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Full text of "Biblische Theologie des alten Testaments"

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Biblische Theologie 
des Alten Testaments. 



Von 



D. Emil Kautzsch, 

f Professor der Theologie zu Halle a. S. 



Aus dem Nachlaß des Verfassers herausgegeben 



von 



Dr. Karl Kautzsch, 

Pastor an der ev. reformierten Gemeinde zu Dresden. 




Tübingen 

Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 

1911. 



Alle Rechte vorbehalten. 



Copyright 1911 by J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen. 



Druok von H. Laupp jr in Tübingen. 



/SS7/ 7 t 



Vorwort des Herausgebers. 

Ueber die Veröffentlichung posthumer Werke hat sich mein 
seliger Vater, wie seinen Hörern bekannt sein dürfte, mit guten 
Gründen gelegentlich mißbilligend ausgesprochen. Ich dürfte 
es darum nicht wagen, dieses Werk der Oeffentlichkeit zu über- 
geben, wenn mich nicht außer der Tatsache, daß es im Eng- 
lischen bereits gedruckt vorliegt, verschiedene schriftliche und 
mündliche Aeußerungen meines Vaters dazu ermächtigten. Auf 
dem Umschlag des Manuskriptes fand sich von seiner Hand die 
Notiz, daß dies Werk nach Einfügung der neueren Literatur 
als „Biblische Theologie des A. T. u gedruckt werden dürfe. Und 
noch wenige Tage vor seinem Tode (7. Mai 1910) hat er von 
diesem Werke gesprochen und die Hoffnung geäußert, daß er 
nun bald an die Durcharbeitung für den deutschen Druck, die 
ihn einige Jahre beschäftigen dürfte, werde gehen können. Es 
war ihm nicht mehr vergönnt, diese Absicht auszuführen. .Wenn 
ich es nun wagte, hier in die Lücke zu treten, so wollte ich es 
von vornherein tun mit der Zurückhaltung, die Schülerhänden 
gegenüber dem Werk des Meisters geboten ist. Ich tat es aber 
auch mit dem Gefühl treuer Erinnerung und unauslöschlicher 
Dankbarkeit gegen den Verfasser — einem Gefühl, das ich schon 
als sein Schüler an dieser Stelle nicht verschweigen darf. — ' 

Die deutsche Niederschrift des vorliegenden Werkes wurde 
am 24. März 1904 in Haifa vollendet; der Rest war von meinem 
Vater auf seiner zweiten Palästinareise, die besonders dem Teil 
elMutesellim galt, niedergeschrieben worden. Das Werk wurde 
damals gleich ins Englische übersetzt und ist als Artikel „Reli- 

III 



y 



WÖ05450 



IV Vorwort des Herausgebers. 

gion of Israel 4 * im „ Dictionary of the Bible" gedruckt, dessen 
Herausgeber, die Herren Dr. James Hastings und Rev. Selbes, 
sich mit der Veröffentlichung des deutschen Textes freundlich 
einverstanden erklärt haben. 

Für die vorliegende Arbeit erhob sich nun als wichtigste 
Frage die, in welchem Umfang etwa Aenderungen und umge- 
staltende Eingriffe in den Bestand des Textes berechtigt und 
wünschenswert erscheinen könnten. Es war nicht nur die Rück- 
sicht auf die bereits vorhandenen neueren Darstellungen der alt- 
testamentlichen Theologie (Stade 1905, Marti 6 1907), die mich 
veranlaßte, von einer tiefer greifenden Umgestaltung des vor- 
liegenden Textes — die ich mir selbst natürlich auch nicht hätte 
zutrauen dürfen — abzusehen und das Werk im ganzen unver- 
ändert selbst herauszugeben. Tiefere Eingriffe, wie sie viel- 
leicht manchem Fachmanne ^wünschenswert erschienen wären, 
hätten zu leicht den persönlichen Charakter des Werkes ge- 
fährdet. Aber nicht was andere über die behandelten Fragen 
dächten, sondern wie sich dem Verfasser selbst auf der Höhe 
seiner wissenschaftlichen Arbeit die Religion des Alten Testa- 
ments darstellte — dies getreu festzuhalten, schien mir doch 
trotz etwa entgegenstehender Bedenken vor allem wünschens- 
wert, und ich hoffe damit, namentlich auch mit Rücksicht auf 
die große Schar alter Schüler des verewigten Verfassers, das 
Richtige getroffen zu haben. Meine Eingriffe in den Text be- 
schränken sich darum in der Hauptsache auf kleine Glättungen 
des Wortlauts und der Interpunktion, sowie auf Streichung ein- 
zelner Wörter und Sätze — alles Dinge, die ich wegen ihrer 
Geringfügigkeit im Drucke nicht besonders hervorheben zu 
müssen glaubte. Zu lange Satzperioden sind beseitigt, gewisse 
Fremdwörter verdeutscht, die Inhaltsangaben durchweg nach- 
geprüft und (bes. bei Kap. V und VI) neu gestaltet. Etwaige 
Abweichungen von der ursprünglichen Niederschrift lassen sich 
an der Hand des englischen Textes verfolgen, den ich übrigens 
bei der vorliegenden Arbeit nicht näher berücksichtigt habe. 

Daß das Werk auch in dieser Gestalt der studierenden 
Jugend noch auf lange Zeit ein zuverlässiger Führer durch das 
A. T. sein werde, darf wohl bei seiner durchgehenden sorgfäl- 
tigen Berücksichtigung und Verwertung des literarischen Tat- 
bestandes im A. T. mit Fug und Recht gehofft werden. Seine 
strenge Beschränkung auf das Gebiet der alttestamentlichen 



Vorwort des Herausgebers. 



Religion wird denen willkommen sein, die von der Beschäftigung 
mit dem A. T. nicht nur eine Mehrung des geschichtlichen Wis- 
sens, sondern auch eine Einführung in die Besonderheit eben 
dieser Art religiösen Lebens erhoffen. Und seine Zurückhaltung 
gegenüber den allerneuesten Lieblingsgedanken babel freudiger 
Spezialisten — bei aller Anerkennung gesicherter Ergebnisse 
auf diesem Gebiet, vgl. S. 176. 184 f. 329. 350! — wird ihm von 
Einsichtigen kaum als Fehler angerechnet werden. 

Besonderer Erwähnung bedürfen noch die Literaturan- 
gaben. Die Ergänzungen greifen in der Regel nicht vor das 
Jahr 1903 zurück; was der Verfasser selbst nicht zu erwähnen 
für nötig fand, glaubte ich nicht einfügen zu müssen. Dagegen 
sind die Erscheinungen seit 1903, wie ich glaube, mit einiger für 
diesen Zweck wünschenswerten Vollständigkeit gebucht; nur 
schien eine Beschränkung auf deutsche Werke (von wichtigen 
Ausnahmen abgesehen) geboten, um das Buch nicht zu sehr mit 
Büchertiteln zu belasten. Was nun unter der Ueberschrift 
„Zur Literatur 4 * den einzelnen Paragraphen vorange- 
stellt ist, rührt durchweg vom Herausgeber her; was im 
Text oder in Fußnoten zitiert ist, stammt aus der eigen- 
händigen Niederschrift des Verfassers. 

Für die gütige Nachprüfung und Ergänzung der Angaben 
zur „Allgemeinen Literatur" (an der Spitze des Werkes) bin 
ich Herrn Professor D. Rothstein in Breslau zu herzlichstem 
Dank verpflichtet; für wertvolle Auskünfte und Gutachten des- 
gleichen den Herren Professoren D. GuTHE-Leipzig und Lic. Dr. 
H. Holzinger- Stuttgart. — Wärmster Dank für treue Mit- 
arbeit gebührt endlich Herrn stud. theol. A. Paret in Witten- 
dorf (Württemberg), einerseits für die durchgehende Nachprü- 
fung der in dem Werk enthaltenen Bibelzitate, andrerseits für 
die einheitliche Gestaltung des Umschriftsystems für die zu tran- 
skribierenden hebräischen Wörter. Ueber die dabei befolgten 
Grundsätze wird sich Herr Paret hierunter selbst äußern. Es 
sei noch bemerkt, daß von der Anwendung dieses Umschrift- 
systems in dem vom Herausgeber zusammengestellten Sach- 
register am Schluß des Werkes nur der leichteren Uebersicht- 
lichkeit wegen abgesehen worden ist. — 

Zum Schlüsse wird man dem Herausgeber einen persön- 
lichen Wunsch nicht verargen. Er geht dahin, daß das vor- 
liegende Werk, abgesehen von seinen wissenschaftlichen Zwecken, 



VI Vorwort des Herausgebers. 

auch die Wirkung haben möchte, daß das Bild des verewigten 
Verfassers im Herzen manches seiner Hörer dadurch lebendig 
bleibe, so, wie er in der Zeit seiner Kraft unter uns gelehrt hat: 
als ein Meister der Schrift, und doch als ihr frommer Bewun- 
derer ! 

Dresden, im September 1911. 

Dr. Karl Kautzsch. 



VII 





Umschriftsystem *). 




I)K 


onsonanten. 


K 


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a d m 


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9, a 9 
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z (spr. stimmhaftes f) 
Ä (spr. hartes ä)) 
t 

• 

j; Dach von aw, e, ^, $ 




P 2 ( 8 P r * hartes f) 

i r 

tf £ (spr. fd)) 

fr S 


3 


Z 




f\ t, r\( 



Anm. 1) Der „Aspirationsstrich" weist (ähnlich wie das he- 
bräische Raphe in vielen Handschriften) auf weiche (aspirierte) Aus- 
sprache der mit ihm versehenen Zeichen b g d & p t hin, die durch 
Nichtsetzung des Dagesch lene in den entsprechenden hebräischen Ra- 
dikalen bedingt ist. In unvokalisiertem Text stehen keine Aspirations- 
striche. 



* Dem vorliegenden Umschriftsystem, dessen Gültigkeit sich auf alle 
in lateinischer Schrägschrift wiedergegebenen hebräischen Wörter er- 
streckt, soweit diese nicht Zitate aus anderen Werken sind, liegen die 
in E. Kaützsch, Die Heil. Schrift des Alt. Test. 8 verwendeten Zeichen 
zugrunde. Doch erschienen manche Verbesserungen angebracht : haupt- 
sächlich wurden mehrere dort noch geduldete Zweideutigkeiten beseitigt. 
Durch parallele Gestaltung der Umschriftzeichen für parallele hebräische 
Laute sollte möglichst große Einfachheit und Bestimmtheit des Systems 
erreicht werden. 

Obwohl die Umschrift im Grunde eine lautliche ist, mußte doch 
einigen Zeichen, die sonst hätten mißverstanden werden können, ein 
kurzer Hinweis auf die Aussprache beigefügt werden. Vgl. auch die 
Anm. 1 zu den Konsonanten und die Anmerkungen zu den Vokalen, 
soweit sie die Aussprache betreffen. 



vm 



Umschriftsystem. 



Anm. 2) Für Dagesch forte im hebräischen Radikal tritt Ver- 
doppelung des Umschriftzeichens ein. Die Zeichen für nß3*ua liaben 
dabei keine Aspirationsstriche. 

II) Vokale. 



A 


■P äw 

T 


ä 

T 


a 


A 1 
1 


^.Sere 

E 

Segol 


i s 

— 


— 




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1 


1 d 

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v: 


I 


' i 


1 

• 


• 







1 6 


• ö 




T 


o 
r: 


U 


* •* 

1 u 


U 





Anmerkungen: Die Vokale sind in den wagrechten Reihen der 
Tabelle der Quantität nach in fallender Linie aufgezeichnet. Die 
Tonfarbe ist bei jeder Länge die des Grundvokals ; Schwa mobile 
(e) hat als solchen (ebenso wie die Sere-Laute) ein einfaches e. Schwa 
quiescens wird nicht bezeichnet. Pathach furtivum = ein- 
faches a vor dem Gutturalzeichen. 

III) Betreffend die Umschrift weiterer hebräischer Zeichen 
als der bereits aufgeführten ist für das vorliegende Werk nur 
noch die Wiedergabe des Maqqeph durch lateinischen Binde- 
strich zu erwähnen. 

Alfred Paret. 



IX 



Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

I. Kapitel. 
Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. 

Einleitendes 1 

§ 1. Die Vorstellungen von der Gottheit 5 

§ 2. Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche . . 20 

§ 3. Die sittlichen Zustände 38 

IL Kapitel. 

Die Stiftung der Religion Israels (des Jahwismus) durch Mose 

am Sinai. 

Einleitendes 39 

§ 4. Die Person Moses als des Stifters der Jahwereligion . . 40 
§ 5. Jahwe als der Gott Israels, von Mose verkündigt. Seine 

Gegenwart in der heiligen Lade 43 

§ 6. Das eigentliche Wesen des Jahwismus als der Religion Is- 
raels. Der „Bund" am Sinai 57 

§ 7. Die Ausprägung des Jahwismus in äußeren Ordnungen zur 

Zeit Moses. Der Dekalog 66 

III. Kapitel. 

Die Religion Israels in Kanaan vor der Zeit der Schriftpropheten. 

§ 8. Die Quellen 73 

§ 9. Der Gottesbegriff • . . . 74 

§ 10. Synkretismus zwischen Jahwe und dem kanaanitischen Baal. 
Die Ueberwindung des Baal durch die endgültige Lokalisie- 
rung Jahwes in Kanaan und durch seine Auffassung als 

Himmelsgott 104 

§ 11. Die Organe des genuinen Jahwismus: Priester, Propheten, 

Nasiräer und Rechabiten; „Richter" und Könige .... 114 

§ 12. Kultus und Sitte 154 

§ 13. Anthropologisches und Weltanschauung 168 

IV. Kapitel. 

Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. 

§ 14. Die Quellen 188 

§ 15. Namen und Wesen der Schriftpropheten 191 

§ 16. Die Formen der göttlichen Offenbarung an die Propheten . 202 



Inhaltsverzeichnis. 



Seite 

§ 17. Die Formen der prophetischen Verkündigung 206 

§ 18. Der Inhalt der prophetischen Verkündigung: 

1. Der Gottesbegriff 212 

2. Das Verhältnis Jahwes zu Israel 230 

3. Das Verhalten des Volks gegen Jahwe 246 

4. Die Stellung der Propheten zu der Verderbnis des Volkes 251 

5. Die sogenannte messianische Weissagung 261 

§ 19. Der äußere Ent wickelungsgang der Religion Israels im Zeit- 
raum der vorexilischen Prophetie 272 

V. Kapitel. 

Der Prophetismus seit dem Exil. 

§ 20. Hesekiel 284 

§ 21. Der sogenannte Deuterojesaja 297 

§ 22. Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie samt 
den Anfängen der Apokalyptik : 

1. Die Quellen 306 

2. Geschichtlicher Hintergrund 307 

3. Gottesbegriff und Ethik 309 

4. Der Kultus 311 

5. Die Zukunftserwartungen 312 

VI. Kapitel. 

Die Religion des Judentums. 

§ 23. Das Priestergesetz (P) 327 

1. Die Quellen 328 

2. Der Gottesbegriff 329 

3. Die Ordnungen der Theokratie 331 

a) Der heilige Raum 334 

b) Die heiligen Zeiten 337 

c) Das Geweihtsein aller Glieder des Volks. „ Heilige Per- 
sonen" im engeren Sinne (Priester und Leviten) . . 339 

d) Das Geweihtsein alles Besitzes. Die Opfer .... 342 

4. Die sittlichen Forderungen 350 

§ 24. Die religiöse Lyrik und Elegik. (Psalmen und Klagelieder) 353 

1. Der Gottesbegriff 356 

2. Anthropologisches außerhalb des spezifischen Jahwismus 359 

3. Stellung zur Theokratie und ihren Institutionen . . . 360 

4. Wesen der Frömmigkeit 362 

5. Die Sittlichkeit 364 

6. Zur Lehre von der Vergeltung 364 

7. Die messianischen Erwartungen 366 

§ 25. Die sogenannte Chochma-(Weisheits-)Literatur .... 369 

1. Die Sprüche 371 

2. Das Buch Hiob 375 

3. Der Prediger 380 

Namen- und Sachregister 385 

Stellenregister 399 

Autorenregister 410 



XI 



Allgemeine Literatur. 

(Vom Verfasser bis 1903 zusammengestellt.) 

Von den älteren Darstellungen der biblischen Theologie und israe- 
litischen Religionsgeschichte können wir umsomehr absehen, als sie fast 
insgesamt, wie allerdings auch noch einige der unten aufgeführten neueren 
Darstellungen, auf unhaltbaren kritischen Voraussetzungen beruhen. Die 
ehedem herrschende Annahme, daß die Anfänge der Religion Israels 
und ihrer Kodifizierung im PC zu suchen seien, ergab ein so gänzlich 
falsches Bild von der Entwickelung dieser Religion, daß aus solchen 
Darstellungen höchstens noch die neutralen Erörterungen (für die 
die allmähliche Entwickelung nicht in Frage kommt) von Wert 
sein können. Den Grund zu richtigen Erkenntnissen legte EReuss 1833 
(in Thesen für seine Zuhörer, sowie 1850 in dem Artikel „ Judentum" in 
der sogen. Halleschen Enzyklopädie von Ebsch und Gruber), und un- 
abhängig von ihm WVatke in „Die biblische Theologie wissenschaft- 
lich dargestellt". Bd. I: Die Religion des alten Testaments nach den ka- 
nonischen Büchern entwickelt. Berlin 1835. — Wir unterscheiden im 
folgenden : 

1. D ar Stellungen der allgemeinen Religionsge- 
schichte, in denen auch die Religion Israels behan- 
delt i 8 1 : CPTiele, Verglijkende Geschiedenis van den Godsdienst. 
2. Aufl. 1894. Französ. 1882. — Geschiedenis van den Godsdienst en de 
Oudheit, 2 Bde. 1896 ff. Deutsch : Gotha 1896—1903. — Inleiding tot de 
Godsdienstwetenshap. 2 Bde. Amsterdam 1897. 1999. Deutsch: Gotha 
1899. 1901. — Chantepie de la Saussaye, Lehrbuch der Religionsge- 
schichte. 2. Aufl. (in Verbindung mit Buckley, Lange, FrJEREMiAS, 
Valeton [dessen Darstellung der Religion Israels zu den besten Partieen 
des Werks gehört], Hoütsma, Lehmann). Freiburg i. B. 1897. 2 Bde. 
— CvonOßELLi, Allgemeine Religionsgescbichte. Bonn 1899; 2. Auflage 
im Erscheinen begriffen. 

2. Werke über semitische Religions ges chic hte, 
die die alttestamentlichen Parallelen berücksichti- 
gen. Vergl. S. 3, Anm. 1 ; außerdem : MJL ag bange, Etudes sur les 
religions semitiques. Paris, 2. Aufl. 1905. 

3. Biblische Theologie oder Religionsgeschichte 
d e 8 A. Test. AKuenen, De Godsdienst van Israel tot den ondergang 
van den Joodschen Staat. Haarlem 1869—70. 2 Bde.; englisch: London 
1874. 1875. 3 Bde. — HSchultz, Alttestamentliche Theologie. Braun- 



XTT Allgemeine Literatur. 



schweig 1869; 5. Aufl. Göttingen 1896. — GFOehleb, Theologie des A. 
Test., herausgeg. von HermOehler. Tübingen 1873—74. 2 Bde.; 3. Aufl. 
von TheodorOehler. Stuttgart 1891. — AKayser, Die Theologie des 
A.Test, in ihrer geschichtlichen Entwicklung, herausgeg. von EReuss. 
Straßb. 1886 ; seit der 3. Aufl. (1897) ganz umgearbeitet von KMajrti 
als * Geschichte der israelitischen Religion". 5. Aufl. 1907. — ChPiepen- 
bring, Theologie de l'ancien testament. Paris 1886 (auch für gebildete 
Laien). — WLAlexander, System of biblical Theologie. Edinb. 1888. 
2 Bde. — EdRiehm, Alttestamen tl. Theologie, herausgeg. von KPahncke. 
Halle 1889. — KSchlottmann, Kompendium der bibl. Theologie des 
A. und N. Test., herausgeg. von EKühn. Leipzig 1889. 2. Aufl. 1895. — 
RSmend, Lehrbuch der alttest. Religionsgeschichte. Freiburg u. Leipzig 
1893. 2. Aufl. 1899. — ADillmann, Handbuch der alttestam. Theologie, 
aus dem Nachlaß des Verfassers herausgeg. von RKittbl. Leipzig 1895. 
— WHBennett, The Theologie of the Old Testament. London 1896. — 
TKCheyne, Jewish religious life after the Exile. New York 1898 (deutsch, 
unter durchgängier Mitwirkung des Verfassers, von HStocks. Gießen 
1899.) — ADüpf, Old Test. Theologie or History of hebrew Religion 
London 1891. 2 Bde. — History and Ethiks of the Hebrews. London 
1902. — KBüdde, Religion of Israel to the Exile. New York 1899 (deut- 
sche Ausgabe: „Die Religion des Volkes Israels bis zur Verbannung". 
Gießen 1900; 2. Ausg. 1905. Wie letztere Uebersicht ist auch FGeese- 
brecht, Geschichte der Religion Israels. Königsberg 1903, für einen 
größeren Leserkreis berechnet. — ABDavidson, The Theologie of the 
Old Test, (posth., ed. Salmond.) Edinb. 1904. 

4. Größere Monographien: FBaethgen, Beiträge zur se- 
mitischen Religionsgeschichte. I. Der Gott Israels und die Götter der 
Heiden. Berlin 1888. — ESellin, Beiträge zur israelitischen und jüdi- 
schen Religionsgeschichte. I. Jahwes Verhältnis zum israelitischen Volk 
und Individuum nach altisraelitischer Vorstellung. Leipz. 1896. II. Israels 
Güter und Ideale. 1897. — JKöberle, Natur und Geist nach der Auf- 
fassung des A.T. Eine Untersuchung zur historischen Psychologie. Mün- 
chen 1901. 



Nachträge des Herausgebers. 

(Die nachfolgende Zusammenstellung umfaßt in drei Abschnitten 
die wichtigsten seit 1903 erschienenen einschlägigen Werke in chrono- 
logischer Folge, erhebt aber auf absolute Vollständigkeit namentlich 
hinsichtlich der Zeitschriftenartikel und der außerdeutschen Literatur 
keinen Anspruch.) 

1. Allgemeine Literatur. BStade, Biblische Theologie des 
A. Test. I. Bd. : Die Religion Israels und die Entstehung des Judentums. 
1. u. 2. Aufl. Tüb. 1905. IL Bd. von ABertholet, 1911. — RLOttlet, 
The Religion of Israel. 1905. — PHinneberg, Die Kultur der Gegen- 



Nachträge des Heraasgebers. XIII 

wart. I. Teil, 4. Abt. : Die christl. Religion mit Einschluß der israelitisch- 
jüdischen Religion. Von JWellhausen, AJülicher u. a. Leipzig 1905. 

— ESellin, Der Ertrag der Ausgrabungen auf den Trümmerfeldern des 
alten Orients, insbesondere Palästinas, für die Erkenntnis der Entwicke- 
lung der Religion Israels. Neue kirchl. Zeitschr. 1905, 2. S. 102 — 136. — 
EMetee, Die Israeliten und ihre Nachbarstämme. Mit Beiträgen von 
BLüthee. Halle 1906. — MLöhr, Alttestamen tl. Religionsgeschichte. 
Leipzig 1906. (Sammlung Göschen 292). — EKönig, Geschichte des 
Reiches Gottes bis auf Jesus Christus. (Grundrisse der Theologie II, 1.) 
Braunschweig und Leipzig 1908. — FGiesebrecht, Die Grundzüge der 
israelit. Religionsgeschichte. Aus Natur und Geistes weit 52. 2. Aufl. 
Leipzig 1908. — HGressmann, Die Ausgrabungen in Palästina und das 
A. T. (ReLgesch. Volksbücher III, 10 ) Tüb. 1908. — JBöhmeb, Der alt- 
testamentl. Unterbau des Reiches Gottes. 1902. — Der rel.geschichtl. Rah- 
men des Reiches Gottes. Leipzig 1909. — ALoisy, The Religion of Is- 
rael. London 1910. (Ital. : Piacenza 1910.) — PKabge, Die Resultate der 
neueren Ausgrabungen und Forschungen in Palästina. Bibl. Zeitfragen 
III, 8. 9. Münster i. W. 1910. — MLöhr, Israels Kulturentwickelung dar- 
gestellt. Straßburg 1911. — CFLehmann-Haupt, Israel. Seine Entwicke- 
lung im Rahmen der Weltgeschichte. Tübingen 1911. 

Man vergleiche ferner die bekannten Werke zur Geschichte 
Israels von Wellhausen, Stade, Kittel, Guthe, Oettli, Ben- 
zinger, sowie die Lehrbücher der hebr. Archäologie von Nowack 
und Benzinger. — Von einer vollständigen Aufzählung der durch den 
Babel-Bibel-Streit hervorgerufenen Literatur muß ihrer Fülle 
wegen hier Abstand genommen werden. Die wichtigsten Schriften findet 
man verzeichnet im Anhang zu FrDelitzschs erstem Vortrag (Babel 
und Bibel. 5. Ausgabe, 55. bis 60. Tausend. Leipzig, Hinrichs 1905). 
Vgl. auch die im vorliegenden Werk S. 184, Anm. 1 zitierten Werke 
von Zimmern und Günsel, sowie EKönig, Bibel und Babel, eine kul- 
turgeschichtl. Skizze. 10. Aufl. Berlin 1903. — JHehn, Sünde und Er- 
lösung nach biblischer und babylonischer Anschauung. Leipzig 1903. — 
FrHommel, Die altorientalischen Denkmäler und das A. T. 2. Aufl. Ber- 
lin 1903. — CBezold, Die babylonisch-assyrischen Keilinschriften und 
ihre Bedeutung für das A.T. Ein assyriologischer Beitrag zur Babel- 
Bibel-Frage. Tüb. u. Leipzig 1904. — JWRothstein, Beziehungen zwi- 
schen Israel und Babylon. Ztschr. f. ev. Rel. Unterricht 1905, 3. S. 195 
bis 211. — AJeremias, Das A.T. im Lichte des alten Orients. 2. Aufl. 
Leipzig 1906. — KMarti, Die Religion des A. T. unter den Religionen 
des vorderen Orients. Tübingen 1906. — BBäntsch, Altorientalischer 
und israelitischer Monotheismus. Ein Wort zur Revision der entwicke- 
ltrag8geschichtlichen Auffassung der israelit. Religionsgeschichte. Tüb. 
1906. — HWinckler, Der alte Orient und die Bibel. (Ex Oriente lux 
Bd. IL Heft 1.) Leipzig 1906. — Dersklbe, Religionsgeschichtlicher und 
geschichtlicher Orient. Eine Prüfung der Voraussetzungen der „ reli- 
gionsgeschichtlichen * Betrachtung des A. T. und der WELLHAUSENschen 
Schule. Leipzig 1906. — PJensen, Das Gilgameschepos in der Weltlite- 
ratur. Bd. I. Straßburg 1906. — EdStucken, Astralmythen. Leipzig 1907. 

— ESellin, Die al ttes tarne ntl. Religion im Rahmen der anderen alt- 



XIV Nachträge des Herausgebers. 

orientalischen. 1907. — RKittel, Die orientalischen Ausgrabungen und 
die ältere biblische Geschichte. 5. Aufl. Leipzig 1908. — HGressmann, 
Altorientalische Texte und Bilder zum A. T. Tübingen 1909. — EKönig, 
Babylonische Kultur und alttestamentliche Ideenwelt. I— VI. Neue kirchl. 
Zeitschr. 1909—1911. — FrKüchlbr, Die altorientalische Weltanschau- 
ung und ihr Ende. Theol. Rundschau XIV, 6. (Juni 1911), S. 287—247. 

2. Größere Monograpliieen : FPebles, Das Gebet im Judentum. 
Frankfurt 1904. — JKöberle, Sünde und Gnade im relig. Leben des 
Volkes Israel bis auf Christum. München 1905. — KFNösgen, Der 
heilige Geist, sein Wesen und die Art seines Wirkens. Teil I. Berlin 
1905. — Leeuwen, Bijbelsche Anthropologie. Utrecht 1906. — MLöhb, 
Sozialismus und Individualismus im AT. Ein Beitrag zur alttest. Rel.- 
Gesch. (Beiheft X zur ZatW.) Gießen 1906. — MLöhr, Die Stellung des 
Weibes zu Jahwe-Religion und -Kult. (Beitr. zur Wiss. vom A. T., her- 
ausg. von Kittel. 4. Heft.) Leipzig 1908. — FKüchler, Der Gedanke 
des Eifers Jahwes im A. T. ZatW. 1908, 1. S. 42—52. — MKegel, Das 
Gebet im A. T. Gütersloh 1908. — PTorge, Seelenglaube und Unsterb- 
lichkeitshoffnung im A. T. Leipzig 1909. — PVolz, Der Geist Gottes 
und die verwandten Erscheinungen im A. T. und im anschließenden 
Judentum. Tübingen 1910. — HSchneider, Kultur und Denken der 
Babylonier und Juden. Leipzig 1910. — KBudde, Auf dem Wege zum 
Monotheismus. Rektoratsrede. Marburg 1910. — WCaspari, Vorstellung 
und Wort „Friede" im A. T. Gütersloh 1910. (Beitr. zur Förderung Christi. 
Theologie XIV, 5.) — WMFlindersPetrie, Egypt and Israel. London 

1910. — EFehrle, Die kultische Keuschheit im Altertum. Rel.gesch. Ver- 
suche und Vorarbeiten, VI. Bd. Gießen 1910. — KKircher, Die sakrale 
Bedeutung des Weins im Altertum. Ebenda EX. Bd., 2. — JHecken- 
bach, De nuditate sacra sacrisque vinculis. Ebenda IX. Bd., 3. Gießen 

1911. — BDuhm, Das kommende Reich Gottes. Tübingen 1910. 

3. Nachträge zu den einzelnen Abschnitten : Zu § 1 (Vormo- 
saische Religion) : StCook, The Religion of Ancient Palestine in the 
second Millenium B. C. London 1908. — ALoisy, Le totemisme et l'exo- 
gamie. Revue d'histoire et de literature religieuse. 1911, 1. S. 1 — 43. 
— KMüller, Die seit Renan über einen israelit. Urmonotheismus geäu- 
ßerten Anschauungen disziplingeschichtl. dargestellt. (Diss.) Breslau* 
1911. — MPNilsson, Primitive Religion. Rel.gesch. Volksbücher III, 
13/14. Tübingen 1911. 

Zu § 4 (Mose) : JWRothstein, Moses, sein Leben und sein Lebens- 
werk. Bibl. Zeit- u. Streitfragen IV, 10/11. Großlichterfelde-Berlin 1911. 

Zu § 5 (Jahwe und der Ursprung des Jahwismus): EKönig, Der 
Ursprung des Jahwekultus. Stud.Stube 1906, 7 und 8. — ENestle, Jah. 
Expos. Times XXII, 2 (Nov. 1910), S. 90. 

Zu § 7 (Mosaische Gesetzgebung) : JWRothstein, Gesetzgebung in 
Israel und Babel (Moses und Hammurabi). Bibl. Zeit- und Streitfragen 
IV, 9. Großlichterfelde-Berlin 1911. 

Zu § 9 (Vorprophetische Religion Israels in Kanaan): ESellin, Das 
israelit. Ephod. Nöldeke-Festschr. S. 699—717. — WCaspari, Studien 
zur Lehre von der Herrlichkeit Gottes im A. T. (Diss.) Erlangen 1907. 



Nachträge des Herausgebers. XV 

— Derselbe, Die Bedeutung der Wortsippe *D3 im Hebräischen. Leip- 
zig 1908. 

Zu § 15 (Wesen des Prophetismus): AdMerx, Das Prophetentum 
des A. T. Protest. Monatshefte 1911, 5. S. 165—179. 

Zu § 18 (Inhalt der prophei Predigt) : AHSayce, Yahwe and Jeru- 
salem. Expos. Times XXII, 5 (Febr. 1911). S. 226—229. — JHerrmann, 
Die soziale Predigt der Propheten. Bibl. Zeit- und Streitfragen VI, 12. 
Großlichterfelde-Berlin 1911. 

Zu § 22, 5 (S. 312: Zukunftshoffnungen nach dem Exil): PVolz, 
Jüdische Eschatologie von Daniel bis Akiba. Tübingen und Leipzig 1903. 

— AdMerx, Der Messias oder Ta'eb der Samaritaner. Mit e. Gedächt- 
niswort von KMarti. Gießen 1909. — HJElhorst, De Messias der Sa- 
maritanen. Theol. Tijdschr. 1910, 4. S. 533—545. — WBKristensen, 
De term „Zoon des Menschen 11 , toegelicht uit de anthropologie der ouden. 
Theol. Tijdschr. 1911, 1. S. 1—38. — CRWjntherbotham, The Angel- 
princes of Daniel. Expos. 1911 (Januar), S. 50—58. — EFScott, King- 
dom and the Messiah. Edinb. 1911. 

Zu § 23 (PC): WBrandt, Die jüdischen Baptismen oder das relig. 
Waschen und Baden im Judentum mit Einschluß des Judenchristentums. 
Gießen 1910. — Derselbe, Jüdische Reinheitslehre und ihre Beschrei- 
bung in den Evangelien. Beihefte zur ZAW XIX. Gießen 1910. — 
OSchmitz, Die Opferanschauung des späteren Judentums und die Opfer- 
aussagen des N. Test Eine Untersuchung ihres geschichtl. Verhältnisses. 
Tübingen 1910. — ANeuwirth, Das Verhältnis der jüdischen Fasten zu 
denen der alten Heiden. Berlin 1910. — DFeuchtwang, Das Wasser- 
opfer und die damit verbundenen Ceremonien. Wien 1911. — HGrimme, 
Das Alter des israelit. Versöhnungstages. Archiv f. Rel. Wiss. XIV (1911), 
1 u. 2. S. 130 — 142. — ThOestreicher, Die Stellung des Gesetzes in 
der israelit. Religionsgeschichte. Reich Christi 1911, 3. 4. S. 89 — 153. 



I. Kapitel. 

Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. 

Zur Literatur. SJCurtiss, Ursemitische Religion im Volksleben 
des beutigen Orients. Deutsche Ausgabe, mit e. Vorwort von W. Graf 
Baudissin. Leipzig 1903. — JMeinhold, Die biblische Urgeschichte. 
1 Mose 1 — 12. Gemein verständl. dargestellt. Bonn 1904. — DVölter, 
Aegypten und die Bibel. Die Urgeschichte Israels im Lichte der ägypt. 
Mythologie. 3. Aufl. Leiden 1907. — WLotz, Die biblische Urgeschichte 
in ihrem Verhältnis zu den Urzeitsagen anderer Völker etc. (Vorträge.) 
Leipzig 1907. — JNikel, Das Alte Test, im Lichte der altoriental. For- 
schungen. I. Die biblische Urgeschichte. 1. und 2. Aufl. (Bibl. Zeit- 
fragen, gemein verständl. erörtert II, 3). Münster i. W. 1909. 

IJeber den Ursprung der Religion Israels bandeln mehr 
oder weniger ausführlich alle vier Quellen — oder richtiger 
Quellenschichten — , aus denen der heutige Pentateuch kom- 
poniert ist: die jahwistische Schicht, die zwischen 900 und 700 
vor Chr. entstand, die elohistische (zwischen 750 und 650), die 
deuteronomistische (650 — 550) und die priesterliche (550—400). 
Ihre Angaben weisen zahlreiche Differenzen und selbst Wider- 
sprüche auf. In einem Punkte jedoch stimmen sie alle unbe- 
dingt überein : daß die Stiftung der Religion Israels durch Mose 
aus dem Stamme Levi im Zusammenhang mit der Herausfüh- 
rung seines Volkes aus Aegypten erfolgt ist und in erster Linie 
in der Verkündigung Jahwes als des Nationalgottes Israels be- 
stand. Die Stärke und Einstimmigkeit dieser Ueberlieferung 
läßt keinen Zweifel zu an ihrer Richtigkeit, mögen auch die Ein- 
zelheiten des Hergangs vielfach einer berechtigten Kritik unter- 
liegen. 

Mit obigem ist bereits ausgesprochen, daß man ein Recht 
bat, eine Geschichte der Religion Israels mit Mose zu beginnen. 
Eine andere Frage ist dagegen, ob sich auch über die Religion 
Israels oder vielleicht richtiger der israelitischen Stämme in 
vormosaischer Zeit etwas Sicheres ermitteln läßt. 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 1 



2 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. 

Diese Frage wäre ohne weiteres zu bejahen, wenn der ge- 
samte Inhalt der Genesis als Geschichte im strengen Sinn des 
Worts zu betrachten wäre. Nach ihr hätte die Selbstoffenba- 
rung des einen wahren Gottes von allem Anfang an, d. h. schon 
bei den erstgeschaffenen Menschen begonnen, wäre alsdann von 
Geschlecht zu Geschlecht — allerdings immer nur durch den 
Erstgebornen eines jeden — fortgepflanzt und schließlich in 
den Familien der drei eigentlichen Erzväter, Abraham, Isaak 
und Jakob, zu einer Religion ausgebildet worden, die sich von 
der nachmaligen Religion Gesamt-Israels, wie sie uns in der 
älteren Ueberlieferung dargestellt wird, fast in nichts unter- 
scheidet. Schon Abel und Kain bringen Jahwe Opfer dar, der 
eine von den Erstlingen der Herde und zwar von ihrem Fett, 
der andere von den Feldfrüchten (Gen. 4 3 ff.) ; Noah opfert 
Jahwe auf einem Altar Brandopfer von allen reinen Tieren und 
allen reinen Vögeln (8 20), und ebenso wird von den Erzvätern 
nicht selten die Errichtung von Altären und die Darbringung 
von Opfern, sowie die Anrufung Jahwes erwähnt, besonders an 
den Stätten, an denen ihnen Jahwe erschienen ist, oder die be- 
reits durch frühere Erscheinungen Gottes geheiligt waren (12 7. 
13 18. 22 9. 26 25. 35 7). Auch die Errichtung von Malsteinen 
(massebot 28 18 ff. 35 14. 20; auch 33 20 ist für „Altar" sicher 
„Malstein" zu lesen) entspricht einem auch von Mose (Ex. 24 4) 
geübten Brauch, der erst in der letzten vorexilischen Zeit als 
heidnisch verpönt ward. Und wenn Rebekka nach Gen. 25 22 f. 
hingeht, um Jahwe zu befragen und tatsächlich einen Orakel- 
spruch von ihm erhält, so wird damit offenbar nicht bloß das 
Vorhandensein eines Jahwe-Heiligtums, sondern auch die An- 
wesenheit von Priestern oder sonstigen Vermittlern des Orakels 
vorausgesetzt. Kurz, der Kultus Jahwes nach der Einwanderung 
des Volkes Israel in Kanaan soll nur die Fortsetzung des Kul- 
tus sein, den bereits die Patriarchen demselben Gott und zwar 
fast durchweg an denselben Heiligtümern gewidmet hatten. Is- 
rael trat mit der Eroberung des Landes nur das Erbe an, das 
ihm die Verheißungen Jahwes an die Patriarchen, vor allem der 
durch feierliche Zeremonien bekräftigte „Bund* Gottes mit 
Abraham (Gen. 15) längst zugesprochen hatten. 

Eine wirklich kritische Betrachtung der Religionsgeschichte 
Israels hat nun freilich unwiderleglich gezeigt, daß eine solche 
Auffassung der urzeitlichen und der Patriarchen-Religion nur 



Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. 3 

dadurch möglich ward, daß man die Anschauungen und Zu- 
stände der Jahwereligion, wie sie sich etwa im 9. Jahrhundert 
v. Chr. darstellen, unbefangen auf alle Jahrhunderte vor Mose 
bis zu den ersten Anfängen hinauf zurückdatierte. So ist diese 
Schilderung eine äußerst wertvolle Quelle für die Zeit, der sie 
entstammt ; für die vormosaische Zeit kann sie nur mit größter 
Vorsicht und unter strenger Beobachtung komplizierter kriti- 
scher Grundsätze verwertet werden. Da zeigt sich dann, daß 
sich in verschiedenen Ueberlieferungen der Genesis wie zahl- 
reicher anderer biblischer Bücher tatsächlich noch eine Erinne- 
rung an die vormosaische Religionsstufe Israels erhalten hat. 
Allerdings ist diese Erinnerung nicht selten so verblaßt und für 
die Erzähler selbst so unverständlich, daß sie keinen Anstoß 
an ihr nehmen, sie vielmehr im besten Einklang mit der Jahwe- 
religion glauben. In solchem Falle kann die richtige Deutung 
der üeberlieferung auf einem doppelten Wege bestätigt, wenn 4 
nicht überhaupt erst gewonnen werden : 1. aus sonstigen Spuren 
der gleichen üeberlieferung im Alten Testament selbst außer- 
halb der Genesis; 2. aus den Analogien anderer, ganz besonders 
semitischer Religionen 1 ); dieselben geben nicht selten über- 
raschende Aufschlüsse über befremdliche und in Israel selbst 
nicht mehr verstandene kultische Sitten. Es wiederholt sich 
auch hier, was wir fast allerorten auf Erden beobachten können : 
die religiösen Gebräuche erhalten sich auch dann mit äußerster 
Zähigkeit, nachdem sie infolge ganz veränderter religöser An- 
schauungen eigentlich sinnlos geworden sind. Man rechtfertigt 
ihre Beibehaltung meist durch irgendwelche Umdeutung, durch 
die sie für die neue Religion erträglich werden (so z. B. in Israel 
die Beschneidung), oder man übt sie gewohnheitsmäßig weiter 
mit dem Verzicht auf eine Deutung. Das letztere dürfte z. B. 



') In betreff der semitischen Religion verdanken wir die wertvoll- 
sten Beiträge : JWbllhausen, Reste arabischen Heidentums (Berl. 1887. 
2. Aufl. 1897) und WRobertsonSmith, Lectures on the Religion of the 
Semites (Lond. 1889. 2. Aufl. 1894; deutsch von RStübe, Freiburg i. B. 
1899). Vieles wertvolle Material bietet auch BStade, Geschichte des 
Volkes Israel. Berl. 1887. 7. Buch: Israels Glaube und Sitte in vor- 
prophetischer Zeit (Bd. I, S. 358 ff.). Außerdem ist noch zu vergleichen: 
ChPiepenbring, La religion primitive des H^breux (Rev. de l'hist. des 
religions, 1889, S. 171—202). CGMontefioee, Lectures on the Origin 
and Growth of Religion as illustrated by the Rel. of the ancient Hebrews. 
Lond. 1892. 



4 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. 

für alle oder doch die meisten Trauergebräuche in Israel gelten 
Diese haben höchstwahrscheinlich alle ihre Wurzel in religiöser 
Motiven ; aber ein Verständnis für die letzteren kann man höch- 
stens da voraussetzen, wo sie von der Jahwereligion ausdrück- 
lich verboten verden. Das meiste ist erstarrter Brauch, dessen 
ursprüngliche Bedeutung nur schwer zu ermitteln ist; jedenfalls 
sind die auch in der kirchlichen Auslegung üblichen symboli- 
schen Deutungen (wie z. B. die des Kleiderzerreißens als eines 
symbolischen Ausdrucks der höchsten Gleichgültigkeit in betreff 
des äußeren Aussehens oder gar als eines Bildes von dem Zer- 
rissensein des Herzens durch den Schmerz) von vorn herein zu 
verwerfen. 

Bevor wir nun versuchen, die etwaigen Spuren einer 
vormosaischen Religion Israels zusammenzustellen, 
haben wir auf das nachdrücklichste ein Zweifaches zu betonen: 
1. es sind fast durchweg Hypothesen, nicht Tatsachen, um die 
es sich hierbei handelt. Die Aufgabe des Darstellers kann daher 
in der Hauptsache nur die sein, den größeren oder geringeren 
Grad von Wahrscheinlichkeit festzustellen, in dem uns die Hy- 
pothese entgegentritt. 2. Alles, was sich in Israel nur als un- 
verstandener Brauch erhalten hat , kann zwar ein archäologi- 
sches und allgemein-religionsgeschichtliches Interesse in An- 
spruch nehmen, aber strenggenommen kein religiöses und bi- 
blisch-theologisches. Es erscheint uns als eine Irreleitung des 
richtigen Verständnisses der Religion Israels , wenn gewisse 
neuere Darstellungen den Leser im Zweifel lassen, ob nicht 
allerlei uralte Bräuche in Israel mit Bewußtsein von ihrer ur- 
sprünglichen Bedeutung und im Rahmen der Jahwereligion bis 
in die spätesten Zeiten geübt worden seien. Was der Jahwe- 
religion als heidnischen Ursprungs bekannt und verständlich 
war, das erklärte sie für unrein und damit für schlechthin uner- 
laubt und verwerflich, wie z. B. die Totenbeschwörung. Wer es 
dennoch übte, setzte sich absichtlich in Widerspruch mit den 
Forderungen seiner Religion. Daß dies immer wieder geschah, 
gibt uns so wenig ein Recht, jene Verirrungen der Religion Is- 
raels aufzubürden, wie wir das Christentum für allen den heid- 
nischen Aberglauben verantwortlich machen dürfen, der auch 
unter den christlichen Völkern noch immer im Schwange geht. 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 



§ 1. Die Vorstellungen von der Gottheit. 

Zur Literatur. AJeremias, Monotheistische Strömungen inner- 
halb der babyl. Religion, 1904. — Meusbl, War die vorjahwistische 
Religion Israels Ahnenkult? Ein Ueberblick über die Geschichte dieses 
Problems. Neue kirchl. Ztschr. XVI, 6 u. 7 (1905). — JKMatthes, Die 
israelitischen Trauergebräuche. Vierteljahrsschr. für Bibelkunde etc., 
1905, 3. S. 197 — 222. — ALods, La croyance ä la vie future et le culte 
des morts dans Tantiquite israelite. Paris 1906. — BBäntsch, Alt- 
orientalischer u. israelitischer Monotheismus. Tübingen 1906. — JNikel, 
Der Ursprung des alttestamentl. Gottesglaubens. (Bibl. Zeitfragen, ge- 
rn einverständl. erörtert I, 2.) Münster i. W. 1908. — KMabti, Jahwe 
und seine Auffassung in der ältesten Zeit. Th. St. u. Krit. 1908, 3. S. 321 
— 333. — WEngelkemper, Blut und Haare in der Totentrauer bei den 
Hebräern. Bibl. Zeitschr. 1909, 2. S. 123—128. 

Die wichtigste Frage, die der Darsteller einer bestimmten 
Religionsstufe zu beantworten hat, ist die nach der Art ihres 
Gottes oder ihrer Götter. Zu den niedrigsten Formen der Got- 
tesverehrung zählt die neuere Religionsgeschichte neben dem 
gemeinen Fetischismus, der ein willkürlich gewähltes Ding zu 
seinem Gott erhebt und eventuell auch wieder verwirft, den so- 
genannten Totemismus 1 ). Zur Definition dieser in den Reli- 
gionen der Naturvölker weitverbreiteten Erscheinung mag hier 
folgendes genügen. Totem heißt im heutigen religionsgeschicht- 
lichen Sprachgebrauch 2 ) irgend ein Naturding — in der Regel ist 
es ein Tier — mit dem sich ein Stamm blutsverwandt glaubt 
und welches er daher in allen seinen Exemplaren mit äußerster 
Rücksicht und Schonung behandelt und geradezu als göttlich 
verehrt. Solcher Totemismus gibt sich am häufigsten in der Be- 
nennung des betreffenden Stammes zu erkennen, wobei es aller- 



*) Man vergleiche aus der reichen Literatur über diese Frage be- 
sonders : WRobebtsonSmith, Animal Worship and animal Tribes among 
the Arabs and in the Old Test. (Journal of Philology IX. 1880). JGFka- 
zek, Totemism. Edinb. 1887. Jos Jacobs, Are there Totem- clans in the 
Old Test. (Archaeolog. Rev. III, 3, Mai 1889, S. 145 ff.). — FVZapletal, 
Der Totemismus u. die Religion Israels. Freiburg i. B. 1901 (bestreitet 
durchaus einen Totemismus in Israel). SACook, Israel and Totemism 
Jewish Quarterly Rev. XIV, No. 55). LGebmainLevy , Du totemisme 
chez les H^breux. Revue des £tudes Juives. Tome XLV (1902), No. 89, 
S. 13 ff. (gleichfalls mit durchaus negativem Ergebnis). 

2 ) Der den Objibway-Indianern Nordamerikas entlehnte und nament- 
lich durch Lubbock eingebürgerte Terminus bedeutet ursprünglich die 
Familie oder den Stamm selbst. 



6 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 1. 

dings auch geschehen kann, daß längst vorhandene Namen erst 
nachträglich auf totemistischem Wege gedeutet werden. 

Bei dem Forschen nach Spuren eines einstigen Totemismus 
in Israel muß Eines jedenfalls außer Betracht bleiben: die 
Verehrung Jahwes in Gestalt eines gegossenen Stierbildes, wie 
sie seit Jerobeam I. (1 Kön. 12 2s) im nördlichen Reich im 
Schwange war. Es ist wahrscheinlich, daß Jerobeam damit nur 
eine längst bekannte Form des Jahwekultes erneuerte ; aber sie 
war ohne Zweifel kanaanitischen Ursprungs und hatte mit Tote- 
mismus nichts zu tun. Der gegossene Stier ist lediglich ein Bild 
der Stärke und Schöpferkraft Jahwes, den man übrigens — so- 
weit wir es irgend zurückverfolgen können — in der ältesten 
Zeit nur in Menschengestalt auf Erden erscheinend glaubte. 
Dagegen finden sich unter den Namen der israelitischen Stämme 
einige wenige, die unter gewissen Voraussetzungen für einstigen 
Totemismus sprechen könnten ; so Simeon, wenn der Name 
eigentlich, wie arabisches sim 'u, einen Bastard von Wolf und 
Hyäne bedeutet ; ferner Lea, wenn Bezeichnung der Wildkuh, 
und Levi, wenn dieser Name wirklich Gentilicium von Lea; 
endlich Rahel (= räMl Mutterschaf). In betreff der beiden weib- 
lichen Namen müßte freilich auch das erst bewiesen sein, daß 
die Ehefrauen in den Patriarchengeschichten immer irgend- 
welche schwächeren Stämme bedeuten, die sich mit anderen, 
stärkeren zu einem Ganzen verschmolzen. Man sieht, es sind 
hier viele Bedenken im Wege, und es kann höchstens von der 
Möglichkeit eines einstigen Totemismus bei einzelnen Stämmen 
die Rede sein. Nicht viel weiter führt uns ein anderes Argu- 
ment, dem man die stärkste Beweiskraft hat zuschreiben wollen: 
die sogenannten Speiseverbote, nach denen das Fleischbestimmter 
Tiere als unrein sorgfältig zu meiden ist. Es klingt ja sehr schein- 
bar: für einen jeden Stamm galt das Töten und Verzehren des 
Totemtiers, mit dem er sich blutsverwandt glaubte, als streng ver- 
pönt. Bei der Verschmelzung der kleineren Stämme mit größeren 
und ihrem Zusammenwachsen zu einem ganzen Volke wurden 
die Totems der einzelnen Verbände jedesmal auch von der Ge- 
samtheit anerkannt und ihr Genuß vermieden, und die Jahwe- 
religion bestätigte und erhielt diesen Brauch, nur daß sie das Mo- 
tiv änderte. Auf der Stufe des Totemismus waren jene Tiere ver- 
boten, weil sie h e i 1 i g waren ; die Jahwereligion erklärte sie als 
Ueberbleibsel eines fremden Kultus für unrein. Nun würde 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 7 

sich allerdings die lange Reihe von unreinen Tieren , die uns 
Lev. 11 4 ff. und Deut. 14 s ff. aufgezählt werden, unmöglich ganz 
aus einstigem Totemismus erklären lassen. Vielmehr ist dort 
ganz deutlich, daß man später das Verbot bestimmter, aus- 
drücklich als unrein geltender Tiere auf die ganze Gattung aus- 
dehnte, die die gleiche Beschaffenheit zeigte. So entstand jenes 
System yon Speiseverboten, dem alle Vierfüßler als unrein 
gelten, die nicht wiederkäuen und ganz durchgespaltene Klauen 
haben, sowie alle Wassertiere, die nicht Flossen und Schuppen 
haben, und alle vierbeinigen geflügelten Tiere. Es ist vergeblich, 
diese nachträgliche Schematisierung aus religiösen Motiven er- 
klären zu wollen, als ob z. B. alle solche Geschöpfe verboten 
worden seien, denen irgendwelche Unvollkommenheit angehaftet 
habe. Richtig ist nur, daß in uralter Zeit das Verzehren ein- 
zelner Tiere aus religiösen Motiven unterlassen wurde. Eine 
ganz andere Frage aber ist, ob diese Motive wirklich mit To- 
temismus zusammenhingen. Es ist sehr wohl möglich, daß bei 
der Entstehung solcher Bräuche ganz andere Gestalten des 
Aberglaubens, und zwar insbesondere Dämonenglaube (siehe 
unten) in irgend welcher Form, maßgebend gewesen sind, so 
daß also weniger die religiöse Verehrung als die reine Furcht 
den Ausschlag gaben. Nach alledem müssen wir urteilen, daß 
einstiger Totemismus in Israel zwar möglich, aber nicht bewiesen 
ist, und vor allem, daß aus der im Alten Testament vorliegenden 
Religion Israels jede Erinnerung daran bis auf den letzten Rest 
geschwunden ist. 

Anders steht es dagegen mit einer anderen, unter den Na- 
turvölkern noch viel weiter verbreiteten Vorstufe zu wirklicher 
Religion, dem Animismus. 

In seiner reinen Gestalt ist Animismus der Glaube an die 
Wirksamkeit der Geister der unlängst verstorbenen Angehöri- 
gen. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß hier die Grenzen 
nicht immer scharf zu ziehen sind. Auch längst Verstorbene 
können den Ueberlebenden wie in leibhafter Gestalt im Traum 
erscheinen, und der animistische Glaube schöpft daraus die 
Ueberzeugung, daß sich der betreffende Totengeist entweder 
noch immer in der Nähe befinde oder den Aufenthaltsort der 
Toten (von den Hebräern wohl schon in vormosaischer Zeit 
Pol [s. unten !] genannt) vorübergehend verlassen könne. An- 
derseits erfährt man im Traum nicht bloß Erscheinungen der 



8 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 1* 

unmittelbaren Angehörigen ; der Animismus umfaßt daher leicht 
die Stammesgenossen überhaupt oder schafft sich noch einen 
weiteren Bereich. Immer gehört aber zum Wesen des ursprüng- 
lichen Animismus, daß die Wirksamkeit der Totengeister als eine 
übelwollende, ja schädigende gedacht wird, so daß die Ueber- 
lebenden gut tun, sie fernzuhalten, und mindestens nichts ver- 
säumen dürfen, um ihre berechtigten Wünsche, die vor allem auf 
die gebührende Beschickung und die Beerdigung des Leichnams 
gerichtet sind, zu befriedigen. 

Es ist klar, daß Animismus in dieser Gestalt strenggenom- 
men noch nicht Religion heißen kann, sondern höchstens eine 
Vorstufe zu ihr. Denn es fehlt das Moment der religiösen Ver- 
ehrung übermenschlich gedachter Mächte. Dieses gesellt sich 
zum Animismus erst dann, wenn er sein Interesse vor allem auf 
die Geister der Vorväter konzentriert und zu einer regelmäßigen 
Verehrung derselben, zum Ahnenkultus, fortschreitet *). 

Meist wird nun in bezug auf die vormosaische Religion Is- 
raels die Frage so gestellt, ob sich in der späteren Religion Spu- 
ren eines einstigen Animismus und Ahnenkultus nachweisen 
lassen ? Beides wird jetzt von den meisten mit größter Bestimmt- 
heit behauptet. Unseres Erachtens aber steht die Sache so, daß 
sich zweifellose Spuren nur von einstigem Animismus nachweisen 
lassen, während die angeblichen Spuren von Ahnenkultus alle 
mehr oder weniger starken Bedenken unterliegen. 

Wie zu erwarten, treten die Spuren des Animismus vor 
allem in gewissen Trauergebräuchen hervor. Nicht als ob al le 



*) Aus der sehr umfänglichen Literatur über Animismus und Ahnen- 
kult heben wir — außer den bereits oben S. 3, Note 1 angeführten 
Werken von Stade und WRobertsonSmith — hervor: FSchwally, Das 
Leben nach dem Tode nach den Vorstellungen des alten Israel und des 
Judentums. Gießen 1892. JFbet, Tod, Seelenglaube und Seelenkult im 
alten Israel. Leipz. 1898 (der Verf. lehnt Seelenkult ab und erklärt die 
Trauergebräuche aus der Furcht vor dem Tode oder dem Urheber des- 
selben). KGbüneisen, Der Ahnenkultus und die Urreligion Israels. Halle 
1899 (nach dem Verf. sind die Spuren des Animismus im A. Test, zwei- 
fellos, dagegen solche des Ahnenkult nicht definitiv bewiesen ; die Trauer- 
gebräuche erklärt er großenteils [mit Frazer] als Abwehrmittel. Vergl. 
dazu die lehrreiche Besprechung von JWellhausen in der Deutschen 
Literaturzeitung 1900, No. 20). JCMatthes, Rouw en doodenvereering 
in Israel (Theol. Tijdschr. 1900, S. 97 ff. und 193 ff.). Der Verf. polemi- 
siert besonders gegen Freys Ablehnung des Ahnenkults; ebenso 1901, 
S. 320 ff. (de doodenvereering bij Israel) gegen Grüneisen. 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 9 

Trauergebräuche, wie dies wohl versucht worden ist, aus einem 
und demselben Gesichtspunkt erklärt werden könnten; sie ge- 
hören vielmehr offenbar verschiedenen Stufen des religiösen 
Denkens an, und einige entziehen sich bis jetzt überhaupt jeder 
Deutung. Die meisten aber erklären sich höchst einfach aus dem 
naiven Bestreben, sich durch allerlei Veränderungen am Kör- 
per, wie das Abscheren oder Ausraufen des Haupt- und Bart- 
haars, die Verwundung des Körpers durch blutige Einschnitte 
u. a., die Verhüllung des Gesichts oder doch des Lippenbarts, 
für den Totengeist unkenntlich zu machen und sich so sei- 
ner schädlichen Einwirkung zu entziehen. Auch das Zerreißen 
der Kleider ist ebenso wie das Barfußgehen oder sonstige teil- 
weise Entblößungen höchst wahrscheinlich nur ein Ueberbleibsel 
des gänzlichen Ablegens der Kleider, nur daß die gänzliche 
Nacktheit schon sehr frühe durch die Anlegung des Sacks, eines 
ursprünglich nur um die Hüften geschlungenen Stücks von gro- 
bem Zeug abgemildert wurde. Eine solche gänzliche Verände- 
rung des äußeren Aussehens schien am besten geeignet, den 
Totengeist zu täuschen und von den Ueberlebenden abzulenken. 
Demselben Zweck diente aber auch schon das Schmutzig- Einher- 
gehen, die Unterlassung jeder Pflege des Haars und das Bestreuen 
mit Asche, wie anderseits das Sitzen am Boden, womöglich im Staub 
und in der Asche, kurz da, wo man für gewöhnlich nicht sitzt 
und daher auch nicht leicht gesucht wird. 

Ein Teil dieser Trauergebräuche wird auch innerhalb der 
Jahwereligion unbefangen weiter geübt — ein Beweis, daß man 
ihre ursprüngliche Absicht nicht mehr verstand. Anderes, wie 
das Scheren einer Glatze, die Verstümmelung des Bartes und 
die Selbstverwundung wird vom späteren Gesetz (Lev. 19 28 21s) 
streng verpönt. Daß der Jahwereligion jede Berührung einer 
Leiche, ja schon die bloße Nähe einer Leiche (Num. 19 u) als 
verunreinigend gilt, erklärt sich schon aus dem Bewußtsein, daß 
wenigstens ein Teil der Trauer- und Bestattungsgebräuche dem 
Bereich einer anderen Religion entstammte. Dabei ist aber doch 
merkwürdig, daß das Gesetz selbst noch eine deutliche Spur 
animistischen Glaubens bewahrt, wenn es (Num.19 15) jedes offene 
Gefäß, auf dem nicht ein mit einer Schnur befestigter Deckel 
liegt, durch die Nähe einer Leiche verunreinigt werden läßt. 
Hier liegt doch offenbar die Erinnerung an einen uralten Brauch 
vor, durch den man ein Sich verbergen des Totengeistes im Hause 



10 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 1. 

yerhüten wollte, indem man vor oder bei dem Tode eines Men- 
schen alle in der Nähe befindlichen offenen Gefäße sorgfaltig 
zudeckte. 

Die Frage nun, ob sich der Animismus auch im vormosai- 
schen Israel weiter zum Ahnenkultus entwickelt habe, kann nicht 
durch solche Machtsprüche entschieden werden, wie den : der 
Animismus sei aus innerer Notwendigkeit und daher immer 
mit Ahnenkultus gepaart. Nicht Theorien, sondern nur Tat- 
sachen können hier entscheiden, und es ist einfach nicht wahr, 
daß vermöge unwandelbarer evolutionistischer Gesetze immer 
und bei allen Völkern der Entwickelungsgang vom Animismus 
zum Ahnenkult, von da zum Polytheismus und schließlich zum 
Monotheismus geführt habe. Prüfen wir nun die Tatsachen, die 
man für einstigen Ahnenkult der Israeliten geltend gemacht hat. 

Wiederum spielen auch hier die Trauergebräuche die größte 
Rolle. Fast alles soll hier darauf abzielen, sich als Sklaven des 
vergotteten Ahnen zu erklären, so z. B. die Entblößung des Lei- 
bes 1 ), die Anlegung des Sacks als der einstigen Sklaventracht 
und alles andere, wodurch man eine Demütigung seiner Person 
zum Ausdruck bringt , aber schließlich auch die Verwundung 
durch Einschnitte als ein Ritus der Weihe für den Totengeist 
Aber diese Deutungen der Trauergebräuche erscheinen uns weit 
weniger natürlich als die oben versuchte Zurückführung auf das 
Bestreben, sich für den Totengeist unkenntlich zu machen. 

Stärkere Beweiskraft hätte der Hinweis auf die Sitte der 
Leichenmahle, wenn wirklich außer Zweifel stände, daß es sich 
dabei um ein Opfermahl zu Ehren des Toten handelte. Aber 
die wenigen Stellen, auf die man sich dabei beruft, vermögen 
dies nicht zu beweisen. Daß „Trauerbrot" (Hos. 9 4) unrein ist, 
erklärt sich genügend schon daraus, daß es von einem genossen 
wird, der durch eine Leiche verunreinigt ist. Nur davon scheint 
Deut. 26 14 zu reden, nicht von der Verwendung des Brots für 
ein Totenopfermahl. Eher könnte dies letztere in dem Zusatz 
liegen : und ich habe nichts davon für einen Toten hergegeben. 
Aber ein Leichenschmaus kann sehr wohl noch einen anderen 



*) Nach Büchleb, Das Entblößen der Schulter und des Armes als 
Zeichen, der Trauer (ZATW 1901, S. 81 ff.) unterwirft sich damit der 
Trauernde dem Toten und erklärt sich für seinen Untertan, indem er 
sich zur Verrichtung der schwersten Arbeiten für ihn bereitwillig zeigt. 
Die Gewaltsamkeit dieser Deutung springt sofort in die Augen. 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 11 

Sinn haben, als den eines Opfermahls zu Ehren des als göttlich 
betrachteten Ahnen. Er kann eine "Bezeugung des Entschlusses 
sein, die gewohnte Kultusgemeinschaft nach wie vor auch auf 
den Abgeschiedenen auszudehnen, indem man noch einmal in 
Gegenwart der Leiche das Mahl hält. Noch wahrscheinlicher 
dünkt uns die andere Erklärung, nach der es sich vor allem um 
eine Versorgung des Totengeistes für die Zeit seiner Wanderung 
in das Totenreich handelt. Demselben Zweck (nicht dem einer 
eigentlichen Opfergabe!) konnte auch die Hinlegung von Speise 
auf oder in die Gräber dienen, falls diese und nicht die Verwen- 
dung von Brot beim Leichenschmaus Deut. 26 14 gemeint wäre. 
Die Stelle Jer. 16 7 aber konnte nur durch ganz willkürliche 
Textänderungen zu einem Beleg für Totenopfermahle umgestal- 
tet werden. In Wahrheit redet der Prophet einfach davon, daß 
man nach dem Hereinbrechen des göttlichen Strafgerichts nie- 
manden nötigen wird, Speise zu sich zu nehmen und sich so zu 
stärken, oder vom „Trostbecher" zu trinken und so überhaupt 
das Trauerfasten zu beendigen. Wie 2 Sam. 3 35. 12 17 zeigt, 
entsprach eine solche Nötigung der Sitte; mit Ahnenkultus hat 
aber das Ganze nichts zu tun, zumal es sich bei dem Trauer- 
fasten an beiden Stellen wie auch 1 Sam. 31 is und 2 Sam. 1 12 
nirgends um Ahnen handelt. 

Weiter hat man einstigen Ahnenkult erweisen wollen aus 
dem großen Gewicht, das auf die Erwähnung der Gräber gelegt 
werde. Dies erkläre sich nur aus dem Umstand, daß eben die 
Gräber als Kultstätten dienten. Nun wird in der Tat die Be- 
gräbnisstätte der Patriarchen in einer Höhle bei Hebron wieder- 
holt nachdrücklich erwähnt. Abraham erwirbt sie nach dem 
Tode Saras als Erbbegräbnis von den Hethitern (Gen. 23 3 ff.) ; 
dort wird er selbst (25 9), Isaak (3529), Jakob (vergleiche 49 29 ff., 
wonach auch Rebekka und Lea dort beigesetzt sind, und 50 12 f.) 
begraben. Aber alle diese Stellen (wie höchst wahrscheinlich 
auch die Erwähnung der Grabstätte Aarons, Deut. 10 6) gehören 
erst dem sogenannten Priesterkodex an, der dabei sicher nicht 
an einstigen Ahnenkult denkt, sondern nur das Anrecht der aus 
Aegypten zurückkehrenden Israeliten auf einen Teil des Bodens 
von Kanaan begründen will. Auch nach dem Jahwisten verlangt 
Jakob (Gen. 47 29) nach einem Grab bei seinen Vätern; aber die 
Grabstätte ist bei ihm (50 10 ff.) nicht Hebron, sondern görcen 
haätäd jenseits des Jordan. Außerdem kennt von den älteren 



12 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 1. 

Quellen E ein Grab der Debora, der Amme Rebekkas (35 s), J 
oder E das Grab Raheis (35 19 ff.) und Mirjams, der Schwester 
Moses (Num. 20 1). Mit keinem Wort ist jedoch irgendwo von 
irgend einem dieser Gräber als Kultstätte die Rede. Denn wenn 
man etwa den Malstein auf dem Grabe Raheis (Gen. 35 20) dafür 
geltend machen wollte, so vergißt man, daß Ahnenkultus nur 
den männlichen Ahnen, schwerlich aber jemals den Stammüttern 
gewidmet wurde, ganz zu schweigen von der Unmöglichkeit eines 
Ahnenkultus am Grab der Amme Rebekkas. Der Malstein auf 
dem Grabe Raheis dürfte also doch ursprünglich eine andere 
Bedeutung gehabt haben als die Kennzeichnung des Grabes als 
einer Kultstätte. 

Höchst befremdlich wäre endlich, daß von sämtlichen Söh- 
nen Jakobs, die doch als Ahnherren der einzelnen Stämme den 
stärksten Anspruch auf Verehrung gehabt hätten, nur bei Jo- 
seph (Jos. 24 32 ; vergl. auch Gen. 50 25. Ex. 13 19, sämtlich aus 
E) die Grabstätte erwähnt wird. Nun soll gar nicht bezweifelt 
werden, daß das Grab Josephs zu Sichern, das Grab Josuas zu 
Timnath Serach auf dem Gebirge Ephraim (Jos. 24 30), wie nicht 
minder die Gräber Gideons (Jud. 8 32), Jephthas (12 7), Simsons 
(16 31) und der sogenannten „kleinen Richter" (10 2. 5 und 12 10. 
12. 15) die Bedeutung von „Heroengräbern" gehabt haben mö- 
gen, obschon von einem Kultus an ihnen nirgends die Rede ist. 
Aber selbst wenn Heroenkultus zu beweisen wäre, so wäre die- 
ser nicht notwendig gleichbedeutend mit Ahnenkultus. Auch aus 
1 Sam. 20 29, wo die Sitte eines (jährlichen?) Geschlechtsopfers 
vorausgesetzt wird, ist nicht zu beweisen, daß dieses Opfer den 
Ahnen gebracht worden wäre. — Von den sonstigen Argumenten 
für einstigen Ahnenkult hat noch das Gebot der sogen. Levi- 
ratsehe (Deut. 25 5 ff.) den meisten Schein für sich. Der ur- 
sprüngliche Zweck dieser Sitte soll gewesen sein, dem kinderlos 
Verstorbenen doch noch zu einem Nachkommen und damit zu 
einem Kultus zu verhelfen, da das Entbehren des letzteren als 
ein schweres Unglück gegolten habe. Die betreffende Sitte wird 
schon Gen. 38 8 ff. und zwar dort als unbedingt verbindlich vor- 
ausgesetzt, Deut. 25 7 ff. mehr als eine bloß moralische Ver- 
pflichtung des überlebenden Bruders. Wenn die Leviratsehe 
tatsächlich mit Ahnenkult zusammenhing, so hat doch der Deu- 
teronomiker sicher kein Bewußtsein mehr davon, und es ist da- 
her auch wenig wahrscheinlich, daß Lev. 18 16. 20 21 mit dem 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 13 

Verbot der Schwagerehe ein Protest gegen Ahnenkultus erhoben 
werden sollte. 

Einen sicheren Beleg für Ahnenkultus will man endlich in 
2 Sam. 18 18 finden. Aber mit Unrecht. Denn die Worte be- 
deuten nicht: „ich habe keinen Sohn, der meinen Namen (in 
kultischer Verehrung) anrufen könnte", sondern einfach „um 
meinen Namen in der Erinnerung zu erhalten \ Dies würde der 
Fall sein, wenn es jemanden gäbe, der „N. N., Sohn Absaloms", 
hieße. Nun aber muß „die Massebe Absaloms" verhüten, daß sein 
Name vergessen werde. Von einem Ahnenkultus vermögen wir 
somit hier nicht die geringste Spur zu finden. Auch aus 1 Sam. 
28 13, wo der von der Zauberin zitierte Geist Samuels als ein 
^löhim, d. i. ein übermenschliches Wesen, bezeichnet wird, ließe 
sich höchstens entnehmen, daß man die Totengeister insgesamt 
zur Kategorie der 1<e löhim oder b'ne ice löhim rechnete; ein Beweis 
für einen Totenkultus oder gar für einen Ahnenkultus wäre je- 
doch damit noch keineswegs geführt. 

Das Ergebnis dieser ganzen Erörterung ist somit dieses : 
wenn je in vormosaischer Zeit Ahnenkultus vorhanden war, — 
und es ist psychologisch wohl denkbar, daß die Pietät gegen die 
toten Leiber der Eltern und ihre Grabstätten wenigstens An- 
sätze zu einer Art von Ahnenkultus hervorrief — , so hat sich 
doch in g esc hichtlicher Zeit kein Bewußtsein 
mehr davon e rh alten, und die ganze Frage hat nach dem 
oben bemerkten höchstens archäologische, nicht biblisch-theolo- 
gische Bedeutung. 

Wirkliche Verehrungswesen waren dagegen für Israel in 
der vormosaischen Zeit die zahlreichen Numina ( 9 glirn, Sing. '^, 
Gottheit, Gott), die als die Bewohner und Besitzer bestimmter 
Oertlichkeiten betrachtet und als solche verehrt wurden. Und 
zwar erscheinen sie am häufigsten mit Bäumen, Steinen und 
Quellen verknüpft, die eben dadurch zu heiligen Bäumen, Stei- 
nen und Quellen werden. Ob es je eine Zeit gab, wo mit jedem 
Baum etc. (entsprechend den Dryaden, Oreaden, Hyaden der 
Griechen) ein solches lokales Numen verknüpft gedacht wurde *), 
läßt sich nicht mehr entscheiden. Wohl aber hat sich eine Spur 
bestimmter numina loci überall da erhalten , wo trotz der für 

*) Dies würde bei 'eläh und 'elön, Terebinthe, sicher anzunehmen sein, 
wenn diese hebräischen Namen wirklich mit 'eZ, Gottheit, zusammen- 
hängen und nicht vielmehr den starken Baum bedeuten. 



14 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 1. 

den Jahwismus selbstverständlichen Identifizierung des numen 
mit Jahwe doch die ursprüngliche Heiligkeit des betreffenden 
Baumes etc. geblieben ist. Am deutlichsten tritt uns dies Gen. 
28 n ff. (außer V. is — ie aus E) entgegen, wo Jakob den Stein, 
auf dem er geschlafen und einen bedeutungsvollen Traum ge- 
habt hat, als Malst ein aufrichtet und mit Oel begießt, indem er 
zugleich gelobt, daß er nach seiner Rückkehr diesen Malstein 
zu einem beb~el oder Gotteshaus machen wolle. In der Tat be- 
nennt er 35 i (wieder aus E) nach seiner Rückkehr und der Er- 
richtung eines Altars die Stätte „Gott von Bethel u . Deutlich 
ist, daß die Oellibation 28 is ursprünglich dem mit dem Steine 
selbst verknüpften Numen galt, und daß durch die ganze Erzäh- 
lung die Heiligkeit der altheiligen Massebe von Bethel im Sinne 
des Jahwismus begründet werden sollte. Eine ähnliche Ueber- 
windung der alten, aus vormosaischer Zeit überkommenen Be- 
trachtungsweise durch den Jahwismus liegt vielleicht auch Jos. 
24 26 (E) vor, wo die Errichtung des heiligen Steines unter der 
Eiche im Heiligtum Jahwes zu Sichern Josua zugeschrieben wird, 
während der heilige Baum nach Gen. 12 e schon bei der Ein- 
wanderung Abrahams als Wahrsager- Terebinthe existiert, d. h. 
doch wohl als eine Stätte, wo das mit dem Baum verknüpfte 
Numen durch einen Priester oder Propheten Orakel erteilte. 
Der heilige Stein stand aber wohl von Anfang an mit dem Baum 
im Zusammenhang und darauf bezieht sich ohne Zweifel die Be- 
nennung des letzteren als „Terebinthe der Massebe** (lies Jud. 
9 e mas§ehäh für m,us§äb). Vorjahwistisch ist höchstwahrscheinlich 
auch der heilige Steinkreis in der Nähe des Jordan bei Jericho, 
von dem ein vielgenanntes Heiligtum (haggilgäl, der [Stein-] 
Kreis) seinen Namen hat. Nach Jos. 4 2 — 8 und 20 ff. wurden 
diese Steine, und zwar 12 nach der Zahl der Stämme, von Josua 
als Denkmäler des wunderbaren Durchzugs durch das trockene 
Bett des Jordan im Gilgal aufgerichtet, dagegen nach V. 9 (E) 
mitten im Jordan. Beide Angaben sind offenbar Versuche, den 
ursprünglich heidnischen Charakter dieses Steinkreises für den 
Jahwismus unanstößig zu machen. — Als altes Heiligtum ist 
sicher auch der Schlangenstein bei der Walkerquelle im Süden 
Jerusalems zu betrachten, da er 1 Kön. 1 9 als Opferstätte dient. 
Von sonstigen heiligen Steinen verlautet nichts, auch nicht 
von Meteorsteinen, die doch sonst auf dem Boden des Semitis- 
mus eine Rolle gespielt haben. Denn daß die heilige Lade (siehe 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 15 

unten § 5) Meteorsteine enthalten habe, ist eine bloße Vermu- 
tung. Ueber die Verwendung der Masseben im Jahwekult vergl. 
unten § 10. 

Von heiligen Bäumen gedachten wir bereits der Wahrsa- 
ger-Terebinthe bei Sichern; sie ist höchstwahrscheinlich iden- 
tisch mit der Terebinthe, unter der Jakob nach Gen. 35 4 (E) 
die ausländischen Götzen vergräbt, wie mit der „ Terebinthe der 
Zauberer" (oder „Zeichendeuter**) Jud. 9a7. Weiter gehört hier- 
her die „Terebinthe Mamres* bei Hebron, die beständig zu Ab- 
raham in Beziehung gesetzt wird ; Gen. 13 is. 14 is. 18 i. Daß 
an allen diesen Stellen der Plural „Terebinthen Mamres** erst 
auf einer dogmatischen Korrektur beruht, um den einzelnen 
heiligen Baum zu beseitigen, ergibt sich aus 18 4 und den 
LXX, die immer den Singular setzen. Man vergleiche ferner 
die Tamariske Abrahams zu Beerseba (Gen. 21 ss), die nach 
Debora benannte Klageeiche bei Bethel (35 s), die Palme der 
Richterin Debora zwischen Rama und Bethel (Jud. 4 5), die 
Terebinthe zu Ophra, bei der der Engel Jahwes dem Gideon er- 
scheint (6 11), den Granatbaum (1 Sam. 14 2) und die Tamariske 
auf der Höhe zu Gibea (22 e), unter der Saul Gericht hält, end- 
lich die Tamariske (nach 1 Chr. 10 12 Terebinthe) zu Jabe§, un- 
ter der die Gebeine Sauls und seiner Söhne begraben werden 
(1 Sam. 31 13). 

Jn allen diesen Fällen handelt es sich wohl um Bäume, die 
als Wohnsitze lokaler Numina schon den Kanaanitern heilig wa- 
ren und aus dem gleichen Grunde auch den Israeliten als heilig 
galten, nur daß man frühzeitig begann, sie zu den Patriarchen 
und damit zum Jahwekult in Beziehung zu setzen und so den 
Anstoß an ihnen zu beseitigen. Fast alle erscheinen jetzt als 
durch die Erbauung von Jahwe- Altären und den Jahwekultus 
in ihrer Nähe geweiht. Im Volksglauben mag sich allerdings, 
wenn auch ohne Klarheit, die alte Vorstellung von einem beson- 
deren *el des betreffenden Baumes noch bis tief in die Königszeit 
mit Zähigkeit behauptet haben. Ueber die Bäume und Baum- 
stumpfe oder Pfähle (Ascheren), die bis gegen Ende der vor- 
exilischenZeit als notwendige Bestandteile einer Jahwekultstätte 
galten, wird später noch zu handeln sein. 

Was endlich die heiligen Quellen betrifft, so müssen wir 
zunächst aus der Analogie des sonstigen Semitismus schließen, 
daß in der Urzeit, wenn nicht alle, so doch die wichtigeren Quel- 



16 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 1. 

len als Sitze eines lokalen Numen galten. Ein ausdrückliches 
Zeugnis für die Heiligkeit bestimmter Quellen — sei es an sich 
oder wegen eines daneben errichteten Heiligtums — besitzen 
wir allerdings nur in wenigen Fällen : nach Gen. 14 7 hieß Qades 
(d. i. „Heiligtum* 4 ) in der Wüste auch e en mi&pät, das ist wohl 
„Quelle des Rechtsprechens u . Dies kann sich allerdings auf die 
Rechtsprechung Moses in QadeS während des Wüstenzugs, viel- 
leicht aber auch überhaupt auf eine uralte Orakelstätte in dem 
Heiligtum am heiligen Quell beziehen. Gen. 16 u wird die (ge- 
wiß längst feststehende) Heiligkeit der Quelle lahaj ro'i in der 
Wüste auf eine Erscheinung Jahwes vor Hagar zurückgeführt, 
21 29 ff. die der Quelle von Beerseba auf einen eidlichen Ver- 
trag Abrahams und Abimelechs ; 1 Kön. ls veranstaltet Ado- 
nia am Schlangenstein (s. oben S. 14) neben der Walkerquelle 
(dem heutigen Hiobsbrunnen) ein Opfermahl, und V. 38 wird 
Salomo am Gichon, der heutigen Marienquelle, zum König ge- 
salbt. Dies wäre unbegreiflich, wenn nicht dem Gichon ein hoher 
Grad von Heiligkeit eigen gewesen wäre. 

Man hat diese einstige Vorstufe zu einer Religion, die in 
der Annahme zahlreicher 'elim und wahrscheinlich auch in Opfer- 
spenden an dieselben bestand, im Unterschied von Polytheismus 
alsPolydämonismus bezeichnet. Dagegen ist nichts einzu- 
wenden, wenn man nur unter einem Dämon richtig ein göttliches 
Wesen niederer Art und nicht etwa nur einen bösen Geist ver- 
steht. Eine andere Frage ist, ob sich in Israel neben den Spuren 
eines einstigen Polydämonismus nicht doch auch solche eines 
einstigen Polytheismus finden lassen. Diese Frage ist von den 
Anhängern der Ahnenkult-Hypothese meist verneint worden. 
Durch den Jahwismus, der nur die Verehrung eines Gottes 
duldete, sei der naturgemäße Uebergang vom Ahnenkult der 
Familie zum Heroenkult als dem Kultus der Stammesahnen und 
schließlich zum Polytheismus als dem Kultus der zu göttlichem 
Rang erhobenen Stammesheroen oder einstiger lokaler Numina 
plötzlich unterbrochen worden. Andere finden dennoch Spuren 
einstiger wirklicher Götter und somit eines einstigen Polytheis- 
mus in Israel *). 

Wir sehen hierbei gänzlich ab von den zahlreichen Versu- 

*) Vgl. die gründliche Erörterung aller im folgenden behandelten 
Streitfragen bei Bäthgen, Beiträge zur seniit. Religionsgeschichte (Berl. 
1888), S. 131 ff. 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 17 

chen, sämtliche Gestalten der biblischen Ur- und Patriarchen- 
geschichte auf Astralmythen zurückzuführen oder doch einen 
großen Teil derselben (obenan Abraham und Sara, aber auch 
Isaak und Jakob, sowie aus der Urgeschichte wenigstens die 
Weiber und Söhne Lemechs, Gen. 4 19 ff., und aus der Richter- 
zeit Simson) für depotenzierte einstige Götter zu erklären. Wir 
vermögen in allen diesen Versuchen nichts als unbeweisbare 
Phantasieen zu erblicken. Ebensowenig können wir die Plural- 
form ,iB löMm für „ Gott" als Ueberrest eines einstigen Polytheis- 
mus gelten lassen, da sie yielmehr einen sogenannten Herr- 
schaftsplural darstellt. Höchstens das könnte gefragt werden, 
ob vielleicht in einigen Stamm- und Personennamen eine Ver- 
kürzung einstiger theophorer Namen vorliegt. So wollte man in 
Gad einen Glücksgott, in Ascher das männliche Seitenstück zur 
Göttin Aschera finden. Aber gesetzt auch, Gad wäre Abkürzung 
für *öböd gäd, Verehrer Gads, oder eine ähnliche Form, so wäre 
durch den Namen dieses (von einem Kebsweibe Jakobs abge- 
leiteten !) Mischstammes noch nichts für einen spezifisch israeli- 
tischen Glücksgott bewiesen. Hätte man übrigens einen solchen 
aus dem Namen herausgehört, so wäre schwerlich ein Prophet 
Jahwes zur Zeit Davids so genannt worden. Und was Ascher 
anlangt, so findet sich sonst von einem Gott dieses Namens 
keine Spur ; überdies genügt vollkommen die Deutung des Na- 
mens als „der glückliche". Dagegen sind c Anath Jud. 3 31. 5e 
bestimmt als Verkürzung für c öbed ia nät, Verehrer der (kanaaniti- 
8chen) Göttin A., zu betrachten sein. Aber niemand vermag zu 
beweisen, daß Samgar, der Sohn e Anaths, in der redaktionellen 
Glosse Jud. 3 31 mit Recht für einen Israeliten erklärt wird. Der 
Name ist dort offenbar aus 5 e entnommen, wo er nach Moore 
(Journ. of Amer. Orient. Soc. XIX, 2, S. 159 f.) als Vater Si- 
seras gemeint ist. Gar kein Gewicht ist unseres Erachtens auf 
die ziemlich zahlreichen Namen aus der Richter- und Königszeit 
zu legen, die mit baal, Herr, oder mcelcei, König, zusammenge- 
setzt sind. Denn bei den meisten von ihnen ist mit baal, mcelcei 
einfach Jahwe selbst gemeint. So bei Jerubba'al, d. i. der für 
Ba'al streitet, trotz der Jud. 632 gegebenen entgegengesetzten 
Erklärung; ebenso bei Eschba'al, Mann Ba'als, dem Sohne Sauls, 
und Meriba'al, Mann Ba'als, dem Sohne Jonathans, Be'eljada, 
dem Sohne Davids. Wenn sich diese ursprünglichen Namen nur 
in der Chronik erhalten haben, während in den Samuelisbüchern 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 2 



18 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 1. 



ba'al durch böätef, Schande, ersetzt ist (nur für b 0t celjädä\ den 
Sohn Davids, steht 2 Sam. 5 ie 'celjäda'), so beweist dies nur für 
den Eifer der Späteren, den verhaßten Ba'alsnamen tunlichst zu 
eliminieren, wie schon Hos. 2 is gefordert wurde. Gesetzt aber, 
daß in einigen Namen jener Zeit wirklich der heidnische Ba'al 
oder Melekh gemeint wäre, so würde dies nur für israelitischen 
Götzendienst infolge auswärtiger Einflüsse beweisen. Daß 
Israel zu solchem Götzendienst allezeit Neigung gehabt hat, bat 
noch niemand bestritten; solcher kann aber natürlich nicht zu 
den Ueberbleibseln eines einstigen israelitischen Polytheismus 
gerechnet werden. 

Und wenn jemandeinwenden wollte, daß ja die alttestam ent- 
liehe Ueberlieferung selbst dem Volke ganz unumwunden die 
Verehrung heidnischer Götter in der Urzeit schuld gebe, so ver- 
hält es sich in der Tat so, aber die betreffenden Stellen bedürfen 
sehr einer näheren Beleuchtung. Außer Betracht fällt hierbei 
Gen. 31 soff. (E). Wenn Rahel den Gott (V. 34 f. heißt er Thera- 
phim) ihres Vaters Laban gestohlen hat, so könnte darin höch- 
stens eine Andeutung gefunden werden, daß der Theraphimkult 
aus dem aramäischen Bereich eingeführt sei, denn Laban gilt 
dem Erzähler als Aramäer. Wir werden jedoch später sehen, 
daß derTheraphim auf hebräischem Boden nicht die Bedeutung 
eines fremdländischen Gottes gehabt haben kann. Dagegen wird 
Jos. 242. 15 (E) tatsächlich vorausgesetzt, daß die Vorfahren der 
Israeliten jenseits des Euphrat (also vor Abraham), nach V. u 
auch in Aegypten, „anderen Göttern" gedient haben. Das heißt 
nicht, daß sie von Haus aus eigene, spezifisch israelitische Göt- 
ter gehabt hätten, sondern daß sie sich dem Kultus der fremd- 
ländischen Götter ergaben, in deren Land und Bereich sie wohn- 
ten. Der Erzähler folgt damit einfach der Theorie, der noch 
David 1 Sam. 26 19 einen drastischen Ausdruck verleiht, wenn 
er die Vertreibung aus dem Eigentumsland Jahwes als eine Nö- 
tigung zum Dienste fremder Götter bezeichnet. Arnos 5 *s aber 
kann nach dem ganzen Zusammenhang nicht als Hinweis auf is- 
raelitischen Götzendienst in der Zeit des Wüstenzugs, sondern 
nur als Drohung eines künftigen Ereignisses verstanden werden. 
Hes. 20 7 f. und 24 wird Israel beschuldigt, daß es sich an den 
Götzen Aegyptens verunreinigte und diese auch in der Wüste 
nicht fahren lassen wollte. Es handelt sich also auch hier wieder 
um fremdländische Götter, nicht um einen in Israel selbst 



§ 1.] Die Vorstellungen von der Gottheit. 19 

heimischen Polytheismus. 

Schließlich bliebe noch die Möglichkeit, daß sich in einigen 
gelegentlich erwähnten Dämonenwesen eine Erinnerung an 
einst verehrte, wirkliche Götter erhalten hätte. Dafür könnte 
die Analogie anderer monotheistischer Religionen sprechen, in 
denen die Götter der vorangegangenen heidnischen Zeit nicht 
sofort für bloße Phantasiegebilde erklärt, sondern (wenigstens 
im Volksglauben) zu Dämonen und Spukgestalten herabgesetzt 
wurden. So lebten die ehemals mächtigen Griechengötter bei 
den ersten Christen, die arabischen Stammesgötter auch nach 
dem Sieg des Islam, die alten germanischen Götter in mancher- 
lei Aberglauben der christlich-germanischen Völker bis heute 
fort. In der Tat liegt in einigen späten Stellen sicher oder doch 
höchstwahrscheinlich eine solche Depotenzierung einstiger Volks- 
götter vor: so Deut. 32 17, wo sie als #edim, Dämonen bezeichnet 
werden, denen man geopfert habe (vgl. auch Ps. 106 .37, wo der 
einstigen Kinderopfer an diese äedim gedacht wird), ferner 2 Chr. 
11 15, wo der Chronist unter den s ei irim, das ist „Böcken 1 * oder 
„Bocksgestalten" offenbar überhaupt die heidnischen Volksgöt- 
ter versteht, für die Jerobeam I. seine Priester bestellt h.aben soll. 
Aber in allen diesen Fällen handelt es sich ausdrücklich um Göt- 
zendienst mit ausländischen Göttern, nicht um Ueberbleibsel ei- 
nes israelitischen Polytheismus. Und wenn Lev. 17 7 verboten 
wird, den s ei irim noch ferner die gewohnten Opfer zu bringen, so 
kommt hier nochmals der Glaube an lokale Numina zum Vor- 
schein, an Feldgeister, mit denen man es trotz der unbestrittenen 
Alleinberechtigung des Jahwekultus nicht ganz verderben wollte, 
da man leicht durch sie geschädigt werden konnte; eigentliche 
„Götter" sind aber diese Feldgeister so wenig, wie die in den hei- 
ligen Bäumen und Steinen hausenden. Auch anderwärts sind 
die sHrxm nichts als Dämonengestalten, ähnlich den Faunen und 
Satyrn der klassischen Mythologie; Jes. 13 21 führen sie in den 
zerstörten Palästen von Babel ihre Tänze auf, 34 14 versammeln 
sie sich in den Trümmerstätten Edoms. 

Wie die Se'irim gehört auch Lilith, d. i. die nächtliche, die 
nach Jes. 34 u in den zerstörten Palästen von Edom haust, zu 
den höchstwahrscheinlich uralten Gestalten des Volksaberglau- 
bens, ebenso die 'Aluqa (Prov. 30 15), die schon um ihrer beiden 
Töchter willen nicht den gewöhnlichen Blutegel bedeuten kann, 
sondern wie bei den Arabern einen blutsaugerischen Dämon dar- 



20 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

stellen muß. Auf solche Ueberreste von Dämonenglauben und 
Dämonenfurcht werden wir noch in anderem Zusammenhange 
stoßen 1 ). Auch Asasel, dem nach Lev. 16 s. 10.21 ff. am großen 
Versöhnungstag der mit den Sünden des Volkes beladene Bock 
zugeschickt wird, ist offenbar ein in der Wüste hausender unrei- 
ner Dämon. Dabei ist allerdings sehr fraglich, ob diese Gestalt 
als ein Ueberbleibsel vormosaischen Dämonenglaubens gelten kann 
und nicht vielmehr erst im Exil aus fremdem Bereich -übernom- 
men ist. 

Ueber die Kerube und Saraphe wird erst später zu handeln 
sein, da sie, obwohl sicher aus außerisraelitischem Boden stam- 
mend, doch im Jahwismus eine gewisse selbständige Bedeutung 
gewonnen haben. Dagegen gehört der Satan als Einzelwesen erst 
der nachexi tischen Zeit an. 

§ 2. Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Branche. 

Zur Literatur. PTorge, Aschera und Astarte. Leipzig 1902. 
— SJCurtiss, Der Ursprung des Opfers bei den Semiten, dargelegt auf 
Grund von Forschungen unter Syrern und Arabern. (Verhandl. des 
II. internat. Kongresses für allgem. Rel.-Gesch. in Basel 1904.) Basel 1905. 

Das Wesen einer jeden antiken Religion offenbart sich ia 
erster Linie in dem Kultus, den sie der Gottheit widmet. Ein 
solcher ist auch für die vormosaische Stufe der Religion Israels 
vorauszusetzen und mancherlei Spuren von ihm haben sich auch 
im Jahwekultus noch lange Zeit erhalten. Sie sind erkennbar 
an der großen Aehnlichkeit oder sogar völligen Gleichheit mit 
den kultischen Gebräuchen der heidnischen Semiten. Wie bei den 
Trauergebräuchen ist allerdings die ursprüngliche Bedeutung 
oft schwer zu erkennen, oft auch durch Abmilderung oder völ- 



l ) Vergl. hierzu EFerriere, Paganisme des Hebreux jusqu'ä la cap- 
tivite de Babylone. Paris 1884. CHToy, Evil Spirits in the Bible (Journ. 
of bibl. Liter. IX, Part. I, S. 17 ff.). Jv ander Veen, Daemonologie van 
het Judaisme. Theol. Studien, 1890, S. 301 ff. In engstem Zusammen- 
hang mit dem Dämonenglauben (wie allerdings auch mit der Verehrung 
lokaler Numina) stehen zum großen Teile die vielgestaltigen Formen 
der Magie und Wahrsagerei. Manches davon mag von Israel erst auf 
kanaani tisch em Boden übernommen sein ; nicht wenig dürfte jedoch der 
vormosaischen Stufe angehören. Vergl. hierzu die klassische Erörterung 
von WRobSmith, On the Forms of Divination and Magic enumerated 
in Deut. 18 10 f. (Journ. of Philology XIII, 26, S. 273 ff. und XIV, 113 ff.), 
sowie TWDavies, Magic, Divination and Demonology among the Hebrews 
and their Neighbours etc. London 1898 (auch als Dissert. Lpz. 1901). 



J 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 21 

lige Umgestaltung bis zur Unkenntlichkeit verwischt. 

Weitaus die wichtigste Kulthandlung ist auf der naiven Stufe 
von Religiosität das Opfer. Dasselbe steht für die spätere israe- 
litische Auffassung fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt 
der Gabe und zwar vor allem der Speisedarbietung an die Gott- 
heit; auch Fett und Blut werden Hes. 44 7. 15 ausdrücklich als 
Speise Jahwes bezeichnet. Es kann nicht bezweifelt werden, daß 
dieser Gesichtspunkt auch in der vormosaischen Periode nicht 
ganz gefehlt hat, daß insbesondere Fruchtopfer den lokalen 
Numina durch das Auflegen im heiligen Bezirk (wie nachmals 
das der Schaubrote) oder durch Hineinwerfen in die heiligen 
Quellen dargebracht wurden. Auch das gewöhnliche Brandopfer, 
das der Gottheit ganz zugeeignet wurde (daher auch Jcälil, Ganz- 
opfer genannt) ist kaum anders, denn als Speisedarbietung, also 
als Gabe, aufzufassen. Andererseits aber ist es unmöglich, alle 
Opferriten aus diesem Gesichtspunkt zu erklären. Die außer- 
ordentliche Wichtigkeit, die offenbar dem Verfahren mit dem 
Blut des Opfertiers beigelegt wird, führt uns auf etwas anderes, 
nämlich die Idee der sakramentalen Kommunion, die durch das 
gemeinsame Verzehren des (eo ipso heiligen) Leibes des Opfer- 
tiers zwischen der Gottheit und ihren Verehrern hergestellt wird. 
Und da von uralten Zeiten her vor allem das Blut als Sitz des 
Lebens galt, so wurde die sakramentale Lebensgemeinschaft auf 
der frühesten Stufe sicherlich durch das Trinken des Opferbluts 
erzielt, desselben Bluts, das auch der Gottheit in irgend einer 
Form (durch Bestreichen ihres Bildes oder Altars, durch Aus- 
gießen im heiligen Bereich u. a.) zugeeignet wurde. Eine deut- 
liche Spur dieser Auffassung hat sich — wenn auch in sehr ab- 
gemilderter Gestalt — noch Ex. 24 6 ff. erhalten. Wenn Mose 
hier mit der einen Hälfte des Opferbluts den Altar, mit der an- 
deren das Volk besprengt und so den Bund zwischen Jahwe und 
dem Volk besiegelt, so liegt der Schwerpunkt des Ritus eben in 
dem gleichmäßigen Anteil an dem die Kommunion stiftenden 
Blut, welches daher auch von Mose als „Bundesblut" bezeichnet 
wird. 

Schon sehr frühzeitig wird sich bei fortschreitender Gesit- 
tung ein Grauen vor dem Trinken des Bluts eingestellt haben. 
Damit war von selbst eine Teilung in die heilige Speise gegeben : 
der Gottheit verblieb das Blut samt dem Fett (das letztere wohl 
deshalb, weil es sich am besten zur Zueignung an die Gottheit 



22 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

vermittelst des Verdampfenlassens eignete), ihren Verehrern das 
Fleisch. Die sakramentale Kommunion kommt aber nach wie 
vor durch das Verzehren des Opfermahls an heiliger Stätte, dem 
Essen und Trinken vor Jahwe (in alter Zeit sicher im Angesicht 
des Gottesbildes) zum Ausdruck. Daß das Opferfleisch auch die- 
ser sogenannten Mahlopfer den Charakter heiligen Fleisches 
trug, ergibt sich daraus, daß man die Vermischung heiliger und 
profaner Speise im Leibe durch Fasten vor dem Opfermahl zu 
verhüten trachtete. Diese sicher uralte Sitte wird uns nur als 
Kriegsbrauch ( Jud. 20 26. 1 Sam. 7 e) und Trauerbrauch (1 Sam. 
31 13 2 Sam. 3 85 ; anders 12 ie) überliefert. Zu dem strengen Ver- 
bot des Blutgenusses, das sich nachmals auch auf nicht opfer- 
fähige Tiere erstreckte, mag ursprünglich noch etwas anderes 
mitgewirkt haben als die Vorbehaltung desselben für die Gott- 
heit, nämlich die Furcht, mit dem Blut, dem Sitz des Lebens, noch 
eine zweite Seele in sich aufnehmen. 

