die  fehlt,  hielt 
wahrscheinlich  die  Aepfel,  auch  der  linke  Fuss  fehlt.  Etrus- 
cisch.  H.  31/4". 

2064.  Aehnlicher  Typus,  nur  dass  Herkules  die  Keule 
nicht  geschwungen,  sondern  auf  den  Boden  gesetzt  hat.  Er 
ist  ganz  nackt.  In  der  Linken  hält  er  wahrscheinlich  einen 
Apfel.  Unter  den  Füssen  befinden  sich  Leisten  zum  Ein- 
setzen in  ein  Geräth  oder  dergleichen.  Gefunden  zu  Pompeji. 
Aus  der  älteren  königl.  Sammlung.  B.  a.  XVL  a.  6*-  Von 
Herrn  Temite  gekauft.   H.  4^2"« 

2065.  Desgl.,  mit  der  Löwenhaut  über  dem  Kopf,  in 
der  ausgestreckten  Linken  hält  er  die  Aepfel,  mit  der  Rechten 
stützt  er  sich  auf  die  Keule,  die  ungewöhnlich  geformt  ist. 
Aus  der  Sammlung  Minutoli.   H.  2^/2". 

2066.  Desgl.,  das  Löwenfell,  dessen  Zipfel  verstümmelt, 
hängt  von  der  linken  Schulter  herab.  In  der  Linken  hält 
er  die  Aepfel.  Die  Rechte  hielt  er  auf  die  nicht  mehr  vor- 
handene Keule  gestützt.  Beide  Füsse  fehlen.  Am  Hinterkopf 
ist  eine  Oese,  um  die  Figur  irgendwo  aufzuhängen  oder  zu 
befestigen.   Etruscisch.   Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  5%". 

2067.  Bärtiger   Herkules,    mit   dem   Löwenfell   am 
linken  Arm.     In   der  Linken   hält   er   die  Aepfel  der  Hes- 
periden,  die  rechte  Hand  und  der  rechte  Fuss  fehlen.  H.  3V2"• 
2067*•   Desgl.   Von  der  Keule  in  der  Rechten  ist  nur 

der  Griff  übrig,  in  der  Linken  hält  die  Figur  einen  Apfel.  Das 
Löwenfell  fehlt  ganz.  Etruscisch.  Aus  der  Dorow'schen 
Sammlung.   H.  38/4". 

Andere  Herkulesdarstellungen. 

2068.  Bärtiger  Herkules,  auf  einer  Basis.  Er  ist 
mit  Fichtenlaub  bekränzt.     Das  Löwenfell  hängt  vom  linken 

Friedericlis,  Berlin's  Antike  Bildwerke  II.  29 


450  ^^  griechischen  Broncea  entwickelten  Styls. 

Arm  heraby  die  Keule  liegt  auf  der  linken  Schulter  auf.  Die 
rechte  Hand/  welche  wahrscheinlich  den  Becher  hielt^  fehlt 
Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  5". 

2069.  Bärtiger  Herkules,  mit  dem  Löwenfell  am 
linken  Arm,  in  der  Linken  die  Keule  haltend.  In  der  aus- 
gestreckten Rechten  hielt  er  wohl  den  Becher.  Aus  der  alt 
königl.  Sammlung.   B.  a.  XYL  a.  5.   H.  2''. 

2070.  Bärtiger  Herkules,  bekränzt,  mit  dem  Löwen- 
fell am  linken  Arm,  während  die  Keule  auf  der  linken 
Schulter  ruht.  Die  ausgestreckte  Rechte,  welche  abgebrochen 
ist,  hielt  wahrscheinlich  den  Becher.  Es  fehlen  der  rechte 
Fuss  und  das  linke  Bein  vom  Knie  abwärts.  Aus  dem  Nach- 
lass  des  Director  Levezow  1840  erworben.  H.  2^/«''. 

2070^'  Bärtiger  Herkules,  ruhig  stehend,  mit  dem 
Löwenfell  am  linken  Arm,  in  der  Linken  seinen  Becher  hal- 
tend. In  der  Rechten  hielt  er,  wie  aus  der  Durchbohrung 
der  Hand  zu  schliessen,  die  Keule.  An  den  Kranzbändem, 
die  links  und  rechts  auf  die  Schulter  fallen,  ist  eine  Kette 
befestigt.  Die  Figur  war  irgendwo  aufgehängt.  Aus  der 
älteren  Sammlung.   B.  a.  XVI.  a.  8.   H.  2^/2". 

2070^-  Bärtiger  Herkules,  mit  dem  Löwenfell  am 
linken  Arm,  den  Becher  in  der  Linken  haltend.  Die  rechte 
Hand,  in  welcher  er  wohl  die  Keule  hielt,  und  der  rechte 
Fuss  fehlen.    H.  2^1^". 

2071.  Jugendlicher  Herkules,  nackt,  mit  der  Keule 
in  der  Linken,  dem  Becher  in  der  Rechten.  Entartet  etrus- 
cischer  StyL     Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    B.  13.    H.  6". 

2071*-  Jugendlicher  Herkules,  ein  Gewand  mit  ver- 
zierten Säumen  um  die  Hüften  geschlagen,  in  der  Rechten 
die  Keule,  in  der  Linken  *das  fragraentirte  Trinkhorn  haltend. 
Beide  Füsse  fehlen.  Guter  etruscischer  noch  etwas  alterthüm- 
licher  Styl.  Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.  135. 
H.  3". 

2072.  Jugendlicher  Herkules,  nackt,  ruhig  stehend, 
mit  der  Keule  in  der  Linken,  das  Löwenfell  hängt  vom  linken 
Arm,  die  Rechte  ist  in  die  Hüfte  gestemmt  Aus  der  Samm- 
lung Koller.   H.  SVc". 


Die  griechischea  Broncen  entwickelten  Style.  451 

2073.  Jugendlicher  Herkules,  ganz  nackt,  mit  der 
Keule  in  der  Rechten,  während  die  Linke  eine  rednerische 
Bewegung  macht.  Er  trägt  den,  vorn  mit  einer  Spitze  ver- 
sehenen Kopfschmuck.  Die  Figur  steht  auf  einer  Basis.  H.  6". 

2074.  Jugendlicher  Herkules,  die  Rechte  in  die 
Hüfte  stützend,  während  die  Linke  die  Keule  oder  ein  Füll- 
horn im  Arm  hielt.  Der  rechte  Fuss  fehlt.  Auf  dem  Rücken 
zwei  tiefe  Löcher.  Etruscisch.  Aus  der  Samml.  Koller.  H.  6^2" 

2075.  Derselbe  Typus.  Die  linke  Hand  fehlt,  und  die 
beiden  Füsse  sind  restaurirt.  Etruscisch.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.    C.  50.    H.  7^1^". 

2076.  Schildförmige  Büste  eines  jugendlichen 
Herkules,  mit  dem  Löwenfell  über  dem  Kopf,  das  unter 
dem  Hals  zusammengeknüpft  ist.  Der  Kopf  ist  auf  die  Seite 
geneigt,  um  ihm  etwas  mehr  Ausdruck  zu  geben.  Oben  ist 
ein  Loch,  die  Büste  war  irgendwo  als  Yerzierung  angebracht. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   C.  51.   H.  S*/^". 

2076*-  Büste  des  jugendlichen  Herkules.  An  der 
rechten  Schulter  ein  Ring,  der  auch  wohl  an  disr  linken  sich 
befand,  an  welcher  etwas  restaurirt  ist.  Ornament.  Aus  der 
älteren  Sammlung.   B.  a.  XVI.  ß,  1.   H.  2". 

2077.  Das  Herkuleskind,  mit  dem  Herkulcsbecher  in 
der  Linken,  während  es  die  Keule  auf  das  rechte  Knie  stützt. 
Das  linke  Bein  fehlt  vom  Knie  abwärts.  Die  Figur  ist  sehr 
von  Rost  zerfressen.  Aus  der  älteren  königl. '  Sanmilung. 
B.  a.  XVL  a.  10.   H.  l»/^". 

Abg.  bei  Beger  III,  280. 

2078.  Linker  Arm  eines  Herkules,  die  Hand  hält 
den  Beclier  ohne  Henkel,  der  Arm  ist  ganz  umhüllt  von  der 
Löwenliaut.  Scliön.  B.  a.  XVL  a.  9.  Aus  dem  Besitz  Bel- 
lori's.   II.  38/4". 

Abg.  bei  Beger  III,  282.  ' 

2078""  Fragment  eines  keulenschwingenden 
Herkules,  Kopf,  Brust  und  linker  Arm  sind  erhalten,  Relief- 
vcrzierung.     Aus  Gerhards  Nachlass  144. 

2078''-  Kculo,  die  vormuthlich  sich  in  der  Hand  eines 
Herkules  befand.     Aus  (lerhard's  >Jachlass  75. 

29* 


452'  ^^  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 


Dioskuren. 

2079.  Dioskur,  mit  Schiffermütze.  Die  lange^  auf  der 
rechten  Schulter  befestigte  Chlamys,  fällt  über  die  linke 
Schulter  und  dient  der  Figur  zum  Hintergrund.  Der  linke 
Arm,  dessen  Finger  verstümmelt,  ist  ausgestreckt,  etwa  als 
hätte  er  sein  Pferd  gehalten.  Vom  rechten  Arm,  der  ruhig 
herabhängt,  fehlt  etwas  mehr  als  die  Hand,  sie  kann  die 
Lanze  gehalten  haben.  Das  linke  Bein  von  der  Wade  ab- 
wärts ist  in  Wachs  restaurirt.  Aus  der  Sammlung  Bartholdv. 
C.  45.    H.  4". 

2080.  Dioskur,  kenntlich  an  dem  Stern  über  dem  Kopf, 
Er  ist  nackt  bis  auf  die  kleine  Chlamys,  welche  den  oberen 
Theil  der  Brust  deckt  und  stützt  den  rechten  Arm  in  die 
Seite,  die  erhobene  Linke  hielt  ohne  Zweifel  den  Speer,  der 
abgebrochen  ist.  Aus  der  Samml.  Bartholdy.  C.  46.  H.  4 V4"- 

2081.  Nackter  Jüngling,  der  wegen  der  halbeiförmigen 
Mütze  wohl  für  einen  Dioskuren  zu  halten  ist  Die  rechte 
Hand  ist  in  die  Hüfte  gestützt,  der  linke  Unterarm,  der 
etwas  erhoben  war,  fehlt,  sowie  der  linke  Fuss  und  das 
rechte  Bein  vom  Knie  abwärts.   H.  S-^/^". 

Orpheus. 

2082.  Orpheus,  mit  phrygischer  Mütze,  nackt  bis  auf 
die  über  den  Schooss  fallende  schmale  Chlamys,  sitzt  auf 
einem  Felsen  und  greift  mit  der  Linken  in  die  Saiten  eines 
auf  seinem  Schenkel  ruhenden  Instruments,  während  er  in 
der  Rechten  das  Plectrum  hält.  Der  Kopf  ist  schwärmerisch 
nach  oben  geworfen,  er  ist  singend  zu  denken.  Er  lehnt  an 
eine  aufgerichtete,  oben  gekrümmte  Schlange,  die  den  Griff 
bildete,  an  dem  Orpheus  decorativ  angebracht  ist.  Denn  ilass 
das  Ganze  ursprünglicli  ein  Griff  war,  sieht  man  noch  deutlich, 
üeber  dem  Kopf  des  Orpheus,  oben  am  Griff,  sitzt  an  Bocks- 
beinen und  Scliwanz  kenntlich  Pan,  in  der  einen  Hand  die 
Syrinx  haltend,  die  andere  auf  die  Mütze  des  Orpheus  legend. 
Er  ist  wohl  als  Zuhörer  zu  denken,  der  die  eigene  Musik 
darum  unterbricht.  An  den  Füssen  des  Orpheus  befinden 
sich  einerseits  Eule  und  Hirsch,  andererseits  ein  Eber  und 
Adler,  der  auf  einer  Schlange  steht,  die  sich  gegen  ihn  er- 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  453 

hebt.  Dicht  am  linken  Fass  liegt  ein  Hund^  der  aufmerksam 
zuhörend  den  Kopf  zu  Orpheus  emporhebt.  Angekauft  1827 
aus  der  Sammlung  von  Schellersheim.  B.  a.  XXI*-  a.  1. 
H.  31/2". 

Opfernde  und  Betende. 

Es  giebt  in  allen  grösseren  Museen  eine  grosse  Anzahl 
von  Statuetten,  sowohl  von  Bronce  als  Terrakotta,  sowohl 
von  griechischem  als  römischem,  als  auch  etruscischem  Styl, 
die  Opfernde  und  Betende  darstellen.  Der  Zweck  derselben 
und  oft  auch,  zumal  bei  den  etruscischen,  die  Darstellung 
selbst  sind  in  gröbster  Weise  verkannt.  Offenbar  haben 
diese  Statuetten,  da  sie  in  grösster  Fülle  vorkommen,  einen 
praktischen  Zweck  erfüllt,  zu  dem  das  antike  Leben  häufig 
Gelegenheit  gab,  es  waren  sicherlich  Weihgeschenke.  Denn 
es  war  alte  Sitte,  als  Dank  gegen  die  Gottheit  anbetende 
oder  opfernde  Figuren  in  Erz  zu  weihen  ^).  Es  ist  der  plastisch 
verkörperte  Dank,  den  man  der  Gottheit  darbringt. 


^)  Vgl.  Paus.  V,  25,  5  die  Erzstatuen  der  anbetenden  agrigenti- 
nischen  Knaben  von  Kaiamis,  die  als  Dank  für  die  Besiegung  eines 
barbarischen  Volks  geschickt  waren  und  Paus.  X,  18,  5  das  Weih- 
geschenk  der  Sicyonier,  eine  d-vola  und  nofjLnrj  in  Erz.  Bei  dieser 
Gelegenheit  möchte  ich  versuchen,  zwei  berühmte  iebensgrosse  Bronce- 
statuen  zu  richtigem  Verständniss  zu  bringen,  nämlich  die  vielbesprochene 
Statue  des  Louvre,  die  der  Athene  als  Zehnten  geweiht  war  und  den 
Idolino  in  Florenz.  Ueber  die  erste  ist  nur  darum  so  viel  disputirt, 
weil  man,  wie  das  so  gewöhnlich  ist  in  der  Arcbaeolegie,  nicht  genau 
beobachtete.  Hätte  man  genau  die  Haltung  der  Finger  untersucht,  so 
konnte  nie  von  einem  Apoll,  zu  dem  die  Statue  ohneliin  viel  zu  jung 
ist,  die  Rede  sein.  Und  am  allerwenigsten  hätte  man  diesem  „Apoll*' 
ein  Thier  in  die  Rechte  und  einen  Bogen  in  die  Linke  geben  sollen, 
was  ja  schon  ein  Blick  auf  die  bekannte  Statuette  des  britischen  Museums 
als  falsch  erweist.  Die  rechte  Hand  der  Figur  hielt  nämlich,  wie 
übrigens  auch  R.  Rochetti  Annali  1833  p.  207  bemerkt  hat,  eine  Schale 
und  nur  eine  Schale,  zu  deren  Halt  der  Daumen  einwärts  gebogen  ist. 
An  der  linken  Hand,  deren  Finger  zusammengekrümmt  sind,  Jst  wichtig 
zu  bemerken,  dass  die  Finger  nicht  alle  parallel  über  einander  liegen, 
sondern  dass  der  Zeigefinger  vorgeschoben  ist,  genau  wie  bei  einer 
Hand,  die  den  Henkel  einer  Kanne  hält.  Und  das  eben  war  das  Attribut 
der  linken  Hand,  und  mit  diesen  Attributen  muss  ja  jeder  Gedanke  an 
Apoll  sofort  aufgegeben  werden.  Durch  diese  Attribute  wird  die  Statue 
nun  auch  erst,  wie  mir  scheint,  zu  einer  logisch  gedachten.  Denn  einen 
Apoll  der  Minerva  als  Zehnten  zu  schicken,  ist  für  uns  wenigstens  nicht 
zu  motiviren,  aber  ihr  einen  Knaben,  einen  Opferdiener,  einen  Camillus 
zu  schicken,  der  ihr  ein  Dankopfer  bringt,  das  hat  Sinn  und  Verstand. 


454  I^'c  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

Doch  entstehen  Zweifel,  sobald  man  sich  die  Sitte  etwas 
detaillirter  vergegenwärtigt.  War  es  Sitte,  solche  Statuetten 
bei  jeder  Gelegenheit  zu  weihen,  oder  sind  es  vielleicht  vor- 
wiegend bestimmte  Personen  und  bestimmte  Veranlassungen 
gewesen,  die  zur  Weihung  führten?  Wir  glauben  es  fand 
beides  statt,  und  beides  wird  durch  alte  Zeugnisse  bestätigt. 
Denn  auch  die  Annahme,  dass  viele  dieser  Statuetten  Weih- 
geschenke bestimmter  Leute,  nämlich  von  Priestern  und 
Priesterinnen  waren,  ist  durch  manche  Beispiele  aus  dem 
Alterthum  zu  stützen.  Vor  dem  Heraeum  bei  Argos  standen 
die  Statuen  der  Priesterinnen,  gewiss  doch  als  Stiftungen 
eben  dieser  Priesterinnen  nach  beendigtem  Priesterthum  und 
in  vielen  Inschriften  ist  die  Rede  von  Statuen  von  Priestern 
oder  Priestergehülfen,  die  nach  abgelaufenem  Amt  der  Gott- 
heit dedicirt  wurden.  In  dem  Tempel  der  Demeter  in  Cnidos 
fand  Newton  eine  grosse  Anzahl  von  Terrakottafiguren,  dar- 
unter besonders  viele  Mädchen  mit  Krügen  auf  dem  Kopf, 
die  auch  in  den  Museen  oft  vorkommen,  gewiss  waren  es 
W^ihgeschenke  von  Mädchen,  die  beim  Tempel  Dienst  ver- 
richtet hatten.  Noch  deutlicher  ist  dies  bei  einem  Heilig- 
thum  in  Idalion  auf  Cypern  zu  beobachten,  dessen  Trümmer 
in  buchstäblichem  Sinn  von  Statuen  und  Statuetten  von 
Priestern  und  Priesterinnen  angefüllt  waren,  alle  kenntlich  an 
bestimmten  unzweideutigen  Attributen. 

Die  betreffenden  Figuren  sind  männlich  und  weiblich, 
erstere  wohl  immer  ganz  jugendlich.  Die  gewöhnlichsten 
Attribute  sind  Schale  und  Weihrauchbüchse. 


Ebenso  wie  diese  Figur  im  Louvre,  ist  auch  die  berülimte  Bronce 
ans  Pesaro  zu  erklären,  die  sogar  von  0.  Mfiller  für  einen  Atlileten  ge- 
lialten  werden  konnte.  Die  ausgestreckte  Rechte  liielt  wieder  unzweifel- 
haft eine  Schale,  und  die  Kanne  passt  vortrtfflich  in  die  Linke.  Auch 
sie  ist  daher  so  ein  specifisch  griechisclie  Sitte  veranscliauIicheDdes 
Weiligeschenk,  und  zugleich  ein  schönes  Beispiel  für  den  strengen 
Ernst  des  hohen  Styls,  während  die  erste  die  anmuthige  Naivetät  des 
alten  Styls,  die,  so  unmöglich  sie  auch  zu  verkennen  ist,  doch  verkannt 
ist,  repräsentirt.  Die  Zeit  der  Florentiner  Statue  ist  übrigens  schon 
richtig  von  Mayer  zu  Winckelmann  Gesch.   d.  K.  III,  2,  §  10  bestimmt. 

Ausser  diesen  Figuren  erwähne  ich  noch  n.  214  im  Louvre,  eine 
kleine  aber  schöne  Bronce  von  ernstem  griechischen  Styl,  die  dem 
Idolino  in  Stellung  und  Styl  entspricht  und  für  welche  ich  daher  die- 
selben Attribute  voraussetze.  Longp^rier  erklärt  sie  ohne  allen  Grand 
für  Merkur, 

Gewiss  aber  giebt  es  noch  mehre  übereinstimmende  Statuetten,  die 
ich  übersehen  habe  oder  nicht  kenne. 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  455 

Wir  haben  auch  hier  wie  bei  den  Herkulesstatuetten 
die  etruscischen  Figuren  zusammen  mit  den  griechischen  und 
römischen  aufgeführt,  weil  sie  zum  grossen  Theil  mit  den 
letzteren  vollkommen  übereinstimmen.  Es  ist  nämlich  ein 
Irrthum,  den  wir  hier  berichtigen  wollen,  die  glatten  rohen 
Broncen,  die  gerade  in  dieser  Klasse  von  Figuren  sehr  häufig 
vorkommen,  etruscisch  zu  nennen.  Man  thut  das,  weil  man 
sie  nur  von  etruscischen  Fundorten  her  kennt,  allein  ganz 
dieselben  Figuren,  die  in  Etrurien  gefunden  werden,  findet 
man  in  römischen  Fundstätten  am  Rhein,  wie  man  z.  B.  bei 
Dorow  Denkm.  german.  und  röm.  Zeit  in  den  Rhein.- Westph|ll. 
Provinzen  1823  Taf.  8,  3  beobachten  kann.  Diese  Broncen 
stammen  aus  einer  Zeit,  als  die  etruscische  Individualität  in 
der  Kunst  längst  erloschen  war,  als  überhaupt  statt  des 
Lebens,  das  sich  immer  individuell  darstellt,  die  schematische 
einförmige  Weise  eintrat,  die  wir  als  Verfall  bezeichnen  und 
die  im  ganzen  römischen  Reich  dieselbe  war. 

2083.  Opfernder,  nach  griechischem  Brauch:  Ein  Jüng- 
ling mit  dem  Mantel  bekleidet,  der  die  Brust  und  den  rechten 
Arm  frei  lässt,  hält  in  der  Linken  eine  kleine  Weihrai^ch- 
kapsel,  in  der  Rechten,  wie  um  auszugiessen,  eine  Schale. 
Unter  dem  linken  Fuss  ein  Zapfen  zum  Einsetzen  der  Figur. 
Aus  Athen  1854  eingesandt.   H.  3^/^". 

2084.  Opfernder,  nach  römischem  Brauch,  in  der  Toga, 
welche  wie  gewöhnlich  den  Hinterkopf  bedeckt.  In  der 
Rechten  hält  er  die  Schale,  in  der  Linken  eine  besonders 
geformte  Acerra,  wie  man  sie  aber  öfter  in  Opferdarstellungen 
sieht.  Unter  der  Basis  steht  die  Notiz:  Aus  dem  Witten- 
berger Univ.  Archiv.   H.  2^/3". 

2085.  Desgl.,  die  Vorderarme  mit  den  Opfergeräthen 
sind  nicht  mehr  vorhanden;  es  wäre  nicht  unmöglich,  dass 
die  Figur  mit  der  vorangehenden  aus  einer  Form  stammte. 
H.  2%". 

2086.  Opfernder,  in  der  Chlamys,  die  sein  Hinterhaupt 
verhüllt  und  um  die  Hüften  herumgelegt  ist,  so  dass  die  Brust 
frei  bleibt.  In  der  Rechten  hält  er  die  Schale,  in  der  Linken 
einen  Granatapfel.  Die  Basis  sclieint  alt.  Aus  der  älteren 
königl.  Sammlung.  B.  a.  XXIX.  a.  2.  Höhe  4^2",  mit 
Basis  7". 


456        '        ^^^  g^riechischen  Broucen  entwickelten  Styls. 

2087.  Opfernder,  in  demselben  Habitus  wie  in  n.  2083. 
Der  Jüngling  hält  in  der  Linken  die  Weihrauchkapsel,  der 
rechte  Arm  ist  kaum  bis  zum  Ellenbogen  erhalten,  die  rechte 
Hand  hielt  aber,  wie  mit  Sicherheit  zu  sagen  ist,  eine  Schale, 
Die  Füsse  der  Figur  stehen  auf  Zapfen,  die  zur  Befestigung 
dienten.  Das  Gewand  des  Jünglings  hat  einen  Saum.  Aus 
der  Böcking'schen  Sammlung.  Gefunden  in  der  Umgegend 
von  Trier.   H.  5^/4". 

2088.  Ganz  ähnliche  Figur  eines  opfernden  Jüng- 
lings, nur  trägt  sie  einen  strahlenförmig  das  Haupt  umgebenden 
Blätterkranz.  Die  Weihrauchkapsel  ist  besonders  gross.  In 
der  etwas  verstümmelten  Rechten  ist  die  Schale  voraus- 
zusetzen. Die  Figur  ist  in  eine  moderne  Basis  eingelassen. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   B.  6.   H.  6^4"  nüt  Basis  ^). 

2089.  Derselbe  Typus,  aber  weit  roher.  Der  rechte 
Arm  fehlt  fast  ganz.  Die  Füsse  sind  durch  eine  kleine  Quer- 
leiste verbunden.   Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  7.  H.  4". 

2090.  Derselbe  Typus,  die  Füsse  fehlen,  der  rechte 
Unterarm  und  die  linke  Hand.  Aus  der  älteren  königl.  Samm- 
lung,  A.  4.   H.  211/12"- 

2091.  Desgl.,  ganz  vollständig  mit  den  Attributen  er- 
halten, nur  der  linke  Fuss  ist  etwas  angefressen.  Aus  der 
älteren  königl.  Sammlung.   A.  3.   H.  2^8". 

2092.  Desgl.,  der  rechte  Unterarm  fehlt  Unter  den 
Füssen  befinden  sich  Zapfen.  Aus  der  älteren  königl.  Sanmi- 
lung.   A.  5.    H.  21/2". 


1)  Hier  erwähne  ich  eiumal  der  Guriositat  wegen  die  Erklärung 
Gerhard's,  der  mit  gewohnter  Leichtfertigkeit  die  mäBnlichen  Figuren 
dieser  Art  für  „Helios",  die  weiblichen  für  „Juno  Regina"  erklärt 
(Gottheiten  der  £trusker  zu  Taf.  2,  5  und  3,  3).  Auffallender  ibt,  dass 
auch  Longperier  (Notice  des  bronces  etc.  n.  32  ff.)  die  weiblichen 
Figuren  dieser  Art  für  Juno  uud  die  männlichen  n.  452  ff.  für  einen 
„italischen  Gott^'  erklärt.  Und  doch  hatte  sowohl  der  deutsche  als  der 
französische  Gelehrte  seinen  Vorgänger,  der  die  l^guren  bereits  richtig 
erklärt  hatte,  jener  an  Dorow  Deukm.  german.  und  röm.  Zeit  in  den 
Rhein.- Westphäl.  Provinzen  I,  p,  25,  dieser  an  Caylus  Recueil  III,  zu 
pl.  43,  3.   50,  3.    54,  1. 


k 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  457 

2093.  Desgl.;  ganz  erhalten  mit  der  Schale  und  Acerra. 
Unter  den  Füssen  sind  Zapfen.   H.  Z^jJ*. 

2094.  Desgl.;  ganz  erhalten  mit  Schale  und  Acerra. 
Am  Rande  des  Gewandes  ist  eine  Verzierung.  Aus  der  älteren 
königL  Sammlung.   A.  1.   H.  6^/4". 

2095.  Desgl.,  in  der  Linken  die  Weihrauchkapsel,  die 
rechte  Hand  fehlt,  sowie  beide  Füsse.  Sehr  zerfressen. 
H.  38/4". 

2096.  Desgl.,  der  aufrechtstehende  Blätterkranz  ist  er- 
halten, es  fehlen  aber  beide  Füsse  und  beide  Vorderarme 
mit  den  Attributen.  Aus  dem  Nachlass  des  Direktors  Levezow 
1840  erworben.   2633.   H.  3". 