Ob außer den später gebräuchlichen Tieren von israeliti- 
schen Stämmen in vormosaischer Zeit noch andere zu Opfern 
verwendet wurden, entzieht sich unserer Kenntnis. Dagegen kann 
mit Sicherheit behauptet werden, daß in besonderen Fällen 
Menschenopfer als ein besonders wirksames Mittel zur Begü- 
tigung oder Gewinnung der Gottheit im Schwange gingen 1 ). Da- 
für bürgt die Hartnäckigkeit, mit der bis ins 7. Jahrhundert die 
Opferung des Erstgeborenen als höchste Opferleistung betrach- 
tet wird, trotz des deutlichen Protestes, der Gen. 22 (E) gegen 
diesen Wahn ausgesprochen wird. Denn die Lehre dieser Er- 
zählung ist offenbar die: Jahwe läßt sich schon an der Gesinnung 
genügen, die zur Opferung des Liebsten bereit ist; statt der wirk- 
lichen Opferung eines Kindes aber hat er die stellvertretende 
Opferung eines Tieres angeordnet. Dennoch ließen Ahas (2 Kön. 
16 3 ; höchstwahrscheinlich in der schweren Bedrängnis durch die 
verbündeten Aramäer und Ephraimiten) und Manasse (21e)je 
einen Sohn „durchs Feuer gehen", und Mich. 6 7 b wird offenbar 
sehr ernstlich erwogen, ob nicht die Opferung des Erstgeborenen 
als sicherste Sühne der Sündenschuld zu vollziehen sei. 

Nachstellen, wieDeut. 12 si. 2 Kön. 17 17. 23 io. Hes. 16 20 f. 
20 31. 23 37 ff. (über Jer. 19 5 siehe unten) gewinnt es den Anschein, 

*) Vergl. zu dieser Frage die ausführliche Erörterung von AKamp- 
hausen, Das Verhältnis des Menschenopfers zur israelitischen Religion. 
Bonn 1896. 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 23 

als ob derartige Meü sehen brandopf er gar nicht Jahwe, sondern 
dem „Melech" (LXX Moloch) oder [Himmels-] König als einem 
heidnischen Gotte dargebracht worden wären. Dem widerspricht 
aber, abgesehen von Gen. 22, ganz ausdrücklich schon Jud. 11 
30 f. 36, wonach Jephtha seine Tochter gemäß seinem Gelübde 
Jahwe opfert. 2 Kön. 3 «7 opfert der Moabitenkönig MeSa sei- 
nen Erstgeborenen naturgemäß dem Landesgott Kamo§, aber 
der jetzt verstümmelte Schluß der Erzählung zeigt deutlich, daß 
der Erzähler von der Wirksamkeit eines solchen Opfers fest 
überzeugt war und eine gleiche Wirkung auf israelitischem Bo- 
den sicher auch von einem Jahweopfer erwartet hätte. Jer. 7 ai. 
19 5 (streiche die in LXX fehlende Glosse „als Brandopfer für 
den Ba'al"); 32 35 zeigen deutlich, daß die Kinderopfer nach dem 
herrschenden Wahn als Jahwe wohlgefällig galten. Und selbst 
Hesekiel, dem die Kinderopfer wie jede andere Form des Kultus 
in vorexilischer Zeit kurzweg als Götzendienst gelten, rechnet 
doch 20 asf. die Opferung der Erstgeburten zu den „nicht er- 
sprießlichen" Satzungen, die Jahwe selbst dem Volk zur Strafe 
für seinen Abfall gegeben habe. Diese seltsame Aeußerung ist 
höchstwahrscheinlich so zu verstehen, daß das Gebot, die Erst- 
geburten des Viehs zu opfern, Anlaß geworden sei zu dem Wahn 
von der Gottwohlgefälligkeit der Menschenopfer. 

Waren die Menschenopfer der Natur der Sache nach Brand- 
oder Ganzopfer, also vor allem wertvolle Gabe, so dürfte doch 
in der ältesten Zeit auch die Verwendung des Bluts eine wich- 
tige Rolle dabei gespielt haben. Und da es sich bei den Kinder- 
opfern um Blut handelte, das dem des Opfernden nächstverwandt 
war, so fällt diese Art von Opfern ohne Zweifel auch unter den 
Gesichtspunkt der Herstellung einer sakramentalen Kommunion 
zwischen dem Opfernden und der Gottheit. Etwas anderer Art 
sind dagegen zwei andere, sicher auch vormosaische Riten: der 
Ritus des Bundesschlusses durch das Zerhauen eines oder meh- 
rerer Tiere zum Zweck des Hindurchschreitens der Bundschlie- 
ßenden zwischen den einander gegenüber gelegten Stücken, und 
der hercem oder Bann. 

Ersterer wird Gen. 15 9 ff. 17 (J) bei dem „Bund" Jahwes 
mit Abraham von Gott allein angeordnet und vollzogen; handelt 
es sich doch nicht um einen Bund im gewöhnlichen menschlichen 
Sinne, sondern um eine religiöse b e r% deren Wesen in der 
Anordnung, Forderung und Verheißung Gottes beruht. Gott 



24 Die Sparen einer vor mosaischen Religion Israels. [§ 2. 

akkommodiert sich dabei den menschlichen Riten, indem er zwi- 
schen den Stücken der zerhauenen Tiere hindurchgeht — ganz 
wie nach Jer. 34 wf. die sich Verpflichtenden zwischen den Stük- 
ken eines zerschnittenen Kalbes hindurchgehen. Das Ganze er- 
innert schon insofern an eine Opferhandlung, als die Gen. 15 s 
aufgezählten Tierarten ebenso wie das Kalb Jer. 34 w sämtlich 
zu den gewöhnlichen Opfertieren zählen; auch ist nicht unmög- 
lich, daß das Blut dieser Tiere irgendwie als Opferblut verwen- 
det wurde. Der eigentliche Kern des Ritus ist offenbar die 
Selbstverwünschung für den Fall des Bruchs der eingegangenen 
Verpflichtung 1 ). Darauf führt deutlich 1 Sam. 11 7 (wie schon 
der ebenso zu deutende Vorgang Jud. 19 29), nur daß die Ver- 
wünschung ursprünglich wohl nicht den Rindern, sondern der 
eigenen Person des Pflichtvergessenen galt. 

Der Bann (hebr. her am) 2 ) ist ursprünglich ohne Zweifel 
ein Kriegsbrauch und besteht in der (nach Num. 21 *. Jos. 6 17. 
1 Sam. 15 äff. schon vor dem Kampf erfolgten) Weihung 3 ) der 
Feinde und ihres gesamten Besitzes zur Vernichtung — im Israel 
der nachmosaischen Zeit natürlich zu Ehren Jahwes als des Kriegs- 
gottes. Mit Recht bestreitet Seh wally, daß demCherem der Cha- 
rakter eines Opfers oder eines Weihgeschenks eigne. „Bannen" 
heißt der Vernichtung preisgeben; das religiöse Moment liegt in 
dem vollständigen Verzicht auf eine Nutznießung, und dieser 
Verzicht ist ein Ausdruck der Dankbarkeit dafür, daß der Kriegs- 
gott die Feinde, die auch seine Feinde sind, und ihre Habe dem 
Sieger ausgeliefert hat. Die älteste Sitte schien die Niedermetze- 
lung alles Lebendigen an Menschen und Vieh und die Verbren- 
nung oder sonstige Zerstörung aller Bauten und Habe zu for- 
dern. Vgl. Jos. 6 21. 24 nach der Eroberung Jerichos; 8 24 ff. 28. 10 
28 1 Sam. 15 8 ff. (wo die Verschonung der besten Tiere zu nach- 
träglicher Opferung und die Nichttötung des Amalekiterkönigs 
Agag dem Saul von Samuel zum Verbrechen gemacht wird); 

') FSchwally, Semitische Kriegsaltertümer, 1. Heft: Der heilige 
Krieg im alten Israel (Lpz. 1901), S. 54, bezeichnet das Verfahren Sauls 
1 Sam. 11 passend als einen „Schwur- oder Bundesritus "; die zerstück- 
ten Leiber haben in allen den obenerwähnten Fällen die Bedeutung 
eines „Eidopfers \ zu welchem sich auch in anderen Religionen zahl- 
reiche Analogieen finden. 

2 ) Vgl. hierzu Schwally, Der heilige Krieg (s. vor. Note), S. 29 ff. 

8 ) Jerem. 12 3 entspricht »weihe (eig. heilige) sie für den Tag des 
Würgens" genau dem sonst gebrauchten „bannen". 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche.* 25 

22 19 (obschon dort der Name Cherem nicht gebraucht wird). 
Mich. 4 13 wird in einer eschatologischen Weissagung die Wei- 
hung aller Habe der Jerusalem belagernden Völker angekündigt. 
Etwas abgemildert erscheint die ursprüngliche Strenge, wenn nach 
Deut. 2 34 f. 3 «f. Jos. 82.27. llu zwar alle Menschen getötet wer- 
den, das Vieh und die Habe jedoch den Israeliten als Beute zu- 
fallen sollen. Nach Deut. 20ieff. ist an den kanaanitischen Städten 
der Bann in vollster Strenge zu vollziehen, während nach V. 13 ff. 
in den fernliegenden nichtkanaanitischen Städten nur alle Männer 
zu töten, Weiber, Kinder, Vieh und bewegliche Habe dagegen 
als Beute zu betrachten sind. So geschieht es Num. 31 7 ff. gegen- 
über den Midianitern; doch wird V. 17 f. von Mose nachträglich 
auch die Tötung aller weiblichen Gefangenen, mit Ausnahme der 
noch jungfräulichen, gefordert. Eine anderweitige Milderung 
liegt endlich in der Möglichkeit, einen Teil der Gefangenen zu 
Sklaven des Heiligtums zu machen ; vgl. Jos. 9 23 und die n'tinim 
oder „Geschenkten* 4 im nachexilischen Tempeldienst. 

Dem Cherem als der feierlichen Weihung zur Vernichtung 
können jedoch auch Israeliten verfallen und zwar sowohl Ge- 
meinschaften als einzelne. So fordert Deut. 13 ie ff. die Tötung 
aller Bewohner einer götzendienerischen israelitischen Stadt 
und die Verbrennung aller ihrer Habe als „Ganzopfer für 
Jahwe" 1 ). Jud. 20 48 werden alle Glieder des Stammes Ben- 
jamin wegen einer Schandtat zu Gibea getötet, ihre Städte ver- 
brannt; 21 10 ff. .wird der Bann an allen Bewohnern von Jabeg 
in Gilead bis auf 400 Jungfrauen, deren man dringend bedurfte, 
vollstreckt. Daß der, welcher sich diebisch an Gebanntem ver- 
greift, selbst dem Banne verfällt, weil er das auf dem Gebann- 
ten lastende Verbot („Tabu") gebrochen hat, lehrt das Beispiel 
Achans Jos. 7 1 ff. Der „heftige Zorn Jahwes", der zunächst auf 
dem ganzen Volke lastet (V. 12 ff.), wird erst durch die Steinigung 
Achans gestillt (V. 20). Auch 1 Sam. 14 45 ist schwerlich anders 
zu verstehen, als daß der auf Jonathan lastende Fluch (vgl. 

*) Nach dem oben Bemerkten kann dies nicht so gemeint sein, daß 
die Vernichtung infolge der Bannung tatsächlich ein Ganz- oder Brand - 
opfer darstellte, sondern nur vergleichsweise: eben so wohlgefällig wie 
ein Brandopfer. Sehr passend verweist Schwall y auf die Aeußerung 
Mesa's auf seinem Denkstein Zeile 11 f.: „und ich tötete das ganze Volk 
aus der Stadt, eine Augenweide für Kamos und für Moab." So erklärt 
sich auch, daß die Antastung des Gebannten den Zorn der Gottheit er- 
regt (Jos. 7 26). 



26 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

V. 24), den er sich durch den Bruch des Verbotes Sauls als einer 
Art von Cherem zugezogen hat, durch die Auslosung und Tötung 
eines Ersatzmanns gesühnt wird. 2 Sam. 21 8 ff. wird Israel 
von den Folgen des Fluchs der Gibeoniten durch die Auslie- 
ferung und Tötung von 7 Gliedern der Familie Sauls, der den 
Fluch verschuldet hatte, befreit. 

Eigentümlich ist Lev. 27 28 ff. die Voraussetzung, daß ein 
Israelit irgend ein Stück seines Besitzes, auch Menschen (Skla- 
ven oder Kriegsgefangene?) und Vieh n bannen u könne. Alles so 
gebannte ist Jahwe hochheilig; sind es Menschen, so müssen sie 
getötet werden. — 

Daß sich in der ältesten Zeit keine Spur von Trank- 
opfern aus Wein zeigt, erklärt sich sehr einfach daraus, daß 
solche erst nach der Gewöhnung an den Weinbau in Kanaan 
möglich waren. Dagegen sind die (1 Sam. 7 e, vergl. auch 2 Sam. 
23 15 ff.) als Bittopfer vor dem Kampf erwähnten Wasserliba- 
tionen höchstwahrscheinlich Ueberbleibsel aus einer Zeit, wo das 
Wasser (in der Wüste !) als ein höchst wertvoller Stoff galt. 
Außerordentliche Anlässe wie der Krieg (s. u.) ließen die uralte 
Kultsitte wieder aufleben. 

Ueber die gewöhnliche Opferpraxis belehrt uns schon der 
Name des Altars: mizbeah^ d. i. Schlachtort. Danach wurden 
also die Opfer, wie dies auch Gen. 22 9 voraussetzt, auf dem 
Altar selbst geschlachtet. Die H ö r n e r des Altars, die nach- 
mals bei der Verwendung des Opferbluts (Lev. 4 7 u. a.), 
sowie als schutzsichernd (1 Kön. 1 00 f., 2 28) eine Rolle spie- 
len, gehen höchstwahrscheinlich auf die Sitte zurück, die Haut 
des Opfertieres samt den Hörnern über den Altar zu breiten. 
Diese Sitte ist auch im heidnischen Kultus nachzuweisen und 
somit wohl älter als der Jahwismus. Dafür spricht schon, daß 
in der ältesten Zeit entweder größere platte Steine (Jud. 6 20. 
13 19. 1 Sam. 6 14. 1433 ff.) oder eine Aufschichtung von Rasen 
oder unbehauenen Feldsteinen (Ex. 20 24 f.) als Altäre dienten. 
Die Anbringung künstlicher Hörner erfolgte sicher erst 
dann, als die Altäre aus anderen Stoffen kunstvoll errichtet wur- 
den. Die Deutung der Hörner als der Symbole der Stärke im 
Zusammenhang mit dem Kultus Jahwes als Stiergott könnte also 
jedenfalls erst später eingedrungen sein. Die im Priesterkodex 
(Ex. 27 2; vgl. Hes. 43 15. 20) wohl nach längst bestehender Praxis 
geforderte Vierzahl der Hörner (an den vier Ecken des Altars) 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 27 

beweist nichts gegen die einstige Zweiheit. 

Als notwendiger Bestandteil einer Kultstätte galt in der 
ältesten Zeit wohl immer ein Malstein (ma§§ebäh) und ein hei- 
liger Baum oder doch in Ermangelung eines solchen ein heiliger 
Baumstumpf oder Pfahl. Wenn es nach Ex. 23-24. 34 is. Deut. 
7 5. 12 s scheint, als ob die Malsteine erst in Nachahmung kanaa- 
nitischer Kultsitten in Israel aufgekommen seien, so widerspricht 
dem der oben (S. 13 ff.) besprochene Glaube, daß die Massebe der 
Sitz des numen loci sei. Dieser Glaube stammte aber bereits aus 
der Zeit des Polydämonismus. Der Jahwismus behielt davon soviel 
bei, daß auch ihm die Massebe als Symbol und Bürgschaft der Nähe 
Jahwes galt. Um so begreiflicher ist es, daß man noch bis in die 
späte Königszeit an den Masseben keinen Anstoß nahm. Gen. 
31 45. 5i f. dient die Massebe als Zeuge für den Vertrag zwischen 
Jakob und Laban. Mose selbst errichtet neben einem Jahwe- 
altar am Sinai 12 Malsteine „nach der Zahl der Stämme Israels" 
(Ex. 24 4). Diese Steine können für den Erzähler unmöglich 
dieselbe Bedeutung haben, wie der heilige Stein von Bethel für 
den Erzähler von Gen. 28 17 f. Die beiden aus Erz gegossenen 
Säulen am Eingang des Salomonischen Tempels (1 Kön. 7 15 ff.) 
stellen wohl auch nur eine Art von Masseben dar. Nach 2 Kön. 
12 10 (lies mit LXX „neben die Massebe u anstatt „neben den 
Altar") befand sich eine Massebe im Vorhof des Tempels; Hos. 
34 rechnet sie zu den selbstverständlichen Bestandteilen eines 
geordneten Jahwekultus, und auch Jes. 19 19 ist sie nicht ein 
Obelisk, sondern samt dem Altar einfach Kennzeichen eines 
dem Jahwekultus geweihten Bezirks. Nach 2 Kön. 18 4 soll be- 
reits Hiskia die Masseben zertrümmert haben; doch ist dies 
wohl eine Vorausdatierung der Kultusreform Josias (23 14). 
Denn ein Verbot der Masseben findet sich (falls nicht Mich. 5 12 
bereits der Zeit Manasses angehört) erst im Deuteronom (16 22; 
vergl. auch Jer. 227, falls sich dort der Spott des Propheten 
auf Ascheren [s. u.] und Masseben bezieht, und Lev. 26 1). 
Wie der Höhendienst wird auch die Errichtung von Ascheren 
und Masseben den Königen vor Josia von den deuteronomi- 
stischen Redaktoren des Königsbuchs (1 Kön. 14 23 2 Kön. 17 10) 
als Verschuldung angerechnet. 

Wie die Massebe muß auch die Äschere C a äeräh Plur. 
'"äerirri), d. i. der heilige Baumstumpf oder Pfahl, zu den Ueber- 
bleibseln des vorjahwistischen Kultus gerechnet werden, obschon 



28 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

auch sie Jahrhunderte lang ganz unbefangen den Jahwealtären 
(wie Jud. 6 25 ff. einem Altar des Ba' al) beigesellt wurde. Sie ist 
ohne Zweifel ein Ersatz für den heiligen Baum (s. o.), den man 
nicht überall (so besonders bei schnell errichteten Altären in der 
Steppe) beschaffen konnte. Da aber die stehenden Heiligtümer 
auf den Höhen wohl immer auch üppig grünende Bäume neben 
sich hatten, so war zur Erwähnung der Ascheren weniger An- 
laß. (1 Kön. 14 28 2 Kon. 17 10 sind sie ein Pleonasmus, der sich 
wohl nur aus dem Bestreben des Deuteronomisten erklärt, so- 
wohl die Bäume als die Ascheren zu rügen). Daß die angeblich 
von Hiskia (2 Kön. 18 4) umgehauene und von Manasse (21s) 
erneuerte Aschera noch bis zur Zeit Josias im Tempel stand, 
lehrt ihre Wegschaffung und Verbrennung im Kidrontal 2 Kön. 
23 e. Ebenso stand eine (nach 1 Kön. 16 ss erst von Ahab an- 
gefertigte) Aschera zu Samaria, 2 Kön. 13 e (vergl. auch 1 Kön. 
14 15 2 Kön. 17 ie). Das Gebot, die heidnischen Ascheren umzu- 
hauen (Ex. 34is Deut. 7s) oder zu verbrennen (Deut. 12s), schließt 
natürlich zugleich eine Verwerfung der israelitischen ein; aus- 
drücklich verboten werden die letzteren Deut. 16 21 ; vergl. auch 
Mich. 5 13, wo ihre Ausreißung angekündigt wird; Jer. 17 2. Jes. 
27 9 und den späten Zusatz zu Jes. 17 8. Außer vielleicht Mich. 
5 13 reicht keine dieser Stellen über die Zeit Josias hinauf. 

Von der Aschera als dem heiligen Pfahl ist natürlich die 
Göttin Aschera, deren Existenz nunmehr durch die Tell-el- 
Amarna-Briefe zweifellos erwiesen ist, gänzlich zu trennen. 
Ihre Verehrung (1 Kön. 15 13 2 Kön. 21 7. 23 4) ist schlecht- 
hin Götzendienst, fällt also nicht in den Bereich der Religion 
Israels. 

Daß außer den Masseben und Ascheren noch irgendwelche 
Bilder die Nähe der Gottheit repräsentierten, läßt sich für die 
vormosaische Zeit wenigstens nicht beweisen. Dafür spricht 
höchstens die Zähigkeit, mit der auch der Jahwekult sehr lange 
an dem Gebrauch von Jahwebildern festhielt, und es ist nicht 
unmöglich, daß sich in ihnen die Gestalt einstiger Elimbilder 
fortvererbte. Dagegen ist ausgeschlossen, daß im Bereich des 
Jahwekultus jemals andere als Jahwebilder geduldet worden 
wären. Dies gilt sicher auch in betreff der Theraphim, mögen 
diese auch ursprünglich aus heidnischem Bereiche stammen, und 
die ganze Frage ist somit im Zusammenhang des vorprophe- 
tischen Kultus Israels zu behandeln. 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 29 

Dagegen hat sich im Jahwekultus noch eine Reihe von 
Kultsitten erhalten, die um so sicherer aus der vormosaischen 
Zeit stammen, als sie sämtlich in den Bräuchen der heid- 
nischen Semiten ihre Analoga haben. Dahin gehört das Bar- 
fußgehen an heiliger Stätte (Ex. 3 s. Jos. 5 u ; auch das Bar- 
fußgehen aus Trauer, 2 Sam. 15 so. Jes. 20 2 ff., steht wie die 
sonstige Entblößung nach dem oben Dargelegten ursprünglich 
unter religiösem Gesichtspunkt) ; das Reinigen des Leibes und 
der Kleider (Ex. 19 10 und öfter) vor dem Hinzutreten zur Gott- 
heit, sowie das Wechseln der Kleider (Gen. 35 2). Wenn im 
priesterlichen Gesetz das Waschen des Leibes und der Kleider 
beständig befohlen wird, um die verlorene levitische Reinheit 
wiederzugewinnen, so ist dies dort gewiß in erster Linie so ge- 
meint, daß die äußere, physische Reinheit Symbol und Darstel- 
lung der inneren sein soll. Immerhin liegt aber doch zugleich 
ein Ueberre8t der Auffassung vor, die mittelst der äußeren Rei- 
nigung eine direkte Schädigung durch Dämonen oder auch eine 
erzürnte Gottheit zu beseitigen trachtet. Und wenn Ex. 28 48. 
Lev. 64. 16 28 den Priestern eingeschärft wird, daß sie die 
priesterlichen Gewänder nur bei der Ausübung des Kultus tra- 
gen dürfen, so zeigt die ältere Stelle Hes. 44 19, daß dadurch 
nicht bloß eine Profanierung der heiligen Kleider selbst verhütet 
werden soll. Vielmehr besteht die Gefahr, daß die Berührung 
mit den heiligen Kleidern das Volk „heilige", d. h. geradezu: 
dem Heiligtum verfallen lassen würde, so daß es einer Lösung 
bedürfte. Auch darin tritt wieder jene uralte Auffassung hervor, 
nach der jede engere Berührung mit der Gottheit oder dem ihr 
Geweihten, wenn nicht todbringend, so doch gefährlich ist. Zu 
der engeren Berührung gehört aber auch das Anblicken; daher 
die Verhüllung des Hauptes in der Nähe der Gottheit, wie sie 
Ex. 3 e von Mose, 1 Kön. 19 is von Elia berichtet wird. Auch 
Gen. 16 18. 32 n, Ex. 19 21. 33 20 tritt uns dieselbe Idee entgegen, 
daß der Anblick der Gottheit tötet, zwar überall in Beziehung 
auf Jahwe, aber sicher zugleich als Erbteil aus vorjahwistischer 
Zeit. 

Von Priestern in vorjahwistischer Zeit hat sich keine 
Erinnerung erhalten. Jedenfalls bedurfte man ihrer nicht zum 
Opfern, da dieses auch im Jahwekultus ebensogut von einem 
jeden Hausvater verrichtet werden konnte. Die niederen Dienste 
versahen dabei, wie noch unter Mose (Ex. 24 s), die jungen Leute. 



30 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

Dagegen deuten Bezeichnungen wie „Orakelterebinthe" (s. o. 
S. 15) auf das Vorhandensein von Orakelpriestern an bestimm- 
ten Heiligtümern, wie Gen. 25 22 naiverweise ein Jahwe-Orakel 
zur Zeit Rebekkas vorausgesetzt wird. 

Aus verschiedenen Stellen hat man (im Zusammenhang mit 
der Hypothese vom Ahnenkult) schließen wollen, daß als Sakral- 
gemeinde zunächst immer nur die Familie oder das Geschlecht 
gegolten habe. So werde Ex. 21 « der Sklave, der nicht frei aus- 
gehen will, vor Gott an die Türpfoste geheftet und so der 
Sakralgemeinde eben dieses Gottes einverleibt. Der Passahritus 
(s. u.) setzt gleichfalls die Familie als Sakralgemeinde voraus. 
1 Sam. 20 « ist von einem Jahresopfer des Geschlechtes Davids 
die Rede. Aber dies schließt doch nicht aus, daß David gleich- 
zeitig (V. 5) bei dem Opfermahl (denn den Charakter eines sol- 
chen trägt in alter Zeit jedes Essen vom Fleisch opferfahiger 
Tiere) am Neumond vermißt wird, und auch sonst waren der 
Anlässe soviele, bei denen die Sakralgemeinschaft unmöglich auf 
eine Familie oder auch auf ein Geschlecht beschränkt werden 
konnte. So bildeten im Kriege, der überhaupt für die altsemi- 
tische Anschauung unter den Gesichtspunkt einer Kultushand- 
lung fällt, offenbar alle mitkämpfenden Volksgenossen eine 
Sakralgemeinschaft, die gemeinsam „den Krieg heiligt* 4 , d. h. 
sich durch Enthaltung von Weibern (vergl. 1 Sam. 21 «, wo 
David ein kriegerisches Unternehmen fingiert ; 2 Sam. 11 11), so- 
wie durch Inaugurationsopfer (1 Sam. 7 9. 13 12, wo die Opfer 
„Jahwe begütigen" sollen) für den Kampf weihte, ganz wie sich 
das Volk Ex. 19 15 durch Enthaltung von den Weibern für das 
Nahen zur Gottheit bereitet. Auch die für unsere Begriffe eigen- 
tümlichen Vorschriften Deut. 20 5—7. 23 io_i6 erklären sich als 
Ueberbleibsel aus einer Zeit, die gewisse körperliche Verrich- 
tungen, insbesondere auch das Geschlechtsleben, durch die Dä- 
monen gefährdet glaubte 1 ). 

*) Vergl. die höchst instruktiven Ausführungen Schwallys in „Der 
heilige Krieg im alten Israel", besonders S. 45 ff. über die Kriegsweihe 
(Jos. 3 5. Mich. 3 5. Jer. 64 u. a.), auch durch Salbung des Schilds (2 Sam. 
1 21) und Waffenweihe (Jer. 22 7), sowie durch Brandopfer, die in der 
ältesten Zeit zugleich die feierlichste Form der Sühnopfer darstellen 
(1 Sam. 7 9. 13 9. 12). Auch das Wachsenlassen der Haare (wenn dieses 
Jud. 13 5 als allgemeine Krieger sitte gemeint ist!) ließe den Krieger als 
näzir oder Geweihten erkennen. Zu weit scheint Schwallt zu gehen, 
wenn er (S. 74 ff.) die Gefahr für den Neuvermählten darin erblickt, daß 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 31 

Ob in vormosaischer Zeit ein Opferkultus an bestimmten 
öfter wiederkehrenden Terminen geübt wurde, entzieht sich un- 
serem Urteil. Eine Sabbatfeier ist höchst unwahrscheinlich, ob- 
schon die Heiligkeit des Sabbats Gen. 2 3 (P) bis an den Anfang 
der Welt zurückdatiert wird. Eher wäre — und zwar wiederum 
im Zusammenhang mit der Furcht vor dämonischen Einflüssen, 
eine regelmäßige Neumondfeier denkbar, da sich von einer sol- 
chen die deutlichsten Spuren (siehe unten § 12) bis tief in die 
Königszeit finden, ohne daß irgendwelcher Zusammenhang mit 
dem Jahwismus erkennbar wäre. Daß von den späteren Jahres- 
festen die für die Nomadenzeit Israels nicht in Betracht kom- 
men können, die ihre Wurzel im Acker- und Weinbau hatten, 
versteht sich von selbst; sie sind sämtlich erst kanaanitischen 
Ursprungs. Dagegen setzt die alte Ueberliefererung deutlich vor- 
aus, daß das Passahfest (natürlich in seiner ursprünglichen, 
dem Fest der ungesäuerten Brote gegenüber durchaus selbstän- 
digen Bedeutung) schon in vormosaischer Zeit üblich war. Wenn 
Mose und Aaron Ex. 5s vom Pharao fordern: „laß uns drei Ta- 
gereisen weit in die Steppe ziehen, um Jahwe, unserem Gott, 
Opfer zubringen", und diese Forderung 7 i«. 26 etc. vor jeder 
Plage wiederholen, so besteht dabei die Voraussetzung, daß sie 
in der Steppe ein längst hergebrachtes Opferfest feiern wollen. 
Denn Mose motiviert 822 das Wegziehen aus dem Lande damit, 
daß sie dabei Opfer zu bringen pflegen, die den Aegyptern ein 
Greuel sind, und 10 9 sagt er ausdrücklich : wir haben das Fest 
Jahwes zu feiern. Auch 12 21 (J) lautet die Anweisung: 
schlachtet das Passah ! Auch hier wird es somit (wie noch 
bei P, Ex. 12 11: ein Passah ist es für Jahwe) als etwas längst 
bekanntes vorausgesetzt — in Widerspruch mit den Anord- 
nungen V. 22 ff., die das Ritual erst bei Gelegenheit des Aus- 
zugs aus Aegypten entstanden sein lassen, und mit der Her- 
leitung des Namens des Passah (hebräisch pcesah) von päsah, 
vorübergehen. Mit dieser Deutung aus dem schonenden Vor- 
übergehen Jahwes an den Wohnungen der Israeliten, während 
er die Erstgeburten der Aegypter schlug (so Ex. 12 27), läßt 
sich jedoch nicht vereinigen, daß im ältesten Sprachgebrauch 

er sich durch die Beteiligung am Krieg der Abschweifung zu einem 
andern Kultus schuldig mache. Eher läßt sich hören, daß er die Ver- 
wünschungen der Frau zu fürchten hatte, oder daß die Einweihung eines 
neuen Hauses zur Vertreibung der feindlichen Dämonen unerläßlich schien. 



32 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

pcesah das sogen. Passahlamm oder (Deut. 16 s) die sonst zum 
Opfer verwendeten Tiere (vergl. die Wendungen: „das Passah 
schlachten, braten, essen") zu bezeichnen scheint. Daran schei- 
tert ] ) auch die Herleitung von päsah, hinken (vergl. dazu das 
Hinken der Ba'alspropheten um den Altar, 1 Kön. 18 s«, und 
das sicher aus uralter Zeit stammende Hinken der Mekkapil- 
ger um den heiligen Stein in der Ka'aba), obschon sie an sich 
durch die Analogie von Mgag, eig. tanzen oder im Reigen um- 
schreiten, „ein Fest feiern", empfohlen wird. Verzichtet man 
auf eine Etymologie, so bleiben doch sonst noch hinreichende 
Anhaltspunkte, um den ursprünglichen Charakter des Passah zu 
ermitteln 2 ). Ex. 34 w lehrt, daß im Monat Abib, in den der Aus- 
zug fiel, die Vieherstlinge, genauer: der erste männliche Wurf 
von Schafen und Kindern, geopfert wurden. Nach 5 s sind diese 
Opfer in der Steppe zu bringen, damit Jahwe das Volk nicht 
durch Pest oder Schwert heimsuche. Es sind also Sühn- oder 
Begütigungsopfer. Ganz denselben Charakter trägt aber auch 
das Ritual des Passabmahls, mag auch die nachmalige Moti- 
vierung noch so viel von der ursprünglichen Bedeutung ver- 
wischt haben 8 ) und im Priesterkodex sogar der Opfercharakter 
gänzlich aufgegeben sein. Das Verzehren des Passahlammes 
(ob ursprünglich eines der Vieherstlinge, während die übrigen 
als Brand- oder Ganzopfer dargebracht wurden?) ist zweifel- 
los ein von der Familie als Sakralgemeinde abgehaltenes Opfer- 

*) Anders urteilt allerdings Toy, The Meaning of Pesach (Journ. of 
bibl. Liter. 1898, S. 178 ff.). Nach ihm war Pesach ursprünglich ein 
ritueller Tanz mit Lammesopfer, und der Name wurde erst später auf 
das Opfer übertragen. 

2 ) Vergl. über die neuesten Deutungen des Wortes (darunter auch 
die Zusammenstellung mit assyr. paädjiu, sich beruhigen, also „ Beruhi- 
gung des Zorns der Gottheit") Riedel in der Zeitschrift für die alttestam. 
Wissenschaft 1900, S. 319 ff. Nach ihm soll pcesah das ägyptische pöseh, 
„ Ernte" sein. Für ein uraltes, allgemein semitisches, die Besänftigung 
der Gottheit bezweckendes Reinigungsopfer erklärt das Passah Schäfer, 
Das Passah-Mazzoth-Fest nach seinem Ursprünge, seiner Bedeutung und 
seiner innerpentateucbischen Entwickelung. Gütersloh 1900. Dabei leug- 
net jedoch Schäfek den vormosaischen Ursprung des Passah; es sei 
von Anfang an samt dem zu ihm gehörenden Mazzothfest (das an die 
Eile des Auszugs erinnern soll!) ein historisch-theokratisches Fest ge- 
wesen. Die Beweisführung steht sichtlich unter dem Bann der Tradition. 

3 ) Daß Passah und Erstgeburtsopfer ursprünglich nicht zusammen- 
gehört hätten (so Volz in der Theol. Literaturzeitung 1901, Sp. 635 f.) 
scheint mir zum mindesten nicht beweisbar. 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 33 

mahl; denn das Fleisch ist heilig und nichts davon darf bis zum 
Morgen übrig bleiben, das Blut wird an die Oberschwelle und 
die Türpfosten gestrichen, um so die Bewohner vor der Pest zu 
schützen. Der späteren Auffassung hat dieser Teil des Rituals 
nur noch die Bedeutung einer Erinnerung an einstige Verscho- 
nung vor bestimmter Gefahr. Ursprünglich suchte man, wie die 
zahlreichen und uralten heidnischen Analogieen lehren, durch 
die Bestreichung mit Opferblut alljährlich Haus und Vieh vor 
dämonischen Einflüssen, insbesondere vor der Pest oder son- 
stiger Krankheit zu behüten. 

Das unmittelbar auf das Passah folgende Mazzothfest könnte 
nur dann in enge Beziehung zu ersterem gesetzt werden, wenn 
man mit Beer (nach Holzinger, Theol. Literaturzeitung 1901, 
Sp. 588), in den Mazzen einfach eine Erinnerung an die Noma- 
denzeit erblickt, in der Israel nach Beduinenart ungesäuerte 
Brote aß. Als man das Nomadenleben verpönte (Oen. 4 14), 
wurden die Mazzen zu einem „Brot des Elends". Gegen die 
Annahme, daß die Mazzen das aus dem neuen Getreide ge- 
backene Brot darstellten (und somit ein agrarisches Pest vor- 
aussetzten), spreche besonders ihre Verwendung beim Opfer das 
ganze Jahr hindurch, wie nicht minder ihre Verwendung als 
profane Speise. Dabei ist nur bedenklich, daß man die Erinne- 
rung an einen nachmals verpönten Zustand festlich (und zwar 
6 Tage lang) begangen haben sollte durch eine Zurück Versetzung 
in ihn. Dazu kommt, daß der agrarische Charakter des Früh- 
lingsfestes durch Deut. 16 9 und die Darbringung der sogen. 
Webegarbe (Lev. 23 10 ff.) doch gesichert scheint. 

Für den Festcharakter der Schafschur zeugt noch 1 Sam. 
25 11 ff. und 2 Sam. 13 23 ff. (vergl. auch Gen. 31 19. 38 12 f.). Es 
ist jedoch begreiflich, daß dieses für den Nomaden hochwichtige 
Pest nachmals gegen die gemeinsam gefeierten agrarischen Feste 
mehr zurücktrat. Ueber den Verlauf eines jeden Festes gibt Ex. 
32 e eine Auskunft, die sicher auch für die vormosaische Zeit zu- 
trifft: Opfer, Opfermahl, Belustigung (wohl vor allem durch Bei- 
gentänze). Gar manches, was nachmals den gerechten Zorn der 
Propheten erregte, mag seine Wurzel bereits in den Kultsitten 
der vormosaischen Zeit haben und nicht erst dem üblen Beispiel 
der Kanaaniter entstammen. 

Unter religiösem Gesichtspunkt stehen endlich noch zwei 
Bräuche, deren Ursprung gleichfalls zweifellos in die vormo- 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 3 



34 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

saische Zeit hinaufreicht: die Beschneidung und die Blut- 
rache. 

Jeder Versuch, die Beschneidung *) lediglich aus sanitären 
Beweggründen zu erklären, gilt jetzt mit Recht als veraltet. 
Ebensowenig kann sie etwa als symbolische Abmilderung ein- 
stiger Kinderopfer oder auch der Selbstentmannung zu Ehren 
einer Gottheit betrachtet werden. Vielmehr steht die Beschnei- 
dung bei zahlreichen (auch semitischen) Stämmen in deutlichem 
Zusammenhang mit dem Eintritt der Mannbarkeit des Knaben; 
sie ist das Zeichen der Keife und damit der vollen Zugehörigkeit 
zu den waffenfähigen Männern des Stammes. Da sie aber zu- 
gleich religiöse Bedeutung hat (denn 'ärel, unbeschnitten, ist 
identisch mit [religiös] „unrein" und daher ein arges Schimpf- 
wort), so kann sie ursprünglich nur ein Akt der Weihe für eine 
Stammesgottheit oder irgend einen bestimmten Dämon gewesen 
sein. So dient sie zugleich als Stammeszeichen 8 ), wie als Schutz- 
mittel gegen den schädigenden Einfluß anderer Dämonen. Auch 
im Jahwismus ist die Beschneidung in erster Linie Zeichen der 
Zugehörigkeit zu dem Volk und dem Kultus Jahwes, wenn auch 
die spezifisch theologische Deutung derselben als eines Bundeszei- 
chens erst der spätesten Stufe (P) angehört. Die älteste Ueber- 
lieferung über den Ursprung der Kinderbeschneidung lesen wir 
Ex. 4 »4 ff. bei J. In dieser jetzt wohl verstümmelten Stelle be- 
steht die Voraussetzung, daß Mose den Zorn der Gottheit (hier 
natürlich bereits Jahwes) erregte, weil er bei der Hochzeit mit 
Zippora nicht beschnitten war, wie es die religiöse Sitte (vgl. 



*) Vgl. hierzu HPloss, Geschichtliches und Ethnologisches über 
Knabenbeschneidung (deutsches Archiv für Geschichte der Medizin und 
medizinischen Geographie VIII, 3, S. 312 ff.). PLafargüe, La circon- 
cision, sa signification sociale et religieuse (Bulletins de la soc. d'anthro- 
pologie de Paris. Serie III, Tome X, 3, S. 420 ff.). PCRemondino, Hi- 
story of Circumcision from the earliest Times to the Present. Pbilad. 
1891. AGlassbebg, Die Beschneidung etc. Berlin 1896. SKohn, Die 
Geschichte der Beschneidung bei den Juden von den ältesten Zeiten bis 
auf die Gegenwart. Frankfurt a. M. 1902 (hebräisch!). 

a ) Als solches scheint sie in eine Zeit hinaufzureichen, wo die Män- 
ner noch nackt gingen; vgl. Gunkbl, Ueber die Beschneidung im A. 
Test., Archiv für Papyrusforschung II, 1, S. 13 ff. (gegen Reitzenstein, 
Zwei religionsgeschichtliche Fragen [Straßburg 1901], nach welchem 
Israel die Beschneidung vom ägyptischen Priesteradel übernommen haben 
soll, während Gunkel mit Recht die Beschneidung aller Aegypter an- 
nimmt). 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 35 

dazu auch Gen. 34 22 ff. bei J) erforderte. Zippora rettet ihn 
vor dem üeberfall Jahwes, indem sie mit einem Stein (vergl. 
hierzu auch die Steinmesser Jos. 5 3, ein Beweis für das hohe 
Alter des Brauchs !) ihren Sohn beschneidet und mit der abge- 
schnittenen, noch blutenden Vorhaut die Scham Moses berührt 
mit den Worten: du bist mir ein Blutbräutigam! Das kann 
nur heißen : sie überträgt die Wirkung der Beschneidung des 
Kindes symbolisch auf den Gatten und erklärt ihn für einen sol- 
chen, der er schon bei der Hochzeit hätte sein sollen, nämlich 
ein durch Beschneidungsblut geweihter und damit vor dem Zorn 
der Stammesgottheit geschützter Bräutigam. Ob etwa in uralter 
Zeit das bei der Beschneidung vergossene Blut noch zu irgend- 
welcher sakralen Handlung verwendet wurde, muß auf sich be- 
ruhen. Ein anderer Bericht über den Ursprung der Beschnei- 
dung findet sich in dem ursprünglichen Text von Jos. 5 2 ff.; zu 
diesem gehören V. 2 ohne die harmonistischen Zutaten „wiederum" 
und „zum zweiten Male", ferner V. 3. 8. 9. Danach beschnitt Josua 
die Israeliten beim Hügel der Vorhäute mit steinernen Messern, 
und der Ort hieß davon Gilgal, d. i. „Abwälzung", nämlich der 
Schande, die in der Unreinheit des Unbeschnittenseins bestand 
und den Hohn der Aegypter hervorrief. Wie Stade (ZATW 
1886, S. 132 ff.) gezeigt hat, liegt hier eine etymologische Le- 
gende vor, die den Namen Gilgal erklären will ; in Wahrheit ist 
der „Hügel der Vorhäute" so zu erklären, daß dort bei dem al- 
ten Heiligtum Gilgal die benachbarte (benjaminitische) Jugend 
gemeinsam beschnitten und die Vorhäute in jenem Hügel ver- 
graben wurden. Wenn endlich der Priesterkodex (Gen. 17 10 ff.) 
die Einführung der Beschneidung als des „Bundeszeichens" auf 
ein Gebot Jahwes an Abraham zurückführt, so erklärt er damit 
die Tatsache, daß alle Nachkommen Abrahams, die Araber, 
Edomiter, Moabiter und Ammoniter (allerdings auch die Aegyp- 
ter und Phönizier, dagegen nicht die Philister) beschnitten waren. 
Daß auch die Blutrache, die Gen. 4 14 und 23 ff. bereits 
für das erste Menschenalter vorausgesetzt wird, tatsächlich der 
vormosaischen Zeit entstammt, beweist ihre weite Verbreitung 
auch bei den heidnischen Semiten und anderwärts. Für den ur- 
sprünglichen religiösen Charakter der Sitte spricht schon die 
außerordentliche Zähigkeit ihrer Beibehaltung — eine Zähigkeit, 
die ohne religiöse Motive schwer denkbar wäre. Der nähere Zu- 
sammenhang ist für uns allerdings nicht mehr recht durchsichtig. 

3* 



36 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 2. 

Nach der schon oben behandelten Erzählung 2 Sam. 21iff. (vgl. 
besonders „vor Jahwe" V. ») scheint es, daß die Tötung des Mör- 
ders ursprünglich als ein Opfer betrachtet wurde, durch dessen 
Darbringung der Zorn der Stammesgottheit beschwichtigt wurde. 
Dieser Zorn entspringt nach der Auffassung der ältesten Zeit 
weniger aus (später durchaus maßgebenden ; vgl. z. B. Gen. 9 e) 
ethischen Motiven, als aus der Schädigung, die der Gottheit durch 
den Verlust eines ihr gehörenden Lebens widerfahren ist, und da 
die Stammesgenossen, in erster Linie die Familie, für die Erhal- 
tung der dem Gotte gehörendem Leben haftbar sind, so lastet auf 
ihnen so lange eine Blutschuld, bis durch die Tötung des Mör- 
ders Sühne geschafft ist. Der ursprüngliche Mangel ethischer 
Gesichtspunkte geht schon daraus hervor, daß zwischen Mord 
und un vorsätzlichem Totschlag kein Unterschied gemacht wird; 
noch Deut. 4 4iff. (wohl aus P nachgetragen) und Num. 35 2a ff. 
wird das gute Recht des Bluträchers auch gegenüber dem bloßen 
Totschläger ideell anerkannt, wenn auch Fürsorge getroffen wird, 
dieses Recht durch die Bergung des Totschlägers in einer Asyl- 
stadt illusorisch zu machen. Der Jahwismus vermochte also die 
tiefeingewurzelte Sitte nur zu mildern, nicht sie gänzlich zu be- 
seitigen. Aus der (zwar fingierten, aber doch sicherlich genau 
dem wirklichen Leben entsprechenden) Erzählung 2 Sam. 14 6 ff., 
wo „das ganze Geschlecht" die Auslieferung des Brudermörders 
verlangt, erfahren wir, daß doch gelegentlich die Blutrache durch 
das Einschreiten des Königs sistiert werden konnte. Dabei läßt 
indes das Weib von Thekoa (V.») durchblicken, daß die Verhin- 
derung der Blutrache möglicherweise eine Schuld auf den König 
bringen könne. Auch darin zeigt sich wieder die mechanische 
Betrachtungsweise der uralten starren Sitte. 



Blicken wir zurück auf die Ergebnisse, die wir für die vor- 
mosaische Periode der Religion Israels gewonnen haben, so ist 
es eine nicht geringe Zahl von Beobachtungen, die wir für jene 
entlegenen Zeiten feststellen konnten, und die für das Verständ- 
nis des späteren Jahwismus von größter Bedeutung sind. Was 
den Gottesbegriff jener Periode anlangt, so konnte von einem sol- 
chen nur erst in sehr beschränktem Sinne die Rede sein. Als 
der Hauptinhalt des noch in seinen ersten Anfängen befindlichen 
religiösen Empfindens war die Furcht vor dem beständig drohen- 
den, immer aber unberechenbaren Einfluß dämonischer Mächte 



§ 2.] Die Formen des Kultus. Religiöse Sitten und Bräuche. 37 

zu betrachten. Diese Mächte sind sehr verschiedener Art und 
es wäre vergebliche Mühe, sie in irgend ein System bringen zu 
wollen oder auch irgend welche .Reflexion über ihr Wesen und 
ihre Behandlung bei dem Naturmenschen jener Periode voraus- 
zusetzen. Man glaubt blindlings an sie auf Grund einer mit der 
Geburt ererbten Gewohnheit, und man verhält sich gegen sie nach 
dem uralten, heiligen und von allen Familien- und Stammesge- 
nossen geübten Brauch. Es sind teils Totengeister und zwar vor 
allem die der nächsten Familienangehörigen. Neben Maßregeln 
zu ihrer Abwehr oder zur Verhütung einer Schädigung durch 
sie finden sich Handlungen der Pietät zu ihren Gunsten, aber 
noch keine ganz sicheren Spuren, daß sich der Animismus im 
engeren Sinne bereits zum Ahnenkult entwickelt hätte. Eine 
hochwichtige Rolle spielen ferner alle die lokalen Numina ('eüm), 
deren Anwesenheit an heilige Bäume, Steine und Quellen ge- 
knüpft erscheint. Sie sind nicht identisch mit diesen, so daß man 
von einer Naturvergötterung reden könnte, aber doch räumlich 
so unzertrennlich von ihnen, daß man sie eben nur an diesem Ort 
suchen und irgendwie kultisch verehren kann. Zu einer noch 
höheren Stufe erhebt sich dieser „Polydämonismus", wenn ein 
solches numen loci als Schutzgottheit einer Familie oder eines 
Geschlechts oder sogar eines ganzen Stammes gilt. An die Stelle 
bloßer Huldigungs- und Begütigungsgaben treten dann Riten, die 
den engen Zusammenhang, ja sogar die Blutsverwandtschaft mit 
der Gottheit zu bezeugen oder herzustellen trachten. Ließ sich 
auch einstiger Totemismus israelitischer Stämme nicht erwei- 
sen, so doch eine solche Auffassung des Opfers, der die sakrale 
Kommunion zwischen Gottheit und Opfernden als die Hauptsache 
gilt, eine Kommunion, die durch den gemeinsamen Genuß des 
Opferblutes (später durch die Teilung in Blut und Fett einerseits, 
das Opferfleisch anderseits) hergestellt wird. 

Bei den mannigfachen sonstigen Riten und Bräuchen — den 
Trauersitten, dem Bann und sonstigen Kriegsgebräuchen, den 
Menschenopfern, der Beschneidung und den Festfeiern — war 
das ursprüngliche Motiv nicht immer mit Sicherheit zu bestim- 
men; in den meisten Fällen aber trat der Zusammenhang mit 
dem Animismus oder sonstigem Dämonenglauben klar zu Tage. 



38 Die Spuren einer vormosaischen Religion Israels. [§ 3. 



§ 3. Die sittlichen Zustände. 

Zur Literatur: H aller, Religion, Recht und Sitte in den Ge- 
nesisBagen. Bern 1905. 

Nicht ohne religionsgeschichtliches Interesse ist schließ- 
lich die Frage nach den sittlichen Zuständen, die 
Mose bei den israelitischen Stämmen seinerzeit vorfand. Es 
war eine Zeit lang üblich (besonders infolge der Abhandlung 
Schillers über „die Sendung Moses"), die Zeitgenossen Moses als 
gänzlich verroht und zugleich — auf Grund einer von Josephus 
überlieferten ägyptischen Erzählung — als durch und durch aus- 
sätzig hinzustellen. Um so höher stieg der Glanz des Namens 
Mose, der aus einer halb vertierten Masse so schnell eine geistig 
und sittlich hochstehende Religionsgemeinde geschaffen habe. 
In Wahrheit werden die sittlichen Zustände ganz dieselben ge- 
wesen sein, wie wir sie bei den echten Beduinen noch heute an- 
treffen. Daist keine Rede von einem Handeln nach bewußten sitt- 
lichen Grundsätzen, somit auch keine Rede von eigentlicher 
Sittlichkeit; wohl aber übt die Sitte eine gewaltige Macht 
aus, der sich keiner ungestraft entziehen kann. „So pflegt nicht 
getan zu werden in Israel" (2 Sam. 13 12; vgl. auch Gen. 20 s. 
29 26. 34 7) — das ist die stärkste Verurteilung einer Frevel tat. 
Die Sitte gibt auch dem Ehemann die größte Freiheit zum Ver- 
kehr mit Kebsweibern und Sklavinnen, aber sie schützt auf das 
strengste die Ehre der Jungfrau und des Eheweibs ; die Sitte for- 
dert unbedingt die Ausübung der Blutrache, ordnet aber (wenig- 
stens eine Zeitlang) selbst diese Pflicht der Heiligkeit des Gast- 
rechts unter ; die Sitte fordert Redlichkeit und Billigkeit gegen- 
über demStammesgenossen, gestattet aber unbedenklich das Be- 
trügen und Uebervorteilen der Fremden. Wie im sozialen Le- 
ben, so entscheidet auch im Kultus der Brauch. Die Furcht vor 
der Verletzung des Brauchs und ihren Folgen, insbesondere vor 
kultischer Unreinheit, ist tief eingewurzelt, aber von „Sünde" in 
dem uns geläufigen ethischen Sinn kann dabei nicht die Rede 
sein. 

Das alles ist durch die Verkündigung des Jahwismus nicht 
mit einem Schlage anders geworden. Die Macht der Sitte be- 
hauptete sich auch in solchen Punkten, die sich nimmermehr mit 
einer wirklichen Sittlichkeit vereinigen lassen — genau so wie im 
Islam der Charakter der echten Beduinen nur in sehr geringem 



§ 3.] Die sittlichen Zustände. 39 

Maße umgestaltet werden konnte. Immerhin wird sich zeigen, 
daß schon bei der Grundlegung der Religion Israels zugleich 
die triebkräftigen Keime gelegt worden sein müssen, aus denen, 
wenn auch nur sehr allmählich und zunächst nur bei wenigen, 
bewußte Sittlichkeit herauswuchs. Ohne solche Triebkraft wäre 
die Ueberwindung der zweifellos höheren Kultur der Kanaaniter 
undenkbar. 



IL Kapitel. 

Die Stiftung der Eeligion Israels (des Jahwismns) 

durch Mose am Sinai. 

Zur Literatur: HGbimme, Das Gesetz Chammurabis und Moses. 
Köln 1903. — JJebemias, Moses und Hammurabi. 2. Aufl. Leipzig 1903. 
— DNielsen, Die altarab. Mondreligion und die mosaische Ueberlieferung. 
Straßburg 1904. — EStuckbn, Astralmythen der Hebräer, Babylonier 
und Aegypter. Rel.gesch. Unters. Heft 5: Mose. S. 431 — 657. Leipzig 
1907. — P Jensen, Moses, Jesus, Paulus: Drei Varianten des babyloni- 
schen Gott menschen Gilgamesch. Eine Anklage wider die Theologen, 
ein Appell auch an die Laien. 3. Auflage. Frankfurt a. M. 1910. — 
HSchneideb, Zwei Aufsätze zur Rel.-Gesch. Vorderasiens. (Die Ent- 
wickelung der Jahureligion und der Mosesagen in Israel und Juda. — 
Die Ent wickelung [des Gilgameschepos.) Leipziger semit. Studien, her. 
von AFischeb und HZimmebn. 1 V. Bd., 1. Heft. Leipzig 1909. — SJam- 
pel, Die neuesten Aufstellungen über Moses und sein Werk. Monats- 
schr. f. Gesch. und Wiss. des Judentums 1909, 11/12. S. 641—656. 

Ueber das Werk Moses, insbesondere über den Umfang und 
Inhalt der von ihm verkündigten Gesetze, werden uns in den ver- 
schiedenen Quellenschriften des Pentateuch höchst mannigfaltige 
Berichte gegeben. Alle aber setzen als eisernen Bestand der 
Ueberlieferung voraus: Mose aus dem Stamme Levi hat zuerst 
Jahwe als den Gott des gesamten Volkes Israel und zwar als 
den Befreier aus der ägyptischen Knechtschaft verkündigt und 
am Sinai den Abschluß eines „ Bundes" (siehe darüber unten!) 
zwischen Jahwe und Israel vermittelt; auch hat er zu den Rechts- 
und Kultusordnungen in Israel mindestens den Grund gelegt und 
über alles dieses mehr oder minder umfängliche Aufzeichnungen 
hinterlassen. 

Daß sich im Pentateuch noch irgendwelche Aufzeichnungen 
von der Hand Moses erhalten hätten, ist nicht unbedingt ausge- 
schlossen. Der wissenschaftliche Nachweis solcher Bestandteile 



40 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 4. 

ist jedoch für uns schlechthin unmöglich. Somit kann die Frage 
nur die sein : läßt sich die Richtigkeit obiger Sätze, die wir als 
eisernen Bestand der Ueberlieferung bezeichnen mußten, wenig- 
stens durch Rückschlüsse aus späteren geschichtlichen Tatsachen 
erweisen? Die Antwort lautet, daß dies — alles Hyperkritik zum 
Trotz — in der Tat zu einem guten Teile, und zwar vor allem 
in den Hauptfragen möglich ist. 

§ 4. Die Person Moses als des Stifters der Jahwereligion. 

Zur Literatur: JDöller, Zum Namen „Moses" (Ex 2 10). Bibl. 
Ztschr. III (1905), 2. — EMeyeb, Die Mosessagen und die Leviten. Sit- 
zungsber. der Kön. Preuß. Akad. der Wiss. 30 und 31. Berlin 1905. — 
Westphal, Aaron und die Aaroniden. ZatW. 1906, S. 201 ff. — PVolz, 
Mose. Ein Beitrag zur Untersuchung über die Ursprünge der israelit. 
Religion. Tüb. 1907. — JReinek, Moses und sein Werk. Berlin 1907. 
Die Versuche, die Person Moses völlig in den Bereich des 
Mythus zu verweisen, können heute als abgetan gelten. Eine 
andere Frage ist, wie weit die Ueberlieferungen über ihn auf blo- 
ßer Legende beruhen. Als ganz unverdächtig kann bezeichnet 
werden: seine Herkunft aus dem Stamme Levi, sein Name Mose 
(wahrscheinlich = ägypt. mesu, Sohn; ob ursprünglich mit einem 
Gottesnamen zusammengesetzt?), seine Flucht wegen eines Tot- 
schlags nach dem Sinai und die Heirat einer midianitischen 
Priestertochter Zippora, die sodann Mutter zweier Söhne wurde, 
seine Rückkehr nachAegypten und die Wegführung der von dem 
Pharao geknechteten Israeliten, ferner das Zerwürfnis mit seinen 
Geschwistern Aaron (dessen Geschichtlichkeit ohne zureichen- 
den Grund geleugnet worden ist) und Mirjam wegen eines kuschi- 
tischen Weibes, endlich ein längerer Aufenthalt in Qadeä und 
sein Tod im Ostjordanland. Das alles sind Angaben der alten 
Quellen, deren Erfindung entweder undenkbar oder doch höchst 
unwahrscheinlich ist. Dagegen dürfte die Legende über seine 
Geburt und Aussetzung aus der (sprachlich unmöglichen) Deu- 
tung seines Namens Ex. 2 10 herausgesponnen sein; die Namen 
seiner Eltern Amram und Jokebed kennt erst der Priesterkodex. 
Die Annahme, daß er „ausgebildet war in aller Weisheit der 
Aegypter" (Act. 7 22), knüpft natürlich an die Erziehung durch 
die Tochter Pharaos an, findet aber an Ex. 2 10 keine wirkliche 
Stütze. Jedenfalls ist man nicht berechtigt, aus der Bekannt- 
schaft Moses mit ägyptischen Mysterien nicht nur seine geistige 
Ueberlegenheit über seine Volksgenossen, sondern auch den 



§ 4.] Die Person Moses als des Stifters der Jahwereligion. 41 

Gottesnamen Jahwe und gewisse kultische Einrichtungen (so 
z. B. die heilige Lade), wenn nicht überhaupt die Religionsstiftung 
Moses, zu erklären 1 ). Denn eine solche Entlehnung ist nicht nur 
nicht zu beweisen, sie ist auch höchst unwahrscheinlich : ein an- 
tikes Volk nimmt nicht die Götter eines anderen Volkes an oder 
auch nur Bestandteile ihres Kultus zu einer Zeit, in der es eben 
dieses Volk und seine Götter einem anderen Gott unterliegen 
sieht. Ob Mose durch andere Einflüsse, nämlich von den Keni- 
tern am Sinai aus, zu seinem Werke angeregt wurde, wird unten 
zu erörtern sein. Die altisraelitische Ueberlieferung weiß von 
nichts anderem, als daß er unmittelbar von Jahwe am Sinai be- 
rufen und trotz seiner anfänglichen Weigerung zur Befreiung 
seines Volkes entsandt wurde. Sie führt somit das Werk Moses 
auf göttliche Offenbarung zurück. Wie dieselbe in der Seele 
Moses wirksam ward, bleibt für uns ebenso ein Geheimnis wie 
alle sonstige Offenbarung Gottes in seinen Werkzeugen. Aber 
die Tatsache ist uns darum nicht weniger gewiß, denn sie wird 
uns durch ihre Wirkungen bezeugt. Wie viel auch der Religion 
Israels seit Mose noch von Bestandteilen der gemeinsemitischen, 
pandämonischen Naturreligion anhaften mag, so bietet sie doch 
schon in der Richterzeit Züge, die sie hoch über die Volksreligio- 
nen der Nachbarvölker erheben und die wir nur aus dem Port- 
wirken einer geistesmächtigen Persönlichkeit zu erklären ver- 
mögen. Es ist die besondere Art der neuen Gedanken, die er 
verkündigt haben muß, die eine Herleitung aus eigner Reflexion 
oder gar aus schlauer Berechnung zu selbstsüchtigen Zwecken 
ausschließt. Auf dem Grunde, den er gelegt hat, hat sich im 
Laufe dreier Jahrtausende der Bau erhoben, der auch die christ- 
lichen Völker umschließt. Solche Grundlegung steht aber nicht 
in eines Menschen Macht: sie muß ihm von Gott gegeben sein. 
Eben darum kann die Bedeutung der Persönlichkeit Moses nicht 
leicht zu hoch angeschlagen werden. In dieser Ueberzeugung 
urteilt der deuteronomistische Schriftsteller Deut. 34 10 : es trat 
in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, mit dem Jahwe ver- 
kehrt hätte von Angesicht zu Angesicht. 



*) So besonders Fb. vonSchtller in dem glänzend geschriebenen 
Aufsatz „Die Sendung Moses" (zuerst im 10. Heft der „Thalia"). Ganz 
außer Betracht lassen wir die Fabeln, die Josephus c. Apion. I, 26, 5 ff. 
und 28 über Mose als angeblich identisch mit dem Priester Osarsiph 
von Heliopolis aus Manethos „Aegyptiaca" zitiert. 



42 Bie Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai [§ 4. 

Nun hat man es allerdings sehr befremdlich gefunden, daß 
Mose im Alten Testament, namentlich auch bei den Propheten, 
so selten und überdies erst so spät erwähnt wird. Abgesehen 
von dem nachträglichen Einschub Hos. 12 m („durch einen Pro- 
pheten hat Jahwe die Israeliten aus Aegypten hergeführt und 
durch einen Propheten ward es behütet") finden wir Verweise auf 
Mose und Aaron als die Befreier des Volks Mich. 6 4 (neben 
Mirjam; die Herkunft dieser Perikope von Micha wird allerdings 
stark bestritten), 1 Sam. 12 «. 8 (in einer deuteronomistischen 
Rede),Ps. 105 2«. 106 i«; auf Mose allein als den Führer des Volks 
beziehen sich Jes. 63 i*. Ps. 106 i«, auf die Gott überwältigende 
Macht seiner Fürbitte Ps. 106 *3 und Jer. 15 i. Gerade die letz- 
tere Stelle zeigt deutlich, in welchem Lichte die Bedeutung Moses 
auch einem Jeremia erschien, und daß es daher offenbar nur Zu- 
fall ist, wenn seiner anderwärts nicht öfter gedacht wird. 

Fast noch mehr könnte es uns befremden, daß Mose als Re- 
ligionsstifter den Propheten und Psalmen (abgesehen von Ps. 99 6, 
wo Mose und Aaron als Priester genannt werden, und Ps. 103 7) 
so gut wie unbekannt zu sein scheint. Dem steht jedoch gegen- 
über, daß im ganzen Alten Testament alle die verschiedenen 
Gesetzgebungen (abgesehen natürlich von Hesekiel Kap. 40 — 48) 
auf die Vermittlung, zum Teil sogar die Aufzeichnung Moses 
zurückgeführt werden. Dies wäre ganz undenkbar, wenn nicht 
eine unauslöschlicheErinnerung daran vorhanden gewesen wäre, 
daß er als der eigentliche Urheber der religiösen Ueberlieferungen 
und Ordnungen zu betrachten sei, so daß spätere Kodifikationen 
nur dann Autorität erlangen konnten, wenn sie auf seinen ge- 
wichtigen Namen zurückgeführt wurden. Wer eine derartige Zu- 
rückführung als eine Fälschung bezeichnen und deshalb ent- 
rüstet zurückweisen zu müssen glaubt, der befindet sich über die 
Anschauung des alten Israel in betreff des literarischen Eigen- 
tums in gründlichem Irrtum. Weit entfernt, hierbei an eine Fäl- 
schung zu denken, hielt man es für heilige Pflicht, alles das, was 
man in Fortsetzung des Werkes Mose in seinem Sinn und Geist 
zum Heil des Volkes zu verkündigen hatte (so ganz besonders die 
Gesetzgebung des Deuteronomium), in Moses eigne Worte einzu- 
kleiden. Der Gedanke an eine Fälschung ist hierbei, so nahe er 
auch uns liegen mag, für jene Zeit schlechthin auszuschalten. " 



§ 5.] Jahwe als der Gott Israels von Mose verkündigt. 43 



§ 5. Jahwe als der Gott Israels von Hose verkündigt. 
Seine Gegenwart in der heiligen Lade. 

Zur Literatur: Hunnius, Natur und Charakter Jahwes nach 
den vordeuteronomischen Quellen der Bücher Genesis-Könige. Straß- 
burg 1902. — JABeweb, Die Anfänge des nationalen Jahweglaubens. 
Theol. St. u. Krit. 77, 4 (1904), S. 467—490. — Abnold, The divine name 
in Ex 3 H. Journ. of bibl. Lit. 1905, S. 107 ff. — BBaentsch, Altorien- 
talischer und israelit. Monotheismus. Ein Wort zur Revision der ent- 
wickelungsgeschichtl. Auffassung der israelit. Rel.- Geschichte. Tüb. 1906. 
(Vgl. hierzu den Aufsatz unter gleichem Titel von WStäbk in der Christi. 
Welt XX, 28 (1906). — MDibelius, Die Lade Jahwes. (Forschungen 
zur Rel. und Lit. des A. und N. Test., Heft 7.) Göttingen 1906. — 
HGunkel, Die Lade ein Thronsitz. Ztschr. für Miss.-Kunde und Rel.- 
Wiss. Heidelberg 1906, 12. — KBudde, War die Lade Jahwes ein leerer 
Thron? Theol. St. u. Krit. 1906, 4. S. 488—507. — OHoltzmann, Die 
Kürzungen des Namens Jahwe. ZnW. 1907, Heft 4. S. 317 f. — AHSatce, 
The Name Jahwe. Expos. Times XIX No. 11. Aug. 1908, S. 525 f. — 
PHaüpt, Der Name Jahwe. Orient. Lit.-Ztg. 1909, 5. Sp. 207—211. 

Alle Quellenschriften des Pentateuch sind darin einig, daß 
als die grundlegende Tat Moses die Verkündigung Jahwes als 
des Gottes Israels zu betrachten sei, d. h. als des Gottes, der Is- 
rael sicher aus der ägyptischen Sklaverei befreien wolle und eben 
darum ein alleiniges Anrecht auf die Verehrung und den Gehor- 
sam dieses Volkes habe. Diese Verkündigung hatte aber nicht 
den Sinn, daß Jahwe überhaupt als der allein wahrhaft existie- 
rende Gott zu betrachten sei; von diesem „absoluten Monotheis- 
mus" war auch Mose, wie alle seine Zeitgenossen, sicherlich noch 
weit entfernt. Jahwe ist ein Gott unter vielen, wenn auch mäch- 
tiger und furchtbarer als die anderen. Doch wird über sein Ver- 
hältnis zu den anderen Göttern im ganzen wenig reflektiert. Die 
Hauptsache ist von Anfang an: Israel soll außer ihm von keinem 
anderen Gotte wissen, keinen anderen verehren, als eben diesen 
einen, dessen Name Jahwe ist. Was Mose fordert, ist also (im 
Unterschied von dem wirklichen oder absoluten Monotheismus) 
Henotheismus, d. h. Anerkennung nur eines Gottes, oder 
Monolatrie (Verehrung eines einzigen). Je bestimmter aber 
der Name Jahwe als Eigenname (ganz wie Zeus, Poseidon etc.) 
auftritt, umso näher liegt die Frage: woher hat Mose eben die- 
sen Namen geschöpft und ihn als den Namen des Gottes Israels 
verkündigt? 1 ). 



*) Wir setzen hierbei als bekannt voraus, daß die scheinbar im 



44 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 5. 

Das nächstliegende ist, daß wir den Namen aus sich selbst, 
d. h. aus der Etymologie, die der Wortform zugrunde liegt, zu 
deuten suchen. Dies scheint umsomehr geboten, als wir wenig- 
stens in einer der Quellenschriften des Pentateuch (bei E), Ex. 
3 13 ff., eine ausdrückliche Deutung des Namens antreffen. Auf 
die Frage Moses, welchen Namen er dem Volke als den seines 
Auftraggebers nennen solle, antwortet Gott: der „ich bin, der 
ich bin" und dann nochmals: „der ich bin" hat mich zu euch 
gesandt. Deutlich wird hier Jahwe als die dritte Person Singu- 
laris des Imperfekts von dem alten Zeitwort häwäh, sein, erklärt. 
Das Imperfekt ist aber im Hebräischen der Modus der Dauer 
sowie der immer wiederholten Betätigung. Jahwe bedeutet nach 
dieser Erklärung somit ebensowohl „der Ewige" (so pflegen die 
heutigen Juden den Namen wiederzugeben) wie „der sich immer 
Gleichbleibende, der Beständige". 

Gegen diese Erklärung sind jedoch die stärksten Bedenken 
erhoben worden. Man hat sie seit Ewald für einen bloßen Ver- 
such erklärt, den längst verschollenen Sinn des uralten Namens 
künstlich zu deuten. Aber eben weil uralt, müsse der Name ei- 
nen sinnlichen Grundbegriff gehabt haben und könne nicht aus 
einer abstrakten Erwägung und metaphysischen Spekulation her- 



Alten Testament überlieferte Form „ Jehova" auf einem christlichen Miß- 
verständnis beruht, indem (zuerst 1518 p. Chr.) die Vokale des Wortes 
'<*dönqj, Herr, als die wirklichen des Gottesnamens betrachtet wurden, 
während sie von den Juden den allein ursprünglichen Konsonanten jhwh 
nur eingefügt wurden, um so zur Vermeidung der wirklichen Aussprache 
des Wortes und zur Ersetzung desselben durch '*dönäj zu ermahnen. 
Die Behandlung des Namens Jahwe als eines „ unaussprechbaren" floß 
aus der übertriebenen Scheu vor der Uebertretung des Verbots Ex. 207. 
Die Spuren dieser Scheu reichen bis ca. 300 vor Chr. hinauf, wenn auch 
das Aussprechen im heiligen Bezirk, z. B. durch den Mund der Priester 
beim Segnen, noch lange als erlaubt galt. Sowohl die Septuaginta wie 
die Apokryphen und das ganze neue Testament brauchen niemals den 
Namen Jahwe, sondern immer 6 xöptog, der Herr. — Von den vier ver- 
schiedenen Möglichkeiten der Aussprache der Konsonanten jhwh (des 
sogenannten Tetragrammaton), nämlich jahwah oder jah a w<Bh y jahwäh 
oder jah a wäh ist mit Recht allmählich die Aussprache jahwceh herrschend 
geworden. Für sie beweist 1. daß nach Epiphanius eine judenchristliche 
Sekte, nach Theodoret die Samaritaner den Namen Iaßd aussprachen, 
2. daß sich in hebräisch-samaritanischen Gedichten der Endvokal von jhwh 
auf« (nicht auf ä!) reimt; 3. daß sich die Verkürzung des Gottesnamens 
zu j e hö [jö] und jähü in Eigennamen wie j e hönätän i j e äa l jähü etc. sprach- 
lich nur aus einem zugrunde liegenden jahwceh erklären läßt. 



§ 5.] Jahwe als Gott Israels von Mose verkündigt. 45 

stammen. Letzterer Einwand würde nun allerdings nur Deutun- 
gen wie „der wahrhaft Seiende" oder „der absolut Seiende" und 
ähnliche treffen, nicht (oder doch nicht im gleichen Maße) die 
einfache Auffassung des Namens als des ewigen und beständi- 
gen, sich lebendig betätigenden Gottes. Hierzu kommt, daß die 
Verwerfung der in Ex. 3 u vorliegenden Deutung zu der Konse- 
quenz führt, daß sich auch die alten Pentateuchquellen über die 
wahre Bedeutung des wichtigsten und heiligsten israelitischen 
Gottesnamens im Irrtum befunden hätten. Sollte aber zur Zeit 
des Elohisten (um 750 v. Chr.) das lebendige hebräische Sprach- 
gefühl wirklich nicht mehr zur richtigen Deutung eines Wortes 
wie Jahwe ausgereicht haben? Es will uns scheinen, als ob diese 
Frage von der jetzt herrschenden Meinung allzurasch verneint 
werde. In diesem Urteile werden wir nur bestärkt, wenn wir die 
überaus mannigfaltigen Erklärungen betrachten, durch die man 
die obige Deutung von Ex. 3u zu ersetzen versucht hat 1 ). Sie 
zerfallen in solche, die gleichfalls von dem Zeitwort häwäh in 
der Bedeutung sein ausgehen, und solche, die eine andere Be- 
deutung dieses Zeitworts annehmen. Die ersteren deuten Jahwe 
als das Imperfekt des Hiph'il, also einer kausativen Konjugation, 
und gewinnen so die Bedeutung „der sein-machende, der Schöp- 
fer". Aber abgesehen davon, daß die alten semitischen Spra- 
chen kein kausativ des Zeitworts häwäh kennen, liegt gerade die 
Idee des Schöpfers dem Sprachgebrauch von Jahwe durchaus 
fern. Allerdings wird Jahwe in der letzten Zeit nach dem Sieg 
des absoluten Monotheismus naturgemäß auch mit den Schöp- 
fungswerken in Verbindung gebracht ; ursprünglich aber haftet 
ihm fast ausschließlich irgendwelche Beziehung zu den Taten und 
Schicksalen des Volkes Israel an. Dies fließt aus seinem Wesen 
als Volksgott, und als solchen, nicht als Schöpfer, hat ihn Mose 
offenbar zuerst verkündigt. Vollends abzuweisen aber ist die An- 
nahme eines Lautwechsels zwischen häjäh und häjäh, leben, sodaß 
also Jahwe (gleichfalls kausativ) den „Leben schaffenden" oder 
gar „wahrhaftes (geistliches) Leben erzeugenden" bedeutete. So 



l ) Grundsätzlich sehen wir hierbei ab von den neuesten Versuchen, 
den Jahwe-Namen (als angeblich durch Kanaaniter in Babylonien im- 
portiert) in uralten Keilinschriften nachzuweisen (so z. B. Delitzsch in 
dem vielbesprochenen Vortrag über „Babel und Bibel tf (Leipzig 1902), 
S. 46 f. Denn Lesung und Deutung der betreffenden Namen sind noch 
immer Gegenstand des Streits unter den Assyriologen. 



46 IHe Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 5. 

ansprechend diese Deutung inhaltlich erscheinen mag, so schei- 
tert sie doch an den Gesetzen des Lautwechsels, die eine Ver- 
tauschung von h und h im Anlaut des Wortes ausschließen» 

Unter den Erklärungen, die von einer anderen Bedeutung 
des Wortes ausgehen, hat besonders die Zurückführung auf 
häwähj fallen (so besonders de Lagarde und Stade) Beifall ge- 
funden, sei es, daß man dann Jahwe als „den Fallenden" deutet, 
d. h. ursprünglich als einen vom Himmel gefallenen und deshalb 
als göttlich verehrten Meteorstein (ein sogenanntes Baityl ; siehe 
unten bei der heiligen Lade), oder, wiederum kausativ, als „den 
(durch Blitze) fallenden", also als Gewittergott. 

Für die letztere Deutung würde wenigstens eine Reihe von 
Momenten sprechen, die von Anfang an mit der Vorstellung von 
Jahwe verbunden erscheinen. Jahwe erscheint vor allem als ein 
Gott der Wüste, denn Mose soll das Volk zunächst (Ex. 3 is. 5 » 
u. a.) in die Wüste führen, um dort Gott durch Opfer zu vereh- 
ren. In der Wüste aber sind die Gewittererscheinungen am präch- 
tigsten; der naturgemäße Sitz des Gewittergottes ist demnach 
ein oft von Blitzen umzucktes Wüstengebirge wie der Sinai. Da- 
zu kommt, daß Donner und Blitz und Gewitterwolken nicht bloß 
bei den Erscheinungen Jahwes bei der Gesetzgebung am Sinai 
(Ex. 19 n—W. 20 18 u. a.) eine hervorragende Rolle spielen, son- 
dern auch fast bei allen späteren Theophanien, mögen sie nun 
als geschichtliches Faktum, wie Jud. 5 4 f. 1 Kön. 19 u ff., oder als 
prophetische Vision (wie Jes. 30 27 f. Mich. 1 sf. Nah. 1 sff. Hab. 
3 3 ff.) oder auch als dichterische Schilderung (Ps. 18 «ff. 77isff. 
97 äff.) erscheinen. Immerhin sind jedoch diese Belege nicht 
ausreichend, um zu beweisen, daß Jahwe ursprünglich nur als 
Gewittergott gegolten habe. Zu allen Zeiten haben Blitz und 
Donner als die vornehmsten Attribute und Erweise göttlicher 
Majestät und Herrlichkeit gegolten, und nichts ist natürlicher, 
als daß sie auch dem Gott Israels zugeschrieben wurden, insbe- 
sondere dann, wenn er zu außerordentlichen Zwecken erschien, 
sei es zur Bekämpfung und Züchtigung der Feinde des Volks 
oder zum feierlichen Abschluß des Bundes mit ihm. 

Nach alledem werden wir die oben erwähnten Versuche 
einer anderen Deutung des Namens Jahwe, als sie Ex. 3 1« 
gegeben wird, auf sich beruhen lassen müssen. Dies gilt unse- 
res Erachtens auch von der Erklärung Wellhausens, nach 
dem der onomatopoetische Stamm häwäh, hauchen, zugrunde 



§ 5.] Jahwe als Gott Israels von Mose verkündigt. 47 

liegt, Jahwe also den Haucher (also schließlich doch auch den 
Wettergott !) bedeutet. 

Muß man nun darauf verzichten, den Ursprung der J ahwe- 
vorstellung auf dem Wege der Etymologie zu ermitteln, so bietet 
sich vielleicht eine andere Möglichkeit, dem von Mose verkün- 
digten Gott eine Heimat anzuweisen. — Mose war aus Aegypten 
nach dem Sinai geflohen; dort hatte er sich mit dem Priester 
eines midianitischen (nach anderer, speziellerer Ueberlieferung: 
eines kenitischen) Stammes verschwägert. Dort war ihm der auf 
dem Sinai thronende Gott erschienen und hatte ihn zu seinem 
Werkzeug berufen. Dorthinführte er die befreiten israelitischen 
Stämme und dort wurde ihnen feierlich der Wille des Sinai-Got- 
tes verkündigt und der Bund mit diesem geschlossen. Was heißt 
das anderes, als : Mose lernte am Sinai Jahwe, den Gott der Re- 
mter, kennen und verkündigte ihn fortan als den Gott Israels? 
In Wahrheit wäre somit Jahwe für Israel ursprünglich ein schlecht- 
hin fremder Gott, und es ist lediglich ein naiver Anachronismus, 
wenn die jahwistische Quellenschrift den Jahwenamen schon in 
ihrer Schöpfungsgeschichte (Gen. 2 4 ff.) verwendet und die Ver- 
ehrung Gottes unter diesem Namen schon durch Eno§, den 
Enkel Adams, beginnen läßt. 

Diese „Keniter-Hypothese* hat nach dem Vorgang Stades 1 ) 
vielfachen Beifall gefunden, und es läßt sich nicht bestreiten, daß 
sie viel Beachtenswertes enthält. Vor allem scheint für sie zu 
sprechen, daß der Sinai (offenbar gleichbedeutend mit dem Horeh 
anderer Quellen) 2 ) nicht bloß während des Auszugs des Volkes 
Israel, sondern bis weit in die Königszeit hinein als der eigent- 
liche Wohnsitz Jahwes gegolten hat (vgl. Jud. 5 5 und die davon 
abhängigen Stellen Deut. 33 % f. Hab. 3 s. Ps. 68 e, sowie beson- 
ders 1 Kön. 19 8, wo Elia zum Horeb 'wandert, um sich ein Orakel 
seines Gottes zu holen). Dies war doch nur möglich, wenn Jah- 
we nach der allgemeinen Ueberzeugung des Volks schon vor der 
Berufung Moses dort gethront hatte. Weiter aber legt man das 
stärkste Gewicht auf die Erzählung Ex. 18 3 ), denn diese bedeute 

*) Geschichte des Volkes Israel I, 130 ff. 

8 ) Wir sehen hierbei von der Streitfrage ab, ob auch schon in der 
ältesten Ueberlieferung Sinai und Horeb wirklich identisch waren, 
und wo der in den jetzigen Berichten gemeinte Sinai oder Horeb eigent- 
lich zu suchen sei. 

8 ) So besonders Büdde, Die Religion des Volkes Israel (Gießen 1900), 
S. 17 ff. 



48 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai [§ 5. 

geradezu die Aufnahme Israels in den Jahwekult der Keniter. 
Jethro freut sich (V. » ff.) der Machtbeweise, die sein Gott Jah- 
we zugunsten Israels gegeben bat ; er findet dadurch bestätigt, 
daß dieser sein Gott mächtiger sei als alle Götter, veranstaltet 
alsdann ein Opfermahl zu Ehren seines Gottes und läßt Aaron 
und alle Vornehmen Israels daran teilnehmen — mit anderen 
Worten: er, der kenitische Priester, eröffnet ihnen am Sinai, dem 
Wohnsitz seines Gottes, den Zugang zum Kult desselben. Und 
eben darum ist nach Budde (a. a. O. S. 31) die Religion Israels 
eine ethische geworden, weil sie eineWablreligion, keine Natur- 
religion war. 

Die Möglichkeit eines solchenZusammenhangs der Dinge 
soll nicht bestritten werden. Immerhin fehlt es auch nicht an 
gewichtigen Gegengründen. Zwar kann der Hinweis auf den Si- 
nai als den eigentlichen Wohnsitz Jahwes nicht dadurch ent- 
kräftet werden, daß dieser ja auch bei dem Volke in Aegypten 
und während des Auszugs (wie auch später in der Wüste) gegen- 
wärtig ist; ein vorübergehendes Erscheinen an anderer Stelle 
schließt doch einen festen Wohnsitz nicht aus. Aber konnte nicht 
der Sinai (oder Horeb) auch für einige israelitische Stämme längst 
der „Berg Gottes" gewesen sein, wie dies Ex. 427 vorausgesetzt 
zu sein scheint? Dies würde besonders dann wahrscheinlich sein, 
wenn die Annahme berechtigt ist, die neuerdings von vielen ge- 
teilt wird, daß nicht alle israelitischen Stämme in die ägyptische 
Sklaverei geraten seien, ein Teil derselben vielmehr in der Nähe 
des Sinai nomadisiert und den dort thronenden Gott längst ver- 
ehrt habe. Das Werk Moses hätte dann darin bestanden, daß er 
den Sondergott einzelner Stämme als den Gott der Gesamtheit ver- 
kündete und zur Anerkennung brachte. Das sind allerdings nur 
Vermutungen, aber sie entsprechen einer Tatsache, die unseres 
Erachtens von den Vertretern der Keniterhypothese viel zu we- 
nig berücksichtigt wird: daß nach der einstimmigen Vorausset- 
zung auch der alten Pentateuchquellen Israel in Jahwe nicht ein 
schlechthin neuer und darum unbekannter Gott verkündigt wor- 
den ist. 

Daß der Jahwist von allem Anfang den Jahwenamen braucht 
und ihn von den Ahnen Moses und seiner Zeitgenossen gekannt 
und verehrt denkt, wurde schon oben erwähnt. Dagegen nehmen 
E (Ex. 3 13 ff.) und P (6 2 ff.) an, daß er erst dem Mose und durch 
ihn dem Volke kund wurde. Dabei ist jedoch die Meinung die- 



§ 5.] Jahwe als Gott Israels von Mose verkündigt. 49 

ser Quellen keineswegs, daß dem Volke darum der Gott selbst 
unbekannt gewesen sei. Dafür berufen wir uns nicht einmal auf 
die mehrmalige Bezeichnung Jahwes als des Gottes Abrahams, 
Isaaks und Jakobs (Ex. 3 e. isf. 4 5). Denn es wäre denkbar, daß 
dieser Hinweis auf den Gott der Erzväter überall erst eingescho- 
ben wäre, um so nachträglich die von den Erzvätern hergeleite- 
ten kanaanitischen Kultstätten als Heiligtümer desselben Got- 
tes zu legitimieren. Aber durch die Anerkennung einer derar- 
tigen Interpolation würde doch die Tatsache nicht hinfällig, daß 
auch die alten Pentateuchquellen in Jahwe den Gott der Vor- 
väter Israels erblicken. Gleich bei der ersten Erwähnung (Ex. 36) 
heißt er „der Gott deines Vaters" (Moses); er hat die Bedrückung 
seines Volks in Aegypten angesehen und will es nun erretten 
(V. 7ff.) ; dem Pharao gegenüber soll sich Mose auf „ den Gott der 
Hebräer" berufen (V. is; vgl. auch 5 s. 7 w. 9 1. 13. 10 s). Mag nun 
auch in der Bezeichnung „Hebräer" ein Anachronismus liegen, 
jedenfalls besteht in den genannten Stellen nirgends die Voraus- 
setzung, daß Jahwe erst seit der Berufung Moses zum „Gott der 
Hebräer" geworden wäre, sondern er ist es längst gewesen. Wenn 
nun Mose trotzdem als der Begründer der Jahwereligion be- 
trachtet wird, so läßt sich dies nur so verstehen, daß er den Gott 
eines oder auch mehrerer Stämme, ja vielleicht nur den Gott 
eines bestimmten Geschlechts als den der Gesamtheit verkündete. 
Dann war es eben nicht ein schlechthin fremder und neuer Gott, 
sondern ein solcher, dessen Macht und Hilfe von einem Teile der 
Volksgenossen bereits erprobt war, während die Verkündigung 
des noch unerprobten Gottes der Keniter schwerlich so rasche 
Anerkennung gefunden hätte. Für alles weitere sind wir aller- 
dings lediglich auf Vermutungen angewiesen. Das Wahrschein- 
lichste wird immer bleiben, daß Jahwe mit dem eignen Stam- 
me Moses, dem Stamme Levi, in Zusammenhang stand. 
Diese Hypothese hat mindestens dasselbe Recht, wie die, die ihn 
zum Gott der Rahelstämme macht. 

Was aber die Begründung der Keniter-Hypothese durch 
Ex. 18 anlangt, so ist auch uns zweifellos, daß dort die Kultge- 
meinschaft der Israeliten und Keniter bezeugt werden soll. Aber 
dies ist etwas anderes als „die Aufnahme Israels in den Jahwe- 
kult der Keniter". Die Kultusgemeinschaft Israels und der Ke- 
niter war eine Tatsache; Ex. 18 berichtet ihren geschichtlichen 
Ursprung. Ueber den Ursprung des Jahwismus in beiden Völ- 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 4 



50 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 5. 

kern wird dabei nicht weiter reflektiert. Daß Jethro das Opfer- 
mahl veranstaltet, ist hinreichend dadurch motiviert, daß er als 
am Ort ansässig den Fremden gegenüber Gastrecht zu üben hat. 
Ueber das geistige und sittliche Wesen Jahwes nach dem 
Glauben Moses und seiner Zeitgenossen wird weiter unten zu 
reden sein. Dagegen bedarf es hier noch eines Wortes über die 
Vorstellungen von Jahwes leiblicher Persönlichkeit. Denn daß 
ihm eine solche — und zwar menschlische Leiblichkeit — da- 
mals und noch Jahrhunderte später zugeschrieben wurde, ist an- 
gesichts einer Reihe der stärksten Zeugnisse unleugbar, und 
wenn Ex. 20 4. Deut. 5 8 eine jede bildliche Darstellung Jahwes 
verboten sein sollte, so wäre auch das noch keine absolute Ver- 
neinung seiner menschlichen Leiblichkeit. Jedenfalls aber hat 
die Anfertigung von Jahwebildern bis etwa ins 8. Jahrhundert 
als unverfänglich gegolten, wenn auch höchst wahrscheinlich zwi- 
schen den von uralten Zeiten her überlieferten hölzernen und stei- 
nernen Schnitzbildern und den metallenen Gußbildern ein Unter- 
schied gemacht wurde ; letztere waren ohne Zweifel kanaaniti- 
schen Ursprungs und daher für den Jahwekult verpönt (Ex. 34 17; 
von einem Verbot der Schnitzbilder verlautet in dieser sicher 
alten Stelle nichts) x ). Und wenn Erzählungen wie Gen. 3 8 f. und 
die ältere Gestalt von Gen. 18 auch erst in Kanaan entstanden 
sind, so wird doch hier die Menschengestalt Jahwes als so selbst- 
verständlich vorausgesetzt, daß darin nur der Nachhall einer all- 
verbreiteten älteren Vorstellung erblickt werden kann. Auch die 
zahllosen Hinweise auf menschliche Glieder Jahwes (Auge, Oh- 
ren, Nase, Hand, Fuß usw.) mögen in späterer Zeit als bewußte 
Anthropomorphismen, d. h. als sprachliche Notbehelfe zur Dar- 
stellung des Wirkens einer rein geistigen Persönlichkeit betrach- 
tet worden sein : ursprünglich sind sie gewiß nichts anderes als 
der buchstäblich gemeinte Ausdruck der herrschenden Vorstel- 
lung von Jahwes menschlischer Leiblichkeit 2 ). 

*) Wenn EKönig in der Abhandlung über „Die Bildlosigkeit des 
legitimen Jahwekultus " (Zeitschr. für kirchliche Wissenschaft und kirch- 
liches Leben 1886, Heft 5. 6; auch separat als „Beiträge zum positiven 
Aufbau der Religionsgeschichte Israels 11 I, Leipzig 1886) die Zulässigkeit 
von Jahwebildern im legitimen Jahwekultus für alle Zeiten bestreitet, 
so entspricht dies nach Obigem, sowie aus später von uns zu erörtern- 
den Gründen nicht dem Tatbestand. 

2 ) Eine andere Frage ist, ob das Theologumenon vom „ Engel Jah- 
wes" als einer vorübergehenden Erscheinung Jahwes bereits der mosai- 



§ 5.] Jahwe als Gott Israels von Mose verkündigt. 51 

Nun hat sich allerdings über Jahwebilder in Menschenge- 
stalt zur Zeit Moses in den alten Pentateuchquellen keine Notiz 
erhalten; auch des „Ephod", der am sichersten als Jahwebild 
zu betrachten ist, haben wir erst in der nächsten Periode zu ge- 
denken. Dagegen findet sich 2 Kön. 18 4 die befremdliche Nach- 
richt, daß Hiskia eine von Mose verfertigte eherne Schlange zer- 
trümmert habe, der bis dahin unter dem Namen n'hustän (der 
eherne) von den Israeliten geräuchert worden sei. Letzterer Aus- 
druck kann nur auf göttliche Verehrung durch Opfer gehen. 
War dann der n n e huMän u ein Jahwebild? Das ist schwer denk- 
bar und ohne alle sonstige Analogie. War er aber Darstellung 
irgend eines Dämon, wie konnte er dann auf Mose zurückgeführt 
und bis auf Hiskia göttlich verehrt werden ? Der Verweis auf 
Num. 21 s f. vermag das Rätsel nicht zu lösen, da in dieser Peri- 
kope doch wohl nur eine nachträgliche Motivierung (und Recht- 
fertigung) eben der bekannten ehernen Schlange zu Jerusalem 
vorliegt. Das Wahrscheinlichste ist, daß die Herleitung jenes 
Idols von Mose auf irgend ein Mißverständnis des Volksglaubens 
zurückzuführen ist. 

Dagegen haben sich die deutlichsten Spuren einer anderen, 
bis zu Mose hinaufreichenden, sichtbaren Repräsentation Jah- 
wes erhalten in der Geschichte der heiligen Lade. Die alte 
und ursprüngliche Bezeichnung derselben lautet einfach „die 
Lade Jahwes" oder „die Lade Gottes". Erst die deuteronomisti- 
schen Schriftsteller (Deut. lOiff. 3126. 1 Kön. 89) kennen die 
Lade als Behälter der beiden steinernen Gesetzestafeln, die Mose 
am Horeb von Gott empfangen hatte, und nennen sie daher „die 
Lade mit dem Gesetze Jahwes" 1 ). Wo sich diese Bezeichnung in 
alten Erzählungen findet (wie z.B. 1 Sam.4 3— 5, aber nicht mehr 
V. 11. 17. 19. 22), ist b'rii erst nachträglich von deuteronomistischen 
Händen eingefügt; die Septuaginta kennen es in den oben ange- 
führten Stellen noch nicht. 

Da die Lade Jahwes in beiden alten Pentateuchquellen als 
hochheiliges Gerät während des Wüstenzugs hervorgehoben wird, 

sehen Zeit angehört. Wir werden diese, wie einige andere Offenbarungs- 
formen Jahwes („Angesicht, Name, Herrlichkeit 1 *) erst im Rahmen des 
Jahwismus der ausgehenden Richterzeit und ersten Königszeit behandeln. 
l ) Die übliche Uebersetzung „ Bundeslade " verkennt, daß hier mit 
b*rit nicht Bund, sondern eben nur das Gesetz gemeint sein kann, 
auf das der Bund gegründet war. Der Priesterkodex sagt für b<rit in 

gleicher Bedeutung 'edüt, Zeugnis (Ex. 25 16 und oft). 

4* 



52 Di e Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 5. 

so muß irgendwo auch ihr Ursprung von ihnen berichtet worden 
sein. Und zwar muß dieser Bericht, der jetzt (wegen der Nähe 
des ganz anders lautenden Berichts von P, Ex. 25ioff.) ausge- 
lassen ist, vor Ex. 33 7 ff. gestanden haben. Hier wird plötzlich 
von dem Zelt geredet, welches Mose jedesmal draußen vor dem 
Lager aufgeschlagen und „Offenbarungszelt" genannt habe. Das 
ist derselbe Name, den auch der Priesterkodex (freilich in ande- 
rem Sinne) für das Zelt braucht, in welchem die heilige Lade ge- 
borgen war. Vor Ex. 33 7 muß also erzählt gewesen sein, daß 
Mose von dem Schmuck, den die Israeliten am Horeb ablegten 
(V. e), die Lade und das sie bergende Zelt anfertigte, und zwar 
(wie man aus V s schließen muß) die Lade als einen Ersatz für 
die persönliche Gegenwart Jahwes, die dem halsstarrigen Volke 
tödlich sein würde. 

Wie dieser Ersatz der persönlichen Gegenwart Jahwes ge- 
meint ist, ergibt sich unwiderleglich aus zwei uralten Versen, die 
uns Num. 10 35 f. (wohl vom Jahwisten) aufbewahrt sind. Es 
heißt dort: „Wenn aber die Lade (die nach V. ss dem Volke vor- 
anzog, um ihm einen Lagerplatz zu erspähen) sich in Bewegung 
setzte, sprach Mose: 

Mache dich auf, Jahwe! damit sich deine Feinde zerstreuen, 
und deine Widersacher vor dir fliehen ! 

Und wenn sie sich niederließ, sprach er : 
Kehre wieder, Jahwe, zu den Myriaden der Tausende Israels! 

Hier erscheinen also Jahwe und die Lade so gut wie iden- 
tisch. Nicht als ob tatsächlich dieser hölzerne Kasten Jahwe 
dargestellt hätte. Aber seine Gegenwart erschien doch unzer- 
trennlich mit der Lade verbunden ; wo sie erschien, da war Jah- 
we und zeigte sich wirksam. Diese Vorstellung wird uns bis in 
die Zeit Salomos häufig und ausdrücklich bezeugt. Num. 14 42 ff. 
wird die Niederlage durch die Amalekiter aus der Abwesenheit 
der Lade erklärt. Nach 1 Sam. 3 3 schlief der junge Samuel im 
Tempel Jahwes zu Silo da, wo die Gotteslade stand ; damit wird 
die nächtliche Offenbarung Jahwes an Samuel erklärt. Als die 
Söhne Elis die Lade Jahwes ins Kriegslager gebracht haben, 
„damit er in unsere Mitte komme und uns aus der Hand unserer 
Feinde errette" (1 Sam. 4 3), da rufen die Philister — gewiß ganz 
im Sinn des hebräischen Erzählers — „ Gott ist zu ihnen ins La- 
ger gekommen . . . Wer wird uns aus der Hand dieses gewaltigen 
Gottes erretten" usw. (V. 7 f.). Mit der Lade ist die „Herrlich- 



§ 5.] Jahwe als Gott Israels von Mose verkündigt. 53 

keit", d. h. die Gegenwart Jahwes, von Israel fortgewandert 
(V. 22). Vor dem in der eroberten Lade gegenwärtigen Jahwe als 
dem mächtigeren Gott fällt derDagon der Philister auf sein An- 
gesicht und stürzt sich gleichsam zu Tode, als man ihn dennoch 
wieder an seine Stelle setzt (1 Sam. 5 1 ff.). Den anderen Philister- 
städten bringt die Lade Jahwes die Pest (V. 9 ff.). Aber auch 
den Israeliten von Bethschemesch wird der Anblick der von den 
Philistern zurückgebrachten Lade verderblich (6 19 f.), so daß sie 
ausrufen : Wer vermag in der Nähe Jahwes, dieses heiligen Got- 
tes, zu bestehen ! Und als David die Lade Gottes, „die nachdem 
Namen Jahwes der Heerscharen genannt war" (2 Sam. 61 ff.), 
nach Jerusalem holte, tanzten er und das ganze Haus Israel „vor 
Jahwe her" (V. 5; vgl. auch V. 14. ie. 21). Ussa aber wird von Jah- 
we auf der Stelle getötet, weil er in bester Absicht mit der Hand 
nach der wankenden Lade gegriffen hat. 

Es bedarf keines Wortes, daß alle diese Aussagen sinnlos 
sein würden, wenn die Lade nichts weiter als der Behälter der 
Gesetzestafeln und nicht eineBepräsentation und Bürgschaft der 
Gegenwart Jahwes gewesen wäre. Um so gebieterischer drängt 
sich uns die Frage auf, aus welchem Grunde der heiligen Lade 
eine so hohe Bedeutung zugeschrieben werden konnte. Leider 
sind wir auch hier wieder nur auf Vermutungen angewiesen. Das 
Wahrscheinlichste bleibt noch immer, daß sie analog den heiligen 
Laden anderer Religionen 1 ) Steine enthielt und zwar wohl einen 
oder mehrere Meteorsteine (Baitylien), schwerlich dagegen ein 
steinernes Gottesbild 2 ). Weiter aber ist aus zahlreichen Spuren 



*) Vgl. dazu Schwally, Semit. Kriegsaltertümer 1, S. 9 ff. 