2097.  Derselbe  Typus,  die  Füsse  fehlen,  die  Attribute, 
Schale  und  Weihrauchbüchse  sind  erhalten.  Ebendaher. 
2634.   H.  2". 

2098.  Desgl.,  ganz  erhalten.  Hier  kann  die  Patina 
Bedenken  erregen.  Auch  ist  eigen,  dass  er  die  Schale  in 
der  Linken  trägt  und  in  der  zusammengeballten  Kechten 
nichts.   Ebendaher.   2637.   H.  31/2"- 

2099.  Derselbe  Typus,  vollständig  erhalten.  Unter 
den  Füssen  eine  Basis,  wielche  zeigt,  dass  die  Figur  irgendwo 
angesetzt  gewesen.  Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel  1844 
erworben.    2743.   H,  473". 

2100.  Priesterin,  ganz  erhalten,  mit  unbedecktem  Kopf, 
in  der  Rechten  eine  Schale  ausgiessend,  in  der  Linken  eine 
Weihrauchsbüchse  haltend.  Sie  ist  mit  einem  gewundenen 
Halsband  geschmückt.  Massige  römische  Arbeit.  Aus  der 
älteren  königL  Sammlung.    B.  a.  XXIX.  a.  1.   H.  9^«". 

2101.  Priesterin,  mit  Schale  und  WeihrauchkapseL 
Ganz  erhalten,  mit  einem  Diadem  auf  dem  Kopfe.  Aus  der 
älteren  königl.  Sammlung.   A.  9.   H.  l»/^". 

2102.  Desgl.,  der  rechte  Arm  fehlt  zur  Hälfte.  Steht 
auf  einer  Art  Säulenkapitell,  wodurch  sie  mit  einem  Geräth 
in  Verbindung  trat.     Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  3^/4". 


458  ^^^  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

2103.  Desgl.,  mit  derselben  Beschädigung,  Aus  der 
Sammlung  Koller.   H.  4". 

2104.  Desgl.,  ganz  erhalten.   H.  3". 

2105.  Desgl.,  der  linke  Arm  liegt  unter  dem  Gewände. 
Aus  der  Sammlung  Nagler.   H.  2", 

2106.  Desgl.,  der  rechte  Arm  nur  zur  Hälfte  erhalten. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  5.   H.  4". 

2107.  Desgl.,  der  rechte  Unterarm  fehlt  Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.   B.  36.   H.  3". 

2108.  Derselbe  Typus,  vollständig  erhalten.  Unter 
den  Füssen  ein  Knopf,  dessen  Zweck  nicht  deutlich  ist.  Aus 
dem  Nachlass  des  Direktors  Levezow  1840  erworben.  2635. 
H.  2". 

2109.  Desgl.,  ganz  roh,  aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben.    158.   H.  ^^IJ'. 

2110.  Desgl.,  etwas  besser,  mit  Schale  und  Blume. 
Ebendaher.   H.  3". 

2111.  Aehnliche  Figur,  vermuthlich  auch  eine 
Priesterin  vorstellend.  Der  linke  Arm  fasst  das  Gewand,  die 
ausgestreckte  Hand,  welche  eine  Schale  hielt,  ist  abgebrochen. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   B.  18.   H.  iVs"- 

2112.  Derselbe  Typus,  auch  hier  fehlt  die  rechte 
Hand.  Es  könnte  übrigens  auch  eine  Göttin,  etwa  Juno  bei 
dieser  und  der  vorhergehenden  gedacht  werden.  Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.   B.  19.   H.  473". 

2113.  Bekränzte  Frau,  welche  in  der  Linken  eine 
kleine  Kanne,  in  der  Rechten  die  Schale  hält.  Die  Figur 
gehört  wohl  eher  zum  Opferdienst  als  zum  profanen  Leben. 
Aus  der  älteren  königl.  Sammlung.   H.  4^4". 

Betende. 

2114.  Adorant,  mit  dem  Gestus  der  Anbetung,  wie  ihn 
die  Pietas  macht,  ein  jugendlicher  Mann  mit  dem  Himation 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  459 

am  unteren  Theil  des  Körpers  bekleidet.    Aus  der  Sammlung 
Minutoli.   B.  a.  XXX.  a.  1.   H.  278"- 

2115.  Desgl.,  nur  hat  dieser  Jüngling  unter  dem  Hima- 
tion  einen  Chiton,  und  ersteres  ist  anders  angelegt.  H.  27e". 

2116.  Betende  Frau,  mit  Unter-  und  Oberkleid  und 
Diadem,  die  rechte  Hand  bittend  ausgestreckt  und  so  war 
auch  gewiss  die  linke  Hand  gehalten,  die  abgebrochen  ist. 
Sie  trägt  die  etruscischen  Schnabelschuhe.  Die  Figur  war 
irgendwo  angebracht,  nicht  frei.  Etruscisch.  Aus  der  Samm- 
lung Bartholdy.    B.  17.   H.  41/8". 

2117.  Ganz  dieselbe  Vorstellung,  die  zur  Erklärung 
der  vorhergellenden  Figur  dienen  kann,  da  hier  beide  Hände 
erhalten  sind.  Etruscisch.  Gefunden  zwischen  Perugia  und 
Chiusi.    Dorow.    596.    H.  SVs". 

2118.  Aehnliche  Vorstellung,  nur  die  Hände  etwas 
anders  gehalten,  nach  Art  der  römischen  Pietas,  das  Ober- 
gcwand  ist  über  den  Hinterkopf  gezogen.  Etruscisch,  ganz 
barbarisch.     Ebendaselbst  gefunden.   Dorow.    590.   H.  3". 

2119.  Betender  Mann  im  Himation,  das  den  Ober- 
körper und  den  rechten  Arm  frei  lässt,  mit  einem  Kranz  auf 
dem  Kopfe.  Die  Linke  macht  den  Gestus  des  Adoration, 
die  abgebrochene  Rechte  machte  gewiss  einen  entsprechenden 
Gestus.  Mit  Basis.  Etruscisch.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
H.  SVe"  mit  Basis. 

2119*-  Etruscischer  Jüngling,  mit  der  Chlamys  über 
der  linken  Scliulter,  beide  H^nde  in  bittender  Geberdc  sym- 
metrisch ausgestreckt.  Von  Prof.  Gerhard  1841  in  Italien 
erworben.    2712.   H.  31/2"- 

2119^-  Desgl.,  mit  ähnlicher  Armbewegung,  ganz  roh. 

H.  4^4". 

Tänzer. 

2120.  Tänzer,  mit  Castagnetten,  aus  der  alt.  Samml. 
B.  a.  XV.  er.  2.    H.  h^U^'. 

Ein  nackter  mit  Weinlaub  bekränzter  jugendlicher  Tänzer 
in  möglichst  anmuthiger  Position.    Der  Körper  schwebt  auf 


460  ^^6  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

einem  Bein^  die  linke  Hüfte  ist  leicht  aasgebogen  und  nach 
der  entgegengesetzten  Seite  biegt  sich  der  Kopf  zurück, 
während  die  Arme  leicht  gebogen  nahe  am  Körper  bleiben. 
Es  ist  eine  ruhige,  aber  in  vollstem  Genuss  des  Vergnügens 
ausgeführte  Tanzbewegung.  In  'der  That  scheint  der  Tänzer 
ganz  hingegeben  an  seine  Action  und  eben  die  durch  diese 
Hingabe  bedingten  sympathischen  Bewegungen  und  Biegungen 
des  Körpers  und  insbesondere  des  Kopfes  bringen  die  un- 
beschreibliche Grazie  der  Figur  hervor. 

Eigenthümlich  ist  das  Gewand  angeordnet.  Es  erscheint 
wie  ein  schmaler  Streifen,  der  von  der  linken  Schulter  quer 
über  Brust  und  Rücken  läuft  und  dann  um  die  Hüften  ge- 
gürtet ist.  Eine  ähnliche  Gewandanordnung  bemerkt  man 
gerade  an  Tänzern  nicht  selten,  es  scheint  ein  aus  dem  Leben 
genommenes  Motiv. 

Das  linke  Bein,  auf  welchem  die  Figur  ruht,  ist  von 
der  Wade  an  ergänzt. 

Abg.  bei  Beger  III,  251.     Für   die   Tracht   der  Tänzer  vgl.  z.  B. 
bronzi  di  Ercol.  II,  Vign,  zu  p.  190.  Caylus  Rec,  VII.  pl.  80,  4. 

2121.  Tänzer,  in  sehr  bewegter  auf  den  Spitzen  der 
Füsse  schwebender  Stellung.  Der  Kopf  ist  bedeckt  mit  zier- 
lich herabhängenden  Locken,  der  rechte  Arm  sehr  bewegt 
erhoben,  der  Chiton  von  der  Bewegung  stark  gebläht.  Letz- 
terer ist  mit  Silberstreifen  verziert,  wie  öfters  gerade  bei 
solchen  Personen  vorkommt,  doch  sind  dieselben  nicht  überall 
mehr  erhalten.  Ausserdem  trägt  die  Figur  ein  Mäntelchen, 
das  quer  den  Rücken  durchschneidet  und  vom  mit  den 
Zipfeln  befestigt  ist  Dies  bläht  sich  nach  hinten  zurück 
und  verstärkt  so  den  Eindruck  der  lebendigen  Bewegung. 
Die  Füsse  sind  ungemein  graziös  gestellt,  sie  sind  mit  zier- 
lichen hoch  hinaufgehenden  Sandalen  bekleidet.  Der  linke 
Arm  und  das  unter  ihm  befindliche  Stück  des  Gewandes 
fehlen  gänzlich  und  zwar  scheint  es  nicht,  als  seien  sie  aus- 
gerissen, sondern  sie  waren  gewiss  ursprünglich  als  ein 
besonderes  Stück  eingesetzt  (wie  das  auch  bei  dem  rechten 
Arm  der  Fall  ist).  An  der  Hinterseite  bemerkt  man  einen 
unseren  Tänzer  umfassenden,  wie  es  scheint,  männlichen  Arm, 
wonach  an  der  Seite  des  Bruchs  ursprünglich  noch  eine 
zweite  Figur  vorhanden  war,  deren  Verlust  eben  auch  den 
Bruch  mit  sich  geführt  zu  haben  scheint.  Daraus  geht  auch 
hervor,    dass  das  Postament,   auf  dem  nur  eine  Figur  Platz 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  4g  1 

hat^  erst  neuerdings  hinzagefttgt  ist    Ans  dem  Besitz  Bel- 
lori's.   H.  9". 

Abg.  bei  Beger  III,  265. 

Mundschenken. 

2122.  Mundschenk^  mit  zierlich  gelocktem  Haar,  in 
kurzem  einfachen  Gewände,  das  er  mit  seinem  Mäntelchen 
gegürtet  hat,  auf  der  Rechten  eine  Schale  präsentirend,  wäh- 
rend er  in  der  herabhängenden  Linken  die  Kanne  gehabt  zu 
haben  scheint     Aus  der  älteren  Samml.   B.  a.  XXXL  er.  5. 

H.  4Vc". 

Abgebildet  bei  Beger  III,  367. 

2123.  Mundschenk,  im  Chiton,  ein  zusammengedrehtes 
Mäntelchen  dient  als  Gurt.  Er  hat  auch  die  zierliche  Frisur 
und  an  den  Füssen  Stiefel.  In  der  Linken  hält  er  die  Schale, 
in  welche  er  mit  der  erhobenen  Rechten  (die  abgebrochen 
ist)  einschenkte.  Der  rechte  Fuss  fehlt.  Aus  der  älteren 
königl.  Sammlung.   B.  a.  XXXL  a.  3.   H.  3%". 

2124.  Desgl.,  im  einfachen  Chiton,  die  Arme  ganz  so 
angeordnet,  wie  bei  dem  vorigen,  aber  beide  Hände  sind  ver- 
loren und  auch  die  Füsse  sind  vorn  etwas  beschädigt.  Das 
Gewand  war  ursprünglich  mit  Silberstreifen  versehen.  Aus 
der  Sammlung  Minutoli.   B.  a.  XXXL  a,  4.   H.  372"« 

Faustkämpfer. 

2125.  Nackte  bärtige  Figur  eines  Faustkämpfers, 
mit  kurzgeschnittenen  Haaren.  Beide  Füsse  fehlen.  An  beiden 
Händen  hat  er  den  Caestus.  In  der  Linken  scheint  er  einen 
Schwamm  zu  halten,  mit  dem  er  wohl  die  auf  der  Brust 
sichtbaren  Blutstropfen  abwischen  will.  Erworben  1843.  H.4". 

Komische  Figuren. 

2126.  Komischer  Schauspieler,  mit  einem  knapp- 
anliegenden kurzen  Wamms  bekleidet.  Die  Maske  ist  über 
den  Kopf  gezogen.  Der  Bauch  ist,  wie  es  scheint,  ausgestopft 
zu  denken.  Die  Arme  sind  über  der  Brust  gekreuzt  und  mit 
der  rechten  Hand  stützt  er  den  Kopf,  er  ist  gerade  beschäf- 
tigt, etwas  zu  deklamiren.   H.  4^/0". 


462  ^^^  grieckischen  Broncen  entwickelten  Styls. 

2127.  Komische  Figur,  in  kui^zem  Chiton  und  Spitz- 
mütze. Die  Stellung  ist  die  eines  leise  vorsichtig  Heran- 
schreitenden, die  rechte  Hand  hebt  er  warnend  empor,  etwa 
als  wolle  er  Stille  gebieten.  Die  linke  Hand  liegt  an  der 
Brust  an.     H.  SVs"- 

Fischer. 

2128.  Fischer,  mit  einem  Thierfell  um  die  Hüften, 
einer  Handwerkermütze  auf  dem  Kopf,  das  linke  Bein  auf- 
gestützt. Die  rechte  Hand  ist  ausgestreckt  und  hielt  ohne 
Zweifel  die  Angel.  Der  Blick  ist  nach  unten  gerichtet,  als 
sähe  er  unverwandt  in's  Wasser.  Die  Figur  war  gewiss  an 
einem  Bassin  aufgestellt,  ähnlich  wie  die  Statuette  aus  Her- 
culanum  Bd.  I,  n.  848.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  (0. 68). 
H.  13". 


Liktoren. 

2128*-  Zwei  voreinander  herschreitende  Lik- 
toren, in  jungen  Jahren,  in  den  linken  Händen  auf  der 
Schulter  die  ßuthenbündel  haltend,  die  rechten  Arme  wie  in 
der  Geberde  des  Redens  erhoben.  Sie  sind  bekleidet  mit  der 
Tunika  uud  dem  Sagum,  der  Tracht,  welche  die  Liktoren 
ausserhalb  der  Stadt  trugen,  während  sie  innerhalb  derselben 
die  Toga  anlegten.  Der  Mantel  ist  mit  Franzen  besetzt. 
Die  Figuren  sind  hinten  nicht  ausgearbeitet  und  an  dem- 
jenigen der  beiden,  der  am  meisten  zurücksteht,  befindet 
sich  hinten  ein  Zapfen,  woraus  hervorgeht,  dass  das  Werk 
irgendwo  als  Ornament  angebracht  war.  B.  a.  XXXII.  er.  1. 
Aus  dem  Besitz  Bellori's.     H.  4Y4". 

Abg.  ßeger  III,  302. 

Krieger. 

2129.  Römischer  Krieger,  mit  Helm  und  Panzer 
gerüstet.  Die  Waffen,  die  er  in  den  Händen  hatte,  sind  ver- 
loren gegangen,  doch  ist  leicht  zu  sehen,  dass  er  in  der 
Linken  den  Schild,  in  der  Rechten  die  Lanze  hielt.  An  der 
recliten  Hüfte  liängt  ein  breites  Messer,  das  niclit  wie  der 
gewöhnliche  römisclie  Dolch,  sondern  genau  wie  ein  römisches 


Die  griechischen  Broncen  entwickelten  Styls.  4^)3 

Opfermesser  aussieht  und  wohl  auch  zum  Schlachten  gedient 
haben  wird,  ©er  Helm  ist  mit  einem  Federbusch  versehen, 
welcher  das  Abzeichen  des  Officiers  zu  sein  scheint^).  Die 
Stimplatte  und  die  Backenklappen  sind,  ähnlich  wie  man  es 
an  Marmorwerken  sieht,  mit  kleinen  Löchern  verziert,  wo- 
mit wohl  eingeschlagene  Knöpfe  oder  etwas  Aehnliches  an- 
gedeutet werden  soll. 

Die  Figur  ist  im  Rücken  hohl  und  in  der  Höhlung 
steht  noch  der  Best  eines  Zapfens,  woraus  hervorgeht,  dass 
sie  mit  einem  Geräth  in  Zusammenhang  stand.    H.  4^/2^'. 

2129**  Römischer  Imperator,  im  Jahre  1826  bei 
dem  Dorf  Lichtenberg,-  ^4  Meile  von  Berlin  unter  Urnen- 
scherben eines  germanischen  oder  slavischen  Grabes  gefunden 
und  von  dem  Geh.  Rath  Paris  geschenkt.     H.  ö^/g". 

Die  Figur  ist  zunächst  technisch  interessant  Der  Panzer 
nämlich  ist  in  seiner  die  Brust  bedeckenden  Hauptmasse  mit 
einer  dünnen  Eupferplatte  belegt,  ans  welcher  die  jetzt  leeren 
Ornamente  ursprünglich  etwa  mit  Silber  ausgefüllt  oder  auf 
andere  Weise  hervortraten.  An  den  Schulterstücken  aber 
und  an  dem  Bauchschutz  sind  deutliche  Spuren  vorhanden,  dass 
sie  ganz  mit  Silber  belegt  waren. 

Die  Tracht  der  Figur  ist  genau  die  eines  römischen 
Imperators.  Man  vergleiche  z.  B.  die  schöne  Augustusstatue 
der  hiesigen  Sammlung,  die  in  allen  Stücken  übereinstimmt. 
Die  Attribute  fehlen  zwar,  sind  ^ber  doch  mit  liöchster  Wahr- 
scheiuliclikeit  zu  bestimmen.  Die  Reclite  hielt,  wie  der 
Gestus  anzeigt,  das  Schwert,  und  die  Linke  ist  so  geöffnet, 
wie  es  zum  Halten  der  Scheide,  die  man  ohnehin  erwartet, 
erforderlicli  ist.  Der  gewählte  Moment  aber  ist  nicht  ein 
ruhiges  Dastehen,  sondern  die  Haltung  des  rechten  Armes 
zeigt,  dass  das  Schwert  wie  zu  irgend  einer  bevorstehenden 
Actiön  gezogen  ist. 

Das  Gesicht  sclieint  nicht  Portrait  zu  sein,  sondern  hat 
einen  allgemeinen  Charakter.  Was  die  Bestimmung  der  Fi- 
gur betrifft,  so  ist  ansprechend  vermuthet  worden,  dass  sie 
ein  Feldzeiclien  gekrönt  habe. 

Abg.  bei  Levezow,  Jupiter  Imperator ,  Berlin  1826^  der  übrigens 
arg  phantasirt,  indem  er  in  dem  Kopf  der  Statuette  eine  ,,sel)r  genaue 
Ucbereiu8timmung"  mit  den  Jupiterköpfen  findet,  welche  dann  die  Basis 

^)  Deuu  die  Ceuturioueu,  die  an  dem  Rock  kenntlich  sind,  haben  ihn. 


464  I^ie  griechischen  BroUcen  entwickelten  Styls. 

für  seine  Hypothesen  abgiebt.  Ich  glaube  nicht  nÖthig  zn  haben,  das 
im  Einzelnen  zu  widerlegen,  es  ist  eben  Haar,  Bart  und  die  ganze  Form 
des  Gesichts  grundverschieden  von  den  Jupiterköpfen.  Dagegen  bin  icli 
in  der  Annahme  über  die  ^einstmalige  Bestinunuag  der  Figur  Levezow 
gefolgt. 

Vermischtes. 

2130.  Jüngling,  in  schreitender  Stellung^  ganz  in  sein 
Himation  gehüllt,  worunter  er  den  Chiton  trägt.  Die  Füsse 
fehlen.     Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  2%". 

2131.  Bömische  Dame,  ganz  in  ihr  Gewand  gehüllt, 
das  auch  über  den  Hinterkopf  gezogen  ist,  vorwärts  schreitend, 
etwas  stolz  sich  umblickend,  auf  antiker  Basis.     H.  4^/2". 

2132.  Bekleidete  Frau,  liegend,  eine  Schlange  mit 
der  Bechten  fassend,  und  ihr  mit  der  Linken  die  Schaale 
zum  Trinken  reichend.  Ist  das  Bild  einer  heroisirten  Todten. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.     C.  57.     H.  iVe"- 

2133.  Liegende,  hinten  verschleierte  Figur,  in 
der  Bechten  eine  Schaale,  in  der  Linken  einen  verstümmel- 
ten, unbestimmbaren  Gegenstand  haltend.  Die  Figur  erinnert 
sehr  an  die  Bilder  der  Verstorbenen,  wie  man  sie  auf  römi- 
schen und  etruscischen  Sarkophagdeckeln  trifft.  Aus  der 
älteren  Sammlung.   A.  10.     H.  iVs". 


Kinde  rdarst  eilungen. 

2134.  Nackter  Knabe,  schlafend  zusammengekauert 
Das  rechte  Bein  ist  untergeschlagen,  über  dem  aufgestemm- 
ten linken  Knie  sind  beide  Hände  zusammengelegt  und  da- 
rauf liegt  müde  der  Kopf.  Fast  ganz  übereinstimmend  mit 
d^m  statuarischen  Typus  des  schlafenden  Fischerknaben  im 
Vatikan.  Sehr  hübsch.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  63. 
H.  1". 

2135.  Nackter  Knabe,  an  Schultern  und  Armen  mit 
der  Chlamys  bedeckt,  in  beiden  Händen  eine  komische  Maske 
haltend.  Der  Kopf  ist  oben  ganz  platt,  wie  abgesägt"  Der 
Knabe  sitzt  auf  einer  wie  eine  Hohlkehle  gestalteten  Basis 
und  diese  befindet  sich  auf  einer  viereckigen  Platte,  die  offen- 


Die  griechischen  Broncen  entwickehen  Styls.  465 

bar  zu  einem  Geräth  gehört  hat.   Aus  der  Sammlung  Koller. 
H.  31/2". 

2136.  Nacktes  Enäbchen^  sitzend,  die  linke  Hand 
auf  die  Erde  stützend,  den  rechten  Arm,  dessen  Hand  ver- 
loren ist,  ausstreckend.  Es  scheint  ein  ähnliches  Motiv,  wie 
bei  dem  so  oft  vorkommenden  Knaben  mit  der  Ente.  Das 
Kind  will  sich  erheben  und  streckt  sein  Händchen  nach 
Hülfe  aus.    H.  1''. 

2137.  Knäbchen  in  ähnlicher  Position,  nur  die 
linke  Hand  ist  etwas  anders  gehalten  und  die  Hälfte  des 
rechten  Armes  fehlt.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  C.  64. 
H.  l*/e". 

2138.  Nacktes  Knäbchen,  sitzend,  in  einer  Stellung, 
als  wiche  es  vor  etwas  zurück.  Der  linke  Arm  ist  erhoben* 
Die  kleine  Figur  scheint  mit  einer  im  Vatikan  (galL  d.  candel.) 
zweimal  vorkommenden  Gruppe  zu  stimmen,  wo  ein  Knabe 
von  einem  Hunde  erschreckt  wird.  Das  Motiv  ist  niedlich. 
Aus  der  älteren  Sammlung.   B.  a.  XIX.  a.  8.     H.  iVs"- 

2139.  Knäbchen  mit  der  Querflöte,  1846  aus  dem 
Nachlass  des  Obristlieutenant  Schmidt  in  Berlin  erworben. 
2838.   H.  2V2". 

Ein  Knäbchen  mit  der  sogenannten  Exomis  —  einem 
die  rechte  Schulter  freilassenden  Hemde  —  bekleidet,  spielt 
die  Querflöte  und  tanzt  dazu,  indem  er  lustig  sein  Bein  nacli 
hinten  wirft.  Die  Flöte  ist  nicht  erhalten.  Niedliches  Fi- 
gürchen. 

21 40.  Nacktes  Knäbchen  auf  einer  Schildkröte  sitzend, 
vielleicht  von  einem  Geräth.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869 
erworben.    H.  l^j^'*     141. 

2140*-  Nackte  Knaben figur,  auf  einem  Stein  sitzend, 
an  seine  Knie  springt  ein  Hund  hinan.  Seine  Geberde  ist 
undeutlich.  Auf  einer  inwendig  hohlen,  nach  hinten  geöffne- 
ten Basis.  Gefunden  zu  Bonn.  Aus  der  Böcking'schen  Samm- 
lung. '810.    H.  2«/4^ 


Frlo^enchs,  Berlii)'«  Aitike  Bildwerke  II,  qq 


466  I^ic  griechischen  Bronoen  entwickelten  Styls. 


Zwerge  und  Krüppel. 

Die  Liebhaberei  an  Zwergen  und  Krüppeln  ist  einer  der 
widerwärtigsten  Züge  iii  dem  Bilde  römischer  Sittenverderb- 
niss.  Man  hielt  sie  als  Diener  und  Possemreisser^  liess  sie 
mit  einander  kämpfen  und  hatte  auf  alle  Weise  seinen  Spass 
mit  ihnen.  Gerade  in  den  kleinen  Broncefiguren  kann  man 
anschaulicher  und  reichhaltiger  als  in  ii^end  einer  anderen 
Gattung  verfolgen,  wie  sie  aussahen  und  in  welcher  Weise 
sie  zur  Belustigung  der  Leute  dienten. 

Vgl.  0.  Jahn,  Archäol.  Beitr.,  p.  430  ff. 

2141.  Zwei  Zwerge  oder  Pygmäen,  mit  Helm, 
Schild  und  (jetzt  fehlenden)  Schwertern  bewaflEhet  und  in  An- 
griffsstellung gegen  einander  tretend.  Auf  ihren  Schilden 
steht  komischer  Weise  S.  P.  Q.  R.,  so  dass  sie  wie  officielle 
Kämpfer  dastehen.  Diese  Scene  erinnert  an  die  Zwergkämpfe, 
die  Domitian  öffentlich  veranstaltet  haben  soll,  und  ist  viel- 
leicht ein  künstlerischer  llachklang  davon. 

Die  kleinen  Figuren  stehen  auf  einem  ovalen  Fussgestell, 
das  aber  nicht  bloss  die  Bestimmung  hatte,  ihnen  als  Basis 
zu  dienen.  Wahrscheinlich  war  es  ein  Deckel,  und  die  Gruppe 
diente  als  Griff.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  a.  XXXIIL 
a.  1.   H.  Vis"  mit  Basis. 

£in  ganz  übereiDStimmendes  Stück   ist    von  Caylus,    Recueil   Vi, 
pl.  93  publicirt,  wird  aber  von  ihm  f&r  modern  erklärt. 

214P'  Pygmäe  mit  einem  Ring  zum  Aufhängen  auf 
dem  Eopf.  War  gewiss  ein  Amulet.  Vom  rechten  Arm  und 
linken  Fuss  fehlt  ein  Stück.  Auf  der  Insel  Cypern  gefunden 
und  mit  dem  Nachlass  des  Prof.  Boss  1860  erworben.  3416. 
H.  2V2". 

2142.  Krüppel,  gefunden  1823  beim  Festungsbau  vor 
dem  Hahnenthor  in  Cöln,  angekauft  1841  aus  dem  Nachlass 
des  Kriegsministers  von  Rauch.     H.  3^/4". 