2 ) Aus der umfänglichen neueren Literatur über die heilige Lade 
heben wir hervor: FSeyking, Der alttestam. Sprachgebrauch in betreff 
des Namens der sogen. „Bundeslade " (ZATW XI, S. 114 ff.); LCouaed, 
Die religiös-nationale Bedeutung der Lade Jahves (ebenda XII, S. 53 ff.). 
Nach ihm enthielt die Lade Steinfetische, in denen man Jahwe gegen- 
wärtig glaubte, daher die Lade und ihr Inhalt in der ältesten Zeit mit 
Jahwe selbst identifiziert wurde. Nach Kbaetzschmar (Die Bundesvor- 
stellung im Alten Testament, Marburg 1896, S. 208 ff.) barg die Lade 
höchstwahrscheinlich die Steine, die beim Bundesschluß der Rahelstämme 
verwendet worden waren, dagegen nach Jentzsch überhaupt Steine vom 
Sinai als Repräsentation dieses Wohnsitzes Jahwes. WReichel, Ueber 
vorhellenische Götterculte (Wien 1897, S. 23 ff.) erklärte die Lade für 
einen tragbaren Thron Jahwes, eine Meinung, die 1898 von Budde (in 
Expository Times IX, 398 f.) bekämpft, trotzdem aber von Meinhold (Die 
Lade Jahwes. Tüb. und Leipzig 1900; vgl. auch den „Nachtrag" dazu 



54 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 5. 

sicher, daß die Lade in erster Linie Jahwe als Kriegsgott reprä- 
sentierte. Dafür spricht einerseits, daß sie bis zur Zeit Davids 
(vgl. 2 Sam. 7 2. e) in der Regel in einem Zelt aufgestellt war, 
dem naturgemäßen Aufenthaltsort im Kriege (auch im Tempel 
zu Silo kann sie, wie nach 2 Sam. 6 17 in der Davidsburg, in ei- 
nem Zelte gestanden haben), andererseits, daß sie in den Ge- 
schichtsbüchern auffällig oft mit dem Namen Jahwe Zebaoth, der 
Bezeichnung des Kriegsgottes (vgl. darüber das nächste Ka- 
pitel!), in Verbindung gebracht wird. Dazu kommen die di- 
rekten Zeugnisse über diese Bedeutung der Lade inNum. 10 35 f. 
(8. o.), 14 42 ff. (s. o.), Jos. 6 e flf., wo die Lade den Einsturz der 
Mauern Jerichos bewirkt, 1 Sam. 4 s ff. (s. o.), 2 Sam. 11 11, wo 
die Lade im Lager von Rabbath Amon weilt, 2 Sam. 15 24 ff., wo 
die Lade nach der Meinung der Priester den Sieg über Absalom 
verbürgen soll. Ob allerdings die Lade von Anfang an ein Hei- 
ligtum aller Stämme war oder nur (wie Stade, Geschichte des 
Volkes Israel I, 458 will) das kriegerische Palladium der Jose- 
phiden oder des josephidischen Stammes Ephraim, weil wir sie 
1 Sam. 1 ff. als Stammesheiligtum von Silo antreffen, läßt sich 
nicht sicher ausmachen. Für ein ursprüngliches Heiligtum aller 
Stämme spricht jedoch nicht nur die schwerlich anfechtbare Her- 
leitung von Mose, sondern auch das 1 Sam 4 Erzählte und ganz 
besonders das offenbare Gewicht, das David auf die Herein- 



in den Theolog. Studien u. Kritiken 1901, S. 593 ff.) nachdrücklich wie- 
der aufgenommen ward. Nach ihm bedeutet die Lade ursprünglich den 
wandernden Felsenthron des auf dem Sinai thronenden Gottes; die Hut 
dieses einzigen vorkanaanäischen Gesamtheiligtums der Hebräer habe 
sich in der Familie Moses fortvererbt. Für die Auffassung Meinholds 
scheint zu sprechen, daß nach Jer. 3 17 dereinst ganz Jerusalem als 
Thron Jahwes an die Stelle der Lade treten soll, und daß noch der 
Priesterkodex (z. B. Num. 7 89) den Deckel der Bundeslade als den Thron- 
sitz Jahwes zu betrachten scheint, von dem aus er sich Mose offenbart 
habe. Durch alles dies wird aber Buddes erneuter Hinweis (ZATW 
1901, S. 193 ff.) nicht widerlegt, daß das hebr. Wort 'ärön nichts ande- 
res als Kasten oder Lade bedeute, und daß man so nicht einen Thron 
habe nennen können. Daran konnte auch Reichels nochmalige Be- 
leuchtung seiner Hypothese (in den theologischen Arbeiten aus dem 
wissenschaftlichen Rheinischen Predigerverein, Tüb. 1902, S. 28 ff.) nichts 
ändern. Anderseits war die strikte Verteidigung der deuteronomistischen 
Tradition durch Lotz (Die Bundeslade, Erlangen u. Leipzig 1901, in der 
Festschrift zum 80. Geburtstag des Prinzregenten von Bayern) angesichts 
des exegetischen Tatbestands (allein schon von Num. 10 35) ein vergeb- 
liches Bemühen. 



§ 5.] Jahwe als Gott Israels von Mose verkündigt. 55 

holung der Lade in die neueroberte Residenz Jerusalem legt (2 
Sani. 6). Hätte David nicht befürchten müssen, wenn die Lade 
das Palladium eines fremden Stammes war, diesen durch ihre 
Aneignung auf das schwerste zu verletzen? War sie aber noto- 
risch die Repräsentation des Gottes Israels in den „Kriegen »Jah- 
wes" gewesen, dann war sie vorzüglich geeignet, als Wahrzeichen 
der nunmehr innig vereinigten Stämme am Herrschersitz aufge- 
stellt zu werden. 

Im Anschluß hieran mag gleich hier das Nötige über die 
weiteren Schicksale der Lade bemerkt sein. Seit ihrer Ueber- 
führung in den dunklen Hinterraum des Tempels Salomos (1 Kön. 
8 4. e ff.) wird nie mehr berichtet, daß sie, bis zur Zerstörung des 
Tempels 586, diesen Ort wieder verlassen habe — es müßte sich 
denn in Psalm 24 7 ff., wo die Tempel tore bereits als „uralte Pfor- 
ten" angeredet werden, ein Hinweis auf den mit der Lade aus 
einem Feldzug heimkehrenden Kriegsgott, Jahwe Zebaoth (V.io), 
erhalten haben. Daß die Lade auch im Salomonischen Tempel 
noch lange als Repräsentation der Gegenwart Jahwes betrachtet 
wurde, ergibt sich ebensowohl aus den sehr alten Versen 1 Kön. 812, 
die sich nur auf den Aufenthalt der Lade im dunklen Hinterraum 
des Tempels beziehen können, wie aus der Aufstellung der Lade 
unter den Flügeln zweier großer Kerubgestalten (1 Kön. 8 6 f.). 
Wie anderwärts zeigen die Kerube auch hier die Nähe der Gott- 
heit an. Die zunehmende Vergeistigung des Gottesbegriffs in der 
prophetischen Zeit konnte jedoch an der alten, grobsinnlichen 
Auffassung der Lade unmöglich festhalten. Aus einer Darstel- 
lung der Gegenwart Jahwes wird sie zu einem bloßen Symbol 
derselben. Ja, in den deuteronomistischen Aussagen finden wir 
sie einer eigenen Bedeutung fast ganz entkleidet. Als Behälter 
der Gesetzestafeln ist sie nur Mittel zum Zweck und hätte eben- 
sogut auch durch ein anderes Gefäß ersetzt werden können; denn 
ehrwürdig und heilig war sie nur durch ihren Inhalt. Soll man 
nun annehmen, daß man wirklich irgendwann die alten Stein- 
fetische in ihr, deren man sich schämte, durch Steintafeln mit 
einer Kopie des Dekalogs ersetzte? Dies wäre doch nur denkbar, 
wenn eine periodische Oeffnung der Lade, etwa bei einer be- 
stimmten Festfeier, anzunehmen wäre. Aber auch Deut. 31 26 
ist nur von einer Niederlegung des Gesetzbuchs neben der Lade 
die Rede. Oder knüpft die deuteronomistische Angabe wenig- 
stens an die Erinnerung an, daß sich ursprünglich Steine in der 



56 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 5. 

Lade befunden hatten ? Eine Beantwortung dieser Fragen ist für 
uns unmöglich. 

Dagegen verdient alle Beachtung, daß die heilige Lade in den 
Theorieen des Priesterkodex sowohl als Offenbarungsstätte (Ex. 
25 22. Lev. 16 2. Num. 7 s»), wie für die Opferpraxis (Lev. 16 14 ff.) 
eine hochwichtige Rolle spielt, obschon auch nach dieser Quelle 
(Ex. 25 16. 21) die Lade eigentlich nichts anderes ist, als der Be- 
hälter des „Zeugnisses", d. h. doch auch der Gesetzestafeln. Aber 
wie in so manchen anderen Punkten vermag sich auch der Prie- 
sterkodex von der alten Anschauung über die Lade nicht ganz 
loszumachen. Freilich ist sie nicht mehr mit Jahwe identisch, 
aber doch eine hochheilige Stätte seiner Offenbarung. Darauf 
deuten noch immer die Kerubgestalten, nur daß sie nicht mehr 
wie im Salomonischen Tempel zu beiden Seiten der Lade stehen, 
sondern, aus gediegenem Gold gefertigt, an den Enden der Deck- 
platte (der „Kapporeth") angebracht sind (Ex. 25 17 ff.). Dorthin 
muß nach Lev. 16 14 ff. das Blut der wichtigsten Sühnopfer des 
ganzen Jahres gesprengt werden, wenn es Jahwe so nahe als mög- 
lich gebracht werden soll. 

Diese Aussagen und Forderungen des Priesterkodex sind 
um so befremdlicher, als über den Untergang der Lade bei der 
Zerstörung des Tempels 586 kein Zweifel bestehen kann 1 ). Dem 
entspricht, daß Hesekiel in seinem Entwurf der Neuordnung der 
Theokratie der Lade nicht mehr gedenkt, und daß das Allerhei- 
ligste des zweiten Tempels nach unanfechtbarer jüdischer Ueber- 
lieferung völlig leer war. Die Aussagen des Priesterkodex, wel- 
che die Lade voraussetzen, stammen somit aus solchen Priester- 
kreisen, die eine Erneuerung der Lade für nötig hielten, mit 
dieser Absicht aber schließlich nicht durchdrangen. 
Für den Eifer, mit dem man zu einer gewissen Zeit über die Er- 
neuerung oder Nichterneuerung der heiligen Lade diskutierte, 
legt die (erst später in das Jeremiabuch aufgenommene) Stelle 
Jer. 3 16 ein sehr instruktives Zeugnis ab. Sie ist das Votum ei- 
nes prophetisch gerichteten Mannes, und dies lautet dahin: wenn 
erst die Verbannten heimgebracht und von Hirten nach dem 
Herzen Gottes geweidet werden, — wenn so Jerusalem eine 
Stätte wahrhafter Gottesverehrung auch für die Heiden gewor- 

*) Was 2 Makk. 2 5 ff. über die Verbergung des Zeltes (!), der Lade 
und des Räucheraltars in einer Höhle des Berges Nebo durch Jeremia 
berichtet wird, fällt natürlich außer Betracht. 



§ 6.] Das eigentliche Wesen des Jahwismus als d. Relig. Israels. 57 

den ist, dann bedarf es eines äußerlichen Zeichens der Gegen- 
wart Jahwes, also auch der Lade, nicht mehr ! 

§ 6. Das eigentliche Wesen des Jahwismus als der Religion 

Israels. Der „Bund" am Sinai. 

Zur Literatur: Kirchneb, Subjekt und Wesen der Sündenver- 
gebung, bes. auf der frühesten Rel.- Stufe Israels. Theol. St. u. Krit. 
1905, 2. S. 163—188. — PKakge, Geschichte des Bundesgedankens im 
A. Test. 1. Hälfte: I. Die rel. gesch. Möglichkeit des Sinaibundes. IL Der 
Bundesgedanke in den altisraelit. Geschichtswerken. (Diss.) Breslau 
1909. (Auch in JNikels Alttest. Abhandlungen. IL Band, 1.— 4. Heft. 
Münster i. W. 1910). 

Seitdem Josephus *) die Staatsverfassung Israels als „Theo- 
kratie" oder Gottesherrschaft definiert hat, ist diese Bezeichnung 
unendlich oft wiederholt und ihre Geltung meist auch schon auf 
die von Mose begründete Staats- und Religionsform ausgedehnt 
worden. Eben als „Theokratie" habe sich die von ihm gestiftete 
Religion von allen anderen unterschieden, d. h. als ein so geord- 
neter Staat, daß alle Regierungsorgane ohne selbständige Macht- 
befugnisse nur den durch Priester und Propheten verkündigten 
oder in schriftlichen Gesetzen niedergelegten Willen Gottes zu 
verkündigen und auszuführen haben. Diesem Ideal entsprach 
Gideon, als er (Jud. 8 22 f.) für sich und seinen Sohn die Königs- 
würde ablehnte, denn „Jahwe soll über euch herrschen 44 . Dage- 
gen verleugnete das Volk nach der 1 Sam. 8. 10 17 ff. und 12 vor- 
liegenden Auffassung frevelhaft die Idee der Theokratie, als es 
von Samuel einen König forderte. „Nicht dich haben sie ver- 
worfen 44 , spricht Gott 1 Sam. 8 7 zu Samuel, „sondern mich ha- 
ben sie verworfen, daß ich nicht mehr König über sie sein soll". 
Wird hier nicht mit der Forderung der Theokratie voller Ernst 
gemacht, und sie als das allein berechtigte hingestellt ? 

So verhält es sich in der Tat. Aber das ist nicht die An- 
schauung der älteren Königszeit — diese erblickt im Königtum 



*) Contra Apionem II, 16 (Niese, Fl. Josephi opera V, S. 75, § 164 f.): 
„Die einen übertrugen der Herrschaft eines einzigen, andere der Gewalt 
Weniger, noch andere der Volksmenge die Regierung des Staatswesens. 
Unser Gesetzgeber dagegen richtete auf nichts derartiges sein Absehen, 
sondern schuf, wenn wir einen etwas kühnen Ausdruck wagen dürfen, 
ein Staatswesen in Gestalt einer Theokratie, indem er Gott die 
Herrschaft und die Macht zuschrieb." Die Ausdrucksweise des Josephus 
an dieser Stelle zeigt, daß er sich bewußt ist, in dem Worte , Theokra- 
tie* eine neue Bezeichnung zu prägen. 



58 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 6. 

vielmehr eine Segensgabe zur Errettung des Volks (1 Sam. 9 i«) 
— , sondern die der späteren Jahrhunderte, nachdem man mit 
dem Königtum gar schlimme Erfahrungen gemacht hatte und vor 
allem ihm die religiöse und sittliche Verlotterung des Volks, ja 
den Untergang des Staates schuld gab. Für die Zeit Moses aber 
kommt der Begriff „Theokratie" schon deshalb noch nicht in Be- 
tracht, weil damals von einem Staatswesen noch gar keine 
Rede sein konnte. Die Stämme führten während der ganzen 
Richterzeit und zum Teil noch unter Saul ein Sonderleben und 
bedurften höchstens zur Schlichtung von Rechtshändeln einer 
Art von Obrigkeit; als solche fungierten die Geschlechts- und 
Familienhäupter, nicht nach geschriebenen Gesetzen , sondern 
nach Brauch und Gewohnheit. Allerdings bewirkte die gemein- 
same Bedrängnis durch Feinde mehrfach den Zusammenschluß, 
wenn nicht aller, so doch mehrerer Stämme zu gemeinsamem Han- 
deln. Aber auch dann konnte man menschlicher Anführer nicht 
entbehren. Daß bei alledem die Religion eine sehr wichtige Rolle 
spielte, wird sich uns später ergeben. Aber für eine „Theokra- 
tie" in der Form, wie sie Josephus definiert, war hier noch kein 
Raum. Sie trat erst in Kraft, als nach dem Verlust der politi- 
schen Selbständigkeit die nationalen Interessen in den Hinter- 
grund, dafür aber die kultischen um so mehr in den Vordergrund 
traten. So geschah es in dem Zukunftsprogramm des Hesekiel 
(Kap. 40—48), wo schon die Verteilung des Grundes und Bodens 
in erster Linie auf die Heiligkeit des Tempels und seiner Umge- 
bung zugeschnitten ist, und wo der „Fürst" (nicht „König") kaum 
eine wichtigere Obliegenheit hat, als die pünktliche Fürsorge für 
die öffentlichen Opfer. Für die volle Verwirklichung der „Theo- 
kratie" sorgte sodann der Priesterkodex. Hier steht alles, auch 
das Zivil- und Kriminalrecht, unter religiösem Gesichtspunkt. 
Aeußerlich herrschen die Fremden; was aber von dem alten 
Volkstum noch geblieben ist, das stellt sich dar in der Form ei- 
nes Priesterstaats : der geistlichen Spitze, dem Hohenpriester, 
sind nunmehr die Attribute der königlichen Würde, Diadem und 
Purpur, zugewiesen. 

Mit der Zurückführung der Theokratie auf Mose hat sich 
somit Josephus eines starken Anachronismus schuldig gemacht. 
In das entgegengesetzte Extrem aber verfallen die, welche zwar 
die Verkündigung Jahwes als des Gottes Israels durch Mose gel- 
ten lassen, alles weitere aber — insbesondere jeden grundlegen- 



§ 6.] Das eigentliche Wesen des Jahwismus als d. Relig. Israels. 59 

den Akt, den man als die eigentliche Stiftung der Religion Isra- 
els bezeichnen könnte — in Abrede stellen. Alles, was darüber 
in den mittleren Büchern des Pen tateuch berichtet wird, gilt ihnen 
im besten Falle als ein spätes theologisches Mißverständnis ganz 
anders gearteter Vorgänge, meist aber als freie Erfindung im 
Interesse religiöser Ideen, die sich erst Jahrhunderte später ent- 
wickelt haben. 

Auch hier werden wir gut tun, uns zuerst die Tradition selbst 
zu vergegenwärtigen. Sie lautet einstimmig in allen Pentateuch- 
quellen dahin, daß im Mittelpunkt der Vorgänge am Sinai der 
Abschluß einer b e r% d. i. nach üblicher Uebersetzung eines „Bun- 
des", gestanden habe. Wie dies zu verstehen sei, wird sich uns 
aus einer kurzen Uebersicht über die Geschichte des Sprachge- 
brauchs von b'rit leicht ergeben. Nach den gründlichen Unter- 
suchungen von J. P. Valeton *) und Krätzschmar 2 ) besteht 
kein Zweifel, daß b e rit zunächst dem profanen Sprachgebrauch 
angehört und „Zerschneidung" bedeutet, nämlich die Zerschnei- 
dung eines oder mehrerer Opfertiere (vgl. dazu Gen. 15 9 ff., wo 
sich Gott selbst V. 17 nach dem Bericht des Jahwisten diesem 
Brauche anbequemt, und Jer. 34 «f.), damit die den Vertrag 
Schließenden zwischen den Stücken hindurchgingen und sich so 
für den Fall des Eidbruchs das Schicksal dieser Tiere anwünsch- 
ten. Denn jede b'rit bestand teils in einem Eid, der die Verpflich- 
tung bezeichnete, die man auf sich nahm, teils in einer Selbstver- 
wünschung 3 ) für den Fall der Eidbrüchigkeit. 



*) JPValeton, Bedeutung und Stellung des Wortes berith im Prie- 
sterkodex (ZATW XII, S. 1 ff.) ; in den jahwistischen und deuteronomisti- 
schen Stücken des Hexateuchs, sowie in den verwandten historischen 
Büchern (ebenda S. 224 ff.); bei den Propheten und in den Ketubim 
(ebenda XIII, S. 245 ff.). 

2 ) RichKraetzschmar, Die Bundesvorstellung im alten Testament, 
Marburg 1896. 

3 ) Verwandt sind die gewiß uralten Formen einer eventuellen Ver- 
wünschung, die uns in Gestalt der Umhersendung der Stücke eines Leich- 
nams (Jud. 19 29) oder einiger Opfertiere (1 Sam. 11 7) vorliegen. In 
jedem Falle haben diese Stücke die Bedeutung eines Eidopfers. Die 
Formel 1 Sam. 11 7: „dessen Rindern soll es so ergehen" ist höchst- 
wahrscheinlich eine Abschwächung der ursprünglichen Formel „dem 
soll es so ergehen". Ob das Blut der betreffenden Tiere bei 6'n_£- Schlüs- 
sen immer zu sakralen Handlungen verwendet wurde (wie bei den Ara- 
bern zur Bespritzung von 7 Steinen) ist strittig; ausdrücklich bezeugt 
wird es uns nur Ex. 24 s. 



60 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 6. 

Vom profanen Sprachgebrauch unterscheidet sich der reli- 
giöse naturgemäß dadurch, daß Gott nicht gedacht werden kann 
wie ein Mensch, der mit anderen Menschen unter Voraussetzung 
völliger Gleichberechtigung und unter genauer Feststellung der 
gegenseitigen Rechte und Pflichten einen Vertrag oder Bund 
schließt. Immer ist daher die religiöse b'rii in erster Linie gött- 
liche Anordnung, Verfügung 1 ), die ohne Zutun der Men- 
schen, genauer des Volkes Israel, erfolgt, für dieses aber unbe- 
dingt verbindlich ist. Allerdings stehen den Pflichten des Volks 
auch Verheißungen von Seiten Gottes gegenüber, und es besteht 
insofern ein Gegenseitigkeitsverhältnis. Aber mögen auch die 
Aussagen in den verschiedenen Quellenschriften des Pentateuch 
und anderwärts darin variieren, daß im Begriff der b e rit bald die 
göttlichen Verheißungen, bald die den Menschen auferlegten 
Pflichten stärker in den Vordergrund treten: immer ist es aus- 
schließlich der Wille und die Entscheidung Gottes, die für die 
Entstehung und die Beschaffenheit der b e rit maßgebend sind. 
Daraus ergibt sich, daß die übliche Uebersetzung von b e rU mit 
„Bund" als unrichtig und irreführend vermieden werden sollte. 

Wir sahen bereits: alle Quellenschriften des Pentateuch 
setzen voraus, daß am Sinai in feierlicher Weise eine b e rit in der 
oben dargelegten Bedeutung von Gott angeordnet und daß seit- 
dem auf sie das innige Verhältnis zwischen Jahwe als dem Gott 
Israels und seinem Volk gegründet gewesen sei. Nach dem Jah- 
wisten wird die sakrale Kommunion durch die gleichmäßige Be- 
sprengung des Altars und des Volks hergestellt und dazwischen 
das „Bundesgesetz" (dies bedeutet hier b e ritl) von Mose dem Volke 
vorgelesen (Ex. 24 4— s). V. 9 ff. wird sodann, wahrscheinlich 
durch den Elohisten, von einem Mahl 2 ) der Vertreter des Volks 
im Angesichte Gottes berichtet, und dieses Mahl kann nur als ein 
Bundesopfermahl verstanden werden, wie es z. B. auch Jakob 
und Laban (Gen. 31 54) nach ihrem Vertrag auf dem Gebirge 

x ) Die LXX bringen diesen Tatbestand richtig zum Ausdruck, indem 
sie das hebr. b e rit nicht mit auv&rjXYj (Vertrag, Bund), sondern mit 81a- 
O^xrj (Verfügung) übersetzen. 

2 ) Es läßt sich allerdings nicht bestreiten, daß ein Mahl von 74 
Personen oben auf dem Berge schwer vorzustellen ist, und daß alle Schwie- 
rigkeit wegfällt, wenn man mit Riedel (Theol. Studien und Kritiken 
1903, S. 161 ff.) annimmt, daß wajfiStü „und sie tranken" verschrieben 
ist aus wajjistdhmm „und sie warfen sich nieder", während wajjö'lflü 
„und sie aßen" erst eingefügt wurde, nachdem wajjistü eingedrungen war. 



§ 6.] Das eigentliche Wesen des Jahwismus als d. Relig. Israels. 61 

Gilead halten. Auch das Deuteronomium und der Priesterkodex 
reden sehr häufig von der bmt, die Gott durch Mose am Horeb 
(oder Sinai) dem Volke gegeben hat. Wenn sie sich dabei nicht 
ausdrücklich auf eine Bundeszeremonie berufen, so setzen sie 
doch sicher das von den älteren QuellenBerichtete voraus ; jeden- 
falls steht auch ihnen eine feierliche Verkündigung des Gottes- 
willens an Mose und durch ihn an das Volk als Tatsache fest. 

Sind nun alle diese Voraussetzungen nichts als Fiktion — 
eine Zurückdatierung weit späterer theologischer Anschauungen 
und Terminologieen in eine Zeit, aus der man eine wirkliche 
Ueberlieferung nicht mehr besaß? Wir vermögen diese Annahme 
nicht zu teilen, und zwar aus äußeren und inneren Gründen 
nicht. 

Zu den äußeren Gründen gehört einmal die Stärke und Ein- 
stimmigkeit der Ueberlieferung, so daß wir ihr nur aus den trif- 
tigsten Gründen widersprechen könnten, aber nicht minder auch 
der Bericht Ex. 24 4 ff. Die Abweichung von den sonst überlie- 
ferten Opfer- und Bundesriten spricht mindestens für ein hohes 
Alter dieses Berichts. Aber selbst wenn man auf einen Erweis 
seiner Geschichtlichkeit verzichten muß, so bleiben doch gewich- 
tige innere Gründe dafür, daß die Voraussetzung der b e rit am 
Sinai als eines geschichtlichen Vorganges unmöglich für eine 
bloße Fiktion erklärt werden kann. 

Es waren zweifellos sehr heterogene Elemente, an denen sich 
die Mission Moses vollzog. Die bekannte Genealogie der israeli- 
tischen Stämme macht einen, gewiß historisch begründeten, nach- 
drücklichen Unterschied zwischen vollbürtigen und halbbürtigen 
(von Sklavinnen hergeleiteten) Stämmen. Dazu weist Ex. 12 38 
(vgl. auch Num. 11 4) auf nichtisraelitisches Mischvolk, das sich 
Israel beim Auszug anschloß. Dennoch muß es Mose gelungen 
sein, alle diese verschiedenartigen Elemente zu einer gewissen Ein- 
heit zu verschmelzen, durch seinen Willen zu leiten und vielfäl- 
tige fruchtbare Keime religiöser und rechtlicher Ordnungen un- 
ter ihnen zu pflanzen. Und wenn auch nach der Einwanderung 
in Kanaan nach dem oben S. 58 Bemerkten entfernt noch nicht 
von einem israelitischen Staat die Rede sein kann, so zeigt uns 
doch eine geschichtliche Urkunde ersten Ranges, wie sie das De- 
boralied darstellt, daß in der ersten Richterzeit die Mehrzahl der 
Stämme von einem mächtigen Gefühl der Zusammengehörigkeit 
unter der Führung des Gottes Israels erfüllt war. Insbesondere 



62 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 6. 

verdient Beachtung, mit welcher Ausdrücklichkeit nunmehr der 
Krieg (der nach dem oben S. 24 ff. Bemerkten schon auf der vor- 
mosaischen Religionsstufe in engstem Zusammenhang mit dem 
Kultus stand) zum Jahwismus in Beziehung gesetzt wird. Nach 
der Besiegung der Amalekiter wird Mose Ex. 17 uff. (E) die Auf- 
zeichnungeiner göttlichen Verwünschungsformel gegen die Amale- 
kiter geboten. Dazu errichtet Mose einen Altar und nennt ihn 
„Jahwe ist mein Panier", denn „Krieg hat Jahwe mit den Amale- 
kitern auf ewige Zeiten ! * In erster Linie ist also dieser Krieg 
nicht die Sache des Volks, sondern die seines Gottes. DieKämpfe, 
die zur Eroberung Kanaans führen (Num. 21 14), wie noch die Be- 
freiungskämpfe Davids gegen die Philister (1 Sam. 18 17. 25 28) 
heißen „die Kriege Jahwes". 

Wäre das alles denkbar, wenn die Verkündigung Jahwes 
als des Gottes Israels, die Stiftung der Jahwereligion, gleichsam 
zufällig durch gelegentliche Erwähnung des Jahwenamens von 
Mund zu Mund erfolgt wäre? Statt dessen empfangen wir auf 
das stärkste den Eindruck, daß die weitere Entwicklung der 
Religion Israels in der Richter- und Königszeit die Frucht ei- 
nes grundlegenden Ereignisses gewesen ist, dessen feierlich 
verpflichtende Kraft und Bedeutung allem Volk in lebhafter 
Erinnerung war. Und dieses Ereignis kann nur in der feierlichen 
Verkündigung des Gottes, der sich soeben in wunderbarer 
Weise als der Helfer und Erretter des Volkes erwiesen 
hatte, bei einer bestimmten Gelegenheit, und in der Verpflich- 
tung des Volkes auf seinen Willen und zu seiner alleinigen Ver- 
ehrung bestanden haben. Jeder der überaus häufigen Hinweise 
der Pentateuchquellen wie der Propheten und Psalmen auf die 
Machttaten Jahwes beim Auszuge, daß er „mit starker Hand 
und ausgerecktem Arm" die Volksscharen Israels aus dem Skla- 
venhause herausgeführt, die Wogen des Schilfmeers zurückge- 
staut, die Wagen und Reiter des Pharao ins Meer gestürzt habe 
— jeder solche Hinweis ist zugleich ein Hinweis auf die Tage am 
Sinai, wo diese Machttaten Jahwes dem Volke zuerst in ihrer 
wahren Größe zum Bewußtsein gebracht und gepriesen und zum 
Anlaß eines feierlichen Bekenntnisses zu Jahwe als dem Gotte 
Israels und einer feierlichen Verpflichtung auf seinen Willen ge- 
macht worden waren *). 



*) Vgl. zu Obigem die trefflichen Ausführungen von FbGiesebbecht, 



§ 6.] Das eigentliche Wesen des Jahwismus als d. Relig. Israels. 63 

Im Vorstehenden ist zugleich auch die Frage nach dem ei- 
gentlichen Wesen des Jahwismus als des besonderen Verhält- 
nisses zwischen Jahwe und Israel mitbeantwortet. Wenn es sich 
um nichts anderes handelte als um die gegenseitigen Beziehungen 
zwischen einem bestimmten Gott und einem bestimmten Volk, so 
ständen wir durchaus auf dem Boden einer Volksreligion, wie sie 
die Heidenvölker auch hatten. Auch Moab heißt „ das Volk des 
Kamosch" (Nu. 21 29), so gut wie Israel „ das Volk Jahwes" heißt; 
auch Moab fühlte sich zur Verehrung dieses seines Volksgottes 
verpflichtet und erwartete dafür von ihm kräftigen Beistand, be- 
sonders in Kriegsnöten. Und wenn die Hilfe ausblieb, so lag das 
nicht an der unzureichenden Macht des Gottes, sondern „Ka- 
mosch zürnte aufsein Land" (Mescha'-InschriftZeileöf.). Hier 
wie dort scheinen also die Voraussetzungen ganz die gleichen zu 
sein. Und doch : kann man sich wohl vorstellen, daß ein Moa- 
biter über den Ursprung der Kamoschverehrung reflektiert oder 
sie auf eine in geschichtlicher Zeit vollzogene b e rit zwischen Ka- 
mo8ch und den Moabitern zurückgeführt hätte? Vielmehr: nie- 
mand wußte es dort anders, als daß das besondere Verhältnis 
zwischen Gott und Volk von Anfang an bestanden hatte, und 
niemand zweifelte daran, daß zwischen dem Gott und seinem 
Volk eine Blutsverwandtschaft bestehe, aus der sich sein Eintre- 
ten für das Volk als eine selbstverständliche Konsequenz ergab, 
ohne daß auch ethische Erwägungen maßgebend zu sein brauch- 
ten. Fragte doch der, dem nach uralt semitischer Anschauung 
die Pflicht der Blutrache oblag, auch nicht erst, ob die blutige 
Sühne auch durch sittliche Erwägungen gerechtfertigt sei : Blut 
fordert Blut! dieser Grundsatz galt für den Gott ebenso als ver- 
bindlich, wie für einen jeden aus dem Volke. 

Aus alledem wird uns klar, daß zwischen der Volksreligion 
Israels und sonstigen Volksreligionen von Anfang an ein tief- 
greifender Unterschied bestand. Schon bei ihrer Gründung ist 
die Religion Israels über die naive, rein naturalistische Grund- 



r Die Geschichtlichkeit des Sinaibundes". Königsberg 1900; zu „Jahwes 
Verhältnis zu dem Volke Israel nach altisraelitischer Vorstellung" über- 
haupt Sellin in der „ Neuen kirchlichen Zeitschrift 14 1894, S. 316 ff. und 
376 ff. (auch separat als „Beiträge zur israel. und jüdischen Religions- 
geschichte". Heft 1. Leipzig 1896) ; Wildeboee, Jahvedienst en Volks- 
religie in Israel (Groningen 1898 ; auch in deutscher Uebersetzung Frei- 
burg 1899). 



64 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 6. 

läge, wie wir sie soeben für die Religion Moabs feststellten, er- 
heblich hinausgewachsen. Nicht Israel hat zuerst Jahwe erwählt, 
sondern dieser Israel. Ihr gegenseitiges Verhältnis ist daher 
nicht auf Blutsverwandtschaft gegründet — eine solche Vorstel- 
lung widerspräche schon dem Unistand, daß eine blutsverwandte 
Volkseinheit, eine Nation, zur Zeit des Auszugs noch gar nicht 
vorhanden war — , sondern auf den freien Entschluß eines mäch- 
tigen Gottes, der dessen Grundeigenschaften entsprang : der Ge- 
rechtigkeit und der Barmherzigkeit. Er sah das Elend des unter 
hartem und doch unverdientem Drucke schmachtenden Volkes, 
deshalb erbarmte er sich seiner, und die Errettung, die er be- 
schlossen, führte er mit gewaltiger Hand zu einem siegreichen 
Ende. Die religiösen Gedanken, die sich daraus ergeben, sind 
nicht erst, wie neuerdings unermüdlich behauptet wird, eine Frucht 
des „ethischen Monotheismus" der Propheten, sie lagen vielmehr 
schon für das Israel der mosaischen Zeit auf der Hand. Gerech- 
tigkeit und Barmherzigkeit sind wesentlich sittliche Eigenschaf- 
ten. Waren sie das Motiv der Erwählung und Errettung Isra- 
els, so trug auch die daraus entsprungene Religion von vornherein 
ein sittliches Gepräge, in einem ganz anderen Sinn, als es jemals 
für eine reine Volksreligion denkbar gewesen wäre. Es ist durch- 
aus zutreffend, wenn der Deuteronomiker 1 ) an zahlreichen Stel- 
len als den Hauptbeweggrund zur Liebe Gottes und zum Gehor- 
sam gegen seine Gebote die Dankbarkeit geltend macht. Auch 
sie aber ist nicht ein naturalistisches, sondern ein spezifisch sitt- 
liches Motiv und konnte als solches gar wohl schon von den Zeit- 
genossen Moses empfunden werden. Und endlich : von dem Gott, 
der schon bei der Erwählung und Errettung spezifisch sittliche 
Eigenschaften betätigt hatte, verstand es sich von selbst, daß er 
dieselben Eigenschaften auch von dem Volke forderte, auf die 
sein Verhältnis zu ihm gegründet war. Nicht ethischer Mono- 
theismus im strengen Sinne des Worts, wohl aber ethischer He- 
notheismus kann somit sehr wohl bereits für die Zeit Moses in 
Anspruch genommen werden. Und schließlich: die Art, wie die- 
ser Gott seine Verheißung erfüllt, die gewaltige Kriegsmacht 
Aegyptens zu gunsten eines armen Hirtenvolks zu Schanden ge- 
macht hatte, sie gaben schon damals Anlaß zu der triumphieren- 
den Frage : Wer ist wie du unter den Göttern, Jahwe, wer ist 



*) So auch Hes. 16 5 ff. in einein bedeutsamen Vergleich. 



§ 6J Das eigentliche Wesen des Jahwismus als d. Relig. Israels. 65 

wie du, herrlich in Erhabenheit, furchtbar in Ruhmestaten, Wun- 
der verrichtend? Diese seine Macht ist aber nicht als brutale, 
willkürlich verwendete Gewalt gedacht, sondern sie dient wie- 
derum sittlichen Zwecken. Eben darin liegt die Gewähr ihres 
schließlichen Sieges über alle Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit 
innerhalb und außerhalb des Volkes Israel. Es mag sein, daß 
dieser Gedanke zur Zeit Moses noch nicht mit vollster Klarheit 
erfaßt, daß noch nicht alle Konsequenzen aus ihm gezogen wur- 
den. Aber im Keime war er so gewiß schon vorhanden, als der 
Glaube an die Macht der Gerechtigkeit oder doch das Verlangen 
nach ihrem steten Siege überhaupt dem Menschen von Natur ein- 
gepflanzt ist. Die Religion Israels vermochte diesem Glauben 
von Anfang an Nahrung zu geben wie keine andere Volksreligion. 
Diejenigen, die das leugnen und überall nur eine geradlinige Ent- 
wicklung von rohen oder doch naiven naturalistischen Anfängen 
zu mehr und mehr geläuterten sittlichen Anschauungen gelten 
lassen wollen, übersehen ganz, daß sie durch nachweisbare ge- 
schichtliche Tatsachen widerlegt werden. Bahnbrechende reli- 
giöse Ideen treten in der Regel mit urwüchsiger Kraft und Rein- 
heit auf den Schauplatz, und erst im Verlauf der weiteren Ent- 
wicklung wird das, was religiöse Genialität oder besser gött- 
licher Antrieb geschaffen, durch die Beimischung gemeinmensch- 
licher Gedanken und selbstsüchtiger Interessen getrübt und ent- 
stellt. So geschah es mit der Religion Jesu in der römischen 
Papst- und- Mönchskirche, so geschah es vielfach auch mit den 
großen grundlegenden Gedanken derReformationinderZeitder 
protestantischen Scholastik. Etwas ähnliches dürfen wir sicher 
auch für den Entwickelungsgang des Jahwismus voraussetzen. 
Die großen grundlegenden Gedanken, auf denen seine Stiftung 
beruht, wurden in der Wanderzeit des Volks und in der Zeit der 
endlosen Kämpfe um die nationale Existenz in der Richterzeit 
vielfach in den Hintergrund gedrängt. Ueberdies waren sie, wie 
wir im ersten Kapitel gezeigt haben, noch sehr lange von starken 
Ueberresten des gemeinsemitischen Polydämonismus überwuchert. 
Aber sie waren darum nicht erstorben, und als sie im 8. Jahr- 
hundert von Arnos und anderen mit vollster Klarheit und Be- 
stimmtheit hervorgezogen und dem Volk ans Herz gelegt wurden, 
da hatten diese Propheten ein gutes Recht zu dem Anspruch, 
daß sie nicht neue und unerhörte Forderungen stellten, sondern 
nur die vom Sinai her geltende Tatsache verkündigten: „Ein 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 5 



66 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 7. 

Gott des Rechts ist Jahwe; Heil allen, die auf ihn harren!" 
(Jes. 30 is). 

Wir bestehen also auf einer b e rlt zwischen Jahwe und dem 
Volk als dem Ausgangspunkt des Jahwismus und zugleich als 
der Quelle seines eigentümlichen Wesens. Damit ist von selbst 
die neuerdings vorgetragene Meinung ^abgewiesen, daß am Sinai 
zwar tatsächlich eine b'rii abgeschlossen worden sei, aber nicht 
eine solche zwischen Jahwe und Israel, sondern zwischen israeli- 
tischen Stämmen. Erst die spätere Theologie habe dies mißver- 
standen oder willkürlich in ihrem Sinne umgedeutet. Diese Hypo- 
these könnte allenfalls ausreichen, den Zusammenschluß hetero- 
gener Elemente zu einer Nation begreiflich zumachen. Daß aber 
dieser neuen Vereinigung zugleich durch die gemeinsame Reli- 
gion ein ganz eigenartiger Stempel aufgedrückt wird, so daß die- 
ses Nomadenvolk nachmals nicht der hohen Kultur der Kanaa- 
niter unterliegt, sondern sie im Gegenteil vollständig aufsaugt, 
— das vermag jene Hypothese schlechterdings nicht zu erklären. 

§ 7. Die Ausprägung des Jahwismus in äusseren Ordnungen 

zur Zeit Moses. Der Dekalog. 

Zur Literatur: HTkabaud, La loi Mosaique, ses origines et son 
developpement etc. Lausanne 1903. — FkDelitzsch, Die mosaische 
Gesetzgebung. Deutsche Revue, 28. Febr. 1903. — JCMatthes, Der De- 
kalog. ZaW. 1904, S. 17 ff. — EKönig, Neueste Verhandlungen über 
den Dekalog. Neue kirchl. Zeitschrift XVII, 8 (1906), S. 564—584. 

Bei „äußeren Ordnungen" denken wir sowohl an kultische 
Bräuche im weitesten Umfang, wie an die Gestaltung des Volks- 
lebens nach allen seinen Richtungen durch den Einfluß der Re- 
ligion. In beiderlei Hinsicht sind wir für eine zuverlässige Fest- 
stellung aul sehr spärliches Material angewiesen, da die ausführ- 



*) Schwally, Semit. Kriegsaltertümer I, S. 2: „ Wahrscheinlich waren 
israelitische Stämme mit Midian in ein Bundesverhältnis getreten, wo- 
bei der Nationalgott des mächtigeren Eidgenossen zum Eidwächter 
wurde." Später jedoch (S. 3) „entschwand allmählich der wirkliche 
Verlauf der Dinge der Erinnerung, und es konnte sich die Meinung 
festsetzen, daß am Sinai nicht ein Bund Israels und Midians unter der 
Hut Jahves geschlossen worden sei, sondern allein ein Bund Jahves mit 
seinem auserwählten Volk". Wieder anders urteilt Eerdmans in Theol. 
Tijdschrift XXXVII, S. 19 ff. Nach ihm bestand die b*Ht am Sinai in 
der Vereinigung verschiedener Nomadenstämme zu einem Stammbund 
unter Anrufung Jahwes als des Gottes, dem ein Teil dieser Stämme 
die Rettung aus Aegypten zu verdanken meinte. 



§ 7.] Die Ausprägung des Jahwismus in äußeren Ordnungen. 67 

liehen Priester- und Kultusordnungen des sogenannten Priester- 
kodex als Theorien späterer Jahrhunderte für uns außer Betracht 
fallen. 

Sogar die Frage, ob bereits Mose einen Priesterstand 
eingesetzt habe, läßt sich nach den alten Quellen nicht ohne wei- 
teres bejahen. Er selbst übt priesterliche Funktionen aus bei der 
Abschließung der b e rit Ex. 24 4 ff. und als Orakelspender im Of- 
fenbarungszelt 33 7 ff. Dies entspricht der allgemeinen Voraus- 
setzung, daß der Stifter und Vermittler der Sinaireligion das 
Prototyp der beiden nachmals wichtigsten Organe dieser Reli- 
gion, der Priester und Propheten (vgl. zu letzteren Deut. 18 is. 
34 io. Hos. 12 u) gewesen sei. Nur so erklärt sich ja auch die 
Gewohnheit, alle Gesetzeskodifikationen, auch die der Kultus- 
gesetze, auf seine Person zurückzuführen. Aber davon, daß Mose 
auch nur seinen Bruder Aaron mit der Wahrnehmung priester- 
licher Funktionen beauftragt habe, wissen die alten Quellen 
nichts 1 ). Dieser heißt zwar Ex. 4 14 „derLevit" und dies höchst- 
wahrscheinlich im Sinne von „der Priester" (denn dem Stamme 
nach war ja auch Mose „Levit" !), aber es ist höchst fraglich, ob 
diese Bezeichnung wirklich aus alter Quelle stammt. Jedenfalls 
wird dort von ihm nichts anderes berichtet, als daß er dem Mose 
vor dem Volk und dem Pharao als Sprecher gedient (Ex. 4 14 ff. 
27.30. 5iff. etc.) und ihn in der Amalekiterschlacht (17 12 ff.) un- 
terstützt habe. Auch bei der Abgötterei mit dem goldenen Kalb 
(Ex. 32iff.) ist nicht von priesterlichen Punktionen oder Präro- 
gativen Aarons die Rede. Vielmehr werden als Gehilfen Moses 
bei den Bundesopfern (Ex. 24 5) nur die jungen Männer der Is- 
raeliten und als Hüter des Offenbarungszeltes der Ephraimit 
Josua (Ex. 33 11) erwähnt, der auch sonst wiederholt als Diener 
und Begleiter Moses auftritt. 

Scheiden wir somit Aaron aus, so bleibt uns allerdings noch 
eine Stelle der E- Quelle (Ex. 32 29), in deren jetzt offenbar ver- 
stümmeltem Text berichtet werden soll, daß Mose dem Stamme 
Levi zum Lohn für seine Treue während eines Aufruhrs des 
Volkes das Priestertum zugesprochen habe. Da wir aber zu die- 
sem Bericht in demselben Kapitel eine ganz anders lautende 
Parallelerzählung des Jahwisten besitzen, so vermag niemand zu 
sagen, ob Ex. 32 20 ein streng geschichtlicher Bericht oder nur 

*) Nach Stade u. a. ist die Gestalt Aarons der älteren Schicht des 
Jahwisten überhaupt unbekannt. 

5* 



68 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 7. 

ein Versuch vorliegt, den Ursprung des levitischen Priestertums 
geschichtlich zu erklären. 

Der Bericht über die Bundesopfer Ex. 24 4 ff. erweckt durch- 
aus den Eindruck, als ob Mose dabei einfach der altgewohnten 
Sitte gefolgt sei. Und dies wird für seine Zeit wie für die ganze 
Folgezeit durchaus dem Tatbestand entsprechen. Nicht gesetz- 
liche Vorschriften, sondern die allen bekannte Sitte entschied 
über die kultische Praxis. Zum Opfern bedurfte man noch in der 
Königszeit keiner Priester ; dieselbe Opferpraxis, die man vorher 
anderen Gottheiten oder Dämonen gegenüber geübt hatte, war 
auch im Jahwekultus anwendbar. Dadurch ist nicht ausgeschlos- 
sen, daß von Mose doch auch gewisse kultische Ordnungen aus- 
gingen und unter seinem Namen mündlich fortgepflanzt wurden. 
Aber welcher Art sie waren, entzieht sich ebenso unserer Beur- 
teilung wie die Frage, ob er als der Urheber einer besonderen Form 
der Orakel-Erteilung zu betrachten sei. Jedenfalls verdient Be- 
achtung, daß Am. 5 25 (vielleicht auch Jer. 7 22) für die Zeit des 
Wüstenzugs eine Opferpraxis vollständig in Abrede gestellt wird. 
Dies ist schwerlich mit Marti (Geschichte derisraelit. Religion 5 , 
S. 83) so zu erklären, daß zwar die Jahweopfer unterblieben, 
vielleicht aber solche der Familien und Geschlechter gebracht 
worden seien, die nicht dem Gott der Gesamtheit galten. Denn 
die einzelnen Stämme und Geschlechter könnten ihre Stamm- und 
Hausgötter beibehalten haben, ohne darin einen Widerspruch 
gegen Jahwe zu erblicken. Daß ein derartiger Synkretismus noch 
längere Zeit im Schwange ging, ist nicht unmöglich, aber den be- 
rufenen Vertretern des Jahwismus hat er sicher stets als ein ta- 
delnswerter Mißbrauch gegolten. 

Von religiösen Festen kann für die mosaische Zeit nur das 
Passah (s. 0. S. 31 ff.) in Betracht kommen. Die anderen Haupt- 
feste, wie wir sie aus der alttestamentlichen Ueberlieferung ken- 
nen, weisen durch ihren agrarischen Charakter auf kanaanitischen 
Ursprung. 

Wie im Kultus der mosaischen Zeit, so dürften auch im so- 
zialen Leben Israels nicht einzelne bestimmte Vorschriften, 
sondern die Macht der Sitte maßgebend gewesen sein — allerdings 
einer Sitte, auf die die religiöse Eigenart des Jahwismus von An- 
fang an einen immer zunehmenden Einfluß ausübte. Wenn man 
irgendwelche Schandtat durch die Formel verurteilte : derartiges 
darf nicht geschehen (Gen. 34 7. 2 Sam. 13 12), so stand dabei 



§ 7.] Die Ausprägung des Jahwismus in äußeren Ordnungen. 69 

sicherlich im Hintergrund der Gedanke : weil es Israels und sei- 
nes Gottes unwürdig, weil es für Jahwe ein Greuel ist, den er 
nicht ungestraft lassen kann. Abermals muß hierbei die Mög- 
lichkeit anerkannt werden, daß Mose selbst während seiner lan- 
gen schiedsrichterlichen Tätigkeit (vgl. über diese schon die höchst 
instruktive Erzählung Ex. 18 13 ff. bei E), insbesondere auch zu 
Kadesch oder En Mischpat, zu vielen Rechtsgewohnheiten im 
Civil- wie im Kriminalrecht den Grund gelegt habe, ja daß man- 
che der nachmals (zuerst im Bundesbuch) kodifizierten Bestim- 
mungen direkt auf ihn zurückgeht. Auch hier entzieht sich je- 
doch das Einzelne durchaus unserer näheren Kenntnis. 

An einer Frage dürfen wir jedoch nicht mit Stillschweigen 
vorübergehn. Wenn in der gesetzlichen Literatur des Pentateuch 
auch sonst nichts mit Sicherheit auf Mose zurückgeführt werden 
kann, muß ihm dann nicht wenigstens irgendwelche Gestalt des 
Dekalogs zugeschrieben werden, und zwar in Anbetracht der 
Stärke und Einstimmigkeit der Ueberlieferung, die diese Annah- 
me fordert? 

Nun muß allerdings die „ Einstimmigkeit u der Ueberlieferung 
so lange auf sich beruhen, als noch darüber gestritten wird, ob 
nicht gegenüber den beiden Rezensionen des elohistischen (nach 
anderen : deuteronomistischen) Dekalögs in Ex. 20 und Deut. 5 
auch ein jahwistischer in Ex. 34 14— 26 vorliege 1 ). Für das höhere 
Alter des letzteren schien zu sprechen, daß er fast ausschließ- 
lich kultische, noch nicht ethische Gebote enthält ; die letzteren, 
behauptet man, hätten in dieser Form erst als Niederschlag der 
prophetischen Richtung entstehen können. Aber dieser j ah wisti- 
sche Dekalog ist doch wohl nur ein Schein. Hatte der Jahwist 



l ) So bekanntlich schon Goethe in dem Aufsatz über „Das Zwo- 
tafelgesetz * (1773) und gegenwärtig die meisten Kritiker. In betreff 
des Dekalogs Ex. 20 und Deut. 5 ist durch Kuenen, Stade, Coknell 
u. a. die Meinung herrschend geworden, daß er ursprünglich der juda- 
iatischen Rezension des Elohisten (E 2 ) angehört habe; so auch Stärk, 
Das Deuteronomium (Leipzig 1894), mit der weiteren Annahme, daß der 
Dekalog von E 1 zerstreut im sogen. Bundesbuch vorliege. Dagegen 
stammt nach Meissner (Der Dekalog. Halle 1893), und Bäntsch (Ex. 
und Levit, Gott. 1900) der jetzige Dekalog vom Deuteron omik er und 
ist erst nachträglich aus dem Deuteronomium in Ex. 20 übertragen 
worden. Nach Marti (Gesch. der Israel. Religion 5 S. 194) ist dieses 
„Compendium der religiös- ethischen Pflichten" in die Nähe Hesekiels zu 
verlegen. 



70 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 7. 

wesentlich denselben Dekalog wie der Elohist, so konnte der Re- 
daktor unmöglich nach Ex. 20 in Ex. 34 nochmals denselben 
Dekalog bringen. Er füllte die hier entstehende Lücke durch 
Kultusvorschriften aus, die sich auf den ersten Blick als Paral- 
lelen zu erkennen geben. Somit bleibt doch die Frage berech- 
tigt, ob nicht irgendwelche Gestalt des Dekalogs auf Mose zurück- 
geführt werden könne. 

Als zweifellos darf dabei von vornherein gelten, daß diese 
Gestalt nur eine äußerst knappe, lapidare gewesen sein kann. 
Dazu führt schon die starke Differenz im Umfang der beiden Ta- 
feln; die erste, die 5 Gebote nach der reformierten Zählung, also 
bis einschließlich zum Elterngebot, umfaßt haben muß, enthält 
146 Wörter, die zweite nur 26. Somit sind die sämtlichen Moti- 
vierungen (im 1. — 5. Gebot) spätere Zusätze, und damit erledi- 
gen sich auf das einfachste zwei erhebliche Schwierigkeiten: erst- 
lich die starke Differenz in der Motivierung des Sabbathgebots 
und zweitens das deuteronomistische Kolorit, welches nach Obi- 
gem manche zur Ansetzung des Ganzen im 7. Jahrhundert ver- 
führt hat. Denn dieses Kolorit liegt nicht in den lapidaren Sät- 
zen, sondern eben vor allem in den Motiven. 

Aber liegt nicht doch auch den Geboten selbst eine so aus- 
gebildete Ethik zugrunde, daß man in der Tat Bedenken tragen 
muß, dem Dekalog seinen Platz an der Spitze der ganzen Ent- 
wickelung anzuweisen? Wir würden dieses Bedenken voll aner- 
kennen, wenn die zehn Gebote wirklich zweifellos und ausschließ- 
lich unter ethischem Gesichtspunkt ständen. Das scheint uns 
selbstverständlich, die wir von Jugend auf gelehrt und gewöhnt 
sind, einen rein ethischen Maßstab anzulegen und in den Gebo- 
ten eine Anweisung zu wahrhafter Religiosität und Sittlichkeit 
zu finden. Es läßt sich jedoch unschwer zeigen, daß ursprünglich 
nicht der rein ethische, sondern der rechtliche Gesichtspunkt 
im Vordergrund steht 1 ). Alle Gebote lassen sich leicht subsum- 
mieren unter das Verbot: du sollst dich nicht vergreifen 
1) an dem, was Gottes ist (seinem alleinigen Anrecht auf Ver- 
ehrung, seiner Erhabenheit über irdische Gestaltung, seinem Na- 
men, seinem Tag [als dem Typus aller seiner sonstigen „Heilig- 

*) Beachtenswerte Fingerzeige für diese Auffassung bietet bereits 
AMenzies, Sermons on the ten Commandments (Lond. 1888). Der De- 
kalog entstammt nach ihm dem Zeitalter der Propheten und enthält die 
Grundgesetze des sozialen Lebens. 



§ 7.] Die Ausprägung des Jahwismus in äußeren Ordnungen. 71 

tümer"], seinen Stellvertretern) ; 2) an dem, was deines Nächsten 
ist (an seinem Leben, seinem Weibe, seinem Hab und Gut, seiner 
Ehre). Erst im letzten Gebot wird noch ein andersartiger Ge- 
sichtspunkt hereingezogen: das Verbot, sich auch nur in Gedan- 
ken an dem Eigentum des Nächsten zu vergreifen. Erst damit 
wird die Skala abgeschlossen, die uns in der Anordnung der Ge- 
bote der zweiten Tafel entgegentritt: der Portschritt von den 
Tatsünden zu den Wort- und zuletzt zu den Gedankensünden. 

Die Richtigkeit dieser Auffassung springt besonders bei dem 
Verbot des Ehebruchs in die Augen. Nicht um die Bewahrung 
des Jünglings oder Ehemanns vor Unsittlichkeit überhaupt han- 
delt es sich, wie es unsere Katechismen auszulegen pflegen, son- 
dern um die Verhütung eines Eingriffs in ein wichtiges Eigen- 
tumsrecht des Nächsten. Nur in diesem Sinne kennt die alt- 
hebräische Anschauung den Begriff Ehebruch, während auch dem 
Ehemann für den geschlechtlichen Verkehr mit Sklavinnen keine 
Schranken gesetzt sind. Auch die Verführung oder Vergewalti- 
gung einer Jungfrau wird von der ältesten Anschauung offenbar 
mehr als eine Rechtsverletzung (und zwar als eine Schmälerung 
des Verkaufswertes) denn als ein spezifisch sittliches Delikt be- 
trachtet. 

Nach alledem spräche kein zwingender Grund dagegen, ir- 
gend eine lapidare Urgestalt des Dekalogs von Mose selbst her- 
zuleiten — wenn nicht das Bilderverbot tatsächlich eine erheb- 
liche Schwierigkeit bereitete. Bis ins 8. Jahrhundert scheint nie- 
mand ein so kategorisches Verbot der Jahwebilder zu kennen. 
Soll man annehmen, daß ursprünglich ein anderes Gebot an sei- 
ner Stelle gestanden habe, oder daß Mose nicht 10, sondern nur 
7 Gebote verkündet habe? Letzteres wurde jüngst von Eerd- 
mahs 1 ) behauptet. Er weist das Bilderverbot dem 7. Jahrhun- 
dert, dagegen 7 Gebote des Dekalogs der mosaischen Zeit zu und 
zwar als erstes „Ich Jahwe bin euer Gott". Wir stimmen Erd- 
MANS großenteils zu, wenn er den Dekalog nicht so verwandt 
findet mit den großen Propheten, daß er ein Produkt der pro- 
phetischen Strömung sein müßte; auch darin pflichten wir ihm 
bei, daß die einzelnen Gebote und Verbote nicht eine absolute, 
sondern nur eine relative Tragweite besitzen. Aber in letzterer 
Hinsicht geht er doch zu weit, wenn er (so beim Verbot des Tö- 

*) „Oorsprung en beteckenis van de tien woorden" (Theol. Tijd- 
achrift XXXVII, S. 18 ff.). 



72 Die Stiftung der Religion Israels durch Mose am Sinai. [§ 7. 

tens!) nur Pflichten gegen die Volksgenossen gemeint findet und 
das „ Begehren" im 10. Gebot zum Ansich-Nehmen herrenlosen 
Gutes umdeutet, weil im Alten Testament nur die Tat sündig 
mache, nicht die Gesinnung. Mit Recht hat Wildeboer *) ge- 
gen Eerdmans geltend gemacht, daß auf diese Weise doch der 
tiefere sittliche Sinn des Dekalogs vergröbert und auf lauter 
Utilitätsbedürfnisse beim Zusammenleben von Beduinen redu- 
ciert werde. 

Das Ergebnis von alledem ist, daß der mosaische Ursprung 
irgendwelcher Grundgestalt des Dekalogs mit Absehen vom Bil- 
derverbot nicht schlechthin ausgeschlossen erscheint, daß wir je- 
doch auf ein bestimmteres Urteil verzichten müssen. Jedenfalls 
wird die religiöse und sittliche Bedeutung und die Keimkraft — 
ich möchte fast sagen : die Expansionsfähigkeit der Ideen des 
Dekalogs dadurch nicht geringer, daß wir ihn nicht in den ersten 
Anfängen, sondern erst in einem späteren Entwickelungsstadium 
der Religion Israels ansetzen. Auch dann bleibt er in seiner 
Tendenz und vor allem in seinem Aufbau, der im ersten Teil 
ein Fortschreiten von den generellen und mehr geistigen Pflich- 
ten zu den konkreten und äußeren darstellt, im zweiten aber den 
umgekehrten Weg einschlägt, ein religiöses Dokument, welches 
mit Fug und Recht bis auf den heutigen Tag auch von den christ- 
lichen Völkern als eine Art „magna Charta" religiöser Lebens- 
führung betrachtet werden darf. 



») De Dekalog, Theol. Studien 1903, S. 109 ff. 



§ 8.] Religion Israels in Kanaan. 73 



Drittes Kapitel. 

Die Religion Israels in Kanaan yor der Zeit der 

Schriftpropheten 1 ). 

§ 8. Die Quellen. 

Während wir für die vorige Periode noch iminer auf Rück- 
schlüsse aus späteren Quellen beschränkt waren, stehen uns nun- 
mehr in ziemlich beträchtlichem Umfang solche Berichte zu Ge- 
bote, die uns einen zuverlässigen Einblick in die religiösen und 
sittlichen Zustände der Richterzeit und der ersten Königszeit ge- 
winnen lassen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die 
fraglichen Berichte, abgesehen von dem urkundlichen Deboralied, 
in ihrer jetzigen Gestalt zum Teil erst geraume Zeit nach den 
Ereignissen (etwa vom 10. Jahrhundert ab bis in die Mitte des 
8. Jahrhunderts) aufgezeichnet worden sind. Denn erstlich spricht 
alles dafür, daß in diesem ganzen Zeitraum die sittlichen und re- 
ligiösen Anschauungen fast durchweg stabil gewesen sind, und 
zweitens darf der Zeitpunkt der endgültigen Niederschrift der 
Ueberlieferungen nicht verwechselt werden mit der Zeit ihrer 
Fixierung in der mündlichen Tradition. So kann die Ausgestal- 
tung der Patriarchenerzählungen in der Form, wie sie der Jah- 
wist bietet, spätestens in die Zeit Sauls verlegt werden, mag auch 
der Hauptteil der jahwistischen Quellenschrift erst um 850 ver- 
faßt sein. Dasselbe gilt von den sogenannten Heldengeschichten 
des Richterbuchs, die sich mit den sechs „großen Richtern" 
(Ehud, Debora, Barak, Gideon, Jephtha, Simson) befassen, zu 
denen sich noch die sehr altertümlichen und wichtigen Erzählun- 
gen in Jud. 9 und im Anhang c. 17 — 21 (c. 19 — 21 allerdings zum 
Teil in einer sehr jungen Ueberarbeitung) gesellen. Alle diese 
Quellenschriften geben uns — nach sorgfältiger Ausscheidung 
mannigfacher jüngerer Bestandteile — ein treues Bild von den 
Zuständen des Zeitraums vor den Schriftpropheten. Als eine 
Quelle ersten Rangs muß auch die alte Biographie Sauls und 
Davids bezeichnet werden, die jetzt mit vielen jüngeren, beson- 

') Vgl. hierzu : CHToy, The preprophetic Religion of Israel, in New 
World 1896, S. 123 ff. — CPiepenbeing, La religion des Hebreux ä 
Tepoque des juges, in „Revue de Thistoire des religions", t. XXVII, 1. 
FSetring, Die altisraelitische Religion in den „ Heldengeschichten B des 
Richterbuchs. Hamburg 1892. 



74 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

ders auch deuteronomistischen Bestandteilen durchsetzt, in die 
Samuelisbücher eingearbeitet ist. Ganz besonders aber gilt obi- 
ges Urteil von der sogen. „Jerusalemquelle" in 2 Sam. 9 — 20, 
die sich über den Verlauf der Ereignisse so vorzüglich orientiert 
zeigt und dabei eine so feine psychologische Beurteilung Davids 
bietet, daß sie höchstwahrscheinlich noch der Zeit Salomos zu- 
zuweisen ist. Auch die älteren Bestandteile der Biographie Sa- 
lomos in lKön. 1 — 11 enthalten allerlei wertvolles Material, und 
schließlich können auch aus den ältesten Schriftpropheten, Arnos 
undHosea, wichtige Rückschlüsse auf die vor ihnen herrschenden 
Anschauungen gezogen werden. 

§ 9. Der Gottesbegriff. 

Zur Literatur: JWRothstein, Zur Kritik des Deboraliedes u. 
die urspr. rythmische Form desselben. ZDMG, Bd. LVI (1902) u. LVII (1903). 
— BJakob, Im Namen Gottes. Eine sprachliche und rel.-gesch. Unter- 
suchung zum A. und N. Test. Berlin 1903. — WErbt, Die Sicherstellung 
des Monotheismus durch die Gesetzgebung im vorexil. Juda. Göttingen 
1903. — HDuhm, Die bösen Geister im A. T. Tüb. 1904. — GWestphal, 
D'ttttH KSX. Nöldeke-Festschr., S. 719—724. — AMäcklenbukg, Ueber 
den Ephod im alten Israel. Zeitschr. für wiss. Theol. 49, 4. — JBöh- 
mer, Gottes Angesicht. Beitr. zur Förder. christl. Theologie XII (1908) 
4. S. 323—347. — HJElhorst, Das Ephod. ZatW. 1910, 4. S. 259—276. 

Daß auch in diesem Zeitalter höchstens von Henotheismus 
(vgl. dazu oben S. 43), nicht aber von absolutem Monotheismus 
in Israel die Rede sein kann, würde schon die stete Neigung 
des Volkes zum Ba'alsdienst beweisen, über die unten (§ 10) 
ausführlicher zu handeln sein wird. Natürlich setzt diese Nei- 
gung den Glauben an die Existenz Ba'als (oder der Ba l ale) vor- 
aus. Aber wollte man auch diesen Glauben als einen bloßen 
Wahn betrachten, den die eigentlichen Vertreter des Jahwismus 
nicht geteilt, vielmehr allezeit scharf bekämpft hätten, so würde 
dies mit verschiedenen deutlichen Aussagen in Widerspruch ste- 
hen. Bekämpft wird allezeit der Kult des Ba'al und anderer 
Götter, nicht aber der Glaube an ihre Existenz. Wenn Jephtha 
Jud. 11 24 dem Ammoniterkönig sagen läßt: „Nicht wahr, wen 
dir dein Gott K e möä *) zuweist, den nimmst du in Besitz?" so 
spricht er damit nur etwas für^ seine Zeitgenossen und den Er- 
zähler Selbstverständliches aus. Ebenso David, wenn er 1 Sam. 



*) Wohl Verwechselung mit Milkom, denn K*m6§ erscheint sonst 
überall als Gott der Moabiter. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 75 

26 w in der Vertreibung aus dem Erbbesitz Jahwes eine Nöti- 
gung zur Verehrung anderer Götter erblickt. Die Idee des Volks- 
gottes bringt es mit sich, daß sich der Machtbereich wie der Ver- 
ehrungsbereich des einzelnen Gottes in der Hauptsache nur auf 
das Land seines Volkes erstreckt. Außerhalb desselben herr- 
schen andere Götter und der zu ihnen Verschlagene tut wohl, 
sich ihrem Dienste anzubequemen. Ganz ist freilich der Kult 
eines Gottes auf fremdem Boden nicht ausgeschlossen. Nach 

1 Kön. 11 7 errichtete Salomo auf dem Ölberg eine Opferstätte 
für K'rnöä, den Gott der Moabiter 1 ). Die jetzige Darstellung er- 
blickt darin (V. i ff.) einen götzendienerischen Abfall Salomos, 
zu dem er von seinen heidnischen Weibern verführt worden sei. 
Höchstwahrscheinlich handelte es sich aber um eine — für den 
ursprünglichen Erzähler ganz unanstößige — Kultstätte, die 
Salomo einer moabitischen Gemahlin errichtete, damit sie ihren 
heimatlichen Gott auch in Juda verehren könne. Dieses Ver- 
langen konnte Salomo für recht und billig erachten, ohne daß 
ihm deshalb in den Sinn kam, sich selbst an diesem Kult zu be- 
teiligen. Eine solche Verirrung wäre auch bei dem Erbauer eines 
prachtvollen Heiligtums für den Landesgott schlechthin undenk- 
bar. Dabei ist übrigens kaum zu bezweifeln, daß man schon da- 
mals einen Ausweg kannte, die Verehrung eines Volksgottes auf 
fremden Boden zu ermöglichen. Man brachte Erde von seinem 
Lande in das fremde Land, um ihm so auf seinem eigenen Grund 
und Boden zu opfern. So erbittet sich der Aramäer Na'aman 

2 Kön. 5 17 von Elisa zwei Maultierlasten israelitischer Erde, 
weil er fortan keinen anderen Göttern mehr Brandopfer und 
Schlachtopfer bringen will, sondern nur Jahwe. Ganz offenbar 
entspricht diese Auffassung Na'amans dem Glauben auch des 
israelitischen Erzählers. Für die Ueberzeugung aber, daß der 
Macht eines Volksgottes in seinem Lande nicht zu widerstehen ist, 
wenn sie erst kräftig herausgefordert ist, ist ein überaus drasti- 
scher Beleg 2 Kön. 3 27. Der „gewaltige Zorn*, der über Israel 
kommt, nachdem Me§a* auf der Mauer (also sichtbar vor den Be- 
lagerern) seinen Erstgeborenen geopfert hat, ist der Zorn des 
Landesgottes K'möä, der nach einem solchen Opfer nicht untätig 
bleiben kann, sondern die Feinde aus seinem Lande vertreibt. 



l ) Nur diese „Höhe" gehört wohl dem ursprünglichen Text an; die 
übrigen sind hier wie 2 Kön. 23 13 deuteronomistische oder noch spä- 
tere Auffüllung. Die LXX haben zum Teil einen anderen Text. 



76 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

Wir vermögen uns dies sehr natürlich daraus zu erklären, daß 
ihnen nunmehr durch die Furcht vor dem vermeintlichen Zorn des 
K mö§ aller Mut geraubt war; aber dies ist keineswegs die Mei- 
nung des Erzählers und seiner Zeitgenossen. 

Ist nach alledem für diesen ganzen Zeitraum nicht das die 
Frage, ob Jahwe, der Gott Israels, der einzige Gott sei, so fragt 
es sich um so mehr, welche Bedeutung er speziell für sein Volk 
gehabt habe. Nach dem bereits oben (S. 62 ff.) Ausgeführten tritt 
die volle Bedeutung der grundlegenden Sätze: „ Jahwe ist der 
Gott Israels, Israel das Volk Jahwes" überall da hervor, wo es 
sich um Aktionen, wenn auch nicht aller, so doch mehrerer Stäm- 
me handelt, und zu solchen kommt es fast ausschließlich im Krieg. 
Da ist der Name Jahwes das Einheitsband, welches die im übri- 
gen heterogenen Elemente auf das festeste mit einander ver- 
knüpft, ihnen Begeisterung einflößt und sie zum Siege führt. Es 
ist der Kriegsgott Jahwe, dessen Feldhauptmann dem Josua 
im Gilgal erscheint (Jos. öisff.) 1 ); der, durch die heilige Lade 
repräsentiert (s. o. S. 51 ff.), die Mauern von Jericho zu Falle 
bringt (Jos. 6) und nach der Schlacht bei Gibeon gewaltige Steine 
auf die fliehenden Kanaaniter schleudert (10 u). Mit besonderer 
Energie tritt uns die freudige Zuversicht auf Jahwe als den ei- 
gentlichen Führer im Kampf im Deboralied entgegen. Das ganze 
Lied will vor allem dem Lobpreis Jahwes dienen (Jud. 5 sf. ». u), 
der seinen Wohnsitz am Sinai verließ, um über das Gebirge Se'ir 
auf das Schlachtfeld zu eilen (V. 4 f.). Er war der eigentliche 
Anführer im Kampfe, denn die Bewohner von Meros werden 
verflucht, „weil sie Jahwe nicht zu Hilfe kamen, Jahwe zu Hilfe 
unter den Helden" (V. 23); dagegen „vom Himmel her kämpften 
die Sterne, von ihren Bahnen aus kämpften sie mit Sisera" (V. 20). 
Besonders beachtenswert ist, wie kräftig auch sonst in diesem 
Lied dem Gedanken Ausdruck verliehen wird, daß es bei einer 
solchen Gelegenheit unbedingte Pflicht der einzelnen Stämme sei, 
Jahwe gegen den gemeinsamen Feind Heeresfolge zu leisten. 
Daher der Lobpreis der tapferen Stämme, die sich willig erwie- 
sen hatten (V. 13— 15\ is), wie umgekehrt herber Spott gegen die 
Säumigen (V. i5 b — 17). Und der Schlußvers betont es nochmals 
auf das Nachdrücklichste, daß die Feinde Israels eben dadurch 

*) Die Erzählung bricht jetzt mitten im Satze ab. Der Schluß ist 
wohl absichtlich unterdrückt, weil er eine andere Erklärung des „Gil- 
gal" enthielt, als die kurz zuvor in 5 9 gegebene. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 77 

Feinde Jahwes sind, daß aber denen, die ihn erwählen, Glanz 
und Glück erblüht: 

„So müssen umkommen alle deine Feinde, Jahwe! 
Aber die ihn lieben, sind wie der Aufgang der Sonne 

in ihrer Pracht ! " 

Die Ueberzeugung von einer persönlichen Gegenwart Jah- 
wes bei entscheidenden Kämpfen findet sich jedoch nicht etwa 
nur in dem dichterischen Schwung des Deboralieds. Abgesehen 
von den Stellen, nach denen er mit der heiligen Lade Israel in 
den Kampf begleitet (s. o. S. 54), bekennt noch David nach dem 
ersten entscheidenden Siege über die Philister: „Jahwe hat vor 
mir her meine Feinde durchbrochen wie Wasser [den Damm] 
durchbrechen!" (2 Sam. 5 20), und vor der zweiten Schlacht er- 
hält er das Orakel von Jahwe: „Wenn du dasGeräusch desEin- 
herschreitens in den Wipfeln der Bakabäume vernimmst, dann 
brich los; denn dann ist Jahwe ausgezogen vor dir her, um im 
Lager der Philister eine Niederlage anzurichten" (V. 24). 

Mögen auch gar manche Bräuche, die Israel im Kriege übte 
und die den Krieg als eine ununterbrochene Ausübung des reli- 
giösen Kultus erscheinen lassen, aus den Zeiten des Polydämo- 
nismus stammen und ursprünglich durch die Rücksicht auf die 
Dämonen hervorgerufen sein (vgl. oben S. 16 ff.): in der Periode, 
die uns hier beschäftigt, ist davon offenbar kein Bewußtsein mehr 
vorhanden. Die Kriege sind „die Kriege Jahwes" (Num. 21 14). 
Die Weihe- Akte und Enthaltungen, denen sich der Krieger un- 
terziehen muß, gelten Jahwe. Dafür ist besonders instruktiv die 
sehr alte Erzählung 1 Sam. 21 4 ff. Der Priester will David nur 
für den Fall von dem heiligen Brote (den sogenannten Schau- 
broten) geben, daß sich seine angeblichen Begleiter der Weiber 
enthalten haben. David spiegelt ihm vor, daß dies der Fall ge- 
wesen und daß seine Leute mit heiligem Gerät (das heißt wohl: 
Kleidern und Waffen) ausgezogen seien. David beseitigt also 
die Befürchtung, daß ihm und seinen Leuten die Reinheit fehle, 
die Jahwe gegenüber erforderlich war; diesem galt also aus- 
drücklich die Weihe des Kriegers. Noch im Deuteronom. (23 10 ff.) 
werden die Bestimmungen über die Reinhaltung des Kriegslagers, 
die doch höchstwahrscheinlich auf polydämonistischen Motiven 
beruhen, V. 15 einfach damit begründet, daß „Jahwe, dein Gott, 
inmitten deines Lagers einherzieht, um dich zu schützen und dir 



78 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 
deine Feinde preiszugeben ; darum soll dein Kriegslager heilig 



sein." 



Auch bei der häufigen Erwähnung der Vollstreckung des 
„Banns" (vgl. dazu oben S. 24 ff.) besteht in dieser Periode nie 
eine andere Voraussetzung, als daß die Weihung von Menschen 
und Beute lediglich zu Ehren Jahwes erfolgt. So Jos. 6 24. 7 uff. 
23 und besonders 1 Sam. 1B 33, wo Samuel an dem Amalekiter- 
könig Agag nachträglich den Bann vollstreckt, indem er ihn 
„vor Jahwe" (als einen dem Jahwe geweihten!) im Gilgal in 
Stücke haut. 

Die Tatsache, daß in dem Gottesbegriff dieser Periode viel- 
fach der Charakter Jahwes als des Kriegsgottes in den Vorder- 
grund tritt, macht es erklärlich, daß erst jetzt ein Beiname Jah- 
wes auftaucht, der ohne Zweifel ursprünglich mit dieser Seite sei- 
nes Wesens zusammenhängt, das ist der Name jahwceh ybä'öt 1 ). 
Daß dieses Wort Plural von säbä* „Heer" ist und also „Heere" 
oder „Heerscharen" bedeutet, ist allgemein anerkannt; ebenso 
auch, daß jahwceh s e höüöt nur eine Abkürzung ist für die vollstän- 
dige Formel „jahwceh 1(e löhe s'bä'öt" oder mit dem Artikel „jahwceh 
""lohe hass'hä'öt" 2 ), d. i. Jahwe, der Gott der Heerscharen". Wel- 
che Art von Heerscharen ist damit gemeint? Genauer werden 
wir fragen müssen : welche ist ursprünglich gemeint? Denn 
es hat von vornherein die größte Wahrscheinlichkeit für sich, 
daß dieser Gottesname erst im prophetischen Sprachgebrauch 
eine umfassendere Bedeutung gewonnen hat, als ihm ursprüng- 
lich eigen war. Die Streitfrage ist jetzt die, ob bei den „Heer- 
scharen" zunächst an die der Dämonen 3 ), oder der himmlischen 
Heerscharen, d. h. der Engel 4 ), oder endlich an die irdischen 

*) Vgl. über die verschiedenen Verbindungen des Wortes in Gottes- 
namen (mit Einschluß der Wiedergabe in den Septuaginta) die erschöp- 
fende Statistik von Löhk in den „Untersuchungen zum Buch Arnos" 
(Gießen 1901), S. 37 ff. 

2 ) Eine solche Abkürzung müßte man auch dann annehmen, wenn 
die vollere Formel, wie Löhr annimmt, erst kurz vor dem Exil (nach 
Analogie von „Jahwe", der Gott Israels) aufgekommen wäre. 

s ) So schon Wellhausen, Skizzen und Vorarbeiten V, 77 und neuer- 
dings wieder Schwally, Der heilige Krieg im alten Israel, S. 5, nur 
daß er speziell die Kriegsdämonen verstehen will (das „wilde Heer, das 
im Kriege mit Jahwe stürmt"). 

4 ) So die meisten nach dem Vorgang Ewalds (Die Lehre der Bibel 
von Gott, II 339), der den neuen Namen einmal nach einem plötzlichen 
Sieg von einem großen Propheten auf dem Schlachtfeld verkündigt 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 79 

Beerscharen Israels 1 ) gedacht ist. 

Daß den Dämonen noch in nachmosaischer Zeit mehr oder 
weniger bewußt auch im Kriege eine große Bedeutung zugeschrie- 
ben wurde, ist nach dem früher von uns Ausgeführten wahrschein- 
lich. Aber daß man nach Annahme des Jahwismus Jahwe ein- 
fach zum Anführer der Dämonen gemacht hätte und daß der so 
gemeinte Name ganz unbefangen auch von den Propheten — 
und zwar mit Vorliebe — gebraucht worden wäre, das ist un- 
denkbar. Denn der echte Jahwismus steht naturgemäß im Ge- 
gensatze zum Dämonenglauben, und wir haben daher nirgends 
eine sichere Spur einer solchen gleichsam offiziellen Anerken- 
nung des letzteren, wie sie hier vorausgesetzt werden müßte. 

Dagegen ließen sich für die Vorstellung von einem Jahwe 
umgebenden Engelheer verschiedene, zum Teil alte Belege gel- 
tend machen. Zwar nicht Stellen wie 1 Kön. 22 i». Denn „das 
ganze Himmelsheer", das der Prophet Micha zur Rechten und 
Linken Jahwes erblickt, ist so wenig ein Kriegsheer, wie „das 
Heer der Höhe" in der sehr späten Stelle Jes. 24 21. Wohl aber 
sind Gen. 32 3 (bei E) die Engel Gottes als Glieder eines Kriegs- 
lagers gedacht; der „ Anführer des Heeres Jahwes" Jos. 5 13 f. 
kann nur als Anführer eines Engelheeres gemeint sein, und die 
feurigen Rosse und Wagen rings um Elisa 2 Kön. 6 17 werden 
offenbar von kriegerischen Engeln gelenkt. 

Durch alles dies wird jedoch die Tatsache nicht entkräf- 
tet, daß der Plural s'bä^dt an allen 26 Stellen, an denen er sich 
außerhalb des Gottesnamens findet, niemals das Himmelsheer 2 ), 
sondern immer die irdischen Schlachtreihen Israels bezeichnet 
(Ex. 7 4. 12 17. 4i usw. bis zu dem späten Psalm 44 10: „du ziehst 
nicht aus mit unseren Heerscharen"), und es wäre doch seltsam, 
wenn das Wort nur in der Verbindung „Jahwe Zebaoth" etwas 
anderes bedeutete. 



glaubte; neuerdings wieder Bokchekt in „Theol. Studien u. Kritiken u 
1896, S. 619 ff. 

1 ) So schon JGHekder im „Geist der hebräischen Poesie" und an- 
dere, dann nach längerer Herrschaft der Beziehung auf die Engelheere 
ESchradek in den Jahrbüchern für protest. Theologie 1875, S. 316 ff.; 
EKaützsch, Artikel „Zebaoth" in PRE XVII, 423 ff., sowie in ZAW. 
1886, S. 17 ff. 

2 ) Dieses heißt vielmehr überall saha 1 im Singular; auch Ps. 103 21 
und Ps. 148 2 beruht die Pluralform nachweisbar auf einem Irrtum. 



80 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

Aber warum — so fragte vor Jahren schon Delitzsch *) — 
findet sich dann der Gottesname Jahwe Z. gerade da nicht, wo 
man ihn am ehesten erwarten sollte, nämlich in der Zeit des Aus- 
zugs und der Kämpfe mit den Kanaanitern? Statt dessen begeg- 
net er uns zuerst 1 Sam. 1 3 als Name des in Silo wohnenden 
Gottes! In der Tat wäre das gänzliche Fehlen des Namens im 
Hexateuch und im Richterbuche sehr befremdlich. Aber Kloster- 
mann (Geschichte Israels, S. 76) hat es im höchsten Grade wahr- 
scheinlich gemacht, daß der Name Jahwe Z. wenigstens aus dem 
Hexateuch erst nachträglich (vielleicht aus Besorgnis vor einer 
Mißdeutung im Sinn des verpönten Gestirndienstes) redaktionell 
beseitigt worden ist. Sostand Jos. 3 u und la statt des seltsamen „die 
Lade mit dem Gesetz des Herrn der ganzen Erde" sicher ur- 
sprünglich das gewöhnliche „die Lade Jahwes der Heerscharen* 4 , 
und zu 6 17 bezeugt die Sept. ausdrücklich „Jahwe Zebaoth" als 
ursprüngliche Lesart. 

Einen anderen Einwand gegen obige Deutung hat Borchert 
erhoben, indem er darauf hinwies, daß alle die Stellen, in denen 
s'bä'öt die Heerscharen Israels bedeuten, erst den jüngsten Be- 
standteilen des Kanon (20 der jüngsten Quellenschrift des Pen- 
tateuch) angehören und überdies nicht von kriegerischen Heer- 
scharen, sondern von Volkshaufen überhaupt redeten. Letztere 
Behauptung ist jedoch (auch abgesehen von 1 Kön. 2 s, wo sitföt 
in dem jetzigen deuteronomistischen Bericht höchstwahrschein- 
lich einer älteren Grundlage angehört) nicht zutreffend. Die 
jüngste Quellenschrift des Pentateuch denkt das Volk immer in 
Gestalt eines Kriegsheeres, sowohl auf dem Marsch wie im 
Lager, in fester Ordnung rings um das Heiligtum geschart (vgl. 
besonders Num. 2). Und daß das irdische Kriegsheer (wie das 
himmlische, Jos. 5 14!) in der älteren Sprache im Singular säbä 1 
heißt, hindert nicht, daß der Plural gleichfalls ursprünglich zur 
Bezeichnung irdischer Heerscharen diente. Diese Annahme 
hat eine sehr starke Stütze in 1 Sam. 17 45. Wenn dort David 
zu dem philistäischen Riesen sagt: „Ich komme im Namen Jah- 
wes der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels", so 
will er mit letzterem Zusatz ganz offenbar dem Heiden eine au- 
thentische Interpretation des Namens Jahwe Z. geben, der ihm 
ohne dies unverständlich bleiben müßte. 

J ) In Rudelbachs „Zeitschr. für die gesamte lutherische Theologie 
und Kirche" 1874, S. 217 ff. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 81 

Wenn wir somit bei der Deutung auf die Heerscharen Isra- 
els verbleiben, die sich im Kampfe (wie Jud. 5 23. 2 Sam. 5 20. 24) 
Jahwes als des eigentlichen Anführers und Vorkämpfers getrösten 
dürfen, so bedarf es doch noch eines Zusatzes : Jahwe Z. ist ur- 
sprünglich der Kriegsgott, wie er durch die heilige Lade 
repräsentiert war 1 ). Daß die Lade selbst ein kriegerisches 
Heiligtum war, ist bereits oben S. 51 ff. gezeigt worden. Wenn 
aber von den 11 Stellen, an denen der Name Jahwe Z. in den 
Samuelisbüchern vorkommt, nicht weniger als 5 in direkter oder 
indirekter Beziehung zur heiligen Lade stehen, so kann dies nicht 
zufällig sein (vgl. 1 Sam. 1 a. 11: Jahwe Z. in Silo, dem damaligen 
Sitz der Lade ; 44: die Lade Jahwes Z.). Einer der stärksten 
Belege aber dürfte in 2 Sam. 6 2 vorliegen. Allerdings ist der 
ursprüngliche Wortlaut dieser Stelle jetzt verderbt, wie schon 
der anders lautende Text in der Chronikparallele (I 13 e) be- 
weist 2 ). Aber die Streichung des ganzen Satzes hinter Zebaoth 
ist ein ganz ungerechtfertigter Gewaltstreich. Vielmehr war hier 
unter allen Umständen ausgesagt, daß „über der Lade der Name 
Jahwes der Heerscharen genannt war", d. h. daß sie zu diesem, 
also dem Kriegsgott, in der allerengsten Beziehung stand, in- 
dem sie seine Gegenwart repräsentierte und verbürgte. Und 
wenn David 2 Sam. 6 18 das Volk im Namen Jahwes der Heer- 
scharen segnet, so ist dies der feierliche Abschluß aller der Veran- 
staltungen, die der Ueberführung der heiligen Lade auf denZion 
und damit eben dem Jahwe der Heerscharen, dem Kriegsgott ge- 
golten hatten. Auch Ps. 24 10 erklärt sich die Bezeichnung Gottes 
als „Jahwe der Heerscharen" (parallel mitV. 8, wo er ein gewal- 
tiger und ein Kriegsheld heißt) am einfachsten daraus, daß es 
sich in diesem Psalmenfragment doch wohl um die Heimkehr der 
Lade aus einem Feldzug in den Tempel handelt. 

Mit dieser Deutung von „Jahwe Zebaoth" als ursprünglicher 
Bezeichnung des in der heiligen Lade repräsentierten Kriegs- 
gottes soll indes nicht geleugnet werden, daß sich allmählich im 



*) Diesen Zusammenhang vermutete schon Vuilleumier in der Re- 
vue de theol. et de philos. Apr. 1877, S. 302 („le nom de Dieu Jahveh- 
cebaoth"); ausführlich begründet wurde er von EKautzsch in der oben 
S. 79 Note 1 erwähnten Schrift. 

2 ) Vgl. über die Schwierigkeiten des jetzigen Textes und die man- 
nigfachen Versuche zu seiner Heilung Giesebbecht, Die alttes tarn ent- 
liehe Schätzung des Gottesnamens (Königsb. 1901), S. 132 ff. 

E. Eautzsch, Biblische Theologie d. A. T. ß 



82 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

Sprachgebrauch eine andere Auffassung festsetzte, so daß jene 
ursprüngliche an zahlreichen Stellen ganz vergessen scheint. Da- 
rauf weist schon die Statistik hin. Von den 278 Stellen, in denen 
Jahwe Zebaoth (so 234 mal) oder eine andere Verbindung von 
Zebaoth vorkommt, entfallen 19 auf die Geschichtsbücher (11 
Sam. 5 Kön. 3 Chron., in Parallelen zu Sam.), 15 auf die Psal- 
men (im ersten Buch nur 24 10; 14 im 2. und 3. Buch), alle übri- 
gen dagegen auf die Propheten. Sind nun auch unter den letzte- 
ren Stellen einige, die auf Jahwe Z. als den Kriegsgott hinwei- 
sen könnten, so ist doch diese Auffassung in weitaus den meisten 
Stellen vollständig ausgeschlossen. Vielmehr haftet dem Zusatz 
Zebaoth deutlich der Begriff der überweltlichen Macht und 
Herrlichkeit Jahwes an. So sichtlich in den Stellen, in denen 
dieser Gottesname in Parallele steht mit dem Begriff der „ Heilig- 
keit", d.i. (nach dem protestantischen Gebrauch des Wortes) mit 
der absoluten Erhabenheit Jahwes, wie Jes. 5 ie. 24. 6 3. Wie die- 
ser Wechsel der Bedeutung zu verstehen ist, läßt sich nicht mit 
Sicherheit sagen. Nur so viel ist klar, daß nach der dauernden 
Aufstellung der Lade in dem geheimnisvollen Dunkel des Hinten- 
raums des Tempels ihr einstiger Zusammenhang mit dem Kriegs- 
gott, Jahwe Z., aus dem Bewußtsein des Volkes schwinden und 
dafür der allgemeine Gedanke an die ehrfurchtgebietende Ma- 
jestät dieses Gottes in den Vordergrund treten mußte. Dabei 
bleibt es doch das Wahrscheinlichste, daß man nunmehr unwill- 
kürlich den irdischen Heerscharen die der Engel, und vielleicht 
auch (wenigstens später) die der Sterne substituierte, so daß sich 
mit „Jahwe Z. w schließlich von selbst die Idee des Gebieters des 
Weltalls verband. So würde sich auch am einfachsten der auf- 
fallende Umstand erklären, daß sich bei Hesekiel kein Beleg für 
Jahwe Z. findet, während doch dieser Name bei Jeremia und so- 
fort nach dem Exil sehr häufig ist: Hesekiel könnte ihn absicht- 
lich vermieden haben, weil er als eine Rechtfertigung des Gestirn- 
dienstes mißgedeutet werden konnte. 

Eine weitere wichtige Frage im Bereiche der Gottesvorstel- 
lung ist die: finden sich schon in der vorprophetischen Periode, 
die uns hier beschäftigt, Ansätze zu einer Ueberwindung der an- 
fänglichen grobsinnlichen Vorstellung von der Leiblichkeit Got- 
tes, also Ansätze zu einer Loslösung des göttlichen Wesens von 
dem Bereich der Sichtbarkeit und Sinnlichkeit und damit zu einer 
Vergeistigung desselben? — Es ist zwar kein Zweifel, daß die di- 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 83 

rekteVerleiblichung Jahwes auch in unsere Periode noch herein- 
ragt. Das beweisen die jahwistischen Perikopen Gen. 3 8 ff. und 
18 lff. 1 ). Trotzdem ist obige Frage entschieden zu bejahen, und 
es finden sich sogar mehrere Methoden, zwischen dem transscen- 
denten unnahbaren eigentlichen Wesen Jahwes und den vorüber- 
gehenden, sein Wesen nicht völlig erschöpfenden Erscheinungen 
zu unterscheiden. 

Sicher gehört hierher der »maVak jahwceh" oder „der Engel 
Jahwes" 2 ) nach seiner ursprünglichen Bedeutung. Dies hätte 
nicht verkannt werden können, wenn man nicht auf dem Boden 
einer mechanischen Inspirationslehre darauf bestanden hätte, für 
den ganzen Bereich des alten Testaments genau die gleiche Be- 
deutung dieses Theologumenons geltend zu machen. Da nun in 
gewissen späten Stellen der „Engel Jahwes" zweifellos als ein 
kreatürlicher Engel deutlich von Jahwe unterschieden wird, so 
konnte er — so meinte man — auch in allen alten Stellen nur 
ein kreatürlicher Engel sein 3 ). In Wahrheit ist der Engel J.s 
ursprünglich eine Erscheinungsform Jahwes selbst, „eine vor- 
übergehende Versenkung desselben in die Sichtbarkeit", nur in- 
sofern von ihm unterschieden, als er nicht die ganze volle Maje- 
stät seines Wesens darstellt. Wenn man dabei höchst befremd- 
lich gefunden hat, daß der „Engel Jahwes" nicht selten mit dem 
reinen Jahwenamen rasch wechselt, so läßt sich diese Erschei- 
nung auf eine sehr einfache Weise erklären. Die Bezeichnung 
„der Engel J.s" wird überall da nötig, wo er (besonders im Ge- 
spräch) in direkte Berührung mit den Menschen tritt, während 
das einfache „Jahwe" ausreicht, wo Gott gleichsam für sich, se- 

*) In Gen. 18itf. sind allerdings jetzt, wie Kraetzschmar, ZATW. 
1897, S. 81 ff. gezeigt hat, zwei Rezensionen derselben Erzählung verschmol- 
zen. Nach der älteren erscheint Jahwe selbst in Begleitung zweier Engel, 
dagegen nach der jüngeren (der „ Pluralquelle u ) sind drei Engel von 
Jahwe gesandt, während er selbst im Himmel weilt (vgl. besonders 19 24). 

2 ) Die E-Quelle des Pentateuch bleibt auch hier ihrem Grundsatz 
der Vermeidung des Jahwe-Namens getreu und sagt (jedoch in ganz 
gleicher Bedeutung) maVah f€e löhim (Gen. 21 17) oder m. hä yce löhim (Gen. 
31 11. Ex. 14 19) der Engel Gottes. 

8 ) Die Monographieen über den maVah j., die von dieser Voraus- 
setzung ausgehen, sind heute gegenstandslos. Die richtige Auffassung 
vertritt besonders Kosters (de mal'ach Jahve) in Theol. Tijdschrift 1875, 
S. 367 ff. Nur geht er darin zu weit, daß er in den vorexilischen Stellen 
alle Erwähnungen von Engeln (auch im Plural, wie Gen. 28 12. 32 2, 
als Selbstdarstellungen Gottes deuten will. 

6* 



84 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

pariert von den Menschen oder doch ihnen unsichtbar zu denken 
ist. Mag auch dieser Sachverhalt in einigen Stellen durch redak- 
tionelle Eingriffe getrübt sein, in anderen tritt er unverkennbar 
hervor 1 ). So Jud. 5 2a: „ Fluchet Meros, sprach der [Israel anre- 
dende] Engel J.8, daß sie dem [unsichtbar erschienenen] Jahwe 
nicht zu Hilfe kamen". Ebenso heißt Gen. 16 7 ff. der zu Hagar 
redende Gott immer „mal'akj* ;" dagegen hat nach V. 11 Jahwe 
selbst ihr Elend erhört, denn dazu bedarf es nicht der persön- 
lichen Zusammenkunft mit ihr. Jedenfalls ist es ganz im Sinne 
des Erzählers, wenn sie V. 13 in dem, der mit ihr geredet hatte, 
Jahwe selbst erblickt. Auch in Gen. 21 17 ff., der elohistischen 
Parallele zu dem jahwistischen Bericht in Kap. 16, hört Gott 
das Schreien des Knaben, aber der Engel Gottes ruft der Ha- 
gar vom Himmel her zu etc. Und wenn V. 10 Gott ihr die Augen 
öffnet, daß sie den Wasserquell sieht, so bedarf es dazu nicht 
einer persönlichen, mechanischen Einwirkung, vielmehr 
kann es durch einen von ferne wirkenden Willensakt Gottes ge- 
schehen, und so meint es offenbar der Erzähler. Zu beachten ist 
aber, wie hier bei E schon eine starke Vergeistigung des alten 
Theologumens erfolgt ist. Bei J tritt der Engel J.s der Hagar 
an der Quelle offenbar in Menschengestalt persönlich entgegen; 
bei E ruft er ihr „vom Himmel" her zu; der Gedanke an eine 
menschliche Leiblichkeit Jahwes ist dadurch, wenn nicht geradezu 
beseitigt, so doch in den Hintergrund gedrängt. Dasselbe gilt 
von Gen. 22 11 (wo »mal'ak jahivceh" in der sonst durchweg elo- 
histischen Erzählung nur redaktionelle Variante sein kann für 
„maVak ,(e löMm u , vielleicht veranlaßt durch den redaktionellen 
Zusatz V. 15, der gleichfalls vom Engel Jahwes redet). Gen. 31 11 
(E) ruft der Engel Gottes dem Jakob „im Traume zu u ; auch hier 
wird also der Hinweis auf einen direkten persönlichen Verkehr 
von E vermieden. Wohl aber identifiziert sich der Engel Jahwes 
ausdrücklich mit dem Gott von Bethel. Hier hört also jede Mög- 
lichkeit auf, eine Selbstoffenbarung Jahwes in Gestalt des En- 



*) An diesem häufigen Nebeneinander von jahwceh und maVah jah- 
w<eh scheitert die (auf den ersten Blick sehr plausible) Meinung, die 
Idee des „Engels Jahwes" sei die notwendige Konsequenz von dem Wohn- 
sitz Jahwes auf dem Sinai. Thronte er dort, so konnte er nicht gleich- 
zeitig anderwärts erscheinen. Aber dies ist eine irrige Annahme. Viel- 
mehr, wo der Engel Jahwes erscheint, da ist auch Jahwe tätig, aber 
sichtbar und hörbar ist nur seine Erscheinungsform. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 85 

gels zu leugnen. In der Erzählung vom Jakobskampf (Gen. 32 25 ff.) 
ist nur von einem „Manne" die Rede, aber dieser scheint doch 
auch als maV ab jahwceh gedacht, da er Jakob segnet, und dieser 
V. 31 erklärt, daß er „Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen 
habe und doch mit dem Leben davon gekommen sei* 4 . Den 
mal' ab j. finden wir wieder Ex. 32. Hier erscheint er Mose als 
Feuerflamme, tritt also in den Bereich der Sichtbarkeit. Dar- 
nach kann es nur auf einem redaktionellen Eingriff beruhen, 
wenn V. 4 b in dem elohistischen Nachsatz zu dem jahwistischen 
V. 4 a („ Jahwe sah" — analog Gen. 21 17: „Gott hörte") Gott 
selbst und nicht der Engel Gottes Mose aus dem Busche zuruft. 
Uebrigens bleibt in der ganzen weiteren Verhandlung (V. eff.) 
nicht der leiseste Zweifel, daß Gott selbst und nicht etwa ein 
Abgesandter Gottes redet. 

Genau so wie Gen. 16 und 21 erklärt sich die auffallende 
Abwechselung von Jahwe (oder „Gott") und „Engel Jahwes" in 
Num. 22 22—36. Der letztere tritt Bileam feindselig entgegen (V. 22. 
24. 26) ; ihn sieht die Eselin (23. 25. 27) und schließlich auch Bileam 
selbst (31); er redet zu Bileam (32.35) und dieser antwortet ihm 
(34). Dagegen „Jahwe" verlieh der Eselin Sprache (V. 28) ; er 
öffnet Bileam die Augen (V. 31; vgl. ganz so Gen. 21 19!) — in 
beiden Fällen sind es Fernwirkungen der Macht Jahwes. 

Auch Jud. 6 uff. liegt nach V. 14 eine persönliche Erschei- 
nung Jahwes vor; sie heißt überall „mal 'ab jahwceh," außer V. 14. 
16. 23; doch lasen die Sept. auch V. 14 undw „maVabj.", und dies 
ist sicher das Ursprüngliche, nicht erst eine absichtliche Aus- 
gleichung mit dem übrigen Text. Daß endlich in Jud. 13 3 ff. in 
dem Engel Jahwes, den die Eltern Simsons anfänglich für einen 
Gottesmann halten, Jahwe selbst erschienen ist, bezeugt abge- 
sehen von V. 18 ganz ausdrücklich V. 22 f. — Die letzte Stelle, 
die sicher hierher zu ziehen ist, dürfte Hos. 12 4 f. sein: „Jakob 
kämpfte mit Gott; er kämpfte gegen eine Gotteserscheinung 
(maVäb) u etc. Der Prophet vermeidet sichtlich, Jahwe selbst zu 
nennen; gemeint ist aber offenbar dasselbe, was auch die zugrunde 
liegende Stelle (s. 0.) berichten will. Sonstige Belege für diese 
Bedeutung des maVab j. sind die allerdings sehr summarisch 
gehaltenen Aussagen Gen. 48 ie (E). Jud. 2 1. 4. 2 Kön. 1 3. 15, 
und der Engel Gottes (bei E, parallel mit der Wolkensäule bei J) 
Ex. 14 19. Ueber Mal. 3 1 s. S. 87. 

Es ist begreiflich, daß eine solche, wenn auch nur vorüber- 



86 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

gebende und das volle Wesen Jahwes nicht erschöpfende, Ver- 
leiblichung dem religiösen Empfinden bei weiterer Vertiefung des 
Gottesbegriffs anstößig werden mußte. Man beseitigte indes den 
Anstoß nicht ohne weiteres durch die Umsetzung des maVdkj. 
in einen geschaffenen Engel, sondern hielt noch an einer Reprä- 
sentation Jahwes fest, wenn auch mit schärferer Hervorhebung 
des Unterschieds zwischen ihr und Jahwe selbst. Hierher gehören 
einige Stellen, bei denen bisweilen schwer zu sagen ist, ob doch 
noch ein maVdkj. in der oben dargelegten Gestalt oder geradezu 
ein geschaffener Engel zu verstehen ist. So Ex. 23 20 ff. „Führ- 
wahr, ich will meinen l ) Engel vor dir her senden, dich zu behüten 
auf dem Wege und dich an den Ort zu bringen, den ich bereitet 
habe. Hüte dich vor ihm und gehorche seiner Stimme und sei 
nicht widerspenstig gegen ihn ; denn er wird eure Uebertretung 
nicht vergeben, denn mein Name ist in ihm." Das letztere 
heißt nichts anderes, als: „denn er ist eine Repräsentation mei- 
nes Wesens" (s. u. S. 90 ff.), und dies darf nicht mit Ewald u. a. 
dahin abgeschwächt werden, daß er Gott, wie der Gesandte den 
König, vertritt und beliebig in seinem Namen reden kann : viel- 
mehr ist er selbst göttlichen Wesens. Wir werden jedoch sehen, 
daß der „Name" Gottes doch nicht so unmittelbar mit Gott iden- 
tisch ist, wie dies vom maVak j. gesagt werden konnte. Ganz 
wie Ex. 23 20 dürfte auch 32 34 und 33 2 (lies wiederum mit LXX 
Luc. „meinen Engel") zu verstehen sein. Denn 33 3 und 5 wird 
von Gott selbst ausgesagt, daß er nicht in der Israeliten Mitte 
einherziehen könne, weil er sonst das halsstarrige Volk vernich- 
ten müsse. Endlich gehört hierher wohl noch der Vergleich Da- 
vids mit dem Engel Gottes 2 Sam. 14 17. 20 19 28 (dagegen 1 Sam. 
29 s „wie ein Engel Gottes"). Die Aussage ist zu allgemein, um 
eine sichere Deutung zuzulassen. Aber das Weib von Thekoa 
würde doch schwerlich die Weisheit Davids kurzweg mit der 
Weisheit Gottes selbst gleichgesetzt haben, vielmehr ist sicher 
auch hier an eine Repräsentation Jahwes zu denken, die nicht 
absolut mit ihm identisch ist. 2 Sam. 24 ie aber ist „der Engel 
Jahwes" ein kreatürlicher Engel, denn Jahwe befiehlt ihm, von 
weiterer Verheerung abzulassen; ebenso 1 Kön. 19 7 (vgl. V. 5) 

x ) Hebr. Text (wie Num. 20 16): einen Engel;, doch ist zweifellos 
mit dem Samaritanischen Text und LXX Luk. maVäM, meinen E., zu 
lesen. Vgl. auch im hebr. Text V. 23 : ja, mein Engel wird vor dir her- 
geben etc., und schon Gen. 24 7. 40: er wird seinen E. vor dir hersenden. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 87 

und 2 Kön. 19 35 (Jes. 37 ae); Ps. 34 s. — Ps. 35 5 f. liegt wohl ein- 
fach die Idee eines (von Gott bestellten) Schutzengels vor. 

In den vorexilischen Propheten fehlt das Theologumen vom 
„Engel Jahwes" völlig, und Zach. luff. 3 1. 5 f., wo es nach lan- 
ger Pause wieder erscheint, kann über den kreatürlichen Cha- 
rakter dieses „Engels Jahwes" kein Zweifel sein. Denn er betet 
zu Jahwe, und Jahwe erwidert ihm tröstliche Worte. Er über- 
mittelt den göttlichen Auftrag (1 14) und 2 7 wird ihm „ein an- 
derer Engel" gegenübergestellt. Auch 32 (wo nachV. 1 zu lesen 
ist: und der Engel J. sprach) unterscheidet er sich abermals aus- 
drücklich von Jahwe. In der erheblich späteren Stelle Zach. 12 s 
steht „der Engel Jahwes" parallel mit rce löhim; aber letzteres ist 
hier offenbar nicht kurzweg so viel als Jahwe, sondern „ ein über- 
irdisches, göttliches Wesen", und „der Engel Jahwes" wird so- 
mit auch hier von Jahwe selbst durchaus unterschieden. Eher 
könnte man eine Selbstoffenbarung Jahwes bei dem „Engel des 
Bundes" Mal. 3i denken, da er unmittelbar nach dem „Herrn", 
d. i. Jahwe, genannt wird. In Wahrheit wird er jedoch Jahwe 
nur als dessen Begleiter und Werkzeug koordiniert und somit 
gleichfalls von ihm unterschieden. 

Eng verwandt mit dem „Engel J.s" im ursprünglichen Sinne 
ist in einigen Stellen das „Antlitz (jpänim) l ) Jahwes", d. h. 
geradezu Jahwe als persönlich gegenwärtiger, wenn auch (wie der 
maVäkj.) in einer Offenbarungsform, die sich nicht absolut mit 
seinem vollen Wesen deckt. Leider ist die Hauptstelle, die von 
diesem Theologumen handelt, Ex. 33, jetzt nicht mehr vollstän- 
dig erhalten und daher schwieriger Deutung. In dem aus ver- 
schiedenen Quellenschichten gemischten Text V. 3 ff. hat Gott 
erklärt, daß er nicht persönlich inmitten des Volks einherzie- 
hen könne, weil er es sonst vertilgen müsse. Darüber ist Israel 
sehr betrübt, legt aber auf Befehl Gottes seinen Schmuck ab, da 
Gott auf einen Ersatz für seine persönliche Gegenwart bedacht 
sein will. Hinter V. 6 muß nun (und zwar in E) die Anfertigung 
des Zeltes und der heiligen Lade aus dem Schmuck des Volkes 
erzählt gewesen sein, da das Zelt V. 7 plötzlich als vorhanden 



*) Ueberraschendes Licht verbreitet über diese eigentümliche Be- 
zeichnung der Umstand, daß auf karthagischen Inschriften die Göttin 
Tanit sehr häufig den Ehrenbeinamen „ Antlitz Ba'als" (p e ne öa'aZ), d.i. 
persönliche (gleichsam leibhafte) Repräsentation der Gottheit überhaupt, 
erhält. 



88 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

vorausgesetzt wird. Die Jahwe repräsentierende Lade ist eben 
der Ersatz für seine persönliche Gegenwart. Wenn nun in der 
aus J stammenden Parallele V. 12 ff. Gott auf die Frage Moses, 
wen er mit dem Volke senden wolle, V. 14 antwortet: „Mein An- 
gesicht soll [mit euch] gehen", so kann dies nicht in völligem 
Widerspruch mit E kurzweg heißen: ich in eigner Person, son- 
dern auch J muß etwas abgeleitetes, eine teilweise Repräsen- 
tation des vollen Wesens Jahwes gemeint haben, sei es, daß auch 
er dabei an die heilige Lade dachte, oder daß ihm die Selbst- 
offenbarung Gottes in Gestalt des maVdk jahwteh vorschwebte. 
Auf Ex. 33 11 beziehen sich ohne Zweifel zurück Deut. 4 37 und 
Jes. 63 9. In letzterer Stelle ist nach dem jetzigen Texte von 
„dem Engel seines Angesichts" (pänim) die Rede. Dies würde 
heißen : dem Engel, in welchem seine pänim, seine Offenbarungs- 
gegenwart vorlag. Doch ist ohne Zweifel nach den LXX zu lesen: 
nicht ein Bote oder Engel (lies : $ir ümal'äi) — sein Angesicht 
errettete sie ! Deutlich wird hier pänim als eigne Erscheinung 
Jahwes den ganz von ihm verschiedenen Boten und Engeln ge- 
genübergestellt. Immerhin können doch auch dem Verfasser von 
Jes. 63 9 die pänim Jahwes nicht ohne jede Einschränkung als 
mit ihm identisch gegolten haben, denn in diesem Falle hätte er 
sicherlich einfach „Jahwe, er" anstatt „sein Angesicht" gesagt. 
An drei anderen Stellen bedeuten die pänim Jahwes sein Er- 
scheinen zum Gericht über die Feinde Israels: Ps. 21 10 80 17 Thr. 
4 16 („das zornige Dreinschauen Jahwes hat sie zerstreut"). 

In die Kategorie der Offenbarungserscheinungen gehört wei- 
ter der käbod, d. i. die „Herrlichkeit" 1 ) Jahwes. Ein ganz 
sicherer Beweis, daß dieses Theologumen schon der vorpropheti- 
schen Zeit geläufig war, läßt sich allerdings nicht führen. Denn 
in der sehr alten Stelle 1 Sam. 422 scheint käbod eine Bezeichnung 
des in der heiligen Lade gegenwärtigen Jahwe zu sein und ist da- 
her ganz anderer Art, als der käbod in allen anderen vorexilischen 
Stellen. In diesen ist der käbod die Erscheinungsform, in der 
sich Jahwe bei feierlichen Anlässen Israel zeigt, und zwar vor 
allem der Glanz, den die ihn umgebende Wolke ausstrahlt. Mag 
hierbei auch ursprünglich der Gedanke an den Gewittergott mit- 

*) Eine gründliche Erörterung der Geschichte dieses Begriffs bietet 
vonGall, Die Herrlichkeit Gottes, eine biblisch-theologische Unter- 
suchung, ausgedehnt über das Alte Testament, die Targume, Apokryphen, 
Apokalypsen und das Neue Testament. Gießen 1900. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 89 

wirken, der in blitzesprühenden, dunklen Wolken erscheint (so 
wohl noch Ex. 33 is Dt. 5 21), so kann doch der Mböd auch unab- 
hängig vom Gewitter hervortreten ; so besonders 1 Kön. 8 11 [2 
Chr. 7 1], wo der Mböd Jahwes in Gestalt einer lichten Wolke 
den neuerbauten Tempel anfüllt. Dagegen scheint käböd Jes. 63 
(darnach auch Num. 14 21 f. Hab. 2 14 und öfter in den Psalmen, 
z. B. 19 2 72 19) in einem viel weiteren Sinn die Offenbarungen 
der göttlichen Majestät und Allmacht zu bezeichnen, die aller 
Orten auf Erden kundwerden. 

Eine ganz andere Bedeutung hat dagegen der Mböd Jahwes 
bei Hesekiel, sowie in Jes. 40 — 66 und im Priesterkodex. Hier 
ist er deutlich die Gestalt selbst, in der Jahwe sichtbar wird, 
nicht mehr bloß die vorübergehend angenommene Umhüllung 
seines Wesens. Dieser Mböd leuchtet wie Glanzerz x ) (Hes. 1 27 f.) ; 
er hebt sich von seiner Stelle unter Getöse, wie dem eines star- 
ken Erdbebens (3 12), verläßt den Kerubwagen und nähert sich 
der Schwelle des Tempels, so daß dieser von der (den Mböd um- 
hüllenden) Wolke und der Vorhof vom Glänze des Mböd Jah- 
wes erfüllt wird (9 3. 10 4). Sodann aber besteigt er wiederum 
den Kerubwagen (10 is f., vgl. auch 3 23 8 4) und verläßt auf ihm 
die Stadt, um sich während der Zeit des Gerichts und der Ent- 
weihung Jerusalems auf dem Oelberg niederzulassen (11 22 f.). 
Von dort kehrt er beim Anbruch der Heilszeit durch das Osttor 
in den Tempel zurück, so daß dieser und das ganze Land aufs 
neue von seinem Widerschein erglänzen (43 2 ff.). 

Dieselbe Vorstellung von dem Mböd Jahwes als einer weit- 
hin strahlenden Gestalt findet sich, wenn auch in verschiedener 
Weise, in den messianischen Ausblicken in Jes. 40 — 66. Nach 
K. 40 5 soll er sich allem Fleisch offenbaren, sobald die Vorbe- 
reitungen zur Heimkehr der Exulanten getroffen sind; höchst- 
wahrscheinlich ist er hier als Führer an der Spitze der Heim- 
kehrenden gedacht. Dagegen strahlt nach 60 1 f. der Mböd Jah- 
wes über ihnen (also doch wohl am Himmel) auf, während 59 19 
(parallel mit dem „Namen Jahwes; siehe unten) und 66 is f. mit 
Mböd wiederum wie Jes. 6 3 etc. die aller Welt sichtbare Ver- 
herrlichung der Majestät und Allmacht Jahwes bezeichnet sein 
dürfte. 

Ganz deutlich kehrt die in Hes. 1 — 11 und 43 vorlie- 

l ) Nach LXX und Vulg. bedeutet das Wort (hasmal) Elektron, also 
ein Amalgam von Gold und Silber. 



90 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

gende Vorstellung vom häbod Jahwes im Priesterkodex wieder, 
wenn auch naturgemäß ohne die Verknüpfung mit dem Kerub- 
wagen. Er thront auf dem Sinai von der Wolke umhüllt ; den 
Augen der Israeliten aber stellt er sich dar wie verzehrendes 
Feuer (Ex. 24 ie f. ; vgl. auch Lev. 9 e. ss f. Num. 14 10. 16 w. 206). 
Ex. 40 84 f. Num. 17 i erscheint die Wolke gleichsam als Vorbote 
und Anzeichen des unmittelbar nach ihr erscheinenden und das 
Offenbarungszelt erfüllenden käböd Jahwes. 

Alle soeben besprochenen Theologumene sind Versuche, zwi- 
schen dem wahren Wesen Jahwes, das dem menschlichen Schauen 
und Begreifen entrückt ist, und dem Bereich des Sichtbaren, das 
dem Menschen allein zugänglich und faßbar ist, eine Brücke zu 
schlagen. Man ahnt die Unzulänglichkeit aller Vergleiche und 
kann sie doch nicht entbehren, so lange vom Menschengeist per- 
sönliches Handeln und Wirken nur als von einer Leiblichkeit 
(und zwar zunächst immer einer menschlichen Leiblichkeit!) aus- 
gehend vorgestellt werden kann. Es bedeutet daher schon einen 
erheblichen Fortschritt gegenüber der alten Vorstellung vom 
niaVäk Jahwes, wenn in den Theologumenen vom pänim und käbod 
Jahwes der Gedanke an eine menschliche Gestalt nach Möglich- 
keit ferngehalten wird. Und wenn Hes. 1 ae f. noch eine allerdings 
verklausulierte Vergleichung des Jcäböd Jahwes mit der Menschen- 
gestalt wagt („ein Gebilde, anzusehen wie ein Mensch" ; V. 27: 
„von dem an, was wie seine Hüften aussah"), so findet sich im Deu- 
terojesaja und im Priesterkodex keinerlei Anspielung mehr auf 
eine Menschengestalt. Nur das Feuer als das gleichsam am wenig- 
sten Materielle, und der von Gott ausgehende überirdische Licht- 
glanz, der dem Menschenauge nur durch eine Wolkenumhüllung 
erträglich wird, erscheint als ein würdiges Abbild des überirdi- 
schen, geheimnisvollen Wesens Gottes. — Noch bleibt uns aber in 
diesem Zusammenhang ein Theologumen zu besprechen, welches 
gleichfalls eine Unterscheidung des immanenten Jahwe und sei- 
ner Erscheinungen und Wirkungen anstrebt, dabei aber schlecht- 
hin jede Verleiblichung vermeidet: das sind die eigentümlichen 
Aussagen über den „Namen Jahwes" 1 ). Der moderne Mensch 
vermag sich nur sehr schwer darein zu finden , welche tief- 

*) Vgl. hierzu die gründliche, viele neue Gesichtspunkte eröffnende 
Monographie von Giesebrecht, Die alttestamentliche Schätzung des 
Gottesnamens und ihre religionsgeschichtliche Grundlage. Königsberg 
1901. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 91 

greifende Bedeutung der Name einer Person für den antiken 
Menschen und so auch für den alten Israeliten gehabt hat. Mit 
Recht definiert Giesebrecht (a. a. O. S. 94) den Namen nach 
antiker Auffassung als „ein von seinem Träger relativ unabhän- 
giges, aber für sein Wohl und Wehe hochwichtiges Parallel wesen 
zum Menschen, das seinen Träger zugleich darstellt und be- 
einflußt", und begründet dies (S. 68 ff.) mit sehr zahlreichen 
und überaus schlagenden Belegen aus dem Bereich der Vorstel- 
lungen anderer Völker und Religionen. Was aber von den Na- 
men der Menschen gilt, das gilt — mutatis mutandis — auch 
von den Gottesnamen. Ihre Kenntnis ist von höchster Wichtig- 
keit, denn sie ist die Bedingung ihrer Anrufung, und die Anru- 
fung hat nach primitiver Vorstellung eine reale Wirkung — sie 
verleiht dem Anrufenden eine Art Gewalt über den angerufenen 
Namen und nötigt diesen, dem Rufer zu Willen zu sein. So er- 
klärt sich, wie man in heidnischen Kulten darauf bedacht sein 
konnte, den Namen eines bestimmten Gottes sorgfältig geheim 
zu halten, weil nur so ein Mißbrauch desselben durch die Anru- 
fung von Seiten Unberechtigter verhütet werden konnte *). 



*) Eine Spur dieser Vorstellung liegt im A. T. sicher vor in Gen. 
82so und Jud. 13 18. Nach beiden Stellen weigert sich die Jahwe-Er- 
scheinung (denn eine solche ist ursprünglich gemeint), ihren Namen zu 
nennen ; sie entzieht sich dadurch gleichsam einer weiteren Behelligung. 
Uebrigens dürfte auch das Verbot im Dekalog, den Namen Jahwes fre- 
ventlich auszusprechen, ursprünglich den Sinn haben, daß man den hei- 
ligen Namen nicht durch Anrufung zu einer Leistung nötigen soll. Auch 
Arnos 6 10 deutet man mit Giesebrecht (S. 128) am besten von der 
Scheu, die schwer erzürnte Gottheit nicht durch Nennung ihres Namens 
noch weiter zu reizen (vgl. auch 83!). Alle Beachtung verdient endlich 
die Bemerkung Giesebrechts (in „Friede für Babel und Bibel", Königs- 
berg 1903, S. 41), daß der Abstraktbegriif 'ef> „Gottheit", deshalb so 
häufig in Eigennamen verwendet wurde, weil er ganz wie die Verwandt- 
schaftsbezeichnungen als Deckmittel diente für den Namen des Gottes, 
der nicht ausgesprochen werden durfte. Man vergleiche die zahlreichen 
Beispiele für solche Namentabus aus allen Völkerkreisen, die Giese- 
brecht in seiner Schrift über die alttestam. Schätzung des Gottesnamens, 
S. 38, Anm. 1, anführt. — Mit der magischen und zugleich unwider- 
stehlichen Wirksamkeit des feierlich angerufenen Gottesnamens hängt 
offenbar auch der feste Glaube an die furchtbare Gewalt des Fluchs 
zusammen. So unterliegt Abimelech Jud. 9 20. 57b dem Fluche Jothams; 
der Ephraimit Micha hemmt Jud. 17 1 ff. die Wirkung des Fluchs seiner 
Mutter durch schleunige Zurückgabe des ihr gestohlenen Geldes (worauf 
die Mutter den Fluch sogleich durch eine Segensformel mit Anrufung 



92 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

Nun ist selbstverständlich, daß im A. T. in den zahlreichen 
Stellen, besonders auch der Propheten und Psalmen, in denen 
des „Namens Jahwes" in irgend welcher Verbindung gedacht 
wird, so grobsinnliche und abergläubische Vorstellungen, wie sie 
etwa heidnischen Zauberformeln zugrunde liegen, vollständig 
ausgeschlossen sind. Der Gottesbegriff der Propheten (auch des 
Deuteronomiums als des spezifisch prophetischen Gesetzbuchs) 
und der Psalmen läßt keine andere Annahme aufkommen, als 
daß alle jene vielgestaltigen Wendungen auf einem tief geläuter- 
ten religiösen und ethischen Standpunkte beruhen. Andererseits 
aber hat Giesebrecht sicher Recht, wenn er die heute fast all- 
gemein übliche Deutung jener Wendungen für ungenügend er- 
klärt und wenigstens in einer großen Zahl von Fällen dem „Na- 
men Jahwes" eine weit intensivere Bedeutung beilegt. Man be- 
gnügt sich meist, den „ Namen" als den Ausdruck des Wesens, 
den Inbegriff der göttlichen Eigenschaften zu deuten, sofern sie 
dem Israeliten kund geworden sind, sich ihm zu seiner Beschüt- 
zung oder Errettung offenbart haben. In der Tat läßt sich so 
eine Anzahl viel gebrauchter Wendungen mehr oder weniger be- 
friedigend erklären (so z. B. den Namen Gottes verkündigen, lo- 
ben, preisen, rühmen etc.). In anderen scheint sogar der Name 
nur in dem uns geläufigen Sinne — als Komposition bestimmter 
Laute — gemeint zu sein : so in allen den Verbindungen, bei de- 
nen ein Aussprechen des Gottesnamens in Betracht kommt (den 
Namen anrufen, entheiligen, lästern ; ihn [beim Segnen] auf „je- 
manden" legen, Nu. 627. Ps. 129 s). Noch bleibt aber eine über- 
aus große Anzahl von Stellen, bei denen obige beide Deutungen 
entfernt nicht genügen, ja überhaupt keinen Sinn geben — Stel- 
len, in denen der Name ohne weiteres mit der Person Gottes 
identisch erscheint. So in den Wendungen „den Namen Gottes 
fürchten, lieben, ehren, bekennen, auf ihn vertrauen, auf ihn har- 
ren". Daß hierbei an eine Erscheinungsform Jahwes als des 
hilfreich gegenwärtigen gedacht ist, wird vollends deutlich 
durch Wendungen wie Ps. 20 2 (es schütze dich der Name des 
Gottes Jakobs); 44 e (durch deinen Namen zertreten wir unsere 
Wiedersacher ; vgl. Ps. 118 10—12); 54 3 (hilf mir, Gott, durch 
deinen Namen ; vgl. 124 s) ; Prov. 18 10 (ein fester Turm ist der 



Jahwes aufhebt); dem Fluche Elisas „im Namen Jahwes" fallen 2 Kön. 
2 24 ohne weiteres 42 Kinder zum Opfer. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 93 

Name Jahwes) *). 

Erweist sich in derartigen Stellen der „Name" tatsächlich 
als ein zur Person gewordenes „Machtwesen, das neben die 
eigentliche Person Jahwes gestellt ist" (Giesebrecht S. 66), so 
fällt damit ein klares Licht nicht bloß auf die oben (S. 86) ange- 
führte Stelle Ex. 23 21 (mein Name ist in ihm), sondern auch auf 
die eben genannten Wendungen, wie „den Namen anrufen, ihn 
preisen, ihm danken" etc. Sie beziehen sich nicht auf „Jahwe" 
als die Aussprache bestimmter Laute, sondern eben auf das 
„ Machtwesen", das in ihr eine Hypostase erlangt hat. Andern- 
falls wären Stellen wie Ps. 54 8 f. (ich will preisen deinen Namen, 
Jahwe, daß er gütig ist, daß er mich aus aller Not errettet hat) 
geradezu unverständlich. 

Um so verständlicher werden dagegen die sehr zahlreichen 
Stellen, die von einer Lokalisierung des Namens an bestimmten 
Heiligtümern, ganz besonders im Tempel zu Jerusalem, reden. 
Es sind Lieblings Wendungen des Deut., sowie der deuteronomisti- 
schen Redaktoren in den Geschichtsbüchern, daß Jahwe seinen 
Namen im Tempel „wohnen läßt" oder an den von ihm erwähl- 
ten Ort „hinsetzt", daß man „seinem Namen ein Haus baut", so 
daß er nun allezeit zu Jerusalem ist (2 Kön. 23 27; 2 Ch. 33 4). 
Daß aber diese Verwendung des Namens Jahwes nicht erst im 
Zeitalter des Deut, aufgekommen ist, etwa weil der geläuterte pro- 
phetische Gottesbegriff des Deut, einer solchen Unterscheidung des 
unnahbaren, immanenten Jahwe und seiner irdischen Erschei- 
nungsformen dringend bedurfte, lehrt Ex. 20 24, an der Spitze des 
sogenannten Bundesbuchs : „An jedem Ort (genauer: an jeder 
Kultstätte), an der ich meines Namens gedenken lassen werde 
(das heißt einfach: an der ich meinen „Namen" als eine daselbst 
lokalisierte Erscheinung meines Wesens verehren lassen will), 
werde ich zu dir kommen und dich segnen". Wir haben somit 
ein Recht, das Theologumen vom Namen Jahwes als einen der 
bedeutsamen Versuche einer Unterscheidung zwischen dem eigent- 
lichen Wesen Jahwes und seinen mehr oder weniger unvollkom- 
menen Erscheinungsformen — analog dem Engel, dem Ange- 
sicht und der Herrlichkeit Jahwes — bereits der vorpropheti- 
schen Periode der Religion Israels zuzuweisen. Ja, gerade in 

x ) Als der stärkste Beleg für diesen Sprachgebrauch wäre Jes. 30 27 
zu betrachten (der Name Jahwes kommt aus der Ferne ; lodernd ist sein 
Zorn etc.), wenn der Text richtig überliefert ist. 



94 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

dieser Zeit wird der Glaube an eine magische Wirkung des 
Namens eine größere Rolle gespielt haben als später, wo man 
bei der Betonung des „Namens" in überaus häufig gewordenen 
Wendungen sich der einstigen tieferen Bedeutung derselben nicht 
mehr klar bewußt war. 

Durch alle bisher besprochenen Versuche, zwischen dem 
eigentlichen Wesen Jahwes und seinen Erscheinungsformen 1 ) 
zu unterscheiden, war nicht ausgeschlossen, daß man auch in 
diesem Zeitraum darauf bedacht war, sich den Gott Israels in 
Gestalt von Jahwebildern zu vergegenwärtigen. 

Dafür ist beweisend, daß das Erscheinen am Heiligtum als 
ein Schauen des Angesichtes Jahwes bezeichnet wird 2 ). Mag 
dieser Ausdruck nachmals (wie z. B. Jes. 1 12) in gänzlich abge- 
blaßter Bedeutung gebraucht worden sein, ursprünglich bezog 
er sich gewiß (wie das häufige „im Angesicht Jahwes") auf das 
Erblicken des Gottesbildes. Genau so verblaßte der ursprüng- 
lich buchstäblich gemeinte Ausdruck „das Angesicht Jahwes 
oder Gottes streicheln" später zu der allgemeinen Bedeutung 
„Gott begütigen, ihn um Gnade anflehen". — Als Gottesbilder 
aber sind neben dem uralten pcescel oder Schnitzbild und den (in 
Juda verpönten) Stierbildern zu betrachten : der 'gpod und die 
— oder wohl richtiger der — t'räptrn. 

Der pcescel war ursprünglich ein aus Holz geschnitztes oder 
aus Stein gehauenes, höchstwahrscheinlich eine männliche Figur 
oder doch einen Manneskopf darstellendes .Gottesbild. In alter 
Zeit von dem Gußbild (massitäh) unterschieden, wird es zuletzt 
(Jes. 40 19. 44 10 etc.) auch von einem solchen gebraucht. Natür- 
lich fallen hier für uns alle die Stellen außer Betracht, in denen 
pcescel (als Plural dient das gleichbedeutende p'silim) ein heidni- 



1 ) Zu diesen kann in gewissem Sinne noch gerechnet werden der 
„ Geist Jahwes" oder Gottes; vgl. über ihn unten. 

2 ) Es ist lediglich eine dogmatische Korrektur (im Hinblick auf Ex. 
33 20), wenn bereits in den Septuaginta und konsequent im MT des AT. 
durch eine sprachlich kaum denkbare Punktation das Schauen des An- 
gesichts Gottes in ein „Erscheinen vor dem Angesicht" umgewandelt 
ist; lies Ex. 3423. Dt. 16 16 (und danach auch Ex. 23 17, wo Sam. noch 
richtig die nota accusativi y <Bt statt 'al bietet) jir'ceh „er soll schauen", 
statt jerä'ceh „er soll erscheinen", und Ex. 34 24. Dt. 31 11. Jes. 1 12 Ur'öt 
„zu schauen" statt lerä'öt, „zu erscheinen". Auch Ex. 23 15. 34 20, wo das 
Passiv jerä'ü möglich wäre (== „nicht soll mein Angesicht geschaut 
werden" etc.) ist wohl das Aktiv jir'ü zu lesen. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 95 

sches Götzenbild bezeichnet (Nah. 1 14 u. a.). An zahlreichen 
Stellen aber ist mit pascel ein Jahwebild gemeint, und ein solches 
Schnitzbild scheint lange Zeit als unanstößig gegolten zu haben, 
während das Gußbild — wahrscheinlich im Hinblick auf den is- 
raelitischen Stierdienst — bereits in der jahwistischen Perikope 
Ex. 34 17 verpönt wird. Falls sich das Verbot des pcescel im De- 
kalog Ex. 20 4 f. Dt. 5 s auch auf Jahwebilder erstreckt, wäre 
dies nur ein Beweis für die Entstehung des Dekalogs (oder doch 
des Bilderverbots!) nach J, und dafür spricht, daß ja auch an- 
dere Arten von Jahwebildern (s. u.) bis weit in die Königszeit 
hinein unangefochten verehrt oder mindestens als Vermittler 
göttlicher Orakel benutzt worden sind. Zweifellos ist ein Jahwe- 
bild der pcescel 1 ) des Micha Jud. 17 3 f., da er von einer Jahwe 
geweihten Geldsumme angefertigt wird. Die ursprüngliche Er- 
zählung will damit keine Rüge gegen Micha aussprechen, son- 
dern einfach den Ursprung des Kultes des Jahwebildes zu Dan 
(vgl. c. 18 30 f.) berichten. 

Der 'gßod erscheint ausschließlich als Jahwebild und zwar 
mehrmals deutlich in Verbindung mit dem Orakelwesen. Das 
Wort bedeutet ursprünglich „Ueberwurf" oder „Ueberzug"; in 
Verbindung mit bad, „Linnen", bezeichnet es das priesterliche 
oder überhaupt bei kultischen Handlungen getragene Schulter- 
kleid. 1 Sam. 2 18 trägt es der jugendliche Samuel; 2 Sam. 614 
David vor der heiligen Lade. Im Priesterkodex endlich ist „der 
Ephod" (ohne lad) das Schulterkleid des Hohenpriesters, auf dem 
er die Tasche mit den heiligen Losen ('w wHummim) trägt (Ex. 
25 7 und besonders 28 4 ff.). Der Versuch, auf Grund dieser Stel- 
len 'epod überall als „Schulterkleid" zu deuten und so die Er- 
wähnung eines Gottesbilds zu beseitigen, scheitert an einer Reihe 
alter Stellen, über deren wahren Sinn kein Zweifel aufkommen 
kann. Wenn Gideon nach Jud. 8 26 f. 1700 Sekel Goldes zur An- 
fertigung eines Ephod verwendet und diesen in Ophra „aufstellt" 
(dasselbe Wort steht anderwärts von der Aufrichtung von Maz- 
zeben oder Malsteinen), so kann es sich nicht um ein Schulter- 
kleid handeln ; vielmehr soll damit dem Gideon die Anfertigung 
eines Jahwebildes aus der Beute zum Ruhme nachgesagt werden. 

*) Das neben dem pcescel genannte „ Gußbild " ist höchstwahrschein- 
lich irrtümliche Zutat, ebenso wie die (oder der) t e räpim neben dem 
'epod V. 5 (in der anderen Rezension der Erzählung). 18 30 f. ist nur von 
einem pcesal die Rede ! 



96 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

Der Redaktor des Richterbuchs urteilt freilich anders (V.27 b ): 
ganz Israel hurte ihm nach, d. h. trieb Abgötterei mit ihm. Eben 
dieser Ausdruck beweist aber deutlich, daß auch der Redaktor 
den Ephod von einem Gottesbild versteht, nur daß ihm ein 
solches gemäß den Grundsätzen des Deut, unter allen Umstän- 
den als verboten gilt. Auch Jud. 17 5 ist der Ephod, weil pa- 
rallel mit dem prescel der andern Rezension der Erzählung (s. 0. 
S. 95 Anm. 1), nichts anderes als ein Jahwebild. Dasselbe gilt 
von 1 Sam. 21 10, wo alles klar wird, wenn man sich das in ein Ge- 
wand eingehüllte Schwert des Goliath „hinter dem Ephod", d.h. 
hinter dem auf einem Postament stehenden Jahwebild in der Ap- 
sis des Heiligtums an der Wand hängend denkt. Ebenso ist der 
Ephod 1 Sam. 228. 14 s und w (hier nach dem richtigen Text der 
Sept.). 23e.9. 307 das tragbare Jahwebild, das der Priester auf 
Geheiß Sauls oder Davids herbeibringt, weil man seiner zur Er- 
langung eines Jahweorakels bedarf. Daß der Ephod selbst einen 
Mechanismus zum Zweck des Loswerfens enthalten hätte, wird 
nirgends angedeutet. Vielmehr wurde das Los wohl einfach in 
Gegenwart des Bildes und damit gleichsam vor dem Angesicht 
Jahwes geworfen und galt infolgedessen als durch ihn sanktio- 
niert. Daß eine solcheVerwendung des Jahwebildes ganz unan- 
stößig schien, beweist noch Hos. 3 4, wo der Prophet einfach 
sagen will, daß Israel im Exil auf alle Requisite eines geord- 
neten staatlichen und kultischen Lebens, also auch auf Ephod 
und Theraphim, werde verzichten müssen. 

Natürlich bedarf es nun der Erklärung, wie das Gottesbild 
und das priesterliche Schulterkleid mit demselben Namen be- 
nannt werden konnte 1 ). Die Annahme, daß Ephod eigentlich den 

J ) ThClFoote in der an sich sehr gründlichen und scharfsinnigen 
Monographie „ The Ephod : its Form and Use". Baltimore 1902, leugnet 
jeden Unterschied zwischen 3 epod und 'epöd bad und deutet letzteren 
Ausdruck, da "13 „Linnen" unbewiesen sei, als ephod partis [virilis], den 
ephod selbst aber als den Behälter der heiligen Lose, eine Art Tasche, 
die sich wohl aus dem primitiven Lendentuch entwickelt habe. Zu die- 
sem Resultat gelangt Foote (obwohl er selbst die so oft mit dem Ephod 
verbundenen Theraphim als Bilder anerkennt), durch eine ganz künst- 
liche und unhaltbare Exegese von Jud. 8 27. 1 Sam. 21 10 und anderen 
Stellen. Wenn übrigens der Ephod nichts als eine Tasche für die hei- 
ligen Lose war, woher dann die scharfe Verwerfung desselben Jud. 827b 
und die kühne Textänderung 1 Sam. 14 18, wo statt des anstößigen Ephod 
(so noch LXX) im hebr. Text die — dort ganz unmögliche — Lade ein- 
gesetzt ist ? Dies erklärt sich nur daraus, daß noch einer sehr späten 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 97 

goldenen oder silbernen Ueberzug (Beschlag) über ein hölzernes, 
tönernes oder auch ehernes Bild bedeute, kann sich auf Jes. 30 22 
berufen, wo die sicher gleichbedeutende Femininform '"piiddüh 
parallel steht mit §ippüj, dem metallenen Ueberzug über Schnitz- 
bildern. Immerhin ist fraglich, ob nicht Ephod ursprünglich 
einfach auch das Gewand bedeutete, das man dem Gottesbilde 
umhing (vgl. Jer. 10 9 Hes. 16 is), nach welchem aber (als dem 
kostbarsten und am meisten in die Augen fallenden Bestandteil) 
bald das ganze Gottesbild benannt wurde. Dürfte man anneh- 
men, daß bereits an diesem Ephod eine Tasche mit den heiligen 
Losen angebracht war, so würde sich höchst einfach erklären, 
wie im Priesterkodex (Ex. 28 e ff.) der anstößige Ephod als Got- 
tesbild vollständig ignoriert, dabei aber doch in der unverfäng- 
lichen Gestalt als Ueberwurf mit der Orakeltasche beibehalten 
werden konnte *). 

Wie der Ephod stellen auch dieTheraphim zweifellos Gottes- 
bilder und zwar meist (s. u.) Jahwebilder dar. Außer 2 Kön. 23 24 
und Zach. 10 2 dürfte das Wort trotz der Pluralform überall 
(ganz sicher 1 Sam. 19 13. ie) nur ein Bild bezeichnen, also wie 
häufig '"dönim, b el älim und in der Regel ,<ß löMm einen sogenannten 
Herrschaftsplural darstellen. Die Etymologie ist noch immer völlig 
dunkel, die von Manchen empfohlene Zusammenstellung mit den 
rpä'im oder Manen höchst unwahrscheinlich. Deutlich ist nur, 
daß sich der Theraphim zum Ephod verhält, wie das Bild eines 
Hausgottes zu dem mehr offiziellen, in einem „Gotteshaus" auf- 
gestellten und von einem Priester getragenen und gehüteten 
Gottesbild. Daß der Theraphim nicht notwendig ein Jahwebild 
darstellt, beweist Ge. 31 10. 34 f. der von Rahel gestohlene T. La- 
bans, den dieser V. so. 32 „meinen Gott" nennt, sowie Hes. 21 26, 
wo der König von Babel am Kreuzweg den T. befragt. An allen 
anderen Stellen kann der T. sehr wohl ein Jahwebild bezeich- 
nen. So (allerdings wohl erst als nachträgliche irrtümliche Auf- 
füllung) neben dem Ephod Jud. 17 5. 18 14. 17 f. 20. 1 Sam. 19 13. ie 
(welche Stellen deutlich für ein menschenähnliches Bild sprechen) 



Zeit die wahre Bedeutung des Ephod in jenen Stellen wohl bekannt und 
eben darum anstößig war. 

*) Erwähnung verdient hier noch die Vermutung Schwallys (Semit. 
Kriegsalterttimer I, 15), der Priester habe den Ephod, den Umhang des 
Idols, beim Orakelgeben selbst angelegt, damit das Wissen des Gottes 
auf ihn übergehe. 

E. Kaut zech, Biblische Theologie d. A. T. 7 



98 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

und Hos. 3 4 (wiederum neben dem Ephod, s. o. S. 96). Daß 
1 Sam. 15 23. 2 Kön. 23 u und Zach. 10 2 (wo die T. ganz wie 
Hes. 21 26 als Orakelspender erwähnt werden) der Besitz und Ge- 
brauch der T. als eine Art von Götzendienst gebrandmarkt wird, 
beweist durchaus nicht gegen seinen Charakter als Jahwebild. 
Für die prophetische Betrachtungsweise, von der alle die erwähn- 
ten Stellen ausgehen, ist zwischen Jahwebildern und eigent- 
lichen Götzenbildern wenig Unterschied. Die Hypothese aber, 
daß sich in den T. entweder Ahnenbilder oder auch einstige 
Stammes- und Familiengötter erhalten hätten, würde zwar gut 
zu ihrem Charakter als Hausgötter passen, ermangelt aber aller 
Wahrscheinlichkeit. Abgesehen davon, daß sich für Ahnenkult 
in Israel ein strikter Beweis nicht führen läßt (vgl. oben S. 8 ff.), 
ist im Hause Davids (1 Sam. 19 13.1«) des eifrigen Jahweverehrers, 
schwerlich ein anderes als ein Jahwebild vorauszusetzen. Für 
ein solches ist vor allem Ex. 21 6 im sogenannten Bundesbuch 
beweisend. Wenn dort der Sklave, der im siebenten Jahr nicht 
frei ausgehen will, im Angesicht des (offenbar neben der Tür auf- 
gestellten) Gottesbildes mit dem Ohr an den Türpfosten ange- 
heftet werden soll, so kann nach dem ganzen Geist und Stand- 
punkt des Bundesbuchs nur an ein Jahwebild als den Zeugen 
dieser symbolischen Handlung gedacht werden 1 ). Ebenso kann 
auch 22 7 „der Gott" von einem Theraphim verstanden werden; 
doch ist dort, wie V. 8, die Beziehung auf ein Gottesbild in einem 
öffentlichen Heiligtum wahrscheinlicher. 

Nach alledem waren Ephod und (mindestens seit der Kö- 
nigszeit) auch Theraphim Jahwebilder, die als solche der vor- 
prophetischen Zeit — ja sogar noch Hosea (34) — als unanstößig 
galten, bis sie derselben Verurteilung wie die eigentlichen Götzen- 
bilder verfielen. 

Daß endlich auch die goldenen Stierbilder, die Jerobeam 
zu Bethel und Dan aufstellen ließ, Jahwebilder bedeuten sollten, 
und nicht Götzenbilder, wie es nach dem Chronisten (II 13 8 u. a.) 
scheinen könnte, war noch dem deuteronomistischen Redaktor 



*) Daß unter dem Elohim nicht etwa nach der üblichen Deutung 
Richter (als Stellvertreter Gottes!) verstanden werden können, beweist 
Deut. 15 17, wo in dem sonst fast identischen Text der Elohim gestrichen 
ist ; der Deuteronomiker verstand ihn eben richtig von einem Jahwebild 
und verpönte ihn deshalb. Auch Ex. 22 8. 27. 1 Sam. 2 20 bedeutet Elohim 
nichts anderes als „ Gottheit". 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 99 

des Königsbuches (vgl. I 12 *8 f.) wohl bewußt. Ebenso weiß die 
den älteren Pentateuchquellen angehörige Erzählung Ex. 32 i ff. 
sehr wohl, daß Aaron in dem goldenen Kalb, das Israel aus 
Aegypten weggeführt habe, Jahwe darstellen wollte, da er (V. s) 
ein Fest für Jahwe ausruft. Schon hier wird jedoch diese Dar- 
stellung Jahwes als eine schwere Verschuldung Aarons aufge- 
faßt, und der Deuteronomist wird im Königsbuch nicht müde, 
diesen Kultus als „die Sünde Jerobeams" für eine der Haupt- 
ursachen des Untergangs des nördlichen Reichs zu erklären (vgl. 
besonders 2 Kön. 17 21 ff.). 

Die Frage, ob alle diese verschiedenen Arten von Bildern 
in der vorprophetischen Zeit geradezu mit Jahwe identifiziert und 
somit wie Fetische verehrt worden seien, läßt sich nicht kurzweg 
mit ja oder nein beantworten. Natürlich zwang die Vielzahl der 
Bilder (so besonders auch die Zweizahl der offiziellen Stierbilder 
zu Bethel und Dan) von selbst dazu, den im Himmel oder auf 
dem Sinai thronenden Jahwe von seinen zahlreichen bildlichen 
Darstellungen zu unterscheiden. Aber nur zu häufig wird we- 
nigstens das niedere Volk dem Irrtum einer solchen Verwechse- 
lung des Gottes und seines Bildes verfallen sein, ganz wie in der 
katholischen Kirche einzelne Muttergottesbilder in betreff der 
Wunder kraft vom Volke stark unterschieden werden, obgleich 
doch alle diese Bilder ein und dieselbe Person darstellen sollen. 
Was die vorexilischen Propheten so oft an ihren Zeitgenossen 
rügen, daß sie sich „niederwerfen vor dem Werk ihrer Hände", 
das wird nicht minder in der vorprophetischen Zeit geschehen 
sein : halb unbewußt vertauschten sie wie die Heiden (Rom. 1 23) 
die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit dem Nachbild 
vergänglicher Menschen und Tiere. 

Im Anschluß an die Erörterung des Gottesbegriffs dürfte 
hier der geeignete Ort sein, in Kürze die wenigen Aussagen über 
die Engel als Mittelwesen zwischen Gott und Menschen, sowie 
einige halb mythologische Gestalten, die schon in vorpropheti- 
scher Zeit ihre Stelle im Jahwismus gefunden haben, zu be- 
sprechen 1 ). 

Am auffälligsten tritt uns der Glaube an überirdische und 

*) Vgl. hierzu Kosteks, Het onstaan en de entwikkeling der ange- 
logie onder Israel, ThT. 1876, S. 34 ff. u. 113 ff. — AAebebhaed, Gottes 
Umgebung nach den vorexilischen Schriften, Schweizer theol. Zeitschrift, 
1902, S. 193 ff. 

7* 



100 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

zugleich fast selbständige Machtwesen in dem stark mythologisch 
gefärbten Stück Gen. 6 1—4 entgegen, das der älteren Schicht 
von J angehört. Die b'ne ym löhim, d. i. wörtlich „Göttersöhne", 
in Wahrheit aber Bezeichnung der zur Gattung der tm löhim oder 
numina gehörenden Wesen (wie bene n'bVtvn nicht Propheten- 
söhne, sondern zur Zunft der n'bi'im gehörende) erscheinen hier, 
wenn auch nicht mehr als vollwertige Volksgötter im polytheisti- 
schen Sinn, so doch außerhalb des Jahwismus stehend, als eine 
Art von Halbgöttern. 

Höchstwahrscheinlich wollte der ursprüngliche Text einfach 
berichten, daß durch ihre Vermischung mit den Töchtern der 
Menschen ein Mischgeschlecht auf Erden entstand, ähnlich den 
Titanen und Giganten der griechischen Mythologie. Gen. 6 1 ff. 
ist aber auch die einzige Stelle dieser Art. Die b'nö '^löhtm wer- 
den nur noch Hiob 1 e. 2 1. 38 7 erwähnt und sind hier einfach 
Engelwesen im Dienste und Gefolge Gottes. Häufiger ist die Be- 
zeichnung dieser Mittelwesen als maVäktm, Boten, Engel, wobei 
natürlich das oben S. 83 ff. besprochene Theologumen von dem 
„Engel Jahwes" oder „Engel Gottes" außer Betracht bleibt. Von 
den kreatürlichen, Jahwe dienenden oder ihn umgebenden En- 
geln dürften dem vorprophetischen Volksglauben angehören die 
„Männer", welche Gen. 18 Jahwe zu Abraham begleiten (erst 
19 1. 16 beißen sie nach der Trennung von Jahwe „Engel") und 
von ihm bewirtet werden *), außerdem der von Jahwe zum Schutz 
gesandte Engel Gen. 24 7. 40 Num. 20 1« (obschon in diesen drei 
Stellen der Gedanke an den maVak jahwceh nahe liegt) und 1 
Kön. 19 5 ; ferner die Engel, die Jakob Ge. 28 12 (E) im Traume 
auf einer Leiter auf- und absteigen sieht (nämlich um dort zu 
Bethel, einer Haupt-Offenbarungsstätte, den Verkehr zwischen 
Himmel und Erde zu vermitteln. Die Leiter beweist zugleich, 
daß die Engel noch ohne Flügel gedacht sind!) und das Heer der 
Engel Gottes Ge. 32 3 (E), welches Jakob Anlaß zur Benennung 
der Stadt Machanajim („Heerlager") gibt. In dem ganz unsiche- 
ren Text Deut. 33 2 sind die „heiligen Myriaden" ursprünglich 
wohl als Begleiter Gottes bei der Theophanie gemeint. Zu diesen 



l ) Nach der ältesten Gestalt dieser Erzählung, wie sie in V. 1. 3. 
10—15 deutlich hervortritt, erscheint Jahwe allein bei Abraham. Daran 
nimmt eine jüngere Bearbeitung, die jetzt mit der älteren geschickt 
verflochten ist, begreiflichen Anstoß und läßt an die Stelle Jahwes drei 
Männer oder Engel treten. 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 101 

wenigen Stellen aus dem Pentateuch kommen aus den älteren 
Schichten der Geschichtsbücher noch Jos. 5 u (J ?), wo der An- 
führer des himmlischen Kriegsheeres dem Josua begegnet, und 
2 Kön. 6 17, wo die feurigen Bosse und Wagen von Engeln 
geleitet zu denken sind. 2 Sam. 24 le ist der „verderbende" 
Engel, der das Volk auf Befehl Jahwes mit der Pest schlägt, 
offenbar nicht als ein berufsmäßiger „Würgengel", sondern als 
ein in diesem besonderen Fall von Jahwe beauftragter Voll- 
strecker des Gerichts gemeint. 1 Kön. 22 19, in der Vision des 
Propheten Micha, bildet das ganze Himmelsheer zur Rechten und 
Linken Jahwes eine himmlische Ratsversammlung. Ganz eigen- 
tümlich erscheint darunter „der Geist", der nach dem ganzen 
Zusammenhang nur als der personifizierte Geist der Prophetie 
verstanden werden kann. — Ueber die sittliche Qualität der 
Engel ist in allen diesen Stellen nichts ausgesagt, denn auch Deut. 
332 bedeutet die Heiligkeit (falls der Text richtig ist) nicht die 
sittliche Vollkommenheit, sondern nur die überirdische Erhaben- 
heit der Engel und ihre Zugehörigkeit zu Gott. So bleibt nur die 
Vergleichung Davids mit einem Engel Gottes (1 Sam. 29 e) als 
ein Hinweis auf die Zuverlässigkeit und Ehrwürdigkeit der Engel. 
Jedenfalls aber lehrt diese ganze Uebersicht, daß die Aussagen 
über die Engel im alten I&rael nur eine untergeordnete Rolle spie- 
len und mehr dem Volksglauben als dem Jahwismus im engeren 
Sinne angehören. Zu beachten ist übrigens, daß gerade die am 
meisten charakteristischen Aussagen sich entweder auf einen 
Traum (Gen. 28 12) oder eine Vision (1 Kön. 22 19 ; auch 2 Kön. 
6 17 kann dahin gerechnet werden) beziehen. 

In den Bereich der Engel gehören zweifellos auch die s*rä- 
ptm. Obschon nur in der Vision Jesajas (6 2) erwähnt, erscheinen 
sie doch dort als allbekannte Wesen, so daß man den Glauben 
an sie sicher schon für die vorprophetische Zeit vorauszusetzen 
hat. Mit 6 Flügeln ausgestattet, stimmen sie lobpreisend am 
Throne Gottes wechselweise das dreifache Heilig! an; einer von 
ihnen entsündigt die Lippen des Propheten und kündigt ihm die 
Sündenvergebung an. Sie sind also als vernunftbegabte Wesen zu 
denken. Von den zahlreichen Deutungen des Namens kann ernst- 
lich nur die Zurückführung auf den Singular Säräp in Betracht 
kommen. Dieser bedeutet eigentlich „Schlange 4 * (Num. 21 8 Deut. 
8 15) ; die Seraphim müssen darnach ursprünglich schlangen artige 
Wesen und zwar Verkörperungen der Jahwe umgebenden ge- 



102 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 9. 

schlängelten Blitze gewesen sein. Von diesen mehr mythologi- 
schen Gestalten dürften sich aber bei den Seraphim Jesajas höch- 
stens die sechs Flügel erhalten haben. Im übrigen sind sie (wahr- 
scheinlich lange vor Jesaja) zu Menschengestalten umgebildet ; 
dafür beweist nicht nur der Lobpreis V.s, der im Schlangenmund 
undenkbar wäre, sondern auch die Hand V. 6 und die Rede des 
Saraph V. 7. Auch hier ist schließlich daran zu erinnern, daß 
Jesaja 6 eine Vision erzählt. 

Deutlicher noch als die Seraphim entstammen die Jcrübtm 
(Sing, k'rüb) ursprünglich dem Bereich der Mythologie *). Der 
Ursprung des Wortes ist noch immer streitig ; nach den einen 
geht k'rüb auf denselben Stamm wie das griechische gryps, Greif, 
zurück (Sanskrit gribh, greifen) — nach anderen beruht es auf 
einer Versetzung der Konsonanten von r*&üb, Fahrzeug (vgl. Ps. 
104 8!) vom Stamm räkab, d. i. „reiten* oder „ fahren" (s. u.). Das 
Wahrscheinlichste wäre die Ableitung von assyrischem kurübti 
(Plur. kurübi), groß, gewaltig, wenn erst sicher bewiesen wäre, 
daß die geflügelten Stierkolosse mit Menschenkopf am Eingang 
der assyrischen Königspaläste den Namen kurübi führten. 

Alle die mannigfaltigen Aussagen über die frrübirn haben 
das Gemeinsame, daß letztere überall die Nähe Gottes oder doch 
eine heilige Oertlichkeit andeuten. Dabei liegen jedoch deutlich 
zwei ganz verschiedene Vorstellungen zu Grunde, die erst spät 
zu einer einzigen verschmolzen wurden (auch der Name kfrüb 
könnte darnach auf ein doppeltes Etymon zurückgehen). Nach 
Ps. 18 u (vgl. dazu Jes. 19 i) ist der Kerub eine Verleiblichung 
der vom Sturme getriebenen Gewitterwolke, die Jahwe als Fahr- 
zeug (oder ursprünglich als Reittier?) dient 2 ). 



1 ) Vgl. an spezieller Literatur: Kosters, De Cherubim, ThT. 1879, 
S. 445 ff. — Triebs, Veteris testamenti de Cherubim doctrina. Berlin 
1888. — JNikel, Die Lehre des A. T. über die Cherubim und Seraphim 
[Würzburger Dissertation; dogmatisch ganz befangen]. Breslau 1890. — 
JPetersen, Cherubim. Gütersloh 1898 (Zusammenstellung der Erklä- 
rungen seit Luther). 

2 ) Statt eines Kerubs scheinen 1 Sam. 4 4. 2 Sam. 6 2. 2 Kön. 19 15 
mehrere Kerubim als Träger Gottes oder des göttlichen Thrones voraus- 
gesetzt. Von diesen Stellen kann die letzte kaum einen anderen Sinn 
haben, zumal dort Hiskia ein richterliches Einschreiten Jahwes gegen 
Assur, also gleichsam ein Erscheinen Jahwes erfleht. In ähnlichem Zu- 
sammenhang wird der „über den Keruben thronende 1 * noch in den spä- 
ten Psalmenstellen 80 2. 99 i erwähnt. Dagegen ist kaum zu bezweifeln, 



§ 9.] Der Gottesbegriff. 103 

Die andere Bedeutung des K. ist die eines Hüters heiliger 
Stätten. Dahin gehören die Kerubim Gen. 3 24, die nach der Ver- 
treibung der ersten Menschen den Eingang zum Garten Eden 
(d. i. nach dem ursprünglichen Sinn der Erzählung zum Wohn- 
sitz Gottes) bewachen; ferner die aus Oelbaumholz geschnitzten 
großen Kerubgestalten, die Salomo rechts und links von der heili- 
gen Lade im Tempel aufstellte, so daß sie mit ihren ausgebreiteten 
Flügeln den ganzen Raum ausfüllten (1 Kön. 628 ff. 8 e f.). Ebenso 
deuten auch die in Schnitzwerk an den Wänden und Türflügeln 
(1 Kön. 6 29. 32. 85), sowie an den Geräten (7 20. 3«) des Tempels 
angebrachten Kerubim auf die Nähe Gottes. Sie erscheinen 
daher auch in dem visionären Tempel Hesekiels (41 ie ff.), so- 
wie in dem Heiligtum, das der Priesterkodex für die Zeit der 
Wüstenwanderung voraussetzt, und zwar teils gewirkt an den 
Teppichen und dem Vorhang (Ex. 26 1. 31), teils als zwei goldene 
mit dem Angesicht gegen einander gewendete Gestalten auf der 
Deckplatte der heiligen Lade (25 18 ff. ; vgl. oben Note 2). 

In welcher Gestalt die bisher erwähnten Kerube zu denken 
sind, ist schwer zu sagen. Ex. 25 20 wird ihnen nur je ein Ge- 
sicht zugeschrieben, Hes. 41 18 ff. dagegen je ein Menschen- und 
Löwengesicht. Noch komplizierter ist ihre Beschreibung in der 
ersten Vision Hesekiels 1 5 ff. Jeder der 4 Kerube hat hier 4 
Gesichter (eines Menschen, Löwen, Stiers und Adlers), 4 Flügel 
und doch zugleich Menschenhände. Nach 10 12 sind sie überdies 
ganz mit Augen, den Symbolen der göttlichen Allwissenheit, be- 
deckt. Daß sie vernunftbegabte Wesen sind, könnte höchstens 
aus 10 7 gefolgert werden, falls dort der Kerub dem ursprüng- 
lichen Text angehört, nicht aber aus 3 12, wo für bäruk notwen- 
dig b'rüm („als sich die Herrlichkeit Jahwes erhob") zu lesen ist. 
Aus der Vergleich ung obiger verschiedener Aussagen ergibt sich, 



daß 1 Sam. 4* und 2 Sam. 62 derselbe Ausdruck erst nachträglich in- 
terpoliert ist : es sind hier die goldenen K. auf der Deckplatte der heiligen 
Lade gemeint, von denen erst der Priesterkodex (Ex. 25isif.) berichtet. 
Nach ihm (Num. 7 89) redet Jahwe zu Mose von der Deckplatte, „von dem 
Ort zwischen den beiden Keruben her", hat also dort seinen eigentlichen 
Sitz. Einem späten Redaktor von 1 Sam. 4 4. 2 Sam. 6 2 lag obige In- 
terpolation überaus nahe, da an beiden Stellen ausdrücklich von der 
Beziehung Jahwes zur heiligen Lade die Rede ist. An die beiden großen 
Kerube, die Salomo (s. 0.) neben die heilige Lade stellte, kann an allen 
diesen Stellen unmöglich gedacht werden. 



104 Die Relig* Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 10. 

daß der Kerub zwar von jeher als ein Mischwesen, ursprünglich 
aber gewiß nur als eine Komposition zweier verschiedener 
Leiber gedacht wurde 1 ). Zugleich ist kaum zu bezweifeln, daß 
die biblischen Kerube babylonisch-assyrischer Vorlage entstam- 
men, nur daß die Entlehnung nicht erst im Zeitalter Salomos 
erfolgt sein muß. Ob aber die gewöhnliche Kerubgestalt den 
assyrischen geflügelten Stieren oder Löwen mit Menschenkopf 
oder Menschengestalten mit Vogelkopf entsprach, entzieht sich 
unserer Feststellung. Sicher scheint nur, daß die komplizierten 
Kerubgestalten in Hes. 1 und 10 mit allen ihren Zutaten erst 
der Phantasie dieses Propheten zuzuschreiben sind, nur daß er 
vielleicht in eine Einheit zusammengefaßt hat, was im Volksglau- 
ben an verschiedenartigen Mischwesen vorhanden war. Das Wich- 
tigste ist dabei, daß erst Hesekiel in seiner Schilderung die Vor- 
stellung von irgend einer Greifengestalt mit jener andern von der 
Verleiblich ung einer Jahwe tragenden Sturmwolke vollzog. Denn 
die Kerubim Hesekiels sind, wie sich aus 1 22. 2« ff. 9 s (wo die 
ganze Erscheinung in den Singular Kerub zusammengefaßt wird), 
sowie aus 10 4. is f. ergibt, die Träger der Kristallfläche, auf der 
sich der Thron Jahwes befindet; mittels der von ihnen unzertrenn- 
lichen Räder bewegen sie den Thronwagen Gottes. Ganz anderer 
Art ist dagegen der Kerub , der nach Hes. 28 13 ff. ganz mit 
Edelsteinen bedeckt auf dem heiligen Götterberg zwischen feu- 
rigen Steinen wandelt. Hier ist die direkte Anlehnung an ein 
Mythologumen des Ostens und eine teilweise Verwandtschaft mit 
Gen. 3 24 unverkennbar. Uebrigens aber dient dieser Kerub nur 
zu einem Vergleich (mit dem König von Tyrus), wie die Kerube 
in Kap. 1 und 10 lediglich der Vision angehören und die im Tem- 
pel und der Stiftshütte nur als symbolischer Schmuck dienen. Sie 
können somit in keinem Falle zu den notwendigen Bestandteilen 
des Jahweglaubens gerechnet werden. 

§ 10. Synkretismus zwischen Jahwe und dem kanaanitischen 
Ba'al. Die Ueberwindung des Ba'al durch die endgültige 
Lokalisierung Jahwes in Kanaan und durch seine Auffassung 

als Himmelsgott. 

Zur Literatur: Goldstein, Der Monotheismus Kanaans. Glo- 
bus Bd. 89 (1906), No. 15/16. — HGunkel, Elias, Jahwe und Baal. Tüb. 

1 ) Dafür dürfte auch sprechen, daß die Kerube von Philo und Jose- 
phu8 mit den Sphinxen verglichen werden. 



§ 10.] Synkretismus zwischen Jahwe und dem kanaani tischen Ba'al. 105 

1906 (Rel.ge8chichtl. Volksbücher II, 8). — MPeisker, Die Beziehungen 
der Nichtisraeliten zu Jahwe nach der Anschauung der altisraelit. Quel- 
lenschriften. (Beiheft Xu zur ZatW.) Gießen 1907. — GWestphal, 
Jahwes Wohnstätten nach den Anschauungen der alten Hebräer. Bei- 
heft XV zur ZatW. Gießen 1908. — ElseZtjbhellen-Pfleiderer, Die 
Religion der Patriarchengeschichten. Theol. Arbeiten des rhein. wiss. 
Prediger-Vereins 1908, S. 29—65. — HGressmann, Palästinas Erdgeruch 
in der israelit. Religion. Berlin 1909. 

Bei seinem Eindringen in Kanaan fand Israel ein ziemlich 
hochkultiviertes Volk vor, das längst zu Seßhaftigkeit überge- 
gangen, in Ackerbau, Gartenbau und Weinbau wohl erfahren 
war und sich infolgedessen eines großen Wohlstands erfreute. 
Nichts natürlicher, als daß Israel den Eanaanitern in den ge- 
nannten Künsten nachzueifern trachtete. Allerdings hat sich der 
Uebergang vom Nomadentum zur reinen Ackerwirtschaft nur 
allmählich vollzogen. Die Patriarchengeschichten, die ein treues 
Spiegelbild für die Zustände der früheren Richterzeit liefern dürf- 
ten, zeigen noch ein Gemisch von Seßhaftigkeit und Umherziehen, 
und selbst im sogenannten Bundesbuch (Ex. 21 — 23) spielt neben 
dem Ackerbau die Viehwirtschaft sichtlich noch immer eine be- 
deutende Rolle. Die Notwendigkeit, die feineren Künste des 
Acker- und Weinbaus von den Kanaanitern und zwar in stetem 
Verkehr mit ihnen zu erlernen, würde schon allein hinreichen, 
vielfach kanaanitische Einflüsse auf Sitte und Denkweise der Is- 
raeliten erklärlich zu finden. Es kommen hierbei aber noch zwei 
andere überaus mächtige Faktoren in Betracht. Erstlich : das 
Land, in das Israel eingedrungen war, gehörte bereits von ur- 
alten Zeiten her einem anderen Gott, der in verschiedener Ge- 
stalt an den verschiedenen Heiligtümern des Landes verehrt 
ward und dessen Eigentumsrecht man zunächst gar nicht in 
Zweifel zog. War es doch für Israel, wie für jedes andere Volk 
jener Zeit selbstverständlich, daß ein jedes Volk und Land seinen 
eignen Gott habe. Dieser kann zwar durch den mächtigeren Gott 
(oder Götter) eines fremden Volkes vorübergehend besiegt wer- 
den, aber seine Existenz ist damit nicht aufgehoben. Der Ge- 
danke an eine Ueberwindung des Ba'al (oder der Ba'ale) Kana- 
ans konnte aber in Israel so lange nicht aufkommen, als sich dies 
(wie sich aus Jud. 1 5. 18 i ff. etc. ergibt) oft nur mühsam neben 
den Kanaanitern im Lande behaupten konnte. Erschien es ihm 
nach alledem schon an sich selbstverständlich, daß der Landes- 
gott Ba'al als der Spender der Früchte des Landes zu betrach- 



106 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 10. 

ten sei und ihm der Dank dafür gebühre, so kam dazu noch zwei- 
tens, daß der antiken Auffassung auch der Ackerbau selbst als 
ein Stück des Kultus des Landesgottes galt, zum mindesten als 
ein Teil der religiösen Sitten und Bräuche, die auf ihn zurück- 
geführt und ebendeshalb mit superstitiöser Sorgfalt beobachtet 
und weitervererbt wurden. Ueber diese Auffassung gibt noch 
Jes. 28 28 ff. (besonders V. t») eine überaus lehrreiche Auskunft. 
Wenn wir dies alles in Betracht ziehen, müssen wir urteilen: 
es war fast unmöglich, daß sich Israel dem Kultus des Ba'al ent- 
zog, wenn es auf seinem Boden, inmitten seines, Israel feindlich 
gesinnten Volkes seine Existenz behaupten wollte. Die Frage ist 
nur die, ob diese Anschauung — wenigstens eine Zeitlang — aus- 
nahmslos von allen Gliedern des Volks geteilt wurde, oder ob 
sich wenigstens unter den geistigen und religiösen Häuptern 
solche befanden, die auch jetzt noch mit dem obersten Grund- 
satz der Sinai-Religion „Jahwe — und nur Jahwe — ist der Gott 
Israels" unbedingten Ernst machten. Wir können dies schlies- 
sen aus der Energie, mit der nachmals der Kampf gegen den 
Ba'al aufgenommen wurde und die eine fortgesetzte Pflege des 
ausschließlichen Jahwismus voraussetzt; direkte Zeugnisse für 
eine zu jeder Zeit ausgeübte Bekämpfung des Ba'al besitzen wir 
jedoch nicht. Und wollten wir etwa urteilen, daß zu unterschei- 
den sei zwischen dem schon sehr früh überwundenen kanaaniti- 
schen Ba'al, von dem sich ja in den alten Berichten über die 
erste Königszeit eigentlich keine Spur mehr finde, und dem durch 
Isebel und Athalja importierten tyrischen Ba'al, gegen den sich 
alsbald ein gewaltiger Ansturm erhoben habe, so würden wir 
ein ganz anders lautendes Zeugnis von höchster Glaubwürdig- 
keit mißachten: Hos. 2 7 ff. Was der Prophet hier seinem Volke 
vorwirft, daß es seinen Buhlen [den Ba'alen] nachgelaufen 
sei, die ihm vermeintlich Brot und Wasser, Wolle und Flachs, 
Oel und Getränke, Weinstöcke und Feigenbäume gespendet 
hätten, das bezieht sich nicht auf längstvergangene Zeiten oder 
den Kult des tyrischen Ba'al, sondern auf einen unausrott- 
baren Wahn des Volkes, der bis in die Zeiten des Propheten 
Hosea — also bis in die letzten Zeiten des nördlichen Reiches 
zu spüren ist: „Sie also weiß nicht, daß ich [Jahwe] es bin, der 
ihr das Getreide und den Most und das Oel gespendet und ihr 
Silber und Gold in Menge gegeben hat — für den Ba'al haben 
sie es verwendet (Hos. 2io)!" Es mag sein, daß die Klage Hoseas 



§ 10.] Synkretismus zwischen Jahwe und dem kanaanitischen Ba'al. 107 

in weit höherem Maße vom Reich Israel als von Juda gilt. Je- 
denfalls ist sie aber ein höchst merkwürdiges Zeugnis für die 
Zähigkeit, mit der sich der Glaube an Ba'al als den Landesgott 
und den Spender der Früchte des Landes wenigstens in einem 
Teil des Volkes erhalten hatte 1 ). 

Aus alledem ergibt sich, daß das Bild, welches der deute- 
ronomistische Redaktor des Richterbuchs (vgl. bes. 2 n ff.) von 
den religiösen Zuständen der Richterzeit entwirft, den geschicht- 
lichen Tatsachen nicht entspricht. Ihm ist — vom Standpunkt 
des 6. oder 7. Jahrhunderts aus — nur die Auffassung mög- 
lich, daß jede Hinneigung zu dem Kult anderer Götter zugleich 
einen vollständigen Abfall von Jahwe, dem Gott der Väter, be- 
deutet habe (2 12). Erst der dadurch erregte Zorn Jahwes und 
die von ihm bewirkte feindliche Bedrückung habe das Volk wieder 
zur Besinnung und zur Rückkehr zu Jahwe gebracht. Für die alte 
Zeit war es dagegen ganz wohl denkbar, daß man einerseits an 
Jahwe festhielt in allen Angelegenheiten, die das ganze Volk be- 
trafen, also namentlich im Kriege (vgl. dazu oben S. 54), daß 
man es aber anderseits auch mit dem Ba'al, dem Landesgott und 
Spender der Früchte, nicht verderben wollte, sondern ihm den 
Dank und die Opfer zukommen ließ, die ihm gebührten. Dieses 
Verfahren kann weder als reiner Götzendienst noch gar als Poly- 
theismus betrachtet werden, sondern nur als ein Synkretismus, 
der verschiedenartige religiöse Bedürfnisse jedes auf seine Weise 
zu befriedigen trachtet. In gleicher Weise hat sich bei den Ara- 
bern noch lange nach dem Siege des Islam der lokale Kult der 
vorislamischen Götter teils in der (vom Islam verpönten) Volks- 



*) Eine Spur dieser Anschauung liegt nach Schwally, Semit. Kriegs- 
altertümer I, 81 ff. noch in den gesetzlichen Bestimmungen vor, neuge- 
pflanzte Fruchtbäume drei Jahre unangetastet zu lassen, im vierten aber 
die Früchte Jahwe zu weihen (Lev. 19 23 ff. ; vgl. eine ähnliche Voraus- 
setzung in betreff des Weinstocks Dt. 20 e), das Feld nicht bis auf den 
äußersten Rand abzuernten (Lev. 19 9 ff.), eine vergessene Garbe nicht 
zu holen und überhaupt auf jede Nachlese zu verzichten (Dt. 24 19 ff.). 
Mit alledem habe man wohl ehedem den Dämonen und Ba'alen dienen 
wollen (vgl. hierzu, was oben S. 19 über die den fc'irim gebrachten 
Opfer bemerkt ist). Wie anderwärts ist indes auch hier sehr die Frage, 
ob das Dt., geschweige Lev., von dieser Bedeutung altererbter Ge- 
wohnheiten noch ein Bewußtsein hat; jedenfalls wird jetzt die alte Sitte 
nur durch Humanitätsgründe (die Sorge für Witwen, Waisen und Fremd- 
linge) motiviert. 



108 Di© Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 10. 

sitte, teils in irgendwelcher Eingliederang in den Islam be- 
hauptet. 

Auf die Dauer war jedoch ein solcher Doppelkult ganz he- 
terogener Götter unmöglich; einer von beiden mußte dem ande- 
ren weichen. Und zwar können wir an der Hand der alten Quel- 
len noch ziemlich genau den langwierigen Prozeß verfolgen, der 
die völlige Ueberwindung und Verdrängung der Ba'ale durch 
Jahwe wenigstens bei dem besseren Teile des Volkes herbei- 
führte. 

Eines der wesentlichsten Mittel zu diesem Zweck war un- 
streitig die Lokalisierung Jahwes in Kanaan, speziell an gewis- 
sen uralten und vielbesuchten Heiligtümern. Diese Lokalisierung 
war für die älteste Auffassung keineswegs selbstverständlich. 
Allerdings wußte auch die älteste Zeit von Jahwe- Erscheinun- 
gen auf dem Boden Kanaans in Gestalt des maVak jahwceh (vgl. 
oben S. 83 ff.). Aber dieser kam und ging, ohne daß man von ei- 
nem bestimmten Wohnsitz reden konnte. Auch die heilige Lade 
verbürgte, ja repräsentierte (vgl. oben S. 51 ff.) die Gegen wart Jah- 
wes. Aber sie war vor allem das Heiligtum Jahwe Zebaoths, des 
Kriegsgottes, und dieser hatte mit dem Acker- und Weinbau 
nichts zu tun. Als der eigentliche Sitz Jahwes galt doch nach 
wie vor der Sinai. Von dort her erscheint Jahwe Jud. 5 4, um 
den mit Sisera kämpfenden israelitischen Stämmen beizustehen. 
Und mag man Dt. 33 2 f. Hab. 3 8 und Ps. 689 als bloße poetische 
Reminiszenzen an Jud. 5 4 beiseite lassen, ebenso Dt. 33 1« den 
„Bewohner des Dornbusches" wegen der Unsicherheit der Deu- 
tung, so bleibt doch noch immer 1 Kön. 19s ff. ein strikter Beweis, 
daß man zu Elias Zeit den Sitz Jahwes auf dem Berge Gottes 
Horeb suchte. 

Immerhin kann diese Auffassung schon für die Richterzeit, 
geschweige für die Königszeit, nicht als die alleinherrschende be- 
trachtet werden. Die allmähliche Zurückdrängung der Kanaa- 
niter, die in der völligen Unterjochung ihrer Ueberreste durch 
Salomo ihren Abschluß fand, die glänzende Betätigung der Macht 
Jahwes durch die Siege Davids ließ naturgemäß das Ansehen 
Ba'als immer mehr verblassen, ja an manchen Orten ganz ver- 
schwinden. Dazu kam die Errichtung neuer Heiligtümer, die 
ausschließlich Jahwe geweiht waren, wie das des Gideon zu Ophra 
(Jud. 6 24. 8 27), der Tempel für die heilige Lade zu Silo, sodann 
das Zelt für sie in der Burg Davids und vor allem der Tempel 



§ 10.] Synkretismus zwischen Jahwe und dem kanaanitischen Ba'al. 109 

Salomos, der sicher alle bis dahin vorhandenen Heiligtümer Ka- 
naans (etwa mit Ausschluß der phönizischen) an Pracht und 
Kunst übertraf. Alle diese Stätten ausschließlicher Jahwe- Ver- 
ehrung mußten mit dem Gedanken an seine persönliche Einwoh- 
nung in Kanaan vertraut machen. So war es nur ein letzter 
Schritt zur völligen Lokalisierung Jahwes, wenn man auch die 
einstigen kanaanitischen Heiligtümer, die eben als solche noch 
sehr lange dem Baalsdienst Vorschub geleistet hatten, ausdrück- 
lich zu Jahwe in Beziehung setzte: Jahwe wird schlechthin mit 
dem Ba'al identifiziert, tritt in allen Besitz und alle Funktionen 
desselben ein. Dies war um so eher möglich, als Ba'al ja gar kein 
nomen proprium (wie Jahwe) darstellt, sondern als Appellativ 
den „Herrn" oder Besitzer" bedeutet, also ebenso gut auch als 
Bezeichnung Jahwes dienen konnte. 

Der sicherste Beweis für diese Einsetzung Jahwes an die 
Stelle des Ba'al ist die Verwendung von Ba'al in israelitischen 
Eigennamen und wohl auch in einer Anzahl von Ortsnamen (so 
sicher 2 Sam. 5 *o) *) ganz gleichbedeutend mit Jahwe ; so in Je- 
rubba'al (dem eigentlichen Namen Gideons), Ischba'al, Meriba'al 
(Nachkommen Sauls), Be'eljada', dem Sohne Davids; vgl. auch 
1 Chr. 12 5 Be'alja, d. i. „ Jah[we] ist Ba'al". 

Mit der Uebertragung des Jahwekults auf die Stätten des 
Ba'alskultus hängt sicher eine Tatsache zusammen, die uns an 
sich sehr befremdlich erscheint, die aber in allen Volksreligionen 
mit Gottesbildern (oder auch Heiligenbildern!) ihre Analogien 
hat. Der kanaanitische Ba'al war von Hause aus ein bestimm- 



*) Die Späteren konnten sich so wenig in diese Tatsache finden, daß 
sie (wohl in Berücksichtigung von Hos. 2i7f.) ba'al entweder durch 'el, 
Gott (so in der Familie Davids 2 Sam. 5 ie. 1 Chr. 3 8 Eljada' für Be'eljada' 
1 Chr. 14 7) oder durch bötet (Schande) ersetzten ; so wird in der Familie 
Sauls lschba'al, Mann Ba'als (so noch 1 Chr. 833. 9 39) zu Ischboscheth 
(2 Sam. 2 8 ff.) ; Meriba'al, Mann Ba'als (so noch 1 Chr. 9 40, während 1 Chr. 
834 der Anstoß durch die Form m e rib ba'al, Bestreiter Ba'als beseitigt 
ist) zu Mephiboscheth (Verächter Ba'als?) 2 Sam. 4*. 9 6 ff. 21 8. Dagegen 
blieb Jerubba'al (d. i. wohl = der für den Ba'al [d. i. Jahwe] streitet, 
gleichbedeutend mit Israel; die sehr künstliche Deutung Jud. 6 26 ff. faßt 
es als später gegebenen Beinamen Gideons, während wohl vielmehr der 
letztere Name als Beiname zu betrachten ist) unangetastet Jud. 7 1. 8 29. 
86. 9iff.; doch vgl. auch 2 Sam. 11 21 Jerubbescheth für Jerubboscheth. 
Die Sept. behalten ba'al im Texte bei, erwarten aber, daß man dafür 
aioxövY) (== bötet, Schande) spricht. Nur so erklärt sich der Rom. 11 4 
beibehaltene weibliche Artikel in z% BdaX 1 Kön. 19 18. 



HO Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 10. 

ter Gott, aber je nach der Lokalisierung seiner Bilder in ver- 
schiedenen Ländern und Heiligtümern gleichsam in verschiedene 
Gottheiten zerlegt. Dafür beweisen die zahlreichen Näherbe- 
stimmungen desBa'al-Namens durch Ortsnamen (wieBa'al-Pe'or, 
Ba'al Hermon etc.) oder andere Bestimmungen (wie b. b'rtt, der 
Bundesba'al, b. tfbub, der Fliegenba'al etc.). Auch Milkom, der 
Gott der Ammoniter, Kemosch, der Gott der Moabiter, und Mel- 
kart, der Stadtgott von Tyrus, sind offenbar solche Lokalisie- 
rungen des einen kanaanitischen Ba'al. So begreift sich, wie 
Jud. 2 n. 3 7. 10 e etc. und noch Hos. 2 iö. w. 11 2 von einer Ver- 
ehrung „der Ba'ale" die Rede sein kann. Derselben Differen- 
zierung verfiel aber auch Jahwe, als er (resp. seine Bilder) an die 
Stelle Ba'als trat oder auch neue Kultstätten erhielt. Den Be- 
weis dafür liefern wiederum die besonderen Namen, die bestimm- 
ten Jahwealtären oder Kultstätten erteilt wurden : der besondere 
Name unterschied gleichsam den Lokalgott dieser Stätte von 
anderen Lokalgöttern. Der Jahwe, der bei der heiligen Tama- 
riske von Beerseba verehrt wurde, hieß Jahwe, **& 'öläm (der Gott 
der Urzeit? oder der ewige Gott?) Ge. 21 ss; der dem Jakob bei 
Lus erschien, hieß 'öl bet-'el, der Gott von Bethel (81 13. 357); der 
von Jakob (33 20) bei Sichern errichtete Altar „El, Gott Israels", 
der von Jerubba*al Jud. 6 24 zu Ophra erbaute „jahwceh Mlöm u , 
Jahwe ist Heil. Wenn endlich Absalom 2 Sam. 157 f. ein Jahwe 
getanes Gelübde durchaus in Hebron einlösen will, so unterschei- 
det er damit deutlich den Jahwe von Hebron von dem zu Jeru- 
salem. Vermutlich galt ein Opfer an der weit älteren Kultstätte 
zu Hebron für wirksamer, als ein solches an dem jungen Heilig- 
tum zu Jerusalem. 

Der gesamte Prozeß der Lokalisierung Jahwes in Kanaan 
und damit deT Ueberwindung des Synkretismus zwischen Jahwe 
und Ba'al liegt für uns abgeschlossen vor in den Patriarchen- 
erzählungen Gen. 12 ff. Diese berichten nichts mehr über Kult- 
stätten des Ba'al im Lande : alle nachmaligen israelitischen Hei- 
ligtümer sind bereits von den Patriarchen (öfter infolge von Jahwe- 
erscheinungen) durch Erbauung von Altären (Ge. 12 7. 8. 13 18 
2625. 332o) oder die Pflanzung eines heiligen Baums (21 33) gewählt. 
Zwar blickt in zwei Fällen (12 6. 28 11 ff.) deutlich die Erinnerung 
durch, daß die Heiligkeit dieser Stätten schon aus früherer, ka- 
naanitischer Zeit stamme : für Israel datiert sie doch erst aus 
der Zeit, wo Jahwe dort als numen loci auftrat und sich den 



§ 10.] Synkretismus zwischen Jahwe und dem kanaanitischen Ba'al. 1 1 1 

Ahnen Israels offenbarte. 

Bei alledem haben wir eines Hauptgrundes noch nicht ge- 
dacht, aus dem sich am einfachsten der endgültige Sieg Jahwes 
über Ba'al als den einstigen Landesgott erklärt : das ist das 
Durchdringen der Auffassung Jahwes als eines im Himmel 
thronenden Gottes. Damit ist von selbst die Idee der überwelt- 
lichen Erhabenheit Jahwes über alle irdischen Mächte, aber auch 
über alle Lokalgottheiten gegeben. Vom Himmel her überschaut 
und lenkt Jahwe der Menschen oder doch zunächst seines Vol- 
kes Taten und Schicksale ; vom Himmel her spendet oder versagt 
er Regen und Tau und damit alle Segnungen des Bodens, vom 
Himmel her läßt er aber auch (Ge. 19 24) Schwefel und Feuer 
auf Sodom und Gomorrha regnen und beweist sich auch da- 
durch als den allmächtigen, überweltlichen Gebieter über alle 
Elemente. 

Nach dem oben Dargelegten ist diese Auffassung Jahwes 
nicht mit einem Male und noch weniger bei dem ganzen Volke 
durchgedrungen; neben ihr ging noch sehr lange in unklarer 
Vermischung die Lokalisierung Jahwes am Sinai (s. o. S. 47 f.) 
oder an kanaanitischen Kultstätten her. Anderseits aber lassen 
sich die Spuren der Auffassung Jahwes als eines Himmelsgottes 
ziemlich hoch hinauf verfolgen. Man darf sich hierbei nicht täu- 
schen lassen durch den Schein einer anderen Meinung, der le- 
diglich aus der Anlehnung an die Erzählungsform des Mythus 
entsteht. Allerdings istGe. 3 8 noch der Garten Eden der Wohn- 
sitz Gottes. Aber nach derselben Quelle (J) steigt Jahwe vom 
Himmel herab (nur dies kann nach dem Zusammenhang gemeint 
sein), um den babylonischen Turm zu besehen (Ge. 11 5. 7). Er 
sendet Verderben „von Jahwe, vomHimmelher" (1924; s.o.). Er 
heißt „der Gott des Himmels" (24? ; V.s: der Gott des Himmels 
und der Erde). In der E-Quelle vollends ist die Idee Jahwes als 
des Himmelsgottes in solchem Grade zum Sieg gelangt, daß auch 
der »maVak ,(B löhim u (vgl. oben S. 83) vom Himmel her ruft (Gen. 
21 17. 22 11, wo Jahwe erst durch den Redaktor, der V. 15— 18 bei- 
fügte, für Elohim eingesetzt ist). Iu Gen. 28 12 (E) stellt die Leiter, 
auf der die Engel auf- und niedersteigen, die Verbindung zwischen 
der Erde und dem Himmel, dem Wohnsitz Gottes, her. Daher 
bezeichnet Jakob V. w die Stätte gleichzeitig als den Wohnsitz 
Gottes (entsprechend der älteren Auffassung !) wie als Pforte des 
Himmels. 



112 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 10. 

Obiger Behauptung, daß durch die Lokalisierung Jahwes 
an den kanaanitischen Heiligtümern und die Idee des Himmels- 
gottes der Ba'alskult allmählich verdrängt worden sei, scheint 
nun auf das stärkste zu widersprechen, daß ja in den Zeiten 
Ahabs von Israel, also in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, 
der Ba'alskult noch einmal mit solcher Macht auftrat, daß man 
fast den Eindruck gewinnt, als habe der Jahwismus damals einen 
Kampf auf Leben und Tod gekämpft und sei fast dem Erlöschen 
nahe gewesen. Klagt doch Elia 1 Kön. 19 14, daß man die Altäre 
Jahwes niedergerissen und seine Propheten getötet habe ; er al- 
lein sei übrig geblieben, und auch ihm trachte man nach dem 
Leben. Aber abgesehen davon, daß schon die Antwort Gottes 
(V. i8) die Zahl der Jahwe ganz treu Gebliebenen auf 7000 an- 
schlägt, ist auch sonst das Urteil über die Größe und Allgemein- 
heit des Abfalls von Jahwe, besonders in betreff Ahabs (1 Kön. 
16 so ff.), erheblich zu ermäßigen. Die Namen seiner Kinder 
(Ahasja, Joram, 'Athalja) sind sämtlich mit dem Jahwenamen 
zusammengesetzt. Daß er seiner tyrischen Gemahlin Isebel einen 
Ba'alstempel und -altar zu Samaria errichtete, kann ebenso er- 
klärt werden, wie die Errichtung eines fc*wd£-Heiligtums am 
Oelberg durch Salomo (vergl. oben S. 75). Die blutige Verfol- 
gung der Jahwepropheten wird ausdrücklich (1 Kön. 18 4. 19 %) 
nur der Isebel schuld gegeben; von ihrem Tische essen die 450 
Propheten des Ba'al (18 le) 1 ). Ahab grollt dem Elia als dem Ur- 
heber einer Hungersnot, aber er trachtet ihm nicht nach dem 
Leben. Vielmehr tut er aufrichtig Buße (21 27 ff.), nachdem 
ihn wegen des Justizmords an Naboth das Verwerfungsurteil 
Jahwes durch Elia getroffen hat. Aus 1 Kön. 22 e ff. (der letz- 
ten Zeit Ahabs!) ergibt sich, daß eine sehr große Zahl von Jah- 
wepropheten samt Micha ben Jimla unbehelligt geblieben waren. 
Beachtenswert ist auch das Urteil, welches Jehu 2 Kön. 10 w 
über Ahab in den Mund gelegt wird. Durch all dies ist freilich 
nicht ausgeschlossen, daß sich auch Ahab durch allzugroße 
Konnivenz gegen das dämonische und vor keinem Verbrechen 
zurückscheuende Weib sehwer verschuldete: aber die Haupt- 
schuld trifft doch sichtlich Isebel. Um so mehr fragt sich, was 
sie eigentlich mit ihrem Tun bezweckte. Nach der Klage Elias 

*) Die daneben genannten 400 Propheten der Aschera sind, wie V. 40 
zeigt, wo sie unmöglich hätten fehlen können, erst nachträglich (wohl im 
Hinblick auf die deuteronomistische Notiz 1 Kön. 16 30) in den Text eingefügt 



§ 10.] Synkretismus zwischen Jahwe und dem kanaanitischen Ba'al. 113 

(1 19 14) über das Niederreißen der Jahwe- Altäre gewinnt es den 
Anschein, als habe sie tatsächlich den Jahwekult mit Stumpf und 
Stil zugunsten des Ba e alskultus ausrotten, also geradezu einen 
Religionswechsel herbeifuhren wollen. Aber dies erscheint doch 
unmöglich angesichts des Verhaltens Ahabs gegen Elia (s. o.) 
und besonders im Hinblick auf 2 Kön. 10 ts, wo (in den letzten 
Tagen Isebels !) neben den Ba'alsverehrern doch auch eine sehr 
große Anzahl von Jahweverehrern vorausgesetzt wird — hätte 
doch Jehu sonst nicht nur die Dynastie, sondern fast das ganze 
Volk ausrotten müssen. Nach V. 21 aber beschränkte sich die 
Zahl der Ba'alsdiener im ganzen Land auf die von Jehu im 
Ba'alstempel Versammelten. Somit ist die blutige Verfolgung 
der Propheten Jahwes sicher daraus zu erklären, daß sich diese 
unter der Führung Elias nicht nur der Gleichberechtigung des 
Ba'al mit Jahwe, sondern überhaupt der Einführung und Ver- 
breitung seines Kultus auf das heftigste widersetzten. Daß sie 
dies taten, beweist, daß mindestens bei den geistigen Vertretern 
des Jahwismus der einstige Synkretismus völlig überwunden, die 
Gewissen für das volle Verständnis des Grundsatzes „nur Jahwe 
ist der Gott Israels* 4 hinreichend geschärft waren. Mit Recht 
erkannten sie aber in de r Form, mit der jetzt der Synkretismus 
durch Isebel erneuert werden sollte, eine doppelt schwere Ge- 
fahr. Jetzt handelte es sich nicht mehr um altüberlieferte lo- 
kale Gottheiten, an deren Stelle man unschwer Jahwe setzen 
konnte, sondern um einen ausländischen Gott, denselben Gott, 
der Tyrus zu meerbeherrschender Macht und glänzenden Reich- 
tümern verholfen hatte. Durch ihn drohte die Gefahr nicht bloß 
einer geringeren Achtung, sondern geradezu einer Verwerfung 
Jahwes als eines im Vergleich mit diesem Ba'al ohnmächtigen 
Gottes. Kein Zweifel, daß Isebel selbst diesen Ausgang eifrig 
wünschte, und im Buhlen um ihre Gunst oder in der Furcht vor 
ihrem Zorn mögen manche einen Uebereifer zugunsten des 
Ba'al entwickelt haben, so daß es auch zum Niederreißen von 
Jahwealtären kam (1 Kön. 18 so. 19 14). Daß aber die Vernich- 
tung des Werks Isebels durch Jehu, wenn auch nicht ausschließ- 
lich, so doch wesentlich durch religiöse Motive herbeigeführt 
wurde, werden wir später zu erörtern haben. 

Wenn der Eifer Isebels für den tyrischen Ba'al zu einer 
schweren Gefahr und einem erbitterten Kampf geführt hatte, so 
tritt dagegen der Kult Ba'als in Juda nur als eine rasch vorüber- 

E.Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 8 



114 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

gehende Episode auf. Aus 2 Kön. 11 gewinnen wir durchaus 
nicht den Eindruck, daß Athalja, die Tochter Ahabs und Ise- 
bel8, nach der Ausrottung der Davididen irgend etwas gegen die 
Fortdauer des Jahwekultus im Tempel Salomos unternommen 
habe. Vielmehr steht der Oberpriester Jojada in solchem An- 
sehen, daß er die königliche Leibwache unschwer für eine Ver- 
schwörung gegen Athalja gewinnt. Erst zuletzt (V. is) erfahren 
wir, daß sich damals auch in Jerusalem ein Tempel des Ba'al 
unter einem Priester Matthan befand. Der Eifer, mit dem „alles 
Volk des Land es" diesen Tempel niederreißt, seine Altäre und 
Bilder zerstört und den Priester tötet, beweist, wie verhaßt die- 
ser durch Athalja importierte Kultus den Judäern gewesen ist. 

§ 11. Die Organe des genuinen Jahwismus: Priester, Pro- 
pheten, Nasiräer und Rechabiten; „Richter" und Könige. 

Zur Literatur: JWRothstein, Zur Kritik des Deboraliedes u. 
die ursprüngliche rythmische Form desselben. ZDMG, Bd. LVI, 1902, 
und LVII, 1903. — BDuhm, Die Gottgeweihten in der alttestamentl. 
Religion. Vortrag. Tübingen 1905. — LFranckh, Die Prophetie in der 
Zeit vor Arnos. Beiträge zur Förderung christl. Theologie. Gütersloh 

1905. — EKönig, Der ältere Prophetismus bis auf die Heldengestalten 
von Elia und Elisa. Grofi-Lichterfelde 1905. (Bibl. Zeit- u. Streitfragen 
1, 9.) — WStaerk, Religion und Politik im alten Israel. Tübingen 1905. 
(Sammlung gemeinverständl. Vorträge etc. No. 43.) — Duhm und Mat- 
thbs, JC, Anmerkungen zur Simsonsage. Teylers Theol. Tijdschr. IV, 2 
(1906), S. 224—227. — VZaplbtal, Der biblische Samson. Freib. (Schweiz) 

1906. — HStahn, Die Simsonsage. Eine reL-geschichtl. Untersuchung 
über Ri. 13—16. Göttingen 1908. — HGrbssmann, Aelteste Geschicht- 
schreibung und Prophetie Israels. (Die Schriften des A. T. in Auswahl 
neu übers, und f. die Gegenwart erklärt. II a.) Göttingen. — Broegel- 
mann, De fönte qui est de Elia quaestiones selectae. (Diss.) Tübingen 
1910. 

Der Kampf zwischen Jahwe und Ba'al ist im vorigen Ab- 
schnitt zunächst als ein Kampf verschiedener religiöser Ideen 
und Bedürfnisse dargestellt worden. In der Tat vermögen diese 
eine Macht zu entfalten, daß sie weite Volkskreise fortreißen 
und zu ihren halb unbewußten Werkzeugen machen. Dadurch 
ist aber weder die Existenz regelmäßiger, amtlicher Vertreter 
bestimmter religiöser Interessen, noch die Bestellung außeror- 
dentlicher, von Gott berufener und ausgerüsteter Werkzeuge 
ausgeschlossen. Beide Arten finden wir auch in Israel in der 
Zeit vor den Schriftpropheten in ziemlicher Anzahl vertreten : 
in amtlicher Eigenschaft die Priester und Könige, in außer- 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 115 

ordentlicher Sendung die Propheten, in deren Bereich auch die 
Nasiräer und Rechabiten, ja in gewissem Sinn sogar die sogen. 
Richter gezählt werden können. 

1. Wie spärlich und unsicher die Ueberlieferungen aus der 
Zeit Moses über die Begründung des Jahwe-P riestert ums 1 ) 
sind, ist oben S. 67 dargelegt worden. . Sie fließen jedoch auch 
in dem Zeitraum, der uns hier beschäftigt, noch sehr spärlich. 
Dies erklärt sich einfach daraus, daß man zu der wichtigsten 
Kulthandlung, zum Opfern, keines Priesters bedurfte, sondern 
nur zum Tragen der heiligen Lade (so nach J und E Jos. 3 s ff. 
49 ff. 6 e ff.) 2 ), zur Bewachung eines „Gotteshauses", das heißt 
des Behälters eines Jahwebildes und zur Befragung des — ir- 
gendwie mit dem Jahwebild in Zusammenhang stehenden — 
heiligen Loses. Das ganze Richterbuch erzählt nirgends von 
Priestern außer im ersten Anhang Kap. 17 und 18; dafür ist 
aber dieser Bericht, wenn man ihn richtig deutet, im höchsten 
Grade belehrend über die Zustände der Richterzeit. DerEphrai- 
mit Micha hat sich ein „Gotteshaus" mit einem Gottesbild 
augefertigt (über die aus Verschweißung zweier Parallelberichte 
und aus Glossierung stammenden mehrfachen Bilder vergl. oben 
S. 95, Anm. 1) und einen seiner Söhne zum Priester bestellt. Als 
aber ein junger Levit, d. h. ein Abkömmling des Stammes Levi, der 
bis dahin als Fremdling zu Bethlehem in Juda geweilt hatte, bei 
ihm vorüberzieht, dingt er ihn für 10 Silbersekel jährlich und 
den Aufwand an Kleidern und Unterhalt zum „Vater" und Prie- 
ster und ist nun sicher, daß ihm Jahwe wohl tun werde, weil er 
einen Leviten zum Priester hat. Die Bezeichnung selbst eines 
jugendlichen Mannes als Vater (17 10. 18 ie) zeigt, daß dieser 
Ehrenname den Priestern wohl regelmäßig zuerteilt wurde, wie 
nach 2 Kön. 2 12. 6 21. 13 14 auch den Propheten. Ein Gegen- 



*) Vgl. hierzu besonders WBaudissin, Die Geschichte des alttestam. 
Priestertums, Leipz. 1889. (Leider ist diese gründliche Monographie 
nicht unbeeinflußt geblieben von der unhaltbaren Hypothese des Ver- 
fassers, daß die Quelle P bereits im 7. Jahrhundert, ziemlich gleichzeitig 
m it Dt., entstanden sei.) 

2 ) Ueberall ist hier einfach von „den Priestern " die Rede, außer bei 
der ersten Erwähnung 3 s, wo dem Sprachgebrauch des Dt. entsprechend 
beigefügt ist „die Leviten"; beide Bezeichnungen bedeuten vereinigt 
»die levitischen Priester". Der Glossator wollte keinen Zweifel darüber 
aufkommen lassen, daß schon damals nur Priester aus Levi als legitim 
gelten konnten. 

8* 



116 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

stück bietet die Bezeichnung der Debora Jud. 5 i als „Mutter" 
in Israel. 

Man sieht aus dem Bisherigen, daß man sogar für ein Got- 
teshaus und Orakelbild nicht unbedingt eines Leviten bedurfte, 
daß man aber doch großen Wert darauf legte, wenn man einen 
solchen haben konnte. Denn man traute ihm, dem Abkömmling 
aus dem Stamme Moses, zu, daß er auf Grund der Familientra- 
dition am besten über kultische Dinge und vor allem über das 
Orakel wesen Bescheid wisse. Und Micha hatte umsomehr Grund 
zu dieser Annahme, als sein Levit, wie wir erst 18 ao erfahren, 
ein Sohn Gerschoms und Enkel Moses 1 ), Namens Jonathan, war. 
Man wußte also damals von einem Priestertum, das sich direkt 
von Mose herleitete, und es besteht kein Grund, die Geschicht- 
lichkeit der Angabe (18 so) zu bezweifeln, nach der die Priester 
des Orakelbildes zu Dan, das offenbar bis 734 in großem An- 
sehen stand, der Familie jenes Jonathan und damit Moses ent- 
stammten. Daß das Bild samt dem Priester dereinst von den 
Daniten geraubt worden war (Jud. 18 14 ff.), hat seinem Ansehen 
für die naive Betrachtungsweise der alten Zeit sicherlich keinen 
Abbruch getan. 