2142*^-  Krüppel.  Die  Figur  ist  sehr  geistreich  com- 
ponirt  und  mit  grosser  Naturwahrheit  ausgeführt.  Es  fehlen 
zwar  die  Füsse  und  die  linke  Hand  mit  ihrem  Attribut; 
allein  das  Motiv  ist  trotzdem  vollkommen  klar.  Der  Krüppel 
hielt  in  der  Linken  die  Leier,  über  welche  er  so  eben  mit 
dem  in  seiner  Recliten  befindlichen  Piektrum  hinweggestrichen, 


Die  griechischen  Broucen  entwickelten  Styls.  467 

sein  Maud  ist  zum  Singen  geöffnet  und  die  magern  Beine 
setzen  sich  zu  schwächlichem  Tanz  in  Bewegung.  Man  darf 
nicht  zweifeln ;  dass  diese  hässliche  und  unanständige  Figur 
genau  so  wie  sie  hier  in  Bronce  vor  uns  steht^  als  lebendi- 
ges Wesen  in  römischen  Gesellschaftscirkeln  erschien.  Auch 
wohlgestaltete  Tänzer  treten  oft  nackt  auf,  wie  viel  mehr 
diese  armen  Geschöpfe,  denen  eine  Verhüllung  gerade  den 
pikanten  Reiz  genommen  hätte,  den  man  an  ihnen  suchte. 

Uebrigens  passt  die  Beschreibung  auf  ihn,  die  Martial  VI, 
39,  15  von  einem  solchen  Geschöpf  giebt,  acuto  capite  et 
auribus  longis  quae  sie  moventur  ut  solent  asellorum. 

2143.  DesgL,  fast  ganz  übereinstimmend.  Doch  fehlen 
beide  Arme  und  so  lässt  sich  das  Motiv  nicht  mehr  bestim- 
men.    H.  4". 

2144.  Büste  eines  buckeligen  Zwerges,  den  eben 
genannten  Figuren  fast  ganz  entsprechend,  nur  dass  am 
Hinterkopf  ein  Büschel  Haare  steht.  Vorn  über  dem  Scheitel 
befindet  sich  auch  etwas,  was  man  auch  für  Haar  halten 
muss,  wenngleich  es  ganz  wie  ein  Phallus  aussieht.  £s  scheint 
absichtlich  zu  komischem  Effect  so  gestaltet  zu  sein.  Vorn 
entwickelt  sich  die  Büste  aus  einer  Blattverzierung.  Gute 
Arbeit.     Aus  der  Sammlung  Bartholdy.     C.  96.     H.  3". 

2145.  Bärtiger  Zwerg,  nackt,  in  Kinderformen,  mit 
grossem  Phallus,  den  Kopf  gesenkt,  den  linken  Arm  über  die 
Augen  gelegt,  den  rechten  verwundert  erhoben.  Er  betrach- 
tet nämlich  staunend  sein  eigenes  grosses  Glied.     H.  3". 

2146.  Nackte  buckelige  Figur,  äusserst  schwäch- 
lich, mit  grossem  Geschlechtsglied,  in  der  Rechten  zwei 
Enten  (?),  in  der  Linken  einen  Krug  tragend.  Wir  ver- 
stehen die  Bedeutung  dieser  Figur  nicht.  Mit  antiker  Basis. 
3641. 

Barbarendarstellungen. 

2147.'  Kopf  eines  Barbaren  mit  Backenbart,  einem 
Schopf  oben  auf  dem  Kopf  und  einem  Kranz  von  Haaren, 
wenn  nicht  einer  Binde,  um  den  Kopf  herum.  Hohl,  oben 
beschädigt.    Aus  der  älteren  Sammlung.    B.c.  /?.  12.  H.  2^/«" 

2148.  Aehnlicher  Kopf,  kahl  bis  auf  einen  Schopf 
in  der  Mitte,  eine  grosse  Warze  über  dem  linken  Ohr.    An 

30* 


458  ^^  altetniscische  Styl. 

mehreren  Stellen  beschädigt,  aber  die  zwei  Löcher  auf  dem 
Vorderkopf  sind  ursprünglich  und  dienten  zur  Befestigung. 
Der  Kopf  hat  etwas  Japanesisches.  Aus  der  älteren  Samm- 
lung.    B.  c.  ß.  13.     H.  l'/s". 

Portrait 

2149.  Reliefbildnlss  eines  Knaben,  auf  eine  Platte 
von  Porphyr  aufgesetzt.  Die  Gesichtszüge  erinnern  etwas  an 
Tiberius.  Jedenfalls  ist  es  ein  Portrait.  Schön.  Aus  dem 
Besitz  Bellori's.     B.  c.  ß.  21.     H.  4V2". 

2150.  Büste  eines  unbärtigen,  kahlköpfigen 
Römers.  Charaktervoll  und  gut  gearbeitet.  In  Bingen  ge- 
funden und  1845  erworben.    3534.    H.  2". 

2151.  Unbärtige  Portraitbüste,  mit  markirten  Zügen. 
Mit  einem  Stift  zum  Einlassen  versehen.  Aus  der  Sammlung 
Minutoli.   B.  c.  ß.  24.    H.  '/g". 

2152.  Bartloses  Portrait  auf  einem  broncegefütterten 
Medaillon  von  Silber,  mit  Lorbeerkranz,  vielleicht  das  eines 
römischen  Kaisers.  War  irgendwo  als  Verzierung  angeheftet 
Aus  der  Sammlung  Minutoli.  B.  c.  ß,  22.  Gefunden  bei 
Cleve.     H.  2^/2". 

b.  Der  altetruscische  StyL 

Es  konnte  nicht  unsere  Absicht  sein,  hier  eine  ein- 
gehende Untersuchung  über  die  Anfänge  der  etruscischen 
Kunst  anzustellen,  die  nur,  wenn  sie  in  grossem  Maassstabe, 
mit  Heranziehung  der  gesammten  orientalischen  und  ägypti- 
schen Kunst  unternommen  wird,  fruchtbare  Resultate  liefern 
kann.  Doch  war  es  andererseits  nothwendig,  eben  weil  dies 
Gebiet  noch  im  Dunkeln  liegt,  gewisse  Punkte  zur  Orientirung 
aufzustellen,  wobei  wir  freilich  uns  die.  ausführlichere  Moti- 
virung  unserer  Meinung  für  eine  andere  Gelegenheit  vor- 
behalten müssen. 

In  den  Anfängen  der  etruscischen  Kunst  erkennt  man 
auf  das  Deutlichste  Einflüsse  von  Aeg3rpten,  mit  welchem 
Lande,  wie  wir  jetzt  wissen,  die  Etrusker  schon  im  vierzehn- 
ten Jahrhundert  vor  unserer  Zeitrechnung  in  Berührung 
kamen,    und    vom    Orient     Phönizisqhe   Kunstvorstellungen 


Der  altctruscischc  Styl.  469 

waren  z.  B.  in  Etrurien  weit  verbreitet.  Daneben  aber  giebt 
es  eigenthtimlich  etruscische  Werke,  die  zwar  in  Nebensachen 
die  Abhängigkeit  vom  Auslände  deutlich  wahrnehmen  lassen, 
in  der  Hauptsache  aber  eine  sehr,  anziehende  primitive  Naive- 
tät  zeigen.  Freilich  kennen  wir  nnr  zwei  solche  Werke  ^). 
Dann  kam  der  griechische  Einfluss  und  mit  ihm  verging  die 
frtdiere  Naivetät  und  trat  jenes  eckige,  harte  und  so  oft  über- 
triebene Wesen  ein,  zu  dem  die  Etrusker  in  Folge  ihrer  na- 
tionalen Anlage  die  Strenge  der  altgriecJiischen  Originale  um- 
bildeten. Auch  die  Ideenwelt  der  etruscischen  Kunst  wurde 
bald  mehr  und  mehr  griechisch.  Doch  hatte  der  griechische 
Einfluss  andererseits  aucli  gute  Folgen.  Die  Etrusker  such- 
ten mit  ihren  Meistern  zu  rivalisiren,  und  wie  gut  ihnen  das 
oft  gelang,  haben  wir  schon  oben  an  manchen  Spiegeln  ge- 
sehen, die  durchaus  nicht  von  griechisclien  Werken  zu  unter- 
scheiden sind. 

Wie  auch  scJion  bei  den  Spiegeln  bemerkt  wurde,  war 
bei  dem  lebhaften  Verkehr  zwischen  Griechenland  und  Etrurien, 
den  wir  aus  den  in  Etrurien  gefundenen  Vasen  schliessen 
mtlssen,  der  Verlauf  der  griechischen  und  etruscischen  Kunst 
sehr  analog,  der  alterthümliche  Styl  wird  daher  in  Etrurien 
nicht  länger  gedauert  haben  als  in  Griechenland.  Man  hat 
dies  allerdings  behauptet  und  zwar  mit  Hülfe  eines  Arguments, 
das  auf  den  ersten  Anblick  sehr  plausibel  scheint.  Ver- 
schiedene Schriftsteller  nämlich  berichten,  dass  erst  um*s 
Jahr  300  v.  Chr.  die  ersten  Barbiere  nach  Italien  gekommen 
seien  und  eben  hieraus  folgert  man,  dass  alle  bartlosen  Fi- 
guren der  Etrusker,  und  darunter  auch  eine  Menge  von  alter- 
thümlichstem  Styl,  erst  nach  300  entstanden  seien,  so  dass 
dann  der  Styl  der  letzteren  nicht  mehr  ein  echt  alterthümlicher 
sein  würde.  Aber  es  existirt  glücklicherweise  ein  Gegen- 
zeugniss  aus  der  Zeit  vor  300,  wonacli  es  bei  den  Etruskern 
sowohl  wie  bei  anderen  Barbaren  längst  Sitte  war,  sich  die 
Haare  am  ganzen  Körper  sowohl  durch  Scheeren  als  vermittelst 
aufgelegten  Pechs  entfernen  zu  lassen.  Dies  Zeugniss  erklärt 
auch  zugleich  die  Vorliebe  der  Etrusker  für  bartlose  Gesichter. 
Der  Grund  liegt  nämlich  nur  in  der  Weichlichkeit  der  Nation. 


^)  Die  sich  in  dem  für  etruscische  Kunst  so  höchst  bedeutenden 
museo  Casuccini  in  Paleroao  befinden,  übrigens  bei  dem  geringen  In- 
teresse für  etruscische  Kunst,  so  viel  ich  weiss,  weder  abgebildet  noch 
irgendwo  erwähnt  sind.  Ich  hoffe  sie  bei  anderer  Gelegenheit  zu  Ehreji 
zu  bringen. 


470  ^^^  altetruscischc  Ötyl. 

Das  Arp^ument  von  der  Bartlosigkeit  ist  zaietzt  von  Brunn,  Annali 
1860,  p.  488  vorgrebracht,  der,  wie  es  scheint,  »icht  wusste,  dass  es 
schon  öfter  angeführt  und  auch  widerlegt  ist,  insbesondere  von  Rocchi 
in  einer  Beilage  zu  Gozzadini^s  Schrift  di  un  sepolcreto  etrusco  sco- 
perto  presso  Bologna  1854,  p.  41 — 51.  Hier  ist  auch  schon  die  Stelle 
des  Athen.  XI F,  cap.  14  angeführt,  auf  welche  der  Text  eingeht. 
Uebrigens  ges'ehe  ich  offen,  dass  es  mir  etwas  vollkommen  unbegreif- 
liches ist,  wie  man  z.  B.  die  alterthümlichen  etruscischen  Skarabäen, 
etwa  solche,  wie  die  fünf  Helden  von  Theben  oder  den  Kampf  zwischen 
Herkules  und  Kyknos,  die  ja  an  der  Bartlosigkeit  participiren,  für  etwas 
nicht  Ursprüngliches  halten  kann. 

2153.  Geflügelte  Figur,  aus  Perugia.  Sammlung 
Dorow.     H.  b^l,",  / 

Diese  Figur  gehört  zu  dßn  im  Jahre  1812  bei  Perugia 
gefundenen  Broncen,  die  alle  oder  grösstentheils  zur  Ver- 
zierung eines  Wagens  dienten.  Es  waren  theils  Platten  mit 
flachen  Reliefs,  theils  einzelne  freie  oder  hautreliefartige 
Figuren,  von  denen  erstere  die  Wände  des  Wagens  beklei- 
deten, während  letztere  vermutblich  an  einzelnen  hervor- 
ragenden Stellen  befestigt  waren.  An  mehreren  dieser  Fi- 
guren sieht  man  noch  die  Spuren  ihrer  Befestigung.  Dies 
ist  auch  bei  der  unserigen  der  Fall,  die  wie  ein  Hautrelief 
ausgeführt  ist  und  mit  vier  Nägeln  am  Grunde  befestigt  war. 

Die  Figur  ist  stylistisch  sehr  interessant,  insofern  sie 
eine  Anschauung  des  ältesten,  noch  in  orientalischer  Tradition 
befangenen  etruscischen  Styls  giebt.  Das  Gesicht  ist  noch 
rein  orientalisch;  die  von  der  Brust  ausgehenden  Flügel,  die 
man  auch  an  uralten  Denkmälern  des  griechischen  Bodens 
findet,  sind  ebenfalls  eine  Nachahmung  orientalischer  Vorbilder 
und  das  völlig  faltenlose  Gewand,  das  auch  an  anderen  alt- 
etruscischen  Figuren  vorkommt,  ist  auch  den  assyrischen 
Statuen  eigen.  Doch  fehlt  es  nicht  an  Zierrat,  ein  eingravirter 
Maeander  läuft  in  der  von  alten  Minervenstatuen  bekannten 
Weise  das  Gewand  hinab. 

Es  sollen  drei  ganz  übereinstimmende  Exemplare  dieser 
Statuette  gefunden  sein  und  man  ist  kühn  genug  gewesen, 
diese  vielleicht  nur  zufällige  Zahl  zum  Ausgangspunkt  einer 
Namengebung  zu  machen,  indem  man  nämlich  die  Hören 
dargestellt  glaubt.  Wie  haltlos  diese  Annahme  ist,  bedarf 
keiner  Bemerkung,  ja  es  ist  überhaupt  fraglich,  ob  eine  my- 
thologische Figur  dargestellt  ist. 

A.bg.  bei  Dorow,  Notizie  in(orno  alcnni  vasi  etruschi  Pesaro  1828, 
pl.  IX,  flg.  1.  Vgl.  dess.  Verf.  Voyage  archeologique  dans  l'fetmrie, 
p.  10  und  Connestabile  im  bullet.  1862,  p.  80.    Die  im  Text  abgewiesene 


Der  altetruscische  Styl.  471 

Vermuthnng   ist   von  Vermiglioli   ausf^esprochen    im  saggio   di   bronzi 
etnischi  trovati  nell'  agro  Perugino,  p.  13  zu  tav.  I,  4. 

2154.  Weiblicher  Kopf  von  einer  Statue,  sehr  ähn- 
lich der  eben  erwähnten  Figur.  Aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy.     C.  73.     H.  l»/^". 

2155.  Venus,  im  Jahre  1750  in  Perugia  gefitoden, 
zuerst  in  der  Sammlung  Oddi  in  Perugia,  dann  in  der  Samm- 
lung Bartholdy  B.  20,  aus  welcher  sie  in's  kgl.  Museum  ge- 
kommen ist.    H.  6". 

Der  Typus  dieser  P^igur  ist  der  der  orientalischen  Venus, 
sie  fasst  mit  der  Linken  ihr  Gewand  und  hielt  in  der  Bech- 
ten,  wie  die  etwas  verstümmelten  Finger  noch  erkennen 
lassen,  eine  Blume.  Die  Gewänder,  die  etruscische  Mütze 
und  die  spitzen  Schuhe  sind  aufs  Sorgfältigste  verziert,  über- 
haupt war  die  feinste  Detailausführung  beabsichtigt,  selbst 
die  Härchen  an  den  Augenwimpern  sind  angegeben.  Damit 
contrastirt  aber  schneidend  die  künstlerische  Kohheit;  die 
Vorderseite  der  Figur  z.  B.  ist  ganz  glatt  und  nicht  einmal 
ein  Knie  angegeben. 

Diese  Figur  erinnert  an  manche  tarquiniensische  Wand- 
gemälde und  an  Spiegelzeichnungen  von  der  Art,  wie  wir  sie 
unter  n.  17  haben  kennen  lernen.  Sie  gehört  in  die  zweite 
Periode  der  etruscischen  Kunst,  als  bereits  der  griechische 
Einfluss  begonnen  hatte.  Aus  diesem  Einfluss  erklärt  sich 
die  Hagerkeit  der  Gestalt,  die  wir  auch  an  dieser  Venus  be- 
merken und  die  dem  ältesten  etruscischen  Styl  fremd  ist. 

Auf  dem  Rücken  der  Figur  befindet  sich  die  Inschrift 
Phlexru,  die  natürlich  allerlei  Gelehrten,  welche  lieber  phan- 
tasiren  als  ihr  Nichtwissen  bekennen,  viel  Gelegenheit  zur 
Schriftstellerei  gegeben  hat. 

2156.  Nackte  männliche  Figur,  ganz  in  der  Stellung 
der  alterthümlichen  griechischen  Apollostatuen.  Die  Schädel- 
form ist  noch  fast  ganz  ägyptisch.  Aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy.    B.  2.     H.  5Va". 

2157.  Ganz  übereinstimmende  Figur,  nur  viel 
roher.  Aus  der  Sammlung  Pourtalös  1865  erworben.  3540. 
H.  VU". 

2158.  Nackter  Jüngling  in  ähnlicher  Stellung, 
nur  dass  die  Arme  vom  Leibe  gelöst  sind.  Der  linke  Fnss 
fehlt.     1869  angekauft.    3621.    H    3V4". 


472  ^^'^*  alietruscische  Styl. 

2159.  IS'ackte  männliche  jugendlixjhe  Figur  in 
selir  altem  Styl.  Beide  Hände  sind  parallel  in  bittender  Ge- 
berde, wie  es  scheint,  ausgestreckt.  Hinten  am  Rücken  ist 
ein  viereckiges  Loch,  das  wohl  zur  Befestigung  der  Figur 
diente.  Ist  vielleicht  ein  Weihgeschenk  von  der  Art,  wie 
sie  in  der  Einleitung  zu  den  Opfernden  und  Betenden  erwähnt 
wurden.  Aus  Chiusi  kenne  ich  Figuren  von  ähnlichem  Styl. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    B.  5.    H.  15". 

2160.  Weibliche  Figur  mit  Tutulus,  vollkommen  in 
ägyptischer  Weise  dargestellt.  Der  linke  Fuss  steht  etwas 
vor,  beide  Arme  liegen  eng  am  Leibe  und  das  Gewand  liegt 
ganz  knapp  an.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  22.  H.  3^/4". 

2161.  Desgl.,  nur  dass  der  rechte  Arm  etwas  vom 
Leibe  gelöst  ist.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.  A.  7*-  R^Ve"- 

2161**-  Etruscische  Göttin  (?),  am  Hinterkopf  ver- 
schleiert, mit  einem  shawlartig  über  dem  Untergewand  be- 
findlichen Obergewand  bekleidet,  eine  Art  Thurmkrone  auf 
dem  Kopf.  Die  Stellung  ganz  alterthümlich,  beide  Arme 
rechtwinkelig  abstehend,  die  Hände  sind  aber  verloren.  Die 
Figur  ist  hinten  platt,  um  sie  irgendwo  anzuheften,  worauf 
auch  2  Löcher  im  Rücken  deuten;  die  Basis  hat  auch  an 
ihren  Ecken  Löcher  zur  Befestigung.     H.  b%'*  mit  Basis. 

2162.  Herkules  mit  dem  Löwen,  bei  Chiusi  gefun- 
den, 1841  von  Prof.  Gerhard  angekauft.    2687.   H.  4^0''. 

Der  Typus  des  Herkules,  der  in  lebhafter  Angriffs- 
stellung dasteht  und  in  der  Rechten  die  Keule  schwingt, 
während  er  «in  der  ausgestreckten  Linken  den  Löwen,  das 
Object  seines  Schlages,  leicht  und  spielend  am  Schwänze 
emporhebt,  ist  in  etruscischer  Kunst  nicht  ganz  selten,  er  ist 
aber  nicht  ursprünglich  etruscisch.  Auf  einer  phönicischen 
Münze  kommt  er  vor^)  und  bei  den  Ausgrabungen  in  Idalion 
auf  Cypern  sind  mehrere  derartige  Figuren  gefunden.  Un- 
zweifelhaft ist  es  ein  phönicischer  Typus,  um  so  mehr,  da  er 
fast  ganz  mit  dem  oben  erwähnten  Typus  des  tyrischen  Her- 
kules übereinstimmt.  Denn  nur  in  dem  Attribut  der  linken 
Hand  unterscheiden  sich  die  beiden,  in  welcher  der  letztere 

^)  Vgl.  duc  de  Luynes  essai  siir  la  numismatique  des  satrapies  et 
de  la  Ph^nieie,  pl.  5. 


Der  altetruscisohe  Styl.  473 

nicht  den  Löwen^  sondern  den  Bogen  trägt;  in  allem  Uebri- 
gen  sind  sie  vollkommen  gleich.  Es  ist  recht  wieder  ein 
Beweis  dafür^  wie  sparsam  man  gleiclisam  in  alter  Zeit  mit 
den  Eunstmitteln  ist;  indem  man  einen  und  denselben  Typus 
für  zwei  verschiedene  Figuren  und  Situationen  verwendet. 

2163.  Zierliches  Herkulesfigürchen  mit  Chiton 
und  Löwenfell,  gleichsam  in  Paradestellung.  Die  Linke  hängt 
am  Leibe  herab  ^  die  Bechte  hat  die  Keule  geschultert.  Die 
Stellung  erklärt  sich  nur  aus  tektonischer  Verwendung  der 
Figur,  sie  krönte  vielleicht  einen  Candelaber.  Aus  der  Samm- 
lung Pourtal^s  1865  erworben.    3539.   H.  8^4". 

2164.  Schwergerüsteter  Krieger  in  Angriffsstellung, 
von  Prof.  Gerhard  1834  angekauft    H.  42/3". 

Die  Figur  hielt  in  der  Bechten  den  gezückten  Speer, 
in  der  Linken  den  Schild.  Besonders  interessant  ist  die 
Büstung.  Zwar  Beinschienen  und  Panzer  sind  gewöhnlich, 
doch  verdient  schon  beim  Helm  bemerkt  zu  werden,  dass  er 
dem  ältesten  griechischen,  mit  aufrecht  stehendem  Bügel  ent- 
spricht und  dass  dieser  Bügel  hier  seiner  Form  entsprechend 
in  einen  Schwanehkopf  ausläuft  und  zur  Aufnahme  des  Busches 
einen  Spalt  hat;  was  aber  ganz  besonders  wichtig  ist,  ist  die 
Büstung  des  rechten,  nicht  durch  den  Schild  geschützten 
Armes.  Sie  besteht  aus  zwei  Theilen.  Den  Oberarm  schützt 
ein  einfacher  breiter  Bing,  den  Unterarm  aber  bedeckt  eine 
förmliche  Schiene,  die  sich  dem  Arm  ebenso  anschmiegt,  wie 
die  Beinschiene  dem  Bein. 

In  der  Gladiatorentracht  sieht  man  die  Armrüstung  nicht 
selten,  auch  sind  Armschienen  von  Gladiatoren  erhalten,  an 
der  Kriegertraeht  habe  ich  sie  ausser  diesem  Beispiel  nie 
bemerkt.  Auch  war  die  Armschiene  keineswegs  ein  regel- 
mässiges und  allgemeines  Stück  der  Bewaffnung.  Homer,  der 
Büstungsscenen  so  detaillirt  ausführt,  würde  sie  erwähnen, 
wenn  er  sie  gekannt  hätte,  die  Beiterei  zu  Xenophon's  Zeit 
dagegen  trug  sie  (Xen  de  re  eq.  12).  Wir  wissen  eben  nicht 
das  Nähere  über  ihre  Anwendung,  am  allerwenigsten  bei  den 
Etruskern,  denen  diese  Figur  angehört. 

An  dieser  Figur  liegt  das  etruscisch  Unerfreuliche  vor- 
nehmlich in  der  Stellung.  Ohne  irgend  einen  Ausdruck  der 
Leidenschaft  steht  der  speerschleudernde  Krieger  da  mit 
steifen  Geberden  und  wie  festgewurzelt,  ohne  Leichtigkeit  und 
Grazie.    Die  Ausführung  des  Details  ist  dagegen  wieder  sehr 


474  ^^r  altetruscische  Styl. 

sorgfältig,  wie  wir  schon  so  oft  die  Verbindung  sauberer,  ja 
vollendeter  Technick  mit  künstlerischem  Ungeschick  an  etrus- 
cischen  Werken  beobachtet  haben. 

2165.  Nackter  Jüngling,  die  linke  Hand  nach  unten 
gestreckt,  die  Bechte,  die  etwas  erhoben  war^  fehlt.  Auch  der 
linke  Fuss.   Aus  der  Sammlung  Bartholdy.   B.  42.   H.  4^6 "• 

2166*.  Desgl.,  in  ruhiger  Stellung.  Der  linke  Arm  fehlt 
ganZ;  vom  rechten  die  untere  Hälfte.  Vielleicht  hat  er  als 
Stütze  eines  Candelabers  oder  dergleichen  gedient,  es  ist 
wenigstens  auf  dem  Kopf  oben  etwas  platt  gefeilt,  als  sei 
hier  ein  Rest  übrig  geblieben.     Hübsche  Figur.     H.  472" 

2167.  Nackter  Jüngling  mit  langen  Haaren,  in  der 
Linken  den  Diskus  haltend  und  die  beiden  ersten  Finger  der 
I^echten  ausstreckend,  etwa  als  wollte  er  sich  selbst  für  den 
bevorstehenden  Wurf  zur  Aufmerksamkeit  und  Sorgfalt  er- 
mahnen.   H.  5". 

2168.  Weibliche  bekleidete  Figur  mit  Tutulus, 
roh.  Wahrscheinlich  ist  der  oben  erwähnte  Venustypus  mit 
der  Blume  gemeint,  dem  sie  ziemlich  entspricht.  Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.   B.  21.   H.  S'/*". 

2169.  Desgl.,  wahrscheinlich  derselbe  Typus.  Die 
rechte  Hand  fehlt.  Aus  der  älteren  Sammlung.  A.  7.  H.  4^3". 

2170.  Bärtiger  Mann  mit  Chiton,  worüber  das  Hi- 
mation,  welches  die  rechte  Schulter  frei  lässt.  Die  Linke 
steht  rechtwinkelig  vom  Leibe  ab  und  hielt  etwas^  was  ein 
Bogen  gewesen  sein  könnte.  In  der  erhobenen  Rechten  hat 
er  wahrscheinlich  die  Keule  gehalten.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.    B.  4.   H.  SVe"- 

2171.  Nackte  männnliche  geflügelte  Figur,  be- 
wegt forteilend  mit  erhobenen  Händen,  ganz  wie  die  Medusen- 
schwestern auf  alterthümlichen  Vasen,  die  Beine  in's  Profil 
gestellt,  das  Uebrige  en  face.  Die  rechte  Hand  fehlt.  Es 
ist  eine  Relieffigur,  die  irgendwo  als  Ornament  aufgesetzt 
war.     H.  273". 

2172.  Ganz  übereinstimmende  Figur^  nur  dass  sie 
an  den  Füssen  geflügelt  ist  und  an  den  Schaltern  nach  orien- 


Der  alietruscische  Styl.  476 

talischer  Weise  noch  vier  Flügel  hat.  Auch  hängen  lange 
Flechten  a^f  die  Schultern  herab.  Auch  eine  BelieffigoT; 
die  als  Geräthstütze  diente  und  zur  Aufnahme  des  Geräthes 
in  sich  ein  Voluten-  und  Palmettenornament  hat.  Aus  der 
Sammlung  Pourtal^s  1865  angekauft.     3538.     H.  572" 

Abg.  b.  Panofka,  Cab.  Pourtal^s,  pl.  40. 

2172*-  Phantastische  weibliche  Figur  mit  vier 
Plügeln.  Relief.  Die  oberen  Flügel  gehen  nach  ältester 
Weise  von  der  Brust  aus.  Parallel  mit  ihnen  sind  die  Arme 
ausgebreitet  Darunter  ein  zweites  Paar  Flügel.  Die  Fasse 
mit  den  Krallen  liegen  angezogen  am  Leibe,  üeber  ihnen 
ein  Loch,  in  dem  noch  ein  Nagel  steckt;  mit  dem  das  Ganze 
auf  einem  Grunde  als  Ornament  befestigt  war.  Aus  der  Do- 
rpw'schen  Sammlung.   568.  H.  2^/3". 

2173.  Chimäre,  altetruscisches  gepresstes  Relief.  Aus 
der  Sammlung  Bartholdy.    D.  48. 

Das  Relief  ist  etwas  beschädigt  und  daher  fehlt  von  den 
drei  Leibern  der  Chimäre  die  Schlange.  Es  ist  von  einem 
feinen  Bandgeflecht  umgeben. 

Dies  Relief  zeigt  deutlicher  als  irgend  ein  anderes  den 
Einfluss  der  assyrischen  Kunst  auf  die  etruscische.  Denn  der 
Löwe  stimmt  noch  genau  mit  den  assyrischen  übereiu;  es  sind 
dieselben  stark  hervortretenden  Muskeln  und  dasselbe  wild  auf- 
gerissene Maul.  Auch  der  Gegenstand  ist  gewiss  ausländisch, 
gerade  in  den  ältesten  Monumenten  der  Griechen  undEtrus- 
ker  ist  die  Chimäre  ein  Lieblingsgegenstand,  eben  in  der  Zeit, 
als  diese  Völker  noch  vom  Orient  abhängig  waren.  Die  Chi- 
märe ist  auch  keine  organische,  keine  griechische  Schöpfung, 
die  Verbindung  des  Ziegenleibes  mit  dem  Löwen  ist  durchaus 
unharmonisch,  willkürlich. 

Wo  das  Relief  befestigt  war  —  vielleicht  an  einer  Gürtel- 
schnalle —  vermögen  wir  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden. 

2174.  2175.  Thiergruppen,  zwei  gepresste  altetrus- 
cische  Reliefs  aus  derselben  Form,  die  irgendwo  als  Ver- 
zierung aufgenietet  waren.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
D.  46.  47. 

Ein  Löwe  ujid  Panther  zerfleischen  einen  Hirsch,  wobei 
alle  drei  Thiere  aufrecht  auf  den  Hinterfüssen  stehen.  Ver- 
mnthlich  ist  diese  der  Natur  wenig  entsprechende  Anordnung 


476  Späterer  etmscischer  Styl. 

dttretb  die  Raum  Verhältnisse  veranlasst,  die  auch  das  eigen- 
thümlich  lange  und  nur  an  einer  Seite  mit  Zacken  versehene 
Hkschgeweih  erklären.  Die  Charaktere  der  Thiere  sind  be- 
reits mit  einem  gewissen  Greftthl  dargestellt^  man  sieht  deu 
Panther  gierig  schlürfen,  den  I.öwen  wild  einbeissen  und  den 
Hirsch  mit  ausgestreckter  Zunge  schreien. 

Abg.  Gerhard,  Ant.  Bildw.,  Taf.  80,  1.    Möller- Wieseler,  Deukm.  I, 
15,  58. 

c.  Späterer  etrusoischer  Styl. 

Götter. 

2176.  Etruscische  Minerva;  in  sehr  hagerer  Gestalt^ 
mit  Helm,  dessen  Busch  nicht  mehr  vorhanden.  Die  schlangen- 
verzierte Aegis  mit  dem  Gt)rgoneion  liegt  knapp  an,  die  er- 
hobene Rechte  stützte  sich  auf  den  Speer,  in  der  Linken 
hielt  sie  den  Schild,  dessen  Handhabe  sie  noch  in  der  Hand 
hat.   Zwischen  den  Füssen  eine  Spitze  zur  Befestigung.  H.  9". 

Abg.  Gerhard,  Etrusc.  Gotlh.,  Taf.  4,  2. 

2177.  Etruscische  Minerva,  ganz  platt,  mit  Helm, 
die  Aegis  auf  Brust  und  Rücken,  vorn  das  Gorgoneion.  In 
der  erhobenen  Rechten  ist  der  geschwungene  Speer  voraus- 
zusetzen, in  der  Linken  der  Schild.  Unter  jedem  Fuss  eine 
Spitze,  um  sie  irgendwo  einzusetzen.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.   B.  15.   H.  5^4". 

2178.  Desgl.,  der  erhobene  rechte  Arm,  an  dem  oben 
ein  Stück  fehlt,  ist  die  Lanze  führend  zu  denken,  der  linke 
den  Schild,  der  aber  nicht  angegeben  ist.  Gefunden  zwischen 
Perugia  und  Chiusi.  Aus  der  Dorow'schen  Sammlung.  595. 
H.  51/4". 

2179.  Desgl.,  sehr  roh,  aber  kenntlich  an  dem  Gor- 
goneion auf  der  Brust  Die  Rechte  ist  erhoben  und  hielt 
etwas.  Das  fragmentirte  Geräth  in  der  Linken  ist  vermuth- 
lich  die  Spitze  der  Lanze,  die  sie  auf  den  Boden  stützte. 
Der  Kopf  ist  glatt  abgeschnitten  und  hat  in  der  Mitte  ein 
Loch,  Die  Beine  vom  Knie  abwärts  fehlen.  Gefunden  eben- 
daselbst.    Aus  der  Dorow'schen  Sammlung.    594.    H.  2^/2". 

2180.  Etruscische  Göttin,  auf  einer  Basis,  mit  einer 
Stimkrone,  in  der  Rechten,  wie  es  scheint,  eine  Knospe,  die 


Figuren  des  Lebens.  477 

m 

Linke  in  die  Hüfte  gestützt  Dann  hat  sie  an  Brost  and 
Bücken  einen  lederartigen  Ueberwurf;  der  wie  eine  Aegis 
aussieht.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  16.  Früher  beim 
Senator  Martini  in  Florenz.     H.  4^/4". 

Abg.  bei  Gerhard,  Etriisc.  Golth.,  Tafel  4,  3. 

\ 

2181.  Weibliche  bekleidete  Figur,  in  der  Linken 
eine  Schlange  oder  einen  Bogen  (wegen  der  regelmässigen 
Krümmung  vielleicht  wahrscheinlicher)  haltend,  in  der  Kech- 
ten  einen  kugelförmigen  Gegenstand.  Aus  der  Sammlung 
Minutoli.   B.  a.  XVffl.  a.  1.     H.  2". 

2182.  Weibliche  Figur  mit  Tutulus,  wahrscheinlich 
der  oben  erwähnte  Venustypus  mit  der  Blüthe,  ganz  rohe, 
platte  P'orm.    Der  rechte  Arm  fehlt  zur  Hälfte.     H.  2^6"- 

2183.  Desgl.,  der  rechte  Arm,  der  vollständig  ist,  ist 
viel  zu  kurz.  Das  Gewand  ist  mit  Keihen  von  Ringen  über- 
einander verziert.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  23. 
H.  2V3". 

2184.  Desgl.,  noch  roher,  der  linke  Arm  fehlt.  Aus 
der  Sammlung  Bartholdy.   B.  24.   H.  2  Vi  2". 

2185.  Desgl.,  beide  Arme  fehlen.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.   B.  25.   H.  111/12"- 

2185"*  Venus  mit  Tutulus  auf  dem  Kopf  und  einer 
Knospe  in  der  Hand.  Die  andere  Hand  liegt  am  Gewände. 
Die  Figur  hat  Armringe.  Platte  rohe  Bronce.  Aus  Ger- 
hard'» Nachlass  1869  erworben.    147. 


Figuren  des  Lebens. 

Faustkämpfer    und    Aehnliches. 

2186.  Etruscischer  Faustkämpfer,  Arme  und 
Hände  mit  dem  Castus  umwickelt.  Merkwürdig  ist  die  ganze 
Stellung.  Der  Kopf,  dessen  linke  Seite  wie  geschwollen  aus- 
sieht, ist  seitwärts  nach  oben  gerichtet  und  die  linke  Schulter 
ist  schmerzlich  in  die  Höhe  gezogen.  Offenbar  hat  er  einen 
tüchtigen  Schlag  auf  die  Backe  gekriegt.  In  der  Linken  hält 
(T  einen  Schwamm,  wie  der  oben  erwähnte  römische  Fausj;-' 


478  Figuren  des  Lebens. 

k&mpfer.     Die  Rechte  hängt  ruhig  herab.     Von  Prof.  Ger- 
hard in  Italien  angekauft  im  Jahre  1834.    H.  öVs''* 

2187.  Nackter  Jüngling^  wie  ein  im  Ausfall  liegen- 
der Faustkämpfer  aussehend.  Beide  Arme  sind  erhoben, 
beide  Hände  fehlen.  Nach  einem  unter  dem  linken  Fuss  be- 
findlichen ,  Fragment  scheint  die  Figur  irgendwo  angesetzt 
gewesen  zu  sein.   Aus  der  Sammlung  Koller.  2337.  H.  G'/g". 

2188.  Nackter  Jüngling,  um  dessen  linke  Hand  em 
kleines  Gewandstück  gewickelt  ist^  wenn  es  nicht  die  Kiemen 
der  Faustkämpfer  sein  sollen,  während  die  Rechte,  die  etwas 
vom  Leibe  absteht,  einen  dünnen,  schaftartigen  Gegenstand  in 
der  Hand  hielt.    Aus  der  Sammlung  Koller.   H.  6^/2''. 

2189.  Nackter  Jüngling,  in  der  Rechten  die  Striegel 
haltend,  die  Linke  in  die  Hüfte  gestützt,    H.  SV*"» 

2190.  Nackter  Jüngling,  ganz  roh,  ruhig  stehend, 
mit  einem  Geräth  in  der  Rechten^  das  eine  barbarische  Striegel 
zu  sein  scheint.     H.  3%". 

2191.  Nackter  Jüngling,  mit  kurz  geschnittenem  Haar, 
in  der  Rechten  den  Diskus  haltend.     H.  5%". 

2192.  Nackter  Jüngling,  mit  einem  Halsband  in 
etruscischem  Geschmack.  Die  Arme  sind  ausgebreitet  nach 
hinten  und  vom,  die  Beine  stark  ausschreitend,  so  dass  ein 
Wettrenner  dargestellt  zu  sein  scheint,  so  wie  man  sie  auf 
alterthümlichen  Vasen  sieht     Ganz  roh.     H.  2^1^", 

2193.  Ganz  tibereinstimmende  Figur,  nur  ist  von 
einem  Halsband  nichts  zu  bemerken.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.   B.  41.   H.  2^6"- 

2194.  Desgl.,  der  linke  Fuss  fehlt.  Aus  der  Sammlung 
Bartholdy.   B.  39.   H.  3^/g". 

2195.  Desgl.,  der  rechte  Arm  fehlt  zur  Hälfte.  Aus 
der  Sammlung  Bartholdy.   B.  40.    H.  3^V'. 

Krieger. 

2196.  Jugendlicher  Krieger  im  Harnisch  und  mit 
Helm,  dessen  Backenklappen  in  die  äöhe  geschlagen  sind, 


Figuren  des  Lebens.  479 

dessen  Spitze  aber  abgebrochen  ist  Mitten  auf  der  Brust 
ist  ein  Loch^  das  zur  Aufnahme  einer  Panzerverzierung  be- 
stimmt gewesen  zu  sein  scheint  (?).  Die  Haltung  ist  streng 
militärisch,  der  Kopf  ist  ganz  gerade  aus  gerichtet.  Der  er- 
hobene rechte  Arm  stützte  ohne  Zweifel  die  Lanze  auf,  die 
herabhängende  Linke  hielt  den  Schild.  Kopf  und  Arme  sind 
besonders  gegossen  und  dann  angelöthet     H.  18". 

2197.  Jugendlicher  Krieger  mit  Helm,  dessen 
Backenklappen  heruntergeschlagen,  Harnisch  und  Beinschienen. 
Er  stützt  mit  der  Rechten  den  Speer  auf,  die  herabhängende 
Linke  berührte  den  Rand  des  ursprünglich  neben  ihm  befind- 
lichen Schildes.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  12.  H.liVs"- 

2198.  Jugendlicher  Krieger,  ruhig  stehend,  mit 
einem  Helm,  dessen  Backenklappen  aufgeschlagen.  In  der 
Rechten  stützte  er  ohne  Zweifel  die  Lanze,  die  Linke  ist 
etwas  über  der  Handwurzel  abgebrochen.     H.  14^/2". 

2199.  Jugendlicher  Krieger  mit  Helm  und  Harnisch, 
die  Lanze  in  der  erhobenen  Rechten  schwingend,  die  Linke 
ausgestreckt,  als  hielte  sie  einen  Schild.     H.  5". 

2200.  Derselbe  Typus,  doch  hat  dieser  auch  Bein- 
schienen und  ist  etwas  sorgßlltiger  gearbeitet.     H.  ö^/g". 

2201.  Krieger  in  Panzer  und  Helm.  Die  erhobene 
Rechte  schwang  die  nicht  mehr  erhaltene  Lanze.  Am  linken 
Arm  ist  eine  Andeutung  eines  Schildbandes.  Angekauft  von 
Prof.  Gerhard  1851.    3000.   H.  S^l^[', 

2202.  Desgl.,  auch  hier  fehlen  die  Waffen.  Aus  Ger- 
hardts Nachlass  1869  erworben.  203.  H.  5^2"- 

2202*-  Desgl.,  bis  auf  die  Waffen  vollständig  erhalten. 
Ebendaher.   133. 

2203.  Krieger  mit  Helm,  der  rechte  Arm  ist  wie  speer- 
werfend erhoben.  Beide  Hände  fehlen,  der  rechte  Fuss  und 
das  linke  Unterbein  sind  in  Wachs  ergänzt.  Aus  der  älteren 
Sammlung.    B.  c.  a.  bb.  1.    H.  7^4". 

2204.  Schema  einer  Kriegerfigur  mit  grossem  Helm, 
Die  obere  Hälfte  erhalten.    H.  2^1^", 


4S0  Obftcöne  DaratelhiDgen. 

2205.  Desgl.,    aas  der  SammluDg  Bartholdy.    B.  11. 

H.   P/4^ 

2205*-  Krieger  mit  Helm,  die  Linke  wie  speerwerfend 
erhoben,  während  er  in  der  Rechten  ein  Ding  hat,  das  wie 
eine  Schaale  oder  ein  Diskus  aussieht.  Aus  Gerhard's  Nach- 
1869  erworben.  247. 

2206.  Jugendlicher  Krieger  mit  Helm,  Panzer,  Bein- 
schienen, die  Linke  an  den  neben  ihm  stehenden  Schild  legend, 
während  er  in  der  ausgestreckten  Rechten  wahrscheinlich  den 
Speer  gehalten  hat  Nicht  ganz  unverdächtig.  Aus  der  älteren 
königl.  Sammlung.    B.  a.  lY.  a.  1.    H.  4^4 ''• 

2207.  Ganz  dieselbe  Figur,  aus  derselben  Form.  Nur 
fehlt  hier  der  Schild.  Aus  der  älteren  königl.  Sammlung. 
B.  a.  rV.  a.  2.    H.  41/4". 

Obscöne  Darstellungen,  theils  römisch,  theils 

etrasGisoh. 

'2208.  Kleine  priapeische  Figur,  auf  einer  Kugel 
sitzend,  mit  kurzem  Chiton  bekleidet,  die  Hände  hinten  auf 
dem  Rücken,  wie  es  scheint,  zusanmiengebunden.  Sie  zieht  das 
linke  Bein  an  dem  ungeheueren  aufgerichteten  Phallus  herauf, 
als  wüsste  sie  sich  vor  priapeischer  Lust  nicht  zu  fassen.  Vom 
Generalconsul  Bartholdy  aus  Rom  an  Hm.  von  Altenstein  über- 
sandt,  von  dem  sie  1845  angekauft  2806.  H.  1^/«".  Rö- 
mischer Styl. 

2209.  Nackte,  spindeldürre  Figur,  die  Arme  in  die 
Hüften  gestützt,  die  Beine  unten  zusammenlaufend.  Die  Stellung 
des  Bauches  ist  die  eines  Priapus.  Scheint  wohl  ein  Griff  oder 
dergleichen  gewesen  zu  sein.  Am  Kopfe  etwas  Hörnerartiges, 
vergL  die  folgende  Nummer.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
B.  33.  H.  3^2". 

2210.  Ganz  übereinstimmende  kleine  Figur,  nur 
sind  die  Beine  unten  getrennt  Hier  sind  am  Kopf  deutliche 
Widderhörner.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  2%'\ 

2211.  Kleines  Figürchen  mit  grossem  Phallus,  den 
Bauch  vorgestreckt,  die  Hände  auf  den  Rücken  gelegt  Aus 
Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.   156,  H.  iV*»''» 


Unbestimmbare  Figaren.  4g  2 

2212.  Zwei  kleinere  nackte  Figuren  von  Mann  und 
Frau,  äusserst  roh.  Der  Mann  greift  nach  der  Frau  Brust 
und  die  Frau  nach  des  Mannes  Glied.  Komisch  ist  das  Ver- 
sehen, dass  der  Mann  auch  Brüste  hat.  Ebendaher.  137. 
H.  2V4". 

Unbestimmbare  Figuren. 

a.  Römischen  Styls. 

2213.  Nackte  Frau,  auf  einer  Kugel  stehend,  das  zu- 
sammengerollte Gewand  bogenförmig  mit  beiden  Händen  über 
dem  Kopf  haltend.  Gefunden  zu  Bonn.  Aus  der  Böcking'schen 
Sammlung.    H.  2'/./'. 

2214.  Eine  von  der  Hüfte  abwärts  bekleidete 
Frau,  deren  Gewand  von  einem  über  die  linke  Schulter 
gehenden  Bande  gehalten  wird.  Sie  hat  die  Beine  übereinander- 
geschlagen  und  die  Arme  wie  ausruhend  über  dem  Kopf  zu- 
sammengeschlagen. Gefunden  am  Rhein.  Aus  der  Böcking'- 
schen  Sammlung.    H.  2^/4". 

2215.  Mädchen  in  einfach  strengem  Faltenwurf, 
ähnlich  wie  an  der  Vesta  Giustiniani.  Die  Füsse  stehen  dicht 
neben  einander  auf  einer  kleinen  runden  Basis,  sind  übrigens 
mit  sammt  der  Basis  neu  und  waren  vielleicht  gar  nicht  vor- 
handen. Der  rechte  Arm  hängt  am  Körper  herab  und  hielt 
etwas,  da  die  Hand  durchbohrt  ist,  ebenso  die  linke  Hand,  die 
etwas  vorgestreckt  ist.  Vielleicht  hat  die  Figur  zu  irgend 
einem  tektonischen  Zusammenhang  gehört.    H.  278"« 

2216.  Ein  mit  der  Toga  bekleideter  Mann,  dessen 
rechter  Fuss  fehlt.  In  der  Linken  hält  er  etwas  Verstümmeltes, 
was  nicht  recht  deutlich  ist,  den  Griff  eines  Schwertes  oder 
dergleichen.  In  der  ausgestreckten  Rechten  scheint  er  aucli 
etwas  gehalten  zu  liaben.  Nach  der  Rückseite  scheint  die  Figur 
irgendwo  als  Relief  aufgesetzt  gewesen  zu  sein.    H.  3%". 

2217.  Nackter  Knabe,  nur  hat  er  einen  zusammen- 
gerollten Ueberwurf  von  der  linken  Schulter  nach  der  rechten 
Hüfte.  Die  erhobene  Rechte  hielt  etwas,  man  sollte  vermutheu 
eine  gezückte  Lanze.  In  der  linken  Hand  befindet  sich  der 
Rest  eines  Geräthes,  ein  anschwellender  Schaft,  wie  er  etwa 

Friederichs,  Bcrlia's  Antike  üildwcrko  H,  3]^ 


482  Unbesiimmbarie  Figuren. 

einem  Füllhorn  zukommt.  Der  Blick  ist  nach  unten  gerichtet. 
Die  Füsse  fehlen.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  l^e"* 

2218.  Ganz  dieselbe  Figur,  vielleicht  aus  derselben 
Form.  Das  Geräth  in  der  Linken  fehlt  ganz,  dagegen  sind 
die  Füsse  nebst  einer  kleinen  Basis  erhalten.  Aus  dem  Nach- 
lass  des  Prof.  Rösel  1844  erworben.    H.  2". 

2218*-  Nackte  Knabenfigur,  vielleicht  ein  fellumhan- 
gener  Bacchusknabe,  der  in.  der  erhobenen  Linken  den  Thjr- 
susstab  gehalten  haben  kann.  Gefunden  in  Bingen.  1860  an- 
gekauft. 3534. 

2219.  Eine  mit  einer  Art  Blätterkrone  (oder 
Aehren?),  die  nach  der  Mitte  zu  anschwillt,  ge- 
schmückte Frau  von  matronalen  Formen,  mit  Locken,  die 
auf  die  Schulter  herabhängen,  und  einem  Aermelchiton,  der 
nach  einem  graziösen  Motiv  von  der  Schulter  herabgesunken 
ist.  Darüber  hat  sie  etwas  nachlässig  angelegt  ein  Obergewand, 
das  vor  dem  Leib  einen  Schurz  bildet,  in  dem  sich,  wie  es 
scheint,  Früchte  od^r  dergleichen  befinden.  Der  Chiton  ist  an 
der  Vorderseite  punktirt,  um  ihn  dadurch  vom  Obergewand 
abzuheben.  In  der  erhobenen  Linken  hielt  sie  irgend  einen 
Gegenstand  (Scepter?)  und  ebenso  hielt  sie  etwas  in  der  herab- 
hängenden Rechten  lose  gefasst.  Am  linken  Ober-  und  Unter- 
schenkel je  ein  Loch,  dessen  Zweck  nicht  deutlich.  Wegen 
der  Früchte  denkt  man  zunächst  an  Flora  oder  Pomona,  aber 
die  Figur  ist  zu  matronal.  Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Rösel 
1844  angekauft.  Die  Figur  steht  auf  einer  Marmorbasis, 
welche  die  Unterschrift  hat:  Pausilippe,d.XIV.Nov.  1817.LG. 
H.  47^''. 

2220.  Kleinere  ganz  ähnliche  Figur,  in  der  Stellung 
der  Füsse  und  Haltung  des  linken  Armes  allerdings  etwas  ver- 
schieden. Sie  ist  hinten  ganz  platt  und  hat  ein  Loch  in  der 
Mitte,  so  dass  sie  irgendwo  angeheftet  gewesen  zu  sein  scheint 
Aus  der  älteren  Sammlung.    B.  c.  a.  aa.  4.    H.  2^5". 

2221.  Nackte  Frau,  auf  ihrem  Gewände  sitzend.  Die 
Arme  sind  gleich  hinter  der  Schulter  gebrochen  und  die  Beine 
fehlen  vom  Knie  abwärts.  Der  Kopf  ist  seitwärts  gewandt, 
man  könnte  daran  denken,  es  sei  Leda  gemeint,  im  Begriffe, 


Unbestimmbare  Figmrea.  483 

den  verfolgten  Schwan  bei  sich  aufzunehmen.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.    H.  3V«". 

2222.  Nackte.  Knabenfigur,  den  linken  Arm  auf  die 
Hüfte  stützend  und  mit  vollen  Backen  in  ein  Rohr  blasend. 
Er  steht  auf  einer  durchbohrten  Kugel,  die  irgendwo  befestigt 
gewesen  zu  sein  scheint.  Gefunden  zu  Bonn.  Aus  der  Böcking'- 
schen  Sammlung.    H.  2'\ 

2223  Männliche  nackte  Figur  (nach  allem  Anschein), 
den  rechten  Arm  ausstreckend,  der  linke  fehlt  von  der  Schul- 
ter an.  Die  Figur  steht  auf  einer  runden  Basis,  ist  aber  so 
zerfressen,  dass  nichts  Genaueres  zu  erkennen.     II.  2^/4". 

2224.  Nackte  bärtige  Figur,  die  einige  Aehnlichkeit 
mit  Lucius  Verus  hat.  Die  beiden  Hände  sind  an  einem  ver- 
stümmelten (?)  Stabe  beschäftigt  und  ihre  Geberde  ist  die  des 
Drehens.  Das  Motiv  ist  nicht  deutlich.  Die  Figur  steht  auf 
einer  Basis,  die  wie  ein  Gesimse  geformt  ist.    H.  4". 

2225.  Männliche  Figur  und  zwar  die  Eckfigur  an 
einem  viereckigen  Geräth.  Denn  daraus  erklärt  sich  die  selt- 
same Bildung,  die  Figur  ist  nämlich  darauf  berechnet,  sowohl 
von  der  Seite  als  von  vorn  gesehen  zu  werden.  Die  inwendige 
Höhlung,  welche  auch  diese  Bestimmung  beweist,  ist  ausgefüllt. 
Die  Figur  ist  ganz  bekleidet  mit  einem  lang  herabhängenden 
Chiton  und  einem  Ueberwurf,  und  danach  könnte  man  die  Fi- 
gur für  weiblich  halten,  aber  alle  Andeutung  der  Brust  fehlt. 
An  der  Vorderseite  in  der  Hölie  der  Hüfte  ist  ein  Ansatz.  In 
der  Linken  trägt  die  Figur  ein  hammerähnliches  Instrument 
mit  langem  Stiel,  an  dem  sicli  aber  oben  noch  etwas  ansetzte. 
Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    II.  SYa"- 

2226.  Nackte  jugendliche  Figur,  bekränzt,  mit  der 
Chlamys  um  die  Schultern,  in  der  Linken  einen  Apfel  oder 
eine  Kugel  haltend,  in  der  Rechten  den  Rest  eines  Stabes. 
Aus  der  älteren  Sammlung.    B.  a.  IX.  a.  13.    H.  3^/4". 

2227.  Knabe  mit  plirygischer  Mütze,  bekleidet  mit  Chiton 
und  Schuhen,  laufend  dargestellt,  den  linken  zur  Hälfte  fehlen- 
den Arm  vorstreckend.  In  der  herabhängenden  Rechten, 
zwischen  deren  Fingern  eine  kleine  Stütze  bemerklich,  hielt  er 
etwas.    H.  4'^;V'. 

31  ♦ 


484  Unbestimmbare  Figuren. 

2228.  Nackter  Jüngling  mit  herabhängender  Linken, 
während  der  rechte  Arm  erhoben  und  arg  verdreht  ist.  Ans 
der  älteren  Sammlung.    B.  C.  a.  bb.  6.    H.  S^«''* 

2229.  Nackter  Jüngling,  stehend.  Der  linke  Arm 
fehlt  und  die  Hand  des  gegen  das  Gesicht  hin  gekrümmten 
rechten.  Der  untere  Theil  des  rechten  Fusses  ist  in  Wachs 
ergänzt.    Aus  der  Sammlung  Koller.   2279.  H.  2^/4". 

2230.  Kriegerfigur  mit  Harnisch  und  hohem  Helm, 
aus  welchem  sich  eine  fragmentirte  Röhre  entwickelt,  deren 
Bedeutung  nicht  klar  ist.  In  eilender  Bewegung.  Arme  und 
Beine  verstümmelt.    H.  2%". 