Erst am Ende der Richterzeit begegnet uns wieder ein 
Priestertum in Israel in der Person Elis und seiner Söhne 
Hophni und Pinchas bei der heiligen Lade zu Silo (1 Sam. 1 s. 
8 ff. 2 12 ff. 4 4 ff.). Nach der deuteronomistischen Zutat 2 27 ff. 
sind Eli und seine Söhne die Nachkommen eines Priesterge- 
schlechts, dem Jahwe schon in Aegypten alle Feueropfer der 
Israeliten überwiesen hatte. Damit ist natürlich der „aus allen 
Stämmen erwählte" Priesterstamm Levi (V. t») gemeint. Die 
älteren Berichte über Eli und seine Familie erzählen nichts über 
ihre Zugehörigkeit zu Levi, und daß für die alten Quellen das 
Priestertum noch nicht von dieser Zugehörigkeit abhängt, lehrt 
der unbefangene Bericht über den priesterlichen Dienst des aus 
Ephraim stammenden jungen Samuel (2 18. 3 1 ff., wonach er 
neben der Lade seine Lagerstätte hat). Die deuteronomistische 



*) Die nachträgliche Korrektur von Mose durch ein darüber geschrie- 
benes n in Manasse ist natürlich nur erfolgt, um Mose von dem Makel 
einer Nachkommenschaft zu befreien, die ein illegitimes (weil nicht von 
Aaron stammendes) Priestertum bekleidete und noch dazu Bilderdienst 
trieb. Dem ursprünglichen Erzähler gilt beides als durchaus berechtigt 
und löblich. 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 117 

Weissagung, die 2 27 ff. einem ungenannten Mann Gottes in den 
Mund gelegt ist, enthält gleichsam ein Programm der nachfol- 
genden Geschichte des Priestertums, das für uns völlig durch- 
sichtig ist. Die Vertilgung des Geschlechtes Elis durch das 
Schwert (V. 33) bezieht sich auf das Blutbad, das Saul (22 is ff.) 
unter den Priestern von Nob 1 ) anrichtete. Die Uebersiedelung 
des Heiligtums nach Nob (ohne die von den Priestern geraubte, 
schließlich nach Kirjath Je'arim verbrachte Lade, 4 11. 5 1 — 7 1) 
war ohne Zweifel eine Folge der Zerstörung des Tempels zu Silo 
durch die Priester (vergl. Jer. 7 12 ff.). Ahimelech, der Sohn 
Ahitubs, der zu Sauls Zeit dort als Priester fungierte (1 Sam. 
21 2 ff. etc.), war nach 1 Sam* 14 a ein Urenkel Elis. Der einzige 
dem Blutbad zu Nob entrinnende ist Abjathar , der Sohn Ahi- 
melechs (1 Sam. 2 33. 22 20), der mit demEphod zu David flieht. 
Der „zuverlässige Priester" aber, dem Jahwe nach 2 35 ein dauern- 
des Haus bauen, d. h. eine ununterbrochene Reihe von Nachfolgern 
schenken will, die beständig vor dem Gesalbten Jahwes, also dem 
König, aus- und eingehen, ist Zadoq, der schon unter David 
(2 Sam. 15 24 und 29 etc.) neben Abjathar Priester gewesen war. 
Er bleibt unter Salomo allein im Amt, als sich durch die Versto- 
ßung Abjathars der Fluch am Hause Elis erfüllt (1 Kön. 2 27). 
Von einer Abstammung Zadoqs aus Levi ist nirgends die Rede ; 
nicht einmal der Name seines Vaters wird genannt 2 ). Trotzdem 

*) Wenn von Doeg „85 Männer, die den linnenen Ueberwurf trugen 44 
(also diensttuende Priester!) getötet wurden, so ist dies eine auffällig 
hohe Zahl. In Silo werden nur drei Priester, in Jerusalem unter David 
nur zwei (abgesehen von Söhnen Davids, 2 Sam. 8 18 und dem Jairiten 
Ira 20 26) und ebenso unter Salomo nach dem ursprünglichen Text von 
1 Kön. 4 2 — nur Asarja, der Sohn Zadoqs, und Sabud, der Sohn Nathans 
erwähnt. Allerdings bedeutet „hakköhen* in alter Zeit geradezu den 
Oberpriester (wie noch 2 Kön. 11 9 ff. Jes. 82. 2 Kön. 22 4 ff., wo Hilkia 
erst durch einen späteren Redaktor zum „Hohenpriester" gemacht ist), 
und andere Priester neben ihnen sind somit keineswegs ausgeschlossen 
(vgl. 2 Kön. 12 5 ff.). Aber eine größere Zahl ist allenfalls für den glän- 
zenden Tempel Salomos, nicht aber für die bescheidenen Heiligtümer 
der ersten Königszeit denkbar. Nun könnte 1 Sam. 22 18 mit den 85 
ursprünglich die Gesamtzahl der Nachkommen und Verwandten Ahime- 
lechs gemeint sein (vgl. V. 19 !). Da aber die LXX statt 85 vielmehr 305 
(in Lucians Text sogar 350!) bieten, so ergibt sich, daß die Zahl über- 
haupt erst später nach schwankenden Vermutungen eingesetzt ward. 
Ist es Zufall, daß 85 dem Zahlenwert der Konsonanten von köh a ne [jah- 
wah] in V. 17 entspricht? 

2 ) 2 Sam. 817 (1 Chr. 18 16. 24 6. si heißt er allerdings „der Sohn Ahi- 



118 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

erfüllte sich an ihm das „dauernde Haus". Gegen das Ende der 
vorexilischen Zeit galten alle Priester zu Jerusalem als „Söhne 
Zadoqs", und in dem Zukunftsprogramm des Hesekiel (44 is ff.) 
wird ihnen allein von allen damaligen „ Priestern aus Levi* das 
Priesterrecht zugesprochen. Das Deut, hatte (18 • f.) wenigstens 
noch die Möglichkeit offen gelassen, daß auch die Höhenpriester 
nach der Konzentrierung des Kultus auf den Tempel zu Jeru- 
salem dort Priesterdienste verrichten könnten. 1 Sam. 2 se lehrt 
uns jedoch, daß ihnen dies nur schwer gelang. Der „Mann Got- 
tes" weissagt hier Eli, daß seine etwaigen Nachkommen (d. h. 
die Höhenpriester der Zeit Josias und bis 586) sich vor Zadoq, 
d. h. dem legitimen Priestergeschlecht zu Jerusalem, tief werden 
demütigen müssen, um von ihnen ihren notdürftigen Unterhalt 
zu erbetteln. 

Fragen wir nun — und dies ist für uns die Hauptsache — 
nach der geistigen und religiösen Bedeutung desPriestertums in 
dem ganzen Zeitraum vor den Schriftpropheten, so sind wir auf 
äußerst dürftige Notizen angewiesen. Wir erfahren eigentlich 
nur, daß die Priester die Lade hüteten und nötigenfalls trugen. 
Und zwar sind es nicht etwa niedere Priester oder gar Leviten 1 ) 
im Sinne des PC, die die Lade tragen, sondern die eigentlichen 
Priester, wie sich deutlich aus 2 Sam. 15 «4. 29 (wie wohl schon 
aus 1 Sam. 44) ergibt. Besonders häufig wird aber als Funktion 
der Priester das Hüten oder das Tragen und Befragen des 
„Ephod" (s. o. S. 95 ff.) erwähnt: 1 Sam. 14a 21 10 22 15 (nach 
LXX auch V. is) 23 9, wo David von Abjathar den nach V. « 
aus Nob mitgebrachten Ephod „herzubringen" läßt; ebenso 30 7, 
wo aber David selbst Jahwe befragt. Auch 1 Sam. 14 is ist mit 
LXX „den Ephod" zu lesen statt der „Lade", und sodann „denn 
er trug damals den Ephod" etc. 2 ). — Von einer Mitwirkung 
der Priester beim Opfer ist nirgends die Rede. Selbst bei dem 
Hauptheiligtum zu Silo wird 1 Sam. 2 12 ff. höchstens eine durch 
die Sitte geheiligte Ordnung bei der Abgabe der Opfergefälle an 

tubs u . Aber der MT beruht hier sichtlich auf einer dogmatischen Korrektur, 
die Zadoq in eine Genealogie einreihen und zugleich Abjathar (gegen 
2 Sam. 15 24 etc.) im voraus beseitigen will. Mit Wellhausen etc. ist 
zu lesen: Zadoq und Abj., der Sohn Ahimelechs, des Sohnes Ahitubs. 

*) Diese sind 1 Sam. 6 16. 2 Sam. 15 24 (aber nicht V. 29). 1 Kön. 8 * 
(gegen V. 3!) erst nachträglich interpoliert. 

2 ) Zweifelhaft ist dagegen, ob man auch 1 Kön. 2 26 mit Thenius u. a. 
den Ephod statt der Lade einzusetzen hat. 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 119 

die Priester vorausgesetzt ; die schwere Sünde der Söhne Elis be- 
stand nicht etwa darin, daß sie gegen die Vorschriften eines ge- 
schriebenen Gesetzes (etwa gar des PC !) verstießen, sondern 
daß sie die altheiligen Opfersitten mißachteten und ihren An- 
teil forderten, ehe noch für Jahwe das Fett angezündet war 
(V. i«). Dabei ist aber nicht einmal das ersichtlich, ob die Dar- 
bringung des Fetts nur durch Priester erfolgen konnte, und 
wenn Aussagen wie 1 Sam. 13 • f. 2 Sam. 6 1&. n f. 1 Kön. 3 4 etc. 
leicht so gedeutet werden können, daß die Könige unter Ver- 
mittlung der Priester opferten, so lehren doch anderseits Stellen 
wie 2 Sam. 6 is. 1 Kön. 8 14, daß in alter Zeit auch eine kulti- 
sche Handlung, wie das Segnen (die Deut. 10 8 [wohl aus P] den 
Priestern vorbehalten wird) ohne Anstoß von den Königen aus- 
geübt werden konnte. 

Von der Tätigkeit, die nach Aussage der Propheten die 
wichtigste amtliche Pflicht der Priester ist, nämlich der Ertei- 
lung von töräh oder Weisung über Fragen des Kultus und des 
Rechts (auch ohne Anwendung des heiligen Loses) ist erst gegen 
Ende unseres Zeitraums, im sogen. Segen Moses (vgl. darüber 
S. 121 f.) die Rede. Für die ältere Zeit ist bezeichnend, daß im 
ganzen sogen. „Bundesbuch", das sich doch zum größten Teil 
mit Rechtsfragen beschäftigt, Priester überhaupt nicht erwähnt 
werden. Damit ist freilich nicht bewiesen, daß eine solche Tätig- 
keit ganz gefehlt habe. Wird doch bei einem geeigneten Anlaß, 
nämlich bei Eli, sogar eine Art seelsorgerlicher Tätigkeit be- 
richtet : 1 Sam. 1 •— is. 26 ff. 2 20 (gegenüber Hanna und Elkana) ; 
2 22 ff. (gegen seine Söhne) ; aber auch sie trägt doch keinen spe- 
zifisch priesterlichen Charakter. Was aber den sonstigen, na- 
mentlich politischen Einfluß der Priester anlangt, so ist er nach 
allen Spuren in diesem ganzen Zeitraum gering. Dies erklärt 
sich einfach daraus, daß es zu Priesterverbänden, die dem 
einzelnen einen Rückhalt bieten konnten, noch nicht gekommen 
war. Die Zugehörigkeit zum Stamme Levi war , wie wir oben 
8ahen, noch nicht Bedingung der Priesterwürde. Erst die deu- 
teronomistische Redaktion des Königsbuchs rechnet es (1 Kön. 
12 31. 13a3 b ) Jerobeam zur Sünde an, daß er allerlei Leute, die 
nicht aus Levi stammten, zu Höhenpriestern bestellte. Wie wenig 
aber auch die Priester aus Levi vor den anderen voraus hatten, 
e *gibt sich zur Genüge aus dem Bericht über den fahrenden Le- 
viten Jonathan Jud. 17 7 ff. und ganz besonders auch aus Gen. 



120 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

49 7. Wenn hier (wohl noch in der Zeit Davids) über den S t amm 
Levi ein Fluch ausgesprochen wird, ohne jeden Hinweis auf die 
Prärogative, die ihm doch durch seinen Zusammenhang mit 
Mose verliehen und tatsächlich (vergl. oben S. 116) auch geblie- 
ben war, so zeigt dies deutlich, daß eben diese Prärogative we- 
nigstens für die Zeit des Dichters von Gen. 49 7 recht gering 
angeschlagen wurde. Der Stamm Levi galt als verflucht ; nur 
ein Teil seiner Glieder, dem es gerade geglückt war (Jud. 17 s), 
übte priesterliche Funktionen aus. Aber auch in diesem Falle 
stand der Levit mit seiner Familie an irgend einem Heiligtum 
isoliert und ohne höheres Ansehen da. Dasselbe galt aber auch 
von den Priestern, die nicht aus Levi stammten. Allerdings fin- 
det sich schon zu Ende der Richterzeit und in der ersten Königs- 
zeit ein Ansatz zu einem erblichen, seßhaften und eben dadurch 
angesehenen Priest er tum, nämlich im Geschlechte Elis. Sein 
Ansehen erklärt sich vor allem daraus, daß er an dem Tempel 
zu Silo das am höchsten geschätzte Heiligtum des Volks, die 
heilige Lade, bediente. Von diesem Ansehen zehrten noch seine 
Nachkommen unter Saul zu Nob, offenbar dem Hauptheiligtum 
seit der Zerstörung Silos (1 Sam. 22 1» „Stadt der Priester"), 
sowie Abjathar am Hofe Davids. Bei alledem ist jedoch von ir- 
gendwelcher Souveränität der Priester neben der des Königs 
gar keine Rede. Ahimelech kommt (1 Sam. 21 2) sogar dem Un- 
tertan Sauls unterwürfig entgegen, vollends aber (22 1« ff.) dem 
Saul selbst. Die Trabanten Sauls weigern sich zwar (V. 17), die 
Jahwepriester niederzustoßen, offenbar weil ihnen der Blutbe- 
fehl des Königs allzu ungerecht und ungeheuerlich erscheint; 
aber niemand tritt zum Schutze der Priester auf, als sie mit ihrem 
ganzen Geschlecht dem blinden Zorn Sauls durch Doeg zum 
Opfer fallen. Den allein entronnenen Abjathar nimmt David 
V. 23 in seinen Schutz auf, aber doch (23 •) als einen Diener, dem 
er nach Belieben gebieten kann. Dies bleibt er natürlich auch 
unter dem König David. 2 Sam. 8 17. 20 25 f. 1 Kön. 4 4. 6 er- 
scheinen die Priester unter den obersten Beamten in Juda, aber 
meist erst hinter den politischen Beamten oder doch einem Teil 
derselben. Daß Abjathar 1 Kön. 2 26 von Salomo wegen seiner 
Parteinahme für Adonia nur mit Verbannung bestraft wird, hat 
er nicht seiner besonderen Stellung, sondern nur seinen persön- 
lichen Verdiensten um David zu danken. Es begreift sich, daß 
die seßhafte Priesterschaft an einem so glänzenden Heiligtum 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 121 

wie dem Tempel Salomos am ehesten zu Reichtum und höherer 
Bildung und eben dadurch auch zu hohem Ansehen gelangte, 
ja daß sie frühzeitig eine Art von Tempeladel in einem festge- 
schlossenen Verbände bildete und mit den mächtigsten Familien 
bis hinauf zum Königshause verschwägert war 1 ). Bei alledem 
sind aber doch die Oberpriester nichts anderes als Beamte des 
Königs, und es sind ganz außerordentliche Umstände, wenn sich 
der Priester Jojada 2 Kön. 11 4 ff. zu einer hochpolitischen Tat, 
der Verschwörung gegen Athalja, entschließt. Er tut es doch 
nur zugunsten des einzigen legitimen Erben der davidischen 
Dynastie, also im Dienste derselben. Aber die Pietät, die ihm 
der König Jehoas infolgedessen schuldet, hindert doch nicht, 
daß letzterer ihm und den Priestern (12 7 ff.) nicht bloß seinen 
Unwillen, sondern sein Mißtrauen zu erkennen gibt, indem er 
ihnen die freie Verfügung über die Tempelgaben abnimmt und 
sie der Kontrolle des Staatsschreibers unterwirft. 

Es kann uns nicht Wunder nehmen, daß es im nördlichen 
Reich bei dem Mangel an einem Zentralheiligtum erst viel spä- 
ter als in Juda zur Bildung angesehener und bis zu einem ge- 
wissen Grad wohl auch politisch mächtiger Priestergenossenschaf- 
ten kam. Daß es geschah, bezeugt uns — wahrscheinlich aus der 
Zeit Jerobeams II. oder doch nur wenig früher — der Spruch 
über Levi in dem (ephraimitischen) „Segen Moses" Deut. 33 8 ff. 
Die Deutung des Einzelnen ist freilich nicht ohne Schwierigkeit. 
Nach Wellhausen u. a. bezieht sich V. 9 auf solche, die sich 
mit Verleugnung ihres Stammes und ihrer Familie einem Levi- 
tenverband angeschlossen haben. Richtiger denkt man wohl an 
eine Anspielung auf die Erzählung Ex. 32 29 (vgl. oben S. 67 f.), 
wo dem Stamm Levi das Priestertum zum Lohn für sein mann- 
haftes Eintreten für Jahwe zuteil wird. Dazu stimmt, daß ja 
der ganze Spruch an Levi, als an den mit Benjamin, Joseph etc. 
auf einer Stufe stehenden Stamm, gerichtet ist. Hier ist also 
die Zugehörigkeit zu Levi bereits Bedingung des Priestertums, 
wodurch natürlich noch nicht ausgeschlossen ist, daß vereinzelt 
auch Glieder anderer Stämme (besonders wohl durch das Hei- 
raten von Priestertöchtern) in den Priesterstamm gelangten. Der 
ganze Spruch verrät in gehobener Sprache einen berechtigten 

l ) So war nach der sicher historischen Notiz 2 Chr. 22 11 Joscheba 
eine Schwester des Königs Ahasja und Gemahlin des Oberpriesters Jo- 
jada. Ohnedies wäre auch 2 Kön. 11 3 nicht zu begreifen. 



122 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

Stolz auf die Bedeutung und die Macht des Priestertums und 
eine feste Zuversicht (V. u b ), daß Jahwe seine Gegner, an denen 
es durchaus nicht fehlt, zerschmettern werde. Als ihre amtliche 
Befugnis wird zwar noch immer an erster Stelle die Handhabung 
des heiligen Loses (der Urim und Tummim) genannt, dann aber 
(V. 10) doch auch, daß sie das Volk die Satzungen und die Wei- 
sung (toräh) Jahwes lehren und den Opferdienst pflegen. 

Wie hier die Priester ausLevi als eifrige Vertreter des Jah- 
wedienstes erscheinen, so dürfte dies überhaupt von den Jahwe- 
priestern auch im nördlichen Reiche gelten, so daß sie zu den Or- 
ganen des genuinen Jahwismus gezählt werden durften. Zwar ist 
es auffällig, daß in dem Kampf gegen den tyrischen Ba'al nir- 
gends die Priester, sondern immer nur die Propheten als die we- 
gen ihrer Treue gegen Jahwe Verfolgten erwähnt werden. And- 
rerseits aber wird doch auch nirgends in dieser Zeit den Prie- 
stern eine Begünstigung des Ba'alsdienstes vorgeworfen. Eine 
ausdrückliche Aussage über einen priesterlichen Eifer für Jahwe 
findet sich wiederum nur in betreff Elis. Er empfindet es (lSam. 
2 2t ff.) als eine schwere Schande, daß seine Söhne zu schlimmen 
Gerüchten im „Volke Jahwes" Anlaß geben ; er bangt vor dem 
strengen Gericht Jahwes, das keinen Einspruch duldet, unter- 
wirft sich aber (3w) in tiefster Ergebung dem Verwerfungsurteil: 
es ist Jahwe, er tue, was ihm gefällig ist ! Und während der 
Schlacht gegen die Philister bangt er (4 is) vor allem für die Lade 
Jahwes ; erst auf die Kunde von ihrem Verlust sinkt er um und 
stirbt. Ebenso ist der Schmerz über die Wegnahme der Lade 
der letzte Gedanke des Weibes Pinchas' (V. i» ff.), denn „fortge- 
wandert ist die Herrlichkeit von Israel !" Das alles sind Züge, 
die auf geschichtliche Treue Anspruch machen können. Sie be- 
weisen, daß der Jahwismus bei aller Verquickung mit denüeber- 
resten altsemitischer Naturreligion doch schon damals eine Macht 
war, die tief in das Leben und Denken seiner Anhänger eingriff 
und echte Frömmigkeit in ihnen zu erzeugen vermochte. 

2. Weitaus die hervorragendste Stelle nehmen unter den 
Organen des genuinen Jahwismus die Propheten ein *). Aller- 



! ) Von Monographieen über den Prophetismus in Israel überhaupt 
(die Literatur über die Schriftpropheten s. bei Kap. IV) heben wir her- 
vor: AKnobel, Der Prophetismus der Hebräer. 2 Teile. Breslau 1837 
(vielfach veraltet, aber doch ein grundlegendes und noch heute nützliches 
Werk). — AKuenen, De profeten en de profetie onder Israel. 2 Vols. 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 123 

dings pflegt man in dieser Bezeichnung ganz heterogene Erschei- 
nungen zusammenzufassen und zwar ebensowohl die Vertreter 
heidnisch-semitischer Mantik und Zauberei, wie die sehr ver- 
schiedenen Formen des echt hebräischen, im Dienste des Jah- 
wismus stehenden Prophetismus. Es kann nicht geleugnet wer- 
den, daß sich auch von ersterer Art in der Ueberlieferung des 
alten Israel noch allerlei Spuren finden, und zwar auch solche, 
die den Erzählern offenbar nicht im Widerspruch mit dem ge- 
nuinen Jahwismus zu stehen scheinen. Dies war dadurch mög- 
lich, daß man als die treibende Kraft dabei nicht mehr dämo- 
nische Mächte, sondern Jahwe selbst betrachtete. Von ihm be- 
fähigt überbietet Mose (Ex. 4 2 ff. 7 s ff.) die Werke der ägypti- 
schen Zauberer, wobei er sich vielfach seines Stabes wie eines 
Zauberstabes bedient (Ex. 7 20. 9 23. 17 5. 8 ff. 14 16 Num. 20 7 ff.). 
Dieselbe Wirkung wie das Ausrecken des Stabes Moses hat das 
Ausrecken der Lanze Josuas Jos. 8 18. 26 : sie bringt Israel Sieg 
und die vollständige Vollstreckung des Banns an den Bewohnern 
von Ai. Noch in 2 Kön. 13 15 ff. hat man mit Recht einen Ueber- 
rest des Glaubens an den Pfeilzauber 1 ) erblickt. Es ist nicht 
bloß eine symbolische Handlung, daß König Joas mit den von 
Elisas Händen bedeckten Händen einen Pfeil in der Richtung 
der Aramäer abschießt und dann auf Elisas Geheiß mit den Pfei- 
len auf den Boden schlägt. Diese Handlungen sind vielmehr ein 
in Taten umgesetzter Fluch, der seine Wirkung auf die Aramäer 
nicht verfehlen kann. — Schon Bileam, dem Num. 22 e die ma- 
gische Kraft wirksamen Segnens oder Verfluchens — sogar eines 
ganzen Volkes — zugeschrieben wird, erscheint doch in der gan- 
zen Perikope Num. 22 — 24 als ein echter Jahweprophet. Das 
alles sind Belege für Ueberreste eines uralten Zauberwesens, die 
man doch mit dem Jahwismus zu vereinigen wußte. Nach Gen. 
44«. iß übte Joseph die sogenannte Hydromantie, das Wahrsagen 
aus einer Flüssigkeit im Becher, und Num. 17 w ff. ist nichts an- 
deres als eine eigentümliche Form der Rhabdomantie, desWahr- 
sagens mit Hilfe von verschiedenen Stäben. Andere Formen der 



Leiden 1875 (englisch London 1877). — CHCobnill, Der israelit. Pro- 
phetismus. In 5 Vorträgen für gebildete Laien geschildert. Straß- 
burg 1894 u. ö. — RKkaetzschmab, Prophet und Seher im alten Israel. 
Tübingen 1901. 

J ) So Schwally, Semit. Kriegsaltertümer I, 22. 



124 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheien. [§ 11. 

Magie, wie die Totenbeschwörung, die Kunst der m 0i 6n nim *) etc. 
werden zu aller Zeit von den Vertretern des echten Jahwismus 
verpönt 2 ). Alles Eifern der Propheten hinderte jedoch nicht, daß 
Zauberei und Wahrsagung bis zum Exil und länger im Schwange 
blieben, als Auswüchse des Aberglaubens, für die die Jahwereligion 
so wenig verantwortlich gemacht werden kann wie etwa das Chri- 
stentum für die zahllosen Gestalten des Aberglaubens, die in 
seinem Bereich bis heute im Schwange gehen. 

Dasjenige Prophetentum in Israel, das uns bei derNennung 
eines Arnos, Hosea, Jesaja u. a. vor Augen steht, hat seine Wur- 
zeln in zwei ganz verschiedenen Erscheinungen, die schließlich 
zu einer zusammenflössen und infolgedessen auch dieselbe Be- 
zeichnung führten. Es sind dies einerseits die „Seher" der alten 
Zeit, anderseits die verzückten Gestalten der nrffiim. Letzterer 
Name wurde im 8. Jahrhundert zur Gesamtbezeichnung der ei- 
gentlichen Jahwepropheten ; daher pflegt man auch die n'ttftm 
der Zeit Samuels und Sauls — freilich minder zutreffend — mit 
„Propheten" zu übersetzen. 

Der Seher (roceh oder hözah, d. i. sehend) hat seinen Na- 
men nicht vom Vorhersehen des Künftigen, obwohl auch ein 
solches unter Umständen für ihn nicht ausgeschlossen ist, son- 
dern davon, daß er überhaupt mit dem von seinem Gott ihm ge- 
öffneten geistigen Auge Verborgenes sieht und zu verkündigen 
vermag. Dazu bedarf es nicht notwendig ekstatischer Zustände 
— solche werden z. B. von Samuel nirgends berichtet — aber 
sie können mit dem Schauen verbunden sein. So nennt sich Bi- 
leam, der zwar nirgends Seher oder Prophet heißt, aber doch 
zu dieser Kategorie gehört, einen Mann, „dessen [äußeres] Auge 
verschlossen 3 ) ist, der göttliche Reden vernimmt, Gesichte des 



') Das sind entweder „Wolkenbeschauer" (Wetterm acher?) oder „die 
mit näselnder oder murmelnder Stimme ihre Sprüche vortragenden". 
Ueberhaupt wird den Totenbeschwörern oder sonstigen Zauberern häufig 
ein Zischeln, Zirpen, Seufzen oder Murmeln nachgesagt. 

2 ) Der locus classicus für die verschiedenen Formen der Zauberei 
ist Deut. 18 10 ff., vorzüglich kommentiert von WRobertsonSmith, Divi- 
nation and Magic enumerated in Dt. XVIII, 10 f. im „ Journ. of PhiloL' 
XIII, 273 ff. und XIV, 113 ff. — Vgl. außerdem WittonDavies, „Magic, 
Divination and Demonologie among the Hebrews and their Neighbours". 
Lond. 1898. 

8 ) Diese Wortbedeutung ist allerdings unsicher ; andere deuten viel- 
mehr: dessen [geistiges] Auge aufgeschlossen ist. 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 125 

Allmächtigen schaut, hingesunken und enthüllten Auges* (Num. 
24 8 f. 15 f.). Unverkennbar ist bei allen, die in dieser Periode als 
„ Seher" im engeren Sinn gelten können, ein gewisser Zusammen- 
hang mit Mantik und Zauberwesen, und zwar nicht bloß nach 
dem Glauben des Volkes, sondern auch nach dem der alten Er- 
zähler. Von Mose als einem Zaubereikundigen war schon oben 
die Rede. Er heißt allerdings nie Seher, und Prophet (im spä- 
teren Sinne!) erst im Deut. (18 15. 34 10). Die ältere Auffassung 
Num. 12 6, wohl E) unterscheidet ihn, mit dem Gott von Ange- 
sicht zu Angesicht redet, von den sonstigen Propheten, denen 
sich Gott durch Gesichte und Träume offenbart. Daß aber sein 
Volk allezeit nicht bloß den „Mann Gottes", das gewaltige Werk- 
zeug Jahwes bei der Stiftung des Sinaibundes, den mit dem Geist 
Jahwes erfüllten Führer (Num. 11 17. 25) in ihm erblickte, son- 
dern auch den zukunftskundigen Seher, das ergibt sich deutlich 
aus dem Umstand, daß ihm zwei hervorragende Zukunftsweissa- 
gungen in den Mund gelegt werden: der Segen Moses Deut. 33 
(s. oben S. 121 f.), obgleich dieser V. 4 in dritter Person von ihm 
spricht, und das weit spätere Lied Deut. 32, obgleich es V. 7 auf 
die Zeit Moses als auf die Tage der Vorzeit zurückblickt und 
V.13 ff. die Erlebnisse Israels in Palästina als weit zurückliegende 
geschichtliche Tatsachen schildert. 

Bei Bileam tritt ein man tisches Element insofern hervor, als 
er zwar wiederholt betont, nur das reden zu können, was ihm 
Jahwe eingibt (Num. 22 8. is ff. 35. ss), dann aber doch (23 1 ff.) 
äußere Veranstaltungen trifft und geradezu auf eine Schauung, 
d. h. die Offenbarung Jahwes in äußeren Zeichen, ausgeht: 23 3 f. 
(wo V. 4 hinter Bileam höchstwahrscheinlich eine nähere Angabe 
über die Art der Offenbarung ausgelassen ist) 13 ff. 27 ff., bis er 
endlich (24i f.) auf Wahrzeichenverzichtet und lediglich vom Geiste 
Gottes getrieben seinen Spruch verkündigt. 

In denselben Bereich gehört in der Richterzeit zweifellos 
auch Debora. Sie heißt Jud. 4 4 eine „Prophetin", d. h. hier 
ein Weib, das der magischen Erfüllung mit dem Geiste Jahwes 
fähig ist und in diesem Geiste Urteilssprüche zu fällen vermag 
(V. s). Der eigentlich urkundliche Bericht über sie dürfte sich 
jedoch im Deboraliede selbst erhalten haben, wenn auch die Her- 
leitung dieses Liedes von Debora (trotz der Anrede an sie in 
V. 12 !) erst auf der irrigen Fassung von V. 7 (wo zu übersetzen 
ist „bis du aufstandest" etc.) beruhen mag. Sie heißt V. 7 „eine 



126 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

Mutter in Israel". Damit wird ihr (vgl. oben über Jud. 17io 18i» 
S. 115 f.) die Würde einer hochangesehenen Priesterin zugeschrie- 
ben, die über das Heil des Volkes wacht und in bedrängter Zeit 
den rechten Ausweg zu zeigen und den günstigen Erfolg voraus- 
zuverkündigen vermag (4 • ff.). Vor allem aber gilt von ihr, daß 
sie (gleich den gottbegeisterten Schlachtjungfrauen der germa- 
nischen Vorzeit) das Volk durch ihren Sang bezaubern und zur 
höchsten Tapferkeit anfeuern kann. 

Daß die ganze Wirksamkeit der Debora nur im Geist und 
Dienst Jahwes geschieht, ist dabei offenbar überall als selbst- 
verständlich vorausgesetzt. Sie weckt das Bewußtsein von der 
Zusammengehörigkeit der arg zersplitterten Stämme als des Vol- 
kes Jahwes und flößt ihm Mut zum Kampfe und Vertrauen auf 
den vom Sinai herbeieilenden Kriegsgott ein. Noch mehr aber 
kommt diese Bedeutung eines Organs Jahwes, ja eines Retters 
des Volkes aus schwerer Bedrängnis dem Manne zu, der zuerst 
und ausdrücklich (1 Sam. 9 n. is. i») den Ehrennamen „Seher 44 
erhält; 9» geht dem in einer Glosse die Erklärung voraus, daß 
man in alter Zeit die, die jetzt „ Propheten tt (n'hi'im) heißen, 
Seher (rö'im) genannt habe. 

Nach dem (im Verhältnis zu 1 Sam. 9 — 10 ie etwas jüngeren) 
Bericht 1 Sam. 1 n. 27 f. 2 u ff. 3 1 ff. war Samuel schon vor sei- 
ner Geburt Jahwe geweiht, in zartem Alter zum Dienste vor Jah- 
we nach Silo gebracht und dort auch einer nächtlichen Offen- 
barung von Jahwe gewürdigt worden. Es tritt uns somit hier die- 
selbe Verknüpfung von Priestertum (vgl. dazu auch 9 13) und Se- 
hertum (resp. Propheten tum in späterem Sinne) entgegen wie bei 
Mose. Uebrigens aber bieten die verschiedenen Quellenschriften 
von Samuel ein ganz verschiedenes Bild. Nach den jüngeren 
(1 Sam. 7 s. 10 17 ff. c. 12. 13 s ff. c. 15) ist er der letzte Richter, 
das heißt hier nicht bloß vorübergehender Anführer im Kampf, 
wie in den „Heldengeschichten" des Richterbuchs, sondern kurz- 
weg „Regent", dem zum Königtum nichts weiter als der Titel 
König fehlt. Er bringt das Volk (7 3 ff.) vom Götzendienst zurück 
und verschafft ihm durch sein Gebet und Opfer (V.sff.) dauern- 
den Sieg über die Philister. Er bestellt in seinem Alter seine 
Söhne zu Richtern, verhandelt über das Verlangen des Volkes 
nach einem König mit Jahwe (8 1 ff.), beruft eine Volksversamm- 
lung nach Mizpa und erlost ihnen hier aus allen Stämmen Saul 
zum König. Dies hindert indes nicht, daß nach wie vor Samuel 



§ IL] Die Organe des genuinen Jahwismus. 127 

als der eigentliche Gebieter auftritt. Er entläßt das Volk (10i*), 
verheißt bei einer anderen Volksversammlung auf das dringende 
Verlangen des Volks seine mächtige Fürbitte und daß er ihnen 
den guten und geraden Weg weisen wolle (12 w. ta ff.). Vor allem 
aber scheint er bei der Verwerfung Sauls (13 8 ff.; weit milder 
ist sein Verfahren in der hochprophetischen Erzählung c. löioff.) 
einen solchen Eigensinn und eine solche Herrschsucht an den Tag 
zu legen, daß man längst darin den Urtypus hierarchischer Ge- 
lüste gegenüber der weltlichen Gewalt erblickt hat. 

Ein ganz anderes Bild von Samuel entwirft uns die Dar- 
stellung der weit älteren Quelle 1 Sam. 9 — 10 le. Bei dem Su- 
chen nach den verlorenen Eselinnen seines Vaters kommt Saul 
mit seinem Knecht am Wohnorte Samuels vorüber. Der Knecht 
macht Saul auf den „Mann Gottes" in dieser Stadt aufmerksam : 
„der Mann ist berühmt; alles was er sagt, trifft sicher ein — 
vielleicht gibt er uns Bescheid über den Weg, den wir gegangen 
sind" (nicht etwa: den wir gehen sollen! Der Knecht will erst 
erproben, ob Samuel über ihren bisherigen Weg Bescheid weiß ; 
dann kann man auch seinem weiteren Rat vertrauen). Nur um 
das übliche Geschenk an den Mann Gottes sind sie verlegen, da 
ihnen das Brot ausgegangen ist. Zum Glück besitzt aber der 
Knecht noch einen Viertelsekel; den wollen sie dem Gottesmanne 
geben. Samuel aber rechtfertigt glänzend das Vertrauen, das sie 
auf ihn gesetzt haben. Er weiß, daß die Eselinnen wieder gefun- 
den sind (V. 20). Er weiß aber noch ganz anderes über die hohe 
Bestimmung Sauls, salbt ihn am andern Morgen heimlich zum 
König und sagt ihm genau für denselben Tag drei Erlebnisse 
voraus; auch sie treffen sämtlich ein. 

Die hohe Altertümlichkeit dieses Berichts, verglichen mit 
dem der jüngeren Quellen, springt auf den ersten Blick in die 
Augen. Daß man die Auskunft des Sehers auch in so profanen 
und alltäglichen Angelegenheiten erbittet, wie es hier der Fall 
ist, verrät eine sehr frühe Zeit; noch mehr aber, daß zur Bezah- 
lung des Sehers etwas Brot oder ein Viertelsekel genügt. Sehr 
deutlich tritt uns ferner die Verquickung dieses Sehertums mit 
der Mantik entgegen. Zwar schreibt auch der jüngere Bericht 
Samuel außerordentliche Fähigkeiten zu, wenn er (1 Sam. 12 n f.) 
in der Zeit der Weizenernte, also gegen den gewöhnlichen Natur- 
lauf, Jahwe zur Sendung von Gewitter und Regen veranlassen 
kann. Aber diese magische Gebetskraft ist doch noch etwas an- 



128 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

deres, als das magische Wissen von Vergangenem und Künfti- 
gem, Yon dem uns 9 to und 10 s ff. berichtet. 

Wollte man dem bloßen Scheine folgen, so müßte man ur- 
teilen, Samuel werde in c. 9 im schroffsten Gegensatz zu dem 
jüngeren Bericht als eine Persönlichkeit von rein lokaler Bedeu- 
tung dargestellt, als ein Mittelding zwischen Seher und Priester, 
wie sie damals wohl in jeder Landstadt Israels zu finden gewesen 
seien. Denn Saul selbst wisse ja gar nichts von ihm, müsse viel- 
mehr erst von seinem Knecht auf ihn aufmerksam gemacht wer- 
den. Es läßt sich jedoch leicht zeigen, daß dieser Eindruck nur 
ein Schein ist, den der Erzähler offenbar absichtlich hervorruft, 
um die dramatische Lebendigkeit der Darstellung zu erhöhen. 
Dabei macht doch auch er kein Hehl daraus, daß eben Samuel 
in einem ganz besonderen Maß der Vertraute und das Werkzeug 
Jahwes ist. Ihm hat Jahwe (9 w ff.) schon Tags zuvor das Er- 
scheinen Sauls angekündigt als des zum Retter seines Volks von 
ihm Erwählten, und Samuel weiß sich daher bevollmächtigt, Saul 
im Namen Jahwes zum Fürsten über sein Volk Israel zu salben. 
Besonders das letztere setzt doch eine sehr hohe Meinung von 
der Bedeutung des Mannes und seiner Stellung Jahwe gegenüber 
voraus. Und wenn der Vetter Sauls (10 14 ff.) nach der Erwäh- 
nung Samuels, der hier sichtlich als ein allbekannter genannt 
wird, sogleich begierig nach den Worten Samuels fragt, so er- 
gibt sich daraus, daß ihn ebensogut auch Saul gekannt haben 
muß, daß also von einer bloß lokalen Bedeutung des Mannes 
keine Rede sein kann. Vielmehr werden wir anerkennen müs- 
sen, daß in dem jüngeren Bericht zwar nicht die politische 
Rolle des Sehers, wohl aber seine hohe geistige und religiöse 
Bedeutung aufrecht zu erhalten ist. Und zwar besaß er sie 
offenbar als ein Pfleger und Hort des reinen Jahwismus gegen- 
über aller Verführung des Volkes zu Götzendienst oder doch 
Synkretismus. Reiner Jahwismus aber war gerade damals auch 
gleichbedeutend mit wahrhaftem Patriotismus; denn nur von dem 
eigentlichen Volksgott konnte die Errettung von dem schweren 
Philisterdruck erhofft werden. So feierten ihn die Späteren 
nicht bloß als den Mann der Tat, der zur Durchführung des 
strengen Gebotes Jahwes den Amalekiterkönig Agag „vor Jah- 
we" mit eigner Hand in Stücke haut (1 Sam. 15 32 f., ein sicher 
guthistorischer Bericht), sondern auch als den gewaltigen Beter, 
dessen Fürbitte für sein Volk an Wirksamkeit mit derjenigen 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 129 

Moses verglichen werden kann (Jer. 15 i) *). Der letzte 2 ), der in 
den alten Quellen als „Seher" (hözceh) bezeichnet wird, ist Gad 
(2 Sam. 24 n) „der Prophet (nältf), der Seher Davids*. Dies ist 
offenbar so zu verstehen, daß Gad einerseits zu den Propheten 
(im späteren Sinne) zu rechnen sei, wie er denn 1 Sam. 22 5 Da- 
vid Rat erteilt und ihm 2 Sam. 24 n ff. einen Spruch Jahwes 
überbringt, andrerseits aber das besondere Amt eines „Sehers" 
bei David bekleidete. Als solcher hatte er wohl in altüberliefer- 
ter Weise durch mantische Veranstaltungen Orakel zu gewinnen. 
Es ist begreiflich, daß die spätere Zeit über diese Art amtlichen 
Sehertums, das für sie einen heidnischen Beigeschmack hatte, 
lieber schwieg und dafür eine Prophetentätigkeit voraussetzte, 
die ihr weit verständlicher und — vollends bei einem David ! — 
weit angemessener erschien. Eben darum dürfte aber „der Se- 
her Davids" eine ältere und zutreffendere Bezeichnung Gads 
sein, als der Prophet. 

Aus unserer bisherigen Ausführung ergab sich, daß für die 
Seher und „Gottesmänner" der alten Zeit, für einen Mose, für 
Debora,Gad, zum Teil schon früher auch die Bezeichnung wä£2 ,s ), 

*) Aus 1 Sam. 19isff. pflegte man früher zu folgern, daß Samuel 
namentlich als Haupt einer „ Prophetengenossenschaft " zu Rama eine 
ersprießliche Tätigkeit zu gunsten der Theokratie und wohl auch in der 
Pflege der religiösen Schriftstellerei entwickelt habe. Aber abgesehen 
davon, daß diese nebi'im (s. darüber unten) den „Propheten" im spä- 
teren Sinne des Worts nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden dürfen, 
erheben sich gegen den geschichtlichen Charakter des ganzen Abschnitts 
die stärksten Bedenken. Schon der handgreifliche Widerspruch mit 15 35 a 
zeigt, daß wir es in 19 18 ff. mit einem sehr jungen Midrasch, in der 
Weise von 16iff., zu tun haben. 

2 ) Wir sehen hierbei davon ab, daß die Chronik zur Zeit Salomos, 
Rehabeams und Abias einen „Seher* Je'do (II, 9 29) oder 'Iddo (12 is) 
kennt, während er 13 22 Prophet heißt; ferner II, 19 2 einen Seher Jehu 
unter Josaphat. Wenn aber die Chronik auch die Musikmeister Davids 
Asaph (II, 29 so), Heman (I, 25 s), Jeduthun (II, 35 15) als „Seher* 4 bezeichnet, 
so folgt sie damit einem sonst unbekannten Sprachgebrauch. 

8 ) Gleich hier mag das Nötigste über die Etymologie und die Ge- 
schichte des Sprachgebrauchs zusammengestellt sein. Der Stamm nähä' 
ist im Hebräischen nicht mehr erhalten, denn die Verbalformen nibbä' 
und hitnabbe\ sich als näbi* zeigen, sind erst vom Substantiv näbV ab- 
geleitet. Doch lehrt das Arabische und im Hebr. die verwandten Stämme 
näbafy, bellen, und nq,ha\ hervorsprudeln, daß nähä 7 ursprünglich be- 
deutet: Worte oder einzelne Laute heftig hervorstoßen, wie es in man- 
tischer Verzückung oder heiliger Raserei geschieht. (Ueber den ent- 
sprechenden assyrischen Stamm in der Bedeutung „to carrey off, to 

£. Kautzech, Biblische Theologie d. A. T. 9 



130 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

Prophet (oder n'bi'äh, Prophetin) gebraucht wird. Dies dürfte 
jedoch in allen Fällen als ein Anachronismus zu betrachten sein. 
Für die ältere Zeit, bis mindestens zur Mitte des 9. Jahrhunderts, 
aber auch noch später, bedeutete näbi' (plur. n'bVim) etwas ganz 
anderes, als daß man einen Mose oder Samuel mit diesem Na- 
men hätte benennen können. Daher ist auch die Uebersetzung 
des Wortes n'bi'im in der Zeit Samuels mit „Propheten" irre- 
führend und besser zu vermeiden. Schilderungen wie 1 Sam. 
10 5 f. und 10 f. samt der Etymologie des Wortes zeigen deutlich, 
daß es sich hier um Scharen von Verzückten handelt, die mit 
dämonischer Gewalt vom Geiste ergriffen und durch lärmende 
Musik zu stärkerem Rasen angefeuert, leicht auch andere zu 
gleichem Tun mit fortreißen. Letzteres Moment wird, wie 1 Sam. 
10 6.10, so auch in dem späten Midrasch 19 is ff. hervorge- 
hoben. Dieser schildert damit das Wesen derartiger Vorgänge 
ganz zutreffend, wie nicht minder mit der Notiz, daß sich Saul 
die Kleider vom Leibe gerissen und nackt einen Tag und eine 
Nacht in heiliger Raserei gelegen habe 1 ). 

Analoge Erscheinungen werden uns ebenso aus den antiken 
Religionen, wie aus dem christlichen Mittelalter und dem Be- 
reich der heidnischen Völker bis auf den heutigen Tag überlie- 
fert, und es wäre ganz verkehrt, dabei immer nur an Betrug und 



tear a way violently [carried a way by a supernatural power] cf. J. Be- 
wer, Amer. Journ. of Sem. Langu. XVIII, 2, S. 120). Mit Recht hat man 
daher die sogenannten heulenden Derwische des Islam mit den altisrae- 
litischen n e Wim verglichen. näW bedeutet also (aktivisch!) eigentlich 
einen solchen, der berufsmäßig (dies liegt in der Wortbildung) verzückte 
Ausrufe tut oder sonstige Proben heiliger Raserei ablegt. Allerdings 
erlitt diese ursprüngliche Bedeutung des Worts eine immer stärkere 
Abschwächung. Schon die n e Wim der Zeit des Elia und Elisa (s. oben !) 
sind nur noch ein blasses Abbild der n'l/Cim zur Zeit Samuels. Als 
aber näffl vollends zum Ehrennamen der wahren Jahwepropheten ge- 
worden war (so schon Am. 2n. Jes. 83, wo die Gemahlin Jesajas von 
ihm selbst entsprechend seinem Amtsnamen „die Prophetin" genannt 
wird), schwand immer mehr die Erinnerung an die einstige Bedeutung. 
Sonst könnte nicht Gen. 20 7 (E) Abraham als ein nähV bezeichnet sein, 
dem man wirksame Fürbitte zutrauen könne. Ja Ps. 105 15 heißen so 
überhaupt die Patriarchen mit ihren Familien. Deutlich haftet hier dem 
Worte nur noch der Begriff von Vertrauten und Lieblingen Gottes an. 
l ) Eine Spur des Gebarens dieser mhVim hat sich höchstwahrschein- 
lich noch bis in späte Zeit in dem Verb hittip, weissagen, erhalten; 
denn ursprünglich bedeutet es „träufeln lassen", nämlich den Geifer, 
wie Epileptische und Rasende zu tun pflegen. 



§11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 131 

heuchlerische Vorspiegelungen zu denken. Für uns kann jedoch 
die Frage nur die sein: was bedeutet diese Erscheinung speziell 
auf althebräischem Boden und wiefern kommt ihr eine religiöse 
Bedeutung im Bereiche des Jahwismus zu ? Leider sind wir hier 
bei der Dürftigkeit der Ueberlieferung auf bloße Vermutungen 
angewiesen, aber doch solche, die einen hohen Grad von Wahr- 
scheinlichkeit in Anspruch nehmen können. Zunächst wird man 
nicht bezweifeln können , daß diese n'ltfim ursprünglich ein 
kanaanitisches Gewächs und erst von dorther von den Hebräern 
übernommen sind. Dafür spricht, daß auch die anderen Gestal- 
ten der Mantik, Besessenheit und Zauberei höchstwahrschein- 
lich dem kanaanitischen Boden entstammen. Der „Geist Gottes" 
aber, der nach dem Wort Samuels von den n € W%m zu Gibea 
auch auf Saul übergeht, heißt 1 Sam. 10 e ausdrücklich „der 
Geist Jahwes* 4 und an etwas anderes könnte schon nach dem 
ganzen Zusammenhang nicht gedacht werden. Der Anlaß aber, 
daß ganze Scharen durch den Geist Jahwes zu heiliger Raserei 
entflammt werden, ist zweifellos die schwere Not der Zeit, der 
harte Druck der Philisterherrschaft. Es ist wohl nicht zufällig, 
daß Saul (10 sf.) ebendort von der heiligen Raserei mitergriffen 
werden soll, wo sich die Säule (nach anderer Deutung: der Vogt) 
der Philister befindet. Wie im Mittelalter das Wüten der Pest 
die Scharen der Flagellanten hervorrief, so erzeugte damals die 
Knechtschaft unter einem verhaßten, für unrein erachteten Volke 
einen Zustand größter Aufregung und weiter häufige Zusammen- 
rottungen von solchen, die von heftigem Verlangen ergriffen wa- 
ren, den Volksgott Israels, der ja vor allem als Kriegsgott galt, 
zum Einschreiten zu bewegen. Diesen Zweck werden vor allem 
die ekstatischen Rufe, von denen die n'bVim ursprünglich be- 
nannt sind, verfolgt haben. Schwally dürfte somit im Rechte 
sein (Semitische Kriegsaltertümer I, 110), wenn er die ganze Er- 
scheinung dieser n'M'im (neben der der Nasiräer ; s.u. S. 143 ff.) für 
eine ursprünglich kriegerische erklärt. Sie erinnert uns daran, 
daß auch bei Simson das Er griffen werden vom Geiste Jahwes 
wiederholt (Jud. 14 19. 15 14 ff.) mit Rachetaten gegen die Phi- 
lister in Verbindung gebracht wird. Als Organe Jahwes kön- 
nen somit in gewissem Sinne auch diese n'fflim betrachtet wer- 
den; von Art und Beruf der später so genannten Organe Jahwes 
sind sie jedoch gänzlich verschieden. 

Bei alledem fehlt es aber schon am Hofe Davids nicht an 

9* 



132 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropbeten. [§ 11. 

einer Vertretung des echten Prophetentums im späteren Sinne. 
Abgesehen von Gad , dem Verkünder eines Strafurteils Jahwes 
an David (2 Sam. 24 n ff.) tritt es uns entgegen in der eigentüm- 
lichen Gestalt Nathans. Zwar von einer besonderen Ausrü- 
stung mit dem Geiste Jahwes ist bei ihm nirgends die Rede. Nach 
dem Verbrechen Davids an Uria heißt es 12 i einfach : Und 
Jahwe sandte Nathan zu David. Aber die ebenso kluge wie 
mannhafte Art, in welcher Nathan das Gewissen des Königs auf- 
rüttelt und ihm den Spruch Jahwes, dann aber auch die Verge- 
bung seiner Sünde verkündigt, erinnert ganz an die Art, wie 
nachmals Jesaja dem Ahas und (Jes. 39) dem Hizkia entgegen- 
tritt. Von einer amtlichen Stellung Nathans ist dabei nirgends 
die Bede, und der übliche Vergleich mit einem Hofprediger ohne 
Stütze in der alten Quelle. Die nicht ganz unbedenkliche Rolle, 
die er 1 Kön. 1 bei der Palastintrigue zu gunsten Salomos ge- 
gen Adonia spielt , erklärt sich zur Genüge aus seiner Eigen- 
schaft als Erzieher Salomos (2 Sam. 12 25). Uebrigens muß (wie 
bei Gad) gefragt werden, ob der Titel näbV für Nathan wirklich 
schon der Zeit Davids angehört (in Widerspruch mit 1 Sam. 9 », 
wo diese Bedeutung des Worts offenbar erst einer weit späte- 
ren Zeit vorbehalten wird), oder ob er hier nicht vielmehr auf 
einersehr begreiflichen redaktionellen Auffüllungberuht. In2.Sam. 
7 2 kann er der deuteronomistischen Ueberarbeitung des älteren 
Berichts angehören. Ganz befremdlich aber fehlt er 12 1 im MT 
bei der ersten Erwähnung seines Namens in der alten Quelle 
und überhaupt in dieser ganzen Erzählung. In 1 Kön. 1 steht 
der Titel fast überall hinter dem Namen ; trotzdem lassen es ge- 
wisse Anzeichen 1 ) wenigstens als möglich erscheinen, daß er erst 
nachträglich beigefügt ward. Ist er ursprünglich, so müßte man 
schließlich doch an die Bezeichnung einer beruflichen Stellung 
und zwar der eines „Sehers" wie Gad denken und in dem Auf- 
treten Nathans 2 Sam. 12 eine ungewöhnliche Betätigung seiner 
amtlichen Stellung erblicken. 

l ) In V. 10 hat der MT, aber nicht Sept. Luc. den Zusatz. V. 84 hat 
sicher Sept. noch den ursprünglichen Text („und salbt ihn 41 etc. ohne 
nachfolgende Subjekte) ; im MT ist zuerst nach V. 39 der Priester Zadok 
(daher : und es soll ihn salben etc.), dann auch Nathan, der Prophet, ein- 
gefügt. V. 45 verraten noch Sept. Luc. den ursprünglichen Text : und es 
salbte ihn der Priester Zadok; trotzdem wurde auch hier, wie im MT 
und Sept. (beide daher: „und es salbten" etc.) hinter Zadok im Wider- 
spruch mit V. 34 noch „Nathan, der Prophet" beigefügt. 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 133 

Dieselbe Schwierigkeit kehrt wieder bei A hia von Silo. Er 
heißt 1 Kön. 11 2». 142. 18 „Prophet", dagegen 15 29 der „Knecht 4 * 
Jahwes. Die symbolische Handlung der Zerreißung seines Man- 
tels und die Verleihung von 10 Stücken an Jerobeam, wie sein Auf- 
treten gegen die Gemahlin Jerobeams und die Aussprüche im Na- 
men Jahwes stellen ihn ganz in eine Reihe mit den Jahwepropheten 
des 8. Jahrhunderts; aber die Frage bleibt, ob der Titel näffi nicht 
erst auf Rechnung der deuteronomistischen Bearbeitung zu setzen 
ist, in der uns der ursprüngliche Bericht über Ahia unleugbar 
jetzt vorliegt. Dasselbe gilt von der Notiz über Jehu, den Sohn 
Hananis, den Verkünder eines Jahwespruchs gegen den König 
Ba'sa von Israel. Aber sollte auch na]ff in allen diesen Fällen 
ein Anachronismus sein, so bleibt doch das wichtige Faktum be- 
stehen, daß es zu keiner Zeit in Israel an Organen gefehlt hat, 
die dem Willen und ganz besonders auch dem Unwillen Jahwes 
in seinem Auftrag einen kräftigen Ausdruck zu geben vermoch- 
ten. Noch werden wir an das alte naive Sehertum eines Samuel 
erinnert, wenn die Gemahlin Jerobeams I. von Ahia über die 
Krankheit ihres Sohnes Auskunft begehrt und ihm zu diesem 
Behuf (1 Kön. 14 s) zehn Brote und einen Kuchen und einen 
Krug Honig überbringen will. Aber wie dem Samuel (1 Sam. 
9 15) das Kommen Sauls, so ist auch dem blinden Ahia das Weib 
Jerobeams im voraus angekündigt. Dadurch ist auch er als ein 
Werkzeug Jahwes beglaubigt, und die Wichtigkeit seiner Sprü- 
che für das ganze nördliche Reich erhebt ihn (wie Jehu) weit 
über einen einfachen „Seher" der ältesten Zeit und läßt ihn 
als einen würdigen Vorläufer der wahrhaften Jahwepropheten 
erscheinen. 

Von Ekstatikern wie in 1 Sam. 10 5 ff. 19 18 ff. vernahmen wir 
seit der Zeit Samuels nichts mehr, von „Sehern" im alten Sinn 
traten uns nur einige wenige Namen entgegen. Um so mehr er- 
regt unser Interesse die vielseitige und mächtige Betätigung des 
Prophetentums im nördlichen Reich im 9. Jahrhundert von 
Ahab (seit 876) bis zum Tode Elisas unter König Joas (2 Kön. 
13 14 ff.). Wir verdanken die reichlich fließende Ueberlieferung 
über diesen Zeitraum dem Umstand, daß der Verfasser der jetzi- 
gen Königsbücher die Spezialschriften über Elia und Elisa, die 
sogenannten „Propheten spiegel" in großem Umfang in sein Werk 
aufgenommen hat (I, 17 — 19. 21 1— 20*. 27—29. II, 2 — 8 15. 9 1—13. 
13 14—21). Freilich müssen wir uns auch hier hüten, den Bericht 



134 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

durchweg vom Standpunkt einer späteren Zeit aus zu verstehen. 
Sowohl Elia und Elisa, wie die n'biHm, die sich um sie scharen, 
sind nicht ohne weiteres den Jahwepropheten des folgenden 
Jahrhunderts gleichzusetzen. Durch diese n'bVtm werden wir 
vielmehr in mancher Hinsicht an jene trbVim der Zeit Sauls er- 
innert, nur daß ihr Eifer für Jahwe gegen einen anderen Feind 
gerichtet ist. 

Was zuerst Elia betrifft, so ist abermals bemerkenswert, 
daß er im ursprünglichen Text nur einmal zu den n'bi'im ge- 
rechnet wird, und zwar 1 Kön. 18« im Munde Elias in einem 
Zusammenhang, der keine andere Bezeichnung zuließ. Dagegen 
lautete 18 36 der ursprüngliche Text nach LXX einfach: „und 
Elia rief zum Himmel und sprach u etc. Nun ist es gewiß nicht 
zufällig, daß der Erzähler selbst den Namen näl/C für Elia ver- 
meidet. Er ist eben trotz einiger verwandter Züge (s. u.) mit den 
wlfiim in seiner Umgebung nicht ganz auf eine Stufe zu stellen, 
sondern nimmt einen höheren Rang ein als jene. Die Witwe zu 
Sarepta nennt ihn 1 Kön. 17 is. 24 (wie der Knecht Sauls den 
Samuel 1 Sam. 9eff.) einen „Mann Gottes", in dessen Mund 
das wahrhaftige Wort Jahwes ist l ). 

Daß die grandiose Gestalt Elias des Thisbiters jetzt (1 Kön. 
17 1) ganz urplötzlich auf den Schauplatz tritt, mag darin seinen 
Grund haben, daß der Verfasser unserer Königsbücher Voran- 
gegangenes unterdrückt hat. Aber auch sonst ist das plötzliche 
Erscheinen und Verschwinden (vergl. dazu 18 7 ff. und 2 Kön. 
2 16 !) der Gestalt Elias eigentümlich. Gleich der Anfang aber 
läßt ihn als eine ganz außerordentliche Persönlichkeit erschei- 
nen. Er verkündigt es nicht als eine Botschaft Jahwes, daß die 
nächsten Jahre weder Tau noch Regen fallen soll, außer wenn 
er selbst es ankündige, sondern er schwört bei Jahwe, in dessen 
Dienst er stehe, daß es so geschehen werde. Das macht den Ein- 
druck, als ob ihm Jahwe Vollmacht über die Natur gegeben habe. 
Doch führt er selbst (1 Kön. 17 14) das Wunder am Oelkrüglein 
der Witwe auf den Befehl Jahwes und den Regen auf seine Sen- 
dung zurück. Durch sein Gebet ringt er Jahwe den eben ver- 
storbenen Sohn der Witwe ab (V. 17 ff.) und zeigt sich endlich 
auf Geheiß Jahwes dem Ahab. 

*) 2 Kön. 1 9 f. 13, wo Elia gleichfalls Mann Gottes heißt, ist ein 
später Midrasch. Auch 1 Kön. 20 28, wo einer der n*Wim (vgl. v. 22) als 
Mann Gottes bezeichnet wird, gehört nicht zu den „ Prophetengeschichten". 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 135 

Jetzt endlich erfahren wir bei Gelegenheit der Erwähnung 
Obadjas, des Haushofmeisters Ahabs (18 «ff.), was eigentlich zu 
der Verhängung der mehrjährigen Dürre Anlaß gegeben hatte. 
Es war offenbar die blutige Verfolgung der n'htftm durch Isebel, 
weil sie sich der Ausbreitung des Kultus des tyrischen Ba'al 
(yergl. dazu oben S. 112 f.) widersetzt hatten. Obadja selbst, ent- 
sprechend seinem Namen ein treuer „Verehrer Jahwes* 4 , hatte 
100 n'ffiim, je 50 in einer Höhle, versteckt und mit Nahrung 
versorgt, — ein Beweis für den blutigen Ernst der Verfolgung. 
Gegen Elia zeigt sich Obadja (V. i ff.) so unterwürfig, daß man 
von ersterem abermals den Eindruck einer magischen Persön- 
lichkeit gewinnt. In seiner wahren Größe aber zeigt er sich nach 
der Begegnung mit Ahab bei dem Gottesgericht am Karrael 
18 19 ff., zu dessen Veranstaltung er Ahab nötigt. Dabei steht er 
allein den 450 „n'M'ini" des Ba'al gegenüber l ). Seine Worte 
zum Volke (V. 21) zeigen, daß ihm alles darauf ankommt, dem 
herrschenden Synkretismus zwischen Jahwe und Ba'al um jeden 
Preis ein Ende zu machen. Der Hohn , den er (V. 27) über die 
vergeblichen Anstrengungen der Ba'alspropheten ausschüttet, 
verläßt eigentlich schon den Boden des bloßen Henotheismus 
und kommt einer völligen Leugnung nicht bloß der Macht, son- 
dern der Existenz des Ba'al gleich. Und als sich Jahwe durch 
ein gesteigertes Wunder (V. 34 f. 38 !) glänzend als der wahre Gott 
erwiesen hat, da bleibt Elia nicht auf halbem Wege stehen. Der 
völlige Umschlag in der Stimmung des Volks (V. 39) macht es 
willig, auf sein Geheiß die 450 Propheten des Ba'al am Kison 
zu schlachten. 

In dem Anhang zu dieser Erzählung (18 41 ff.) treten uns 
mehrere Züge entgegen, die Elia aus der rein geistigen Sphäre 
wiederum — auch physisch — in eine Art magischer Beleuch- 
tung rücken. Er hört im voraus das Rauschen des Regens. Die 
ganz seltsame Stellung, die er V. 42 einnimmt, kann doch kaum 
anders erklärt werden, denn als eine der Magie (dem Regenzau- 
ber?) entlehnte Handlung. V. 46 aber wird es ausdrücklich der 
«Hand Jahwes", d.h. nach sonstigem Sprachgebrauch einem von 
Jahwe gewirkten ekstatischen Zustand zugeschrieben, daß Elia 
vom Karmel bis Jesreel, also einen Weg von mindestens fünf 
Stunden, vor dem Wagen Ahabs einherläuft. In denselben Be- 

l ) Ueber die nachträglich in V. i» beigefügten 400 Propheten der 
Aachera vgl. oben die Note zu S. 112. 



136 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§11. 

reich gehört es, wenn er nach 19 s— 8 in der Kraft der vom Engel 
überbrachten Speise 40 Tage und 40 Nächte hindurch bis zum 
Gottesberge Horeb zu wandern vermag. 

Uebrigens steht auch Kap. 19 noch völlig unter dem 
einen großen Gesichtspunkt des Kampfes Elias für Jahwe 
gegen den Ba'al. Seine Klage vor Jahwe (V. 14) gilt der Ver- 
geblichkeit seines Eiferns für Jahwe, dem Niederreißen seiner 
Altäre und dem Hinmorden seiner Propheten. An der Antwort 
Jahwes (V. i* ff.) ist höchst bemerkenswert, daß Elia mehrere 
Aufträge erteilt werden — die Salbung Hasaels zum König von 
Aram utfd die Salbung Jehus zum König von Israel — , die eine 
Mitwirkung zu politischem Umsturz, ja zur Empörung gegen den 
rechtmäßigen Herrscher bedeuten. Von einer Ausführung dieses 
Auftrags durch Elia wissen die weiteren Prophetengeschichten 
nichts ; höchstens könnte man aus 2 Kön. 8 12 ff. und 9 1 ff. ver- 
muten, daß Elia die für ihn nicht mehr ausführbaren Aufträge 
Elisa hinterlassen habe. Elia selbst vollzieht nur die Berufung 
Elisas (1 Kön. 19 1» f.), indem er seinen Mantel auf ihn wirft. 
Man könnte dies einfach als eine symbolische Handlung deuten, 
als eine Investitur zum Propheten mittels des schon damals üb- 
lichen Amtskleides der Propheten, des härenen Mantels. In 
Wahrheit kommt aber hier nochmals ein Zug aus dem Bereich 
der alten Mantik zum Vorschein. Wie sich aus 2 Kön. 2 8 und 
13 f. ergibt, eignen diesem Mantel Wunderkräfte; Elisa ist durch 
seinen Besitz auch Erbe des Geistes Elias geworden. Darnach 
ist auch 1 Kön. 19 1» zu verstehen. Der dem Elisa übergeworfene 
Mantel Elias übt eine magische Gewalt über ihn aus und zwingt 
ihn zum Anschluß an Elia. 

Die Wirksamkeit Elias findet einen würdigen Abschluß in 
seinem mannhaften Auftreten gegen Ahab wegen seines Justiz- 
mordes an Naboth (1 Kön. 21 17 ff.). Wie dereinst Nathan gegen 
David, Ahia gegen das Weib Jerobeams L, so tritt hier Elia im 
Auftrage Jahwes als das verkörperte Gewissen der Theokratie 
dem König entgegen. Und so überwältigend ist die Macht seines 
Wortes, daß sich Ahab, obschon anfangs (V. 20) trotzig, dann 
doch bußfertig unterwirft. 

Ziehen wir von alledem die Summe, so ergibt sich einerseits, 
daß die Ueberlieferung über Elia von der Legende nicht unbe- 
rührt geblieben ist, andrerseits, daß sich das Prophetentum auch 
bei ihm noch mit allerlei Ueberbleibseln der ältesten Auffassung, 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 137 

sogar mit Zauberwesen, verknüpft zeigt — ganz zu geschwei- 
gen von seinem ganz außerordentlichen Ende, der Himmelfahrt 
auf feurigem Wagen mit feurigen Rossen. Ob diese Erzählung 
(2 Kön. 2) zu den ursprünglichen Eliageschichten gehört und 
nicht vielmehr einen älteren Bericht über sein Ende verdrängt 
hat, ist streitig. Unter allen Umständen aber ist sie ein starker 
Beweis für die Beurteilung, die die grandiose Gestalt dieses Pro- 
pheten bei seinem Volke erfuhr. Mag man die Legende von der 
Himmelfahrt Elias in Verbindung bringen mit dem Ehrennamen 
„Israels Wagen und Reiter" (2 Kön. 2 12; 13 u auch von Elisa 
gebraucht), d. h. von gleicher Wichtigkeit für Israel, ja Ersatz 
für Wagen und Reiter : die Legende konnte nur von einer Per- 
sönlichkeit entstehen, die man sich gar nicht anders als fort- 
dauernd wirksam denken konnte, und die man zugleich in so in- 
tensiver Gemeinschaft mit ihrem Gotte wußte, daß man sich eine 
Zerstörung dieser Gemeinschaft nicht vorstellen konnte. So be- 
trachtet wird auch die Legende zu einem geschichtlichen Zeug- 
nis ersten Rangs für die Tatsache, daß es dem Gott Israels in 
Zeiten der höchsten Gefahr für den Fortbestand des Jahwismus 
an auserwählten Rüstzeugen in seinem Dienste nicht gefehlt hat, 
— an Gestalten, wie man sie im gesamten Bereich der heidnischen 
Religionen schwerlich finden dürfte. 

Hinter Elia steht sein Diener und Nachfolger Elisa, der 
Erbe seines Mantels und nach 2 Kön. 2 9 ff. sogar eines doppel- 
ten Anteils seines Geistes, an Bedeutung erheblich zurück. Dies 
erklärt sich zum Teil daraus, daß nach der blutigen Ausrottung 
des Ba'alskultes durch Jehu, dessen Empörung gegen Joram 
durch Elisa selbst veranlaßt war (2 Kön. 9 1 ff.), zu einer ein- 
greifenden Wirksamkeit auf religiösem Gebiete wenig Anlaß 
mehr war. Die letzte Begegnung mit Joas (13 14 ff.) zeigt deut- 
lich, welches Ansehen Elisa in der Dynastie Jehus genoß. Aber 
auch an den Stellen, die Ereignisse aus der Zeit Jorams berich- 
ten, äußert Elisa zwar sein starkes Mißfallen an diesem König 
(3 13 f. ; 6 32 bezieht sich wohl noch auf Ahab), aber außer 9 1 ff . 
vernehmen wir nirgends etwas von einem Auftreten Elisas gegen 
den König in der Weise Elias. Im Vordergrund der Elisage- 
ßchichten steht die schwere Bedrängnis Israels durch die Ara- 
mäer, und hier greift Elisa mehrfach handelnd ein. Uebrigens 
bilden die Elisageschichten im Vergleich mit den zwar nicht 
lückenlosen, aber weit einheitlicheren Eliageschichten ein ziem- 



138 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

lieh buntes Gemisch von einzelnen Anekdoten, wie sie mannig- 
faltige Volksüberlieferung an die Hand gab. Einen chronologi- 
schen Faden würde man vergebens suchen (6 n ff. gehört der un- 
genannte König Israels offenbar schon der Dynastie Jehus an, 
während mit dem Mordbuben V. st höchstwahrscheinlich Ahab 
gemeint ist). Einige Erzählungen geben sich deutlich als Nach- 
bildungen von Eliageschichten zu erkennen (so sicher 2 Kön. 
4 t ff. neben 1 Kön. 17 uff. und 2 Kön. 4 st ff. neben 1 Kön. 
17 19 ff.) und verraten auch dadurch den sekundären Charakter 
der Gestalt Elisas im Vergleich mit der Elias. Unverkennbar 
herrscht in den Elisaerzählungen die Tendenz, nicht bloß die 
Wundermacht Elisas, sondern auch sein hohes Ansehen und die 
Unantastbarkeit seiner Person (2 Kön. 2 ts f.) nachdrücklich zu 
betonen. Seine Fürsprache gilt viel bei König und Feldhaupt- 
mann (2 Kön. 4 13) ; der König folgt willig seinem Rat und Ge- 
heiß (6 ti ff. 13 i5 ff.) und begehrt die großen Taten Elisas von 
seinem Diener Gehasi zu vernehmen (84). Der Ruhm Elisas er- 
streckt sich weit über die Grenzen des nördlichen Reichs hinaus. 
Josaphat von Juda weiß von ihm (3 12), daß bei ihm das Wort 
Jahwes zu finden ist. Der Aramäerkönig Benhadad hat kaum 
von seiner Ankunft in Damaskus gehört (8 7 ff.), so läßt er ihn 
durch Hasael über seine Krankheit befragen ; Hasael aber nimmt 
40 Kamelslasten Damaszenischer Kostbarkeiten als Geschenk 
für Elisa mit sich. Anderwärts (5 ie) wird die absolute Un- 
eigennützigkeit Elisas betont, wie 6 22 f. seine Großmut und 
Milde. 

In betreff der Wirksamkeit Elisas ist bemerkenswert, daß 
er zwar mit Vorliebe (28mal) als „Mann Gottes" angeredet oder 
bezeichnet wird, daß er aber doch zugleich in den Elisageschich- 
ten als näln\ und zwar im späteren Sinne des Wortes erscheint. 
So schon 1 Kön. 19 16, wo ihn Elia zum nöM* salben soll x ) ; 2 Kön. 
3 11 ff., wo ihn Josaphat als einen rechten Propheten anerkennt, 
durch den man Jahwe befragen könne ; vgl. auch 5 8, wo sich 
Elisa selbst zu den n e J$hn zählt. Im Munde anderer heißt er 
kurzweg „der Prophet" 5 s. 9 1, sogar im Munde von Heiden 5 8. 
13. 6 12. 



*) Da eine Salbung zum Propheten sonst ganz unerhört ist, eine 
solche von Elia auch gar nicht ausgeführt wird (vgl. V. 19), so muß 
„ salben" hier in dem abgeblaßten Sinn von „einsetzen* gebraucht sein. 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 139 

Die Mittel, durch die Elisa wirkt, sind zum Teil die gewöhn- 
lichen, auch von Samuel und Elia berichteten : die Verkündigung 
des an ihn ergangenen Wortes Jahwes (3 ie ff. 4 43. 7 1) und Ge- 
bet (4 sä. 6 17 f.). Daneben finden sich jedoch auch bei ihm aller- 
lei Züge, die an die bereits bei Elia besprochenen ekstatischen 
Zustände und magischen Mittel der alten n*\f£\m erinnern. Er 
bedarf 3 15 eines Saitenspielers, wenn „die Hand Jahwes" (s. o. 
S. 135 über 1 Kön. 1846) über ihn kommen soll. Eigentümlich ist 
ihm auch die Gabe, die wir heute als die des Fernsehens und Fern- 
hörens bezeichnen 2 Kön. 5 ae. 6 12. 82. 7 2. 8 is ; vgl. auch 6 ie ff., 
wo Elisa und auf sein Gebet auch sein Diener die himmlischen 
Rosse und feurigen Wagen auf dem Berge von Dothan erblickt. 
Besonders häufig aber werden ihm Wunderhandlungen zuge- 
schrieben. Mögen auch Berichte wie die Reinigung der Quelle 
von Jericho durch Salz (2 19 ff.), das Genießbarmachen bitterer 
Früchte durch Mehl (4 88 ff.) oder das Anspießen der Axt im 
Wasser (6 e) gar nicht als Wunder gemeint sein, sondern nur be- 
zeugen, wie liebevoll man von ihm auch minder wichtige Begeben- 
heiten weiter überlieferte, so bleiben doch eine Reihe anderer, 
die ihn Elia mindestens an die Seite stellen. Das Wunder an 
dem Oelkrüglein der Witwe (4 2 ff.) erscheint gegenüber der all- 
gemeinen Verheißung in 1 Kön. 17 14 ff. in gesteigerter Form; 
ebenso die Totenerweckung 2 Kön. 4 29 ff., da seit dem Tode des 
Kindes weit mehr Zeit verstrichen ist, als 1 Kön. 17 19 ff. Zu- 
gleich enthält 2 Kön. 429 ff. die ausdrückliche Lehre, daß ma- 
gische Werkzeuge nicht durch jede Hand ihre Wirkung tun: Ge- 
hasi legt vergeblich den Stab Elias auf das Angesicht des Toten; 
erst das Gebet und die persönliche physische Einwirkung des 
Gottesinannes führt ihn ins Leben zurück. Daß sich Elisas Zu- 
sage an die Sunamitin (4 ie) wie die (durch einen Boten über- 
brachte !) an den aussätzigen Naeman (5 10) erfüllt, könnte allen- 
falls auch auf die Fürbitte Elisas zurückgeführt werden. In 
Wahrheit dürfte jedoch die Erzählung dahin zu verstehen sein, 
daß die Verheißung des Propheten ebenso einer unausbleiblichen 
Erfüllung gewiß ist, wie 2 23 f. sein Fluch. 6 18 und 20 ist es das 
Gebet Elias, das die Aramäer zuerst geblendet und dann wieder 
sehend macht, in beiden Fällen aber (wie schon 6 17) ein Gebet 
von augenblicklicher Wirkung. Die Speisung von 100 Mann mit 
20 Gerstenbroten (4 42 ff.) stellt sich dem Wunder am Oelkrug 
der Witwe zur Seite, die Uebertragung des Aussatzes von Nae- 



140 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

man auf Gehasi (5 17) der augenblicklichen Wirkung des Fluchs 
in 2 24. 

Durch alles dies dürfte der Beweis, daß auch Elisa noch 
mit den n^itüxm im alten Sinn nahe verwandt war, reichlich er- 
bracht sein, aber bei alledem auch, daß er sich wie Elia von ihnen 
unterscheidet und samt diesem eine Verbindung zwischen den 
alten Sehern und den eigentlichen Propheten darstellt. Daß auch 
seine politische Wirksamkeit, wie er sie im Interesse des reinen 
Jahwismus übte, keine geringe war, würde sich zur Genüge schon 
aus 9 1 ff. ergeben, und nicht ohne Grund wird auch ihm von Joas 
der Ehrenname „Wagen und Reiter Israels 4 * zu teil. Ueber seine 
— vielleicht wichtigste — Tätigkeit, die Leitung der n^'lw-Ge- 
nossenschaften, wird unten noch zu reden sein. 

Zuvor aber haben wir noch eines israelitischen Propheten 
zu gedenken, der unter den n'bVtm der Zeit Ahabs ebenso eine 
Sonderstellung einnimmt, wie Elia: das ist Micha, der Sohn 
Jimlas, in der alten Erzählung 1 Kön. 22 8 ff. Ahab ist ihm 
gram, weil er ihm nur Schlimmes zu weissagen pflege. Josaphat 
verweist dem Ahab solche Rede ; offenbar erblickt er gerade da- 
rin, daß Micha meist Unglück weissagt, den Beweis echter In- 
spiration, während ihn die einmütige Glückverheißung der vielen 
anderen Propheten mißtrauisch gemacht hatte. In der Tat will 
Micha (V. 14) nur reden, was Jahwe ihm eingibt. Es ist also Jah- 
wes Wille, daß auch er (V. 15) zuerst in die trügerische Verheis- 
sung mit einstimmt. Ahab aber durchschaut dies, und auf sein 
Drängen trägt alsdann Micha den unheilverkündenden Spruch 
Jahwes vor, erklärt aber zugleich durch die Erzählung seiner 
merkwürdigen Vision, warum alle übrigen Propheten ein Opfer 
des „ Lügengeists u geworden sind ; Jahwe selbst hat es also befoh- 
len. Daß Micha selbst diesem Verhängnis nicht mit unterliegt, 
vielmehr in der Vision über den wahren Zusammenhang der Wege 
Jahwes ausdrücklichen Aufschluß erhält, zeigt zur Genüge, wie 
hoch er sich über die gewöhnlichen n'bi'irn erhebt; und was er 
Ahab androht, das geht nur zu bald bei Ramoth in Erfüllung. 
So dürfen wir sagen : Micha ben Jimla ist der erste, der alle 
Kennzeichen des wahrhaften Jahwepropheten an sich trägt, ohne 
daß uns irgend etwas an einen Zusammenhang mit den n'&'ifn 
im älteren Sinn erinnerte. 

Mit diesen letzteren, so weit sie der Zeit des Elia und Elisa 
angehören, haben wir uns hier noch zu beschäftigen. Ihre Ver- 



§ IL] Die Organe des genuinen Jahwismus. 141 

wandtschaft mit den n'hVirn der Zeit Sauls beruht vor allem 
darauf, daß sie wie jene in ganzen Gruppen, ja in Genossenschaf- 
ten auftreten. Dies wird schon durch ihre häufige Bezeichnung 
als b'ne hann e M'im angedeutet. Damit sind nicht „Propheten- 
söhne oder -jünger 44 , sondern die Angehörigen des Propheten- 
standes *), ja bisweilen deutlich der Prophetengenossenschaft 
(so z. B. 2 Kön. 2 3. s. 7. w. 4 i. 38. 6 i) gemeint. Insofern sind 
sie gleichbedeutend mit den einfachen „w'JHm 44 (1 Kön. 18 4. is. 
20 4i. 22 6—i3. 22 f.). Der einzelne heißt näW (1 Kön. 20 13. 22. ss) 
oder „einer von den h*ne hann'lfixm" (V. 35). Für die Tatsache 
einer Genossenschaft spricht endlich auch 20 41. Diese Stelle 
kann nur so verstanden werden, daß der betreffende Prophet 
durch die Binde über den Augen eine Tättowierung oder auch 
charakteristische Narben 2 ) verbarg, an denen die whVim allge- 
mein als Jahwe zugeeignete kenntlich waren. 

Eine Reihe von Stellen deutet auf ein Zusammenwohnen 
von Gruppen solcher n'lffim ; so zu Bethel (2 Kön. 2 3) und zu 
Jericho (V. s; 4 38 „im Gilgal 44 ). Auf letztere Niederlassung be- 
zieht sich offenbar der Bericht über einen Erweiterungsbau 61 ff. 
Daß Elisa mit ihnen zusammenwohne, wird nirgends gesagt; auch 
4 38 ist nur so gemeint, daß er ihnen, als Gast im Gilgal anwe- 
send, ein Mahl bereiten will. Sehr zu beachten ist aber, daß sich 
zweimal (4 38 und 6 1) ein Ausdruck findet, der uns über das We- 
sen dieser Genossenschaften einen unerwarteten Aufschluß gibt: 
„sie sitzen vor Elisa 44 . Das heißt nicht bloß: sie scharen sich um 
ihn oder erfreuen sich seiner Gemeinschaft, sondern : sie sitzen 
vor ihm wie die Jünger vor dem Meister, die Schüler vor dem 
Lehrer. Allerdings ist auch hier der übliche Name von „Pro- 
phetenschulen 44 nur in sehr bedingter Weise berechtigt. Denn 
erstlich sind nach 4 1 unter den b'ne hann'ffiim auch verheiratete 
Männer, und sodann üben sie ja bereits vielfach (s. u.) eine öf- 
fentliche Wirksamkeit aus. Auch von einer Stiftung dieser 
„Schulen 44 durch Elia oder Elisa ist nirgends die Rede. Aber 
das scheint doch zweifellos, daß es sich in 4 38 und 6 1 um gele- 
gentliche Unterweisung der Genossen durch Elisa oder um lehr- 
hafte Unterredungen mit ihnen handelt. Selbst der Gedanke an 
eine Beschäftigung mit religiöser Literatur liegt nicht fern, ob- 
schon sich nirgends ein bestimmter Hinweis darauf findet. Für 

x ) Vgl. über einen analogen Ausdruck (die b e ne hä^löhim) oben S. 100. 
2 ) So Keaetzscbmak, Prophet und Seher im alten Israel, S. 9. 



142 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§11. 

ein Jüngerverhältnis zu Elisa spricht die sichtliche Pietät und 
Ehrfurcht, welche die n'fflirn in der Anrede „Mann Gottes" und 
sonst gegen ihn an den Tag legen. 

Könnte es so nach der Mehrzahl der Elisageschichten schei- 
nen, als ob unter ihm die n'bi'itn ein gänzlich zurückgezogenes, 
der Verehrung Jahwes gewidmetes Leben geführt hätten, so zeu- 
gen andere Stellen von einem öffentlichen Wirken, und zwar, 
entsprechend der Hauptvoraussetzung des echten Prophetismus, 
auf Antrieb des Geistes Jahwes. 1 Kön. 20 35 fordert einer der 
b ne n'Whn auf Geheiß Jahwes von einem Genossen, daß er 
ihn verwunde, und kündigt ihm, weil er dem Befehle Jahwes nicht 
gehorcht hat, Verwundung durch einen Löwen an. Seinen Spruch 
an Ahab aber bezeichnet er V. 4a als einen Spruch Jahwes ; eben- 
so schon V. 13 und 28 (wo der Prophet sogar „Mann Gottes" 
heißt). Ganz ausdrücklich aber ist vom Geiste Jahwes bei den 
n'bVim in c. 22 5 ff. die Rede. — Derselbe Zedekia benKena'ana, 
der 1 Kön. 22 11 seine Verheißung an Ahab durch das Symbol 
eiserner Hörner unterstützt, fragt (V. 24) den Micha voller Ent- 
rüstung: „Auf welchem Wege wäre denn der Geist Jahwes von 
mir gewichen, um mit dir zu reden ? u Er kann es nicht glauben, 
daß er jetzt das Opfer eines Lügengeistes geworden sei, während 
er sich früher von echtem Geiste Jahwes inspiriert wußte. Auch 
2 Kön. 2 3. 5 ist die Frage der b e ne n'bVim an Elisa so zu ver- 
stehen, daß auch ihnen der Geist bereits die bevorstehende Him- 
melfahrt Elias geoffenbart hat. 

Wie die wahren Jahwepropheten reden auch diese n 9 b?im 
bald auf Befragen (1 Kön. 22 6 ff.), bald verkünden sie auf eige- 
nen Antrieb das Wort Jahwes im öffentlichen Interess (20 is f. 
28. 89 ff.). Auffällig ist dabei ihre große Zahl. Obadja rettet 100 
von ihnen vor dem Grimm derlsebel; gegen 400 werden 22 e von 
Ahab versammelt ; 2 Kön. 2 7. ie wohnen im Gilgal mehr als 50 
beisammen. Diese Zahlen beweisen doch für die Stärke der Er- 
regung und des Eifers für den Gott Israels zu der Zeit, da seine 
Verehrung durch den Ba'al (dem 1 Kön. 18 w sogar 450 n e W^ 
zugeteilt werden) gefährdet schien. 

Nun ist geltend gemacht worden, daß alle die Stellen, die 
von einem öffentlichen Auftreten der n'M'irn berichten, nicht den 
Elia-undElisageschichten, sondern der vorzüglichen alten Ahabs- 
Quelle (1 Kön. 20 und 22) angehören. Diese wisse nichts von 
Genossenschaften von n'bfini und ihrer Leitung durch Elia oder 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 143 

Elisa, wie umgekehrt die Elisageschichten nichts von einem öffent- 
lichen Wirken ihrer b'ne n'M'irn. Die Verschiedenheit beider 
Quellenschichten muß ohne weiteres anerkannt werden. Aber 
ihre Berichte schließen einander nicht aus, wenn sie auch wohl 
eine verschiedene Zeitlage, und zwar die Elisageschichten natür- 
lich eine etwas spätere Zeit, im Auge haben. Höchst beach- 
tenswert ist der Beleg für die Portdauer der alten Anschauung 
von den n'bVtm in 2 Kön. 9 n. Die Offiziere Jehus bezeichnen 
den Abgesandten Elisas, der V. i ausdrücklich zu den b e ne han- 
n*W!%m gerechnet wird, kurzweg als einen „Verrückten". Dies 
setzt voraus, daß man von ihm, aber sicher nicht von ihm allein, 
sondern auch von seinen Standesgenossen, ein ekstatisches We- 
sen, ja Aeußerungen einer Art von Besessenheit gewohnt war. 
Daraus ergibt sich, daß trotz aller Milderung im Charakter der 
späteren n e bVim doch gelegentlich auch ihre alte Natur, wie wir 
sie aus 1 Sam. 10 5 ff. und 19 19 ff. kennen, wieder zum Durch- 
bruch kam. 

Eine letzte Spur von jener alten Auffassung des propheti- 
schen Geistes, die ihn als ein geheimnisvolles Agens denkt, das 
eine ganze Schar mit sich fortreißt, liegt uns in der Erzählung 
Num. 11 17. 25 ff. vor. Sie gehört höchst wahrscheinlich der Quelle 
E und somit wohl noch unserer Periode — der Zeit vor den 
Schriftpropheten — an. Ein Teil von dem Geiste Jahwes, der 
auf Mose ruht, reicht hin, 70 von den Vornehmen Israels in 
einen Zustand der Verzückung zu versetzen. Ja sogar zwei im 
Lager zurückgebliebene, Eldad und Medad, werden dort von 
dem Geist Jahwes ergriffen, weil auch sie unter den zur Leitung 
des Volkes Bestimmten (vergl. V. 17) mit aufgezeichnet waren. 
Diese Geisteserfüllung für mehr profane Zwecke ist allerdings 
der ältesten Betrachtungsweise fremd; umgekehrt haben aber 
die scharenweise vom Geiste Jahwes Ergriffenen eine Analogie 
nur an den alten n'ffiim,, so daß ihrer nur im Anschluß an die 
Besprechung der letzteren gedacht werden konnte. 

3. In die Kategorie der ausdrücklich im Dienste Jahwes 
stehenden Organe des echten Jahwismus gehören ferner die Na- 
siräer. Der Name {näzir) wird in der Regel als „der Geweihte" 
gedeutet. Es ist jedoch fraglich, ob die Verbalformen, auf die 
man sich dabei beruft, nicht erst von dem Substantiv näzir ab- 
geleitet sind, dieses selbst aber von nezcer, dem (geweihten) 
Hauptschmuck (häufig von einem Diadem, aber auch von dem 



144 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

unberührten Haupthaar gebraucht). Dann würde näzxr ursprüng- 
lich den Inhaber des unberührten Haarschmuckes bezeichnen, 
und dafür spricht, daß noch Lev. 25 s. n der unbeschnittene, also 
noch den vollen Blätterschmuck tragende Weinstock gleichfalls 
näzxr heißt. Dabei soll indes nicht geleugnet werden, daß sich 
mit näzxr frühzeitig der Begriff „Geweihter u verband; so beson- 
ders in der Verbindung „ein Geweihter Gottes" Jud. 13 s. 7. I617. 

Die wenigen Stellen des AT., die über das Naziräat Auf- 
schluß geben, stimmen alle darin überein, daß es ein Zustand des 
Gottgeweihtseins ist, der sich in bestimmten Enthaltungen kund 
gibt. Als solche erscheinen drei: das Nichtbescheren des Haupt- 
haars, die Enthaltung von Wein und berauschendem Getränk 
und das Vermeiden der Verunreinigung durch eine Leiche. Es 
fragt sich jedoch sehr, ob diese Bestimmungen stets gleichzeitig 
maßgebend waren, und ganz besonders auch, wie sich die Ver- 
pflichtung auf Lebenszeit zu der Verpflichtung für eine bestimmte 
Zeit verhält. Die Aussagen müssen also zunächst einzeln unter- 
sucht werden. 

Das einzige Beispiel eines Nasiräers in den Geschichtsbü- 
chern ist Simson. Denn von Samuel, den man meist auch zu den 
Nasiräern rechnet, wird 1 Sam. 1 n nur berichtet, daß seine 
Mutter vor seiner Geburt gelobt habe, sie wolle ihn für Lebens- 
zeit Jahwe übergeben und kein Schermesser solle auf sein Haupt 
kommen. Aber das Nichtbeschorensein machte ihn noch nicht 
zum näztr. Nach Hes. 44 20 war es auch bei Priestern nichts Unge- 
wöhnliches, und die gleiche Bedeutung wird es auch bei Samuel 
gehabt haben ; jedenfalls wird er niemals als näzxr bezeichnet. 

Von Simsons Nasiräat handelt Jud. 13 4—14 und indirekt 
16 17 ff. Nach Kap. 13 ist er schon vor seiner Geburt vom Engel 
Jahwes ausdrücklich zum „Gottgeweihten" bestimmt. Dabei 
wird seine Mutter — und zwar offenbar für die Zeit vor und 
während der Schwangerschaft — zur Enthaltung von Wein 1 ) 
und berauschendem Getränk und unreiner Speise verpflichtet; 
auf ihres Kindes Haupt aber soll kein Schermesser kommen, da 
er vom Mutterleibe an bis zu seinem Tod ein Gottgeweihter sein 
soll. Nun ist es aber doch sehr befremdlich, daß die Verpflich- 
tung zur Enthaltung von Wein und Unreinem nicht dem Sohn, 

') V. u wird das Verbot auf alles ausgedehnt, „was vom Weinstock 
kommt" (wie Num. 6 4). Doch ist dies wohl ein letzter Zusatz, der sich 
schon durch seine Stellung vor dem Hauptverbot als solcher verrät. 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 145 

dem sie ja auch möglich gewesen wäre, sondern der Mutter auf- 
erlegt wird. Anderwärts ist es überall selbstverständlich, daß 
sich der Nasiräer selbst des Weines enthält. Wir werden da- 
durch zu der Annahme gedrängt, daß das Weinverbot für die 
Mutter in V. 4. 7. 13 f. erst nachträglich 1 ) eingefügt ist von einem, 
der sich ein Nasiräat ohne jedes Weinverbot gar nicht vorstel- 
len konnte. Da er aber in den Simsonsgeschichten Jud. 14 f. 
(vergl. besonders 14 10. 12. 17) keinen Anhalt dafür fand, ergriff 
er den in Kap. 13 vorliegenden Ausweg. 

Somit beruht das Nasiräat Simsons lediglich auf seinem un- 
beschorenen Haupthaar, und darauf wird in der Tat Jud. 16 
17 ff. das stärkste Gewicht gelegt. Von seiner Unversehrtheit 
hängt seine ungeheure Körperkraft ab, und zwar deshalb, 
weil mit dem Haar die Gegenwart Jahwes selbst in geheimnis- 
voller Weise in Verbindung steht. Nach Abscheerung der sieben 
Locken auf seinem Haupte wird er schwächer und schwächer 
(V. m) ; vergebens sucht er sich frei zu machen, „denn er wußte 
nicht, daß Jahwe von ihm. gewichen war" (V. 20). Das wieder- 
gewachsene Haar aber gibt ihm Kraft zu seiner letzten Tat zum 
Verderben der Philister. 

Nach alledem ist das Nasiräat Simsons ein mit dem unbe- 
8chorenen Haupthaar zusammenhängender Zustand des Ergrif- 
fenseins vom Geiste Jahwes. Allerdings erscheint der letztere 
mehrfach als ein latenter, erst bei besonderem Anlaß hervor- 
brechender; vergl. 13 äs. Vom Geist Jahwes übermannt, zer- 
reißt er 146 den Löwen, erschlägt er (V. 1») 30 Philister zu As- 
kalpn, zersprengt er (15 14 ff.) seine Bande und tötet 1000 Phi- 
lister mit einem Eselskinnbacken. Es sind also vor allem Kraft- 
taten gegen die Feinde des Volks, zu denen ihn der Geist Jahwes 
befähigt. Das Nasiräat Simsons erinnert somit an gewisse auch 
anderwärts vorkommende Erscheinungen, bei denen es sich um 
Gelübde und Enthaltungen für kriegerische Zwecke handelt 2 ). 
Eine Analogie bilden vor allem die arabischen Krieger, die für 
die Dauer eines Rachekrieges das Gelübde tun, das Haupthaar 
ungeschoren zu lassen, nach gelungener Rache aber das Haar 
im Feuer opfern. Nur daß es sich bei Simson nicht um ein Ge- 

1 ) Dies ergibt sich für V. 4 deutlich daraus, daß in V. sa der Schluß 
von V. 3 wieder aufgenommen wird. 

2 ) Vgl. hierzu vor allem RobSmith, Religion of the Semites *, S. 333 f. 
und Schwally, Semit. Kriegsaltertümer I, 101 ff. 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 10 



146 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

lübde auf Zeit, sondern um eine „ewige Kriegsweihe" (Schwally) 
bandeln würde. Denn daß er 14 i ff. mit den Philistern durch 
Heirat in friedlichen Verkehr treten will, wird V. 4 ausdrücklich 
auf eine Fügung Jahwes zurückgeführt, „weil er den Philistern 
gegenüber nach einem Anlaß [zu Feindseligkeiten] suchte". Auf 
diesen seinen Lebensberuf ist gleich zu Anfang (13 s b ) hinge- 
deutet. In der Tat geht alles, was Jud. 15 von ihm erzählt wird, 
im Einzelkampf gegen die Philister auf. Daß bei diesem kriege- 
rischen Nasiräat die Enthaltung von Wein nicht in Betracht 
kommt, wurde schon oben erwähnt. Und daß von der Vermei- 
dung unreiner Speise nicht die Rede sein kann, geht zur Genüge 
aus 14 8 f. hervor. 

Ein ganz anderes Bild von den Nasiräern erhalten wir bei 
Arnos, 2 11 f. „Und ich erweckte etliche von euren Söhnen zu 
Propheten und von euren Jünglingen zu Nasiräern. — Und ihr 
gabt den Nasiräern Wein zu trinken und den Propheten befahlt 
ihr: ihr dürft nicht weissagen!" Hier beruht also das Nasiräat 
wesentlich auf dem Weinverbot, und.es ist schwerlich anzuneh- 
men, daß das Verbot des Haarscheerens nur deshalb übergangen 
werde, weil es selbstverständlich gewesen sei. Vielmehr haben 
wir es bei Arnos höchstwahrscheinlich mit einer anderen Form 
des Nasiräats zu tun, die uns lebhaft an das Gelübde der ftecha- 
biten (s. u. S. 149 f.) erinnert. Ueber Art und Zweck dieses Nasi- 
räats sind wir freilich auf bloße Vermutungen angewiesen. Nur so 
viel ist aus den Worten des Arnos klar — da er die Nasiräer mit 
den Propheten in Parallele stellt — daß es ein von Jahwe gewollter 
und seinem Dienst geweihter Stand ist. Den Nasiräer seinem 
Gelübde der Enthaltung vom Wein abspenstig zu machen, ist 
ebenso ein religiöser Frevel, wie die Verhinderung des Prophe- 
ten, das zu verkündigen, was ihm der Geist Jahwes eingibt. 
Uebrigens ist das Nasiräat hier höchstwahrscheinlich als lebens- 
längliches gedacht, da das Gleiche auch von dem mit ihm paral- 
lelen Prophetentum gilt. Ueber den Zweck der Erweckung zum 
näzir werden wir jedoch gänzlich im Dunkeln gelassen. Soll 
man auch hier an die Bestimmung zum unermüdlichen Krieger 
Jahwes gegen die Feinde seines Volks (wie etwa die Aramäer) 
denken ? Oder soll die Enthaltung vom Wein (wie bei den Ke- 
chabiten) eine stumme Predigt gegen die verführerischen Gaben 
der Kultur, des Ba'alslandes, sein und eben damit ein beständi- 
ger Hinweis auf Jahwe als den Gott Israels? Jedenfalls müssen 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 147 

wir annehmen, daß sich der nazxr vor und zu Arnos' Zeit noch 
durch irgend welche positiven Leistungen als „Geweihten Gottes** 
erzeigte. 

Im Zusammenhang mit diesen wenigen Zeugnissen für ein 
geschichtliches Nasiräat ist sogleich noch das gesetzliche Nasi- 
räat in Num. 6 zu besprechen. Der älteste Bestandteil *) dieses 
Gesetzes, V. 2—8, fordert von jedem, Mann oder Weib, der das 
Gelübde eines Gottgeweihten ablegen will, für die ganze Dauer 
des Gelübdes strenge Enthaltung von Wein und allem, was vom 
Weinstock kommt, sowie sorgfältige Bewahrung vor der Verun- 
reinigung durch eine Leiche, selbst die der nächsten Verwandten. 
Weiter aber hat der näzxr während der Dauer des Weihegelüb- 
des das Bescheeren des Hauptes durchaus zu unterlassen ; in 
ihm vor allem repräsentiert sich nach V. 1 die Weihe seines Got- 
tes. Der Unterschied dieses Nasiräats von dem geschichtlichen 
springt sofort in die Augen. Die Kennzeichen, die uns Jud. 13 
und Am. 2 11 getrennt entgegentraten, sind hier vereinigt ; als 
neue Forderung gesellt sich noch das Verbot der Verunreini- 
gung an einer Leiche hinzu. Neu und sehr auffällig ist auch die 
Ausdehnung des Nasiräats auf Frauen, während sich sonst die 
Kultfähigkeit der Frauen auf die Teilnahme an den Opfermahlen 
zu beschränken scheint. In allen Fällen aber handelt es sich nur 
um ein Gelübde auf Zeit, nicht (wie bei Simson und wohl auch 
Am. 2 11) um eine Verpflichtung für Lebenszeit. 