2231.  Weibliche  Figur,  das  Hinterhaupt  vom  Schleier 
bedeckt  und  mit  Kopfschmuck.  In  der  Linken  scheint  sie  etwas 
zu  halten,  das  nicht  mehr  kenntlich  ist,  die  Bechte  hängt  am 
Gewand  herab.    Es  scheint  eine  Göttin  gemeint.    H.  lV2"' 

2232.  Weibliche  Figur,  in  Chiton  und  Himation,  mit 
einem  Diadem  oder  Kranz.  In  der  ausgestreckten,  etwas  be- 
schädigten Rechten  hielt  sie  etwas,  was  verloren  ist,  auch  im 
linken  Arm,  dessen  Hand  fehlt,  war  etwas  vorhanden.  Es  scheint 
eine  Göttin  zu  sein  oder  Priesterin.  Aus  der  älteren  Sammlung 
B.  c.  er.  aa.  3.    H.  378". 

2233.  Nackte  Jünglingsfigur,  ander  die  Arme  fehlen 
und  die  Beine  vom  Knie  abwärts.  Um  den  Kopf  ein  Band,  von 
dessen  vorderem  Theil  über  der  Stirn  zwei  verstümmelte  Spitzen 
hervorragen.    H.  eVe"« 

2234.  Desgl.,  in  der  ausgestreckten  Rechten  eine  Lanze 
aufstützend,  in  der  ebenfalls  ausgestreckten  Linken,  von  welcher 
eine  Chlamys  herabhängt,  einen  ballartigen  Gegenstand  haltend. 
Vielleicht  ist  ein  Kaiser  mit  der  Weltkugel  gemeint?  Aus  der 
Sammlung  Bartholdy.    B.  37.    H.  2V4". 

2235.  Jugendlich  nackte  Figur,  stehend,  die  Chla- 
mys vom  linken  Arm  herabhängend.  In  der  ausgestreckten 
Rechten  die  Schaale,  in  der  erhobenen  Linken  stützte  sie 
Scepter  oder  Lanze  auf.  Es  ist  die  Stellung,  die  Zeus  zu  haben 
pflegt  und  vielleicht  ist  er  trotz  des  Kopfes  auch  gemeint 
H.  37,". 


Unbestimmbare  Figuren.  485 

2236.  Bärtiger  Alter,  der  den  Stamm  einer  Rebe  in 
zwei  Stücke  gebrochen  hat,  die  er  mit  den  Händen  hält.  Vor 
seinen  Füssen  sieht  man  auch  das  zurückgebliebene  Stück  des 
Stammes.  Der  mit  einem  Cliiton  bekleidete  Mann,  der  doch 
nur  für  einen  Landmann  gehalten  werden  kann,  steht  auf  einem 
cylinderförmigen  Untersatz,  der  an  einer  Seite  einen  Ring  hat 
und  ursprünglich  wohl  einen  zweiten  an  der  entgegengesetzten 
Seite  hatte.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  42.    H.  5''. 

2237.  Bis  auf  den  Kopf  verhüllte  Figur  mit  Stirn- 
krone, wie  es  scheint,  weiblich.  Hinten  ganz  platt.  Aus  der 
älteren  Sammlung.  B.  c.  a.  aa.  5.  H.  1%". 

2238.  Männliche  unbärtige  Herme.  Auf  dem  Kopf 
ein  Aufsatz  und  darin  eine  Vertiefung.  Diente  etwa  als  Stütze. 
Von  Prof.  Gerhard  1848  erworben.  2963.  H.  32/3''. 

2239.  Schöner  jugendlicher  Kopf  mit  doppelter 
symmetrischer  Lockenreihe.  Der  Kopf  ist  einer  Art  Sonne 
aufgesetzt,  einem  Strahlenkranz,  der  ursprünglich,  wie  es  scheint, 
blank  geschliffen  war.  Diese  runde  Scheibe  ist  Jjeweglich,  sie 
hat  12  Erhebungen  und  12  Senkungen.  Vermuthlich  eine  Ver- 
zierung.   H.  2^/2". 

.  2240.  Jugendliche  männliche  Herme  mit  fröhlich 
sinnlichem  Gesichtsausdruck.  Inwendig  hohl,  denn  das  Werk 
diente  dazu,  auf  einem  Pfeiler  als  Abschluss  aufgesetzt  zu 
werden,  hinten  aber  ohne  Wand.  Der  Kopf  hat  silberne  Augen, 
die  Haare  sind  sehr  symmetrisch  in  Locken  gelegt,  wie  es  der 
Hermenform  so  wohl  entspricht,  üeber  der  Stirn  ein  Haar- 
knoten und  die  quer  über  den  Kopf  laufende  Flechte,  die  ge- 
rade an  jugendlichen  Figuren  so  gewöhnlich  ist.  ^Ein  Band 
hängt  links  und  rechts  vom  Hals  herab,  ohne  dass  ein  Kranz 
da  wäre,  dessen  Schein  aber  beabsichtigt  ist.  Ein  silbern  ein- 
gelegtes Halsband  trennte  Hals  und  Brust.  Die  Fläclie  unter 
der  Brust  ist  durch  eingravirte  Blumen  und  Ornamente  belebt. 
Links  ist  der  Zapfen  an  der  Schulter  erhalten,  rechts  nicht. 
Die  Herme  ist  nicht  vollständig  erhalten.  Das  Ganze  übrigens 
sehr  schön.    Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  c.  ß,  2.  H.  6^/3". 

2241.  Schöne  Doppelherme  von  zwei  jugendlichen 
männlichen  Köpfen.  Der  eine  trägt  einen  Helm,  der  andere 
einen  Kranz  von  nicht  bestimmbarem  Laub.  Am  ersten  möchten 


48 r>  Etruscische  Figuren. 

es  Oliven  sein.  Diente  zur  Bekrönung  eines  Pfeilers.  Aus  dem 
Besitz  Bellori's.    B.  c.  ß.  1.    H.  48/4". 

2242.  Büste  eines  reicbgelockten  Jünglings,  die 
als  Verzierung  an  einem  Geräth  diente.    H.  4^2''. 

2243.  Jugendlich  feistes  Gesicht  mit  reichem  Haar, 
eine  Büste  von  grosser  Rohheit.  Ein  dicker  Kranz  mit  einigen 
Weinblättern  belegt,  im  Uebrigen  aber  nur  durch  Punktirung 
belebt,  umgiebt  den  Hals.  Darunter  befindet  sich  ein  drei- 
eckiges vortretendes,  mit  Ornamenten  verziertes  Feld,  von  dem 
man  nicht  weiss,  was  man  daraus  machen  soll.  Aeltere  Samm- 
lung.  H.  eVa"- 

Abg.  bei  Beger  III,  p.  S29. 

2243*-  Jugendliche  Figur,  auf  einem  in  seinen  drei 
Theilen  beweglichen  und  mit  Vögeln  verzierten  Dreifuss  stehend. 
An  den  Ohren  befinden  sich  Ringe.  Das  Ganze  ist  äusserst 
roh.    In  Attika  gefunden.    1869  angekauft.  3755. 

Etruscische  Figuren. 

2244.  Ruhig  stehender  nackter  Jüngling,  die  Chla- 
mys  hängt  von  der  in  die  Hüfte  gestützten  Linken  herab,  in 
der  herabhängenden  Rechten  muss  er  etwas  gehalten  haben. 
H.  37s". 

2245.  Nackter  Jüngling,  stehend,  das  linke  Bein  fehlt 
vom  Knie  abwärts,  dann  fehlt  die  linke  Hand  und  der  rechte 
Unterarm,  der  erhoben  war.    H.  4V2"« 

2246.  Desgl.,  die  Linke  in  die  Hüfte  gestemmt,  während 
die  Rechte  einen  Stab  oder  dergleichen  über  der  Schulter 
hielt.    Kann  ein  Herkules  mit  Keule  gewesen  sein.    H.  4%''. 

2247.  Desgl.,  beide  Arme,  an  welchen  die  Hände  fehlen, 
etwas  vom  Leibe  entfernt.  Aus  der  Dorow'schen  Sammlung. 
Gefunden  zu  Perugia.    H.  3^/3". 

2248.  Desgl.,  mit  einem  Schurz.  Er  steht  ruhig, ..die 
verstümmelten  Arme  rechtwinkelig  vom  Leibe,  die  Fasse  fehlen 
und  das  rechte  Unterbein  ist  in  Wachs  ergänzt.    Aus  der 


EtruscSsche  Figaren.  487 

Dorow'schen  Sammlung.  596.  Gefunden  zwischen  Perugia  und 
Ohiusi.  H.  31/4". 

2249.  Jüngling  mit  Chlamys,  die  eine  Schultßr  frei 
"lässt.  Der  rechte  Arm,  dessen  Hand  fehlt,  ist  wie  darreichend 

ausgestreckt.    Auch  beide  Füsse  fehlen.    Aus  der  Sammlung 
Minutoli.    B.  c.  a.  bb.  5.    H.  2^j^*'. 

2250.  Nackter  Jüngling,  auf  einer  Basis,  ruhig  stehend, 
die  Linke  hängt  herab,  von  dem  rechten  Arm  ist  nur  das 
oberste  Stück  erhalten.    H.  3^/4"  mit  Basis. 

2251.  Jüngling  nut  einem  Schurz,  den  linken  Arm  in 
die  Hüfte  gestemmt,  den  rechten,  der  etwas  hielt,  vorgestreckt, 
die  Beine  ruhig  nel3en  einander  stehend.  Die  Figur  war  mit 
ihrer  Basis  auf  einem  Geräth  befestigt,  etwa  auf  einem  Can- 
delaber,  sie  diente  wenigstens  nach  der  Haltung  der  Arme  als 
Griff.    H.  SVs". 

2252.  Nackte  männliche  Figur,  der  rechte  Arm  aus- 
gestreckt, der  etwas  gehalten  hat,  etwa  einen  Speer.  Die 
herabgelassene  Linke  fehlt  fast  ganz.  Die  Figur  steht  auf  zwei 
aus  einem  Punkt  hervorgehenden  Streben,  sie  war  mit  einem 
Geräth  in  Verbindung.    H.  ö^/g". 

2253.  Nackte  jugendliche  Figur,  mit  einem  undeut- 
lichen Geräth  in  der  Linken,  der  rechte  Arm  und  die  Füsse 
fehlen.  Gefunden  zu  Heerappel  bei  Trier.  Aus  der  Böcking'- 
sehen  Sammlung.    H.  27e"' 

2253**  Nackte  bärtige  Figur,  mit  einer  shawlaitig 
umgeworfenen  Chlamys  bekleidet.  In  beiden  Händen  kleine 
Gewandstücke,  wenn  nicht  etwa  die  Kiemen  zum  Faustkampf 
haltend.    Die  Füsse  fehlen.    Aus  Gerhardts  Nachlass.  136. 

2254.  DesgL,  mit  ausgestreckten  Armen,  deren  linker 
etwas  hält.    Ganz  erhalten.    H.  2^/3". 

2255.  Nackte  männliche  Figur,  deren  Arme  mehr 
wie  Pfoten  aussehen,  von  grosser  Rohheit.  Das  Glied  ist 
geradeaus  gerichtet.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  31. 
H.  4V.»". 


488  fetniscische  Fi^ren.         ^ 

2255**  Nackter  Jüngling,  in  der  Linken  ein  verstüm- 
meltes und  unkenntliches  Geräth  erhebend.  Die  Rechte  zum 
Munde  führend.    Mit  Basis. 

2255^-  Bekleideter  Jüngling,  die  Rechte  wie  speep- 
schleudernd,  die  Linke  wie  schildhaltend  erhoben. 

2256.  Nackter  Jüngling,  die  Linke  in  die  Seite  ge- 
stemmt, die  Rechte,  von  welcher  die  Hand  fehlt,  vorgestreckt. 
Barbarisch.  Oben  auf  dem  Kopf  eine  eigene  Bedeckung.  Aus 
der  Sammlung  Koller.  2321.  H.  6". 

2257.  Desgl.,  sitzend,  die  Arme  vorgestreckt.  Aus  der 
Sammlung  Koller.    H.  2^2''- 

2258.  Mann,  lang  ausgezogen,  mit  dem  Himation  be- 
kleidet, der  rechte  Arm  fehlt,  die  linke  Hand,  deren  Arm  nicht 
angegeben  ist,  sieht  aus  dem  Gewände  hervor,  die  Beine  dicht 
zusammenstehend.  Hinten  ganz  platt.  Es  war  gewiss  der 
Griff  eines  Geräthes,  wozu  diese  platten  Broncen  wohl  öfter 
gedient  haben  mögen.  Aus  der  Sammlung  Bartholdv.  B.  35. 
H.  3V 


4  • 


2258*^  Jüngling  mit  Ober-  und  Untergewand  be- 
kleidet, die  Rechte  in  die  Hüfte  gestützt,  die  Linke  wie 
bittend  (?)  ausgestreckt.    Aus  Gerhardts  Nachlass.   157. 

2259.  Nackte  Figur,  Füsse  zusammengeschlossen  und 
die  Arme  dicht  am  Leibe  anliegend,  das  Ganze  ziemlich  platt. 
Diente  gewiss  als  Griff  eines  Geräthes.    H.  272". 

2259*-  Figur  in  Panzer  und  Helm,  in  der  Rechten 
eine  Schaale  ausstreckend,  während  die  erhobene  Linke  ver- 
muthlich  einen  Speer  aufstützte.  Aus  der  älteren  Sammlung. 
B.  c.  a.  bb.  8. 

•  2259^-  Hundsköpfige  bekleidete  Figur  mit  Palm- 
zweig in  der  Linken  und  einem  verstümmelten  Geräth  in  der 
Rechten.  Wir  sind  niclit  ganz  sicher  über  das  Alterthum  dieser 
Figur. 

m 

2259^'  Nackte  Frau  in  rohem  barbarischen  Styl,  mit 
unverständlichen  Geräththeilen  oben  und  unten.  Aus  der  Koller'- 
schen  Sammlung. 


Etruscische  Figuren.  4^9 

2260.  Hermenförmig  gebildete  männliche  Figur. 
Diente  wohl  als  Handgriff.    Aus  der  Sammlung  Koller.  H.  3". 

2261.  Zwei  nackte  ganz  rohe  männliche  Figuren^ 
an  deren  grösserer  der  linke  Unterarm  und  Fuss  fehlt  Aus 
demNachlass  von  Dir.Levezew  1840  erworben.  2636.  H.  2YJ" 
und  2". 

2262.  Vier  desgl.,  zum  Theil  verstümmelt,  aus  Ger- 
hardts Nachlass  1869  erworben.    138.  183.  153.  159. 

2262*-   Desgl.    Ebendaher.    172. 

2262^' ^-  Zwei  ganz  rohe  und  verstümmelte  Fi- 
guren.   Die  eine  mit  Thierkopf. 

2263.  Weibliche  Figur,  wenigstens  ist  die  Gewandung 
weiblich.  Sie  hat  beide  Arme  parallel  ausgebreitet.  Könnte 
wohl  ein  Griff  oder  dergleichen  gewesen  sein.  Aus  der  Samm- 
lung Koller.    H.  2V3". 

• 

2264.  Frau  mit  kurzem  Chiton,  Diadem  und  Ringen 
über  den  Knöcheln,  die  Arme  ausgebreitet,  die  wohl  beide  et- 
was hielten.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  5". 

2265.  Weibliche  Figur  mit  einem  bis  auf  die  Knie 
reichenden  Gewand.  Die  Beine  zusammengeschlossen,  die  Arme 
anliegend.  In  den  Füssen  ein  Loch  zur  Befestigung.  Scheint 
nach  ihrer  Stellung  ein  Griff  oder  Derartiges  gewesen  zu  sein, 
n.  3''. 

2266.  Weibliche  Figur,  ganz  in  ihr  Gewand  gehüllt, 
auch  der  Hinterkopf  bedeckt.  Der  rechte  Fuss  fehlt,  unter 
dem  linken  ein  Ansatz,  so  dass  man  sieht,  dass  die  Figur 
irgendwo  aufgesetzt  gewesen.  Aus  dem  Nachlass  des  Prof. 
Rösel  1844  erworben.    2744.    H.  2**/^''. 

2266"-  Frau  mit  eng  anschliessendem  Gewände, 
nach  äg}'ptischer  Manier,  mit  Armringen  und  Tutulus,  die  Arme 
symmetrisch  ausbreitend.  Mit  Zapfen  unter  den  Füssen.  Aus 
Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.    204. 

.     2266^-  Eine  Frau  mit  Tutulus,  die  linke  Hand  an's 
Gewand  legend,  die  rechte  fehlt.    Ebendaher.    159. 


490  Fragpmente  von  Statuen. 

2266*^-  Aehnliche  Figur.  Ganz  erhalten.  Ebendaher. 

2266^-  Desgl.,  nur  noch  roher.    Ebendaher.    152. 

2266®-  Eine  Figur  mit  langem  Zopf,  nach  ägyptischer 
Manier.  Das  Geschlecht  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  bestimmen, 
doch  soll  sie  wahrscheinlich  weiblich  sein.  Die  Rechte  liegt 
am  Gewände,  die  Linke  auf  der  Brust.    Die  Figur  ist  in  äer 

Mitte  durchbohrt.    Ebendaher. 

« 

2266^-  Schreitende  weibliche  Figur  mit  einem,  wie 
es  scheint,  aus  Federn  bestehenden  Kopfschmuck.  Arme  und 
Füsse  fehlen.    Ebendaher.   148. 

2266^-  Weibliche  Figur  mit  zusammengeschlossenen 
Gliedern.    Diente  vermuthlich  als  Griff. 

2266*^-  Weibliche  Figur  in  reliefartiger  Stellung. 
Der  Unterkörper  steht  im  Profil,  der  Oberkörper  en  face.  Die 
Arme  sind  ausgebreitet.  Die  Figur  hat  hinten  einen  Zapfen 
zur  Befestigung  an  einem  Geräth. 

Fragmente  von  Statuen. 

2267.  Kopf  eines  Kriegers.  Die  Backenklappen  sind 
in  die  Höhe  geschlagen.  Der  Helm  läuft  vorn  mit  dem  Kopf 
in  eine  Fläche  zusammen.  Etruscisch.  1852  angekauft.  3046. 
H.  1%". 

2268.  Kinderkopf,  mit  einer  Binde  um  den  Kopf.  H.  '/g". 

2269.  Unbärtiger  männlicher  Kopf,  und  zwar  ein 
römischer,  mit  kurzem,  regelmässig  gekämmtem  Haar.  Hohl, 
sehr  zerfressen.    Aus  der  Sammlung  Koller.    2371.    H.  3". 

2270.  Kopf  eines  Jünglings  mit  kurzem  Haar,  der 
einer  Statuette  angehört  zu  haben  scheint.    H.  l^/g". 

2271.  Kinderkopf  mit  zierlich  aufgebundenem  Haar 
vorn  über  der  Stirn.    1852  angekauft  3047;  H.  P/e". 

2272.  Weiblicher,  gewandbehangener  Arm  von 
schönem  Styl.  Das  Gewand  ist  punktirt,  um  es  von  anderen 
Stoffen  abzuheben.    Besonders  gegossen,  wie  überhaupt  auch 


Fragmente  von  Statuen.  491 

"an  kleineren  Statuetten  die  abstehenden  Theile  oft  besonders 
gearbeitet  wurden.  Aus  der  Böcking'schen  Sammlung.  64. 
L.  41/2". 

2273.  Schöne  weibliche  Hand/  der  vierte  Finger 
ergänzt.   L.  4". 

2274.  Arm  mit  einer  Taube  in  der  Hand.    Etrus- 
.  cisch.     Aus  der  Sammlung  Dorow.   569.   L.  3^/4". 

2275.  Männlicher  Arm,  der  mit  Silber  überzogen  war, 
wovon  Reste  erhalten.  Aus  der  Böcking'schen  Sammlung. 
703^-   L.  6". 

I 

2276.  Hand  mit  einem  Diskus.  Aus  Gerhardts  Nach- 
lass  1869  erworben.    174.   L.  P/*"- 

2277.  Hand  mit  einem  Trinkhorn,  in  Form  eines 
Ziegenbocks.   Ebendaher.    182.   L.  l'/g"- 

2278.  Hand  mit  dem  Rest  einer  Schlange.  H.  ^IJ\ 

2279.  Hand  mit  Gewandrest.  Aus  dem  Nachlass  des 
Obristlieutenant  Schmidt  1846  erworben.   2874.   L.  l^/^". 

2280.  Vier  Finger.  Aus  der  KoUer'schen  Sammlung. 
207.   L.  2—31/4". 

2281.  Ein  Fuss.   H.  l^/g". 

2282.  Stück  eines  mit  einem  Schuh  bekleideten 
Fuss  es,  von  natürlicher  Grösse.  Der  Schuh  ist  von  der- 
selben Art,  wie  ihn  die  römischen  Portraitstatuen  tragen. 
L.  58/4''. 

2283.  Ein  männliches  Geschlechtsglied. 
2283*-  Desgl. 

2284.  Aegyptischer  Kinnbart,  vorne  gekrümmt,  wie 
namentlich    Osiris,    aber    auch    andere   Götter    ihn   tragen. 

•  L.  2V8". 

2285.  Helmbusch.   L.  28/4". 

2285*-  Eine  Hand,  die  an  einem  Schild  liegt. 


492  Sirenen,  Sphinxe,  Ceiitauren,  Greife  und  Cerbero». 

2285^  Eine  Hand^  die  einen  Krug  hält.  Aus  Gei^ 
hard's  Nachlass.    66. 

2285^-  Ruder,  von  einem  Delphin  umwunden.  Vermuth- 
lich  Attribut  einer  Venus.    Aus  Gerhardts  Nachlass. 

2286.  Ein  Pferdehuf  in  natürlicher  Grösse.  H.4V4". 

Sirenen,  Sphinxe,  Centaur^n,  Greife  und  Cerberus, 

2287.  Sirene,  in  feinem  etruscischen  Styl.  Von  Prot 
Gerhard  1848  in  Itaüen  gekauft.   175.   H.  3V2". 

Abg.  Monum.  dell'  instit.  II,  29. 

2288.  Desgl.,  die  Füsse  fehlen.  Aus  der  älteren  Samm- 
lung.  B.  d.  AA.  10.   H.  2*'. 

2289.  Sphinx.  Aus  der  EoUer'sclien  Sammlung.  230. 
H.  21/4''. 

2290.  Desgl.,  die  Flügel  beschädigt.  Hinten  platt.  Eben- 
daher.   228.   H.  3V4". 

2291.  Desgl.,  sehr  niedlich,  ganz  rund.    H.  1'^ 

2292.  Desgl.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.  Der  eine 
Flügel  ist  beschädigt.   B.  d.  AA.  6.   H.  1". 

2293.  Desgl.  Geräthverzierung.  Aus  der  Samml.  Bar- 
tholdy.    C.  105.   H.  11/2". 

2294.  Eine  halbe  Sphinx,  die  an  einem  Geräth  an- 
gebracht war.   Aus  der  Samml.  Bartholdy.   B.  53.    H.  2^/4". 

2295.  Desgl.,  noch  roher.  Ebendaher.   B.  50.   H.2V4". 

2296.  Centaur,  vorn  ganz  menschlich.  Der  Bücken  ist 
durchbohrt  und  auch  die  Basis.   Etruscisch.   H.  3*/g". 

2297.  Desgl.,  nur  kleiner.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
H.  27s". 

2298.  2299.  Zwei  schöne  Greife,  als  Seitenstücke  zu 
einander  gearbeitet.  Doch  wissen  wir  die  Verwendung  dieser 
Figuren   nicht   mit  Bestinuntheit   anzugeben.    Beide  werden 


Die  Thiere.  493 

von  einer  Uranusschlange  angegriffen,  die  an  dem  einen  ver- 
stümmelt ist     Aus  der  Sammlung  Bellori,     H.  4^/0". 

Abg.  bei  Beger  III,  368. 

2300.  Greif,  in  vollem  Lauf,  der  Schwanz  ist  ab- 
gebrochen.  Aus  (ier  Samml.  Minutoli.   B.  d.  AA.  3.  H.  1%''. 

2301.  Sitzender  Greif,  mit  abgebrochenem  Schwanz. 
Ebendaher.   B.  d.  AA.  4.   H.  l^/g". 

2302.  Vordertheil  eines  Pegasus.  Geräthverzierung. 
Aus  der  Sammlung  Koller.     H.  1%". 

2303.  Cerberus,  mit  einem  Hauptkopf  und  zwei  Neben- 
köpfen.  Der  Unke  Vorderfuss  fehlt     H.  S^g"- 

2304.  Desgl.,  von  zwei  zusammengeringelten  Schlangen 
umwunden.   Aus  der  älteren  Samml.   B.  d.  AA.  5.   H.  172"« 

Thiere. 

a.    Vögel. 

2305.  Adler,  auf  einem  Widderkopf  sitzend,  ein  schönes 
Symbol  siegreicher  Ueberwindung.  Wäre  diese  Bronce  grösser, 
so  würden  wir  sie  für  ein  Feldzeichen  erklären.  Vermuthlich 
Bekrönung  eines  Stabes.  Aus  dem  Besitz  Bellori's.  B.  d. 
BB.  37.   H.  21/2". 

Abgeb.  bei  Beger  III,  221. 

2306.  Adler  köpf,  mit  Kranz  im  Munde,  ein  ähnliches 
Symbol.   Bekrönung  eines  Geräths.   H.  l'/s"« 

2307.  Adler  mit  ausgebreiteten  Flügeln,  ebenfalls 
Bekrönung  eines  Geräthes.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
C.  128.   H.  2^8". 

2308.  Desgl.,  Füsse  und  Flügel  verstümmelt   H.  2". 

2309.  Adler,  auf  einer  halbkugelförmigen  Erhöhung 
sitzend.   Aus  der  älteren  Sanmilung.   B.  d.  BB.  38.   H.  2*/g". 

2309**  Kleiner  Adler,  aus  Pompeji.  Aus  dem  Rösel- 
schen  Nachlass  erworben.   2761. 


494  I>ie  Thiere. 

2310.  Geyer.   Die  Ftisse  fehlen.   L.  ^^W*. 

2310*-  Ein  Rabe.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  d. 
BB.  39. 

2311.  Sitzender  Flamingo.   H.  l^/g". 

2312.  Eule;  sitzend.  Die  Füsse  fehlen.  Aus  der  älteren 
Sammlung.   B.  a.  BB.  40.   H.  l^/g''. 

Abg.  bei  Beger  UI,  374. 

2313.  Kleine  Eule,  auf  einem  abgebrochenen  Zweig 
sitzend.   Aus  der  Sammlung  Minutoli.   B.  d.  BB.  41*-  H.  ^IJ'. 

2313*-  Desgl.,  auf  einem  Thier,  wie  es  scheint  einer 
Schildkröte,  stehendL   Greräthverzierung. 

2314.  Huhn,  dessen  Füsse  fehlen.  Aus  der  Sammlung 
Minutoli.   B.  d.  BB.  44. 

2315.  Ein  Hahn  in  Kampfstellung,  vielleicht  Theil 
einer  Gruppe.  Von  der  Herzogin  von  Sermoneta  1848  ge- 
kauft.   2716.    H.  2^/8". 

2316.  Desgl.,  die  Füsse  fehlen.  Aus  der  älteren  Samm- 
lung.   B.  d.  BB.  42.   H.  iVa". 

Abg.  bei  Beger  III,  .374. 
2316*-  Ein  Huhn." 

2316 '^^  Ein  Perlhuhnartiges  Thier.  Aus  der  älteren 
Sammlung.   B.  d.  BB.  43. 

,  2317.  Gans,  die  etwas  im  Schnabel  hält.  Geräthverzierung. 
H.  iVs''. 

2317*-  Eine  Ente. 

2317^- GebogenerSchwanenhals,  Hautrelief.  Geräth- 
verzierung. Aus  Pompeji.   VonProf.  Jahn  1869  gekauft.  3771. 

2318.  Taube.  Aus  der  KoUer'schen  Sammlung.  274. 
Geräthverzierung.    L.  2^IJ', 

2319.  Desgl.,    wahrscheinlich  Griff  eines  Deckels.  Von 


Die  Thierc.  495 

(lein  küuigl.  Gesandten  in  Athen,  Brassier  de  St.  Simon,  1845 
erworben.    2822.    H.  l^/g''. 

2320.  Desgl.    Aus  der  KoUer'schen  Sammlung.    Ver- 
zierung eines  Geräthes.   L.  1^1  2"» 

2320*-  Eine  Taube.   Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  d. 
BB.  46. 

2321.  Ein  Hahn,  mit  Greifenkopf,    Aus  der  Sanmilung 
Koller.    270.    H.  48/4". 

2322.  Ein  kleiner  Hahn.   Geräthverzierung.   H.  '/g". 

2322*-    Unbestimmbarer   Vogel.     Aus   der   älteren 
Sammlung.   B.  d.  BB.  45. 

2322^-  Kopf  eines  Vogels.   Fragment.  Unbestimmbar. 


b.  Vierfüssige  Thiere. 

2323.  Affe.  Etruscisch.  Wahrscheinlich  Griff  eines 
Deckels.  Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  181.  H.  li/g", 

2324.  Desgl.,  in  wunderlich  verdrehter  Stellung.  Eben- 
daher.  H.  18/3". 

2325.  Kleiner  Bär,  sitzend.  KoUer'sche  Sammlung. 
212.   H.  iVs''. 

2326.  Schöner   Eber,   auf  den  Hinterbeinen  sitzend. 

H.  5  Vi''. 

2327.  Desgl.,  stehend.   H.  2", 

2327*-  Desgl.  Aus  der  Sanmilung  Bartholdy.  C.  110. 
H.  2%". 

2328.  Vordertheil  eines  Ebers.  Geräthverzierung. 
Von  dem  Gesandten  Brassier  de  St.  Simon  1845  angekauft. 
2821.    H.  2". 

2329.  Ein  Tiger,  die  Vordertatze  auf  einen  Amazonen- 
schild  legend.     Basis    und   Thier   durchbohrt.     Vermuthlich 


496  ^^^  Thiere. 

Geräthverzierung.     In  Cöln  gefunden.     1856  gekauft.   3103. 

H.  2 Vi''. 

2329*-  Ein  Greif,  seine  Tatze  auf  einen  Schild  legend. 
Geräthverzierung. 

2330.  Ein  Tiger,  kleiner  als  n.  2329.  Er  legt  seine 
Tatze  auf  eine  Amphora,  man  könnte  glauben,  diese  Verzierung 
stammte  von  dem  Deckel  eines  Weingeräthes.  Aus  der  älteren 
Sammlung.   B.  d.  BB.  9*-    H.  l^''. 

2331.  Ein  Panther,  dessen  Flecken  durch  rothes  und 
blaues  Email  wiedergegeben  sind,  auch  die  Augen  sind  roth 
emaillirt.  Gewiss  der  Henkel  einer  Vase,  wie  man  in  Pompeji 
Aehnliches  gefunden  hat.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  3". 

2332.  Desgl.,  in  höchst  lebendiger  Stellung,  als  wollte 
er  sich  gleichsam  in  das  Gefäss  hineinbeissen.  Die  Flecken 
des  Felles  sind  durch  eingelegtes  Silber  markirt.  H.  l^/g''. 

2333.  Desgl.,  roh.   Geräthverzierung.   H.  l'*/^". 

2334.  Löwe.  Etruscisch.  Geräthverzierung.  Aus  der 
Bartholdy'schen  Sammlung.   C.  110.   H.  i^j^". 

2335.  Desgl.  Etruscisch.  Aus  der  Sammlung  Koller. 
217.   H.  Vj^". 

2336.  Desgl.,  ebendaher.   248.   H.  1%", 

2337.  Desgl.,  springend,  ebendaher.    H.  iVs''- 

2338.  Desgl.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  d.  BB.  i. 
H.  2»/,". 

2339.  2340.  Zwei  desgl.  Etruscisch.  Ganz  überein- 
stimmend. Aus  Gerhard's  Nachlass  1869  erworben.  179.  180. 
H.  iVs". 

2341.  Desgl.    Geräthverzierung.    H.  iV*"- 

2342.  Desgl.    Etruscisch.    H.  iV^". 

■ 

2343.  Desgl.   H.  «^/g". 


Die  Thiere.  497 

2344.  Schakalähnliches  Thier.  Aus  der  Sammlung 
Koller.   H.  ^j^*'. 

2345.2346.  Zwei  hübsche,  auf  der  Wache  liegende 
Hunde,  welche  eine  pompejanische  Fontaine  bewachten.  1869 
gekauft.    3588.  3589.    L.  4V2". 

2347.  Sitzender  Hund.  Aus  der  älteren  Sammlung. 
B.  d.  BB.  30.   H.  3". 

2347a.  b.  Zwei  laufende  Hunde.  Aus  der  KoUer'schen 
Sammlung.    Geräthverzierung. 

2348.  Desgl.,  stehend.  Ebendaher.  B.d.BB;33.H.  l^j^" 

2349.  Desgl.   Ebendaher.   B.  d.  BB.  34.   H.  l^/g". 

2350.  Desgl.   Ebendaher.   B.  d.  BB.  32.   H.  l^^". 

2351.  Desgl.,  sitzend.  Ebendaher.  B.  d.  BB.  29.  H.  2". 

2352.  Desgl.  Geräthverzierung.  Aus  der  Sammlung 
Koller.    H.  l^/g". 

2353.  Desgl.   Ebendaher.    244.    H.  l^^". 

2354.  Desgl.   Ebendaher.    H.  iVs". 

2355.  Desgl.   Ebendaher.    242.    H.  1''. 

2356.  Desgl.   Ebendaher.    257.   H.  1". 

2357.  Desgl.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  115. 

H.    lV2"r 

2358.  Desgl.  Aus  der  Dorow'schen  Sammlung.  Nied- 
lich.   H.  Vj^", 

2459.  Desgl.  Ein  Hund,  ausgestreckt  liegend  und  einen 
Knochen  benagend.  Sehr  gut  charakterisirt.  Gewiss  der  Griff 
eines  Geräthes.    L.  2^/4". 

2360.  Stier,  ruhig  stehend.  Aus  der  Sammlung  Bar- 
tholdy.  B.  57.   H.  28/8 ". 

2361.  Desgl.,  sehr  roh.  Aus  der  Böcking'schen  Samm- 
lung.   963..  H.  11/4^ 

Friedorichs,  Berlin'a  Antike  Bildwerke.  II.  32 


498  ^ic  Tlnere. 

2362.  Desgl.,  schreitend.  Aus  der  älteren  Sammlung. 
B.  d.  BB.   19.    H.  3". 

2363.  2364.  2365.  Drei  desgl.  Ebendaher.  B.  d.  BB. 
20.  21.  22.    H.  IV4"  bis  2''. 

2366.  2367.  2368.  Drei  desgl.  Aus- der  Koller'schen 
Sammlung.    213.  218.  239.    L.  2V8"  bis  38/4". 

2369.  Desgl.  Auf  Cypern  gefunden,  und  aus  dem  Nach- 
lass  des  Prof.  Boss  1860  erworben.  Ganz  roh.   3422.  L.  2". 

2370—2377.  Acht  desgl.    H.  1''  bis  2^/8^ 

2377*-  Zebustier,  Relief.  Wahrscheinlich  Geräthver- 
zierung.  Von  Prof.  Petermann  aus  dem  Orient  1856  mit- 
gebracht.   3194.    H.  1^1^". 

2378.  Schafbock,  1863  erworben..  3484.    L.  2^^". 

2379.  Ein  wie  zum  Stoss  vorwärts  laufender 
Widder,  sehr  lebendig.  Im  Peloponnes  gefunden.  Von  hie- 
sigen Kunsthändlern  1845  gekauft.    2815.    L.  S^jJ', 

2380.  Desgl.,  ruhig  stehend.  Mit  einem  Joch  um  den 
Hals.  Die  Basis  in  regelmässiger  Weise  durchbrochen.  H.  4^/g". 

2381.  Desgl.,  mit  zwei  Schläuchen  beladen.    H.   '/g". 

2382.  Desgl.,  ganz  einfach.    H.  ^jj'. 

2383.  Kopf  eines  Widders.    Fragment.    H.  s/g". 

* 

2384.  Pferd,  ruhig  stehend.  Aus  der  Koller'schen  Samm- 
lung. 215.    H.  2%". 

2385.  2386.  Zwei  desgl.,  beide  sprengend.  Aus  der 
Koller'schen  Sammlung.  222.  224.    H.  2^/4"  und  2V4". 

2387.  Desgl.    Ebendaher.    259.    H.  II/4", 

2388.  Desgl.,  ruhig  stehend.  Aus  der  älteren  Samm- 
lung. B.  d.  BB'.  14.    H.  272"- 

2388*-^  ß   Drei  unbestimmbare  Thiere.    Ganz  platt 


Die  Thiere.  499 

und  roh.   Aus  Gerhardts  Nachlass  1869  erworben.  185.  186. 
871.    L.  11/4''  bis  2". 

2388^- «•  Zwei  desgl.    H.  ^IJ'  und  Va"- 

2389.  Vordertheil  eines  sprengenden  Pferdes.  Aus 
der  älteren  Sammlung.  B.  d.  BB.  15.  Geräthverzierung.  H.  1  ^jj'. 

2390.  Desgl.,  1863  angekauft.    3482.    H.  1". 

2390^-  Ein  langgezogenes  dünnes  Pferd  in  vollem 
Lauf.   Vermuthlich  eine  Geräthverzierung. 

2391.  Ein  Seepferd,  dessen  Fischschwanz  hoch  in  die 
Höhe  gebogen  ist,  so  dass  eine  Oese  entsteht.  Wahrschein- 
lich Griff  eines  Geräthes.    H.  3". 

2392.  Eine  dicke  Sau,  ruhig  liegend.   L.  S^a"» 

2393.  Hübsche    Ziege.    Aus    der   älteren  Sammlung. 

B.  d.  BB.  25.   H.  2V2". 

2394.  2395.  Zwei  desgl.,  die  zweite  mit  Schläuchen 
beladen.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B.  d.  BB.  26.  27. 
H.  1%"  und  17.2". 

2396.  Ziege,  auf  einer  Basis  stehend,  an  welcher  sich 
unten  eine  Spitze  anschliesst,  die  in  einen  Schaft  von  anderem 
Material  eingesetzt  wurde.  Oben  an  der  Spitze  springt  ein 
Haken  heraus.   Aus  der  Sammlung  Bartholdy.  B.  58.  H.  5". 

2397.  Kaninchen.     Aus    der    Sammlung    Bartholdy. 

C.  124.    H.  31/4". 

2398.  Hase.    Ebendaher.    C.  125.    H.  3". 
2398*-  Ein  laufender  Hase.    Geräthverzierung. 

2399.  Maus.    Aus  der  KoUer'schen  Samml.    L.  l^a"- 

2400.  NagendeMaus.  Aus  der  Sammlung  Bartholdy. 
C.  126.   L.  Vl^", 

2401.  Desgl.    1863  gekauft.    3483.   L.  l^j^". 

2402.  2403.  Zwei  desgl.    H.  l^jj'  und  1%". 

32* 


500  Die  Thiere. 

2403*-  Vordertheil  eines  unbestimmbaren Thieres. 
Aus  der  KoUer'schen  Sammlung.   Geräthverzierung. 

2403 **•  Phantastisches  Thier,  mit  einem  kleineren 
Thier  derselben  Art  auf  seinem  Rücken.  Aus  Corneto.  Mit 
Gerhardts  Nachlass  erworben.  Wahrscheinlich  Geräthver- 
zierung.   102. 

Amphibien  und  Fische. 

2404.  Ein  Froschweibchen,  das  sein  Junges  auf  dem 
Rücken  trägt.   L.  IV4". 

2405.  Schildkröte.  Oben  durchbohrt  Als  Geräthsttitze 
dienend,  so  wie  wir  sie  schon  oben  bei  den  Candelabem 
fanden.    Aus  der  Sammlung  Bartholdy.    C.  127.   L.  3*/V. 

2406.  Eidechse.  Aus  der  älteren  Sammlung.  B,  d. 
BB.  47.   L.  2''. 

2407.  Schlange.  Aus  dem  Nachlass  des  Kriegsministers 
von  Rauch  1841  gekauft.    2646.    L.  2". 

2408.  Schön  gearbeiteter  Schlangenkopf.  Frag- 
ment.   Aus  der  Koller'schen  Sammlung.    267.   H.  1^2"- 

2409.  Delphin,  von  Blei,  das  mit  einer  für  uns  nicht 
bestimmbaren  Masse  ausgefällt  ist.  Yon  Prof.  Gerhard  1841 
angekauft.    2710.   L.  98/4". 

2410.  Desgl.,  von  Bronce.  Aus  Gerhard's Nachlass  1869 
erworben.    184.   L.  2^1^", 

2411.  2412.  Zwei  desgl.   L.  I8/4"  und  2V4". 

2413.  Otterähnliches  Thier.   L.  iV^". 

2413*-  Eine  froschartige  Figur,  mit  Silber  verziert 
Von  Prof.  Petermann  aus  dem  Orient  mitgebracht.    3198. 

Moderne  Broncen,  theils  Abgüsse,  theils 

Fälschungen. 

Die  modernen  Broncen  sind  für  das  Studium  der  alten 
nicht   ohne    Bedeutung,   zunächst   schon   deswegen,    um  das 


Die  modernen  Broncen.  501 

Auge  für  den  Unterschied  ächter  und  nachgemachter  Patina 
empfänglich  zu  machen.  Aber  das  Interesse  wächst  bei 
solchen,  die  nicht  blosse  Abgüsse,  sondern  Nachahmungen 
oder  geradezu  Fälschungen  sind.  Hier  handelt  es  sich  auch 
um  Verschiedenheit  des  Styls  und  der  ganzen  Auffassung. 

Es  schien  uns  übrigens  mit  der  ganzen  Anordnung  des 
Buches  nicht  vereinbar,  in  ausführliche  Erörterungen  über 
eine  Sammlung  moderner  Broncen  einzugehen,  die  ein  buntes, 
ganz  zufällig  entstandenes  Durcheinander  darstellt.  Zumal 
die  Abgüsse,  die  meist  aus  der  KoUer'schen  Sammlung  her- 
rühren, haben  wir  mit  einer  Ausnahme,  die  eine  ganz  un- 
bekannte und  doch  interessante  Statuette  betrifft,  sehr  kurz 
behandelt,  um  so  mehr,  als  ein  nicht  kleiner  Theil  von  ihnen 
auch  in  Gyps  im  Neuen  Museum  vorhanden  ist  und  daher 
schon  im  ersten  Bande  dieses  Werkes  seine  Besprechung 
gefunden  hat. 

Moderne  Broncen. 

a.  Geräthe. 

2414.  Verkleinerte  Copie  der  mediceischen  Mar- 
morvase.  H.  IS^IJ'. 

2415.  Abguss     eines     grossen     pompejanischen 
Beckens  mit  Schlangenhenkeln.    Durchm.  13^ I2"' 

2416.  Einhenkelige  Kanne  in  etruscischer  Manier. 
Abguss.   H.  14". 

2417.  Abguss  des  kleinen  pompejanischen  Drei- 
fusses,  der  von  ithyphallischen  Satyrn  gestützt  wird.  H.  11" 

2418.  2419.  Zwei  Amphoren.  Aus  der  Koller'schen 
Sammlung.    H.  8  und  9". 

2420.  Abguss  einer  Ciste,  deren  Original  verschollen 
ist.     Aus  der  Koller'schen  Sammlung.    H.  10".    Durchm.  8". 

Abg.  bei  Gerhard.     Etruscische  Spiegel  I.  Taf.  17.  18. 

2421—2425.  Fünf  Trinkhörner,  in  Form  von  Hirsch-, 
Eber-,  Pferd-,  Reh-  und  Hundekopf.  Abgüsse  von  pompe- 
janischen Alterthümern.  Aus  der  Koller'schen  Sammlung. 
H.  von  7  bis  7Vi". 


502  I^^ö  modernen  Broncen. 

2426.  2427.  Zwei  einhenkelige  Krüge,  mit  reich- 
verzierten  Henkeln.   H.  6?/^"  und  88/4". 

2428 — 2430.  Drei  zweihenkelige  Krüge  von  ver-^ 
schiedener  Grösse.   H.  2^2  l>is  5^/4". 

2431.  Zweihenkelige  Schale.   D.  5V2''. 

2432.  Reichverzierte  Hängelampe.  Aus  der  Koller'- 
schen  Sammlung.    H.  6^/4". 

2433.  2434.  Zwei  henkellose  Töpfe.  Ebendaher. 
H.  3  und  4". 

2435.  Zwei  Stücke  eines  Gefässes.  Mit  einer  In- 
schrift.  D.  5". 

2436.  Kohlenbecken,  in  Form  einer  Festung.  Abguss 
eines  in  Neapel  befindlichen  Geräthes.    a   2',   H.  12". 

2436*-  Ein  viereckiges  Kästchen,  mit  Centauren 
verziert.    Abguss.   H.  3V2".    L.  ^^U" 

2437.  Abguss  des  berühmten  von  Sphinxen  ge- 
stützten pompejanischen  Dreifusses.    H.  3'  172"« 

2438.  Candelaber,  in  Form  eines  knotigen  Stamms. 
Oben  eine  Schale  mit  Dorn.  Ganz  dem  pompejanischen  ent- 
sprechend.   H.  3'  6V2''- 

2439.  Desgl.,  nur  kleiner.  Mit  einem  Teller  zum  Auf- 
setzen der  Lampe.    Aus  der  Koller*schen  Samml.    H.  11^4"« 

2440.  Desgl.,  mit  glattem  Stamm.  Das  obere  Stück 
fehlt.    H.  V  3^/4''. 

2440*-  ^-  Zwei  Lampenuntersätze.   Abgüsse. 

2441.  Thymiaterion,  ganz  nach  Art  der  etruscischen. 
Die  Schale  oben  von  Vögeln  umgeben.  Aus  der  KoUer'schen 
Sammlung.    H.  1'  53/4''. 

2442.  Einhenkelige  Kanne,  der  Henkel  fehlt.  H.  8V./'^ 

2443.  Ein  grosses  Pfundstück.   H.  9V- 


Die  modernen  Broncen.  5Q3 

2444.  Hängelampe;  in  Form  eines  Pferdes.   L.  8^2"« 

2445.  Lampe  mit  daran  hängendem  Putzer,  in  Form 
eines  Kruges.  Die  Tülle  wird  durch  eine  Satyrmaske  gebildet. 
H.  4Vs". 

2446.  Desgl.;  genau  tibereinstimmend.   H.  A^j^'- 

2447.  Lampe,  mit  zwei  Flammen,  mit  einem  Adler  ver- 
ziert.  L.  6". 

2448.  2449.  Zwei  Hängelampen,  zu  zwei  Flammen. 
Ganz  übereinstimmend.   L.  5". 

2450.  Lampe  mit  einer  Flamme,  mit  einem  Löwen  am 
Henkel  verziert.   L.  4^/8^. 

2451.  Desgl.,  auf  ihrer  Fläche  ein  Amor  mit  einem 
Delphin.   L.  d^l^". 

2451*-  Desgl.,  ganz  übereinstimmend.   L.  S^i"» 

2452.  Hängelampe  mit  zwei  Flammen.   L.  472". 

2453.  Lampe  mit  einer  Flamme.  Auf  der  Fläche  ein 
Adler  mit  Blitz.     Auf  den  Seiten  Medusenköpfe.   L.  4''. 

2453*' ^-  Zwei  Lampen,  aus  dem  Nachlass  des  Prof. 
Rösel.   2735.  2737.   Abgüsse  von  pompejanischen  Lampen. 

2453^*  Desgl.   Aus  der  KoUer'schen* Sammlung. 

2454.  Hängelampe  mit  zwei  Flammen  und  tulpen- 
förmigem  Griff.   L.  S^U". 

2455.  Desgl.,  mit  einem  Kranz  verziert.   L.  2^/4". 

2456.  Lampe  ohne  Deckel.  Auf  drei  Füssen  stehend. 
L.  3-Vs". 

2457.  Abguss  einer  Thonlampe,  worauf  ein  Herkules 
mit  der  Syrinx.   L.  4%". 

2458.  Desgl.,  ganz  einfach.   L.  4''. 

2459.  Lampe^  durch  einen  kleinen  Mann  mit  phrygischer 


504  ^^^  modemea  Broncen. 

Mütze  gebildet,  der  auf  einem  Pferdekopf  sitzt.    Die  Tülle 
kommt  aus  dem  Maul  des  Pferdes.   Abguss.   L.  5^/4". 

2460.  Gefäss,  in  Form  eines  priapeischen  Kopfes, 
dessen  Nase  noch  in  einen  Phallus  ausläuft.   H.  5^/4". 

2461.  Ein  Kasten  mit  Kinderspielzeug. 

2462.  Zwei  Amulette,  in  Form  von  Phallen. 

2463.  Zwei  Gabeln,  die  eine  verstümmelt.  L.  3  und  5". 

2464.  Spiegel,  mit  der  Gruppe  von  Amor  und  Psyche 
in  Relief.    L.  1'  3". 

2465.  Desgl.,  türkischer  Spiegel  mit  Silber  eingelegt. 
L.  IIV2". 

2466.  Ein  kleines  Altärchen  von   Bronce.  H.  2^U". 

2466*-  Zwei  moderne  Bleimarken. 

2466^-  Kopfstück  einer  Pferderüstung,  die  Form 
des  Pferdes  genau  imitirend.  Oben  als  Verzierung  ein  Löwen- 
kopf, der  mit  geflügelten  Donnerkeilen  umkränzt  ist.  Viel- 
leicht ein  Abguss  nach  einer  Antike. 

2466*^-  Unbestimmbares  Rüstungsstück,  unten frag- 
mentirt.  Mit  Scharnieren  an  jeder  Seite.  Verziert  mit  einem 
Medusenkopf  und  darunter  mit  zwei  Widderköpfen.  Vermuth- 
lich  Abguss  einer  Antike. 

2466'*-  Unbestimmbares  Geräthstück. 

b.   Figuren, 

2467.  Abguss  der  schönen  Victoria  in  Cassel. 
H.  2'  71/2". 

2468.  Verkleinerte  Copie  des  borghesischen 
Hermaphroditen.    L.  1'  3^2"    Br.  8V4". 

2468**  Ephesische  Diana,  verkleinerter  Abguss. 

2469.  Neptun,  ganz  übereinstimmend  mit  n.  1872,  nur 


Die  modernen  Broncen.  505 

von  besserem  Styl.  Abguss  einer  antiken  Figur,  die  sich  im 
Besitz  des  Herrn  Geh.-R.  v.  Beuth  befand.  Die  an  derselben 
fehlenden  Theile  sind  an  unserem  Abguss  ergänzt,  nämlich 
der  halbe  linke  Arm  mit  dem  Dreizack  und  der  rechte  Fuss 
mit  dem  Schiffshintertheil,  auf  welches  er  tritt.  Geschenk 
des  Herrn  Geh.-R.  v.  Beuth.   H.  S^j^". 

2470.  Junges  Mädchen,  mit  doppeltem  Gewände,  den 
rechten  Arm  in  die  Seite  stützend,  in  der  Linken  einen 
Apfel  haltend.  Die  Figur  ist  nach  Styl  und  Patina  ent- 
schieden falsch.  1849  angekauft.  Gefunden  angeblich  bei 
Nordendorf  in  Franken.   H.  3''. 

2471.  Büste  einer  Minerva,  eine  schreiende  Fälschung, 
sowohl  hinsichtlich  der  Patina,  die  nur  in  den  Tiefen  sitzt, 
als  hinsichtlich  des  Styls.  Der  Kopf  ist  nämlich  der  eines 
eleganten  Püppchens  mit  zierlichen  Locken.  1856  durch 
E.  Braun  in  Rom  angekauft.    3214.    H.  2^1^". 

Wahrhaft  komisch  ist  das  hochtrabende  Gerede  Brauns  über  diese 
Figur  im  ballet.  1856  p.  65.  Man  möchte  wirklich  zweifeln,  ob  es 
ernst  gemeint  sei. 

2472.  Büste  des  bärtigen  Bacchus,  in  alterthüm- 
lichem  (d.  h.  nachgeahmt  alterthümlichem)  Styl,  wie  er  so  gut 
für  Hermen  sich  schickt.  Die  Locken  fallen  links  und  rechts 
symmetrisch  auf  die  Schultern,  eine  Binde  umgiebt  das  Haar. 
Vermuthlich  ein  Abguss.  Aus  der  Sammlung  Minutoli.  B.  a. 
XIV.  ß.  1.   H.  53//'. 

2473.  Jugendlicher  Satyr,  mit  der  Mundbinde,  in 
bewegter  Stellung,  die  Doppelflöte  blasend  zu  denken,  wie 
aus  der  Bewegung  der  Arme  hervorgeht.  Eine  ganz  genau 
übereinstimmende  Figur  kommt  unter  den  herculanischen 
Broncen  vor,  von  welcher  diese  Figur  ein  Abguss  ist.  Sie 
ist  gar  nicht  ciselirt.  Aus  der  älteren  königl.  Sammlung. 
B.  a.  XV.  a.  1.   H.  12". 

2474.  Silen,  ein  Gefäss  bildend.  Er  sitzt  zusammen- 
gekauert, legt  die  Rechte  an's  rechte  Knie,  während  die  Linke 
ein  Gefäss  fasst.  Auf  seinem  Kopf  befindet  sich  eine  klee- 
blattförmige Tülle,  das  Gefäss  ist  aber  ohne  Boden.  Ver- 
muthlich ein  Abguss.    Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  A^jJ'. 

2475.  Silen,   nackt,   zusammengekauert  auf  der  Erde 


50p  Die  modernen  Broncen. 

# 
sitzend;  die  Hände  auf  die  Knie  stützend.     Aus  der  Samm- 
lung Koller.   H.  2". 

2476.  Bärtiger  Pan,  auf  der  Erde  sitzend  und  das 
rechte  Bein  an  sich  ziehend,  das  ihn  vielleicht  schmerzt.  Der 
linke  Arm  stützte  sich  wahrscheinlich  auf  den  Grund,  es  ist 
nur  wenig  von  ihm  erhalten.  Curios  ist,  dass  er  nur  ein 
Hörn  hat.  Aber  die  Bronce  scheint  auch  nach  der  Patina 
entschieden  modern.     Aus  der  Sammlung  Koller.    H.  2^/2". 

2477.  Priapus,  mit  einem  turbanähnlichen,  asiatischen 
Kopfputz,  den  er  öfter  hat,  das  Gewand  von  dem  grossen, 
aufgerichteten  Phallus  aufhebend.  Unten  wird  er  ganz  pfeiler- 
artig, indem  nur  noch  die  beiden  Füsse  heraussehen.  Die 
Figur  macht  die  Geberde  der  Xoodcoaig.  Aus  der  Sammlung 
Koller.    H.  6V4''. 

2478.  Nackter  Knabe,  die  linke  Hand  auf  die  Brust 
legend,  die  rechte  fasst  ein  blumen-  und  fruchtgeftiUtes  Füll- 
horn, das  neben  seinem  rechten  Bein  steht  An  dieser  Figur 
deutet  Alles,  Styl,  Darstellung,  Patina  auf  modernen  Ursprung. 
H.  4". 