Ueber die Bedeutung des Nasiräats im Bereich des Priester- 
gesetzes läßt uns V. 7 nicht in Zweifel. Das Verbot der Verun- 
reinigung gilt sonst nur den Priestern. Doch erleidet selbst bei 
diesen das Verbot eine Ausnahme (Lev. 21 2), wenn es sich um 
die nächsten Blutsverwandten handelt. Dagegen gilt das Verbot 
(Num. 611) absolut für den Hohenpriester. Wird nun die gleiche 
Forderung an den Nasiräer gestellt, so wird diesem damit eine Art 
von gesteigertem Priestertum zuerkannt, allerdings ein Laien- 
priestertum und ohne amtliche Befugnisse (die bei einem Weib 
schon an sich undenkbar wären), aber doch dem wirklichen Prie- 
stertum verwandt als ein Zustand erhöhten Gottgeweihtseins. 
Höchstwahrscheinlich hat das priesterliche Gesetz in dieser Auf- 
fassung den erwünschten Ausweg gefunden, die altüberlieferte 



*) Vgl. zu obiger Analyse von Num. 6 Wurster in ZAW IV (1884), 
S. 126. 

10* 



148 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

und hochangesehene Institution des Nasiräats, die als lebens- 
längliche im Priesterstaat keine rechte Stelle hatte, noch immer 
beizubehalten und in würdiger Weise den Institutionen der nach- 
exilischen Theokratie einzureihen. Wie immer in solchen Fällen 
ist dabei alles abgestreift, was etwa noch als ein Ueberbleibsel 
alter naturalistischer oder gar heidnischer Auffassung gelten 
könnte. Das ungeschorene Haupthaar ist nicht mehr, wie bei 
Simson, das Medium geheimnisvoller Kräfte und Bürgschaft der 
unmittelbaren Nähe Jahwes. Vielmehr ist es unantastbar als ein 
Bestandteil des ganzen, Jahwe geweihten Leibes, ja als ein 
Hauptkennzeichen dieser Weihe. Auch das Weinverbot, das nach 
Obigem für den alten Nasiräer eine ganz bestimmte Bedeutung 
hatte, ist in Num. 6 wohl durch den Hinblick auf das gleiche 
Verbot für die Priester während ihrer amtlichen Verrichtungen 
(Lev. 10 9) motiviert zu denken. 

Etwas jünger als Num. 6 2— 8 sind die Bestimmungen in 
V. 13—21 über die Ausweihung des Nasiräers nach Ablauf der 
von ihm gelobten Weihezeit. Außer bestimmten Tieropfern hat 
er auch das vor der Tür des Heiligtums abgeschorene Haar in 
das Feuer zu werfen, das unter dem Heilsopfer brennt. Diese 
Vorschrift darf jedoch nicht dazu verführen, den Kern und Zweck 
des gesamten Nasiräats in dem Haaropfer zu erblicken (etwa als 
einer symbolischen Opferung des Leibes in Gestalt der stellver- 
tretenden Opferung eines Teils desselben). Es ist sehr wohl mög- 
lich, daß das Haaropfer anderwärts, besonders auf semitischem 
Boden, eine solche selbständige Bedeutung gehabt hat. Für 
Num. 6 13 ff. aber hat es eine solche sicher nicht. Vielmehr ist 
die Verbrennung im Altarfeuer die einfachste Form der Besei- 
tigung dessen, was nun einmal Gott geweiht war und somit nicht 
wie etwas Profanes behandelt werden durfte. Aehnlich müssen 
die Teile des Sündopfertiers, die nicht als Opfer auf dem Altar 
dargebracht werden können, nach Ex. 29 14. Lev. 4 11 f. 21. 62s, 
anderwärts verbrannt werden. Daß das Haar des Nasiräers i m 
Altarfeuer verbrannt wird, mag altem Brauche entsprechen; das 
priesterliche Gesetz behielt diesen bei, ohne damit dem Haar 
den Charakter eines Opfers zu verleihen. — Als jüngster Be- 
standteil von Num. 6 ist sicher V. 9—12 zu betrachten : die Be- 
stimmungen für den Fall, daß ein Nasiräer durch einen plötz- 
lichen Todesfall in seiner Gegenwart doch levitisch unrein wird. 
In diesem Fall ist das geweihte Haar abzuscheeren und nach 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 149 

Darbringung bestimmter Sühnopfer die Weihe von vorn zu be- 
ginnen. 

Schon oben wiesen wir auf die enge Verwandtschaft hin, 
die zwischen dem Weinverbot für die Nasiräer und dem ent- 
sprechenden Gelübde der Rechabiten 1 ) besteht. Aber auch 
abgesehen davon sind sie an dieser Stelle zu besprechen, da ihre 
Stiftung als religiöse Sekte spätestens in die Zeit Jorams, des 
Sohnes Ahabs, also vor 842 v. Chr., fällt. Wir lesen 2 Kön. 10 
15 f., daß der Usurpator Jehu auf dem Wege von Jesreel nach 
Samarien auf Jonadab, den Sohn [oder Nachkommen des Ge- 
schlechts] Rechabs stieß, sich seiner Ergebenheit durch Hand- 
schlag versicherte und ihn mit auf seinen Wagen nahm, damit 
er seine Lust sehe an Jehus Eifern für Jahwe. Aus dieser sum- 
marischen Notiz können wir nur vermuten, daß Jonadab ein an- 
gesehener Mann war, auf dessen Anschluß Jehu Gewicht legen 
mußte, und daß er von gleichem Eifer für Jahwe beseelt war, 
wie Jehu selbst. Zum Glück ist uns an einer viel späteren Stelle 
eine genauere Auskunft über die Bedeutung jenes Jonadab er- 
halten geblieben, in Jer. 35. Unter der Regierung Jojakims er- 
hält Jeremia nach dem Einrücken der Chaldäer in Juda (also 
602 oder bald darauf) die Weisung Jahwes, die Genossenschaft 
der Rechabiten in eine Zelle am Tempel zu bringen und ihnen 
Wein vorzusetzen. Aber die Rechabiten (deren Namen insgesamt 
mit jäh [Jahwe] enden, weigern sich entschieden, Wein zu 
trinken, und berufen sich auf das Verbot ihres Anherrn Jona- 
dab ben Rechab, der ihnen nicht nur den Weingenuß, sondern 
auch die Erbauung von Häusern und jede Art von Ackerbau 
verboten habe. Diesem Verbot seien sie allezeit treu geblieben, 
und nur der Einfall Nebukadnezars habe sie bewogen, in Jeru- 
salem Zuflucht zu suchen. Jeremia hält sodann den Judäern 
vor, wie sehr dieses Beispiel treuen Gehorsams gegen Menschen- 
gebot sie beschäme, die beständig ihrem Gotte ungehorsam seien. 
Den Rechabiten aber verkündigt er zum Lohn, daß es ihnen nie 
an Nachkommen im Dienste Jahwes fehlen werde. 

Das letztere zeigt, daß ihre Lebensweise eine Art von Jah- 
wedienst bedeutet. Denn sie ist ein Protest gegen die gesamte 
Kultur, die mit der Seßhaftigkeit, dem Ackerbau und vor allem 
mit dem Weinbau zusammenhängt. Das Leben des Nomaden 

*) Vgl. hierzu: LGautieb, „ä propos des R^cabites", Liberte* chre- 
tienne, 15 Juni 1901. 



150 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§11. 

in der Steppe wußte noch nichts von alledem ; es war ausschließ- 
lich dem Dienste Jahwes geweiht, des Gottes der Wüste, der 
sich vor allem im Gewitter und in den Kämpfen gegen die Feinde 
seines Volks offenbarte. Seit man aber die Zelte verlassen und 
sich alle Vorteile der kanaanitischen Kultur angeeignet hatte, 
war man nur zu sehr auch den Verführungen zum Opfer gefal- 
len, die sie mit sich brachte, und zwar nicht bloß der Ueppigkeit 
und Völlerei, sondern auch dem Götzendienst. Eine Rettung 
von alledem bot nur die entschlossene Rückkehr zu der vor- 
kanaanitischen Lebensweise, der Verzicht auf die trügerischen 
Güter der Kultur, und man kann nicht zweifeln, daß diese Rück- 
kehr zugleich mit der strengen Beobachtung der ältesten Kult- 
sitten im Dienste Jahwes verbunden war, obschon uns darüber 
leider nichts überliefert ist. Unter allen Umständen hat dieses 
älteste Vorbild des Anachoretentums eines ganzen Stammes aus 
religiösen Beweggründen etwas sehr eigentümliches und Achtung 
gebietendes ; diese Rechabiten dürfen so gut beanspruchen, zu 
den Organen des genuinen Jahwismus gerechnet zu werden, wie 
die n'hi'im. Daß sich gerade dieses Geschlecht zu einem Pro- 
test gegen die Kultur des Fruchtlandes berufen fühlte, erklärt 
sich vielleicht aus 1 Chr. 2 55, wo Hammath, der Stammvater des 
Hauses Rechab, zu den Kenitern gerechnet wird. Letztere sind 
nach Jud. 4 11 die Nachkommen Hobabs, des Schwiegervaters 
Moses. Die Keniter, welche sich Israel beim Auszug anschlös- 
sen (Jud. 1 16), blieben auch später Nomaden, teils in der Ebene 
Jesreel (Jud. 5 24), teils im äußersten Süden des Landes unter 
den Amalekitern (1 Sam. 15 e). Die Wirksamkeit Jonadabs 
könnte also darin bestanden haben, daß er den seßhaft gewor- 
denen Teil seines Stammes zum altgewohnten Nomadenleben 
zurückführte. Bei alledem müßte freilich erst bewiesen sein, daß 
mit dem „Hause Rechabs" 1 Chr. 2 55 genau dasselbe Geschlecht 
gemeint ist, wie Jer. 35 2. Nach Neh. 3 14 half ein Malkija, Sohn 
Rechabs, beim Wiederaufbau der Mauern Jerusalems. Dadurch 
scheint die Portdauer der Genossenschaft in der nachexilischen 
Zeit verbürgt. Wie kann aber dieser Malkija zugleich „der 
Oberste des Bezirks von Beth-Cherem" heißen, wenn er an dem 
von Jonadab gebotenen Zeltleben festhielt? 

4. Wenn wir an letzter Stelle auch die „Richter" und Kö- 
nige des alten Israel zu den Organen des genuinen Jahwismus 
zählen, so ist dies nicht bloß dadurch gerechtfertigt, daß sie alle 



§ 11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 151 

(wenigstens bis herab auf David) ausdrücklich von Jahwe zu 
Führern und Rettern des Volkes erwählt und erweckt sind, son- 
dern vor allem dadurch, daß auch sie mit dem „Geist Jahwes* 4 
als einem geheimnisvollen Agens erfüllt und dadurch zu außer- 
ordentlichen Taten befähigt sind. 

Daß Josua als ein Mann, in dem der Geist ist, von Mose 
durch Handauflegung zu seinem Nachfolger geweiht wird (Num. 
27 18 ff.), berichtet allerdings erst P. Dagegen wissen schon die 
alten Heldengeschichten im Richterbuch und nicht erst der Ur- 
heber des jetzigen Schemas in diesem Buch (z. B. 3 10), daß der 
Geist Jahwes in jenen Helden mächtig war ; so in Gideon (6 m), 
in Jephtha (11 29) und häufig in Simson (s. o. S. 144 ff.). 

Bei den Königen aber ist die Geistesmitteilung durch die 
Salbung *) vermittelt. Sie wird ausdrücklich berichtet bei Saul 
(1 Sam. 10 1), bei David (2 Sam. 2 4; die Salbung Davids durch 
Samuel 1 Sam. 16 is, ist ein später Midrasch), bei Salomo (durch 
Zadok 1 Kön. lse), bei Jehu (2 Kön. 9.6). Aus letzterer Stelle 
wie aus 1 Sam. 10 1 ergibt sich, daß die Salbung nicht in einem 
bloßen Bestreichen, sondern im Ausgießen des Salböls auf das 
Haupt bestand. Unter den mannigfachen Deutungen dieser sym- 
bolischen Handlung hat die das Meiste für sich, die von der Oel- 
libation ausgeht. Auch diese bestand in einem Uebergießen (z. B. 
des heiligen Steins von Bethel, Gen. 28 is. 31 13) und verleiht dem 
gesalbten Gegenstand den Charakter des Geweiht- und Sakro- 
sankt-Seins. Beides tritt auch als Wirkung der Salbung zum Kö- 
nig deutlich hervor. Als ein Jahwe Geweihter heißt der König 
häufig „mein Gesalbter" oder „sein [Jahwes] Gesalbter" oder 
auch „der Gesalbte Jahwes", d. h. der durch die Salbung in 
besonderem Maße ihm Zugeeignete, Geweihte. Eben dadurch 
ist der König sakrosankt, und es ist daher ein schweres Verbre- 
chen, „die Hand an den Gesalbten Jahwes zu legen" (1 Sam. 
26 9. 11. 23 in bezug auf Saul ; 2 Sam. 19 22 in bezug auf David). 
Für einen Weiheritus, analog der Oellibation, spricht übrigens 
noch der Umstand, daß die Salbung mit „heiligem" (d. h. auch 
sonst im Kultus verwendeten) Oel erfolgt ; vgl. z. B. Ps. 89 21 in 
bezug auf David. In der Tat nimmt Zadok 1 Kön. 1 39 nicht ein, 
sondern das (mit heiligem Oel gefüllte) Oelhorn aus dem Zelte 
(der heiligen Lade) zur Salbung Salomos, und 2 Kön. 9 1 über- 

*) Vgl. hierzu Weinel, Maschach und seine Derivate, in ZAW XVIII 
(1898), S. 1 ff. 



152 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 11. 

gibt Elisa dem Propheten ein Oelgefäß zur Salbung Jehus, so 
daß auch hier die Verwendung eines beliebigen profanen Gefäs- 
se8 ausgeschlossen erscheint. Im PC endlich ist die Salbung der 
heiligen Geräte Ex. 30 *« ff. deutlich ein Weiheakt, und in bezug 
auf die Priester steht mehrmals „salben" und „weihen" parallel 
(Lev. 8 10 f. u. a.). 

Mit der Weihe und Sakrosankt- Erklärung ist jedoch die 
Wirkung der Salbung der Könige nicht erschöpft. Sie ist zu- 
gleich Mitteilung des Geistes Jahwes. Dies ergibt sich deutlich 
bereits aus dem Bericht über die Salbung Sauls. Unmittelbar 
nach dieser kündigt Samuel dem Saul an (1 Sam. 10 s ff.), daß 
bei seiner Begegnung mit den n'hVim zu Gibea der Geist Jahwes 
über ihn kommen und er sich in einen anderen Mann verwan- 
deln werde. So geschieht es in der Tat, aber nicht etwa nur, weil 
Saul durch das Beispiel der n e hVim angesteckt wird : sondern der 
Geist Jahwes ist seit der Salbung bereits in ihm 1 ) und wartet 
nur auf einen äußeren Anlaß, sich zu offenbaren, eile ist es 
ein anderer Anlaß, aber mit derselben Wirkung. Die Schwer- 
mut Sauls wird 16 14 dadurch motiviert, daß der (bei der Salbung 
ihm verliehene) Geist Jahwes von ihm gewichen war und ihn 
statt seiner ein — gleichfalls von Jahwe ausgegangener — „böser 
Geist 4 * quälte. 

Für das hohe Alter der Salbung und ihre Uebernahme von 
den Kanaanitern spricht wohl ihre Erwähnung in den Briefen 
von Tell-el-Amarna 2 ). Es fragt sich jedoch, ob sie nicht auf dem 
Boden des Jahwismus eine andere, tiefer religiöse Deutung er- 
fahren hat. Zwar ist wohl auch hier die Wirkung des Oels ur- 
sprünglich nicht bloß als eine symbolische, sondern als eine un- 
mittelbare, physische gedacht, ja als die Herstellung einer sakra- 
mentalen Gemeinschaft zwischen der Gottheit, der das heilige 
Oel geweiht ist, und dem damit Gesalbten 3 ). Mag diese Auffas- 

*) Der Verfasser des Midrasch in c. 16 i ff. hat dies richtig ver- 
standen, wenn er V. 13 unmittelbar nach der Salbung den Geist Jahwes 
über David kommen läßt „von dem Tage an und weiterhin* 4 . 

2 ) Vgl. HWinckler, Die Thontafeln von Tell-el-Amarna (Berlin 1896), 
S. 09 (Brief 37, von Ramman-nirari an den Pharao), Zeile 4: Siehe, als 
Manaljbi(r)ia, König von Aegypten, . . . meinen Großvater in Nu^assi 
als König einsetzte und Oel auf sein Haupt goß, etc. 

8 ) Weinel a. a. 0. S. 54: „Indem der Priester am heiligen Ort ge- 
weihtes Oel dem König aufs Haupt gießt, überträgt er Heiligkeits-Stoff 
und -Charakter auf ihn und läßt ihn teilnehmen an Jahwes übermäch- 
tigem Leben. 14 



§11.] Die Organe des genuinen Jahwismus. 153 

sung bereits von den Kanaanitern entlehnt sein : spezifisch israe- 
litisch ist sicher die Verbindung der Salbung mit der Mitteilung 
des Geistes Jahwes; sie stimmt aufs beste zu der Idee vom Geiste 
Jahwes als dem allseitig schöpferisch wirkenden, besondere Kräfte 
erzeugenden Prinzip, — einer Idee, deren vielseitige Ausbildung 
und Verwertung wir ohne Zweifel nur dem Jahwismus zu ver- 
danken haben. 

Klar ist, daß eine derartige Auffassung und religiöse Wer- 
tung der Salbung des Königs gar nicht hätte Platz greifen kön- 
nen, wenn nicht das Königtum wenigstens zu Anfang als ein Se- 
gen, eine Gnadengabe Jahwes beurteilt worden wäre *). Und dies 
ist in der Tat der Standpunkt der alten Quellen. Mag auch der 
„Königsjubel" Num. 23 21 richtiger auf Jahwe als auf den irdi- 
schen König bezogen werden, so bleibt doch das wichtige Zeug- 
nis 1 Sam. 9 16 f. Darnach hat Jahwe selbst dem Samuel die 
Salbung Sauls befohlen : „er wird mein Volk aus der Gewalt der 
Philister befreien ; denn ich habe auf die Bedrückung meines 
Volkes geachtet, da sein Hilferuf zu mir gelangt ist". Es muß- 
ten sehr schlimme Erfahrungen mit dem Königtum vorangegan- 
gen sein, ehe diese Auffassung von der ganz andersartigen ver- 
drängt werden konnte, die uns in der späteren Quelle (1 Sam. 
8. 10 17 ff. 12) vorliegt. Ihr gilt das Königtum als eine Verleugnung 
Jahwes, des wahren Königs, ein Abfall von dem Grundsatz, den 
nach Jud. 8 22 f. dereinst Gideon geltend gemacht hatte. Nur mit 
äußerstem Widerstreben hatte Samuel dem frevelhaften Ver- 
langen des Volks nach einem König zuletzt nachgegeben — Jah- 
we selbst befahl es ihm — aber nicht ohne die Ankündigung, 
daß sie dereinst vergeblich aufschreien würden wegen des Königs, 
den sie sich doch selbst erkoren. Die alte Auffassung kennt, wie 
gesagt, solche Bedenken noch nicht. Jahwe selbst hat nach ihr 
das Königtum gewollt ; allerdings hat auch er selbst das Unglück 
der Reichsspaltung verhängt. Denn in seinem Namen hat der 
Prophet Ahia von Silo Jerobeam dem I. die Loßreißung der 10 
nördlichen Stämme von Juda angekündigt. Ahia vertritt hier als 
Ephraimit naturgemäß den Standpunkt, der nachmals im nörd- 
lichen Reich herrschte: der eigentliche Erbe des Reiches Davids 
und Salomos ist das Reich der Zehnstämme, dem daher auch der 



l ) Vgl. hierzu JBöhmbb, Gottesgedanken in Israels Königtum. Gü- 
tersloh 1902. — KBudde, Die Schätzung des Königtums im A. T. Mar- 
burg 1903. 



154 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 12. 

Gesamtname Israel verblieb. Von ihm hat sich Juda getrennt; 
daher die Bitte im ephraimitischen Segen Moses (Deut. 33 7) : 
Erhöre, Jahwe, das Rufen Judas und bringe ihn zurück zu sei- 
nem Volk ! Dagegen liegt uns das Urteil der Judäer über die 
Reicbsspaltung in Jes. 7 17 vor : es war ein Unglück, eine Zeit 
schwerster Bedrängnis für Juda, als Ephraim von Juda abtrün- 
nig ward. 

Am Schluß dieser Uebersicht über die Organe des genuinen 
Jahwismus mag noch auf eine Tatsache hingewiesen werden, die 
einen wesentlichen Unterschied zwischen der Religion Israels auch 
auf dieser Stufe und den so vielfach nahe verwandten anderen 
Volksreligionen begründet. Abgesehen von den Priestern, deren 
Salbung und somit Geisteserfüllung für die vorexilische Zeit nicht 
zu erweisen ist, werden alle anderen Organe Jahwes durch die 
Einwirkung seines Geistes zur Ausübung ihres Berufs befähigt. 
Eine solche Einwirkung auf Seher und Propheten, die sie in ei- 
nen ekstatischen Zustand versetzt, kennt das Heidentum auch. 
Aber es kennt nicht die Einwirkung des Geistes Gottes, die den 
,Mann Gottes" treibt, auch ungerufen vor Könige zu treten und 
durch scharfe Verurteilung ihrer Sünde der beleidigten Gerech- 
tigkeit und Sittlichkeit Genugtuung zu verschaffen. Dadurch 
werden Nathan und Elia Vorläufer der eigentlichen Propheten 
und beweisen lange vor diesen, daß Jahwe immer und für alle 
Glieder seines Volks ein unbedingt sittliches Wesen ist; dies zu 
erkennen und allem Volke einzuschärfen ist die Hauptaufgabe 
derer, die der Geist Jahwes zu seinen Organen gemacht hat. 
Abermals müssen wir fragen : ist etwas ähnliches denkbar in der 
Religion eines Kemosch oder Milkom? 

§ 12. Kultus und Sitte. 

Zur Literatur: HWinckleb, Die Gesetze Hammurabis, Königs 
von Babylon um 2250 v. Chr. (deutsche Uebersetzung). 3. Aufl. Leipzig 1903. 
— FrBohn, Der Sabbat im A. T. und im altjüdischen relig. Aberglauben. 
Gütersloh 1903. — Oort, Das israelit. Pfingstfest. Theol. Tijdschr. 1904, 
S. 481 ff. — FrvHummelauer, Beitrag zum Gebrauch des Loses bei den 
Hebräern. Bibl. Ztschr. 1904, 3, S. 254—258. — CMommert, Menschenopfer 
bei den alten Hebräern. Leipzig 1905. — JMeinhold, Sabbath und Woche 
im A. T. Göttingen 1905. — BDEerdmanns, Das Mazzothfest. Fest9chr. 
für Nöldeke, S. 671—679. — GFörster, Die Neumondfeier im A. T. 
Ztschr. f. wiss. Theol. 49, 1 (1906), S. 1—17. — PStengel, Opferblut 
und Opfergerste. Herrn. 41, 2, S. 230—246. — SSudhaus, Lautes und 



§ 12.] Kultus und Sitte. 155 

leises Beten. Archiv f. ReL-Wiss. 9, 2 (1906), S. 185—200. — FrBbnne- 
witz, Die Sünde im alten Israel. Leipzig 1906. — JHehn, Siebenzahl 
und Sabbath bei den Babyloniern und im A. T. Leipzig 1907. (Leipz. 
Semitist. Studien.) — HGrimme, Das israelit. Pfingstfest und der Pleja- 
denkult. Paderborn 1907. — RKittel, Studien zur hebr. Archäologie 
und Rel. Gesch. : I. Der heil. Fels auf dem Moria u. seine Altäre. IL Der 
primitive Felsaltar u. seine Gottheit. III. Der Schlangenstein im Kidron- 
thal bei Jerusalem. IV. Der Kesselwagen des salomon. Tempels. (Beitr. 
zur Wissenschaft vom A. T. Heft 1.) Leipzig 1898. — EdMahleb, Der 
Sabbath. ZDMG 1908, I. S. 33—79. — HansMeinhold, Die Entstehung 
des Sabbaths. ZatW 1909, 2. S. 81—112. — EMadeb, Die Menschen- 
opfer der alten Hebräer und der benachbarten Völker. (Diss.) Freiburg 
i. B. 1909. — JHehn, Der israelit. Sabbath. 1. und 2. Aufl. (Bibl. Zeit- 
fragen gemeinverst. erörtert H 12.) Münster i. W. 1909. — AJeremias, 
Urim u. Tummim. Ephod, Teraphim. The Hilprecht Anniversary Vo- 
lume. Leipzig 1909, S. 223—242. 

In betreff des Kultus wurden Veränderungen gegenüber der 
vorigen Periode höchstens durch die bereits oben besprochene 
Uebernahme der alten kanaanitischen Heiligtümer herbeigeführt. 
Als Kultusstätte, was für diesen Zeitraum gleichbedeutend ist 
mit Opferstätte, dienen „Höhen" (hebr. bämöt) *), d. h. zunächst 
die in der Nähe der Ortschaften gelegenen Hügel und Anhöhen 
(so z. B. 1 Sam. 9 is. 10 s), dann aber auch Opferstätten auf ei- 
gentlichen Bergen, wie dem Oelberg, dem Karmel, dem Thabor ; 
sie alle werden gelegentlich als Kultstätten erwähnt. Daher be- 
zeichnen die Aramäer 1 Kön. 20 23 Jahwe als einen „Gott der 
Berge", den man mit Erfolg nur in der Ebene bekämpfen könne 
(vgl. auch Gen. 22 14, falls dort zu übersetzen ist : auf dem Berge 
erscheint Jahwe). Daß zu einer vollständigen Kultstätte außer 
dem Altar auch ein Malstein und eine Aschera, d. i. ein heiiger 
Pfahl, gehörte, war offenbar schon vorkanaanitische Kultsitte ; 
(vgl. darüber oben S. 27 f.). Da die Gegenwart der Gottheit durch 
die Massebe verbürgt war, bedurfte es nicht notwendig eines „bet 
}(B löhim u , d. h. einer Behausung des Gottesbildes. Solche „Höhen- 
tempel" erscheinen zwar öfter in dem Sündenregister Israels bei 
den Späteren (1 Kön. 13 32. 2 Kön. 17 20. 82. 23 19), werden aber 
in alter Zeit (als Mittel der Gewinnung von Orakeln !) auch aus- 
serhalb des Zusammenhangs mit den „Höhen" erwähnt. Dage- 
gen gedenkt 1 Sam. 9 22 einer liäkäh, d. h. eines gezimmerten 
Saals bei der Opferstätte, in dem man die Opfermahlzeit ver- 

l ) Vgl. dazu Piepbnbbing, Histoire des lieux de culte et du sacer- 
doce en Israel (Revue de Thist. des religions, Juill.-Aug. 1891) ; vGall, 
Altisrael. Kultstätten. Gießen 1898 (eine Erörterung von 106 Namen). 



156 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 12. 

zehrte. Daß übrigens bämäh auch das auf der Höhe errichtete 
Heiligtum bezeichnen konnte, geht daraus hervor, daß oft(lKön. 
11 7. 1423 etc.) von einem Erbauen, aber auch (2 Kön. 23 s) von 
einem Zertrümmern der bämöi die Rede ist. Letztere Stelle zeigt 
übrigens, daß eine bämäh auch in einer ganz geringen (künstlichen) 
Anhöhe bestehen konnte, da sonst nicht von bämöt am Eingang 
des Tores des Stadthauptmanns Josua die Rede sein könnte. 
Andrerseits lehrt 2 Kön. 23 15, daß die bämäh nicht identisch ist 
mit dem Altar. Der letztere kann, wie Ex. 20 24 ff. zeigt, beliebig 
aus Erde (d. h. wohl aus Rasen) oder aus Steinen errichtet sein; 
nur dürfen diese zur Vermeidung der Entweihung nicht mit ei- 
sernen Werkzeugen bearbeitet sein. Ebensowenig darf man auf 
Stufen zum Altar emporsteigen, da man sich sonst unziemlich 
entblößen könnte. Beide Bestimmungen sind offenbar ein Pro- 
test gegen eingerissene Neuerungen zu Gunsten alter einfacher 
Kultsitten, die noch keinen Einfluß der Kunst und höheren Kul- 
tur auf den Kultus kannten. Uebrigens ist Ex. 20 24 ff. ein un- 
widerlegliches Zeugnis dafür, daß den Urhebern des Bundes- 
buchs die Forderung eines Zentralheiligtums absolut unbekannt 
war *). 

Den Mittelpunkt des Kultus bildeten nach wie vor die Op- 
fer. Die ursprünglichste Bedeutung derselben (vgl. darüber 0. 
S. 20 ff.), die sakrale Gemeinschaft der Opfernden mit der Gott- 
heit und unter einander, kommt in dieser Periode nur noch in 
Gestalt der gemeinsamen Opfermahle 2 ) zum Ausdruck. Für sol- 
che liefern 1 Sam. 1 4 ff. und 9 12 ff. instruktive Beispiele. Nach 
letzterer Stelle sind die Teilnehmer an dem Opfermahl, ungefähr 
30 Personen, besonders geladen; dem Essen geht V. 13 ein Seg- 



l ) Den handgreiflichen Widerspruch mit der entgegengesetzten För- 
derung des Deut, sucht der MT Ex. 20 24 durch die Lesart b^iol-ham- 
mäqöm, „an dem ganzen Ort" zu beseitigen, als handle es sich doch um 
ein Zentralheiligtum. Der ganze Kontext fordert jedoch bebol-mäqöm, 
„an jedem Ort", und so lasen noch die Sept. 

*) Sie heißen bald einfach Pbähim, d. i. [zum Mahle dienende] 
Schlachtopfer (Ex. 18 12. 2 Sam. 15 12 u. a.) oder ¥läm%m Ex. 20 24. 1 Sam. 
11 15 u. a., vollständig aber ^bähim Mämim, d. h. Schlachtopfer in Ge- 
stalt von Schelamim = Opfern, Ex. 24 s u. a. Die Bedeutung des letz- 
teren Namens (Sing. Salcem nur Am. 5 22) ist noch immer streitig. Man 
hat die Wahl zwischen der Deutung „ Friedens- [Heils-] Opfer" d. h. Be- 
zeugung des Friedensstandes gegenüber der Gottheit, oder ,, Erstattungs- 
taiso Dank-)Opfer". 



12.] Kultus und Sitte. 157 

nen, also eine Art Tischgebet Samuels voran. Nach 1 Sam. 2 isf. 
schlachtete der Opfernde selbst und kochte das Fleisch ; doch 
konnte von diesem selbst der Anteil für den Priester erst dann 
genommen werden, wenn der Anteil Jahwes, das Fett, auf dem 
Altar angezündet war. Von der Sprengung des Bluts an den Al- 
tar ist an dieser Stelle keine Rede. Sie ist aber zweifellos als 
selbstverständlich vorausgesetzt : jedenfalls wird das Essen des 
Fleisches mit dem Blute 1 Sam. 14 «2 f. als ein schwerer Frevel 
betrachtet. Wie Fett und Blut der Mahlopfer fällt auch das 
Brandopfer oder Ganzopfer durchaus unter den Gesichtspunkt 
der erfreuenden Gabe und zwar der Speisedarbietung. Sehr 
deutlich tritt dies hervor in dem Opfer, das Gideon Jud. 6 is ff. 
dem Engel Jahwes darbringt. Er nennt es mit dem alten Namen 
für jede Art von Opfern eine minhäh, d. i. Gabe (vgl. Gen. 4 s ff.). 
Sie besteht in einem Ziegenböckchen und ungesäuertem Kuchen 
von einem Epha (ca. 40 Litern !) Mehl. Das gekochte Fleisch 
legt Gideon in einen Korb und tut die Brühe in einen Topf. So- 
dann legt er auf Geheiß des Engels Jahwes Fleisch und Kuchen 
auf einen Stein (dieser vertritt, wie 1 Sam. 1433, die Stelle des Al- 
tars!) und übergießt beides mit der Brühe. So ist das Mahl fer- 
tig angerichtet und wird von dem aus dem Felsen hervorschla- 
genden Feuer verzehrt. Ebenso bringt Manoah Jud. 13 10 dem 
Engel Jahwes ein Ziegenböckchen samt Zukost auf dem Felsen 
(V. ao heißt er Altar) als Brandopfer (V. ») dar. Beide Opfer, 
das Gideons wie das Manoahs, wären nach dem .Ritual des PC 
undenkbar ; um so mehr dürften sie den Opferbräuchen in der 
Zeit des Erzählers entsprechen. 

Uebrigens waren Brandopfer in diesem ganzen Zeitraum 
seltener, wenn sie auch bei ganz besonderen Anlässen in sehr 
großer Zahl dargebracht wurden. So opfert Salomo 1 Kön. 3 4 
nach seiner Thronbesteigung auf der „großen Höhe" bei Gibeon 
1000 Brandopfer und muß bei der Tempelweihe (8 64) den mitt- 
leren Teil des Vorhofs zur Opferstätte weihen, weil der Altar 
nicht alle die Brandopfer und das Fett der Mahlopfer zu fassen 
vermag. Weitere Opferarten werden (abgesehen von den allezeit 
dargebrachten Fruchtopfern, Ex. 23 19, zu denen auch das im 
Heiligtum regelmäßig erneuerte „Schaubrot" gehört, 1 Sam. 
21 5. 7) in diesem Zeitraum nicht erwähnt *). Wie Gen. 8 20 zeigt, 

l ) 1 Sam. 6 s ist 'ä§äm nicht ein „ Schuldopfer * im Sinne des PC, und 
* Kön. 12 17 ist gleichfalls nicht von eigentlichen Schuld- und Sund- 



158 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 12. 

dient das Brandopfer auch als Dankopfer ; nach 1 Sam. 7 9 (in 
Gestalt eines Milchlamms) als Sühn- und Bittopfer. Denselben 
Charakter tragen die Brandopfer, die von Saul 1 Sam. 13 » f. 
(neben Heilsopfern) als Inaugurationsopfer vor Beginn des Feld- 
zugs gegen die Philister gebracht werden, und das Opfer Davids 
auf der Tenne Arawnas (2 Sam. 24 22 ff.). Dagegen dienen 1 Sam. 
3 14 (Schlachtopfer und minhäh) und 26 10 (minhäh) allgemeinere 
Namen zur Bezeichnung von Sündopfern. — Ueber die in diesen 
Zeitraum fallenden Menschenopfer vgl. oben S. 22 f. ; über die 
auch für diese ganze Periode geltende Bedeutung der heiligen 
Lade S. 51 ff.; über die Institution des Bannes S. 24 ff. 

Aeußerst spärlich ist die Erwähnung von Pestzeiten — 
ein Beweis dafür, daß auch in diesem Punkte mehr die Sitte 
maßgebend war als gesetzliche Bestimmungen. Zwar ist nicht 
zu bezweifeln, daß schon die älteste Gestalt des Dekalogs ein 
Ruhegebot für den Sabbath enthielt (vergl. auch Ex. 34 21 in 
dem sogen, jahwistischen Dekalog), aber es ist bemerkenswert, 
daß es uns im Bundesbuch (Ex. 23 12; vergl. auch Deut. 5 m) 
nicht mit religiöser, sondern mit humanitärer Begründung ent- 
gegentritt, aus der Sorge für die Erholung von Rind und Esel, ' 
Sklave und Fremdling. In derselben Quelle (Ex. 23 10 f. findet 1 
sich bereits ein Ansatz zu der Feier eines Sabbathjahres: je im 7. 
Jahre sollen Aecker, Weinberge und Oelgärten — jedoch offen- 
bar nicht gleichzeitig, sondern jedesmal, wenn an sie die Reihe 
kommt — brach liegen bleiben, damit der freiwillige Ertrag 
den Armen und den Tieren des Feldes zugute komme. Auch 
hier ist also die Begründung eine humanitäre, nicht eine reli- 
giöse. , 

Neben dem Sabbath hat (und zwar weit über unsere Periode j 
hinaus) vor allem der Neumond festliche Bedeutung. Aus 
1 Sam. 20 5 ff. und 24 ff. ersieht man, daß der Neumond sogar 
zweitägig durch ein gemeinsames Opfermahl gefeiert wurde, und 
zugleich, daß man an einem Neumond gern die Jahresopfer gan- 
zer Geschlechter veranstaltete. 2 Kön. 4 23 aber wird vorausge- 
setzt, daß man Sabbathe und Neumonde (wo Reittiere zur Ver- 
fügung standen) gern zu Reisen zur Befragung von Gottesmän- 
nern benutzte. Uebrigens lehrt Am. 8 5, daß an den Sabbathen 



opfern, sondern von einem Geldbetrag die Rede, der den Namen 'ä§äm 
oder hatta't führt. 



§ 12.] Kultus und Sitte. 159 

und Neumonden nicht bloß die Feldarbeit, sondern auch Han- 
del und Wandel ruhte. 

Die drei regelmäßigen Jahresfeste sind uns — etwa abge- 
sehen vom Herbstfest — für unsere Periode eigentlich nur durch 
die gesetzlichen Bestimmungen im Bundesbuch (Ex. 23 u ff.) und 
— in fast gleichlautendem Text — Ex. 34 is ff. bezeugt. Dar- 
nach sollen alle Männer dreimal im Jahre vor Jahwe, d. h. an 
irgend einem Heiligtum, mit Gaben erscheinen, und zwar 1. am 
Fest der ungesäuerten Brote (ma§§6t), das siebentägig im 
Monat Abib, dem Aehrenmonat, zu feiern ist. Hier ist also der 
Pesach-Tagin dasMazzoth-Fest mit eingerechnet (vergl. über die 
ursprüngliche Bedeutung beider obenS. 31 ff.); doch zeigt 34 i» f. 
die Vorschrift über die Darbringung der Erstlinge vom Vieh, 
daß in diesem Gesetz vorher auch vom Pesach die Rede gewesen 
sein muß 1 ). Die Betonung des Monats Abib als des Monats des 
Auszugs aus Aegypten ist der erste Ansatz zu einer theokrati- 
schen, d. h. religionsgeschichtlichen Motivierung des Festes. 2. am 
Wochenfest (d. h., wie sich aus Deut. 16 9 ergibt, 7 Wochen 
nach dem Beginn der [Gersten-] Ernte) als dem Fest der Erstlinge 
der Weizenernte. 3. am Herbstfest, dem Fest der Obst- und 
Weinlese, am Ausgang des Jahres. Wochenfest und Herbst- 
fest waren als reine Erntedankfeste erst in Kanaan möglich. 
Eine Spur der Entlehnung dieser Feste von den Kanaanitern 
findet sich Jud. 9 27, wo das Fest der Weinlese unter dem Na- 
men hillittim, d. i. jubelnder Lobpreis, von den heidnischen 
Sichemiten gefeiert wird. Geschichtlich bezeugt ist uns auch 
für Israel nur das Herbstfest (Jud. 21 19 ff., wo es von den Jung- 
frauen Silos durch Reigentänze in den Weinbergen gefeiert wird, 
und höchstwahrscheinlich auch 1 Sam. 1 s). Dieses heißt daher 
öfter kurzweg das Fest, und zwar nicht bloß in den alten Stel- 
len Jud. 21 19. 1 Kön. 82 (es?), sondern sogar noch Hes. 45 25. 
Eine Datierung der Feste findet (abgesehen von der allge- 
meinen Ansetzung des Frühlingsfestes im Monat Abib) noch 
nicht statt 2 ). Man richtete sich, wie dies für Erntefeste natür- 



*) Nachträglich erscheint päsah noch Ex. 34 26 in der Bestimmung, 
daß das Fleisch des Pesachopfers nicht bis zum andern Morgen aufbe- 
halten werden soll. Es ist jedoch nicht ersichtlich, ob damit das Fleisch 
des Pas 8 ah -Lamm es gemeint ist. 

2 ) Wenn 1 Kön. 12 32 Jerobeam dem I. Schuld gegeben wird, daß er 
am 15. Tage des 8. Monats ein Fest eingerichtet habe, in der Weise des 



160 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 12. 

lieh ist, nach den Anforderungen , die Wetter und Klima mit 
sich brachten, und feierte darnach die Feste in den verschie- 
denen Gegenden zu verschiedenen Terminen. Dafür spricht 
die überaus häufige Wendung „ein Pest ausrufen", d.h. durch 
Ausrufen des Termins zur Begehung des Festes einladen. Für 
die selbstverständlichen Termine Sabbath und Neumond kam 
ein solches Ausrufen in Wegfall. 

Daß die Feste in alter Zeit ausnahmslos Freudenfeste wa- 
ren, geht aus zahlreichen Aussagen hervor. Festfeier und Sich- 
freuen vor Jahwe sind gleichsam identische Begriffe. Daß die 
Opfermahlzeiten, die (samt den Reigentänzen Ex. 32 6. Jud. 21 21; 
anderer Art ist der kultische Tanz unter Musikbegleitung 2 Sam. 
6 5) den Höhepunkt des Festes bildeten, leicht zu Ausschreitun- 
gen führten, bezeugt der Verdacht Elis (1 Sam. 1 is) und die 
starke Rüge Jesajas (287 f.). Noch schlimmer war, daß mit den 
Festen auch unzüchtige Kultsitten von den Kanaanitern über- 
nommen wurden. Hos. 4 is f. stehen Unzucht und Ehebruch in 
deutlichem Zusammenhang mit den Opfermahlen beim Höhen- 
kult unter allerlei Bäumen, und Am. 2 7 geht (wie Hos. 4 14) 
ebenso deutlich auf das Unwesen der sog. (f&e&öt oder Geweih- 
ten [Dirnen], die sich nach einer bei den heidnischen Semiten 
weit verbreiteten Sitte zu Ehren der Gottheit prostituierten. 
Nicht minder häufig werden auch männliche Hierodulen (q'deSm) 
erwähnt. Es kann leider nicht geleugnet werden, daß der Wahn, 
derartiges vertrage sich sogar mit demJahwismus, in Israel trotz 
des scharfen Protestes der Propheten und des Gesetzes ziemlich 
verbreitet gewesen sein muß. Zwar wird 1 Kön. 15 12 dem König 
Asa nachgerühmt, daß er die q'döäim (die 1 Kön. 14 24 schon für 
die Zeit Rehabeams bezeugt werden) aus Juda vertrieben habe. 
Doch ist nicht nur unter Josaphat 1 Kön. 22 47 von ihnen noch 
die Rede, sondern auch von Josia wird berichtet, daß er (623!) 
die Behausungen der q<de§im abgebrochen habe, die sich am 
Tempel Jahwes befanden. Letztere Angabe läßt doch unmög- 
lich eine andere Deutung zu, als daß dieses Unwesen im Zusam- 
menhang mit dem Jahwekult stand. Das Verbot Deut. 23 is 
könnte zur Not auf q d^tm und q'deäöt im Dienst einer heidni- 

Festes in Juda, so ist streitig, ob damit gesagt sein soll, daß man da- 
mals auch in Juda das Herbstfest im 8. (statt wie später im 7.) Monat 
feierte. Die Ansetzung am 15. Tage (wie im PC!) dürfte erst von dem 
Urheber dieser Notiz stammen. 



§ 12.] Kultus und Sitte. 161 

sehen Gottheit bezogen werden ; aber V. 19 lehrt deutlich, daß 
es nichts Ungewöhnliches war, den Verdienst dieser männlichen 
(hier „Hund* genannten) und weiblichen Hierodulen als Weih- 
geschenk in den Tempel Jahwes zu bringen. Dies wäre ganz 
widersinnig, wenn sie als im Dienste eines anderen Gottes stehend 
zu denken wären. 

Außerhalb des eigentlichen Kultus steht der Verkehr mit 
der Gottheit durch das Suchen und Erlangen eines Orakels. 
Schon oben (S. 95 f.) war von dem Zusammenhang der Gottes- 
bilder, des epod und Präßtm, mit dem Orakelwesen die Rede. 
Fraglich ist, ob mit dem Ephod schon damals die 'ürim und 
tummim in unzertrennlichem Zusammenhange standen (wie 
Ex. 28 so, wo sie in der Orakel-Tasche auf dem Ephod oder 
Schulterkleid des Hohenpriesters liegen). Die Bedeutung die- 
ser Namen ist ebenso streitig, wie die Beschaffenheit der damit 
bezeichneten Lose. Nur das steht fest, daß die '» und tum* 
mim schon in alter Zeit das heilige, nur von Priestern gehand- 
habte Los darstellen : Deut. 33 8. 1 Sam. 14 se. 41. 28 6 (wo 'ürim 
sicher nur Abkürzung für das vollständige 'ürim und tummim ist, 
wie Num. 27 21 in P). Für die Vermutung, daß 'ürim eine B e- 
jahung der Frage (besonders auch der Schuldfrage) ausdrückte, 
tummim aber eine Verneinung, spricht 1 Sam. 14 41, wo statt des 
verderbten MT mit Sept. zu lesen ist: „wenn diese Verschul- 
dung an mir oder meinem Sohne Jonathan haftet, .... so laß 
Urim erscheinen ; haftet sie aber an deinem Volk Israel, so laß 
Thummim erscheinen". Was die Beschaffenheit dieser Lose be- 
trifft, so hat man wohl an Steinchen zu denken (vergl. göräl, Los, 
eigentlich aber, wie das Arabische zeigt, „Kies, Stein chen u ), die 
in einer Urne geschüttelt wurden, bis eines „herauskam" (Jos. 
19 1 ff.). Für den Empfang des Orakels war ein Zustand der 
Gottwohlgefälligkeit Bedingung. Gegenüber dem, der unter dem 
Druck einer ungesühnten Schuld steht, schweigt das Orakel, 
auch wenn er sich die Schuld gar nicht selbst zugezogen hat ; 
so gegenüber Saul 1 Sam. 14 37 f. (wegen der Verschuldung Jo- 
nathans) und 28 6 (Saul befragt Jahwe, aber Jahwe antwortet 
ihm nicht, weder durch Träume, noch durch die '«nm, noch 
durch die Propheten). Denn der mit einer Schuld Behaftete ist 
so gut wie ein Unreiner, und ein solcher ist an sich von dem 
Nahen zu Gott und der Berührung gottgeweihter Dinge ausge- 
schlossen. Wie weit solche Reinheitsvorschriften (auch ohne ein 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 1 1 



162 Di 6 Relig. Israels in Kanaan vor -d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 12. 

geschriebenes Gesetz!) hinaufreichen, ersehen wir aus den zu- 
fälligen Erwähnungen 1 Sam. 20 m, wonach der Zustand der 
Unreinheit die Beteiligung am Neumond-Opfermahl ausschloß, 
und 21 ö ff., wo die geschlechtliche Enthaltung Bedingung für 
den Genuß heiligen Brotes ist 1 ). Wie tief derartige, durch die 
religiöse Sitte gebotenen Rücksichten in das tägliche Leben ein- 
schnitten, wird durch nichts besser illustriert, als durch den 
Sprachgebrauch, die männliche Bevölkerung in Kultfähige und 
Ausgeschlossene einzuteilen 1 ) und durch dieNennungbeider ihre 
Totalität hervorzuheben (1 Kön. 14 10. 21 21. 2 Kön. 9 8. 14 m. 
Deut. 32 sc). 

In betreff der Sittlichkeit dieses Zeitraums ist aber- 
mals auf das zu verweisen, was wir oben S. 38 über die Macht 
der Sitte in der ältesten Zeit zu bemerken hatten. Wenn aber 
bereits dort vorausgesetzt werden mußte, daß die Sitte nicht 
gänzlich außer Zusammenhang mit der Religion stand, so gilt 
dies in erhöhtem Maß von dem Zeitraum vor den Schriftpro- 
pheten. Es ist höchst bezeichnend, daß Nathan 2 Sam. 12 14, 
nachdem er als der Mund des beleidigten Volksgewissens David 
wegen seiner Verbrechen zur Rede gestellt hat, die eigentliche 
Schuld des Königs darin findet, daß er durch sein Tun Jahwe 
Verachtung bewiesen habe 8 ). Dies erfordert, obgleich ihm auf 
sein Sündenbekenntnis hin bereits Vergebung zugesagt ist, den 
Tod des Kindes der Bathseba als Sühne. 

Aus vereinzelten Taten der Leidenschaft kann um so weni- 
ger auf den allgemeinen Stand der Sittlichkeit geschlossen wer- 



*) Vgl. hierzu JCMatthes, De begrippen rein en onrein in het 0. 
T. in ThTijdschr. XXXIII, 293 ff. (es sind nach ihm „ Kultusbegriffe«, eine 
Antwort auf die Frage: wie bin ich fähig, Jahwe zu dienen?). 

a ) Diese Deutung von l äsür Wäzüb (eig. „ gehemmt und freigelassen*) 
bei RobektsonSmith, Rel. of the Semites 2 , S. 456: „he who is under 
taboo, and he who is free", verdient durchaus den Vorzug vor den 
früher üblichen Deutungen („Sklav und Freier" oder „ Unmündiger und 
Mündiger" oder „Stammesgenosse und familienlos", wie ASÄahuda in /<f- 
ZAW. 1902, S. 240 ff. mit viel Gelehrsamkeit zu beweisen sucht); vgl. be- 
sonders das „nce'sär* vor Jahwe 1 Sam. 21 8: „ eingeschlossen [gleichsam ,in 
Klausur"] vor J.". Auch la säräh, Festversammlung (Am. 5 21 u. a.) be- 
deutet höchstwahrscheinlich ursprünglich den Zustand des Gebunden- 
seins, nämlich durch die Verpflichtung zu gewissen Enthaltungen. 

8 ) So ist mit Sept. Luc. zu lesen. Der MT schiebt vor „Jahwe" noch 
ein „den Feinden [Jahwes]"; man deutet dies meist (gegen den Sprachge- 
brauch): „weil du die Feinde J/s zur Lästerung veranlaßt hast". 



§ 12.] Kultus und Sitte. 163 

den, als sie fast immer bei den Zeitgenossen die gebühren de Ver- 
urteilung erfahren. Die Tat Amnons gegen Thamar 2 Sam. 13 
fällt weniger unter den Gesichtspunkt der Blutschande, als den 
der Notzucht. Hält doch Thamar (V. w) selbst für möglich, 
daß sie, obgleich Halbschwester Amnons, ihm vom König zum 
Weibe gegeben werde, und Gen. 20 u erscheint es noch bei E 
unanstößig, daß Abraham seine Halbschwester Sara zum Weibe 
hat. Aber die Tat Amnons wird von Absalom durch seine 
Ermordung gesühnt, galt also diesem als ein schwerer Frevel. 
Er übt damit eine Art Blutrache aus, überschreitet aber dabei 
die Forderung der Sitte (ganz wie Joab 2 Sam. 3 27 ff. durch die 
heimtückische Ermordung Abners) und hat dies durch längere 
Verbannung zu büßen. 

Das getreuste Spiegelbild der Sitte und Sittlichkeit unserea 
Zeitalters bieten ohne Zweifel die Erzählungen von den Patriar- 
chen in Gen. 12 — 50. In diesen Gestalten sind uns in doppelter 
Hinsicht überaus lebenswahre Typen vor Augen gestellt, und 
zwar in Abraham eine Art von Ideal altisraelitischer Frömmig- 
keit, in Jakob die empirische Erscheinung des alten Israeliten 
mit ihren Vorzügen, aber auch mit ihren Schattenseiten x ). Wir 
lassen hierbei auf sich beruhen, ob die Geschichten von Abra- 
ham in ihrer jetzigen Gestalt nicht ziemlich viel später ausge- 
bildet sind, als die von Jakob-Israel, dem Typus des Charakters 
des gleichnamigen Volkes. Jedenfalls gehören beide in den 
Bereich unserer Periode. Von beiden gilt aber vor allem, daß 
ihr Tun und Lassen keineswegs bloß durch die Sitte, son- 
dern ganz ausdrücklich auch durch religiöse Motive bestimmt 
wird. Das ganze Leben Abrahams ist in beiden alten Penta- 
teuch-Quellen unter den Gesichtspunkt einer fortgesetzten Prü- 
fung seines Glaubens und Gehorsams gestellt. Im Glauben an 
die Verheißung Jahwes wandert er aus seinem Vaterland in un- 
bekannte Ferne, willigt er in die Verstoßung Ismaels und zeigt 
sich sogar zur Opferung des spätgeborenen einzigen Sohnes 
bereit. Mag letztere Erzählung (Gen. 22) ursprünglich auf ir- 
gend eine Kultsage, 2 ) zurückgehen, in ihrer jetzigen Gestalt ist 

*) Von Isaak können wir hier absehen, da er im Vergleich mit 
Abraham und Jakob fast durchweg eine passive Rolle spielt. 

2 ) Nach Gtjnkbl (Kommentar zur Genesis) ist sie die Kultsage der 
Opferstätte zu Jeruel und will einfach berichten, wie dort an die Stelle 
einstiger Kinderopfer bloße Widderopfer getreten seien. 

11* 



164 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 12. 

sie laut V. 1 der Bericht über die letzte und schwerste Glaubens- 
probe, der Abraham von Gott unterworfen wird. Daß er sie 
glänzend besteht, wird ihm V. is als ein Beweis wahrhafter Got- 
tesfurcht angerechnet. Sehr bemerkenswert ist, daß schon 15 e 
dem Abraham nicht irgend eine Tat, sondern das gläubige Ver- 
trauen auf Jahwe als „Gerechtigkeit", d.h. als ein Erweis wahr- 
hafter Frömmigkeit angerechnet wird. Mit gutem Recht schöpft 
der Apostel Paulus (Rom. 4 i ff.) daraus den Beweis, daß schon 
die Gerechtigkeit Abrahams in der Genesis in ganz evangeli- 
scher Weise nicht auf ein Verdienst der Werke gegründet werde. 
Wie bei Abraham fehlt es auch bei Jakob trotz seines ganz an- 
dersartigen Charakters nicht an Proben jener Demut und Er- 
gebung, in denen sich wahrhafte Gottesfurcht und Frömmigkeit 
zu erkennen gibt. So in dem herrlichen Bekenntnis (Gen. 32 11 J) : 
„Ich bin nicht wert aller der Wohltaten und aller Treue, die du 
deinem Diener bewiesen hast", wie in dem ergebungsvollen Wort 
43 14 und den schönen Dankesworten 48 n. u f. Ein Seitenstück 
dazu bildet der Ausdruck tiefster Ergebung im Munde Davids 
2 Sam. 15 m f. und 16 11 f. Und auf welcher hohen Stufe sitt- 
licher Beurteilung des Tuns und der Schicksale der Menschen 
steht nicht das Wort Josephs (Gen. 50 20), in dem er gleichsam 
die Summe zieht von seinen und seines Vaters Schicksalen: „Ihr 
freilich sännet Böses wider mich ; Gott aber hat es zum Guten 
gewendet, um . . viele Menschen am Leben zu erhalten !" Die 
Erkenntnis, daß Gott auch die Sünden der Menschen seinen 
guten Zwecken dienstbar macht, ohne daß dadurch die sittliche 
Verantwortlichkeit der Menschen im geringsten gemildert wird, 
ist die einzig würdige und religiös befriedigende Lösung des 
scheinbaren Widerspruchs, der sich zwischen der Allwirksam- 
keit Gottes und der sittlichen Freiheit des Menschen auftut, und 
es gehört nicht zu den geringsten Zeugnissen für den göttlichen 
Faktor in der Religion Israels, daß sie diese Lösung schon so 
früh gefunden hat. 

Von dem, was sonst an Abraham gerühmt wird, mag man 
die eifrige Gastfreundschaft Gen. 18 1 ff. (wie in noch höherem 
Maße diejenige Lots 19 1 ff.) am ehesten auf Rechnung der Sitte 
setzen. Dagegen urteilt man gewiß im Sinn des Erzählers, wenn 
man seine weitgehende Friedfertigkeit und Uneigennützigkeit 
(Gen. 13 7 ff.), sowie seine unermüdliche Fürbitte sogar für die 



§ 12.] Kultus und Sitte. 165 

lasterhaften Sodomiter als eine Frucht seiner Religiosität be- 
urteilt. 

Zu allen diesen Zeugnissen eines hohen sittlichen Stand- 
punkts in den Patriarchenerzählungen scheint es nun sehr wenig 
zu stimmen, wenn auch bedenkliche sittliche Mängel und Ver- 
fehlungen ohne Tadel berichtet werden. Abraham lügt (Gen. 12 is. 
20 2; ebenso Isaak 26 7), wenn er sein Weib für seine Schwester 
ausgibt, Jakob betrügt zuerst den Zwillingsbruder in raffinierter 
Weise um den Erstgeburtssegen, sodann Laban um den Ertrag 
seiner Herden. Ist da nicht das Urteil gerechtfertigt, daß Gott 
mit zweierlei Maße mißt, daß dem Israeliten gegenüber den 
Volksfremden, dem von Gott Erwählten gegenüber den Verwor- 
fenen alles erlaubt ist, ohne daß es ihm als Sünde angerechnet 
wird? 

Zur richtigen Beantwortung dieser Frage ist zweierlei in 
Betracht zu ziehen. Erstlich: es gehört in der Tat zu den 
Grundsätzen antiker Ethik, von denen sich auch Israel nur 
schwer und spät befreit hat, daß gegenüber dem Volksfremden 
durchaus nicht dieselben sittlichen Pflichten gelten wie gegen 
den Volksgenossen. Insbesondere List und Betrug unterliegen 
im ersteren Fall nicht derselben Beurteilung, wie im letzteren. 
Sie erscheinen vielmehr als eine Pflicht der Selbsterhaltung, zu- 
mal man selbst auch von dem Fremden, wenn es in seiner Macht 
steht, nur Schädigung und Uebervorteilung zu erwarten hat. In 
der Idee des Volksgottes aber liegt es (wenigstens für die ältere 
naive Anschauung), daß er im Streite der Seinen mit den Frem- 
den für jene Partei ergreift und sie durch rücksichtsloses Ein- 
greifen nicht bloß in ihren Rechten, sondern überhaupt in ihren 
Interessen schützt, wie es Jahwe Gen. 12 17 gegenüber dem Pha- 
rao und nach 20 17 gegenüber Abimelech tut. 

Im engsten Zusammenhang damit steht aber zweitens: es 
handelt sich wenigstens in den Jakobsgeschichten gar nicht um 
individuelle Taten und Erlebnisse, sondern um Beziehungen von 
Volk zu Volk, und zwar Israel einerseits zu den Edomitern, an- 
dererseits zu den (durch Laban repräsentierten) Aramäern. Die 
Esaugeschichten sind der naive Niederschlag der Gedanken, die 
man sich in sehr alten Zeiten darüber gemacht hat, warum der 
notorisch erstgeborne, d. h. vor Israel zu Seßhaftigkeit und An- 
sehen gelangte Bruder dennoch von dem jüngeren überflügelt 
wurde. Und von den Aramäern hatte Israel seit alten Zeiten 



166 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§12. 

so viel Feindseligkeiten erfahren, daß man es wohl begreifen 
kann, wie die Uebervorteilung des habsüchtigen Aramäers 
durch Jakob als ein gutes Recht betrachtet werden konnte, an 
dessen Ausübung man seine helle Freude hatte. 

Bei alledem muß aber schließlich noch die Frage aufge- 
worfen werden : ist es wirklich wahr, daß die oben angeführten 
Beispiele von sittlich Anstößigem durchweg ohne ein Wort des 
Tadels und der Mißbilligung berichtet werden? Hier ist zu- 
nächst festzustellen, daß die E-Quelle mehrfach im Gegensatz 
oder doch in Abweichung von J einen Bericht bietet, in dem der 
Anstoß, wenn nicht ganz beseitigt, so doch möglichst gemildert 
ist, — ein Beweis dafür, daß wenigstens gegen Ende unseres 
Zeitraums jenen alten Erzählungen gegenüber ein feineres sitt- 
liches Empfinden zum Durchbruch kam. Sara ist nach E tat- 
sächlich die Schwester Abrahams von Vaters Seite (Gen. 20 12) ; 
Abraham hat also nicht gelogen. In die Austreibung Hagars und 
Ismaels willigt er bei E (21 iif.; vergl. dagegen 16 6 bei J) nur 
sehr schwer und erst auf ausdrücklichen Befehl Gottes. In dem 
Handel zwischen Laban und Jakob ist nicht dieser, sondern aus- 
schließlich Laban der Betrüger und Gewalttätige (31 4 ff.) 1 ). 
Buben rät zwar, Joseph in die leere Zisterne zu werfen, aber 
nur um ihn zu retten. Die Brüder verkaufen Joseph nicht (so J), 
sondern vorüberziehende Midianiter stehlen ihn aus der Zisterne 

(37 22. 23 b _- 21. 28« c . 29 f. 40 15 a ). 

Hierzu kommt jedoch noch eine andere Tatsache. Man hat 
mit Recht geltend gemacht, daß es die Eigentümlichkeit einer 
bestimmten Erzählungsform in der Sagengeschichte sei, jedes 
direkte Urteil über die dargestellten Handlungen zu vermeiden, 
es aber indirekt durch einen der Beteiligten aussprechen zu las- 
sen. So rügt Abimelech Gen. 20» f. (E) scharf das Verfahren Abra- 
hams und 26 9 f. (J) dasjenige Isaaks. 27 12 spricht es Jakob 
selbst aus, daß er durch das Betrügen seines Vaters dastehen 
werde wie einer, der mit dem Heiligen seinen Spott treibt und 
dafür Fluch statt des Segens verdient. 

Aber nicht bloß die Erzählungen aus diesem Zeitraum, son- 
dern auch die älteste Sammlung gesetzlicher Bestimmungen, das 

*) Ganz verkehrt beseitigte die ältere Harmonistik den Widerspruch 
zwischen 31 4 ff. und 30 37 ff. [J] durch die Annahme, daß Jakob 31 4 ff. 
seine Weiber belüge. Hier liegt vielmehr die ganz ernstgemeinte, Ja- 
kob völlig entlastende Darstellung der Ereignisse durch E vor. 



§ 12.] Kultus und Sitte. 167 

sogenannte Bundesbach, enthält bemerkenswerte Zeugnisse für 
eine sittliche Gesinnung, die nur auf dem Boden einer höher 
stehenden Religion sich bilden konnte. Wahre Ehrfurcht vor 
den Eltern läßt es als ein todeswürdiges Verbrechen erscheinen, 
sie zu schlagen oder zu verwünschen (Ex. 21 u. 17). In Rechts- 
händeln ist strengste Gerechtigkeit und Unparteilichkeit zu üben 
(23 1 f. 6 f.). Milde und Barmherzigkeit gebührt dem Armen 
(22 24». 25 f.), Schutz vor Härte und Gewalttat dem Fremdling 
(22 «0. 239) und selbst dem Sklaven (21 »o.ie f.); soll er doch schon 
wegen eines ihm ausgeschlagenen Zahns die Freiheit erhalten. 
Der Sabbath soll vor allem ein Ruhetag für Vieh, Gesinde und 
(als Löhner beschäftigte) Fremdlinge sein. Und wenn 23 4 f. ge- 
boten wird, den verirrten Ochsen oder Esel des Feindes diesem 
zurückzubringen und ihm bei der Aufrichtung des unter seiner 
Last zusammengebrochenen Esels behilflich zu sein, so ist das 
allerdings noch nicht das christliche Gebot der Feindesliebe, 
aber doch eine Vorstufe dazu. Denn es fordert ein Nieder- 
kämpfen des fleischlichen Hasses und der Schadenfreude, eine 
Selbstverleugnung, von der der natürliche Mensch und die na^ 
türliche Ethik nichts weiß. Wohl aber wird sie gefordert von 
dem Gott, der über das Tun und Lassen seines Volkes wacht 
und jeder Art von Unrecht und Bedrängnis abzuhelfen trachtet. 
Denn offenbar nicht bloß von dem Armen gilt der Ausspruch 
2226: „Wenn er mich aber um Hilfe anruft, so will ich ihn er- 
hören, denn ich bin barmherzig!" 

Seit der Auffindung des Dioritblockes mit dem Gesetzbuch 
des babylonischen Königs Hammurabi sind viele Hände ge- 
schäftig gewesen, nicht bloß die erhebliche Priorität dieses Ge- 
setzbuchs (um 2300 v. Chr.) vor der ältesten Kodifikation in 
Israel zu erweisen, sondern auch seine höhere Bedeutung in allen 
Fragen des Rechts und der sozialen Ordnungen geltend zu ma- 
chen. Wir räumen gerne ein, daß die Gesetze Hammurabis viel- 
fach weit kompliziertere gesellschaftliche Zustände Voraussetzen, 
als die für eine schlichte Bauernbevölkerung berechneten Be- 
stimmungen des Bundesbuchs, und daß infolge dessen die juristi- 
sche Technik Hammurabis vielfach auf einer höheren Stufe 
stehen mag. Aber zu einem wahrhaft gerechten Urteil über beide 
Gesetzbücher gelangt man nicht durch die Vergleichung der 
beiden gemeinsamen Materien, sondern durch den Blick auf die 
Sätze, die das Bundesbuch vor dem babylonischen Gesetz voraus 



168 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 13. 

hat. Das sind aber die Sätze in bezug auf Arme, Fremdlinge, 
Sklaven und Feinde, auf die wir oben hingewiesen haben, Sätze, 
zu denen wir in den 282 Paragraphen Hammurabis vergeblich 
nach Parallelen suchen. 

g 13. Anthropologisches und Weltanschauung. 

Zur Literatur: CPTible, Die Kosmogonie der Avesta und Gen. I. 
Archiv f. ReLWiss. VI, 3 (1903), S. 244 f. — BMakb, Der Baum der Erkennt- 
nis. Dux 1904. — A Wünsche, Die Sagen vom Lebensbaum und Lebens- 
wasser. Altoriental. Mythen. Leipzig 1905. — FSchwally, Die biblischen 
Schöpfungsberichte. Archiv für Rel.Wiss. IX, 2 (1906), S. 159—175. — 
AWünsche, Schöpfung und Sündenfall des ersten Menschenpaares im judi- 
schen und moslem. Sagenkreise mit Rücksicht auf die Ueberlieferungen in 
der Keilschriftliteratur. Leipzig 1906. — ThEngekt, Die Urzeit der Bibel 
I. Die Weltschöpfung. München 1907. — HGbessmann, Mythische Reste in 
der Paradieserzählung. Arch. f. R.W. X (1907), S. 345—367. — EKautzsch, 
Der alttest. Ausdruck nephesch met. Philothes. f. P. Kleinert. Berlin 
1907. — REisleb, Weltenmantel und Himmelszelt. ReLgesch. Unter- 
suchungen zur Urgeschichte des antiken Weltbildes. 2 Bde. München 1910. 

Unter dieser Doppelüberschrift soll noch alles das behan- 
delt werden, was nach moderner Auffassung den wissenschaft- 
lichen Standpunkt eines Zeitalters ausmacht, nach antiker und 
besonders auch israelitischer Auffassung aber in so engem Zu- 
sammenhang mit der Religion steht, daß es in einer Geschichte 
der Religion nicht übergangen werden kann. Und zwar handelt 
es sich einerseits um die anthropologischen bezw. psychologischen 
Anschauungen dieses Zeitalters mit Einschluß der Vorstellungen 
von den Zuständen nach dem Tode, andrerseits um die Vorstel- 
lungen von der Entstehung und dem Zweck der Welt, dem Ver- 
hältnis des Menschen zur Tierwelt, dem ersten Zeitalter, wie 
nicht minder von der Zukunft, auf die der gegenwärtige Welt- 
lauf zusteuert. Wie anderwärts treten uns die Vorstellungen 
von allen diesen Dingen nicht in lehrhaften Aussagen, sondern 
im Gewand der Erzählung (so namentlich in den aus J stam- 
menden Bestandteilen von Gen. 1 — 11) oder auch in gelegent- 
lichen Erwähnungen entgegen. Die letzteren setzen fast immer 
die betreffenden Anschauungen als allbekannt voraus und ent- 
halten sich deshalb einer näheren Erklärung oder Beschreibung. 
Leider werden wir dadurch über manche wichtige Frage im 
Dunkeln gelassen. 

Eine Unterscheidung zweier Hauptbestandteile der mensch- 
lichen Persönlichkeit, eines leiblichen und eines geistigen, 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 169 

mußte sich sofort einstellen, sobald man den tiefen Unterschied 
zwischen einem lebenden und einem toten Körper wahrnahm. 
Die Leiblichkeit war wenigstens unmittelbar nach dem Tode 
ganz dieselbe wie vorher. Worin hatte das entflohene Leben sei- 
nen Sitz gehabt? Die nächstliegende Antwort war: im Atem! 
Der Augenschein lehrt, daß mit dem letzten Atemzug das Le- 
ben verschwindet ; umgekehrt erfolgt die Wiederbelebung eines 
Toten dadurch, daß der Atem wieder in ihn zurückkekrt (1 Kön. 
17 ti f.) *). Daneben stoßen wir noch auf eine andere, gleich- 
falls tiefeingewurzelte Vorstellung: daß der Sitz des Lebens 
im Blut e zu erblicken sei. Allerdings treten uns ausdrückliche 
Aussagen darüber erst viel später (Deut. 12 2s. Lev. 17 u) ent- 
gegen. Aber die uralte Verpönung des Blutgenusses (1 Sam. 
14 8s ff.) hatte sicher im alten Israel keinen andern Sinn als an- 
derwärts auf semitischem Boden : sie entsprang aus der Scheu, 
mit dem Blute ein anderweitiges Leben in sich aufzunehmen. 
Zwar konnte dies unter Umständen, wie z. B. bei Verbrüder- 
ungen, in ältester vormosaischer Zeit auch bei Opfermahlen 
(vergl. darüber oben S. 21) erwünscht sein, war aber, so weit 
wir es zurückverfolgen können, im Bereich des Jahwismus aus- 
geschlossen. Uebrigens beruhte die Vorstellung vom Blute als 
dem Sitz des Lebens offenbar auch auf der Beobachtung, daß 
mit dem einer Wunde entströmenden Blute die Lebenskräfte 
sichtlich abnehmen und schließlich ganz schwinden, — eine Be- 
obachtung, die immer aufs neue beim Schlachten von Tieren 
gemacht we rden konnte. 

*) Der deutlichste Beweis für die Gleichsetzung von Atem und Le- 
ben liegt darin, daß im Hebräischen (wie in anderen Sprachen; vergl. 
Sanskrit ätman, Atem, Geist, Seele; griech. nveOfia = Hauch, Wehen; 
ebenso lat. animus und anima, spiritus) die Begriffe Hauch, Wind, Atem, 
Seele, Geist durch dasselbe Wort ausgedrückt werden. So heißt ruah 
ebenso der Wind, der die Wasser der Flut austrocknet (Gen. 8 i), wie 
der göttliche Lebensodem, der bei der Schöpfung über den Wassern 
schwebt (1 2), oder der Lebensodem im Innern des Menschen. Ebenso 
gilt vom hebr. ruepaä, daß es bald den Atem, bald den Lebensgeist im 
Menschen, die Seele und die seelischen Funktionen (z. B. das Verlangen, 
die Gier nach etwas), aber auch kurzweg das Leben und schließlich auch 
das Lebewesen oder (beim Menschen) die Person, ja vermöge eines un- 
genauen Sprachgebrauchs sogar „die Person eines Toten" oder ohne 
den Genetiv einen „Leichnam* (Lev. 19 28. 224 u. a.) bezeichnen kann. 
Natürlich ist es ein grober, wenn auch tiefeingewurzelter Mißgriff, in 
Bibelübersetzungen alle diese mannigfaltigen Bedeutungen stets mit dem- 
selben Worte wiederzugeben, wie z. B. ncepceS überall durch „Seele". 



170 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 13. 

Von der Bedeutung, die jene Theorie vom Blut in der letz- 
ten Periode für die Theorie vom Opfer gewann, wird später noch 
zu reden sein. Unserem Zeitraum erschien eine andere Frage 
wichtiger : die nach dem Ursprung des Lebensodems, von dessen 
Besitz und Verlust Leben und Tod des Leibes abhängt. Die 
Antwort, die uns das alte Testament auf diese Frage gibt, und 
die das Fundament der alttestamentlichen Psychologie bildet, 
hängt aufs engste mit der Religion, genauer dem Gottesbegriff 
des Jahwismus, zusammen. Ihrer Erörterung haben wir jedoch 
noch eine allgemeine Bemerkung vorauszuschicken. Die Darstel- 
lungen der sogenannten biblischen Psychologie l ) leiden fast alle 
an dem Fehler, daß sie dogmatische Vorurteile eintragen und an 
Stelle einer scharfen Beobachtung des Sprachgebrauchs vielmehr 
fertig mitgebrachte Systeme im A. T. nachweisen wollen. Beson- 
ders nachteilig war das Bestreben, beiden Testamenten genau die- 
selben Anschauungen zuzuschreiben, während doch die Psycholo- 
gie des Alten Testaments auf dichotomischer, die des Neuen da- 
gegen größtenteils auf trichotomischer Grundlage beruht. Halten 
wir uns an den Wortlaut der Grund- und Hauptstelle, Gen. 27, so 
belehrt uns diese in Form der Erzählung, daß Jahwe zuerst au8 
Erdkrümchen (nicht „Staub") vom Ackerboden einen Menschen 
(proleptisch anstatt „einen menschlischen Leib") formte, sodann 
in seine Nasenlöcher Lebensodem blies, und so der Mensch zu 
einem lebendigen Wesen ward. Darnach besteht kein Zweifel, 
daß Gen. 2 t eine Dichotomie der menschlichen Persönlichkeit 
vorausgesetzt ist. Seinem leiblichen Substrat nach ist der Mensch 
Erde und muß darum nach seinem Tode wieder zu Erde werden 
(3 19) ; sein Lebensodem aber stammt direkt aus einem Einhauch 
göttlichen Lebensodems und verschwindet wieder beim Tode des 

l ) Von den hierher gehörenden Spezialwerken fußt Beck, Umriß 
der biblischen Seelenlehre (Stuttg. 1843, 3. Aufl. 1871) zum Teil auf 
Roos, Fundamenta psychologiae ex sacra scriptura collecta (1769; deutsch 
1857: Grundzüge der Seelenlehre aus der heil. Schrift); auf Beck be- 
ruht großenteils Wöenek, Bibl. Anthropologie (Stuttg. 1887). Nicht 
ohne eine gewisse Beimischung von Theosophie ist FbanzDelitzsch, 
System der bibl. Psychologie (Leipz. 1855 ; 2. Aufl. 1861). Unbefangenere 
Darstellungen bieten: Wendt, Die Begriffe Fleisch und Geist im bibli- 
schen Sprachgebrauch. Gotha 1878. Westphal, Chair et esprit. Tou- 
louse 1885. Eine sehr gründliche und gediegene Erörterung aller ein- 
schlägigen Fragen bietet JKöbeele, Natur und Geist nach der Auffas- 
sung des A. T. Eine Untersuchung zur historischen Psychologie. München 
1901. 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 171 

Menschen, wenn Gott seinen Lebensgeist wieder „an sich zieht" 
— nur daß diese „Rückkehr des Geistes zu Gott, der ihn gege- 
ben hat" (Eccl. 12 7) nicht etwa nach Maßgabe der christlichen 
Unsterblichkeitshoffnung als ein Hingehen des individuellen Men- 
schengeistes zu Gott zu denken ist, sondern als ein Wiederauf- 
gehen in den das ganze Weltall durchflutenden schöpferischen 
Gottesgeist. Man könnte hier an die pantheistische Lehre von 
der Weltseele denken — wenn nicht der alttestamentliche Gottes- 
begriff mit seiner energischen Betonung der lebendigen Persön- 
lichkeit Gottes jeden solchen Gedanken unbedingt ausschlösse. 
Wie das menschliche, so beruht auch das tierische Leben 
durchaus auf dem Besitz des göttlichen Lebensgeistes. Darüber 
lassen Stellen wie Ps. 104 29 f. Hi. 34 14 f. keinen Zweifel : Jah- 
we ist „ein Gott der Lebensgeister alles Fleisches" (Num. 16 22. 
27 ie). Um so mehr drängt sich die Frage auf, worin dann eigent- 
lich der Unterschied des Menschen vom Tier besteht, der doch 
unter allen Umständen vorausgesetzt sein muß. In der Art der 
Entstehung beider liegt dieser Unterschied wenigstens nach J 
nicht. Während P (Gen. 1 20 ff.) Wassertiere und Vögel einfach 
durch den Schöpfungsbefehl Gottes ins Dasein treten, die Land- 
tiere aus der Erde hervorgehen läßt, berichtet J (2 10) ganz wie 
bei dem Menschen (V. 7) ein Formen, also eine Einzelschöpfung, 
der Tiere. Einer Beseelung durch den Einhauch des göttlichen 
Lebensodems gedenkt er jedoch bei den Tieren nicht, und nur 
darin könnte — wenn überhaupt eine Reflexion über diese Frage 
anzunehmen ist — der Unterschied zwischen Mensch und Tier 
erblickt werden : der Mensch hat den Lebensodem unmittelbar 
von Gott empfangen und hat ebendarum an dem göttlichen We- 
sen und Leben weit mehr direkten Anteil als das Tier, bei dem 
wohl nur eine generelle Beseelung (der ganzen Gattung) ange- 
nommen wurde. Durch die Annahme einer unmittelbaren Be- 
seelung des Ersterschaffenen durch Gott gab man der Erkennt- 
nis Ausdruck, die sich — wenn auch ohne klarbewußte philoso- 
phische Terminologie — offenbar frühzeitig eingestellt hat : daß 
nur der Mensch ein Individuum und somit ein zu individueller 
Gemeinschaft mit Gott befähigtes Wesen, das Tier dagegen im- 
mer nur ein Exemplar seiner Gattung darstellte. Uebrigens hat 
J die Inferiorität der Tierwelt gegenüber dem Menschen Gen. 
2 19 f. noch auf einem anderen Wege zum Ausdruck gebracht, 
wenn er die Tiere ganz ausdrücklich um des Menschen willen ge- 



1 72 Diö Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 13. 

schaffen und von diesem benannt sein läßt, jedoch mit dem Er- 
gebnis, daß sich unter ihnen kein dem Menschen entsprechendes 
und darum zu einer „Hilfe" für ihn taugliches Wesen findet. 

Aus der unmittelbaren Beseelung des Ersterschaffenen darf 
jedoch nicht gefolgert werden, daß ein Gleiches für jedes einzelne 
menschliche Individuum vorausgesetzt werde. Mit Unrecht hat 
man dem A. T. diesen sogenannten „Kreatianismus" aufgebür- 
det, nach dem Gott zu jeder neu erzeugten Leiblichkeit eine be- 
sondere Seele erschafft und (etwa am 40. Tage) mit dem Embryo 
vereinigt. Vielmehr setzt das A. T. von Anfang an den sogen. 
Traduzianismus voraus : der Erzeuger des Leibes setzt damit zu- 
gleich auch den Keim des Lebens oder der Seele. Ohnedies wäre 
die Annahme unmöglich, von der das A. T. zweifellos beherrscht 
ist, daß sich durch die Zeugung auch die sittliche Gebrechlich- 
keit, der Hang zur Sünde, von den Eltern auf die Nachkommen 
vererbe. Das ist nicht Erbsünde in dem Sinn, wie sie bei Augu- 
stin und auch in protestantischen Bekenntnisschriften noch er- 
scheint, nämlich als Zurechnung der Schuld Adams an alle seine 
Nachkommen, wohl aber Erbsünde in dem allgemeineren Sinne, 
nach dem sie den starken Hang zum Sündigen bezeichnet, der 
mit der menschlichen Natur unzertrennlich verbunden und so- 
mit durch die Abstammung von gleichgearteten Wesen über- 
kommen scheint. So begreift sich, daß der Hinweis auf diese er- 
erbte sündliche Anlage meist als ein Motiv der Sündenvergebung 
geltend gemacht wird. Gott kann angesichts der Tatsache, daß 
„das Trachten des menschlichen Herzens böse ist von seiner Ju- 
gend an" (Gen. 821) nicht den strengsten Maßstab der Beurtei- 
lung anlegen. Neben Ps. 51 7, dem locus classicus für diese Lehre 
vom Angeborensein der Sünde („siehe, in Schuld bin ich ge- 
boren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen") kom- 
men hierfür besonders in Betracht: Hi. 14 4 („wie könnte ein 
Reiner von Unreinen kommen? Nicht einer!"); 15 14. 254 ff. — 
späte Stellen, die aber sichtlich nichts anderes ausdrücken wollen, 
als was schon Gen. 8 21 von J gemeint ist. 

Wenn in den zuletzt angeführten Stellen gefragt wird : „wie 
könnte [vor Gott] rein sein der Weibgeborene?" so lehrt uns 
dies, wie der Zusammenhang zwischen Abstammung und Sünd- 
haftigkeit näher gedacht worden ist. Die letztere ist als ethische 
Gebrechlichkeit die naturgemäße Folge der physischen Ge- 
brechlichkeit des Leibes. Der Mensch ist im engeren Sinn Ab- 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 173 

kömmling des Weibes, des schwächeren, physischen Beschwer- 
den stärker unterworfenen Geschöpfs. Von ihm erbt der Mensch 
wie die physische (Hi. 14 i) so auch die sittliche Gebrechlichkeit. 

Nach alledem lag es nahe, das materielle Substrat der 
menschlichen Persönlichkeit, das Fleisch oder den Leib (das 
hebr. bäsär kann beides bezeichnen) geradezu als den Sitz der 
Sünde zu fassen, genau entsprechend der neutestamentlichen 
aap£, der unleugbar dieser Nebenbegriff anhaftet. Aber trotz des 
Scheins, der durch Stellen wie Gen. 6 s entsteht, ist diese An- 
nahme irrig. Wohl ist das Fleisch oder der Leib vermöge seines 
Ursprungs von der Erde her ein Bild der Hinfälligkeit und Ver- 
gänglichkeit (vgl. dazu den charakteristischen Gegensatz Jes. 31s : 
ihre [der Aegypter] Rosse sind ja Fleisch, nicht Geist!) und der 
Gedanke daran verknüpft sich fast immer mit der überaus häu- 
figen Wendung „alles Fleisch", d. h. entweder alle Menschen 
oder alle irdischen lebendigen Wesen. Daß aber das Fleisch, ob- 
schon Anlaß auch zu sittlicher Schwäche, nicht an sich als sünd- 
lich und darum als unrein gedacht ist, geht unwiderleglich daraus 
hervor, daß es beim Opfer als Gabe an Gott verwendet wird : eine 
solche könnte nimmermehr an sich unrein sein. 

Die oben erwähnte Neigung, dem A. T. eine Trichotomie 
der menschlichen Persönlichkeit anzudichten, beruht fast aus- 
schließlich auf der irrigen Auffassung der ncepces, vulgo „Seele", 
und ihres Verhältnisses zum rüah, vulgo „Geist". Diese Unter- 
scheidung von Seele und Geist gab natürlich immer wieder An- 
laß, die tatsächlich vorhandene Dichotomie von Leib (oder 
„Fleisch") und Lebensgeist zu verkennen. Das Richtige ist: so 
lange der göttliche Lebensodem außerhalb des Menschen ist, 
kann er niemals ncepceS heißen, sondern nur rüah (vollständi- 
ger rüah hajjirn, d. i. Geist oder Hauch des Lebens, wofür in 
gleicher Bedeutung, z. B. Gen. 2 7, auch niämat hajjirn steht). Da- 
gegen kann der in den Menschenleib eingegangene und in ihm sich 
manifestierende Lebensodem so wo hl rüah als ncepceä heißen. 
Beide wechseln im dichterischen Parallelismus so, daß dieselben 
Funktionen bald der ncepceä, bald dem rüah zugeschrieben wer- 
den. Dadurch ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich in ge- 
wissen Wendungen des Sprachgebrauchs nur einer der beiden 
Ausdrücke festgesetzt hat oder doch mit Vorliebe gebraucht wird. 
Uebrigens wechseln beide im Parallelismus sehr häufig auch mit 
Üb „Herz" oder „Sinn, Gesinnung", auch „Verstand oder Ein- 



174 Die Relig. Israels in Kanaan vor <L Zeit d. Schriftpropheten. [§ 13. 

sieht" ; denn dem Hebräer galt das Herz, nicht der Kopf, als 
Sitz des Intellekt«. Keinesfalls aber darf der Gebrauch von n<z- 
ßceä, wonach es einzelne seelische Funktionen oder auch einen 
Komplex solcher bezeichnet, verwechselt werden mit der Bedeu- 
tung „Person oder Lebewesen 4 * (und sogar „Leichnam" ; vgl. o. 
S. 169 Anm. 1). In dieser Bedeutung könnte nceßaä niemals durch 
rüah oder leb ersetzt werden. 

Die religiöse Bedeutung der anthropologischen Anschauun- 
gen, die uns in der oben dargelegten Dichotomie entgegentreten, 
liegt auf der Hand. Alles, was sich in irgend einer Weise als 
Geist und Leben zu erkennen gibt, wird zu Gott in direkte Be- 
ziehung gesetzt und hat in ihm — und nur in ihm — seinen Ur- 
sprung. Das Paulinische „in ihm leben, weben und sind wir 8 
(Act. 17 28) entspricht genau den Voraussetzungen der alttesta- 
mentlichen Psychologie. Diese verfährt in der Herleitung alles 
menschlichen Denkens, Wollens und Tuns so konsequent, daß 
sie nicht bloß von einem „Geist 44 (rüah, d. i. hier so viel wie Prin- 
zip, Neigung oder auch Befähigung zu etwas) der Weisheit, Er- 
kenntnis und Gottesfurcht (Jes. IIa), der Kunstfertigkeit und 
Geschicklichkeit (Ex. 28 s), sondern auch von einem Geist der 
Eifersucht (Num.öu), des Schwindels (Jes. 19m), des tiefen 
Schlafs (29 10) usw. redet, und zwar häufig (so in den beiden Je- 
sajastellen) als einem direkt von Jahwe gesandten. Er läßt einen 
„bösen Geist", d. h. einen Geist der Zwietracht, zwischen Abi- 
melech und die Bürger von Sichern kommen (Jud. 9 aa) und eben- 
so Saul nach dem Weichen des Geistes Jahwes von einem „bö- 
sen Geist 44 , d. h. einem Geist des Trübsinns oder Wahnsinns, er- 
griffen werden (l Sam. 16 u) *). In diesem Theorem von der All- 
wirksamkeit des Geistes, und zwar des unmittelbar von Gott ema- 
nierenden Geistes, liegt eines der stärksten Zeugnisse für die Le- 
bendigkeit und Würde des altisraelitischen Gottesbegriffs. Er ist 
nicht erst eine Frucht der prophetischen Verkündigung, sondern 
von ihr bereits vorgefunden, vielfach verwertet und, wo es nötig 
schien, noch vertieft und von Auswüchsen gereinigt. 

Der Frage nach dem Wesen und den Bestandteilen der 
menschlichen Persönlichkeit konnte sich auch anderwärts das 



*) Vom trichotomiachen Standpunkt aus müßte dies etwa ausgedrückt 
sein: es verließ ihn die Vernunft, während die Funktionen der Seele 
fortdauerten. Aber die hebräische Auffassung kennt eben eine solche 
Unterscheidung von ruah und ncepceS nicht! 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 175 

antike Denken nicht entziehen. Sie drängte sich samt den Be- 
obachtungen, die zu ihrer Beantwortung anleiten, immer aufs 
neue auf und übte besonders auch auf die Sprachschöpfung ihre 
Wirkung aus. Nirgends aber standen wohl die Versuche zur Lö- 
sung des Problems in so engem Zusammenhang mit der Religion, 
wie dies in Israel der Fall war. 

Anders verhält es sich mit den Fragen aus dem Bereich der 
Anthropologie, die sich auf die Bestimmung des Menschen, auf 
das Ziel der Entwicklung der Menschheit oder doch eines ein- 
zelnen Volkes beziehen. Fragen dieser Art setzen eine höhere 
Entwicklung des Denkens und vor allem eine reiche geschicht- 
liche Erfahrung voraus. Dem Naturmenschen liegen Reflexionen 
über seine Bestimmung gänzlich fern, und auch da, wo bereits 
Anfänge staatlicher und sozialer Ordnungen vorliegen, hält er sich 
an das empirisch Gregebene und fragt nicht nach dem Woher? und 
Warum? Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk an bestimm- 
ten Wohnsitzen und unter dem Schutz eines bestimmten Volksgot- 
tesist ihm so selbstverständlich wie die Beschäftigung, die ihm den 
Lebensunterhalt gewährt. Aber was der Reflexion des Einzelnen 
fernliegt, das hat schon in uralter Zeit das Volksgemüt in seiner 
Gesamtheit beschäftigt und zu jenen tiefsinnigen Spekulationen 
geführt, die uns heute in der Form des Mythus, d. h. der Ein- 
kleidung spekulativer Gedanken in Geschichte, entgegentreten. 
Auch das Volk Israel entbehrt solcher Mythen nicht. Es ist auch 
in diesem Stück dem Prozeß unterworfen gewesen, den wir bei 
allen alten Völkern beobachten können : daß sie aus vorgeschicht- 
licher Zeit einen Schatz von Mythen und Sagen mit herüberge- 
bracht, diesen aber dann auf ihrem Boden in besonderer Weise 
ausgestaltet und zum Teil umgebildet haben. Die Art, wie dies 
geschehen ist, gibt über das innerste Wesen des Volksgemüts die 
wertvollsten Aufschlüsse. Wir stehen hier vor der Tatsache, 
daß in diesem Punkte Israel eine einzigartige Stellung ein- 
nimmt. Es hat die von fremdem, heidnischem Boden über- 
nommenen Mythen in einer Weise umgebildet und mit wahrhaft 
religiösem Gehalt erfüllt, daß sie für immer zu einem Bestand- 
teil der Religion Israels geworden sind. Wir wollen jene Um- 
bildung nicht so verstanden wissen, daß sie gleichsam als das 
zufällige Ergebnis des der Menschheit innewohnenden Drangs 
zu religiöser und philosophischer Spekulation zu betrachten 
sei, sondern als eine Frucht des Geistes Gottes, der in Israel 



176 Diö Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 13. 

in besonderer Art waltete. Daß sich aber der Geist Gottes 
jener Einkleidung der tiefsten religiösen Gedanken in die Form 
kindlich naiver Erzählungen bediente, erscheint uns so wenig 
anstößig, daß wir in dieser Akkommodation an das mensch- 
liche Verständnis vielmehr ein Zeugnis hoher göttlicher Päda- 
gogie und Weisheit erblicken. Diesgiltin ganz besonderem Maße 
von dem Mythus, der uns hier zunächst angeht, der Erzählung 
vom Paradies und dem Sündenfall, Gen. 2 und 3. Denn er will 
eine Antwort geben auf die Frage nach der ursprünglichen Be- 
stimmung des Menschen und nach den Gründen des tatsächlichen 
jetzigen Zustands. 

Während die Herleitung der biblischen Erzählung vom 
Sündenfall *) aus einer babylonischen Vorlage trotz mehrfacher 
Versuche bis heute unbeweisbar ist, kann ihr Zusammenhang mit 
der parallelen Erzählung in der Zendreligion keinem Zweifel un- 
terliegen. Daß aber die letztere nicht als eine spätere Trübung 
des (nach orthodoxer Auffassung) streng geschichtlichen bibli- 
schen Berichts bezeichnet werden kann, geht schon daraus her- 
vor, daß die dualistische Grundlage, d. h. der in der Zendreligion 
wesentliche Gegensatz eines guten und bösen Gottes, in der ur- 
sprünglichen Erzählung deutlich eine maßgebende Rolle gespielt 
hat. Der hebräische Erzähler hat diesen Dualismus, der neben 
seinem Gottesbegriff schlechterdings keinen Raum hatte, nur 
mühsam dadurch beseitigt, daß er die Schlange (im Zendmythus 
Verkörperung des bösen Gottes) zu einem Geschöpf Gottes macht 
gleich allen anderen Tieren. Dabei bleibt dann freilich die Frage 
unbeantwortet, wie gerade dieses Geschöpf Gottes dazu kommt, 
aus der Reihe der anderen heraus und in einen feindseligen Ge- 
gensatz zu dem Schöpfer zu treten. 

Wir verzichten hier auf eine Analyse der Erzählung als ei- 



*) Daß sich die Vorstellung vom Paradies und seinen vier Strömen 
an östliche (babylonische?) Mythen anlehnt, unterliegt wohl keinem 
Zweifel ; ebensowenig, daß die Beschreibung der Ströme Gen. 2 10 — w ein 
jüngerer Einsatz in die ältere Erzählung ist. In bezug auf diesen Ein- 
satz (nicht in bezug auf den ganzen Mythus !) mag Stade („ Der Mythos 
vom Paradies Gen. 2. 3 und die Zeit seiner Einwanderung in Israel", 
ZAW 1903, S. 172 ff.) Recht haben, wenn er ihn nicht vor der Mitte des 
8. Jahrhunderts aufgenommen sein läßt. Religiöses Interesse hat an der 
Beschreibung des Paradieses nur das, was zur Vorbereitung der Erzäh- 
lung vom Sündenfall dient ; das übrige fällt für unsere Zwecke außer 
Betracht. 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 177 

ner unübertrefflichen „Hamartigenie". Nur das bemerken wir, 
daß wir in diesem Punkte, dem Nachweis des Zustandekommens 
der Sünde in jedem einzelnen Menschen, nicht mit zahlreichen 
Neueren die tiefste Bedeutung der Erzählung erschöpft finden 
können, ebensowenig aber auch in dem Nachweis, wie der Mensch 
aus dem Zustand ursprünglicher Rohheit und Unbewußtheit zu 
bewußter Freiheit und Kultur emporgestiegen sei. Vielmehr 
war und ist die christliche Dogmatik in ihrem Recht, wenn sie in 
Gen. 3 einen Sündenfall, d. h. den Ursprung der Sünde und da- 
mit des Uebels in der Welt geschildert findet. Der ursprüngliche, 
von Gott gewollte Zustand war der einer ungetrübten Gemein- 
schaft mit Gott, der im Bereich des Wohnsitzes der ersten Men- 
schen, im Garten Eden, auch seinen Wohnsitz hatte. Die Wur- 
zel der Sünde ist der Hochmut, der über die von Gott gezogenen 
Schranken eigenwillig hinausstrebt und den Ungehorsam gegen 
das wohlverstandene Verbot Gottes erzeugt. Die Frucht des Un- 
gehorsams aber ist der Verlust der bisherigen innigen Gemein- 
schaft mit Gott, ein Hinausgestoßensein aus seinem Wohnsitz 
in ein Leben voll endloser Arbeit und Mühsal, und als letztes 
Ende der Tod an Stelle der früher offen gelassenen ewigen Le- 
bensdauer. Wenn man diesen Mythus einen Klagelaut über den 
Verlust des Paradieses genannt und mit dem griechischen Mythus 
vom goldenen Zeitalter in Parallele gestellt hat, so ist beides 
nicht unberechtigt. Nur darf man dabei die Hauptsache nicht 
vergessen: den Nachdruck, der im biblischen Bericht auf die 
verhängnisvolle Bedeutung der Sünde und ihre schlimmste Folge, 
den Ausschluß aus dem Garten Eden, d. h. aus der Gemeinschaft 
mit Gott, gelegt wird. Hier treten uns nicht bloß — wie sonst 
so häufig im Mythus — Ahnungen, sondern Erkenntnisse tief 
religiöser Natur entgegen. 

Wenn wir oben behaupteten, daß die Fragen nach dem 
Wesen und der Bestimmung des Menschen in der Urzeit eines 
Volkes der Reflexion des Einzelnen fern liegen und sich erst auf 
einer höheren Stufe der Entwickelung einstellen, so müssen wir 
doch eine Ausnahme gelten lassen : die Frage nach dem letzten 
Schicksal, dem der Mensch nach dem Tode des Leibes verfällt. 
Wir haben diese Frage bisher nur gestreift bei der Besprechung 
etwaiger Ueberbleibsel eines einstigen Animismus in der vormo- 
saischen Religion Israels. Wir fanden dort, daß der Glaube an 

E. Kautzseh, Biblische Theologie d. A. T. 12 



178 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 13. 

die Existenz von Schattengestalten oder „ Totengeistern" vor 
allem in den Traumerscheinungen Verstorbener eine kräftige 
Stütze erblicken mußte. Hier haben wir es dagegen mit dem gan- 
zen Vorstellungskreise von der Scheol 1 ) oder Unterwelt, dem Ver- 
sammlungsort der Toten, zu tun. Daß wir nicht schon früher 
darauf eingegangen sind, hat seinen Grund darin, daß Erwäh- 
nungen der Scheol erst in unserer Periode nachweisbar sind und 
daß wir keinen sicheren Anhalt dafür haben, daß der Scheol- 
Glaube bereits für die mosaische oder sogar vormosaische Zeit 
vorauszusetzen sei. Unmöglich wäre dies nicht, doch ist auch das 
nicht ausgeschlossen, daß der ganze Vorstellungskreis erst auf 
kanaanitischem Boden von Israel vorgefunden und übernommen 
worden ist. Dafür könnte sprechen, daß die mit dem Scheol- 
Glauben in engstem Zusammenhang stehende Totenbeschwörung 
allen Spuren nach den Israeliten gleichfalls erst in Kanaan be- 
kannt geworden ist. Dadurch ist die schließliche Zurückführung 
auf babylonischen Ursprung nicht ausgeschlossen 2 ). Nur läßt 
sich nicht beweisen, daß sich der babylonische Einfluß, wie jetzt 
oft behauptet wird, erst in der Zeit Salomos geltend gemacht 
habe. Vielmehr machen die ältesten Erwähnungen der Scheol 
(Gen. 37 86. 42 ss [fast gleichlautend 442». si]. Num.l6so. ss; wohl 
durchweg J) durchaus den Eindruck, als ob es sich um eine alt- 
bekannte und daher keiner näheren Beschreibung bedürftige 
Vorstellung handle. Aus den alten Stellen läßt sich nichts wei- 
ter entnehmen, als daß die Scheol als ein unterirdischer Raum 
gedacht ist, da man zu ihr „hinabsteigt". Man wird indes nicht 
bezweifeln können, daß auch die beiden anderen ständigen Cha- 

*) In betreff der Etymologie möge hier die Bemerkung genügen, 
daß sowohl die Ableitung von dem Stamme iä'aZ, fragen, fordern (als 
der Ort, der alles Lebendige zu sich fordert), wie die Herleitung von 
dem Stamme &z'aZ in der angeblichen Bedeutung „hohl sein* (also „Höhle") 
unhaltbar ist. Vielmehr liegt eine Wurzel U zugrunde, die den Be- 
griff des Auseinanderklaffen und des Sichhinabsenkens in sich schließt 
Somit liegt in hebr. ä '61 die Idee eines unterirdischen Hohlraums. Da- 
durch ist nicht ausgeschlossen, daß die Form fr' öl in der angegebenen 
Bedeutung erst Hebraisierung eines Fremdworts ist und zwar nach Zim- 
mern (bei Beer, Der bibl. Hades, S. 15) des babylon. schilp]än, Westen ; 
auch nach dem Henochbuch (22 i) liegt die Scheol im Westen. 

2 ) Vgl. über die unleugbaren Berührungen zwischen dem babyloni- 
schen und israelitischen Scheol- Glauben bes. AJeremias, „Die babylo- 
nisch-assyrischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode** (Leipz. 1887) 
und „Hölle und Paradies bei den Babyloniern". 2. Aufl. Leipz. 1903. 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 179 

racteristica der Scheol, die dort herrschende dichte Finsternis 
und die Unmöglichkeit einer Rückkehr von dort, von Anfang an 
unzertrennlich mit der Scheol- Vorstellung verbunden gewesen 
sind 1 ). Die detaillierten Aussagen aber gehören sämtlich erst 
der späteren und spätesten Zeit an 2 ), und es ist schwer zu sagen, 
ob sie (wie z. B. die kühne Schilderung Jes. 14 9 ff. oder der An- 
satz zur Unterscheidung eines Tartarus innerhalb der Unterwelt, 
Hes. 32 28. Jes. 14 15 ; ob auch Hos. 13 m?) auf Rechnung fremd- 
ländischen Einflusses oder selbständigen dichterischen Dranges 
zu setzen sind. Die Entscheidung darüber wird noch dadurch 
erschwert, daß sich in die Vorstellung von der Scheol fortwäh- 
rend Bilder einmischen, die von der Grabesruhe hergenommen 
sind (vergl. bes. Jes. 14 11 inmitten einer ganz anders lautenden 
Schilderung!). Dies rechtfertigt indes nicht die Annahme, daß 
mit Scheol — wenigstens ursprünglich — überhaupt nichts an- 
deres als das Grab gemeint sei. Allerdings wird die Idee eines 
Versammlungsortes der Abgeschiedenen aus der Anschauung 
des geräumigen Höhlengrabes, in dem etwa ein ganzes Ge- 
schlecht von Zeitgenossen beigesetzt war 3 ), immer neue Nahrung 

*) Die vom Volksglauben angenommene, aber außerhalb des Jahwis- 
mu8 stehende Zitierung von Totengeistern durch Totenbeschwörer, wie 
1 Sam. 28 3 ff., bleibt hierbei außer Betracht. 

2 ) Aus der sehr umfänglichen Literatur über diesen Gegenstand 
lieben wir hervor: FBöttchek, De inferis rebusque post mortem futuris 
ex Hebraeorum et Graecorum opinionibus. Vol. I (Hebraica complectens ; 
mehr ist nicht erschienen). Dresden 1846. Obschon vielfach veraltet, 
ist das Werk noch heute als Kommentar zu allen einschlagenden Stellen 
nützlich. — BStade, Ueber die alttestam. Vorstellungen vom Zustand 
nach dem Tode. Lpz. 1877. — ABebtholet, Die israelit. Vorstellungen 
vom Zustande nach dem Tode. Freiburg 1899. — RHChables, A criti- 
cal history of the doctrine of a future life in Israel, in Judaism and in 
Christianity or hebrew, jewish and Christian eschatology. Lond. 1899. 
— LAubert, La vie apr&s la mort chez les Israelites. Rev. de Thöol. 
et Philos. 1902, S. 140 ff. — GBeeb, Der biblische Hades (in „Theolog. 
Abhandlungen zu Ehren H. J. Holtzmanns*). Tüb. 1902. — Vgl. außerdem 
die oben S. 8, Anm. 1 zu der Streitfrage über Animismus und Ahnen- 
kult angeführten Werke von Schwallt, Fbey, Gbüneisen, Matthes. 

3 ) Daher stammt ohne Zweifel der ziemlich häufige Ausdruck „ver- 
sammelt werden zu seinen Vätern (auch : zu seinem Volk oder zu seinen 
Stammesgenossen)" oder „eingehen, sich legen zu seinen Vätern" Gen. 
25 8. 35 29. 49 29. 83. Deut. 32 50. Jud. 2 10. 1 Kön. 2 10. Immerhin lehrt die 
Verwendung dieser Formel auch bei Abraham, Mose und Aharon, sowie 
David, daß sie auch in weiterem Sinn, also vom Eingehen in die Scheol,. 
gebraucht wurde. Daß man auf die Vereinigung der Gebeine mit denen 

12* 



180 Die Relig. Israels in Kanaan vor <L Zeit cL Schriftpropheten. [§ 13. 

geschöpft haben. Es lag zu nahe, die im Leben vereinigten auch 
dort in Verkehr miteinander zu denken. Aber Stellen wie 
Gen. 37 ss schließen den Gedanken an eine Gemeinschaft im 
Grabe aus. 

Die Frage nun, welcher Bestandteil des Menschen nach dem 
Tode in die Scheol eingehe, ist vom Standpunkt der oben darge- 
legten, im A. T. herrschenden (dichotomischen) Auffassung aus 
überhaupt nicht zu beantworten. Denn der Leib wird ins Grab 
gelegt und hier durch die Verwesung aufgelöst. Der Lebensodem 
kehrt zu Gott zurück und mit seiner Trennung vom Leibe hört 
dieser auf, eine nceßceS, ein Lebewesen, zu sein. Wenn nun trotz- 
dem überall vorausgesetzt wird, daß beim Tode ein undefinierba- 
res Etwas von der Persönlichkeit in die Scheol hinabsteigt und 
dort zwar nicht eigentlich fortlebt, aber doch fortvegetiert, 
so läßt sich dies nur so erklären, daß die alte Scheol- Vorstellung 
bereits fest eingewurzelt war, als die mit ihr unverträgliche, nach- 
mals herrschend gewordene Auffassung entstand. Die letztere 
gehört offenbar dem Jahwismus an, die erstere dagegen ist ein 
Ueberbleibsel vor- oder außerjahwistischer Einflüsse und mit dem 
Manenglauben der Griechen eng verwandt. Beim Tode des Men- 
schen löst sich gleichsam ein Abbild, ein Schattenriß der Ge- 
samtpersönlichkeit vom Leichnam ab, des Blutes und daher des 
wirklichen Lebens ermangelnd, unsichtbar — außer etwa in 
Traumerscheinungen und infolge von Totenbeschwörung — und 
für immer an die Scheol gefesselt. Daß man die Schatten genau 
in dem Zustand und Aussehen gedacht habe, in dem sich der 
betreffende Mensch im Augenblick des Todes befand, und daß 
man deshalb Verstümmelungen des Leibes so sehr gefürchtet 
habe, läßt sich nicht beweisen. Wohl aber zeigt 1 Sam. 28 w 
der Talar Samuels, daß man die Schatten im allgemeinen in dem 
Zustand dachte, in dem man ihr Urbild auf Erden zu sehen ge- 
wohnt gewesen war. 

Nach der jetzt herrschenden Ansicht hätte sich die alte 

der Anverwandten Wert legte (2 Sam. 21 12 ff.)» erklärt 8ich zur Genüge 
daraus, daß dies als die ehrenvollste und zugleich sicherste Art der 
Bestattung erschien. Dagegen wurde die Versagung eines Begräbnisses 
als ein schweres Unglück empfunden (vgl. 2 Sam. 21 10. Jer. 22 19 und 
die häufige Drohung, daß die Leichen den wilden Tieren und Vögeln 
zum Fräße dienen sollen). Ohne Zweifel fürchtete man (wie die Grie- 
chen), daß der Totengeist des Unbegrabenen ruhelos umherirren müsse, 
anstatt in die Scheol einzugehen. 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 181 

Scheol- Vorstellung noch bis zuletzt in der ausdrücklichen Bezeich- 
nung dieses Schatten wesens als ncepceä erhalten. Wir hätten dann 
zu den oben besprochenen Bedeutungen von naßceä (im menschli- 
chen Leibe besonderter Lebensgeist und daher „Leben**, aber auch 
„Person** oder „Lebenswesen ft ) noch eine dritte, ganz andersar- 
tige Bedeutung anzunehmen 1 ). Dafür scheint in der Tat zu 
sprechen, daß noch in späten Stellen ganz ausdrücklich von einem 
Hinabsteigen der ncepeeä in die Scheol oder von ihrem Aufenthalt 
darin oder endlich von ihrer Errettung aus der Scheol die Rede 
ist(Ps. I610. 304.49 is.86 13.8949. Prov. 23 14 ; vergl. auch Ps.94i7, 
wo statt ^61 poetisch dümäh, Stille). Aber in allen diesen Stellen 
kann ncepteä ganz wohl als „Leben** oder (wie auch anderwärts 
oft) als einfache Umschreibung des Personalpromen („meine 
Seele** = »ich** oder „mich**) verstanden werden. So bedeutet 
Ps. 16 10 einfach „du wirst mein Leben (oder „mich**) nicht der 
Scheol überlassen, d. h. du wirst mich nicht sterben lassen! 
Ps. 30 4 müßte nach Schwally etc. bedeuten: du ließest den 
Schattenriß meiner Person, der bereits in der Scheol war, wieder 
heraufsteigen. In Wahrheit ist er gar nicht gestorben, son- 
dern sein Leben schien nur bereits der Scheol verfallen, wurde 
aber noch rechtzeitig vor ihr bewahrt. Beruft man sich aber für 
ncepceg met oder das bloße ncepoeS in der angeblichen Bedeutung 
„Totenseele" auf den Gegensatz von ncepceS hajjäh, „lebendige 
Seele** (Gen. 2 7 u. a.), so übersieht man, daß ncepceä mM oder 
abgekürzt nceßceg in den betreffenden Stellen nichts anders heißt 
als „Leichnam": dieser, durch dessen Berührung man sich 
verunreinigt, ist doch etwas ganz anderes, als der unsichtbare, 
alsbald in die Scheol eingehende Schattenriß der lebendigen Per- 
sönlichkeit, ncepceä met in der Bedeutung „Leichnam** beruht 
einfach auf der sehr häufigen Abschwächung der Bedeutung 
„Person" zu dem Begriff „irgendjemand** (vergl. z. B. Lv. 2 1: 
wenn jemand Jahwe ein Speisopfer darbringt; 5 s. 7 is etc.); des- 
gleichen steht ncepceä hajjäh, Lebewesen, nicht im Gegensatz zu 
einer anderen Seinsform der n(epce§ y sondern ist ein Pleonasmus 
zur schärferen Hervorhebung der Hauptsache, ganz so wie unser 



*) So besonders Schwally, Das Leben nach dem Tode, S. 7 ff. 
(ruepaS met Lev. 21 n. Num. 6 6 nach Schwally = „Totenseele*); der- 
selbe auch im Archiv für Relig.-Wissensch. IV, 2, S. 181 ff. ; Stärk, 
nephesch chajja und nephesch met, in den Theol. Stud. u. Krit. 1903, 
S. 156 f. („Die nephesch stirbt nicht, sondern wechselt ihre Seinsform"). 



182 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ IS. 

Ausdruck „lebendige Persönlichkeit", bei dem niemand an den 
Gegensatz einer „ toten Persönlichkeit" denkt. Uebrigens spricht 
gegen die Annahme Sch Wallys u. a. schon der Umstand, daß 
sich nirgends, wie man doch bestimmt erwarten müßte, der Plu- 
ral von ncepceS für Manengeister findet. Sie heißen seit dem Exil 
(zuerst wohl Jes. 149)r*j>ä'im,d. h. wahrscheinlich „die Schlaffen", 
aber niemals n pä&öt. 

Daß die ganze Scheol- Vorstellung, wie oben bemerkt, außer- 
halb des ursprünglichen Jahwismus steht und allezeit zwar ein 
Stück des Volksglaubens, aber nicht der eigentlichen Religion 
Israels gewesen ist, zeigt sich nicht bloß in der scharfen Verwer- 
fung der Totenbeschwörung (als des Anhängsels einer anderen 
heidnischen Religion), sondern vor allem in der Ablehnung j e- 
der Beziehung der Sch eol- Bewohner zu den Dingen und Ord- 
nungen der Oberwelt, insbesondere zu denen der Theokratie. 
Nur der Lebende ist ein Glied derselben und hat Anteil an ihren 
Segnungen; mit dem Tode ist jede Brücke zu ihr abgebrochen. 
In der Scheol kann man Gott nicht mehr loben oder ihm danken 
(Ps. 6 e. 30 10. 115 17. Jes. 38 is f.); aber auch Gott gedenkt der 
Schatten nicht mehr, noch tut er Wunder an denen, die im „Lande 
der Vergessenheit" sind (Ps. 88 e. n ff.). Sie kümmert auch nicht 
das Schicksal ihrer Kinder (Hi. 14 ai. 21 21). „Denn weder lW, 
noch Berechnung, noch Erkenntnis, noch Weisheit gibt es in 
-der Scheol, wohin du gehen wirst" (Eccl. 9 10) *). Mit alledem 
steht es nicht in Widerspruch, wenn sich nach Prov. 15 11. Hi. 26 6 
die Allwissenheit, nach Ps. 139 8 sogar die Allgegenwart Gottes 
auch auf die Scheol erstreckt. Dies ist die notwendige Konse- 
quenz der höchsten Stufe des Gottesbegriffs; eine direkte Bezieh- 
ung Gottes zu den Bewohnern der Scheol ist damit nicht aus- 
gesagt. 



*) Es mag sein, daß diese Auffassung der Scheol erst der jünge- 
ren, vom Prophetismus beeinflußten Periode angehört (so Charles, Cri- 
tical history etc., s. 0. S. 179 Note 2), während die ältere Zeit einen Einfluß 
der Totengeister auf die Oberwelt für möglich hielt. Allerdings haben 
wir für letztere Annahme keinen anderen Beweis als die von den Pro- 
pheten (vgl. Jes. 819) streng verworfene Praxis der Totenbeschwörung. 
Daß aber die ältere Anschauung, wie Chaeles annimmt, aus dem Ahnen- 
kult herausgewachsen sei, läßt sich nach dem oben (S. 8 ff.) von uns 
Ausgeführten zum Mindesten nicht beweisen. Dasselbe gilt von Beebs 
Annahme („Der bibl. Hades", S. 3 ff.), daß der Scheol-Glaube ein Rest 
des Kultus unterirdischer Götter und Dämonen sei. 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 183 

Trotz ihres nur sehr losen Zusammenhangs mit dem ursprüng- 
lichen Jahwismus enthält doch die Scheol-Vorstellung — so gut 
wie der Hadesglaube der Griechen und alle die verwandten Er- 
scheinungen in anderen Religionen — ein wichtiges religiöses 
Moment. Die Zähigkeit, mit der sie sich durch alle Jahrhunderte 
trotz ihrer Unvereinbarkeit mit der herrschenden aiithropologi- 
schen Voraussetzung (s. o.) behauptet, ist ein starkes Zeugnis für 
die Tatsache, daß sich das natürliche menschliche Denken gegen 
die Vorstellung von der völligen Vernichtung der lebendigen 
Persönlichkeit auflehnt — müßte es sich auch mit einem trauri- 
gen Surrogat wirklichen Fortlebens begnügen. Auch in einem 
solchen sind fruchtbare Keime zu einem späteren Unsterblich- 
keitsglauben gegeben, und wir werden später sehen, daß es auch 
auf dem Boden des Jahwismus nicht an ibnen gefehlt hat. — 

In den Bereich der Vorstellungen, die wir in der Ueberschrift 
in dem Namen „Weltanschauung" zusammengefaßt haben, 
gehören in erster Linie die über die Weltentst ehung. Leider 
sind wir in betreff dieser Frage für unseren Zeitraum auf eine 
einzige Perikope angewiesen: den jahwistischen Bericht in 
Gen. 2 4 b ff. Von diesem ist uns aber höchstwahrscheinlich nur 
ein Teil (die Menschen- und Tierschöpfung) erhalten, während 
der Eingang, der doch auch etwas Näheres über die Schöpfung 
von Himmel und Erde enthalten haben muß 1 ), jetzt weggelassen 
ist, vielleicht wegen der Abweichungen des Berichts von der un- 
mittelbar vorhergehenden ausführlichenKosmogonie der Quelle P. 
Aber gesetzt, J hätte sich mit der summarischen Erwähnung der 
Weltschöpfung durch Jahwe (in V. 4 b ) begnügt, so bleibt sein Be- 

J ) Wenn Stade (ZAW. 1903, S. 178) geltend macht, daß der Glaube 
an Jahwe als den Schöpfer erst infolge der prophetischen Predigt habe 
aufkommen können, so trifft dies gewiß insoweit zu, als es sich um die 
Idee einer Schöpfung und allmächtigen Lenkung des gesamten Welt- 
alls handelt. Denn diese Idee ist eigentlich mit der Anerkennung 
fremder Volksgötter unverträglich und erst auf dem Boden des konse- 
quenten Monotheismus möglich. Dies schließt jedoch naive Ideen über 
eine Schöpfertätigkeit des Volksgottes (z. B. eine Menschenschöpfung) 
nicht aus, wie zahlreiche Analogieen in Natur- und Volksreligionen be- 
weisen. Vielleicht war gerade die Naivität der jahwistischen Kosmo- 
gonie ein Grund zu ihrer Unterdrückung. Vgl. hierzu die treffenden 
Bemerkungen von Gunkbl in „Schöpfung und Chaos 41 (Göttingen 1895), 
S. 159. Nach ihm dachte wohl das alte Volk bei der Schöpfung von 
* Himmel und Land" zunächst an das Land Kanaan und an Kanaans 
Himmel. 



184 Die Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ IB. 

rieht bei aller seiner Naivität doch ein überaus würdiges und be- 
deutsames Seitenstück zu der vorangegangenen Kosmogonie. Wie 
in dieser ist jede Beimischung mythologischen Charakters, ins- 
besondere ieder Gedanke an Evolutionismus, wie er sonst von den 
Eosmogonieen antiker Religionen unzertrennlich zu sein pflegt, 
gänzlich vermieden. Jahwe steht durchaus über dem Stoff, streng 
von ihm geschieden und durchaus über ihn gebietend. Wie alle 
wahrhaft religiöse Weltanschauung ist auch unser Bericht durch- 
aus anthropocentrisch ; ja der Mensch ist nicht bloß (wie in Gen. 1) 
Ziel und Krone der Schöpfung, sondern in solchem Grade Mit- 
telpunkt derselben, daß die Tierwelt erst um seinetwillen geschaf- 
fen wird, mit dem Ergebnis, daß sie in keiner Weise an seine 
Würde und Höhe heranreicht. Es bedarf einer zweiten wunder- 
baren Neuschöpfung, um dem Menschen die „Hülfe" zu geben, 
die Gebein von seinem Gebein, Fleisch von seinem Fleisch ist. 
Gott selbst führt sie ihm zu; auf seiner Stiftung beruht somit die 
Gemeinschaft, gegen die selbst die stärksten Bande des Blutes 
nicht aufzukommen vermögen. Nehmen wir hinzu, daß diese 
ganze Darstellung nur unter der Voraussetzung der Monogamie 
ihren vollen Sinn gewinnt, so müssen wir um so mehr urteilen : 
es ist eine Auffassung von dem Wesen und Geheimnis der Ehe, 
wie sie schöner und würdiger nicht gedacht werden könnte. Auch 
hier hat die Religion Israels auf seine Berurteilung der irdischen 
Verhältnisse und Pflichten einen mächtigen Einfluß ausgeübt! 

Wenn eine babylonische Vorlage für Gen. 2 nur zum Teil, 
für Kap. 3 aber bisher überhaupt noch nicht nachgewiesen wer- 
den konnte, so hat man dagegen für andere Bestandteile der 
hebräischen Urgeschichte einen weitgehenden babylonischen 
Einfluß angenommen und seine Spuren fast aller Orten im A. 
T. bis in die spätesten Zeiten finden wollen. Es hat sich je- 
doch mehr und mehr gezeigt, daß gegenüber dem Uebereifer 
der „Panbabyloni8ten a *) eine starke Skepsis berechtigt ist. Nicht 
als ob wir die Möglichkeit eines weitgreifenden Einflusses baby- 

J ) Zu diesen ist vor allen FkiedbDelitzsch wegen seiner beiden 
ersten Berliner Vorträge über „Babel und Bibel 41 (Lpz. 1902 und 1903), 
die eine unabsehbare Literatur und heftigen Streit hervorgerufen haben, 
zu rechnen. Wir begnügen uns hier mit der Nennung zweier Schriften, 
die in besonnener Weise über die Streitpunkte unterrichten: Zimmern, 
Biblische und babylonische Urgeschichte. 3. Auflage, Leipz. 1903, und 
Gunkel, Israel und Babylonien. Der Einfluß Babyloniens auf die israe- 
litische Religion. Göttingen 1903. 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 185 

Ionischer Kultur und babylonischer Religionsideen auf Kanaan 
m Abrede stellten. Die 1887 zu Tell-el-Amarna in Aegypten 
gefundenen Keilschriftbriefe, die um 1400 v. Chr. aus den Eu- 
phratländern und Kanaan an zwei Pharaonen gerichtet sind, be- 
weisen für einen sehr regen Verkehr zwischen Babylonien und 
Aegypten über Kanaan, und es ist wohl möglich, daß sich schon 
damals altbabylonische Mythologie in Kanaan festgesetzt hatte, 
die dann auch in Israel nach dessen Einwanderung Aufnahme 
fand. Auch für die Zeit des Weltverkehrs unter Salomo hat man 
ein vielfaches Eindringen babylonischer Ideen behauptet, ge- 
schweige für die Zeit der vielfachen direkten Berührungen mit 
Assur seit der Mitte des 9. Jahrhunderts. Immerhin, ganz zwei- 
fellos ist die Anlehnung des biblischen Berichts an eine babylo- 
nische Vorlage eigentlich nur in der Erzählung von der Sintflut. 
Aber die Anlehnung kommt auch hier mehr in Nebenzügen (wie 
der mehrmaligen Aussendung von Vögeln) zum Ausdruck, nicht 
in der Hauptsache, dem Anlaß zur Verhängung der Flut. Dieser 
ist im biblischen Bericht durchaus ethisch begründet: die JFlut 
kommt als ein wohlverdientes Strafgericht über die gänzlich ent- 
artete Menschheit; Noah allein findet um seiner Gerechtigkeit 
willen Gnade bei Gott. Der mythologische Hintergrund, der sich 
im babylonischen Bericht z. T. in recht anstößiger Weise bemerk- 
bar macht, ist in der Genesis bis auf die letzte Spur abgestreift. 
Den für ihr Tun verantwortlichen Menschen steht allein der ge- 
rechte und allmächtige Gott gegenüber. 

Mit besonderem Nachdruck sind neuerdings vielfache An- 
spielungen im A.T. an den babylonischen Schöpfungsbericht, ge- 
nauer an den siegreichen Kampf des Gottes Marduk mit dem als 
Weib personifizierten Ozean, der Tiämat (d. i. als Appellativ 
„Meer") und den ihr beistehenden Ungeheuern hervorgehoben wor- 
den. H. GüNKEL hat dem Nachweis der zahlreichen Spuren die- 
ses Mythus im A. Test, einen großen Teil seines scharfsinnigen 
Buches über „ Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit. (Eine 
religionsgeschichtliche Untersuchung über Gen. 1 und Ap. Joh. 12. 
Göttingen 1895) gewidmet. Mit Recht weist er den Einwand zu- 
rück, daß ja Gen. 1 jetzt einen Bestandteil der jüngsten Penta- 
teuchquelle, P, bilde. Denn dies hindert nicht, daß in dieser 
Kosmogonie, die jetzt einem auf der höchsten Stufe stehenden 
Gottesbegriff angepaßt ist, eine weit ältere Gestalt des Mythus 
zugrunde liegt. Freilich sind die Berührungen von Gen. 1 mit 



186 Di© Relig. Israels in Kanaan vor d. Zeit d. Schriftpropheten. [§ 13. 

dem Tiämat-Mythus äußerst spärlich und unsicher. Das hebr. 
Phom, über dem (V. 2) Finsternis schwebt, ist allerdings das Mas- 
culin zu babylonischem tiämat. Aber nichts führt hier zunächst 
auf eine andere Bedeutung, als die einfache „Meer" oder „Ocean". 
Ebensowenig läßt sich beweisen, daß die großen Wassertiere 
V. 21 ursprünglich mythologischer Art sind. — Aber die Erinne- 
rung an den Kampf Marduks mit dem Drachen soll sich vor allem 
in einigen mythologischen Namen, wie Rahab, Livjathan und Be- 
hemoth erhalten haben. Daß die betreffenden Stellen alle l ) sehr 
jung sind (Hes., Deuterojes., Hi., späte Psalmen), würde nicht 
sonderlich ins Gewicht fallen. Es wäre erklärlich, daß die alten 
Mythologumene erst dann wieder hervorgezogen und dichterisch 
verwertet wurden, als nach dem Sieg des absoluten Monotheis- 
mus jede Mißdeutung und jeder Mißbrauch ausgeschlossen schien. 
Bedenklicher ist, daß eine ziemliche Anzahl der angeblichen An- 
spielungen nur sehr künstlich auf den Kampf mit Tiämat gedeu- 
tet werden kann. Wie soll z. B., wenn doch der Kern des Tiä- 
mat-Mythus in der Tötung und Zerlegung der Tiämat besteht, 
Am. 9 3 die Schlange im Grunde des Meeres, die Jahwe zum 
Beißen entbietet, noch immer Tiämat sein? Von den Rahab- 
Stellen sind Jes. 51 9. Ps. 89 10 f. Hi. 26 12 f. und 9 13 („Rahabs 
Helfer") höchstwahrscheinlich auf die Besiegung der Tiämat zu 
beziehen, nur daß natürlich der Sieger nicht Marduk, sondern 
Jahwe ist. Ps. 87 4 ist Rahab symbolischer Name Aegyptens 
und Ps. 40 5 der Plural r*häbim eine Bezeichnung der Götzen, 
aber sicher nicht im Sinn von „Chaosdrachen". Von den Liv- 
jathan-Stellen mag Ps. 74 13 f. mythologisch zu deuten sein; da- 
gegen liegt Ps. 104 26 durchaus keine Nötigung zu einer solchen 
Deutung vor. Jes. 27 1 dient „derLiwjathan, die flüchtige Schlange, 
und derLiwjathan, die gewundene Schlange", neben dem „Dra- 
chen im Meere" (Aegypten) wiederum nur als symbolische Be- 
zeichnung zweier Weltmächte. Hi. 3 8 liegt weit näher, den Liv- 
jathan auf ein Ungeheuer am Himmel zu deuten, das die Sonne 
zu verschlingen droht. Bei dem Livjathan Hi. 40 25 ff. hat der 
Dichter sicher an nichts anderes als an das Krokodil, wie bei 



*) Ausgenommen wäre höchstens die Schlange Am. 9s (s. oben!) und 
rahab Jes. 30 7 als Bezeichnung Aegyptens. Doch ist hier nicht nur die 
Authentizität, sondern auch die Richtigkeit des Textes ganz streitig, 
und schließlich könnte rahab hier sehr wohl ein Appellativ sein („To- 
ben, Ungestüm"). 



§ 13.] Anthropologisches und Weltanschauung. 187 

dem Behemoth 40 is ff. an das Nilpferd gedacht. Ebensowenig 
nötigen Hi. 7 12. Ps. 44 20. Jer. 51 34. 36. u zu einer Deutung auf 
den Tiämat-Mythus, und auch Hes. 29 s ff. und 32 a ff. liegt 
höchstens ein allgemeiner Vergleich des Pharao mit einem ge- 
bändigten Ungeheuer vor. In allen den Stellen endlich, die 
Günkel auf die Bändigung des Urmeers deutet (Ps. 104 e f. 
Hi. 38 8 ff. Prov. 8 22 ff. Jer. 5 22. 31 35. Ps. 33 7. 65 s), vermag 
ich höchstens einen Hinweis auf die Allmacht Jahwes zu finden, 
die auch den Wogen des Meeres gebietet, nirgends aber eine 
Anspielungauf den Kampf gegen das Meer als ein mythologisches 
Ungeheuer. 

Aber gesetzt auch, alle von Günkel angeführten Stellen 
enthielten solche Anspielungen, so würden sie doch für die Be- 
urteilung der Religion Israels in unserem Zeitraum ohne Belang 
sein. Ganz abgesehen davon, daß an den wenigen sicher in Be- 
tracht kommenden Stellen ausdrücklich Jahwe an die Stelle 
Marduks getreten ist, also eine vollständige Verpflanzung des 
Mythus in den Bereich des Jahwismus stattgefunden hat, müssen 
wir nochmals hervorheben, daß wir es überall mit einer Verwer- 
tung jener mythologischen Reminiszenzen in der Poesie zu tun 
haben. Die Freiheit aber, deren sich die hebräischen Dichter 
dabei bedient haben, gibt so wenig einen Maßstab für ihren reli- 
giösen Glauben ab, wie etwa heute die Erwähnung der SGylla 
und Charybdis für unseren Glauben. 

Ganz verunglückt scheint uns endlich der Versuch, die Ge- 
räte des salomonischen Tempels mythologisch zu deuten ; so das 
sogen, eherne Meer (1 Kön. 7 23 ff.) als Darstellung des Pkoni 
oder Urmeers, die Rinder als Symbole des Marduk •)• In dieser 
Frage muß ich durchaus Stade beistimmen, wenn er (Z AW 1903, 
S. 179) in jenen Geräten keinen Beweis dafür erblickt, daß da- 
mals die vielleicht mit ihnen verknüpften Mythen in Israel über- 
nommen worden sind oder auch nur bekannt waren: „Nicht ein 
religiöses Bedürfnis, sondern Bedürfnis nach königlichem Prunk 
führte dazu, im Tempel eine fremde Einrichtung zu übernehmen. 
— Der phönizische Künstler, den man berief, arbeitete in den 
ihm geläufigen Stilformen und lieferte, was aus einem phönizi- 

l ) So Kittel im Kommentar über die Bücher der Könige (Göttingen 
1900), S. 64, nach Kosters, ThTijdschr. 1879, S. 445 ff. Nach Günkel 
a - a. O. S. 153 (vgl. auch 164 f.) müssen die 12 Rinder vielmehr irgend- 
welche Beziehung zu den zwölf Tierkreisbildern haben. 



188 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 14. 

sehen Tempel sich in den Jahwes verpflanzen ließ". 

So dürfte es sich nach allen Seiten bestätigen, daß der ba- 
bylonische Einfluß auf die Religion Israels — wenigstens für 
die vorexilische Zeit — erheblich überschätzt worden ist. An- 
lehnungen und Anspielungen sind nicht zu bestreiten. Aber der 
fremde Stoff erfuhr auf dem Boden der alttestamentlichen Reli- 
gion eine solche Umgestaltung und neue Beleuchtung von einem 
unendlich höheren sittlichen und religiösen Standpunkt aus, daß 
man nicht mit Unrecht die Frage aufgeworfen hat, ob nicht in 
manchen Perikopen anstatt von einer Anlehnung und Nach- 
ahmung vielmehr von der Absicht einer Polemik gegen die an- 
gebliche Vorlage geredet werden müsse. — 

Ob endlich in diesen Zeitraum auch schon Ansätze zu einer 
religiösen Zukunftserwartung (anknüpfend an das Theolo- 
gumen vom „Tag Jahwes") zu verlegen seien, werden wir im näch- 
sten Abschnitt zu erörtern haben. 



IV. Kapitel. 

Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. 

% 14. Die Quellen. 

Zur Literatur: WStärk, Das Deuteronomium. 1894. — Steubb- 
nagel, Der Rahmen des Deut. 1894. — Ders., Die Entstehung des deu- 
teronom. Gesetzes. 1896. — WErbt, Jeremia und seine Zeit. Göttingen 
1902. — CHCoenill, Das Buch Jeremia erklärt. Leipzig 1905. — Roth- 
stein, Arnos und seine Stellung innerhalb des israelit. Prophetismus. Th. 
St. u. Kr. 1905, 3. — HBahr, Der Prophet Arnos. Vierteljahrsschr. für 
Bibelkunde etc. 1905, 3 und 4. — Guthe, Jesaja. Tübingen 1907. (ReL- 
gesch. Volksb. II, 10.) — WNowack, Arnos und Hosea. Tübingen 1908. 
ReLgesch. Volksb. II, 9. — RLichtenhan, Jeremia. Tübingen 1909. 
(Rel.gesch. Volksb. II, 11.) — Hierzu die Kommentarwerke von Nowack 
und Marti. 

An Quellen für diesen ca. 180 Jahre umfassenden Zeitraum 
kommen außer den Prophetenschriften auch Bestandteile des 
Pentateuch wie der geschichtlichen Literatur in Betracht: aus 
ersterem die jüngere und jüngste Schicht von J und E, sowie 
das Deut., aus den Geschichtsbüchern die prophetisch beeinfluß- 
ten Abschnitte der Bücher Sam. wie 1, 1. 2 n— 26. 3. 8. 10 17—25'. 15, 
vor allem aber die erste deuteronomistische Redaktion der Kö- 
nigsbücher (um 600 v. Chr.). Daß über die genauere chronolo- 



§ 14.] Die Quellen. 189 

gische Ansetzung der einzelnen Perikopen noch viel Streit 
herrscht, fällt für unsere Zwecke nicht sonderlich ins Gewicht. 
Denn über die Abhängigkeit dieser Abschnitte von der Verkün- 
digung der vorexilischen Schriftpropheten — und darauf kommt 
es für uns allein an — herrscht so gut wie völlige Uebereinstim- 
mung. Dazu kommt, daß uns in der gesamten geschichtlichen 
Literatur dieses Zeitraums eine solche Einheitlichkeit der Ideen 
entgegentritt, daß die Fragen der Quellenscheidung und der ge- 
naueren chronologischen Ansetzung nur eine untergeordnete 
Bedeutung haben. Aus diesem Grunde können wir auch die ver- 
wickelten Streitfragen über die Entstehung des Deut. — ob das 
623 von Josia eingeführte Gesetzbuch als das Urdeut. zu gelten hat 
oder aus älteren Kodifikationen zusammengesetzt ist — hier auf 
sich beruhen lassen. Denn für die Darstellung des Entwicklungs- 
gangs der alttestamentlichen Religion kann das jetzige Deut, mit 
Fug und Recht als eine einheitliche Größe verwendet werden. 

Von nicht geringer Schwierigkeit sind dagegen die literar- 
kritischen Fragen in betreff der Hauptquellen, d. i. der Prophe- 
tenschriften selbst. Hier hat die neuere Forschung auch den 
vorsichtigsten und konservativsten Kritikern Zugeständnisse 
abgenötigt, wie man sie in solchem Umfang noch vor 20 Jah- 
ren l ) nicht für möglich gehalten hätte. Es ist natürlich nicht 
dieses Orts, den literarkritischen Prozeß, der dazu geführt 
hat, und seine Ergebnisse erschöpfend darzustellen. Wohl aber 
müssen wir nachdrücklich auf die allgemeinen Gesichtspunkte 
hinweisen, die sich den Forschern in immer stärkerem Maße 
aufgedrängt haben, und ohne die ein gerechtes Urteil und eine 
richtige Verwertung der Prophetenschriften unmöglich ist. Es 
sind vor allem zwei Tatsachen, die man unablässig im Auge be- 
halten muß, weil sich aus ihnen alle Erscheinungen in der pro- 
phetischen Literatur völlig genügend erklären. Erstlich : es liegt 
hier durchweg eine religiöse Literatur vor; sie will nichts bieten 
und man soll darum auch nichts von ihr fordern, was über ihre 
religiösen Zwecke hinausgeht. Zweitens: das Israel, dem wir die 
Prophetenschriften in ihrer jetzigen Gestalt verdanken, hatte 
noch keinen Begriff von dem, was wir „literarisches Eigentum 44 
nennen 2 ). Nicht das war die wesentliche Frage, in welchem 

l ) Geschrieben 1903. [D. H.] 

') Vgl. hierzu die Bemerkung über die ZurückfÜhrung aller Gesetze 
auf Mose oben S. 42. 



190 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 14. 

Wortlaut vor Zeiten ein Prophet Jahwes geredet habe, sondern 
ob dieser Wortlaut auch jetzt noch geeignet sei, den religiösen 
Zweck zu erfüllen, dem er dereinst hatte dienen sollen. Wenn 
dies nicht der Fall schien, so hielt man es nicht bloß für ein gutes 
Recht, sondern für eine heilige Pflicht, in den ursprünglichen 
Wortlaut einzugreifen, allzu Hartes und für ein ganz anders ge- 
artetes Zeitalter nicht mehr Zutreffendes zu mildern, allzu Knap- 
pes oder Dunkles ausführlicher und deutlicher zu gestalten, 
Fehlendes, aber für eine spätere Zeit Unentbehrliches, frei zu 
gestalten. In die letztere Kategorie dürfte ein guter Teil des 
Stoffs zu rechnen sein, auf den man von jeher und mit Recht bei 
den Propheten ein Hauptgewicht gelegt hat — wir meinen die 
sogenannte messianische Weissagung. Als die Strafandrohungen 
der vorexilischen Propheten in Erfüllung gegangen waren, da& 
Volk im Exil schmachtete oder nach der Rückkehr aus dem 
Exil ein ärmliches Leben unter dem Druck der feindlichen Welt- 
macht führte, da hätte es als eine Grausamkeit erscheinen müs- 
sen, aufs neue nur oder doch vorwiegend Drohworte erklingen 
zu lassen, in einer Zeit, in der das Volk von brennendem Eifer 
beseelt war, durch peinliche Gesetzeserfüllung den längst verheis- 
senen großen Umschwung in seinem Geschick herbeizuführen. 
Wir können es verstehen, daß unter solchen Umständen dem 
Trost und der Verheißung im Rahmen der überlieferten Pro- 
phetenschriften ein immer breiterer Raum gegönnt wurde, und 
daß sich so z. ß. das Buch Jesaja zu einer förmlichen Anthologie 
verschiedenartiger Propheten Sprüche gestalten konnte und als 
solche auch vom Volk aufgefaßt und gelesen wurde, — von Sprü- 
chen, deren Entstehung höchstwahrscheinlich einen Zeitraum von 
nahezu 500 Jahren umspannt. Damit soll keineswegs gebilligt sein, 
was die neueste Kritik zum Grundsatz erhoben hat, daß den vorexi- 
lischen Propheten überhaupt jedes Trost- und Verheißungswort 
abzusprechen sei. Wohl aber dürfte durch Obiges das gute Recht 
einer sorgfältigen Prüfung der Authenticität der einzelnen Pro- 
phetenworte erwiesen sein. Es ist doch sicher nicht der Ausfluß 
leichtfertiger und ungläubiger Gesinnung, wenn man eine Ant- 
wort auf die Frage sucht, ob Micha (4 10 ff.) in einem Atem die 
Exilierung der Bewohner Jerusalems nach Babel und (V. uff.) die 
wunderbare Errettung der Stadt aus der Gewalt ihrer Belagerer 
habe weissagen können. Hier hat eine besonnene Kritik die Mit- 
tel in der Hand, der Weissagung von der Zerschmetterung vieler 



§ 15.] Namen und Wesen der Schriftpropbeten. 191 

Völker vor den Mauern Jerusalems (V. 13) ihren Platz in einem 
weit späteren Zeitraum, als dem 8. Jahrhundert, anzuweisen. Da, 
wo sie diese Mittel nicht besitzt, wird sie willig auf eine Entschei- 
dung verzichten. Zum Glück bleibt des Sicheren und kritisch 
Unantastbaren noch reichlich genug, um uns ein Verstehen und 
Nachzeichnen der Wege Gottes im hebräischen Prophetismus 
zu ermöglichen. 

§ 15. Namen und Wesen der Schriftpropheten 1 ). 

Neuere Literatur: LGautieb, Die Berufung der Propheten. 
4 rel. Reden für die Gemeinde. Hamburg 1903. — ELaub, Die Pro- 
phetennamen des A. T. Freiburg (Schweiz) 1903. — EKönig, Israels und 
Babyloniens Stellung zur Prophetie. Ztschr. für den ev. Rel.-Unterr. XV, 
2 (1904), S. 49—53. — RKübtz, Zur Psychologie der vorexil. Prophetie 
in Israel. Pößneck 1904. — SvenHerner, Israels Profeter. Lund 1905. 

— LTappenbeck, Die israelitischen Propheten. Ztschr. f. ev. Rel.-Unterr. 
Oktober 1905, S. 39 — 41 . — HMeltzer, Prolegomena zur Geschichte des 
israelitisch-jüdischen Prophetismus. Protest. Monatshefte 1906, 3 und 4. 

— EKönig, Prophetenideal, Judentum und Christentum. Leipzig 1906. 

— KBudde, Das prophetische Schrifttum. Halle 1906. (Rel.gesch. Volksb. 
II, 5.) — EKönig, Die Propheten in Israel und bei den anderen Völkern 
des Altertums. (Der Alte Glaube VIII, 11.) 1906. — SKaatz, Das Wesen 
des prophetischen Judentums. Ein Beitrag zum Verständnis der Pro- 
pheten. Berlin 1907. — EKönig, Der alttestamentliche Prophetismus. 
(Beweis des Glaubens 43, 1/2.) 1907. — GStosch, Die Prophetie Israels 
in rel.gesch. Würdigung. Gütersloh 1907. — CHCornill, Der israe- 
litische Prophetismus. In 5 Vorträgen für gebildete Laien geschildert. 
7. Aufl. Straßburg 1909. — EKönig, Das alttestamentl. Prophentum u. 
die moderne Geschichtsforschung. Gütersloh 1910. — UWilcken, Zur 
ägyptischen Prophetie, Hermes XL, S. 544-560. 

Bei der Besprechung der w'Ü'lw im vorigen Abschnitt haben 
wir tunlichst den Namen „Propheten" vermieden, um den tief- 



l ) Aus der höchst umfänglichen Literatur über das Wesen des Pro- 
phetismus und die Theologie der Schriftpropheten sind außer den oben 
S. 122, Anm. 1 zitierten Werken hervorzuheben : BDühm, Die Theologie der 
Propheten. Bonn 1875. (Das Werk steht bereits auf dem Standpunkt der 
Reuss-Grafschen Hypothese ; in den literarkritischen Fragen ist der Ver- 
fasser jedoch hier noch ziemlich konservativ.) — EKönig, Der Offen- 
barungsbegriff des A. Testamentes. Leipz. 1882. 2 Bände. (Das Werk 
ist in der Hauptsache eine Analyse des Selbstbewußtseins der Propheten 
und ihrer auf dasselbe gegründeten Hauptaussagen: 1. über ihre Wun- 
derkraft, Berufung und Ausrüstung mit dem Geiste Gottes ; 2. über da» 
Zeigen und Sprechen Gottes als Quelle des Offenbarungsinhalts; nach 
König sehen und hören dabei die Propheten mit den leiblichen Sinnen ; 
3. nicht das eigene Herz ist die Quelle der prophetischen Weissagung.) 



192 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 15. 

gehenden Unterschied zwischen jenen Erscheinungen und den 
Jahwepropheten im engeren Sinn, deren Reihe mit Arnos an- 
hebt, nicht ungebührlich zu verwischen. Wohl mußten wir auch 
jene n'bi'tm, die sich um Elia und Elisa scharrten, und vor 
allem die letztgenannten Männer selbst als Organe Jahwes aner- 
kennen, in denen „der Geist Jahwes" als geheimnisvolles Agens 
wirkte und die darum mit Recht „Mann Gottes" genannt werden 
konnten. Aber bei näherem Zusehen finden wir doch so charak- 
teristische Verschiedenheiten zwischen beiden Arten von Pro- 
pheten, daß wir z. B. mit Arnos selbst einen Elia nicht auf die 
gleiche Stufe zu stellen vermögen. Die Schriftpropheten 2 ) knüp- 
fen in der Hauptsache an die alten Seher (rö'irn) an, wie uns dies 
1 Sam. 9 9 ausdrücklich bezeugt wird: „Die jetzt Propheten 
(n'Ü'lm) genannt werden, die hießen vor Zeiten Seher". Die 
alten Namen (rö'im, und höztm) erscheinen in ehrenvoller Bedeu- 
tung nur noch Jes. 30 io ; denn Mich. 3 1 sind mit den Sehern 
(neben „Wahrsagern") Lügenpropheten gemeint, und Jes. 29 io 
sind „die Propheten" und „die Seher" unrichtig erklärende Glos- 
sen. Am. 7 12 endlich hat „Seher" {hözceh) als Anrede des Prie- 
sters Amazja an Arnos einen verächtlichen Beigeschmack. Nur 
darf die Antwort des Arnos (V. u) nicht dahin mißverstanden 
werden, als lehne er es überhaupt ab, ein „Prophet" (näb'C) zu 

— AKüenen, De profeten en de profetie onder Israel. Historisch-dog- 
matische Studie. Leiden 1875 (englisch: the Prophets and Prophecy in 
Israel. Translated . . by Adam Milroy, with an introd. by J. Muir. Lond. 
1877). — WRobertsonSmith, The Prophets of Israel and their place 
in history to the close of the eighth Century B. C. Edinb. 1882. 2. ed. 
1895 (with introd. and additional Notes by T. K. Cheyne). — JDarme- 
steter, Les prophätes d'Israel. Paris 1892. — AFKirkpatrick, The doctrine 
of the Prophets (Warburtonian Lectures for 1886—90). Lond. 1892. — 
PSchwaetzkopff, Die prophet. Offenbarung nach Wesen, Inhalt und 
Grenzen. Gießen 1896. — FGiesebrbcht, Grundlinien für die Berufs- 
begabung der alttestam. Propheten (in „ Greifswalder Studien " zu Ehren 
H. Cremers. Gütersloh 1895, S. 37—81). — Leitner, Die prophetische 
Inspiration, in Bardenhewers bibl. Studien (katholisch). Freiburg i. B. 
1896. — EKönig, Das Berufungsbewußtsein der alttestam. Propheten 
Barmen 1900. 

*) Mit der Betonung der Schrift propheten soll natürlich nicht 
geleugnet sein, daß es auch abgesehen von diesen wahrhafte Jahwepro- 
pheten in Israel gegeben habe (vgl. z. B. über Micha ben Jimla oben 
S. 140, über Urrjahu ben Semajahu Jer. 26 20 ff.). Wir vermögen jedoch 
nur über die genauer zu urteilen, über deren Verkündigung uns schrift- 
liche Zeugnisse vorliegen. 



§ 15.] Namen und Wesen der Schriftpropheten. 193 

sein, etwa weil das Wort nähV von jenen tflftim der Zeit Sauls 
und Ahabs her für ihn einen bedenklichen Beigeschmack gehabt 
hätte. Dies ist schon wegen 2 11 und 3 7, wo Arnos selbst von den 
n'M'im im ehrenvollsten Sinne spricht, unmöglich. Dazu kommt, 
daß ihm nach 7 is Gott den Auftrag erteilt hat, gegenüber sei- 
nem Volk Israel „als Prophet aufzutreten". Die Meinung des 
Arnos kann also 7 14 nur die sein, daß er es ablehnt, ein Prophet 
von Beruf in dem Amazja geläufigen Sinne, oder Angehöriger 
einer Prophetengenossenschaft zu sein. Vielmehr hat ihn die 
unmittelbare Berufung zum Propheten inmitten ganz anderer 
Tätigkeiten getroffen: von der Herde hat ihn Jahwe hin weg- 
geholt *). 

Damit ist bereits ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen 
den Propheten der alten Art und den Schriftpropheten berührt. 
Die letzteren haben das Bewußtsein einer ausdrücklichen, zu ei- 
nem bestimmten Zeitpunkt erfolgten Berufung zu ihrem Amt 
von seiten Jahwes. Nicht von allen wird uns dies ausdrücklich 
bezeugt ; aber die Bestimmtheit, mit der es bei fünf von ihnen 
geschieht, läßt uns ein Gleiches bei allen wahrhaften Jahwepro- 
pheten seit der Zeit des Arnos voraussetzen. Von dessen Selbst- 
zeugnis (7 is) war soeben die Rede. Für Hosea fiel nach 1 2 der 
Anfang seines Prophetenamtes mit der Erkenntnis zusammen, 
daß Jahwe selbst sein eheliches Mißgeschick zu einem Spiegel- 
bild des Verhältnisses Israels zu Jahwe habe machen wollen. 
Jesaja berichtet von einer Vision im Todesjahre Ussias, in der 
ihm der göttliche Auftrag geworden sei, das Volk durch seine 
Verkündigung in immer ärgere Verstockung hineinzutreiben. Je- 
der Versuch, diese Vision — die einzige bei Jesaja! — für eine 
bloße schriftstellerische Einkleidung innerer Reflexionen und 
Kämpfe zu erklären, so daß an die Stelle der ausdrücklichen 
göttlichen Berufung der eigene Entschluß des Propheten träte, 
wird immer wieder an dem wuchtigen Wortlaut des Berichts schei- 
tern, der nur an ein reales Erlebnis denken läßt. Ganz densel- 
ben Eindruck gewinnen wir aus dem Bericht Jeremias über seine 
Berufung im 13. Jahre Josias. Ganz merkwürdig ist hier der 
Nachdruck, der (1 5) auf die Erwählung und Weihung Jeremias 
zum Propheten schon vor seiner Geburt gelegt wird. Wie könnte 
ein Mensch derartiges als ein an ihn gerichtetes Gotteswort er- 

*) Noch deutlicher wird dieser Sinn, wenn man mit Riedel (Theol. 
Studien und Kritiken 1903, S. 163 f.) übersetzt: ich war kein Prophet etc. 

E.Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 13 



194 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 15. 

finden ! Ebensowenig aber könnte er nachträglich erfinden, daß 
er sich (V. i) dem göttlichen Auftrag gegenüber auf seine Un- 
fähigkeit zu reden und seine allzugroße Jugend berufen habe. 
Vielmehr haben wir es auch hier mit einem einmaligen Erlebnis 
zu tun, das sich der Erinnerung des Propheten unauslöschlich 
eingeprägt hatte. Bei Hesekiel aber bürgt die Genauigkeit der 
Datierung seiner ersten Vision (1 i f.) nach Jahr, Monat und Tag, 
daß auch er sich seiner Berufung zum Propheten (2 3 ff.) als eines 
bestimmten Faktums wohl bewußt ist. 

Wie es nicht in des Menschen Macht steht, die Berufung 
zum Propheten eigenmächtig herbeizuführen oder durch seinen 
eigenen Entschluß zu ergänzen, so kann er sich ihr andrerseits 
auch nicht eigenmächtig entziehen. Vielmehr, wie auch der 
Tapferste unwillkürlich zittert, wenn in der Nähe das Gebrüll 
eines Löwen erschallt, so muß der weissagen, an den das Wort 
Jahwes ergangen ist (Am. 3 8). Das ergreifendste Zeugnis dar- 
über lesen wir bei Jeremia 20 7 ff. Mit einem Unmut, der hart an 
Blasphemie streift, klagt hier der Prophet Jahwe an, daß er ihn 
(durch die Berufung zum Propheten) betört und vergewaltigt 
habe, also, daß er für jedermann zum Gelächter und Gespött ge- 
worden sei. Aber „dachte ich: ich will seiner nicht gedenken und 
nicht mehr in seinem Namen reden! da war es in meinem Innern 
wie loderndes Feuer, das verhalten war in meinen Gebeinen ; ich 
mühte mich ab, es auszuhalten, aber ich vermochte es nicht ! tt Es 
dürfte schwer werden, die Ueberzeugungskraft und Tragweite 
dieses Zeugnisses für den einzigartigen Charakter des hebräi- 
schen Prophetentums durch den Hinweis auf irgendwelche ana- 
logen Erscheinungen entkräften zu wollen. 

Wenn für die n'ffiim im älteren Sinne ein Zustand der Ek- 
stase charakteristisch war, der sich gelegentlich bis zur Verzück- 
ung und Raserei steigerte, so finden sich ekstatische Zustände 
auch von den Schriftpropheten bezeugt. Denn auch abgesehen 
von den Visionen, die gleichfalls einen Zustand des Entrückt- 
seins voraussetzen, ist öfter die Rede von „der Hand Jahwes", 
die stark ist über dem Propheten (Jes. 8 n Hes. 3 14), die über 
ihn kommt (Hes. 1 1. 3 22. 37 1. 40 1), auf ihn fällt (8 1) oder über 
ihm ist (33 22, hier mit näherer Bestimmung „des Abends"), we- 
gen der der Prophet einsam sitzt (Jer. 15 17). In allen diesen 
Stellen ist „die Hand" eine Bezeichnung der göttlichen Einwir- 
kung, die sich unwiderstehlich des Propheten bemächtigt, fast 



§ 15.] Namen und Wesen der Schriftpropheten. 195 

gleichbedeutend mit dem „Geiste Jahwes", der gleichfalls auf den 
Propheten „fallt" (Hes. 11s) und ihm besondere Offenbarungen 
Gottes vermittelt. Bei Hesekiel ist die Einwirkung der Hand 
Jahwes fast überall die Einleitung zu einer Vision des Prophe- 
ten. Bei alledem besteht aber sichtlich ein erheblicher Unter- 
schied zwischen dieser Art der Ekstase und der der alten n'Wim. 
Wohl ist die außerordentliche Einwirkung des Geistes Gottes in 
allen Formen ein unergründliches Geheimnis. Aber wir finden 
bei den Schriftpropheten nirgends eine Spur, daß sie durch diese 
Einwirkung in einen Zustand^ der amentia, bewußtloser Ver- 
zückung, versetzt worden wären. Ueberall haben sie von dem im 
Geiste Geschauten und zu ihnen Geredeten ein klares Bewußt- 
sein und klare Erinnerung *). Denn ohne solche könnten sie ihre 
Visionen nicht beschreiben und das in der Ekstase empfangene 
Wort Gottes nicht weiter verkündigen ! 

Nun ist allerdings dem gegenüber geltend gemacht worden 
(so ausführlich von A. Klostermann in den Theol. Studien und 
Kritiken 1877, S. 391 ff., neuerdings wieder von Dühm im Kom- 
mentar zu Jesaja S. 129), daß mindestens bei Hesekiel nach sei- 
nen eigenen Aussagen kataleptische Zustände, also zeitweilige 
Bewegungs- und Sprachlosigkeit, angenommen werden müßten, 
ohne daß doch dieser Krankheitszustand eine genaue Erinnerung 
andieinderKatalepse erlebten Halluzinationen des Gesichts und 
Gehörs ausgeschlossen habe. In der Tat berichtet Hesekiel 3 u f ., 
daß er nach der Vision des Kerub wagens traurig einhergegan- 
gen sei in der Erregung seines Geistes und daß er dann 7 Tage 
vor sich hinstarrend unter seinen Volksgenossen gesessen habe. 

*) An dieser einfachen Tatsache scheitern jene altorthodoxen Theo- 
rieen, wie die auf Philo zurückgehende, daß die menschliche Vernunft 
aus dem Propheten auswandere, um dem göttlichen Geiste Platz zu 
machen. Ebenso scheitert jeder Versuch, die Propheten zu willen- 
losen Werkzeugen des heiligen Geistes zu machen, vergleichbar einer 
Flöte in der Hand des Spielers, einem Griffel in der Hand des Schrei- 
bers, an der ganz unleugbaren Tatsache, daß die Invidualität der ein- 
zelnen Propheten in Stil und Redeweise sehr deutlich hervortritt. Je- 
saja schreibt ganz anders als Jeremia und dieser wieder ganz anders 
als Hesekiel. Natürlich ist durch all dies nicht ausgeschlossen, daß die 
Einwirkung des göttlichen Geistes eine Steigerung auch der natürlichen 
Gaben und Kräfte des Propheten bewirken kann. Eine solche tritt uns 
z. B. sichtlich in der ebenso kräftigen wie klaren Redeweise des Hirten 
Arnos entgegen. Das Urteil des Hieronymus über den „ bäurischen" Stil 
des Arnos muß als ganz unberechtigt bezeichnet werden. 

13* 



196 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 15. 

Er redet ferner (3 ie f.) von einem Verstummen, das Gott über 
ihn verhängt und das zwar zum Behuf prophetischer Verkündi- 
gungen von Gott unterbrochen werden kann, dessen völlige Be- 
seitigung aber erst am Abend vor der Kunde von der Eroberung 
Jerusalems erfolgt. Das alles sind Erscheinungen, die auffällig 
mit den an Kataleptikern beobachteten Zuständen übereinstim- 
men. Dühm ist geneigt, besonders die Vision 8 t — 11 25 zu den 
Fällen zu rechnen, „bei denen der Körper scheintot daliegt und 
das aus ihm ausgetretene Phantom das „Ich" repräsentiert", 
während Sacharja mit dem „Engel, der mit ihm redete" zu den 
Fällen gehöre, „in denen das Bewußtsein beim Körper verbleibt 
und das austretende Bild scheinbar bewußtlos ist". Aber mag 
die Annahme von kataleptischen Zuständen Hesekiels noch so 
vieles für sich haben, so ist doch damit der Beweis für einen Rück- 
fall in die alte Form der Mantik noch nicht erbracht. Vor allem 
ist ein zweifaches nicht zu übersehen. Erstlich: Hesekiel berichtet 
von den kataleptischen Erscheinungen, der Traurigkeit und Er- 
starrung (3 14 f.), als einer Folge der Vision vom Kerub wagen, 
während er die Vision selbst mit einer Genauigkeit beschreibt, 
die nicht nach einer krankhaften Störung des Geisteszustandes 
aussieht. Zweitens : vor und nach dem Bericht über die Entrück- 
ung nach Jerusalem (8 1 ff.) und die lang ausgedehnten Visionen 
daselbst erwähnt er schlechterdings nichts von kataleptischen 
Zuständen, und wir haben kein Recht, solche wegen 3 14 f. auch 
hier vorauszusetzen. Vollends aber läßt die ganze Art und der 
Inhalt der großen Vision c. 40 — 48 sehr schwer den Gedanken 
#n einen krankhaften Zustand des Propheten aufkommen. Alles 
atmet hier in einem Grade Ueberlegung und Absicht, daß wir 
der Vision (vgl. dazu unten § 20) nur einen geringen Anteil an 
dem Zustandekommen dieses ausgedehnten Zukunftsbildes zu- 
schreiben können. Was aber das „Doppelbewußtsein" des Sa- 
charja anlangt, so enthält nur 4 1 eine Andeutung von einem ab- 
normen Zustand des Propheten. Aber diese Stelle reicht zur 
Annahme eines eigentlich kataleptischen Zustandes desselben 
entfernt nicht aus. Denn wenn ihn „der Engel, der mit ihm re- 
dete", wieder aufweckt „wie einen, der aus seinem Schlafe aufge- 
weckt wird", so besagt dies doch nur, daß er durch die vorange- 
gangenen Gesichte erschöpft und in eine Art Schlaf verfallen, 
nunmehr aber zur Aufnahme eines neuen Gesichts fähig gemacht 
worden sei. Uebrigens aber wird sich uns auch bei Sacharja er- 



§ 15.] Namen und Wesen der Schriftpropheten. 197 

geben, daß seine Nachtgesichte, wie sie uns jetzt vorliegen, wohl 
größtenteils auf Rechnung des Schriftstellers und nicht des Visio- 
närs zu setzen sind. 

Alles in allem hat die Vision im Gesamtbereich des Prophe- 
tismus nicht die Bedeutung, die man ihr hat zuschreiben wollen. 
Die gleichsam klassischen Muster von Visionen bei Arnos, Jesaja, 
Jeremia sind fast durchweg von äußerster Knappheit der Schil- 
derung, ja z. T. nur Namen von Gegenständen, an die die Ver- 
kündigung religiöser Wahrheiten und Mahnungen anknüpft. Je 
detaillierter uns aber die Schilderung entgegentritt, wie z. B. Hes. 
1 4 ff., je mehr sie nicht bloß Rahmen und Anlaß, sondern Selbst- 
zweck ist, desto mehr ermangelt sie eines spezifisch religiösen 
Gehalts. In allen Fällen ist das Wort, das im Verlauf der Vi- 
sion oder zum Zweck ihrer Ausdeutung geredet wird, weitaus 
der wichtigste Teil der dem Propheten gewordenen Offenbarung. 

Als eine starke Uebertreibung muß es endlich angesehen wer- 
den, wenn man alle prophetische Wirksamkeit in ekstatischem 
Zustande geschehen denkt. Wenn der Prophet seine Verkündi- 
gung anhebt mit der Wendung: „so sprach Jahwe," oder wenn 
er das unendlich häufige „ist der Spruch Jahwes" in seine Rede 
einflicht, so will er geltend machen, daß er nicht, wie die Lügen- 
propheten, aus eigner Erfindung redet : Jahwe muß zuvor zu ihm 
geredet haben, ehe er das Wort Jahwes verkünden kann. Aber 
damit ist nicht gesagt, daß die Eingebung Jahwes in jedem ein- 
zelnen Falle mit der Versetzung in einen ekstatischen Zustand 
verbunden sein müsse. Und wenn man weiter gefragt hat, ob es 
überhaupt für jede einzelne Verkündigung der Propheten einer 
besonderen Eingebung Jahwes bedurft habe, und nicht vielmehr 
immer ein Reden kraft der bei der Berufung erfolgten Ausrüs- 
tung mit dem Geiste Gottes anzunehmen sei, so ist zu antworten, 
daß uns in den Prophetenschriften beide Möglichkeiten bezeugt 
sind. In dem Bericht über die Berufung Jesaias (6 9 ff.), wie Je- 
remias (1 9 ff.) und Hesekiels (2 3 ff. und 3 17 ff.) ist von einem all- 
gemeinen Auftrag Gottes an diese Propheten die Rede, gleich- 
sam von einem Programm ihrer Wirksamkeit, auf dessen Aus- 
führung sie allezeit in ihren Worten und Handlungen bedacht 
sein sollen. Andererseits besitzen wir aber auch einige merk- 
würdige Zeugnisse dafür, daß das Wort Jahwes in einem be- 
stimmten Falle zunächst ausbleibt und sich erst später einstellt. 

So weiß der Prophet Habakuk zunächst keine Antwort auf 



198 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 15. 

die Beschwerde, die er (in c. 1) Jahwe vorzutragen hat. Vielmehr 
will er sich (2 i) auf seine Warte *) stellen, um auszuspähen und 
zu erfahren, was Jahwe mit ihm reden und auf seine Beschwerde 
erwidern wird. In der Tat antwortet ihm Jahwe alsbald und 
gebietet ihm sogar die Niederschrift des Geoffenbarten. Noch 
stärker aber fallen für obige Tatsache zwei Zeugnisse Jeremias 
ins Gewicht. Als der Lügenprophet Hananja aus Gibeon dem 
Jeremia vor den Priestern und dem Volke als ein Wort Jahwes 
verkündet (Jer. 28 i ff.), daß das Joch Nebukadrezars zerbrochen 
und die unter Jojachin weggeführten Tempelgefäße von Babel 
zurückgebracht werden sollen, da spricht Jeremia sein Amen da- 
zu. Zwar äußert er sein Bedenken darüber, daß die Unheils- 
weissagung der alten Propheten jetzt mit einem Male dem Gegen- 
teil weichen solle. Aber er läßt es geschehen, daß ihm Hananja 
das Joch, das er seit einiger Zeit als drohenden Hinweis auf das 
Joch der Chaldäer trug, vom Halse nimmt und zerbricht. Als- 
dann geht Jeremia seines Wegs. Aber bald darauf ergeht an ihn 
der Befehl Jahwes, dem Hananja zu verkünden, daß Jahwe an 
die Stelle des von ihm zerbrochenen hölzernen Joches ein eiser- 
nes setzen und alle Völker unter das Joch Nebukadrezars beu- 
gen werde. Dem Hananja aber soll er verkündigen, daß er als 
Lügenprophet noch in diesem Jahre sterben müsse. Und so ge- 
schah es im 7. Monat jenes Jahres. Bei dem ganzen Vorgang ist 
höchst bemerkenswert, wie Jeremia zuerst für möglich hält, daß 
Hananja ein echtes Wort Jahwes verkündigt habe, weil er selbst 



*) Anderer Art ist die vielumstrittene Stelle Jes. 21 6 ff. nach dem 
jetzigen Text. Wir lassen hier auf sich beruhen, ob dieses Orakel Je- 
saja angehört (aus der Zeit um 710) und nicht vielmehr um 540 ange- 
setzt werden muß. V. 6 gebietet Jahwe dem Propheten, einen Späher zu be- 
stellen, der auf die Warte treten und dann melden soll, was er sieht. Meist 
erblickt man darin die Einkleidung der Tatsache, daß sich der Prophet 
unter der Einwirkung des Gottesgeistes gleichsam in zwei Persönlich- 
keiten differenziert. Nach Duhm (Kommentar zu Jes. S. 129) «sagt jener 
Befehl unserem Psychiker, er solle sich der Katalepse hingeben (vgl. 
dazu oben S. 196) und den Engel aus sich entlassen, der, von den Sin- 
nen des Körpers nicht gehindert, übersinnliche Dinge wahrnehmen kann". 
Es ist indes kaum fraglich, daß der jetzige Text von V. 6 auf einem 
Mißverständnis der Masora beruht und mit Bühl (ZAW 1888, S. 157 ff.) 
und Stade (ebend. S. 165 ff.) in einen Befehl Jahwes an den Propheten, 
auf die Warte zu treten, zu emendieren ist. Damit fällt die von Duhm 
behauptete Katalepse hinweg und Jes. 21 6 wird zu einer schlichten Par- 
allele von Hab. 2i. 



§ 15.] Namen und Wesen der Schriftpropheten. 199 

kein anders lautendes empfangen hat, wie er aber dann dem Lü- 
genwort in felsenfester Gewißheit das nachträglich an ihn er- 
gangene Jahwewort gegenüberstellt. Auch hier ist jeder Ge- 
danke an eine bloße Einbildung oder gar eine Erfindung des 
Propheten schlechthin ausgeschlossen. Was er redet, beruht auf 
einer realen, unmittelbaren Eingebung. — Das andere nicht min- 
der charakteristische Zeugnis lesen wir Jer. 42 i ff. Der nach der 
Ermordung Gedaljas aus Mizpa geflohene Rest des Volks bittet 
den Propheten um ein Wort Jahwes, das ihnen den rechten Weg 
zeigen soll. Wie auch der Bescheid lauten möge, sie wollen 
sich genau nach ihm richten. Jeremia verspricht ihnen, daß er 
einen Bescheid von Jahwe erbitten und ihnen kein Wort davon 
vorenthalten wolle. Aber es vergehen zehn Tage, bis das Gottes- 
wort an ihn erfolgt, das den Zug nach Aegypten durchaus ver- 
wirft und ihr Bleiben im Lande fordert. Wenn darauf die Stimm- 
führer des Volks den Propheten der Lüge und der Absicht des 
Verrats zeihen, so wird dies jedermann auf den blinden Eifer der 
Betörten zurückführen. Ebensowenig aber hat man ein Recht, 
jene zehn Tage lediglich als eine Frist anzusehen, die sich der 
Prophet zu ruhiger Ueberlegung und zur Besänftigung der auf- 
geregten Gemüter selbst gesetzt habe. Auch hier müssen wir ihm 
vielmehr glauben, daß er erst dann ein „Wort Jahwes" verkün- 
digen konnte, nachdem ein solches an ihn ergangen war. 

Mit allem, was wir bisher zur Charakteristik des Schrift- 
propheten tums angeführt haben, ist doch des Wesentlichsten noch 
nicht gedacht. Wir erblicken dies in den Gegenständen der 
prophetischen Verkündigung. Als solche treten uns aus- 
schließlich die Angelegenheiten der Theokratie entgegen. Die 
prophetische Predigt wendet sich an das Volksganze, sei es in 
Israel oder Juda, oder bezieht sich auf das Volksganze ; in je- 
dem Fall hat sie ausschließlich sittlich-religiösen Inhalt. Die 
wenigen Ausnahmen, wo sie sich an einzelne Personen wendet, 
sind doch nur scheinbar. Wenn Jesaja (7 n) den König Ahas 
auffordert, sich ein Zeichen von Jahwe zu erbitten, so redet er 
zu dem, in dessen Hand und Verantwortung die Geschicke des 
Volks in schwerer Zeit gelegt sind. Und wenn derselbe Prophet 
(22 iß ff.) dem königlichen Hausminister seine Absetzung und Ver- 
bannung, sowie die Berufung Eljakims an seiner Statt verkün- 
digt, so lehrt der ganze Zusammenhang, daß Sebna dieses Straf- 
urteil als ein Schädiger der Theokratie und ein Bedrücker des 



200 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 15. 

Volks erwirkt hatte, während von Eljakim, dem Knecht Jahwes, 
zu erwarten war, daß er dem Hause Juda ein Vater sein werde. 
Ebenso sind natürlich die Drohreden Jeremias an einzelne 
Personen zu beurteilen; so die an Pashur (20 3 ff.), der sich 
durch die Mißhandlung des Propheten als Empörer gegen Jahwe 
selbst erwiesen hatte; an Hananja (28 13 ff.; s. o. S. 198), an Se- 
maja (29 u ff.), und nicht minder die zahlreichen Propheten worte 
an die einzelnen Könige von Juda (21 s ff. 22 lff. 13 ff. 27 12 ff. 
38 14 ff.). Auch die sehr häufigen Drohreden gegen ganze Stände, 
die Oberen und Richter des Volks, die Priester oder die fal- 
schen Propheten, haben diese nicht als Einzelpersonen, sondern 
als Träger wichtiger Aemter im Auge, von deren Verhalten das 
Wohl und Wehe der Gesamtheit abhängt. Der echte Jahwepro- 
phet aber hat ein Amt nur insofern, als er von Gott zu einer 
bestimmten Tätigkeit berufen ist, niemals von Staats wegen oder 
aus königlichem Auftrag. Nichts ist daher verkehrter als die 
Vorstellung, Jesaja habe z. B. einem Sebna (22 15 ff.) in amt- 
licher Eigenschaft und im Auftrage des Königs — etwa als eine 
Art Hofprediger — die Absetzung angekündigt. 

Dieser Stellung der Propheten im Dienste Jahwes entspricht 
es auch, daß sie ihres Amtes warten ohne einen Anspruch auf 
Lohn — im Unterschied von den alten Sehern, deren Bescheid 
man durch Gaben erkaufte (1 Sam. 9 7 f. 1 Kön. 14 3). Nach Mich. 
3 11 ist es ein Kennzeichen der Lügenpropheten, daß sie für Geld 
wahrsagen, und solches ist eben so schimpflich, wie das Recht- 
sprechen der Richter für Geschenke und das Thora-Erteilen der 
Priester um Lohn. 

Was endlich die zahlreichen Sprüche und Reden gegen aus- 
wärtige Völker betrifft, so gehören sie großenteils schon deshalb 
in den Bereich der prophetischen Wirksamkeit, weil sie die feind- 
selige Stellung der fremden Völker zur Theokratie zum Anlaß 
haben. Sie kündigen denen das Strafgericht Jahwes an, die in 
ihrer Verblendung seinen Auftrag, zu züchtigen, gemißbraucht 
und grausam vertilgt haben (Jes. 10 5 ff.), oder die wie die Edo- 
miter am „Unglückstage" Jerusalems rohe Schadenfreude gezeigt 
und nach Kräften zur Demütigung und Vernichtung Judas mit- 
geholfen haben (Ob. 10 ff.). Aber auch wo solche Anlässe nicht 
vorliegen oder doch für uns nicht erkennbar sind, sind die Weis- 
sagungen gegen die fremden Völker ein hervorragender Gegen- 
stand prophetischer Rede. Denn sie alle sind Zeugnisse für die 



§ 15.] Namen und Wesen der Schriftpropheten. 201 

Erkenntnis, daß Jahwe allein mit allmächtiger Hand die Ge- 
schicke der Völker lenkt, der nahen und der fernen, daß er allein 
zu lohnen und zu strafen vermag und daß er beides tut nach dem 
unwandelbaren Maßstab des Rechts und der Gerechtigkeit. Es ist 
nicht mehr der bloße Volksgott, der sich um den Weltlauf nur 
dann kümmert, wenn sein Volk von einem anderen angetastet 
wird und dann — so dachte der Volksglaube — blind für das 
seinige Partei ergreift: sondern er ahndet auch den Frevel, den 
die Moabiter an den Gebeinen des Königs von Edom begangen 
haben (Am. 2i). So dürfen wir wohl sagen: der Universalismus 
des prophetischen Gottesbegriffs, die Allmacht, Weisheit und Ge- 
rechtigkeit Jahwes findet gerade in den Reden gegen die fremden 
Völker einen überaus klaren und kräftigen Ausdruck. Diese 
Reden aber hindern nicht unser Urteil, die Wirksamkeit der 
Schriftpropheten erstrecke sich durchaus auf die Interessen und 
Ziele der Theokratie, auf die Wege, die Gott mit dieser gehen 
will, und der Inhalt ihrer Predigt sei durchaus sittlich-religiöser 
Natur. 

Dies geht nicht zuletzt auch daraus hervor, daß die Droh- 
rede, mag sie noch so kategorisch auftreten, immer nur einen 
bedingten Charakter hat. Selbst Arnos, dessen Gerichtsan- 
drohung so unwiderruflich lautet, daß er (5 i) bereits die To- 
tenklage über Israel anstimmt, — auch er verwirft doch nicht 
jede Hoffnung, wenn er gleich darauf (V. 4. e) mahnt: Sucht Jah- 
we, damit ihr am Leben bleibt ! Ja, wenn sie das Böse hassen und 
das Gute lieben, so wird sich Jahwe doch vielleicht noch des 
Restes Josephs erbarmen (V. is). Und Jesaja, obwohl nach 6 10 f. 
ausdrücklich dazu berufen, daß er die Verstockung des Volks 
durch seine Bußpredigt nur noch steigere, verkündigt doch (1 as f.) 
eine Zeit, wo der Zion wiederum eine Rechtsburg, eine treue 
Stadt heißen wird, nachdem ein Teil seiner Bewohner durch das 
Läuterungsgericht zur Buße geführt worden ist. 38 i verkündigt 
Jesaja dem König Hiskia auf Befehl Jahwes sein baldiges Ende, 
gleich darauf aber eine weitere Lebensdauer von 15 Jahren infolge 
des Gebets und der Tränen Hiskias. Auch Jeremia verkündet 
es (26 3) als ein Wort Jahwes, daß die Drohung gegen Stadt und 
Tempel doch vielleicht die Wirkung haben könne, daß sie hören 
und sich bekehren und Jahwe sich infolge dessen des Unheils ge- 
reuen lasse, das er ihnen wegen ihren bösen Taten zuzufügen ge- 
sonnenist. Kurz: das Wort der „Weissagung" ist nicht ein decre- 



202 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 16. 

tum ab8olutum, das sich nach Art einer blinden Naturgewalt, 
eines unerbittlichen Fatums, auswirken müßte, sondern es ver- 
folgt sittliche Zwecke, will Erkenntnis und Buße wirken. Daher 
ist es widerruflich, je nach dem Verhalten der Bedrohten — ganz 
wie der Töpfer das mißratene Gefäß nach seinem Belieben um- 
gestalten kann (Jer. 18 i ff.). Denn Jahwe hat nicht Wohlge- 
fallen am Tode des Gottlosen, sondern daran, daß er sich von 
seinem bösen Wandel bekehrt und am Leben bleibt (Hes. 18 n). 
Diese Wahrheit und zwar in der Ausdehnung sogar auf die Hei- 
den einzuschärfen, ist in nachexilischer Zeit das Jonabüchlein 
verfaßt. [Vgl. hierzu unten § 22. D. H.] 

§ 16. Die Formen der göttlichen Offenbarung an die 

Propheten. 

Zur Literatur: SOettli, Die Propheten als Organe der göttl. 
Offenbarung. (Vortrag.) Berlin 1904. — BBaentsch, Pathologische Züge 
in Israels Prophetentum. Zeitschr. f. wiss. Theol. 1907, 1, S. 52 — 81. 

Die einfachste Form der Mitteilung Gottes an die Prophe- 
ten ist „das Wort", das an sie ergeht und überaus häufig gleich- 
bedeutend ist mit „Offenbarung 44 . Nach Jer. 18 is war es eine 
landläufige Rede zu jener Zeit, daß dem Priester niemals die 
Thora oder Weisung, dem Weisen niemals der Rat, dem Prophe- 
ten niemals das Wort abhanden kommen könne. Daß der Pro- 
phet kraft seiner Berufung im Namen Jahwes reden könne, auch 
ohne in j e d e m Fall eine außerordentliche Offenbarung Jahwes 
empfangen zu haben, haben wir oben (S. 197) bereits hervorge- 
hoben. Andererseits bezeugen die genauen Datierungen be- 
stimmterGottesworte (so besonders beiHesekiel, Haggai, Sacharja, 
vereinzelt auch bei Jeremia), daß sich der Prophet sehr wohl 
bewußt sein kann, eine besondere Offenbarung empfangen zu 
haben. Dies bezeugt auch die Wendung (Jes. 22 14; vgl. 5 9) 
„Jahwe hat sich offenbart in meinen Ohren 44 , d. h. er hat es mir 
vernehmlich zugerufen. Daß dabei doch nicht (mit König) an 
ein leibliches Hören gedacht werden kann, geht daraus her- 
vor, daß das Gotteswort anderwärts von dem Propheten „ge- 
schaut 44 wird. Dieses Schauen aber erfolgt ebenso mit dem Auge 
des Geistes, wie das Schauen der prophetischen Gesichte oder 
Visionen; beide Arten von Schauung werden mit demselben 
Worte (häzöri] vergl. z. B. „Schauung Jesajas 44 als Gesamtüber- 
schrift des jetzigen Jesajabuchs) bezeichnet. Dies läßt sich nur 



§ 16.] Die Formen der göttlichen Offenbarung an die Propheten. 203 

so erklären, daß die Grenze zwischen beiden — zumal in alter 
Zeit — fließend war; auch der Empfang eines Gottesworts 
konnte leicht mit ekstatischen, visionären Zuständen gepaart 
sein. Immerhin haben wir ein gutes Recht, von eigentlichen 
Visionen, d. h. dem Schauen konkreter Bilder und Vorgänge, 
zu reden, über die der Prophet hinterher berichtet und von denen 
er, wenn es nötig ist, eine Deutung gibt. Bemerkenswert ist, daß 
dieses Sehen fast überall (vergl. Am. 7 1. 4. 7. 8 1. 9 i. Jes. 6 1. 
Jer. 1 11. i8. Hes. 1 1. Sach. 1 •. 2 1 etc.) mit dem Zeitwort rüüöih 
ausgedrückt ist, welches für gewöhnlich das leibliche Sehen be- 
zeichnet. Daraus kann wiederum nicht gefolgert werden, daß es 
sich dabei buchstäblich um ein Aufdecken der unsichtbaren Welt 
für die leiblichen Augen des Propheten handelt, wohl aber, daß 
er mit dem geistigen Auge reale Bilder und Vorgänge sieht, wie 
es sonst mit dem leiblichen Auge der Fall ist. Von allen Analo- 
gien, die man angeführt hat, um das Geheimnis dieses Schau- 
ens (der prophetischen Visionen im engeren Sinne) verständlich 
zu machen, kommt am meisten die vielfach bezeugte „künstlerische 
Intuition * in Betracht, bei der der Künstler das von ihm geplante 
und vielleicht lange überdachte Kunstwerk plötzlich in unge- 
ahnter Vollendung und Schöne vor dem geistigen Auge dastehen 
sieht, so deutlich, daß er es nachher in der Erinnerung festzu- 
halten und auszuführen vermag. Immerhin sind hier auch die er- 
heblichen Unterschiede zwischen der Art der künstlerischen und 
prophetischen Inspiration und vor allem zwischen ihren Gegen- 
ständen nicht zu übersehen. 

Weiter aber treten uns die Visionen in einer solchen Mannig- 
faltigkeit entgegen, daß wir es begreifen können, wenn man zwi- 
schen echter Vision und rein schriftstellerischer Einkleidung 
prophetischer Gedanken zu unterscheiden versucht hat, — ganz 
zu geschweigen von dem Versuch, alle Visionen lediglich auf 
Rechnung des Schriftstellers zu setzen. Zur Widerlegung dieser 
letzteren Meinung genügt schon der Hinweis auf die einzige Vi- 
sion, von der uns Jesaja (c. 6) berichtet. Es ist undenkbar, daß 
er dieses Erlebnis, an das sich seine feierliche Berufung zum 
Propheten knüpft, fingiert haben sollte, nur um in dieser Form 
einige eigene Gedanken über das Wesen und die Aussichten sei- 
nes prophetischen Berufs vorzutragen. Für diesen Zweck wäre 
der Aufwand der Darstellung zu groß. Alles spricht vielmehr 
dafür, daß der Prophet dieses eine Mal die überirdischen Bilder, 



204 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 16. 

die er beschreibt, tatsächlich geschaut, die Entsündigung erlebt, 
den göttlichen Auftrag vernommen hat. Und zwar sind es Bil- 
der von erhabener Einfachheit, Vorgänge in klarer, eindringlicher 
Aufeinanderfolge — beides (wie schon bei der Vision des Micha 
ben Jimla 1 Kön. 22 10 ff.) sichere Kennzeichen eines realen 
inneren Erlebnisses. Weit schwerer ist dagegen eine einheitliche 
Vorstellung von den beiden ersten Visionen des Arnos (7 i ff.) 
zu gewinnen. Bei der dritten (V. i ff.) ist es ein einziger Gegen- 
stand (das Bleilot), an das der Gottesspruch anknüpft, und bei 
der vierten dient der Gegenstand, der Korb mit Herbstfrüchten, 
lediglich als ein Sinnbild des Herbstes, der über das Volk herein- 
brechen soll. Erst die fünfte Vision (9 i ff.) zeigt sich, obschon 
in äußerster Kürze beschrieben, der des Jesaia verwandt. Aber 
auch die anderen können unseres Erachtens trotz ihrer Eigenart 
nicht als bloß schriftstellerische Einkleidung prophetischer Ge- 
danken betrachtet werden. Eine solche trat erst dann ein, als 
die prophetische Vision eine längere Geschichte gehabt hatte und 
die öffentliche Wirksamkeit der Propheten mehr und mehr der 
schriftstellerischen Tätigkeit weichen mußte. Uebrigens beschrän- 
ken sich die Zeugnisse über Visionen vorexilischer Prophe- 
ten außer denen des Arnos und Jesaja auf die des Jeremia 1 11. is. 
In beiden wird, und zwar im Anschluß an die eben erfolgte Be- 
rufung des Propheten, ein einziger Gegenstand (ein Mandelbaum 
und ein siedender Topf), den der Prophet sieht, Anlaß zu einer 
prophetischen Verkündigung. In sehr ausführlicher und z. T. 
verwickelter Gestalt tritt dagegen die Vision bei Hesekiel auf» 
Wie bei Jesaja und Jeremia geht die erste Vision (1 i ff.) der 
Berufung voraus. Der Prophet berichtet im Eingang, daß er 
nach dem Auftun des Himmels, d. h. zum Schauen auch des 
Ueberirdischen befähigt, von Gott gewirkte Gesichte geschaut 
habe. Jedoch nicht vom Himmel, sondern vom Norden her er- 
folgt die Theophanie in einer vom Sturmwind getriebenen feuri- 
gen Wolke. Sie birgt die überaus eingehend beschriebenen Ke- 
rube (s. o. S. 192 ff.), und erst zum Schluß (V. 26 ff.) erfahren wir r 
daß sie die Fläche mit dem Throne Gottes und auf diesem Gott 
selbst tragen. Daß der Prophet von der Gestalt des Thronenden 
nur in Andeutungen redet, entspricht der ehrfurchtsvollen Scheu, 
die wir auch Ex. 24 10 und Jes. 6 i beobachtet finden. Aber die 
außerordentliche Umständlichkeit der vorangegangenen Beschrei- 
bung, durch die man doch nicht zu einer klaren Vorstellung von 



§ 16.] Die Formen der göttlichen Offenbarung an die Propheten. 205 

den Gegenständen gelangt, berechtigt zu dem Urteil — nicht, 
daß der Prophet die (genau datierte!) Vision überhaupt erfun- 
den habe, wohl aber, daß die schriftstellerische Tätigkeit an der 
Beschreibung einen sehr erheblichen Anteilgehabt hat. Dasselbe 
gilt von der Deutung, die sich (Hes. 2 8 ff.) an das Verzehren der 
mit Seufzen und Wehklagen beschriebenen Buchrolle knüpft. 
Natürlich fällt das Verzehren der Rolle, eine Verleiblichung der 
sonst rein geistig gedachten Inspiration, gleichfalls in den Be- 
reich der Vision; denn erst 3 12 ff . vernimmt der Prophet hinter 
sich das Getöse des Kerubwagens, der „die Herrlichkeit 44 Jah- 
wes wieder davonträgt. Ueber die sich (3 14 f. ) daran anschließende 
Beschreibung des physischen Zustandes des Propheten vergl. 
oben S. 195 f. Bei der Wiederholung derselben Theophanie 
(3 22 ff.) begnügt sich der Prophet mit einer einfachen Erwäh- 
nung. Sehr ausführlich ist dagegen der Bericht (8 1 ff.) über das, 
was er, vom Geist nach Jerusalem entführt, an götzendienerischen 
Greueln im Bereiche des Tempels zu schauen bekommt. Daran 
knüpfen sich c.9 — 11 auf demselben Schauplatz die Gesichte, die 
ihm die Zerstörung der Stadt und des Tempels vor Augen stel- 
len, samt der Drohrede an die Volksobersten. Von da abtritt uns 
eine Vision erst wieder in c. 37 entgegen: die Wiederbelebung 
der Totengebeine, die das im Exil gleichsam abgestorbene Israel 
abbilden. Hier wie in c. 8 — 11 ist kein Grund vorhanden, an 
einer wirklichen Schauung des Propheten zu zweifeln, aber die 
Einzelschilderung des Geschauten und ganz besonders die aus- 
führlichen Deutungen und Nutzanwendungen müssen sicher 
wiederum auf Rechnung der schriftstellerischen Ausführung ge- 
setzt werden. Und in ganz besonderem Maße gilt dies von der 
großen Vision im letzten Teile des Buches (c. 40 — 48), in der 
der Prophet die künftige Gestalt des Tempels und des Kultus in 
ihm sowie die des Landes beschreibt. Hier sind die Einzelheiten in 
einem Grade gehäuft und verwickelt, daß man wohl nicht ohne 
Grund vermutet hat, der Prophet habe die Beschreibung auf 
Grund vorher angefertigter Karten und Pläne vollzogen. Aber 
der Stoff, der eine solche Vermutung nahe legt, kann natürlich 
nicht zu dem in der Vision Geschauten gehören. Anderwärts 
verrät sich das Hinausschreiten aus dem Bereich der Vision in 
den des Schriftstellers durch die ausführliche Begründung von 
V orschriften, die erst künftig in Kraft treten sollen ; so beson- 
ders in der Neuordnung des Priestertums, c. 44 ff., und der Ver- 



206 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 17. 

teilung der Stämme, c. 48. Dies und vieles andere ist im Rah- 
men der Vision nur dadurch untergebracht, daß es dem Führer 
des Propheten (vergl. 40 t f.) oder auch Jahwe selbst in den 
Mund gelegt wird. 

Die letzten *) Berichte über eigentliche Visionen liegen uns 
in den acht Nachtgesichten des Sacharja (c. 1 i — 6 s) vor. Es 
wurde bereits oben S. 196 f. dargelegt, daß es abgesehen von 4i 
an jeder Andeutung fehlt, die auf einen kataleptischen Zustand 
des Propheten beim Empfang dieser Gesichte hinwiese. Es war 
uns daher ganz unwahrscheinlich, daß „der Engel, der mit mir 
redete" (1 o. is. 2 s etc.) mit Duhm auf das scheinbar verdoppelte 
Bewußtsein eines Kataleptikers zurückzuführen sei. Eher könnte 
man wohl mit Baudissin (Einleitung in die Bücher des A. Test, 
Lpz. 1901, S. 565) urteilen: „Mit der Einschiebung dieses Mitt- 
lers zwischen Gott und dem Propheten (des sogen, „angelus in- 
terpres") ist der Charakter des alten Propheten tums aufgehoben, 
der auf dem unmittelbaren Erfülltsein mit dem Gottesgeist be- 
ruhte". Damit ist bereits ausgesprochen, daß in den Nachtge- 
sichten das Allermeiste auf Rechnung der eignen Phantasie und 
der schriftstellerischen Tätigkeit des Propheten zu setzen sein 
dürfte. Mehrmals (so ganz besonders luff. 2 10 ff.) geht die 
Beschreibung der Vision in den gewöhnlichen Ton der propheti- 
schen Verkündigung über. 

§ 17. Die Formen der prophetischen Verkündigung. 

Unter den verschiedenen Arten der Mitteilung der dem Pro- 
pheten gewordenen Offenbarungen nimmt wiederum das Wort 
oder die prophetische Rede, sei es in Gestalt eines kurzen Spru- 
ches oder einer längeren, deutlich gegliederten Verkündigung, 
wenigstens in der ersten Zeit weitaus die erste Stelle ein. Im- 
merhin läßt sich die oft wiederholte Behauptung, daß die Sprüche 
und Reden der älteren Propheten so gut wie ausnahmslos als 
nachträgliche Niederschrift wirklich gehaltener Reden zu betrach- 
ten seien, doch nur in bedingtem Maße aufrecht erhalten. Ge- 
wiß werden wir überall da, wo der Prophet selbst Ort und Zeit, 
sowie die Ohrenzeugen seiner Verkündigung nennt, wie z. B. 
Jes. 7 i ff., einen Bericht über das wirklich von ihm Geredete zu 

l ) Von den Visionen Daniels, die in Wahrheit in eine ganz andere 
schriftstellerische Kategorie, die der Apokalyptik, gehören, wird später 
(§ 22, 5) die Rede sein. 



§ 17.] Die Formen der prophetischen Verkündigung. 207 

erblicken haben. Aber schon in diesem Falle ist eine große Frei- 
heit in der Art und dem Umfang der Aufzeichnung nicht ausge- 
schlossen. Wir müssen uns auch daran erinnern, daß die gesamte 
Schriftstellerei des A. T. nicht auf diplomatisch genaue Wie- 
dergabe von Reden und Ereignissen, sondern auf religiöse Wir- 
kung abzielt, daß sich daher der Prophet als Schriftsteller volle 
Freiheit vorbehalten mußte, auf welchem Wege er diese Wirkung 
erzielen könne. Vollends aber ist diese Freiheit des Verfahrens 
da vorauszusetzen, wo ein Prophet erst nach Jahren überaus 
zahlreiche Reden aus dem Gedächtnis reproduziert und einem 
andern in die Feder diktiert, wie dies von Jeremia (36 i ff.) nach 
23jähriger prophetischer Tätigkeit berichtet wird. Dabei konnte 
es unmöglich ohne allerlei Einwirkung der späteren Erlebnisse 
und Urteile auf die früheren Reden abgehen. Und als die von 
Baruch beschriebene Rolle von König Jojakim verbrannt war, 
da waltete bei ihrer Wiederherstellung (36 82) abermals die größte 
Freiheit, denn „es wurden außerdem noch viele Reden gleicher 
Art beigefügt". Aber auch andere Prophetenbücher, wie das des 
Arnos, das sich schon durch die Datierung 1 1 (zwei Jahre vor 
dem Erdbeben) als später redigiert zu erkennen gibt, und nicht 
minder das des Hosea und Jesaja tragen so deutliche Spuren 
nachträglicher Redigierung, Ausfeilung und Ausgestaltung des 
etwa gesprochenen Wortes an sich, daß sich die absolute Ueber- 
ein8timmung von Rede und Schrift kaum irgendwo mit Sicher- 
heit behaupten läßt. Dabei sehen wir ganz davon ab, daß die 
Prophetenschriften schließlich (vergl. dazu oben S. 189 ff.) wohl 
fast ausnahmslos noch anderweitiger redaktioneller Tätigkeit 
unterworfen gewesen sind, durch die nicht nur Veränderungen 
im Umfang, sondern vielfach auch im Wortlaut herbeigeführt 
wurden. Es ist nutzlos, dies bestreiten zu wollen; anderseits 
aber ist es verkehrt, darin eine Aufhebung des Offenbarungs- 
charakters und überhaupt des hohen Wertes des Prophetenwor- 
tes zu erblicken. Was auch alle die Einwirkungen, die in der 
menschlichen Ueberlieferung nun einmal unvermeidlich sind, ge- 
schädigt haben mögen, das echte Gotteswort bewahrt in alledem 
eine Kraft und Hoheit, die noch heute ihre Wirkung nicht 
verfehlt. 

Daß die prophetische Rede sich gelegentlich zur Steigerung 
der Wirkung poetischer Kunstformen bedient, wie der Pa- 
rabel (Jes. 5 1 ff . 28 23 ff.; auch das „Rätsel" Hes. 17 1 ff. wird 



208 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 17. 

dort gleichzeitig als mäSäl oder Gleichnis bezeichnet) oder der 
Wortspiele (z. B. Mich. 1 10 ff.), und nicht minder, daß sie in der 
vorexilischen Zeit und vielfach auch später in poetischen Rhyth- 
men x ) verläuft, mag hier nur angedeutet sein, da es außerhalb 
des Rahmens einer religionsgeschichtlichen Darstellung liegt. 
Erwähnung verdient dagegen noch die Versinnbildlichung des 
vom Propheten Verkündigten durch symbolische Hand- 
lungen. Eine solche trat uns schon in sehr alter Zeit bei Ahia 
von Silo (1 Kön. 11 so f.) entgegen, wenn er seinen neuen Mantel 
in 12 Stücke zerreißt und Jerobeam 10 derselben überläßt. Die 
Deutung folgt hier der Handlung auf dem Fuße, während letz- 
tere 1 Kön. 22 n dem Prophetenspruch nachfolgt. Bei den 
Schriftpropheten verhält es sich mit den symbolischen Handlun- 
gen ähnlich, wie mit den Visionen. Anfangs selten und einfach, 
treten sie bei Hesekiel in größerer Anzahl und zum Teil in einer 
so komplizierten Gestalt auf, daß man zu der Frage berechtigt 
ist, ob sie als wirklich ausgeführt und nicht bloß als schriftstel- 
lerische Einkleidung prophetischer Gedanken gemeint seien. Bei 
Arnos, Hosea, Micha finden sich keine Beispiele, bei Jesaia 
neben der einen Vision gleichfalls nur eine symbolische Hand- 
lung (c. 20). Der Prophet soll drei Jahre lang entblößt (d. h. 
ohne Obergewand) und barfuß einhergehen, um so recht eindring- 
lich den Zustand der in die Gefangenschaft wandernden Aegypter 
und Aethiopier zu versinnbildlichen. Dieses sein Tun verfolgt 
aber zugleich, wie V. 5 f. zeigt, einen praktischen Zweck von 
größter Wichtigkeit, nämlich die Bewahrung Judas vor einer 
törichten Auflehnung gegen Assur im Vertrauen auf die trüge- 
rische Hilfe der Aegypter und Aethiopier. Die symbolische 
Handlung steht hier also im unmittelbaren Dienst der göttlichen 
Leitung des Volks durch den Propheten und ist daher auch (wie 
überhaupt alle symbolischen Handlungen bei den Schriftprophe- 
ten) direkt von Gott befohlen. Nach Jes. 20 stoßen wir erst bei 
Jeremia wieder auf einige Beispiele. C. 13iff. soll der Prophet einen 
neugekauften linnenen Gürtel erst an seine Hüften legen, dann 



x ) So spielt unter anderem der von Ley und Büdde entdeckte 
sogen. „Klageliedvers", d. h. die Neben einander Stellung eines längeren 
und eines kürzeren Gliedes (meist drei und zwei Hebungen) in den Pro- 
pheten eine weit größere Rolle, als man früher annahm; vgl. z. B. Am. 
52f. Jes. l2ff. 2eff. 13aff.l4ibff. 15i*>ff. 22ib-4. 37 22 ff. 47iff. 527ff. 
57iff. 60 17b ff. Jer. 9 20 f. 15 8 f. Hes. 19ibff. etc. 



§ 17.] Die Formen der prophetischen Verkündigung. 209 

in eine Felsenspalte am Wasser vergraben x ), um hinterher durch 
das Verderben des Gürtels das unausbleibliche Verderben 
Judas und Jerusalems abzubilden. Zu demselben Zweck zer- 
schmettert er (19iff.) im Thopheth, der Kinderopferstätte, vor 
den Augen zahlreicher Zeugen einen irdenen Krug; die Hand- 
lung gewinnt hier durch die Oertlichkeit, an der sie vollzogen 
wird, eine erhöhte Bedeutung. Nach 27 1 ff. versinnbildlicht Je- 
remia die Notwendigkeit, daß sich Juda geduldig dem Joch des 
Nebukadrezar beuge, durch die Stricke und Jochhölzer, die er 
seinem Hals auflegt (vergl. dazu auch 28 10. is). Bemerkenswert 
ist, daß die Deutung dieser symbolischen Handlung mit einer 
entsprechenden Mahnung auch den Königen der umliegenden 
Völker zugesandt wird : ein starker Beweis dafür, daß sich der 
Prophet als Sprecher des über alle gebietenden Gottes fühlte. 
Nur gröbster Mißverstand kann hierin eine ungebührliche Ein- 
mischung in die äußere Politik oder gar den Beweis für eine 
Tätigkeit des Propheten im Solde der Chaldäer erblicken. — In 
gewissem Sinn kann endlich noch 43 8 ff. hierher gezogen werden, 
wo der Prophet auf Geheiß Jahwes große Steine in dem Lehm- 
boden vor dem Palast des Pharao zu Thachpanches verbirgt, zur 
Bezeugung der Tatsache, daß Nebukadrezar dereinst über diesen 
Steinen seinen Thron aufschlagen werde, um über Aegypten 
grausames Gericht zu halten. 