2478*-  Sitzende  Knabenfigur,  mit  einem  geschlitzten,' 
langen    Chiton    bekleidet,     pie    Rechte    erhoben.     Aus    der 
Böcking'schen  Sammlung.    683. 

2479.  Tragische  Maske,  moderner  Abguss.  H.  2^/4". 

2480.  Bärtiger  Herkules,  mit  einem  Kranz  von 
Epheu,  dessen  Bänder  auf  die  Schultern  herabfallen.  Der 
Kopf  ist  gesenkt,  der  Ausdruck  des  Gesichtes  ganz  weinselig, 
er  ist  betrunken  zu  denken.  Die  lange  Keule  ist  unter  die 
Achsel  gestemmt,  die  Rechte  liegt  hinten  auf  dem  Rücken 
und  hält  die  Hesperidenäpfel.  Ungefähre  Copie  des  farne- 
sischen  Herkules.  Aus  der  älteren  königl.  Sammlung.  B.  a. 
XVI.  a.  2.    H.  7%". 

2481.  Desgl.  Abguss  des  oben  n.  1848  erwähnten 
Typus.   H.  41/4". 

2482.  Jugendlich  männliche  Maske,  der  Kopf  blickt 
seitwärts  und  nach  oben  mit  etwas  schmerzlichem  Ausdruck. 
Wie  es  scheint  von  einem  Geräth.    H.  3  j^**. 


Die  modernen  Broncen.  507 

2483.    2484.    Schöne   Masken   in   Relief.     Abgüsse 
nach  antiken  Marmorwerken.    H.  5  bis  5^2"« 

2484*- ^-  Zwei  desgl.   Ebenfalls  Abgüsse  von  antiken 
Marmorwerken. 

2484°-   Büste  des  Hadrian.    Aus  der  älteren  Samm- 
lung.  B.  c.  /^.  11. 

2485.  Kleine  Bronceplatte,  worauf  ein  bacchischer 
Zug.   Br.  2'/«". 

c.  Thiere. 

2486.  Ein  grosses  Schwein,  das  als  Gewicht  diente, 
Abguss  eines  in  Neapel  befindlichen  Geräthes.    L.  lO^j^** 

2487.  Ein  Panther,  Abguss.   L.  1'  SVa". 

2488.  Eber,    verkleinerte    Copie    der    florentinischen 
Marmorstatue.   H.  7". 

2488»-  Ein  Elephant 

2489.  Ein  Seepanther,  mit  Flügeln. 

2490.  Ein  Frosch.   L.  4". 

2491.  2492.   Vordertheile  von  zwei  Pferden,  das 
eine  geflügelt.   H.  2^U  ^is  3V2". 

2493.  Cerberus.   H.  2^U". 

2494.  Eine  Maus.  L.  38/4". 

2495.  Eine  Schildkröte.   L.  1".. 
2495^  Ein  Stier. 

2495^-  Ein  schön  gearbeiteter  Hahn. 

2495^-  Vordertheil  eines  Geyers.   Aus  der  Koller'- 
schen  Sammlung. 


508  D^6  modernea  Broncen. 

d.   Fragmente  von  Figuren. 

2496 — 2499.  Vier  Abgüsse  von  schönen  weib- 
lichen Füssen.   L.  S»/^  bis  4V4". 

2500.  Broncirter  Gypsabguss  einer  im  Jahr  1811 
in  Wopemow  bei  Schiefelbein  gefundenen  Statuette  von  Bronce 
die  sich  gegenwärtig  im  Besitz  des  Geh.  Regierungsrathes 
V.  Minutoli  in  Liegnitz  befindet.    H.  9". 

Der  Vater  des  gegenwärtigen  Besitzers  hat  diese  Figur 
in  einer  eigenen  Schrift^),  erläutert;  deren  Inhalt  wir  hier 
mittheilen.  Er  vermuthet,  dass.die  Figur  auf  der  Spitze  eines 
Feldzeichens  angebracht  war,  wo  sie  denn,  in  ihrer  lebhaft 
vorwärts  stürmenden  Haltung  und  zumal  wenn  man  für  die 
Hände,  die  etwas  gehalten  haben,  Waffen  oder  Feldzeichen 
voraussetzt,  sehr  zum  Kampf  ermunternd  gewirkt  haben  würde. 
Dargestellt  aber  sei  ein  kaiserlicher  Knabe,  dem  man  dadurch 
eine  Ehre  habe  erweisen  wollen,  vermuthlich  Nero. 

Die  letzte  Vermuthung  lassen  wir  auf  sich  beruhen,  aber 
die  Annahme,  dass  die  Figur  ein  Feldzeichen  gekrönt  habe, 
scheint  uns  sehr  glücklich,  weil  sie  den  ganzen  Habitus  der 
Figur  erklärt.  Nur  über  die  Art,  wie  die  Figur  befestigt 
war,  irrt  der  Verfasser,  indem  er  glaubt,  dass  ein  zwischen 
den  Beinen  befindliches  Loch,  das  zum  Herausziehen  des 
Kerns  gedient  hat,  später  auch  zur  Befestigung  benutzt  sei. 
Aber  wir  fürchten,  es  hätte  etwas  komisch  ausgesehen,  wenn 
die  Beine  frei  in  der  Luft  schwebten.  Nur  unter  dem  linken 
Fuss  konnte  die  Statuette  befestigt  sein,  wenn  sie  ihren  vollen 
Effect  ausüben  sollte  und  dass  es  in  der  That  so  war,  lässt 
sich  durch  eine  noch  etwas  besser  erhaltene,  genau  überein- 
stimmende Replik  beweisen,  die  sich  früher  im  Museo 
Carpegna  befand  und  von  Buonarotti  Medaglioni  p.  234 
publicirt  ist.  Diese  Figur  steht  mit  dem  linken  Fuss  auf 
einer  kleinen  Kugel,  an  welche  sich  unten  eine  kleine  Hohl- 
kehle anschliesst.  Vermuthlich  ist  dies  das  Bekrönüngs- 
ornament  einer  Stange  oder  dergl.  An  der  Minutoli'schen 
Bronce  ist  auf  der  Sohle  des  linken  Fusses  ein  „frischer 
wohl  erst  beim  Herausgraben  der  Figur  entstandener  Bruch" 
bemerkt,  welcher  vollends  dieselbe  Art  der  Befestigung  für 
sie  voraussetzen  lässt. 


^)  Notiz    über  eine  im  Jahr  1811   zu  Wopemow  bei  Schiefelbeia 
aufgefundene  kleine  Erzbildsäule  von  Heinrich  C.  von  Minutoli  1835. 


Die  Inschriften.  5Q9 


Die  Inschriften. 

Inschriften,  welche  nicht  mit  Gegenständen  der  Kunst 
oder  Industrie  im  Zusammenhang  stehen,  gehören  eigentlich 
nicht  in's  Museum,  sondern  in  die  Bibliothek.  Schon  aus 
diesem  Grunde  müssen  wir  auf  eine  Publication  oder  gar 
nähere  Erörterung  derselben  verzichten,  es  wäre  das  aber 
auch  nicht  unseres  Amtes.  Die  folgende  Aufzählung  be- 
ansprucht daher  nur  den  Werth  eines  Inventars,  wir  wollen 
übrigens  dabei  bemerken,  dass  die  Inschriften  vor  nicht  langer 
Zeit  von  einem  Sachkundigen  von  Neuem  abgeschrieben  sind 
und  daher  den  Fachleuten  besser  als  wir  es  vermöchten  zu- 
gänglich gemacht  werden,  oder  schon  gemacht  sind. 

2501.  Eherne  Tafel  mit  Giebelfeld,  deren  Inschrift 
sich  auf  ein  Btinduiss  zwischen  Familien  Astruriens  bezieht. 
H.  12".   Br.  TVs''-   Aus  dem  Besitz  Bellori's.   X.  1. 

Abg.  bei  Beger  Thes.  III,  411. 

2502.  Tessera  paganica,  von  einer  weiblichen  ver- 
schleierten Büste  bekrönt,  die  wohl  eine  Juno  vorstellen  soll. 
H.  58/«'^   Br.  5".    Ebendaher.   X.  2. 

Abg.  bei  ßeger  III,  412. 

2503.  Bruchstück  einer  grösseren  Tafel,  nur  mit 
den  Anfangsbuchstaben  beschrieben.  H.  ll^j^'.  Aus  der 
Samml.  Minutoli.   X.  3. 

2504.  Runde  Platte,  mit  einem  Stift  an  der  hinteren 
Seite  zum  Einschlagen.  Der  Anfang  der  Inschrift  ist  Claudi 
Optati  etc.   Aus  der  alt.  Samml.   X.  6.   Durchm.  272"- 

2505.  Fragment  einer  Inschrift,  die  sich  auf  Feier- 
lichkeiten im  Circus  bezieht.  10  Zeilen.  H.  6%".  Obere 
Breite  ß^lJ', 

2r)06.  Fragmentirter  Broncestreifen,  mit  drei  Zeilen 
einer  Inschrift  in  altlateinischen  Charakteren.  Von  Dr.  Fried- 
länder 1846  in  Rom  angekauft.   L.  3".   Br.  11/2''.    2883. 

2507.  Ein  Stück  Silberblech,  mit  einer  Inschrift  von 
fünf  Zeilen,  fragmentirt.  Aus  der  Böcking'schen  Sammlung. 
703.    Breite  3»//'. 


510  I^ic  Inschriften. 

2508.  Kleines  Fragment  einer  griechischen  In- 
schrift von  fünf  Zeilen,  in  deren  einer  das  Wort  APFYPIO 
lesbar  ist.  Aus  dem  Nachlass  des  Prof.  Ross  1860  erworben. 
3424.    H.  1^1  J'. 

2509.  Gnostische  Inschrift  auf  schwarzem  Stein, 
mit  vier  Reihen  Buchstaben  und  zwei  Reihen  Zeichen  oder 
Figuren.   H.  2^U".   Br,  28/4". 

2510.  Broncestreifen  mit  zwei  Reihen  Inschrift,  die 
als  etruscisch  bezeichnet  wird,  zur  Seite  ist  ein  Kopf  ein- 
gravirt.  In  Constantinopel  1858  erworben.  3227.  L.  b^l^'- 
Br.  iVs^ 

Vgl.  Otto  Frick  im  Archacol.  Anz.  1857.  p.  104. 

2511.  Viereckige  Platte  mit  einer  marsischen 
Inschrift,  mit  einem  Henkel  zum  Anhängen.  In  der  Nähe 
von  Rapino  gefunden  und  durch  Dr.  Friedländer  1846  ge- 
kauft.  H.  58/4''.   Br.  53/4".    2888. 

Vgl.  Mommsen  in  Annali  1846  zu  Tav.  B,  C. 


■k 


Alphabetisches  Register. 


Die  Zahlen  bezeichnen  nicht  die   Seiten,    sondern   die  Nummern 

des  Buches. 


Achelous,  Büste  1558  k-  5. 
Achelous,  etruscische  Maske  1310. 

1311. 
Achelous,  etruscischer  Spiegel  132. 
Achelous  (?),  Geräthfuss  1518. 
Achelous ,     Geräthhenkel     1388. 

1388  a- 
Achelous,  Stiermaske  1558  »•  i- 
Achill  und  Penthesilea,  etruscischer 

Spiegel  30. 
Adler  2305— 2309  »• 
Adler,  Griff  einer  Lampe  733. 
Adler,   Verzierung   einer  Lampe 

2447.  2453. 
Adonis  und   Venus,   etruscischer 

Spiegel  52.  53. 
Adoranten ,    griechische    Broncen 

2114—2119. 
Adoranten,    etruscische    Broncen 

2119a-  2119^. 
Aesculap,  Broncefigur  1846. 1846  *• 

1846^.  1973. 
Aesculap,    römisches    Arzneikäst- 
chen 1222. 
Affe,  auf  einem  Thymiaterion  689. 
Affe,  etruscisch  2323. 
Affenköpfe,  Henkel  von  Gefässen 

1404.  1408. 
Ajax  mit  der  Leiche  des  Achill, 

etruscischer  Henkel  1442. 
Amazonenschild,  Geräthfuss  1523  a- 

1658. 


Amazonenschild,  Verzierung  1552c8. 
Amor ,    ballspielend,    etruscischer 

Spiegel  54.  * 

Amor,  Broncefigur  1940 — 1957  a. 
Amor,  Büste  1558  e.  5. 
Amor,  Henkel  eines  Kruges  1629. 
Amor,  Candelaber  715  d« 
Amor   mit   Bacchus,   griechischer 

Spiegel  3. 
Amor  mit  Doppelflöte,  Broncefigur 

1844. 
Amor  mit  Flügelfigur,  etruscischer 

Spiegel  57. 
Amor  mit  Flügelross,  etruscischer 

Spiegel  55. 
Amor  mit  Psyche,  Spiegel  2464. 
Amor  mit  Schwan,  Spiegelgriff  IIa. 
Amor  mit  Seepferd,   etruscischer 

Spiegel  56. 
Amor  mit  Venus,  auf  einem  Bronce- 

medaillon  476  d. 
Amor,  Ring  454. 
Amor,    Verzierung    einer  Lampe 

2451.  2451a. 
Amykos    und   Pollux,    auf   einer 

Cista  541. 
Anker,  auf  einem  Ring  450. 
Antaeus  und  Herkules,  etruscischer 

Spiegel  29. 
Apollo,  bekränzt.  Broncefigur  1829. 

1830. 
Apollo,  Bleifigur  1332  c. 


512 


Alphabetisches  Register. 


i 


Apollo,  Broncefigur  1823  »• 
Apollo  (?)  Broncefigur  1831. 
Apollo  mit  Artemis,   etruscischer 

Spiegel  22. 
Apollo  mit  einem  Lamm,  Bronce- 
figur 1823, 
Ariadne,  Maske  (?)  1558  »•  8. 
Ariadne  mit  Bacchus,  etruscischer 

Spiegel  23. 
Arm,  eine  Taube  haltend  2274. 
Arm,  männlicher  2275. 
Arm,  weiblicher  2272. 
Artemis,  Büste  1558i- 1- 
Artemis  mit  Apollo,   etruscischer 

Spiegel  22. 
Astarte  mit  dem  Stern,  etruscischer 

Spiegel  33. 
Atalante,  auf  einer  Cista  542. 
Athletische    Darstellungen ,     auf 

einem  Diskus  1273. 
Atlas,  Geräthfuss  1517». 
Atropos,  etruscischer  Spiegel  146. 
Atiis,  Broncefigur  2005  »>— 2008. 
Attis,  Büste  (?)  1558i.  5. 
Attis,  Büste,  auf  einem  römischen 

Gewicht  925. 
Augen,  Weihgeschenk  1331. 


Bacchantin ,  Broncefigur  1969. 
1969». 

Bacchantin,  Büste  1558e.i0— i558f.2. 

Bacchantin,  etruscischer  Spiegel  61. 

Bacchantin  mit  Fan,  griechischer 
Spiegel  2. 

Bacchantin  mit  Schlange,  etrus- 
cischer Spiegel  24. 

Bacchantin  mit  Silenen,  etrus- 
cischer Spiegel  25.  63. 

Bacchantinnen,  etruscischer  Spiegel 
62.  64.  65. 

Bacchantinnen,  griechische  Spie- 
gel 4. 

Bacchantinnen  mit  Satyr,  etrus- 
cischer Spiegel  60.  67.  68. 

Bacchischer    Zug ,     Bronceplatte 

2485. 
Bacchische  Maske  1558  c-  7. 
Bacchische    Scene ,     etruscischer 

Spiegel  21. 
Bacchus,  Broncefigur  1958—1962»- 
Bacchus,  Büste  1558  e.  6.  7. 


Bacchus,  Büste  von  modemer  Nach- 
ahmung 2472. 
Bacchus  (?),  Henkel  1413. 
BacchuskopL  etrusdsch.  Spiegel  58. 
Bacchusköpfe,  Lampe  716. 
Bacchusmasken  1558»-  "-  ®- 
Bacchusmasken  von  Bronce  1834. 

1839. 

Bacchusmaske,  Weinkrug  679. 

Bacchus  mit  Amor,  griechischer 
Spiegel  3. 

Bacchus  mit  Ariadne,  etruscischer 
Spiegel  23. 

Badende  Frau,  etruscisches  Spie- 
gelrelief 12. 

Bär  2325. 

Barbarischer    Kopf,    Broncefigur 

2147.  2148. 
Barbarischer  Kopf,   Deckel  einer 

Kapsel  1775—1777. 
Barbarisches  Idol   mit  ^anuskopf 

2008»»- 
Baumstamm,  Candelaber  712. 
Bes,  ägyptischer  Gott  2008»- 
Blume,  Geräthspitze  1557^-  c. 
Blumenkelch,  Henkel  1420. 
Blumenknospen,  Henkel  1444. 
Bockskopf,  Attache  1472  >•  ^'  i- 
Bonus  Eventus,  Broncefigur  2009. 

2010. 
Büste,  behelmte  1552^  3. 


Capitell  einer  korinthischen  Säule 

1557  f- 
Centaur  2296.  2297. 
Centaur,  mit  Jolaos  und  Herkules. 

Auf  einem  Helm  1011. 
Centauren  mit  Löwen  kämpfend 

1575d. 

Cerberus  2303.  2304.  2493. 

Ceres,  Broncefigur  1873. 

Chimäre,  etruscisches  Relief  2173. 

Christliche  Symbole,  auf  Lampen 
753—758»- 

Christliche  Symbole,  auf  Ringen 
450.  476c. 

Circusdarstellungen,  auf  einem  Be- 
schlag 1558»»»»- 

Cnltussymbole ,  auf  einer  Votiv- 
hand  1333. 

Cybele  mit  Attis  2005 1- 


Alphabetisches  Register. 


515 


Dame,  römische.  Broncefigur  2131. 

Delphin  1552^-  2.  3.  2409—2412. 

Delphin,  Deckel  einer  Cista  543. 

Delphin,  Gefässbasis  1533 1-  c 

Delphin,  G-riff  einer  Pfanne  1477  »• 

Delphin,  Nadel  17658- 

Diana,  Broncefigur  1890—1895. 

Diana,  moderner  Abguss  2468  &• 

Dioskuren ,  etruscischer  Spiegel 
86-104.  107—120. 

Dioskuren  (?),  etruscischer  Spiegel 
150. 

Dioskuren ,  griechische  Bronce- 
figuren  2079—2081. 

Doppelkopf,  auf  römischem  Ge- 
wicht 923^- 

Doppelkopf,  weiblicher,  auf  römi- 
schem Gewicht  923. 

Dreigespann,  auf  einer  Cista  542. 

Dreizack,  Gefässbasis  1533^- 

Eber  2326—2328.  2488. 

Eberkopf,  Dolchgriff  1487. 

Eberkopf,  Trinkhom  2422. 

Eichel,  römisches  Gewicht  931. 

Eichelkopf,  Henkel  1461. 

Eidechse  2406. 

Elektra  mit  Orest,  etruscischer 
Spiegel  149. 

Elephant  2488  »• 

Elephantenrüssel,  Lampe  750. 

Embleme  von  (Jöttem,  auf  Blei- 
niarken  1809»- 

Ente  2317  a- 

Eutc,  Jjampe  752. 

Ente,  Weinkanne  671. 

Enten.  Verzierung  einer  Fibel  259. 

Enteuköpfe,  Weinkanne  672. 

Eos  mit  Kephalos,  etruscischer 
Spiegel  15.  27.  71. 

Eos  mit  Mcmnon,  etruscischer 
Spiegel  28. 

Eos  mit  Tithonos,  etruscischer 
Spiegel  70. 

Eselskopf,  Dolchgriff  1488—1489. 

Eule,  auf  einem  attischen  Richter- 
täfelchen 1272». 

Eule,  Geräthfuss  1510. 

Eule,  sitzend  2312—2313»- 

Faustkärapfer,  etruscische  Bronce- 
figur 2186. 


Faustkämpfer,  griechische  Bronce- 
figur 2125. 

Festung,  Kohlenbecken  2436. 

Figur,  nackte,  etruscische  Bronce 
2259. 

Figur  mit  Panzer  und  Helm,  etru8> 
cische  Bronce  2259»- 

Figuren,  verstümmelte,  etruscische 
Bronce  2262^-  c- 

Finger,  vier  2280. 

Fingerglieder,  Griff  1476  *• 

Fisch,  auf  einem  Halsschmuck 
394. 

Fische  und  Pflanzen,  etruscischer 
Spiegel  163. 

Fischer,  griechische  Bronce  2128, 

Flamingo  2311. 

Flötenspieler,  etruscischer  Spiegel 
19. 

Flügelfigur,  etruscische  Bronce 
2153. 

Flügelfigur,  etruscischer  Spiegel  14. 

Flussgott,  Broncebüste  2023  >>• 

Fortuna,  Bronce  1974—1978. 

Fortuna  als  Isis-Fortuna  1979— 
1987. 

Fortuna,  pantheistisch  1988—1989. 

Frau,  beifl-äuzte,  griechische  Bronce 
2113. 

Frau,bekleidete,griechische  Bronce 
2132. 

Frau,  geflügelte,  Geräthfuss  1508. 

Frau,  geflügelte,  Henkel  1439  »>• 

Frau  mit  drei  Jünglingen,  etrus- 
cischer Spiegel  153. 

Frau,  nackte,  Amulet  1339^- 

Frau,  nackte,  Bleifigur  1800. 

Frau,  nackte,  Henkel  1411.  1441. 
1649. 

Frau,  nackte,  Candelaber  7151- 

Frau,  verhüllte,  etruscischer  Spie- 
gel 157. 

Frauenbüste,  Bleifigur  1804. 

Frauenbüste,  Bronce  1828. 

Frauenbüste,  Geräthfuss  1509  ^• 
1514.  1515.  1558  f  5. 

Frauenbüste,  Henkel  1631. 

Frauenfigur,  etruscische  Bronce 
2160.  2161.  2168.  2169.  2172*- 
2181—2185.22596. 2263-22661^. 

Frauenfigur,  griechische  Bronce 
1828». 


Friedericlis,  Berlin^s  Antike  Bildwerke.  II. 


33 


614 


Alphabeiisches  Register.' 


FraueDfigur,  röini8cheBronce221E. 

2214.    2219—2221.  223J-   2232. 

2237. 
Franenfigur,  Haarnadel  249»- 
Frauenfigur  mit  Fischjchwänzen, 

etmaciacher  Candelaber  715»- 
Franenfigur,  Thymiaterion  693^" 
Fraoenltopf  1562.  1563.  156a 
Frauenkopf,    etrueciache    Bronce- 

sUtue  2154. 
Frauenkopf,  Haarnadel  1766''- 
Franenscene,  etrusciBcher  Spiegel 

156. 
Frosch  2404.  2413»-  2490. 
Frosch,  auf  einem  Ringe  444. 
Frösche,  Amulel  1339^. 
FuBB  2281.  2282.  2496-2499. 
FasB,  Weihgeschenk  1332. 

GftnB  2317. 

Ganymed,Broncefigurl870. 1870»- 
GeniuB,  BroDcefigur  2021—2023''  , 
Oenre,  auf  etruEcischea  Spiegeln' 

32.  34. 
Oeschlechtsglied,  männliches  2! 


I  Hand  mit  Gewand  2279. 
Hand  mit  Kruß  3286'^ 
Hand  mit  Schild  2S85>- 
I  Hand  mit  Schlange  2276. 
Hand  mit  Trinkhorn  2277. 
Hand,  weibliche  2273. 
Harpokratee,  Ämnlet  1339"- 
Harpokrates,  Broncefigur  1997 — 

2005. 
Harpjie,  Henkel  1409. 
Hase  2398.  2398"- 
Helena,  auf  einer  Cista  642. 
Helena,  geschmUckt,   etnisdecher 

Spiegel  121. 
Helena  mit  den  Dioskuren,  etrns- 

ciBcher  Spiegel  117—120. 
Helios,  Broncefigur  1990*- 
Helmbnsch  2285. 


Gnostische  Embleme,  auf  einen 

Siegel  579  !>■ 
Gorgoneion,  auf  einem  athenischen 

Ricktertäfelchen  1272»- 
Göttini?),  etruscischeBronce  2161  ^ 

2180. 
Göttin ,    geflügelte ,    etrusciscber 

Sinegel  72-85. 
Göttinnen,     etruscischer    Spiegel 

155. 
Grazien,  auf  einem  Broncemedail- 1 

Ion  476 'ä- 
Greif,  Lampe  719.  ' 

Greife  2298—2301.  2329»-  2330.    i 
Greife,  auf  einem  Helm  1022. 
Greifenkopf,  Attache  1472t>.  a        I 
Greifenkopf,   etruacischer  Henkel  i 

1442".  »1.  I 

Greifenkopf,   Verzierung  I5B2'-  ^  I 

Hadrian,  Büste  2484°- 

Hahn    2315.    2316.    2321.    2322. ' 

2496 1"- 
Hand  mit  Diskus  2276.  I 


„  I  133. 
Herkules ,    bärtiger,    Broncefigur 
1848.  1848»-  2068—2070^  2480. 
.Herkules,  Büste  1658*'- *■ 
j  Herkules  (?)  Cistenfuss  547bi'. 
I  Herkules ,     farnesiacher     (Copie). 

Bronce  1848  b- 
I  Herkulesägurchen  ,        etruadache 
'      Brcnce  2163. 
:  Herkulesfragmeute ,      griechiache 

Bronce  2076.  2078*' 
Herkules,  Gewichtstempel  914. 
Herkules,  Gürtel  1043—1045. 
Herkules,  jugendlich,  griechische 

Bronce  2071—2076»- 
Herkules,  Kind,  griechische  Bronce 

Herkuleskeule  2078  <>■ 

Herkules  mit  andern  Figuren,  etr. 

Spiegel  139-132. 
Herlmles  mit  Antaeua,  etruaüacher 


Hesperiden  2061-2067»- 
Herkules  mit  Jolaos,    auf  einer 

Cista  546.  547. 
Herkules  mit  Jolaos.   auf  einem 

Helm  1011. 
Herkules  mit  Keule  und  Bogen 

687.  2024—2060. 


Alphabetisches  Register. 


515 


Herkules  mit  dem  Löwen,  etrus- 

cische  Bronce  2162. 
Herkules  mit  dem  Löwen,  Messer- 
griff 1484. 
Herkules  mit  Minerva,  etruscischer 

Spiegel  136-138. 
Herkules  mit  der  Sclilange,  Bronce 

1849. 
Herkules  mit  der  Syrinx,  Lampe 

2457. 
Herkules  mit  Victoria,  etruscischer 

Spiegel  139. 
Herkules,    trunken,    etruscischer 

Spiegel  128  a. 
Hermaphrodit,  Copie  2468. 
Herme  als  Anhängsel  403 1^- 
Herme,  ithyphallisclie,  Gefässlien- 

kel  164?; 
Herme,  männliche  2238. 
Herme    mit    Jilnglingskopf  224:0. 

2241. 
Hermes    mit    Cybele    und    Attis 

2005 fe. 
Hermes    mit  Paris,    etruscischer 

Spiegel  122. 
Heros,  Broncefigur  1850.  1851. 
Heuschrecke,  Amulet  1339  *• 
Hippokamp,   etruscischer   Spiegel 

166. 
Hirsch,  Bleikästchen  1792  *• 
Hirsch,  Ring  452. 
Hirsch,  Trinkliorn  2421. 
Ilirschkopf,  Füllhorn  1327 1>- 
Hirtenknabe,  Geräthfuss  151 7  <^- 
Huhn  2314.  2316»- 
Hund  1017  a.  1483.  2845—2359. 
Huiidekopf,  (triff  1482  »•  1488 1»- 
llundekopf,  Trinkhorn  2425. 
Hundekopf,  Verzierung  1552^-3.  *• 
Hundsköpfige   Figur,    etruscische 

Bronce  2259 1»- 

Jason  (V),  auf  einer  Cista  541. 
Imperator,  römische  Bronce  2129  a. 
Jolaos  und  Herkules  (?),  auf  einer 

Cista  546.  547. 
Jolaos  und  Herkules,   auf  einem 

Helm  1011. 
Iphigenie,  mit  Orest  und  Pylades, 

etruscischer  Spiegel  147. 
Isis,  Bronce  2(X)5a-aaa. 
Isis,  Bilste  1558^-  »• 


Isis-Fortuna,  Bronce  1979—1987. 
Jüngling,     auf    einem    Dreifuss 

stehend  2243  a. 
Jüngling,    bekleidet,    etruscische 

Bronce  2249.  2255 1-  2258  a. 
Jüngling  mit  Himation  bekleidet, 

griechische  Bronce  2130. 
Jüngling  mit  Himation  bekleidet, 

Candelaber  715  k. 
Jüngling  mit  Mäntelchen  beklei- 
det, etruscischer  Candelaber  698. 
Jüngling    mit  Schurz    bekleidet, 

etruscische  Bronce  2251. 
Jüngling    mit    Stab    und    Apfel. 

Schöpflöffel  634. 
Jüngling,  nackter,  Cista  5i5. 
Jüngling,    nackter,     etruscischer 

Candelaber  703—704.  715  f-  ^' 
Jüngling,     nackter,      etruscische 

Bronce2158.  2165—2167.2187— 

2195.    2244—2248.    2250.  2253. 

2255  a.  2256.  2257. 
Jüngling,  nackter,  römische  Bronce 

2228.  2229.  2233-2235. 
Jüngling,    nackter.     Griff    einer 

Pfanne  1478.  1479.  1490o.  a. 
Jüngling,  nackter,  Henkel  602. 638. 
Jüngling,  nackter  mit  Hut,  Schei- 

benverzierung  1552  a.  4. 
Jünglingsbüste     1558  f-  8.      2239. 

2242. 
Jünglingsgesicht,  Bronce  2243. 
Jünglingskopf,  Bronce  2240. 
Jüngling,  sich  im  Speerwurf  übond, 

Bronce  1826. 
Jüngling,  sich  salbend  (?),  Bronce 

1852. 
Jünglinge,  ringend,  Cista  544. 
Jupiter  als  Liebhaber,  etruscischer 

Spiegel  37. 
Jupiter  Ammon,  Broncefigur  1867. 
Jupiter  Ammon,  Maske  1558  c-  '^ 
Jupiter,  Attache  1472  »«• 
Jupiter,  Bronce  1853— 1866  a- 
Jupiter,  Büste  1558  c-  lO- 
Jupitermaske  1558  «•  8. 
Jupiter  Serapis,  Broncefigur  1863— 

1869. 

Kabiren,  etruscischer  Spiegel  105. 

106. 
Kaiser  (?),  Portrait  2152. 

33* 


516 


Alphabetisches  Register. 


KalydonischeEberjagd,etrasciscber 

Spiegel  145. 
Kaninchen  2397. 
Kapanens  (?),  Bronce  1850. 
Karyatide,  auf  einem  Thymiaterion 

686. 
Katze,  etmscischer  Henkel  1490  »• 
Katzenkopf,  Attache  1472  »>•  5- 
Kephalos   und  Eos,    etruscischer 

Spiegel  15.  27.  71. 
Kindnrbüste  1558  g-  3. 
Kinderfigur,  geflügelt  mit  Vogel, 

Geräthfuss  1509. 
Kinderkopf,  auf  einer  kreisrunden 

Scheibe  1558n. 
Kinderkopf,  Lampe  747. 
Kindermaske,  Henkel  einer  Wein- 
kanne 670. 
Kinnbartj  ägyptischer  2284. 
Kitharspielerin,  etruscischer  Spie- 
gel 20. 
Klytämnestra  und   Orest,    etrus- 
cischer Spiegel  31.  148. 
Knabe,  auf  einem  Delphin  reitend, 

Lampe  740. 
Knabe,  auf  einer  Maske  stehend, 

Lampe  738. 
Knabe,  kniender,  Bronce  1825. 
Knabe    mit    Hund,    etruscischer 

Spiegel  158. 
Knabe  mit  Querflöte  2139. 
Knabe  mit  phrygischer  Mütze  2227. 
Knabe  mit  Strigel,  Bleifigur  1801. 

1802. 
Knabe,  nackt,  Bronce2217— 2218»- 

2134—2138.  2140— 2140a-  2222. 

2226. 
Knabe,  nackt  und  geflügelt.  Cisten- 

fuss  547»- 
Knabenbüste  1558?.  4.  1558  h.  5.  6. 
Knabenfigur  mit  Phallus,  Henkel 

1442  c. 
Knabenfiguren,  Amulet  1339  f-  s- 
Knabenkopf  1558 1»-  i- 
Knabenkopf  in  Relief,  Gefässbasis 

1533». 
Knabenkopf,    mohrenartig    1564. 

1565. 
Knabenkopf ,    römisches    Gewicht 

928. 
Knabenmaske  1558^-  4. 
Komische  Figuren  2126—2127. 


Kopf,  Ausguss  1538^- 

Kopf,  bärtiger  1803. 

Kopf  einer  Frau  161. 1221  i-  1472»-i- 

Kopf  eines  Jünglings  1472»- 2. 
2270. 

Kopf  eines  Kindes  2268.  2271. 

Kopf  eines  Kriegers  2267. 

Kopf,  jugendlicher  1552  c.  1-4. 

Kopf,  männlicher  160. 1804»-  2269. 

Kopf  mit  Ente  darauf  sitzend, 
Attache  1472«- 

Kopf  mit  Kopfflügeln,  Attache 
14721»- 

Kopf  mit  phrygischer  Mütze,  etrus- 
cischer Spiegel  162. 

Kopf,    von   Schlangen   umringelt, 

Henkel  597. 

Krieger,  Deckel  eines  Gerathes 
1490  mm. 

Krieger,  etruscischer  Candelaber 
699. 

Krieger,  etruscische  Bronce  2196— 
!     2207. 

I  Krieger,  römische  Bronce  2129. 
!     2230. 

'  Krieger,  gehamischt,  etruscischer 
i     Spiegel  167. 

Krieger  mit  dem  Oelkranz.    Auf 
i     einem  römischen  Gewicht  926. 
I  Krieger,  nackt,  Fuss  einer  Cista 
I     547  t^b- 

Krieger,    schwer  gerüstet,  etrus- 
cische Bronce  2164. 
;  Krüppel,  Broncefigur  2142—2143. 
■  Kuhfuss,  Geräthfuss  1519. 
;  Kuhfuss,  Zirkel  1208  b. 

Laren,  Bronce  2011—2020. 

Leier,  Griff  eines  Stempels  1221  «- 

Liber  und  Libera,  Bronce  1962. 

Lictoren,  römische  Bronce  2128  •• 

Liebesscene,  etruscischer  Candela- 
ber 697. 

Liebesscene,  etruscischer  Spiegel 
162.  152  a.  159. 

Liebesscene  zwischen  Göttern,  etr. 
Spiegel  151. 

Liegende  Figur  (Bronce)  2133. 

Lotosblumen,  Verzierung  von  Tel- 
lern 1610—1613. 

Löwe  2334—2343. 

Löwe,  Dreifuss  767. 


AlphBbeliBches  Rrglsier, 


Uwe,  Griff  1656. 

LBwe,  PfannR  bW- 

Löwe,  Ring  453. 

Löwe,  Verzierung  1552 1  'O- 

Löwe,VerzierungeinerLampe2450. 

Löwenkopt  Attache  1472''-  i- 

Löwenkopt  AuaguM  1538. 

Löwenkop^  Besäüag  1552=-  *■  ''■ 

Läwenkopn  Dolchgriff  1490. 

Löwenkop^  Henkel  1393.  139a*- 
1404.  1406. 

IiOwenkopf,  Kanne  600. 

Löwenkopf,  Pfannengriff  1477. 

Löwenkopf,  Siegel  579='> 

Löwenkopf,  Weinkanne  665—667. 

Löwenkopf  von  Widdertöpfen  um- 
geben, etrueciEche  Eanne  601. 

Luna,  BroaceSgur  1990. 

Luna,  BOste  15581'-  lo. 

Lustigmacher,  etntBcischer  Can- 
delaber  715'>- 

Müiichen,  BOste  1568'-<>-^-  15Ö8«-2. 
Mä<lrbeu,  gefälschte  Fignr  2470. 
Mädchen,  römische  Bronce  2215. 
Mann,  auf  einem  Pferdekopf  sitzend, 

Lampe  2459. 
Mann,  mit  Toga  bekleidet,  römische 

Bconce  2S16. 
Männliche  Büste  1 558'- »' i*)- 1 558E.  I . 
.MäiinlicheFigur,etruBciEchePfanue 

584  ä. 
Männliche      Figur,       etruscische 

Bronce  2156.  2157.  2159.  2170. 

2252.  2253»— 2255. 2258. 2260— 

2262*- 
Männliche  Figur,  römische  Bronce 

2223—2225. 
Männliche  Fignr,  Griff  1440. 1490i>-S- 
Männliche  Figur,  geflügelt,  etruB- 

Cische  BrOBce  2171.  2172. 
Männliche  Herme,  römischer  Styl 

2238. 
Männlicher  Kopf,   römisches   Qe- 

wicht  927. 
Mare,  Bronce  1924— 1927«- 
-Mars,  Büste  iSöB''-«-»-*-  lööet.a- 
Mars  nnd  Venus,  etruscischer  Can- 

(lelaber  696. 
3>IarGyas  und  Minerva,  etruscischer 

Spiegel  46. 
Maeke,  Attache  14T2t.w.  7. 


Maske,  bacchiscb  1558°- '. 

Maske,  Blei  1822  ■- 

Maske,  jugendlich  1472'-  1558?' 

n.  y.  1.  ..  2. 

Maske,  komisch   727.   748.  1436. 

1558"-  3-=-  •■ 
Maske,   männlich    15Ö8i.    2462— 

2484  !>■ 
Maske     mit    phiygischer    Mütze 

U-Ö8». 
Maske  eines  Negers  1558*-  3. 
Maske,  tragisch  1418.  I558'i-5-i!-*- 

2479. 
Maske    >  nngewiaser     Bedentong 

155811-1-  1840. 
Maske,    weiblich    1472'-    1558»- 

Maske  auf  einem  Zirkel  1208^ 
Maas  2399—2403.  2494. 
Meduse,  Dreifuss  767. 
Meduse,  Gerätbluss  151S. 
Meduse,  Verzierung  1553''- »'i"- 5. 
Meduse,  Weinsieb  651. 
Medusenkopf,  Bronce  1832^ 
'  Medusenkopf ,     moderne    Bronce 
I     2466  •■ 

I  Medusenköpfe,  Helm  lOlO. 
Medusenköpfe,  Lampe  2453. 
Medusemnaske   1415,   1434,  1470. 

1558i>-K.   1633.  1772"- 
'  Meleager,  auf  einer  Cista  540. 
Meleager  und  Oeaeus,  etruscischer 

Spiegel  144. 
Melpomene  (?),  Henkel  1413. 
Memnon    und    Eos,    etruscischer 

Spiegel  38. 
MenelaoB  (?)  mit  Helena  und  den 

Dioskoreo,  etruscischer  Spiegel 

118. 
Merkur,  Broncefigur  1833.  J833«- 

1896-1923  "■ 
Merkur,  Kai^el  670. 
Merkur  mit  Flügelhut,  etruEciecher 

Candelaber  706. 
Merkur  mit  Ferseus,  etruscischer 

Spiegel  141. 
Minerva,  auf  die  Lanze  geatQtzt 

1790. 
Minerva,  Bronce  1876—1889. 
Minerva,  et  ruscische  Bronce  2176— 

2179. 
Minerva,  Büste  1558^'  2-s. 


518 


Alphabetisches  Register. 


Minerva,  Büste  (gefälschte)  2471. 
Minerva  (?),  geflügelt  mit  Speer, 

etruscisdier  Spiegel  50. 
Minerva.  Kampfgöttin,  etruscischer 

Spiegel  39—45. 
Minerva,    Kindespflegerin,    etrus- 
cischer Spiegel  47. 
Minerva  mit  andern  Figuren,  etr. 

Spiegel  48-49. 
Miner\'a  mit  Herkules,  etruscischer 

Spiegel  136—138. 
Minerva  mit  Marsyas,  etruscischer 

Spiegel  46. 
Minerva  mit  Perseus,  etruscischer 

Spiegel  75. 
Minerva  mit  Venus  und  den  Dios- 

kuren ,      etruscischer     Spiegel 

107—113. 
Minerva's    Geburt ,     etruscischer 

Spiegel  38. 
Minervenkopf,  Broncerclief  1823. 
Minerveukopf,  griechischer  Stem- 
pel 1221  w. 
Mohrenkopf,  Lampe  749. 
Mondsichel,  Gewichtstj-pus  912. 
Mondsichel,  Lampe  726.  735. 
Mondsichel,  Stempel  1221  d. 
Mundschenk,  griech.  Bronce  2122 — 

2124. 
Muscheln,  phallische  Amulete  1385. 

1385»  ^-  e. 
Musen,  Hautrelief  1996. 
Musen,  Relief  auf  einem  Krug  1628. 

Narzissus,  Bronce  1847. 
Negerkopf,  römisches  Gewicht  928»- 
Neptun,  Bronce  2469. 
Nero  (?),  Feldzeichen  2500. 

Ochsenkopf,  auf  einem  Gürtel  1056. 

Odysseus  im  Palladienraub,  griech. 
Spiegel  5. 

Oeneus  und  Meleager,  etr.  Spiegel 
144. 

Opfernde,  griechische  Bronce  2083 
—2099. 

Orcst  mit  Elektra,  etruscischer  Spie- 
gel 149. 

Orest  mit  Iphieenic  und  Pylades 
etruscischer  Spiegel  147. 

Orest  mit  Klytämnestra,  etrus- 
cischer Spiegel  31.  148. 


Orpheus,  griechische  Bronce  2882. 
Otter  2413. 

Pan,  Bronce  1967—1968. 

Pan,  modern  2476. 

Pan  mit  Bacchantin,  griechischer 

Stempel  2. 
Pan  mit  Syrinx,  Henkel  1442  *>' 
Panskopf,  Dolchgriff  1487. 
Pansms^e,  Attache  1472  «i- 
Panther  2331—2333.  2487. 
Panther,  Griff  14901- 
Panther,    Verzierung    1552  ?  ^-^■ 

hl-2. 

Pantherkopf,  Ausguss  1540. 
Pantherkopf;  Beil  1208^- 
!  Pantherkopf,  Geräthfuss  1518  »• 
Pantherkopf,  Henkel  1469. 
PanthermasKC,   etruscische   Grab- 

rerzierung  1312. 
Paris    mit    Hermes,    etruscischer 

Spiegel  122. 
Parisbüste  (?)  155Si5- 
Parisurtheil,  Cista  542. 
Parisurtheil,  etruscischer  Spiegel 

123-128. 
Pegasus,  Verzierung  2302. 
Pelikan  Schnabel    (?)     ägyptischer 

Weihwasserkessel  1324. 
Penthesilea  und  Achill,  etruscischer 

Spiegel  30. 
Perlhuhn  2316i>. 

Perseus  mit  Merkur,  Dreifuss  767. 
Perseus^  mit  Merkur,  etruscischer 

Spiegel  141. 
Perseus  mit  Minerva,  etruscischer 

Spiegel  140. 
Pferd    2384-2388.    2389-2390»- 

2466  !>•  2491.  2492. 
Pferd,    geflügeltes,     etruscischer 

Spiegel  164. 
Pferd,  grasendes,  Fibel  360.  368. 

368  a. 
Pferd,  Stempelgriff  1221  vr. 
Pferdehuf  2286. 
Pferdehuf,  Geräthfuss  1498. 
Pferdekopf,  Lampe  723. 
Pferdekopf,  Trinkhorn  2423. 
Pflanzen  und  Fische,  etruscischer 

Spiegel  163. 
Phallus,  Amulet  1340 -1384.  1664. 

1664». 


Alphabetisches  Register. 


519 


Phallus,  Henkel  1433. 

Phrygischer  Sonnengott  (?),  Erz- 
relief 2008^. 

Pinienzapfen,  bei  einem  Votivarm 
1334. 

Pinienzapfen,  Verzierung  1557  »• 

Pollux  und  Amykos,  auf  einer  Cista 
541. 

Portraits,  römische  2149—2152. 

Priapische  Figuren  2208—2212. 

Priapischer  Kopf,  Amulet  1385  c- 

Priapischer  Kopf,  Gefäss  2460. 

Priapischer  Kopf,  Henkel  1485. 
1486. 

Priapus,  Broncefigur  1970—1972^- 

Priapus  mit  hohem  Kopfputz  2477. 

Priesterin,  griechische  Bronce  2100 
2112. 

Prometheus  mit  Herkules,  etrus- 
cischer  Spiegel  134. 

Pygmäen,  Bronce  2141.  2141  »• 

Pylades  mit  Orest  und  Iphigenie, 
etruscischer  Spiegel  147. 

Rabe  2310»- 

Rchkopf,  Gürtel  1026—1029. 1035. 

1037.   1038. 
Rehkopf,  Henkel  eines  Weinsiebes 

661. 
Relikopf,  Verzierung  1552^2. 
Rehkopf,  Trinkhorn  2424. 
Reiter,  Fibel  363.  364. 
Reliefverzierungen      auf      einem 

Dolche  1155. 
Ringkampf,    etruscischer    Spiegel 

150. 
Ringkampf,  Verzierung  1552?  4- 
Rossebändiger,   etruscischer  Can- 

delaber  705. 
Ruder  mit  Delphin  2285  c- 


Satyr,  Bronce  1834.  1965— 1965  »• 
Satyr,  etruscischer  Candelaber  701. 
Satyr,  etruscischer  Spiegel  59. 
Satyr,  Henkel  1437.  1438. 
Satyr  mit  Bacchantinnen,   etrus- 
cischer Spiegel  66—68. 
Satyr  mit  Doppelflöte  2473. 
Satyr  mit  einer  Traube  1837. 
Satyrbüstc  1558«  »• 
Satyrbüste,  Geräthfuss  1517. 


Satyrmaske  1417. 15521- 1558^2.  g6 

1838.  2445. 
Satyrscenen,  Amphora  674»- 
Sau  2392. 
Schafbock  2378. 
Schakal  2344. 

Schauspieler,     komischer,     grie- 
chische Broncefigur  2126. 
Schienbein,  Stempel  12211»- 
Schildkröte  910. 911. 1339°.  2405— 

2495. 
Schlange  l490Wi-  1601.  2407. 
Schlange  und  Storch,  etruscischer 

Spiegel  163»- 
Schlangen,  Henkel  598. 1401. 1402. 
Schlangen,  Ringe  445.  ^46. 
Schlangenkopf  2408. 
Schlangenkopf,etruscischerFleisch- 

haken  1678.  1681. 
Schlangenkopf,  Fragment  1552«  2. 
Schlangenkopf,  Ringgewinde  1754^- 
Schwalbenschwanz, bleierner  Dübel 

1208  g- 
Schwan,  Verzierung  1552?  2. 
Schwanenhals,  Verzierung  2317i>- 
Schwanenköpie,  Griif  1473. 
Schwanenköpfe,  Henkel  1443. 1447. 

1448. 
Schwanenköpfe,  Schöpflöffel   636. 

637.  639—642.  644-647.  648<5- 
Schwanenköpfe,   Weinsieb    651 — 

654.  657—659. 
Schwein,  Gewicht  2486. 
Scylla,  Relief  1552^6. 
Seecentauren  und  Tritone,  Wein- 
krug 677»- 
Seepanther  2489. 
Seepferd  2391. 
Seepferd,  Ring  455. 
Selene,  Broncefigur  1845. 
Selene  (?),  Henkel  1472«- 
Semelespiegel,  etruscisch  36. 
Serapis,  Ring  458.  • 
Sieger  mit  Palmzweig,  Verzierung 

1552  g  4. 
Silen  am  Brunnen,    etruscischer 

Spiegel  69. 
Silen,  Broncefigur  1963. 1964. 1966. 
Silen  ein  Gefäss  bildend  2474. 
Silen,  etruscischer  Candelaber715ö- 
Silen,    in    die    Feme    schauend, 

Bronce  1824. 


520 


Alphabetisches  Register. 


Silen  mit  Bacchantin,  etruscischer 

Spiegel  63. 
Silen  mit  Pferdehufen,  etruscischer 

Candelaber  715^- 
Silen,  nackt  2475. 
Silen,  Verzierung  1552^- *• 
Silensbüste  1558«- ». 
Silensbüste,  Attache  1472p«. 
Silenskopf  1558  g.  7-9. 
Siienskopf,      Geräthfuss     1498  »• 

1490P- «. 
Silenskopf,  Hautrelief  1836. 
Silenskopf,  Henkel  1472  d. 
Silensköpfe,  Henkel  1389. 
Silensköpfe,  Weinkrug  674 1- 
Silensmaske  1558»- lO- ^- 13- 
Silensmaske,  Attache  1472  <>•  ß- 
Silensmaske,  Eimerhenkel  1448. 
Silensmaske,  etruscische  Spiegel  26. 
Silensmaske,  Grefässausguss   1537. 
Silensmaske,  Weinkrug  678 
Silene,  etruscischer  Helm  1017. 
Silene,  etruscischer  Spiegel  60. 
Silene,  Thymiaterion  688. 
Silene,  liegende,  Randverzierung 

1490  P- 9. 
Sirene  2287.  2288. 
Sirene,  doppelleibige ,  Fuss  einer 

Cista  547b. 
Sirene,  etruscischer  Spiegel  16.' 
Sirene,   Henkel   663.    668.   1409. 

1429.  1435. 
Skiron  mit  der  Schildkröte,  Henkel 

1439.  1439». 
Sphinx  2289—2295. 
Sphinxe,  Attache  1505. 
Sphinxe,  einen  Dreifuss  stützend 

2437. 
Sphinxe,  Gewichtstypus  913. 
Sphinxe,  Relief  auf  einem  Henkel 

1423. 
Sphinxe,  Schöpflöffel  634.  635. 
Sphiuxartige  Figur,  Bronceplatte 

1552  h.  *• 
Stamm,  Kandelaber  2438—2440. 
Stern,  Bleischeibe  1552  »•  8- 
Stier  23Ö0— 2377.  2495  »• 
Stier,  Broncefigur  1822. 
Stierkopfy  Bogenspanner  1664»- 
Stierkopf,  Lampe  732». 
Stierkopf,  Verzierung  1552^-  lO. 
Stiermaske  1558a.i- 


Stiersch&del,  Amulet  1337—1339. 
Storch  und  Schlange,  etruscischer 
Spiegel  163». 

Tänzer,  griechische  Bronce  2120— 

2121. 
Tänzer  mit  Castagnetten ,  Schöpf 

löffel  635. 
Tänzer^  Thymiaterion  693.  694. 
Tänzermnen,  etruscischer  Spiegel 

17—19. 
Tänzerinnen,    Thymiaterion    692. 

693»* 
Taube  2318—2320»- 
Tauben,  Fibeln  366—367. 
Tauben,  Thymiaterion  691. 
Telephus,  etruscischer  Spiegel  35. 
Thiere,   unbestimmbare  2^8»-«- 

2403»- b. 
Thierfigur  auf  einem  langen  Stift 

17790. 
Thierfiguren,    vom    Deckel  einer 

Cista  547  c 
Thiergruppen,  etruscische  Reliefs 

2174—2175. 
Tiberius  (?),  Portrait  2149. 
Tiger  2329. 

Tigerkopf;  Henkel  1410. 
Tigerköpfe,  Brunnenausguss  1534. 
Tigerköpfe,  Verzierung  1552 e- lo. 
Tithonos   und    Eos,    etruscischer 

Spiegel  70. 
Tritönen  und  Seecentauren,  Wein- 
krug 677  a. 
Tritonin  1490o- 
Tyro  und  ihre  Söhne,  etruscischer 

Spiegel  142-143. 

Uranusschlange,  einen  Greifen  an- 
greifend 2298.  2299. 

üranusschlange,  etruscischer  Ge- 
fässgriff  1442»». 

Venus,  Bleifigur  1797. 
Venus,  etruscischer  Candelaber  707. 
Venus,  etruscische  Bronce  2155. 
Venus,  griechische  Bronce  1928. 
Venus,  ihr  Haar  trocknend,  Bronce 

1842. 
Venus  mit  Amor,  Broncemedaillon 

476  d. 


Alphabetisches  Register. 


621 


Yenus   mit  Adonis,   etruscischer 

Spiegel  52.  63. 
Venus    mit    bittender    Geberde, 

Bronce  1842^-  c. 
Venus  mitdem  Apfel,  Bronce  1842  »• 
Venus  mit  derSandale,  Broncel843. 
Venus  (?)  mit  Helena  und    den 

Dioskuren,  etruscischer  Spiegel 

117. 
Venus^  mit  Mars,  etruscischer  Can- 

delaber  696. 
Venus,  sich  die  Sandale  lösend, 

Bronce  1841. 
Venus  (?),  Spiegelstütze,  etruscisch 

13. 
Venus,  Spiegelstütze,  griechisch 

9—11.^ 
Venuskopf  1562  a. 
Venuskopf,  griechischer  Spiegel  1. 
Venuskopf  (?),  römisches  Gewicht 

923»- 
Victoria,  Abguss  2467. 
Victoria,  Bleifigur  1798—1799. 
Victoria,  Broncefigur  1991—1995. 
Victoria  (?),  Gerathfuss  1517^- 
Victoria,  Kapsel  569. 
Victoria  mit  Herkules,  etruscischer 

Spiegel  139. 
Victoria  mit  Tigergespann,  Wein- 
krug 677. 
Vogel  2322  Ä- ^• 
Vogel  auf  einem  Ring  451. 
Vogel,  dreiköpfiger,  auf  einem  Ring 

463  a- 


Vogel,  Verzierung  1552 ?•  8. 
Vogelklaue,  Gerathfuss  1522. 
Vulkan,  Broncefigur  1874. 

Waffen,  auf  eiijem  Köcher  1330. 
Wagenlenker,  Bleimarke  1809  »• 
Wagenlenker,  Ring  464 »• 
Wagenlenker,  römischer  1792  d. 
Widder  2379—2383. 
Widder,  Henkel  1406. 
Widderkopf,  Attache  1472 1-  -*• 
Widderkopf,  Ausguss  1538  c. 
Widderkopf,  Gewicht  929. 
Widderkopf,  Griff  1475.  1482. 
Widderkopf,  Gürtel  1041.  1042. 
Widderkopf,  Verzierung  1552  «•  8. 9, 
Wolfskopf,  römisches  Gewicht  930. 

Zebustier  2377  »• 
Ziege  2393—2396. 
Ziegenböcke,    auf  Gürteln  1041. 

1042. 
Zweig,  Stempelring  1221c. 
Zwerg  2141,  2144—2146. 

Knabe*),  betender,  pag.  377. 
Knabe  von  Xanten,  pag.  379. 
Minervenkopf,  Broncefigur,  pag. 

380. 
Victoria,  vergoldete  Broncefigur, 

pag.  379. 


*)  Die  folgenden  Figuren  konnten,  da  sie  einer  andern  Abtheilnng  des  Mosenms 
angehören,  nicht  nnmerirt  werden;  sie  sind  nach  der  Seitenzahl  angeführt. 


Drack  von  Bär  &  Uormann  in  Leipzig 


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