Damit sind aber auch die symbolischen Handlungen Jere- 
mias erschöpft; denn der von Jahwe befohlene Kauf eines Ackers 
im Gefängnis (32 6 ff.) ist ein rechtskräftiger Akt, dessen symbo- 
lische Bedeutung, wie V. 24 f. zeigt, dem Propheten selbst erst 
hinterher aufgeht. Die oben aufgezählten Handlungen aber sind 
insgesamt von ebenso großer Einfachheit wie Eindringlichkeit, 
leicht zu deuten und leicht im Gedächtnis zu behalten. Weit 
umständlicher ist schon die erste sinnbildliche Handlung, die von 



a ) Wenn unter dem p*rät V. 4 ff. der Eupljratstrom verstanden wer- 
den müßte, bliebe allerdings nichts anderes übrig als die ganze Hand- 
lung für schriftstellerische Einkleidung oder gar (mit Dühm, im Kom- 
mentar zu Jer. S. 119) für die mäßige Erfindung eines späten Redaktors 
zu erklären. Denn Jeremia hätte unmöglich zweimal die weite Reise 
nach dem Euphrat gemacht, bloß um festzustellen, daß ein linnener 
Gürtel durch Feuchtigkeit verdirbt. Nun verweist aber LGautieb (vgl. 
„Bote aus Zion", Juli 1894, S. 62 f.) auf einen a'in [Quell] Fara im Be- 
reich von Anathoth, der Heimat des Propheten, und damit wäre in der 
Tat jede Schwierigkeit beseitigt. 

E. Kftutzsch, Biblische Theologie d. A. T. 14 



210 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 17. 

Hesekiel 4 1 ff. gefordert wird, wenn er auf einem Backstein einen 
Plan Jerusalems einritzen, mannigfaltige Werkzeuge der Belage- 
rung, ja ganze Heere wider die Stadt aufstellen und schließlich 
eine eiserne Pfanne zwischen sich (als den Stellvertreter Gottes) 
und die Stadt setzen soll. Immerhin war diese Anweisung, dem 
Hause Israel ein „Merkzeichen" zu geben, noch ganz wohl aus- 
führbar, mag man auch darüber streiten, in welcher Weise der 
Prophet dabei die Belagerungsheere zur Darstellung brachte. 
Wenn aber Hesekiel weiter, nach 4 4 ff. auf einer Seite liegend 
und mit Stricken gebunden, damit er sich nicht von einer Seite 
auf die andere umwenden könne, zuerst 190 *) Tage die Schuld 
Israels und dann weitere 40 Tage die Verschuldung Judas tra- 
gen soll, beide Male entsprechend der Zahl der Jahre der Ver- 
schuldung, so dürfte doch die Berufung auf die Veranlagung des 
Propheten zu kataleptischen Zuständen nicht ausreichen, um 
eine buchstäbliche Ausführung dieses Befehls begreiflich zu ma- 
chen — schon deshalb nicht, weil eine solche Ausdehnung der 
symbolischen Handlung über fast acht Monate ihre Wirkung 
illusorisch gemacht hätte oder doch für den beabsichtigten 
Zweck ganz unnötig gewesen wäre. Man wird sich somit zu der 
Annahme entschließen müssen, daß mindestens die Ausdehnung 
der symbolischen Handlung — mag sie auch eine Zeitlang von 
dem Propheten tatsächlich ausgeführt worden sein — auf 190 
-f- 40 Tage der nachträglich von dem Propheten gegebenen 
Deutung angehört. Nur unter dieser Voraussetzung ist auch die 
Vorschrift (4 ff.) über den spärlichen Gebrauch unreiner Speise 
während desZustands der Gebundenheit 2 ) ausführbar zu denken. 
Ein tägliches Quantum Mengselbrot von 20 Sekeln, also kaum 
330 Gramm, hätte 230 (oder gar 430) Tage hindurch kaum zur 
Erhaltung des Lebens ausgereicht. 

Ueberaus anschaulich und eindringlich ist dagegen das 
vierte Zeichen (5 1 ff.) : das Verbrennen, Zerhauen und Verstreuen 
je eines Drittels der Haupt- und Barthaare des Propheten und 

*) So ist' mit den meisten Neueren nach Sept. für 390 zu lesen. Dana 
sind vom Beginn der Exilierung Israels bis zu der Judas rund 150 Jahre 
gerechnet (in Wahrheit sind es nur ca. 130 oder, von 734 an gerechnet, 
142), denen alsdann noch 40 Jahre gemeinsamen Exils folgen. Mit der 
Zahl 390 ist in keiner Weise etwas anzufangen. 

*) Daß in V. die „390 [Sept.: 190] Tage" eine irrtümliche Glosse 
sind, ergibt sich schon daraus, daß es nach V. 6 f. vielmehr 430 [resp. 
230] heißen müßte. 



§ 17.] Die Formen der prophetischen Verkündigung. 211 

die abermalige Verbrennung eines Teils der schon im Mantel- 
zipfel geborgenen Haare, zum Zeichen, welchem Schicksal das 
Volk von Juda entgegengehe. Mag auch die Verwendung einer 
Wage zur Teilung der Haare an die etwas mechanische Vorliebe 
Hesekiels für genaue Maße und Zahlen erinnern, so ist darum 
doch das Ganze von nachhaltigster Wirkung, und man vermag 
sich wohl vorzustellen, mit welcher Spannung die Augenzeugen 
das Tun des Propheten verfolgt und die nachfolgende Deutung 
vernommen haben mögen. Nicht minder eindringlich soll er 
ihnen (12 i ff.) die trostlose Auswanderung ins Exil dadurch ver- 
sinnbildlichen, daß er sein Wandergerät vor ihren Augen aus 
dem Hause bringt und des Abends durch ein in die Wand ge- 
stoßenes Loch verhüllten Hauptes von dannen zieht. Auch 12 17 ff. 
ist sicher so zu verstehen, daß der Prophet beim Essen und Trin- 
ken alle Zeichen der Angst an den Tag legen soll, um so seiner 
Umgebung die Angst und das Entsetzen der in Jerusalem Bela- 
gerten vor Augen zu malen. — 24 15 ff. besteht die symbolische 
Handlung in dem Unterlassen der von der Sitte geforderten 
Trauerbräuche 1 ). Der Prophet bezeugt selbst, wie sehr diese 
höchst auffällige Unterlassung die Neugier seiner Volksgenossen 
erregt habe. Um so eindringlicher mußte dann die von ihm ge- 
gebene Deutung sein. 

Alle die bisher besprochenen symbolischen Handlungen 
Hesekiels hatten den einen Zweck, die Gewißheit und die Schrek- 
ken des göttlichen Gerichts über Juda vor Augen zu stellen. 
Ihnen steht wenigstens eine Handlung von großer Einfachheit 
gegenüber, deren Deutung auf eine tröstliche Verheißung hinaus- 
kommt: die Vereinigung zweier, mit den Namen Juda und Jo- 
seph beschriebenen Stäbe in der Hand des Propheten, zum Zei- 
chen, daß die beiden getrennten und scheinbar untergegangenen 
Reiche Israels wiederhergestellt und in der alten Heimat unter 
einem König vereinigt werden sollen. Die Drohungen, deren 
Einschärfung die früheren symbolischen Handlungen des Pro- 
pheten dienten, haben sich buchstäblich erfüllt, die Wiederher- 
stellung dagegen hat sich trotz des bestimmten Wortlauts von 
Hes. 37 10 ff. nur auf Juda erstreckt — ein unleugbarer Beweis für 
den bedingten Charakter der Prophetie. Die feste Ueberzeugung 

*) In der vorangehenden Perikope ist das V. 8 ff. beschriebene Tun 
nach der ausdrücklichen Angabe in V. sa ein Gleichnis und nicht 
eine symbolische Handlung. 

14* 



212 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

des Propheten, daß er zu einer gegebenen Zeit ein echtes Gottes- 
wort verkündige, schließt nicht aus, daß die Wege Gottes dann 
doch eine andere Richtung nehmen können. Etwas ähnli- 
ches gilt von dem einzigen Beispiel einer symbolischen Handlung 
in nachexilischer Zeit — falls ihm überhaupt diese Bezeichnung 
zukommt — , der Anfertigung einer kostbaren Krone x ) aus den 
Weihgeschenken der babylonischen Exulanten , Sach. 6 10 ff. 
Falls dort (V. u) eine Krönung Serubbabels geboten war, besteht 
die symbolische Handlung in der Vorausnähme und damit der 
Vorausverkündigung eines hochwichtigen Ereignisses. Sie ist 
aber auch die letzte ihrer Art — ein deutlicher Beweis dafür, 
daß es mit der Jahweprophetie in der von Arnos inaugurierten 
Weise zu Ende ist. Mit dem lebendigen Bewußtsein des unmit- 
telbarsten Empfangs göttlicher Offenbarung erlosch auch der 
Trieb zur eindringlichen Versinnbildlichung des Inhalts der 
Offenbarung durch begleitende Handlung. 

§ 18. Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 

1. Der Gottesbegriff. 

Zur Literatur: WFBade, Der Monojahwismus des Deuterono- 
miums. ZaW 1910, 2. S. 81-90. 

Wie für die früheren Perioden ist auch für die Schriftpro- 
pheten Jahwe in erster Linie der Gott Israels. Dies zu betonen, 
war den Propheten durch ihren vornehmsten Beruf nahegelegt : 
-dem Volke Buße zu predigen, ihm seinen Undank gegen den 
Schöpfer seines Volkstums, den Befreier aus der ägyptischen 
Knechtschaft, den ständigen Wohltäter durch so viele Jahrhun- 
derte hindurch, vorzuhalten. Aber bei alledem ist doch Jahwe 

*) Der jetzige Text von Sach. 6 n ff. ist zweifellos verderbt, die rich- 
tige Wiederherstellung aber noch streitig. Wegen der „Kronen" ver- 
mutete Ewald als das Ursprüngliche: „setze [sie] aufs Haupt Serub- 
babels und Josuas etc.*. Aber V. u zeigt das singularische Prädikat un- 
widerleglich, daß nur von einer Krone die Rede war und zwar der des 
inessianischen Königs. Damit scheidet Josua aus Y. u aus ; er wurde 
erst eingesetzt, als in der nachexilischen Theokratie tatsächlich der Hohe- 
priester an die Spitze trat. Fraglich ist nun, ob es in V. n lautete: 
.„und setze sie auf das Haupt Serubbabels" (dafür spräche „zu ihm" in 
V. 12), oder ob überhaupt V. nb zu streichen (und dann in V. 12a „zu 
ihnen" zu lesen) sei. Jedenfalls ist nach 49 die Krone für Serubbabel 
bestimmt "zu denken, mag auch die wirkliche Krönung erst für einen 
späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen und daher 6 u die Verwah- 
rung der Krone im Tempel angeordnet sein. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 213 

nicht mehr bloß der Gott Israels im Sinne des alten Volksgottes, 
dessen Machtbereich strenggenommen mit den Grenzen seines 
Landes endigt. Vielmehr zeigt sich bei den Schriftpropheten 
allenthalben ein mächtiger und fast überall auch siegreicher 
Drang, die Schranken des alten partikularistischen Gottesbegriffs 
zu durchbrechen, die unbedingte Erhabenheit Jahwes über jede 
Art räumlicher und zeitlicher Beschränkung, vor allem über jede 
Beschränkung seines Machtbereichs, nachdrücklich hervorzuhe- 
ben. Noch wirkt die alte Vorstellung vom Volksgott insofern 
fort, als die Betätigungen seiner Allmacht in der Natur wie an 
der Heiden weit fast immer mit den Absichten im Zusammenhang 
stehen, die er gegenüber seinem Volke hegt. Immerhin fehlt es 
doch nicht an Ansätzen zu einer Weltanschauung, die auch die 
Heidenvölker und zwar um ihrer selbst willen in den Bereich des 
göttlichen Welt- und Heilsplanes hereinzieht. — 

Zur näheren Begründung der vorstehenden Sätze fragen 
wir zuerst nach den Aussagen über die Person Gottes. Daß 
auch jetzt die Analogie der menschlichen Persönlichkeit da- 
zu diente, das Wesen und Wirken der göttlichen Persönlichkeit 
anschaulich, ja überhaupt verständlich zu machen, war eine un- 
umgängliche Notwendigkeit. Sind wir doch auf christlichem Bo- 
den noch immer auf dieselbe Analogie angewiesen, wenn wir 
nicht überhaupt auf die Geltendmachung einer lebendigen, ener- 
gisch handelnden Persönlichkeit verzichten wollen. So bedienen 
sich auch die Propheten nicht selten der Anthropomorphismen, 
die in alter Zeit (vergl. oben S. 50) dem naiven Glauben an eine 
menschliche Leiblichkeit Jahwes entsprungen waren. Aber nir- 
gends findet sich eine Spur, daß auch sie noch jenen naiven Glau- 
ben geteilt hätten. Wenn Jesaja in der Vision, durch die er 
zum Propheten berufen wird (6 i), Jahwe auf einem hohen und 
erhabenen Throne sitzend erblickt, so ist dabei allerdings gewiß 
an eine Menschengestalt gedacht. Aber das Ganze ist eben eine 
Vision, ein inneres Schauen des Propheten, und überdies sagt er 
über die Gestalt gar nichts weiter aus, als daß sie von lange her- 
abwallenden Säumen umflossen war. Er geht also nicht über die 
bloße Andeutung eines prächtig bekleideten majestätisch thronen- 
den Herrschers hinaus. 

Keinesfalls beweist diese einmalige Lokalisierung Jahwes 
ua irdischen Tempel (denn nur an diesen kann man bei dem 
„Haus" Jes. 6 4 und dem Altar V. 6 denken), daß man noch in 



214 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

diesem Zeitraum an einer grobsinnlichen Einwohnung Jahwes 
im Heiligtum festgehalten habe. Allerdings ist der Tempel und 
überhaupt der Zion eine Stätte der Offenbarungen Jahwes i er 
selbst hat ihn gegründet als einen wohlbewährten Eckstein der 
Theokratie ( Jes. 28 u), als eine Zuflucht für die Elenden seines 
Volks (1482); er brüllt vom Zion her und aus Jerusalem läßt er 
seine Stimme erschallen (Am. 1 *); er wohnt auf dem Zion (Jes. 
8 w), hat dort sein Feuer und seinen Ofen (nämlich in Gestalt 
des Opferherds Jes 31 ; vgl. auch 29 1 f., wo ' a ri'öl doch wohl den 
„Herd Gottes" bezeichnet). Daher wendet man sich beim Gebet 
gern nach der Stadt und dem Tempel Jahwes, 1 Kön. 888. 44. 4« 
(doch vgl. auch V. 2a). Aber zahlreiche andere Stellen lassen 
keinen Zweifel darüber, daß trotz alledem, wie schon in der vori- 
gen Periode (vgl. oben S. 111), der Himmel als der eigentliche 
Wohnsitz Jahwes betrachtet wird. Was auf dem Zion wohnt, 
ist nicht die eigenste Person Jahwes, sondern eine mehr oder we- 
niger sekundäre Repräsentation derselben: seine Herrlichkeit 
(vgl. oben S. 88 ff.) oder sein Name (s. die Belege, insbesondere 
aus dem Bereich der Deuteronomisten, oben S. 90 ff.). Er selbst 
thront im Himmel. Von dort her hat er schon am Sinai mit dem 
Volke geredet (Ex. 20 22. Deut. 4 se), dort ist seine heilige Woh- 
nung (Jes. 31 4; Mich. I2, wo der „heilige Palast" nach V. 3 vom 
Himmel zu verstehen ist; Deut. 26 15. 1 Kön. 8 so); dort hört er 
die Gebete seines Volks (1 Kön. 8 82. 84 etc.), wenn sie ihre Hände 
gen Himmel ausbreiten (8 22). Dabei regt sich indes schon kräf- 
tig die Erkenntnis, daß die Lokalisierung Jahwes im Himmel, 
wenn buchstäblich gefaßt, eine unziemliche Beschränkung seines 
doch schrankenlosen Wesens bedeuten würde. Daher wird mehr- 
fach betont, daß Jahwe sowohl der Himmel bis zu seinen höch- 
sten Höhen, als auch die Erde mit allem, was auf ihr ist, gehört 
(Deut. 10 14), daß er allein Gott ist im Himmel droben und drun- 
ten auf der Erde (Deut. 4 89. Jos. 2 11). Ja 1 Kön. 8 27 wird es 
in der Tempelweihrede Salomos positiv ausgesprochen, daß ihn 
der Himmel bis zu seinen äußersten Grenzen nicht zu fassen ver- 
möge, geschweige denn das irdische Haus, das ihm Salomo er- 
baut habe. Und wenn Jahwe bei Jeremia (23 24) fragt: Fülle ich 
nicht den Himmel und die Erde an? so muß man sich allerdings 
hüten, diese Frage irgendwie in pantheistischem Sinne zu deu- 
ten, denn dies würde zu dem alttestamentlichen Gottesbegriff im 
schärfsten Widerspruch stehen. Aber jene Frage enthält aller- 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 215 

dings einen Protest gegen die grobsinnliche Auffassung von Jah- 
we als dem Himmelsgott und zugleich einen Ansatz zu der für 
das menschliche Denken so überaus schwer zu vollziehen den Vor- 
stellung von einem rein geistigen Wesen. Zu einer klaren For- 
mel für den Begriff der reinen Geistigkeit (wie sie Joh. 4 24 vor- 
liegt), hat es das Alte Testament überhaupt nicht gebracht. Aber 
wenn Jesaja (31 s) ausruft: die Aegypter sind ja Menschen, nicht 
Gott, ihre Rosse sind ja Fleisch, nicht Geist! so stellt er damit 
deutlich die Menschen und das vergängliche Fleisch dem Gott, 
der Geist ist, gegenüber. Ebenso wird die Analogie der mensch- 
lischen Persönlichkeit hinsichtlich der sog. Anthropopathismen 
abgewiesen, wenn es Num. 23 10 (1 Sam. 15 29) heißt: Gott ist 
nicht ein Mensch, daß er löge, oder ein Menschenkind, daß ihn 
etwas gereute; vgl. auch Hos. 11 9. 

Der starke Fortschritt in der Vergeistigung des Gottesbe- 
griffs zeigt sich deutlich noch in zwei anderen Punkten. Einmal 
darin, daß bei den vorexilischen Propheten nirgends von Engeln 1 ) 
als zwischen Gott und den Menschen vermittelnden Wesen die 
Rede ist. Denn die s'räpim in der Vision Jesajas (s. oben S. 101 f.), 
an die man hierbei denken könnte, sind in Wahrheit die Umge- 
bung seines Throns, nicht seine Boten, die etwa entfernt von ihm 
seinen Willen auszurichten hätten. Letztere Vorstellung steht 
doch mit der Idee eines lebendig gegenwärtigen Gottes in Wider- 
spruch und fehlt darum bei den Propheten, mag ihnen übrigens 
auch die Vorstellung von Engeln keineswegs unbekannt gewesen 
sein. Weiter offenbart sich die Vergeistigung des Gottesbegrifis 
in der unermüdlichen Polemik gegen die Jahwebilder in beiden 
Reichen. Nach der früher herrschenden Annahme gilt diese Po- 
lemik fast durchweg den Bildern heidnischer Götter oder doch 
höchstens den Stierbildern in Israel als einem groben Verstoß 
gegen das Verbot von Jahwebildern im Dekalog. Wir sahen 
jedoch bereits oben (S. 94 ff.), daß die Anfertigung von Jahwe- 
bildern noch bis ins 8. Jahrhundert in den weitesten Kreisen als 
ganz unverfänglich gegolten haben muß, und daß daher die Ur- 
sprünglichkeit des Bilderverbots im Dekalog den stärksten Be- 
denken unterliegt (vgl. oben S. 71). Findet sich doch in den 
Elias- und Elisageschichten nirgends die Spur einer Polemik ge- 
gen den Stierdienst im nördlichen Reiche. Um so mehr sträubt 

l ) Ueber Hos. 12 4 f. als Hinweis auf eine Gottes erscheinung s. 
oben S. 85. 



216 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

sich das Empfinden der Schriftpropheten gegen die Herabzie- 
hung des über alles Irdische erhabenen, majestätischen Gottes in 
den Bereich der Sichtbarkeit und Vergänglichkeit, eine Herab- 
ziehung, die nur zu leicht auch zur Verunehrung führt x ). 

Ob schon Arnos die Polemik gegen die Jahwebilder eröffnet 
hat, hängt von der Deutung von Am. 8 u ab 2 ). Die „Schuld 
Samariens tt kann sich dort auf die goldenen Stierbilder Jero- 
beams I. beziehen; wahrscheinlich ist jedoch der Text verderbt. 
Was Hosea anlangt, so läßt sich aus 3 4 nicht beweisen, daß er 
die althergebrachte Darstellung Jahwes in Gestalt des Ephod 
(s. oben S. 95 ff.) oder Theraphim (s. oben S. 97 f.) ausdrücklich 
verworfen habe. Denn er redet an jener Stelle zunächst nur da- 
von, daß Israel im Exil alles, was ihm jetzt als unentbehrlich 
gilt, werde entbehren müssen. Dagegen lassen andere Stellen 
keinen Zweifel darüber, daß dem Propheten Hosea die Gottes- 
bilder aus Gold und Silber, die Machwerke von Menschenhän- 
den, obenan die Stierbilder, ein Greuel waren. Vgl. 8 4_e (bes. 
V. 5: dein Stier, Samaria, stinkt zum Himmel!); 10 s. 13a. 144. 
Die Polemik Jesaias gegen die las lilim, d. i. ursprünglich wohl 
„Götter", im Hebräischen aber auch so viel wie „Nichtse", also 
für den Propheten Anlaß zu einem willkommenen Wortspiel, gilt 
ebenso den heidnischen Götzenbildern (10 10. 19 3) und den durch 
sie dargestellten Göttern (19 1), wie den Jahwebildern (2 8. 18. 20. 
10 11. 31 7). Auch die letzteren sind nur Menschen werk und eben 
darum verächtlich (Jes. 2 8. 17 s, wo die Altäre als irrige Glosse 
zu streichen sind ; das Werk ihrer Hände sind eben die Gottes- 
bilder). Jer. 1 le. 25 e. 32 so kann bei dem „Machwerk der Hän- 
de" an Jahwebilder gedacht sein, vielleicht aber auch, wie sicher 
448, an wirkliche Götzenbilder. Deut. 4 15 ff. wird die Darstellung 
Jahwes in irgend welcher Gestalt streng verboten, da Israel am 
Horeb nichts dergleichen erblickt habe; 27 15 steht ein Fluch auf 



*) Daß man noch zu Hoseas Zeit die Stierbilder küßte, sie also (wie 
nach 1 Kön. 19 18 zu Elias Zeit die Ba'alsbilder) dem Gott gleichsetzte, 
den sie darstellen sollten, geht aus Hos. 13 2 hervor. Auch die Wen- 
dung hilläh cet-jrne jahwceh (Ex. 32 11. 1 Sam. 13 12 und öfter im Sinne 
von „ Jahwe begütigen" gebraucht) bedeutet ursprünglich höchstwahr- 
scheinlich „das Angesicht [des Gottesbildes] streicheln u und deutet auf 
einen Brauch, der sicher Überall, wo man Jahwebilder verehrte, im 
Schwange ging. 

2 ) Am. 2 4 mit dem Hinweis auf die (jüdischen) foerä&am, d. i. Lügen 
[-götzen], ist allgemein als später Einschub anerkannt. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 217 

der Anfertigung eines Schnitzbildes oder Gußbildes durch Künst- 
lerhände. Wie im Dekalog handelt es sich dabei um jede Art 
von Götterbildern mit Einschluß der Jahwebilder. Der Rigoris- 
mus des Deuteronomikers kann uns um so weniger verwundern, 
als er ganz ausdrücklich nicht nur die Aschera, den heiligen 
Pfahl neben den Opferstätten verwirft, sondern auch (Deut. 12 s. 
16 22) die Malsteine, die doch in älterer Zeit (vgl. oben S. 27) als 
durchaus unverfänglich galten. 

Mit dem Hinweis auf den Charakter Jahwes als Himmels- 
gott und die schroffe Verwerfung aller bildlichen Darstellungen 
der Gottheit scheint bereits eine andere Frage mit erledigt zu 
sein, die nach der Einzigkeit Jahwes im Gegensatz zu dem blo- 
ßen Henotheismus (s. oben S. 43. 64. 74 f. 135) der früheren Perio- 
den. Nun pflegt man allerdings zahlreiche Belegstellen für den 
absoluten Monotheismus der prophetischen Periode anzuführen, 
die in Wahrheit doch nur die Verpflichtung Israels zur alleinigen 
Verehrung Jahwes (also eben Henotheismus!) einschärfen wol- 
len 1 ). So die zahlreichen Abmahnungen des Deut, vom Dienst 
anderer Götter: an allen diesen Stellen wird über die Realität 
oder Nichtrealität jener „anderen Götter" nichts ausgesagt. Auch 
Deut. 64, das berühmte „Höre, Israel!" das von den Juden wie 
von manchen christlichen Auslegern als das formulierte Grund- 
bekenntnis zum reinen Monotheismus betrachtet zu werden pflegt, 
besagt an sich nur, daß Jahwe der Gott Israels sei, Jahwe allein 2 ), 
daß also ihm allein die Verehrung Israels gebühre. Die Aussage 
geht somit durchaus parallel mit dem ersten Gebot. Auch Hos. 
13 4 redet nur davon, daß Israel einen anderen Gott nicht kennt 
(oder „kennen darf"), von einem anderen Retter nichts erfahren 

*) Vgl. zu der Streitfrage über den Beginn des absoluten Monotheis- 
mus : AKüenen, Jahweh and the other Gods, in Theol. Review, Juli 1876 ; 
BaudissiN, Studien zur serait. Religion sgeschichte. I. Leipz. 1876. Darin 
Studie 2: Die Anschauung des A. Test, von den Göttern des Heiden- 
tums. — Bäthgen, Beiträge zur semit. Religionsgeschichte : Der Gott 
Israels und die Götter der Heiden (Berl. 1880), bes. S. 131—152: „Is- 
raels Verhältnis zum Polytheismus". EKönig, Beiträge zum positiven 
Aufbau der Religionsgeschichte Israels. IL Der Monotheismus der legi- 
timen Religion Israels. Leipzig 1889. 

2 ) Diese Fassung der Worte wird unseres Erachtens durch die Ak- 
zente gefordert. Die herrschende Erklärung deutet dagegen den Sinn: 
J., unser Gott, ist ein Jahwe (d. h. nicht zersplittert in zahlreiche 
lokale Gottheiten; vgl. Sach. 14 9). Auch bei dieser Fassung bleibt die 
Frage nach der Realität der fremden Götter ganz außer Betracht. 



218 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

hat, als von Jahwe, und Deut. 3 u bekennt Mose, wie 1 Kön. 823 
Salomo, daß Jahwe, dem Gott Israels, kein anderer Gott gleiche, 
weder im Himmel droben, noch unten auf Erden. Hier scheint 
also doch die Existenz anderer Götter noch immer vorausgesetzt, 
ganz wie in der Frage Ex. 15 11: Wer gleicht dir unter den Göt- 
tern, Jahwe? oder in der Bezeichnung Jahwes als des Gottes der 
Götter, des Herrn der Herren (Deut. 10 17) oder vollends in der 
Aussage des Propheten : da erbebten vor Jahwe die Götzen Ae- 
gyptens (Jes. 19 1). 

Es kann indes kein Zweifel bestehen, daß die letztgenann- 
ten Stellen lediglich auf Rechnung der dichterischen Ausmalung 
oder einer unwillkürlichen Akkommodation an die noch immer 
fortdauernde Volksvorstellung zu setzen sind. Der wirkliche 
Glaube der leitenden Kreise tritt uns — wenigstens in der jün- 
geren deuteronomistischen Schicht — in dem Bekenntnis ent- 
gegen: Jahwe ist der wahre Gott (Deut. 7 9); außer ihm gibt es 
keinen (Deut. 4 35. 39. 1 Kön. 8 eo; vgl. auch Jes. 37 ie. 2 Kön. 
19 15). Derselbe Glaube besteht aber auch bei den Schriftpro- 
pheten, obschon er nirgends auf eine so bestimmte Formel ge- 
bracht wird. Ohne ihn hätte sich die Vorstellung von Jahwe als 
dem Gott des Himmels nicht in der Gestalt einbürgern können, 
wie wir oben (S. 214) gezeigt haben. Der Gott, dem „die Him- 
mel bis zu ihren höchsten Höhen, die Erde und alles, was auf ihr 
ist, gehören" (Deut. 10 14), kann diese seine Herrschaft unmöglich 
mit einem anderen Gotte teilen. Allerdings könnte es auffällig 
erscheinen, daß die Hinweise auf die Schöpfermacht Jahwes, in 
denen nachmals seine Einzigartigkeit als des Gottes der ganzen 
Welt am schärfsten hervortritt, bei den vorexilischen Propheten 
recht spärlich sind. Denn abgesehen von dem vielgebrauchten 
Gottesnamen jahwteh s'baöt, der für die Schriftpropheten (vgl. 
dazu oben S. 82) zweifellos ein Bekenntnis der überweltlichen 
Macht und Herrlichkeit Jahwes einschließt, und von gelegent- 
lichen Hinweisen auf Jahwe als den Spender des Regens (Am. 
4 7. Jer. 5 24. 14 22), wie umgekehrt als den Urheber der Dürre 
und Hungersnot, findet sich nur Jer. 27 5 eine ausdrückliche Aus- 
sage über Jahwe als den Schöpfer der Erde samt Menschen und 
Vieh, wie 2 Kön. 19 15 [Jes. 37 ie] im Munde Hiskias ein Hin- 
weis auf ihn als den Schöpfer des Himmels und der Erde 1 ). 

l ) Ihrem Inhalte nach würden hierher auch Am. 4 13. 5 8 f. 9 5 f. ge- 
hören, doch sind diese Stellen jetzt ziemlich allgemein als späte Glossen 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 219 

Aber die Spärlichkeit dieser Aussagen kann uns nicht wun- 
der nehmen. Sie wird überreichlich aufgewogen durch die Fülle 
anderer Beweisstellen für die Einzigkeit oder doch die unver- 
gleichliche Allmacht Jahwes im Bereich der Völkerwelt. 
Nicht das war die Aufgabe der Propheten, kosmische oder gar 
metaphysische Probleme zu lösen, sondern ihrem Volke die Größe 
seiner Verantwortlichkeit und die Furchtbarkeit des Gottes, dem 
es Rechenschaft schuldig ist, vor Augen zu malen. So werden 
die Gerichte Gottes, die jetzigen und die künftigen, zu einem be- 
ständigen Anlaß, Jahwe als den Gott zu schildern, dem die Mittel 
und Kräfte des gesamten Weltalls, aber nicht minder auch die 
Völker der Erde zur Verfügung stehen, wenn es gilt, seine Ge- 
danken zu verwirklichen. Wenn er zum Rechtsstreit mit seinem 
Volke schreitet, müssen Himmel und Erde in ehrfurchtsvollem 
Schweigen zuhören (Jes. I 2; vgl. auch Mich. 6 1 f. Hab. 2 20), und 
wenn er zum Gerichte erscheint, dann gerät der gesamte Natur- 
lauf in Schwanken (Mich. 1 3 ff. Nah. 1 3 ff.), verbirgt man sich 
angstvoll vor dem Schrecken seiner majestätischen Erscheinung 
(Jes. 2 10. 19. 21). Das gewaltige Assur mit allen von ihm unter- 
worfenen Völkern ist wie ein lebloses Werkzeug in seiner Hand, 
wenn er es zur Züchtigung Israels verwenden will. Vom Rande 
der Erde pfeift er es herbei (Jes. 5 2«). Und wenn es in vermes- 
senem Uebermut wähnt, aus eigener Macht ausgerichtet zu ha- 
ben, was es in Wahrheit nur als eine Zuchtrute in der Hand Jah- 
wes verrichtet hat (Jes. 10 5 ff.), dann muß es die vernichtende 
Frage hören (V. 16): Trotzt wohl die Axt dem, der damit haut, 
oder brüstet sich die Säge gegen den, der sie zieht? Durch ein 
furchtbares Gericht wird alsdann Assur über die allem überlegene 
Macht Jahwes belehrt werden (10 w ff. und 25 ff.). Wie bei Je- 
saja Assur, so werden bei Jeremia (1 6) alle Völkerschaften der 
nordischen Königreiche von Jahwe zum Gericht über Jerusalem 
berufen ; er hat alle Länder der Gewalt Nebukadrezars überge- 
ben (Jer. 27 c; vgl. 28 14. Hab. 1 X2, auch 2 Kön. 15 37). Das Ge- 
richt, das Jahwe an auswärtigen Völkern vollzieht, ist meist durch 
ihre Feindseligkeit gegen Israel veranlaßt (so Am. 1 3. ». 11. 13. 
Jes. 1424 ff. 17 12 ff. 18 3 ff. Nah. 3 5 ff. Hab. 2 ie). Doch fehlt es 
auch durchaus nicht an Stellen, die von einem unumschränkten 

anerkannt; ebenso Jer. 10 12 f. und 33 26, wo von einem Bunde Jahwes 
mit Tag und Nacht, sowie von seiner Erschaffung der Ordnungen des 
Himmels und der Erde die Rede ist. 



220 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

Schalten und Walten Jahwes unter den Völkern auch ohne jenes 
Motiv reden. Er züchtigt Moab wegen seines Frevels an dem 
König von Edom (Am. 2 1 ff.); er hat die Philister aus Kaphthor, 
die Aramäer aus Qir herbeigeführt (9 7). Er stachelt die Aegyp- 
ter gegen einander auf und übergibt sie der Gewalt eines harten 
Herrn ( Jes. 19 2. 4) ; er bereitet einen Geist des Schwindels in ih- 
nen (V. 14); er hat die Zerstörung von Tyrus beschlossen, „um 
die Pracht jeglichen Schmucks zu entweihen und alle Mächtigen 
auf Erden zu verunehren" (Jes. 23 »; vgl. auch V. 11). Auf sein 
Geheiß reicht Jeremia (25 16 ff.) allen Königen der Erde den 
Taumelbecher und sie müssen von ihm trinken, sie mögen wol- 
len oder nicht. 

Angesichts aller dieser Zeugnisse für eine großartige Ge- 
schichtsbetrachtung und einen das ganze Weltall umspannenden 
Gottesbegriff erscheint uns nun auch die Polemik gegen die Bil- 
der in ihrem wahren Licht. Wir verstehen, wie den Propheten 
jeder Versuch, diesen gewaltigen, majestätischen Gott in einer 
armseligen, sichtbaren Gestalt abzubilden, ein Greuel sein mußte. 
Wir verstehen aber auch, wie sie bei den heidnischen Götzenbil- 
dern überhaupt keine andere Realität anerkennen konnten als 
die von Metall, Holz und Stein. Noch wird dies nicht (außer 
etwa Hab. 2 is f. Jer. 2 11. 16 1» f. sowie in der jüngeren deutero- 
nomischen Schicht Deut. 28 se. 64) mit solcher Bestimmtheit aus- 
gesprochen, wie in der nächsten Periode, aber der oben darge- 
legte Gottesbegriff läßt eben keinen Zweifel darüber, daß neben 
dem einen über das Weltall und die Menschenwelt gebietenden 
Gott für wirkliche „andere Götter a kein Raum ist. Ein Beweis, 
dafür liegt auch in den zahlreichen Bezeichnungen der Götzen, 
die entweder ihre Abscheulichkeit oder ihre gänzliche Nichtigkeit 
(Irrealität) hervorheben und wenigstens zum Teil bereits der vor- 
exilischen Zeit angehören. Offenbar liegt ihnen fast überall 
die Voraussetzung zugrunde, daß die Götter, die sie darstellen, 
nichts als Wahngebilde der Heiden sind. Zur ersten Kategorie 
gehört äiqqus Greuel, Jer. 4 1. 7 30 und öfter bei den deuterono- 
mistischen Redaktoren des Königsbuchs (I 11s. II 23 is. 24) und 
in gleicher Bedeutung to'eböt, 2 Kön. 23 13; noch jünger ist wohl 
gillülim, d. h. vielleicht Klötze oder Puppen, wo nicht vielmehr 
„Exkremente 4 *, Deut. 29 ic („von Holz, Stein, Silberund Gold tt ). 
1 Kön. 21 2e. 2 Kön. 17 12 und oft bei Hesekiel. — Zur zweiten 
Kategorie gehören hcebcel, eig. Hauch, Nichtigkeit (Jer. 2 5. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 221 

1 Kön. 16 M. 2 Kön. 17 u, im Plural Jer. 8i». 14 22) und ääw\ Eit- 
les, Nichtiges, Jer. 18 15. Vgl. endlich die Drohung Deut. 4 28 
(also in dem jüngeren Rahmen des Deut.), daß Israel im Exil 
werde Götter verehren müssen, die von Menschenhänden gemacht * 
und nichts weiter sind, als Holz und Stein, die weder sehen noch 
hören, weder essen noch riechen können. 

Wenn wir im Anschluß hieran noch fragen, wie sich das Wesen 
Jahwes bei den Propheten etwa in besonderen Eigenschaften 
zu erkennen gibt, so werden wir von vornherein darauf verzich- 
ten müssen, hier irgendwelche lehrhaften abstrakten Aussagen 
oder gar schulmäßige Definitionen zu finden. Wiederum gilt: 
die Mission der Propheten bestand in erster Linie in der Buß- 
predigt für ihr Volk; ihm zeigen sie seinen Gott je nach dem 
wechselnden Bedürfnis bald als den furchtbaren Rächer des Ab- 
falls, bald als den langmütigen und barmherzigen Gott. Doch 
kommen diese Eigenschaften immer erst in dem jeweiligen Ver- 
halten Jahwes, in konkreten Fällen, zur Erscheinung. Die Auf- 
stellung einer systematischen „Attributenlehre* 4 war erst der spät- 
jüdischen Theologie möglich, auf Grund einer schulmäßigen Zer- 
gliederung des lebendigen Wesens und Wirkens Jahwes, das die 
Propheten unmittelbar erschaut hatten. 

Unter den Eigenschaftsbegriffen pflegt von jeher vor allem 
der derHeiligkeit 1 ) Gottes mitbehandelt zu werden. Man folgt 
dabei der aus der Dogmatik übernommenen Definition, nach der 
Gott heilig heißt, weil er nur das Gute liebt, das Böse verab- 
scheut. Wir werden indes finden, daß diese Definition zwar allen- 
falls dein neutestamentlichen, dagegen nur in sehr beschränktem 
Maße dem alttestamentlichen Begriff der Heiligkeit entspricht. 

Von dem letzteren hätte schon bei den früheren Perioden 
geredet werden können, denn die Bezeichnungen qädöä, heilig, 
qödceä, Heiligkeit, qiddaä, für heilig erklären, weihen, sind ohne 
Zweifel uralt. Aber sie treten zunächst, und zwar vor allem 
als Attribute von Dingen , selten von Personen, in kultischem 
Zusammenhang und — wie es sich bei Dingen von selbst versteht 
— ohne jeden ethischen Nebenbegriff auf. qädoä 2 ) heißt, was 

') Vgl. hierzu die gründliche Erörterung von Baudissin, der Be- 
griff der Heiligkeit im A. T. (Studien zur semit. Religionsgeschichte II, 
S. 1—142). RSchböteb, der Begriff der Heiligkeit im A. und N. Test. 
Halle 1892. 

') Die Etymologie ist streitig. Noch immer hat aber die Zurück- 



222 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

dem profanen Besitz und Gebrauch, jo sogar der profanen Be- 
rührung entzogen und statt dessen zum Besitz und Dienst der 
Gottheit bestimmt ist. So heißen naturgemäß alle kultischen Ge- 
räte, alle als Wohnsitz oder Kultstätte Gottes dienenden B&ume, 
alle für ihn bestimmten Opfergaben „heilig", d.i. geweiht. Ebenso 
heißen aber auch solche Dinge, die aus einem besonderen Anlaß 
nicht dem Dienst, wohl aber dem Besitz Gottes und seines Hei- 
ligtums verfallen sind, wie Num. 17 s die Räucherpfannen der 
Rotte Korahs „heilig* 4 geworden sind und darum zum Ueber- 
ziehen des Altars verwendet werden sollen. In derselben Weise 
kann aber auch eine Person durch unbefugte Berührung des Hei- 
ligen selbst „heilig werden", d. h. dem Heiligtum verfallen, in ein 
besonderes Verhältnis zu Gott treten ; so durch die Berührung 
des Altars (Ex. 29 37) oder der heiligen Geräte (302». Haggai 2 12 
etc.). In solchem Falle bedarf es besonderer Opfer und Entsün- 
digungen, um den Zustand des „Heiligsems", der auf dem Be- 
treffenden als eine Gefahr lastet, wieder aufzuheben. Die Ge- 
fahr besteht darin, daß ihm in diesem Zustand jede Art von Un- 
reinheit, mag sie nun selbstverschuldet sein oder nicht, leicht töd- 
lich werden kann. 

Es kann uns nicht Wunder nehmen, daß uns diese Ver- 
wendung der Begriffe „heilig" und „Heiligkeit" am häufigsten in 
der jüngsten Schicht des Pentateuch, dem sogen. Priesterkodex, 
begegnet, denn er hat es vor allem mit kultischen Vorschriften zu 
tun. Er folgt jedoch dabei offenbar nur einem längst vorhande- 
nen Sprachgebrauch und zwar auch dann noch, als der Begriff 
der Heiligkeit längst begonnen hatte, sich mit einem positiven 
Inhalt zu erfüllen. 

Schon in sehr alter Zeit ist neben „heiligem 44 , d. h. Gott ge- 
weihtem und daher dem profanen Gebrauch entzogenen Brot 
(1 Sam. 21 s) auch von heiligem Gerät, d. h. Kleidern und Waf- 
fen (ebenda V. e), die Bede. Die „Heiligkeit 44 ist hier offenbar 
durch besondere Riten, wie sie bei Beginn eines Feldzugs üblich 
waren, herbeigeführt gedacht. Dafür ist beweisend der Aus- 
druck „den Krieg oder auch ein Fest heiligen 44 , d. h. sich durch 



fahrung auf die Wurzel qd in der Bedeutung „scheiden, absondern" da» 
meiste für sich. Jedenfalls entspricht ihr vorzüglich der hebräische 
Sprachgebrauch, was von der Zurückführung auf hebr. hädää „neu 1 * und 
daher „rein, hell, schimmernd" (vgl. auch assyr. qudduschu, glänzend, 
•rein) nicht behauptet werden kann. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 225 

Vornahme von Weiheakten zum Kampfe, zur JFestfeier vorbe- 
reiten. Aus zahlreichen Stellen ergibt sich, daß die Weihe, ab- 
gesehen von gewissen Enthaltungen, vor allem in dem Waschen 
und Reinigen des Leibes und der Kleider bestand. So wird „hei- 
lig, sich heiligen" nahezu ein Synonym von „rein, sich reinigen" 
(vgl. 1 Sam. 2026, wo lo* tähör, „nicht rein* 4 , von einem solchen 
steht, der infolge einer nächtlichen Pollution unfähig geworden 
ist, an dem Opfermahl des Neumondfestes teilzunehmen). 

Wenn nun Dt. 7e. 14 2 die Forderung ausgesprochen wird, 
daß Israel ein Jahwe, seinem Gotte, heiliges Volk sein soll, weil 
er es aus allen Völkern zu seinem Eigentumsvolk erwählt habe, 
so beschränkt sich hier der Begriff der Heiligkeit doch nicht bloß 
darauf, daß Israel von den Völkern abgesondert und Jahwe zum 
alleinigen Besitz zugeeignet sei. In diesem Falle würde „heilig" 
ein bloßer Verhältnisbegriff sein, der (wie z. B. bei dem heiligen 
Brot) keine Veränderung in der Qualität der Gott geweihten 
Personen oder Dinge voraussetzte 1 ). In Wahrheit bezeichnet 
jedoch das „heilige" Volk ein solches, das sich sorgfältig vor je- 
der Befleckung hütet, die es unfähig machen würde, das Volk 
eben dieses Gottes zu heißen und sich an seinem Kult zu betei- 
ligen. Dabei ist jedoch weitaus in erster Linie nicht an sittliche, 
sondern an physische Befleckung, an die sogenannte „levitische 
Verunreinigung" gedacht, die die Kultfähigkeit aufhebt. Dahin 
gehört jede Art der Berührung mit Personen oder Dingen, die 
dem Bereich des Götzendienstes angehören, ferner die (auch un- 
wissentliche und unvorsätzliche) Berührung einer Leiche, der 
Genuß unreiner Speise (Deut. 14 21) u. a. m. Auch in dem soge- 
nannten „Heiligkeitsgesetz" (Lev. 17 — 26; vergl. auch 11 44 f.) 
handelt es sich trotz so allgemein gehaltener Aussagen wie 19 2. 
20 7 f. nicht um die Forderung absoluter sittlicher Heiligkeit, 
sondern gleichfalls um die Abmahnung von jeder Art physischer 
Verunreinigung. Daß die letztere vielfach zugleich eine religiöse 
Verfehlung einschließen kann, bleibt für die Verwendung der 
Begriffe rein oder heilig und unrein zunächst außer Betracht* 
So erklärt sich auch der für unsere Anschauung ganz befremd- 
liche Umstand, daß die äußerliche, physische und vielleicht so- 

l ) Wie sehr eine solche Voraussetzung dem ältesten Sprachgebrauch 
fern lag, lehrt am besten die Bezeichnung der zu Ehren der Gottheit 
sich Prostituierenden als g*deMm und gpäeädt, vgl. oben S. 160 f. Hier ist 
doch jeder Gedanke an eine religiös-ethische Qualität ausgeschlossen l 



224 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil [§ 18. 

gar unwissentliche Befleckung ebenso eine Verschuldung herbei- 
führt und derselben Sühnopfer und Sühnemittel bedarf, wie wirk- 
liche sittliche Befleckung. Am deutlichsten tritt uns diese Auf- 
fassung des priesterlichen Gesetzes in Ex. 19 e entgegen, wo als 
das ideale Ziel der Wege Gottes mit Israel seine Heranbildung 
zu einem „Königtum von Priestern 44 , einem heiligen Volke hin- 
gestellt wird, d. h. zu einem Volke, dessen sämtliche Glieder be- 
ständig den Anforderungen unbedingter levitischer Reinheit, wie 
sie schon jetzt an den Priester gestellt werden müssen, entsprechen. 
Noch stärker tritt uns die Erfüllung des Begriffs „heilig 4, 
mit positivem Inhalt bei seiner Uebertragung auf Gott — und zwar, 
was sehr zu beachten ist, ausschließlich auf den Gott Israels — 
entgegen. Die älteste Stelle dieser Art ist wohl 1 Sam. 6 *o, wo 
die Bewohner von Bethschemesch nach der Plage, die wegen 
der Besichtigung der heiligen Lade über sie ergangen war, angst- 
voll fragen: wer kann im Angesicht Jahwes, dieses heiligen Got- 
tes, bestehen? Deutlich haftet hier an „heilig 44 der Begriff des 
Furchtbaren und Unnahbaren, ja Todbringenden; denn es be- 
steht eine tiefe Kluft zwischen dem unvergänglichen Wesen der 
Gottheit und allem, was der Vergänglichkeit und Unreinheit un- 
terworfen ist. „Jahwe ist ein heiliger Gott 44 heißt somit: 
er ist erhaben über alles, was außer ihm ist, nimmt allem 
Geschaffenem gegenüber eine einzigartige Stellung ein. Mit Recht 
hat man daher gesagt : die Heiligkeit Jahwes ist nicht eine ein- 
zelne Eigenschaft (etwa = „sittliche Vollkommenheit 44 ), sondern 
eine Bezeichnung des gesamten göttlichen Wesens, sie ist so gut 
wie identisch mit dem „ Gottsein * . Daher schwört Jahwe Am. 4 1 
bei seiner Heiligkeit, d. h., wie aus Gen. 22 ie. Jer. 22 s etc. her- 
vorgeht, bei sich selbst. Uebrigens sind Aussagen über die Hei- 
ligkeit Gottes anfangs sehr spärlich. Ex. 15 n. („wer ist wie du, 
herrlich in Heiligkeit, furchtbar in Ruhmestaten, Wunder ver- 
richtend? 44 ) gehört wahrscheinlich erst der späteren prophetischen 
Periode an. Jos. 24 i» („ihr könnt Jahwe nicht dienen, denn er 
ist ein heiliger Gott 44 ) aus E betont wie 1 Sam. 6 20 die Furcht- 
barkeit und Unnahbarkeit Gottes. Arnos redet abgesehen von 
42 (8. 0.) nur (2 7) von der Entweihung des heiligen Namens 
Jahwes durch schamlose Unzucht; Hos. 11 9 („denn ich bin Gott 
und nicht ein Mensch; als Heiliger wohne ich unter euch 44 ) ist 
„heilig 44 so viel als erhaben über menschliche Leidenschaft und 
Jähzorn. Die häufigste Verwendung und schärfste Ausprägung 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 225 

hat der Begriff der Heiligkeit Gottes erst bei Jesaja gefunden. 
Schon in der Vision, in der er zum Propheten berufen wird, ver- 
nimmt er den Wecbselgesang der den Thron Jahwes umstehenden 
Seraphim : 

„Heilig, heilig, heilig ist Jahwe der Heerscharen; 
„alle Lande erfüllt seine Herrlichkeit. 
Diese beiden parallelen Glieder enthalten zwei einander er- 
gänzende Aussagen über das innerste Wesen Jahwes. Die erste 
betrifft das immanente Wesen, die in höchstem Maße l ) Jahwe 
eignende Erhabenheit über alles Irdische, Geschöptiiche, dagegen 
der zweite Halbvers das transeunte Wesen, die auf der ganzen 
Erde sich offenbarende Herrlichkeit (vergl. .dazu oben S. 88 ff.). 
Sofern nun die absolute Erhabenheit über alles Irdische selbst- 
verständlich auch die Erhabenheit über alle sittliche Gebrech- 
lichkeit und Sünde in sich schließt, kann auch von einem ethi- 
schen Inhalt des Heiligkeitsbegriffs geredet werden. Aber aus- 
drücklich oder gar ausschließlich tritt dies auch bei Jesaja noch 
nicht hervor. Die Bezeichnung Jahwes als des „Heiligen Is- 
raels" (ein Lieblingsausdruck Jesajas 1 4. 10 23. 17 7 etc.) nennt 
ihn als den, der von Israel als der absolut erhabene und darum 
furchtbare, nicht ungestraft zu reizende Gott anerkannt und dem- 
gemäß verehrt werden soll ; denn gegen seine Verächter erweist 
er sich heilig durch Strafgerechtigkeit (5 le). — Außer bei Jesaja 
begegnen wir dem „heilig* 4 als Prädikat Jahwes in den vorexi- 
lischen Propheten nur noch Hab. 1 1». Hier tritt tatsächlich 
die ethische Qualität der Heiligkeit Gottes ziemlich deutlich in 
den Vordergrund. Denn auf die Frage „bist du nicht von Ewig- 
keit, Jahwe, mein heiliger Gott?* 4 folgt alsbald (V. is) die Aus- 
sage: „deine Augen sind zu rein, um Böses schauen zu können, 
und Gewalttat vermagst du nicht mit anzusehen**. Daß die Hei- 
ligkeit Gottes, durch die im Heiligkeitsgesetz so oft die Notwen- 
digkeit für Israel motiviert wird, ein heiliges Volk zu sein, vor 
allem den Gegensatz gegen jede levitische Verunreinigung bil- 
det, haben wir bereits oben (S. 223 f.) erörtert. Dieser priesterliche 
Heiligkeitsbegriff steht also dem Jesajanischen an Tiefe und Be- 
deutung erheblich nach. Aber der letztere ist darum aus dem 
religiösen Sprachgebrauch nicht verschwunden. Er begegnet 
uns vielfach in der exilischen und nachexilischen Prophetie (so 

*) Vgl. zur Umschreibung des Superlativs durch die mehrfache 
Wiederholung des Adjektivs Ges.-K. 28 § 133 k. 

E. Kautzsch, Biblisohe Theologie d. A. T. 15 



226 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

besonders im Deuterojesaia) und nicht minder in den Psal- 
men. Und wir dürfen sagen : es ist d i e Wesensbezeichnung 
des Gottes Israels, die seine Einzigartigkeit und Unvergleich- 
lichkeit, vor der alle sonst angenommenen Götter in ihr Nichts 
zusammenschrumpfen, am stärksten hervorhebt. Heilige, d. h. 
für den alleinigen Dienst der Gottheit ausgesonderte Dinge und 
Personen kennen auch andere Religionen; von der Heiligkeit 
seines Gottes weiß nur Israel durch die Offenbarung, die ihm ge- 
worden ist. So schließt die Anwendung des Heiligkeitsbegriffs 
auf Jahwe recht verstanden eine Art monotheistisches Bekennt- 
nis, ein weittragendes Zeugnis für die alle anderen überragende 
Größe der Religion^ Israels in sich. 

Wenn oben gesagt wurde, daß dem Begriff der Heiligkeit 
zunächst nicht die Idee der sittlichen Vollkommenheit, des Ab- 
scheus gegen alles Böse anhafte, so ist doch auch diese Idee dem 
Gottesbegriff der Propheten keineswegs fremd. Sie tritt zutage 
in der absoluten Wahrhaftigkeit und Treue Jahwes, sowie in der 
Unbedingtheit der sittlichen Forderungen an Israel, vor allem 
aber auch in dem Verhalten Jahwes gegen die Heidenvölker, in- 
dem er Frevel und Unrecht überall auf Erden ahndet, auch wenn 
er nicht (wie Am. 1 s. 9. n. is) gegen Israel begangen ward. So hat 
er dereinst Sodom und Gomorrha gerichtet, so wird er nach 
Am. 2 i Moab züchtigen wegen der Schändung der Gebeine eines 
edomitischen Königs. Dem Propheten gilt es somit als selbst- 
verständlich, daß es sittliche Grundgesetze gibt, die für alle Völ- 
ker verbindlich sind und über deren Einhaltung Jahwe als ein 
absolut sittliches Wesen und zugleich als der Herr und Richter aller 
strenge Aufsicht führt. Vor allem aber muß Israel selbst es erfahren, 
daß „Jahwe ein Gott des Rechtes* 1 ) ist (Jes. 30 is), 

*) Bei dieser Gelegenheit möge darauf hingewiesen sein, daß die 
hebr. Wörter, welche mit „gerecht" (= saddiq), „Gerechtigkeit" (= sa- 
daq, s*däqäh) übersetzt zu werden pflegen, ursprünglich einen anderen 
Sinn haben, als den der richterlichen Gerechtigkeit, sadaq oder s e dä~ 
qäh heißt die Handlungsweise oder Beschaffenheit, die einer Norm ent- 
spricht (so ganz deutlich in möVwe seedeeq, richtige Wage, ""atme sadaeq 
richtige Gewichtssteine); von Menschen ausgesagt, meist = Rechtbe- 
schaffenheit (ötxatooöv7j), Frömmigkeit ; von Gott ausgesagt : das Ver* 
halten, das der Norm des göttlichen Wesens entspricht. Zu dieser Norm 
gehört aber nicht bloß die strenge Gerechtigkeit, sondern auch die 
Bundestreue Gottes samt ihrer Langmut und Gnade, und so steht s e - 
däqäh (bes. in Jes. 40—66) gar nicht selten von dem Verhalten. Jahwes, 
das auf das Heil seines Volkes gerichtet ist. Siehe das Nähere bei 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 227 

und zwar des Rechtes um jeden Preis. Davon, daß er es trium- 
phieren läßt über Unrecht und Sünde, und sei.es auch mit der 
Preisgebung und Vernichtung seines eignen Volkes, werden wir 
noch in anderem Zusammenhang zu reden haben. Hier soll nur 
noch an einem Beispiel gezeigt werden, wie sehr sich die pro- 
phetische Beurteilung der Dinge von der gemeinisraelitischen 
unterscheidet. Die Ausrottung des Ba'alskultus in Israel durch 
Jehu war unter entsetzlichem Blutvergießen erfolgt. Der alte 
Bericht in 2 Kön. 9 und 10 erblickte darin offenbar ein löb- 
liches „Eifern für Jahwe" (10 16), und der deuteronomistische Re- 
daktor, der in diesem Punkte das gemeinisraelitische Urteil im 
vermeintlichen Interesse der Jahwereligion vertritt, läßt Jahwe 
selbst (V. so) dem Jehu bezeugen, daß er „wohl ausgerichtet habe, 
was Jahwe wohlgefalle, und daß er ganz nach seinem Sinne am 
Hause Ahabs gehandelt habe a . Ganz anders lautet das Urteil 
Hoseas (1 4). Ihm erscheint es unmöglich, daß Blutschuld darum 
nicht Blutschuld heißen sollte, weil sie sich ein Eifern für Jahwe 
nennt. So droht der Prophet, daß die Blutschuld von Jesreel an 
dem Hause Jehus durch die Vernichtung des israelitischen Kö- 
nigtums und die Zerschmetterung seiner Kriegsmacht in der 
Ebene Jesreels gesühnt werden soll. 

Wie bereits oben bemerkt, tritt uns die Ueberzeugung der 
Propheten von anderen Eigenschaften Gottes nicht in ausdrück- 
lichen Definitionen, sondern — abgesehen von gewissen Gottes- 
namen *) — vielmehr gelegentlich in den Aussagen über sein Tun 
und die Ereignisse, die er herbeiführt, entgegen. So die absolute 
Allmacht (die, wenn auch nur in allgemein gehaltenen Aus- 
sagen, bereits in den alten Stellen Gen. 18 14. Num. 11 23. 1 Sam. 
14« vorausgesetzt wird) in seiner unbedingten Obmacht über alle, 



EKautzsch, Ueber die Derivate des Stammes zädag_ im alttestam. Sprach- 
gebrauch. Tüb. 1881. GM aktin, la notion de la justice de Dieu dans 
Tancien Test. Montauban 1892. GDalman, Die richterliche Gerechtig- 
keit im A. Test. Berlin 1897. Bouwman, het begrip gerechtigheid in 
hed Oude Test. Kampen 1899. 

*) Ueber jahwceh sfWöt als prophetischen Hinweis auf die über- 
irdische Macht und Herrlichkeit Jahwes vgl. oben S. 82. Vgl. außerdem 
die Bezeichnung Jahwes als ' a bir ßsrä'el, der Starke Israels, Jes. 1 24, 
sowie als sür, Fels, Jes. 17 10. 30 29 (außerdem in den jüngeren Stellen 
26 4. 44 8. Dt. 32 4. 15. 18. 30. 31. 37, 1 Sam. 2 2. 2 Sam. 22 3. 32. 47. 23 3 und 
14mal in den Psalmen; vgl. dazu Wiegand, der Gottesname zur etc. 
in ZAW X, 85 ff.). 

15* 



228 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

auch die mächtigsten Völker der Erde (s. oben 8. 219 ff.). 
Hierher gehören auch Stellen wie Jes. 7 it. Der ganze Zu- 
sammenhang läßt hier keine andere Auffassung zu als die, daß 
Jesaja die felsenfeste Ueberzeugung hegt: was auch Ahas 
als Bekräftigungszeicben von Jahwe verlangen möge, und sei 
es ein noch so großes Wunder, das werde Jahwe ins Werk 
setzen. Ein solcher Glaube will uns schwer eingehen, weil 
unser Urteil durch allerlei dogmatische Reflexionen über die 
Möglichkeit und die Grenzen des Wunders als einer Durchbre- 
chung der gottgegebenen Naturgesetze beeinflußt ist. Den Pro- 
pheten lagen solche Reflexionen offenbar gänzlich fern. Von 
„Wundern" in dem uns geläufigen Sinne wissen sie nichts. Sie 
wissen von außerordentlichen, den gewöhnlichen Verlauf der 
Dinge überschreitenden Ereignissen und Handlungen (nißld'dt), 
aber es gibt für sie nichts derartig Außerordentliches, daß es 
dem Machtbereich Jahwes entrückt wäre (Jer. 32 27). Dieses 
Urteil ist ein selbstverständlicher Ausfluß ihres Gottesbegriffs; 
die Idee der Allmacht Gottes ist ein Postulat ihres Glaubens, 
lange bevor von der Sprache eine ausdrückliche Bezeichnung 
für diese Eigenschaft gemünzt wurde. Eine Bezeichnung konnte 
man um so leichter entbehren, als die Hinweise auf die göttliche 
Allmacht nicht scholastischen Spekulationen, sondern hervorra- 
genden religiösen Interessen dienten. Sie gereichen den Frommen 
zum Trost, weil sie nun unbedingt auf die Hilfe ihres Gottes ver- 
trauen können, den Sündern zum Schrecken, weil sie nichts vor 
dem gewaltigen Arm dieses Gottes zu erretten vermag. Ganz 
dasselbe aber gilt von den gelegentlichen Hinweisen auf die All- 
gegenwart und Allwissenheit Gottes. Daß die erstere nur 
als eine solche der Wirkungen, d. h. der göttlichen Kenntnisnahme 
und Fürsorge, nicht der Substanz betrachtet werden konnte, 
wurde schon oben bemerkt und ist für den alttestamentlichen 
Gottesbegriff insofern selbstverständlich, als jede Hinneigung zu 
panth eistischen Vorstellungen die Idee der lebendigen Persönlich- 
keit, die den innersten Kern dieses Gottesbegriffs ausmacht, auf- 
heben oder doch stark gefährden würde. Aber dies hindert nicht, 
daß Gottes Fürsorge allenthalben den Seinen zur Seite steht, oder 
umgekehrt, daß sein Auge jegliche Finsternis durchdringt, daß es 
keinen Schlupfwinkel gibt, in dem Jahwe die Gottlosen nicht sehen 
sollte (Jer. 23 24). Berührt sich schon in diesem Ausspruch die 
Idee der Allgegenwart mit der der Allwissenheit, so noch mehr 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 229 

in den Aussagen über Jahwe als den, der in den verborgensten 
Grund des Menschenherzens zu sehen vermag. Er durchschaut 
die geheimen Pläne der Judäer in betreff eines Bündnisses mit 
Aegypten, mögen sie dieselben auch in ihrer Torheit noch so 
sorgfältig vor ihm verbergen (Jes. 29 15); er ist es, der das Herz 
erforscht, die Nieren prüft, um einem jeden nach seinem Wan- 
del, nach der Frucht seiner Taten zu vergelten (Jer. 17 10). Und 
dies gilt nicht bloß von Israel, sondern „er allein kennt das Herz 
aller Menschen 44 . Der stärkste Beweis aber für die Festigkeit 
des Glaubens an die Allgegenwart und Allwissenheit Gottes und 
zugleich die bedeutsamste religiöse Frucht dieses Glaubens ist 
(wie schon in der vorigen Periode) die Ueberzeugung, daß Jahwe 
die Gebete der Seinen hört und meist auch erhört 1 ). Diese 
Ueberzeugung tritt uns allerorten bei den Propheten — am stärk- 
sten vielleicht in dem vielfachen Gebetsverkehr Jeremias mit 
seinem Gott — und zwar überall als eine selbstverständliche ent- 
gegen. Um so mehr darf sie zu den Zeugnissen dafür gerechnet 
werden, daß die Religion Israels frühzeitig und ganz besonders 
schon durch die Wirksamkeit der vorexilischen Propheten von 
dem Drang erfüllt war, die Schranken der bloßen Volksreligion 
zu durchbrechen und eine Anbetung Gottes im Geist und in der 
Wahrheit vorzubereiten, wie sie das tiefste Verlangen jeder 
einzelnen Seele, die sich diesem Gotte nahte, zu erfüllen ver- 
mochte. 

Die oben besprochene starke Hervorhebung der Heiligkeit 
als der absoluten Erhabenheit und Unnahbarkeit, ja der Furcht- 
barkeit des göttlichen Wesens und nicht minder die Bußpredigt 
als die Hauptaufgabe der Propheten machen es begreiflich, daß die 
Aussagen über die Liebe, Güte und Barmherzigkeit Gottes 
mehr in den Hintergrund treten. Die überaus häufig von mensch- 
licher Liebe gebrauchten Ausdrücke werden zuerst von Hosea 
auf Gott angewendet (Hos. 3 i. 11 i), häufiger von dem Deutero- 
uomiker (Dt. 437. 7 8. ia. 10 15. 15 ie. 23]e; vergl. auch 1 Kön. 10»), 
einmal auch von Jeremia (31 3). Aber abgesehen von Deut. 10 18 
(Jahwe liebt die Fremdlinge) handelt es sich dabei immer um die 
Liebe Gottes zum Volke Israel. Ueberdies haftet den für „Liebe u 
und „lieben" gebrauchten Wörtern zugleich noch der Begriff der 

l ) Vgl. hierzu : Caldesaigues, La priere dans la religion de Jehovah 
etc. Cahors 1899. — Köbeble, Die Motive des Glaubens an die Gebets- 
erhörung im A. Test. Erlangen und Leipzig 1901. 



230 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil [§ 18. 

Erwählung, ja der Bevorzugung an; zur vollen Entfaltung der 
Idee der göttlichen Liebe ist es noch nicht gekommen. Eben- 
so gilt von den Ausdrücken für Huld, Gnade, Barmherzigkeit, 
daß sie großenteils erst im jüngeren Sprachgebrauch auf Gott 
übertragen oder doch häufiger von ihm ausgesagt werden. Eine 
Zusammenstellung fast aller Eigenschaften der Liebe Gottes 
bietet Ex. 34 e (Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, 
langsam zum Zorn und groß von Huld und Treue); aber auch 
sie stammt ohne Zweifel erst von der Hand eines späteren Re- 
daktors, als die J-Perikope, in die sie jetzt eingefügt ist. 

2. Das Verhältnis Jahwes zu Israel. 

Zur Literatur: VKtjrchneb, Subjekt, Objekt und Zustande- 
kommen der Sündenvergebung auf der prophetischen und levit. Reli- 
gionsstufe des A. T. Th. St. und Kr. 1907, 1. S. 1—44. — PKüchler, 
Jahwe und sein Volk nach Jeremia. ZATW 1908, 2. S. 81—109. - 
GSternberg, Die Ethik des Deuteronomiums. Berlin 1908. 

Daß zwischen Jahwe und Israel von Anfang an ein inniges 
Verhältnis bestanden hat, gilt allen alttä&tamentlichen Quellen 
als eine selbstverständliche Voraussetzung. Ebenso, daß sich 
dieses Verhältnis nicht, wie in den Naturreligionen, auf einen 
uranfänglichen, nicht weiter zu erklärenden Zustand gründet, 
sondern auf eine b e rit (vergl. dazu oben S. 59 ff.), d. h. einen feier- 
lichen Akt am Sinai, durch den das Volk zum Eigentumsvolk 
Jahwes wird, der es durch gewaltige Taten aus der ägyptischen 
Sklaverei errettet hat. Schon J bezeichnet (Ex. 4 22) die Stellung 
Israels als die eines erstgebornen Sohns. Dies darf trotz Jer. 
3 19 nicht dahin verstanden werden, als ob damit auch allen an- 
dern Völkern Sohnesrechte zugesprochen würden, sondern der 
Nachdruck liegt auf „erstgeborner": Israel besitzt allein alle die 
Vorrechte, die dem Erstgebornen als dem vor allen andern ge- 
liebten und bevorzugten zukommen. Diese Sohnesrechte aber 
gelten nur von dem gesamten Volk, nicht von dem einzelnen Israe- 
liten; dieser ist vielmehr ein Knecht Jahwes (so Num. 12 7 f. und 
öfter von Mose, Jes. 20 s von Jesaja, Jer. 725 von den Propheten etc.). 
Allerdings kennt auch das A. T. den Begriff der individuellen 
Kindschaft, aber nur *) in der Anwendung auf den theokratischen 
König, 2 Sam. 7 14. Ps. 2 7. 89 27 (von David), noch nicht im Sinn 

l ) Ps. 68 e (Vater der Waisen) steht „Vater", wie der Parallelismus 
zeigt, bildlich = Beschützer, Versorger. Vgl. hierzu: PBatje, Gott als 
Vater im A. Test, in St. u. Kr. 1899, S. 483 ff. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 231 

der neutestamentlichen Gotteskindschaft, zu der alle Menschen 
berufen sind. 

Demselben Begriff der Kindschaft des gesamten Israel be- 
gegnen wir nicht selten auch in der prophetischen Periode : Jes. 
1 2. 30 1. 9. Deut. 14 i (wo „Kinder" parallel steht mit dem „Jahwe 
geheiligten Volk" V. 2); Jes. 43 e (wo Söhne und Töchter unter- 
schieden werden); 45 11 *). Die notwendige Kehrseite ist die Idee 
der Vaterschaft Gottes. Sehen wir hier von den Stellen ab, an 
denen „ Vater" vor allem den physischen Schöpfer des Volkes be- 
zeichnet (Jes. 647. Deut. 32 6. Mal. 2 10), so hebt der Vatername 
wiederum das innige Verhältnis Gottes zu dem gesamten Volke 
hervor: so Jer.34. 19. 31 9 (gegenüber Ephraim als „erstgeborenem 
Sohn"); vergl. auch Jes. 63 le (parallel mit „Erlöser"); Mal. 1 e. 

Die Grundlage dieses innigen Verhältnisses ist die Erwäh- 
lung Israels aus allen Völkern zum Eigentumsvolke, d. h. zu 
einem wertgehaltenen und darum sorgfältig behüteten und ge- 
pflegten Besitztum. So sagt schon Arnos (3 2) : von allen Völkern 
habe ich nur euch erkannt (d. h. zum Gegenstand meiner genauen 
Kenntnis und Fürsorge gemacht) — allerdings mit der für die 
Volksanschauung verblüffenden Schlußfolgerung, daß Jahwe 
eben darum alle ihre Verschuldungen an ihnen heimsuchen werde. 
Die Idee einer „Auswahl" (bähar) aus den zahlreichen Völkern 
findet sich zuerst im deuteronomischen Sprachgebrauch : Deut. 
4 37. 7 e. 10 15. 142. lKön. 3 8. 853; vergl. auch Ps. 33 12. 47 s. 
135 4 etc. und zahlreiche Stellen in Jes. 40 — 66. Ganz eigentüm- 
lich wird Deut. 4 20 die Erwählung Israels in Gegensatz gestellt zu 
der Tatsache, daß Jahwe den andern Völkern auf Erden die 
Sterne als Gegenstand der Verehrung überwiesen habe. 

Als Beweggrund zur Erwählung Israels wird 1 Sam. 12 22 
das freie Belieben Jahwes, aber auch wiederholt (so schon Hos. 
11 1; Deut. 437. 10 15 und neben dem den Erzvätern geschwore- 
nen Eid 7 8) die Liebe Jahwes zu Israel hervorgehoben. Ein 
Grund für diese Liebe wird nicht angegeben. Wohl aber bemüht 
sich das Deut., dem Volke nachdrücklich einzuschärfen, daß es 
nicht etwa wegen seiner Größe (Deut. 7 7) oder wegen seiner be- 
sonderen Rechtbeschaffenheit (9 4 ff.) so hoch von Gott ausge- 
zeichnet sei, da es vielmehr das kleinste und dazu ein halsstar- 



*) Hos. 11 1 (MT : aus Aegypten rief ich meinen Sohn) ist wohl mit 
LXX und Targ. zu lesen: seine Söhne (kbänäw). 



232 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

riges Volk sei. Um so mehr ist Israel zu inniger Dankbarkeit 
gegen Gott verpflichtet. 

In engstem Zusammenhang mit der Idee der Erwählung 
steht das Theologumen von der „Eifersucht Jahwes". Das 
hebr. Wort (qin'äh) bedeutet wohl ursprünglich überhaupt Zornes- 
eifer (Zeph. 1 18. 3 s. Deut. 29 10 und sehr oft bei Hesekiel, vergl. 
auch qannö' eifrig, Jos. 24 it. Nah. 1 2), spezieller das Eifern 
Gottes zugunsten Israels gegenüber den Heiden, insbesondere 
durch die genaue Erfüllung seiner Verheißungen (Jes. 9 e 2 Kön. 
19 81 und oft bei fies, und in Jes. 40 — 66). Bedeutet schon hier 
qin'äh das eifersüchtige Wachen Gottes über seine Ehre, so nicht 
minder das Adjectiv qannä' den „eifersüchtigen" Gott, der sein 
alleiniges Anrecht auf die Liebe und Verehrung Israels eifrig 
geltend macht und deshalb keinerlei Götzendienst duldet. So 
Ex. 20 5 [Deut. 5o]. 34 14. Deut. 4 u. 6 15, welche Stellen wohl sämt- 
lich erst der deuteronomistischen Schicht angehöien. 

Die in der Erwählung Israels bekundete besondere Liebe 
Jahwes zu diesem Volke betätigt sich ferner in der weisen Füh- 
rung und kräftigen Beschützung, die er ihm von Anfang an und 
im ganzen Verlauf seiner Geschichte zuteil werden ließ. Der Hin- 
weis darauf bildet ein Lieblingsthema der Propheten und ganz 
besonders des Deut., und zwar dient er fast überall als Folie für 
heftige Rügen des Undanks Israels. So hält ihm schon Arnos 
(2 9 f.) den mächtigen Beistand Jahwes bei der Vertilgung der 
Kanaaniter vor, sowie die Herausführung aus Aegypten und die 
40jährige Leitung in der Wüste. Hos. Usf. erinnert daran, wie 
Gott die Ephraimiten trotz ihres Abfalls wie Kinder gängelte, 
sie auf seine Arme nahm und mit Banden der Liebe an sich ket- 
tete. Jesaja beginnt (1 a) seine große Anklagerede wider Israel 
mit den Worten : „Kinder habe ich groß gezogen und emporge- 
bracht, sie aber fielen ab von mir!" Auch Micha verweist (6 4 f.) 
das Volk eindringlich auf die Gnadentaten Jahwes nach der Be- 
freiung aus der ägyptischen Sklaverei, und bei Jeremia (2 2 ff.) 
gedenkt Jahwe selbst der Zeit des Wüstenzugs, als der herrlichen 
Brautzeit des Volkes, der wunderbaren Leitung in der grauen- 
vollen Wüste (V. e), der Einpflanzung in das früchtereiche Land. 
In welchem verklärten Lichte die Anfänge des Volks einer spä- 
ten Zeit erschienen, dafür zeugt die deuteronomistische Bede 
Josuas Jos. 23 (V. 9 f.). Nach ihr vermochte damals niemand gegen 
Israel Stand zu halten — ein einziger jagte 1000 vor sich her, 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 233 

denn Jahwe ihr Gott kämpfte selbst für sie! Eine herrliche 
Schilderung der Segnungen, die Jahwe dereinst auf das Volk in 
seiner Jugend herabströmen ließ, bietet auch das (wohl dem Exil 
entstammende) Lied Moses Deut. 32 8_u. 

So viele und so große Wohltaten Jahwes verpflichteten Is- 
rael selbstverständlich zu Dank und Gehorsam gegen seinen Gott. 
Dies führt uns zu der Frage nach den Forderungen, die Jahwe 
nach der prophetischen Predigt an das Volk richtet. Die vor- 
nehmste derselben ist natürlich die Enthaltung von jeder Art des 
Götzendienstes und des Bilderdienstes mit Einschluß der Jahwe- 
bilder. Ueber dies unerschöpfliche Thema der Mahnungen und 
Rügen des Deut, wie schon der großen Propheten des achten 
Jahrhunderts wird weiter unten zu reden sein ; über die Verwer- 
fung der Jahwebilder vgl. oben S. 215 ff. Hier interessiert 
uns zunächst die Frage : Wird von den Propheten an Stelle des 
verwerflichen äußeren Kultus (zu dem auch der mit heidnischen 
Kultsitten vermischte Jahwekult, gehört) wenigstens ein gereinig- 
ter, gottwohlgefälliger Kult gefordert? Diese Frage ist, wenn 
man dabei den Opferdienst, das eigentliche Zentrum des antiken 
Kultus im Auge hat, rundweg zu verneinen, und diese Vernei- 
nung ist sogar trotz des gegenteiligen Scheines auch auf das Deut, 
auszudehnen. Allerdings gebietet dieses Gesetzbuch (12 s ff. etc.) 
eindringlich, jede Art von Opfern nach dem von Jahwe erwähl- 
ten einen Heiligtum zu bringen, dort vor Jahwe zu essen und zu 
trinken und fröhlich zu sein. Aber nirgends findet sich (abgesehen 
von so allgemeinen Bestimmungen wie 12 26 f.) eine Spur davon, daß 
auf das Ritual bei diesen Opfermahlzeiten irgendwelches Gewicht 
gelegt würde. Nur darauf kommt es an, daß die Opfer, die nun 
einmal althergebrachte, tief eingewurzelte Sitte sind, andern ei- 
nen legitimen Heiligtum 1 ) dargebracht werden, das sich Gott er- 
wählt hat. Denn nur dieses bietet die Möglichkeit, den Kultus 
so zu überwachen, daß den Ueberbleibseln heidnischer Kultsit- 
ten endlich mit Erfolg begegnet werden kann. Wenn das Deut. 
(26iff.) — sicherim Anschluß an den längst bestehenden Brauch — 
dieUeberreichung eines Korbs mit den Erstlingen derFel'dfrüchte 



*) Daß hierbei die Konzentration des Opferkultus noch nicht so 
mechanisch gefaßt wurde» daß nur der eine Brandopferaltar als legi- 
time Opferstätte gegolten hätte, lehrt 1. Kön 8 64 (Dt) ; Salomo weihte 
den ganzen mittleren Vorhof, weil der eherne Altar für die Masse der 
Opfer bei der Tempelweihe zu klein war. 



234 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

an den Priester fordert, so versäumt es doch nicht, dem Ueber- 
bringer V. 6 ff. ein Gebet vorzuschreiben (neben V. ia ff. das ein- 
zige kultische Gebet im ganzen Pentateuch!), welches den wah- 
ren Sinn und die tiefere Bedeutung der äußerlichen Gabe als 
eines dankbaren Bekenntnisses zu Jahwe als dem Spender der 
Segensgaben in das rechte Licht stellt. In betreff des sogen. Ar- 
menzehnten aber ist dem Deut., wie 26 u zeigt, die wichtigste 
Frage die, ob mit den betreffenden Gaben nicht etwas vorgegan- 
gen ist, was als eine Verleugnung des reinen Jahwekultes zu be- 
trachten wäre. 

Der Anpassung des Deut, an den nun einmal herrschenden 
Brauch stehen nicht wenige Aussprüche der eigentlichen Pro- 
pheten gegenüber, die nur als eine strikte Ablehnung der Opfer 
als von Gott geforderter Gaben gedeutet werden können. Sie lie- 
fern zugleich einen Beweis dafür, daß diese Propheten insgesamt 
noch nichts von einem Gesetzbuch wußten, das wie P die Opfer 
zu einer heiligen Pflicht machte. Es ist sehr begreiflich, daß man 
sich lange gesträubt hat, diese Tatsache anzuerkennen. Die Op- 
fer schienen in solchem Grade einen integrierenden Bestandteil 
der Religion Israels zu bilden, daß man es von vornherein für 
unmöglich hielt, daß die Propheten eine Polemik gegen sie hät- 
ten üben können. So ist es noch heute eine beliebte Ausflucht: 
die Propheten polemisieren nie gegen die Opfer an sich, sondern 
nur gegen die heuchlerisch, ohne Buße und rechte Gesinnung, 
mit blutbefleckten Händen dargebrachten Opfer, gegen die „opera 
operata" der fleischlich gesinnten, halbheidnischen Volksmenge. 
Diese Deutung ist jedoch nur bei offenbarer Vergewaltigung des 
klaren Wortlautes jener Stellen möglich. Wenn Jahwe bei Arnos 
(5 25) nach einer äußerst scharfen Abweisung der Opfer Israels 
(V. 21 ff.) fragt, ob sie ihm wohl während der 40 Jahre des Wü- 
stenzugs Opfer und Gaben dargebracht hätten, so erwartet er 
selbstverständlich die Antwort: nein! Ebenso selbstverständlich 
ist aber die Nutzanwendung daraus: konnte ich damals eurer 
Opfer entbehren, so bedarf ich ihrer auch jetzt nicht! Eben- 
so ist es völlig unmöglich, aus Hos. 6 « etwas anderes heraus- 
zulesen, als eine kategorische Ablehnung der Opfer: an Liebe 
habe ich Wohlgefallen und nicht an Schlachtopfern , an 
Gotteserkenntnis und nicht 1 ) an Brandopfern! In betreff von 

*) Die übliche Uebersetzung „mehr als an Brandopfern \ durch die 
schließlich doch eine Anerkennung der Opfer in den Ausspruch einge- 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 235 

Jes. 1 n ff. hat man mit einigem Scheine geltend gemacht, daß 
dort die schroffe Ablehnung der Opfer und Feste nur dem 
falschen, mit frevelhafter Gesinnung gepaarten Kultus gelten 
könne. Aber wer aufmerksam die ganze Perikope liest, muß 
es für unmöglich erklären, daß der Prophet nach den flam- 
menden Worten (V. le f.), mit denen er seinen Hörern die wirk- 
lichen Forderungen Jahwes einschärft, doch auch noch Baum 
hätte für die Mahnung: und dann kommt und bringt eure Opfer! 
Vielmehr: wenn sie erst sich gereinigt, Witwen und Waisen 
zu ihrem Recht verholfen haben, so haben sie getan, was Gott 
von ihnen verlangt, und von Opfern braucht dann keine Rede 
mehr zu sein. Ganz denselben Sinn hat der Ausspruch Michas 
6 6—8. Das Volk zeigt sich noch immer in dem Wahn befangen, 
es könne durch gehäufte Opfergaben — im äußersten Falle viel- 
leicht sogar durch die Preisgabe des erstgeborenen Sohnes — 
seine Schuld sühnen und so gleichsam die Huld Jahwes erzwin- 
gen. Der Prophet aber läßt sich nicht darauf ein, die in solchem 
Wahn vom Volke gestellten Fragen zu beantworten. Er gibt da- 
mit deutlich zu verstehen, daß sie keinerlei Erörterung verdienen. 
Dafür verweist er sie auf die Forderungen Gottes, die ihnen längst 
verkündigt worden sind, und in denen alles befaßt ist, was Gott 
wohlgefällt; es ist nichts als Recht tun, Liebe üben und demütig 
wandeln vor Gott. Neben diesem dreifachen Gebot ist für die 
Forderung irgend welcher äußerer Leistungen offenbar kein 
Raum. 

Etwain dieselbe Zeit, wenn nicht noch etwas später (da die The- 
raphim hier bereits zu den abgöttischen Dingen gerechnet werden), 
dürfte 1 Sam. 15 22 f. zu setzen sein. Allerdings wird hier der Ge- 
horsam nur für wertvoller erklärt, als Opfer, und Ungehorsam 
auf eine Stufe mit Abgötterei gestellt. Der ganze Ton des Aus- 
spruchs läßt aber keinen Zweifel darüber, daß wir hier die Stim- 
me eines Erzählers vernehmen, der tief in die Gedanken der wah- 
ren Jahwepropheten eingedrungen und mit ihnen von der völli- 
gen Wertlosigkeit äußerer Opfergaben überzeugt ist. 

Eines der stärksten Zeugnisse für eine solche Beurteilung 
des Opferkultus lesen wir endlich bei Jeremia. Schon 6 20 be- 
streitet er, daß Jahwe an dem Weihrauch von Saba und dem 

tragen wird, wäre an sich sprachlich möglich, wird aber durch den 
ersten Halbvers schlechthin unmöglich ; me'ölöt bedeutet einfach „mit 
Absehen [mit Ausschluß] von Brandopfern ". 



236 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§18. 

kostbaren Würzrohr aus fernem Lande, sowie an den Brand- 
opfern und Schlachtopfern des Volks Wohlgefallen habe. Doch 
läßt sich dieser Ausspruch allenfalls noch als eine Verwerfung 
des Opfers als eines heuchlerischen opus operatum erklären. 
Wenn aber Jahwe 7 21 f. sagt: „Fügt nur eure Brandopfer zu 
euren Schlachtopfern und esset Fleisch!" so kann das nur hei- 
ßen : es ist mir ganz gleichgültig, ob ihr die Brandopfer (die doch 
nach uralter Sitte ganz verbrannt werden mußten!) ebenso selbst 
verzehrt, wie die Mahlopfer; „denn ich habe euren Vätern bei der 
Herausführung aus Aegypten — also in der Zeit der Grundle- 
gung der Theokratie ! — überhaupt nichts geboten in betreif von 
Brandopfern und Schlachtopfern!" Somit beruhtdie Meinung, daß 
Gott derartiges verlange, seine Huld davon abhängig mache, auf 
einem falschen Wahn. Nicht auf äußere Leistungen, sondern auf 
Geho rsam gegen seinen Willen erstreckten sich von jeher seine 
Forderungen, auf einen sittlichen Wandel — denn dies und nicht 
anderes bedeutet (V. 23) das „Wandeln auf dem Wege, den er 
ihnen verordnen werde". 

Dieses Zeugnis Jeremias fällt um so stärker ins Gewicht, 
als er ja selbst Priester war. Seine Ablehnung irgendwelcher 
Opfergebote Gottes schien so\inerhört, daß man vor den unglaub- 
lichsten exegetischen Operationen nicht zurückschreckte, um ihn 
schließlich mit aller Gewalt etwas anderes sagen zulassen, als er 
wirklich sagt. Aber keine Textverdrehung kann etwas an der 
Tatsache ändern: Jeremia kennt so wenig wie die Propheten vor ' 
ihm ein Gesetzbuch, das im Namen Gottes Opfer Vorschriften er- 
lassen hätte. Damit soll seine Bekanntschaft mit dem Deut, nicht 
in Abrede gestellt werden; aber dieses hat es, wie wir oben ge- 
sehen haben, nirgends mit einer prinzipiellen Entscheidung über 
Wert und Notwendigkeit der Opfer zu tun, sondern setzt sie ein- 
fach als etwas Gegebenes, als uralten Brauch voraus. So ist das 
Ergebnis unserer Erörterung, daß niemand ein Recht hat, den 
genannten Propheten den Ruhm zu schmälern, daß sie in der An- 
betung Gottes im Geist und in der Wahrheit auch ohne irgend- 
welche äußerliche Zeremonie und Leistung das Ideal einer wahr- 
haften Gottesverehrung erblickt haben; 

Und diese ihre Auffassung ist, wie vorgreifend schon hier 
erwähnt sein mag, auch in der nachexilischen Zeit, die man sich 
meist als eine Zeit starren, gesetzlichen Wesens vorstellt, durch- 
aus nicht so schnell erloschen. Auch Ps. 40 7 spricht es unum- 



§ 18.J Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 237 

wunden aus: Schlachtopfer und Speisopfer gefallen dir nicht — 
Ohren hast du mir gegraben (nämlich: damit ich deinen Willen 
vernehme und ihm gehorsam sei); Brandopfer und Sündopfer be- 
gehrst du nicht! Ps. 50 8 ff. wird es als ein kindischer Wahn zu- 
rückgewiesen, um nicht zu sagen: verspottet, wenn man meint, 
Gott, dem Herrn der gesamten Tierwelt, das Fleisch von Stieren 
und das Blut von Böcken als Speise anbieten zu sollen. Ps. 51 18 
wird es nochmals betont, daß Gott keine Schlachtopfer begehre 
und an Brandopfern nicht Wohlgefallen habe, zugleich aber mit 
der hochwichtigen Ergänzung (V.io), daß die rechten Gottesopfer 
in einem zerbrochenen Geist, einem zerbrochenen und zerschla- 
genen Herzen bestehen. Man vergleiche endlich noch Ps. 69sif., 
wonach Jahwe an dankbarem Lobpreis ein größeres Gefallen hat, 
als an einem jungen Stier mit Hörnern und Klauen. 

Wir haben hier nicht zu untersuchen, wie es möglich war, 
daß diese Psalmen mit ihrer so ausgesprochenen Hervorkehrung 
des prophetischen Standpunkts gegenüber dem Opfer in das „Ge- 
sangbuch der nachexilischen Gemeinde" Aufnahme finden konn- 
ten, die doch von der Betrachtung der Opfer als einer heiligen 
und ganz unerläßlichen Pflicht tief und allseitig durchdrungen 
war. Wußte man sich durch eine gezwungene Deutung mit dem 
wirklichen Wortlaut abzufinden, d. h. ihm das für die spätere, prie- 
sterliche Betrachtung Anstößige zu nehmen? So scheint es in der 
Tat angesichts des jetzigen Schlusses (V. 20 f.) von Ps. 51. Hier 
ist dem prophetischen Urteil in V. 18 f. offenbar die Wendung ge- 
geben: das alles gilt, so lange Israel noch immer unter dem Zorne 
Gottes schmachtet; in dieser Lage sind Opfer nutzlos und Gott 
mißfällig. Wenn er sich aber erst des Zion wieder erbarmt, die 
Mauern Jerusalems wieder gebaut hat — zum Beweis, daß die 
Zeit des Zornes endgültig vorüber ist, die längst geweissagte große 
Erneuerung begonnen hat — dann wird er wiederum Wohlge- 
fallen haben an rechten Opfern, „dann wird man Farren auf 
seinen Altar bringen!" Die neuesten Psalmenausleger sind zum 
Teil geneigt, diesen Schluß für ursprünglich zu halten und in 
ihm die einfache Lösung des Rätsels zu finden, wie sich ein 
Psalmist so abfällig über die Opfer habe äußern können. Wir 
halten mit Duhm diese Hebung der Schwierigkeit für ganz un- 
möglich *). Sie enthält eine ganz ungehörige Vergewaltigung des 

*) Darnach erachten wir auch die gegenteilige Beweisführung von 
Jacob in ZAW XVII, 265 und Matthes (ebend. XXI, 73 ff.), wonach 



238 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

Wortlauts von V. 10. Ein Frommer, der zu einer so tief geläu- 
terten, wahrhaft evangelischen Auffassung vom rechten Gottes- 
dienst durchgedrungen war, wie es dort der Fall ist, konnte 
nimmermehr in eine solche Wertschätzung äußerlichen Opfer- 
dienstes zurückfallen, wie sie in V. 21 sichtlich vorliegt. 

Nach alledem kann es uns nicht wundernehmen, daß auch 
abgesehen von den Opfern und den zahlreichen Bügen des falschen 
Kultus die Beziehungen auf kultische Dinge bei den Propheten 
spärlich sind und überdies mehr auf Anbequemung an die herr- 
schende Volksmeinung, als auf eigener Wertschätzung derselben 
beruhen. Für das Volk ist es allerdings eine furchtbare Drohung, 
daß Jahwe allen ihren Festen, Neumonden und Sabbathen ein 
Ende machen will (Hos. 2 13), daß sie im Exil ohne König und 
Obere, ohne Altar 1 ) und Malstein, Ephod und Theraphim sein 
werden (3 4), daß sie dort im unreinen Lande, wo kein Jahwekult 
möglich ist, unreine Speise genießen müssen, keinerlei Opfer 
mehr bringen können (9 3 ff.). Dem Propheten kommt es dabei 
lediglich auf die Bedrohung mit dem an, was seinen Hörern 
schrecklich erscheint, nicht auf eine Billigung oder Verwerfung 
des Kultus und der für ihn erforderlichen Dinge. Der Feste, 
Neumonde und Sabbathe wird auch anderwärts (Am. 8 5. Jes. 29 1; 
Jer. 17 21 ff. ist ein später Zusatz, wohl aus der Zeit Nehemias) 
nur ganz nebensächlich gedacht. In welchem Interesse das Dt 
die Beobachtung der jährlichen Feste (c. 16) und die Verwendung 
des Zehnten zu Opfermahlzeiten (14 22 ff.) empfiehlt, wurde oben 
bereits erörtert. Dabei ergreift das Dt jede Gelegenheit, an Stelle 
der kultischen Motive oder doch neben sie humanitäre Motive 
zu setzen; so bei dem Gebot der Sabbathheiligung (5 12 ff.), beim 
Zehnten des 3. Jahres (14 23 f. 26 12 ff.), dem Erlaßjahr (15 1 ff.) 
und der Befreiung des hebräischen Sklaven im 7. Jahr (15 12 ff.). 
Und wenn das Dt (23 22), wie billig, die pünktliche Erfüllung 
der einmal getanen Gelübde fordert, so versäumt es doch nicht, 
hinzuzufügen, daß sich der keines Vergehens schuldig macht, der 
auf das Geloben verzichtet (V. 23). Das stärkste Zeugnis aber 



Gott mehr Dank- und Gelübdeopfer verlangen soll als andere (an denen 
er aber auch seine Freude habe, wie überhaupt alle Psalmen opfer- 
freudig seien), für völlig verunglückt. 

*) Da die LXX neben dem Opfer noch den Altar haben, so ist wohl 
für zcefoah zu lesen mizbeah. Nicht Opfer und Malstein, sondern Altar 
und Malstein gehören zusammen. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 239 

für die prophetische Vergeistigung der alten Kultsitten ist die 
Wendung, die jetzt der uralten und streng beobachteten Forde- 
rung der Beschneidung (vergl. oben S. 34 f.) gegeben wird, wenn 
Jeremia (4 4; vergl. auch Dt. 10 1«. 30 e) die Entfernung der Vor- 
haut des Herzens verlangt. Man wird nicht fehl gehen mit der 
Annahme, daß er über den Wert der äußeren Beschneidung 
ähnlich geurteilt hat, wie 7 21 ff. über den Wert der Opfer. Sie 
ist ihm ein Symbol der vor allem von Gott geforderten Reinigung 
der Herzen und ohne die letztere nutzlos und wertlos. 

Wie in diesem Falle, so sind auch sonst die wirklichen Forde- 
rungen der Propheten durchweg spezifisch religiöser und vor 
allem sittlicher Natur. Aber die letzteren sind nicht etwa los- 
gelöst von den ersteren. Nichts wäre verkehrter, als die Prophe- 
ten zu Verkündigern einer flachen Moralreligion zu machen, 
etwa weil bei ihnen die Einschärfung der Gerechtigkeit, Redlich- 
keit und Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten tatsächlich 
eine überaus wichtige Rolle spielt. Immer steht dabei doch im 
Hintergrund, daß der Beweggrund zu solchem Handeln der ge- 
offenbarte Wille des Gottes Israels und die ehrfurchtsvolle Scheu 
vor seinem Mißfallen (nach Dt 6 5 die innige Liebe zu Gott) sein 
soll. Dem entspricht, daß, wie im 1. Gebot, die Forderung der 
alleinigen Verehrung Jahwes allen anderen vorangeht. Sie ist in- 
direkt ausgesprochen in den zahllosen Rügen des Götzendienstes; 
sie wird aber auch häufig (vergl. z. B. Am. 5 4. e. Jes. 8 12 f.) 
positiv ausgesprochen. Den größten Eifer entwickelt nach dieser 
Seite das Dt (vergl. 4 w die motivierte Abmahnung vom Sternen- 
dienst, vor allem aber 12 1 ff.). Verführung zum Götzendienst, 
Mag sie nun von Propheten oder den nächsten Angehörigen aus- 
gehen, gilt ihm (13 2 ff. 17 2 ff.) als ein schlechthin todeswürdiges 
Verbrechen; die Strafe soll ohne jedes Erbarmen an den Schul- 
digen vollzogen werden, und gälte es auch die Vernichtung einer 
ganzen Stadt mit allen ihren Bewohnern und aller ihrer Habe 
(13 18 ff.). 

Die rechte Verehrung Jahwes zeigt sich vor allem in un- 
bedingtem Vertrauen zu seiner weisen Lenkung der Dinge und 
zu seiner Hilfe in der Zeit der Not (Jes. 7 4 und besonders V. 9 b : 
wenn ihr nicht vertraut, werdet ihr nicht bestehen ! Vergl. auch 
den locus classicus Jer. 17 s ff.). Darauf kommt auch allezeit 
die Politik hinaus, die die wahren Jahwepropheten ihrem Volke 
gegenüber den Weltmächten empfehlen. Nachdem Ahas gegen 



240 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

den dringenden Rat Jesajas die Assyrer herbeigerufen hat und 
zu ihrem Vasallen geworden ist, erblickt Jesaja eben darin eine 
Fügung Jahwes und eine wohlverdiente Züchtigung Judas. Nun 
gilt es, unter der heilsamen Zuchtrute stillzuhalten (28 12; 30 15 : 
„in Abkehr [von dem wüsten Treiben der andern] besteht euer 
Heil, in Stille und Vertrauen besteht eure Heldenkraft! a ) — bis die 
rechte Stunde für Jahwe gekommen ist, einzugreifen und auch 
an dem trotzigen Assur seine Macht zu erweisen (10 1« ff. 24 ff. 
33 f. 17 4 ff.). Ganz denselben Standpunkt nimmt Jeremia in be- 
treff der Chaldäer ein. Es gibt keine andere Rettung für die 
ihnen unterworfenen Völker (Jer. 27 2 ff.), sowie für Zedekia von 
Juda (V. 12 ff.), als daß sie ihre Hälse in das Joch Nebukadre- 
zars stecken (vergl. dazu auch 38 2 f. 11 ff. 42 10 ff.). Wie wenig 
deshalb Jeremia an der einstigen Wiederbegnadigung und Wie- 
dereinpflanzung seines Volkes zweifelt, beweist er, obschon ge- 
fangen, durch den Kauf eines Ackers (32 e ff.), als schon die 
Wälle der Belagerer bis an die Stadt heranreichten. 

Aus der rechten Erkenntnis Jahwes fließt ebenso die rechte 
Demut, wie die Liebe zum Nächsten (vergl. dazu das prophetische 
Programm wahrhafter Sittlichkeit Mich. 6 s); die letztere aber 
offenbart sich in erster Linie im Trachten nach Recht um 
jeden Preis, besonders wenn es Schutz und Fürsorge für unter- 
drückte Witwen und Waisen gilt: Am. 5 10. Jes. 1 17. 23. 10 2. 
Jer. 7 5 ff. 22 3 (Worte an den König) ; Dt. 10 18 f. (samt der Forde- 
rung, auch den Fremdling zu lieben). 24 17 ff. 27 19. Ueberhaupt 
ist die ganze Gesetzgebung des Dt durchtränkt von einem Geist 
echtester Humanität und so gleichsam ein Niederschlag propheti- 
scher Ethik. Den Hauptwert der Opfermahle, wie des Zehnten 
im 3. Jahre erblickt es offenbar in der Zuziehung der Leviten, 
Armen, Witwen und Waisen (14 29 und oft); es sorgt gegenüber 
einer überaus mächtigen Sitte, der Blutrache, für die Errettung 
des unfreiwilligen Totschlägers (19 2 ff.), fordert zarte Rücksicht 
gegen weibliche Kriegsgefangene (21 10 ff.) und die minder ge- 
liebte Gattin (V. 15 ff.), sowie gegen den Armen bei der Entnahme 
eines Faustpfandes für ein Darleheii (24 e und 10 ff.). Einen ent- 
laufenen Sklaven soll man nicht ausliefern (23 le f.), einen Tage- 
löhner nicht drücken, sondern ihm den Lohn noch vor Sonnen- 
untergang auszahlen (24 14 f.). Zins darf man nur von Ausländern 
nehmen, nicht von Volksgenossen (23 20 f.). Das Eigentum des 
letzteren ist mit Eifer zu behüten (22 1 ff.), der Gefahr eines 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 241 

Sturzes vom Dach durch ein Geländer vorzubeugen (22 s). Alle 
diese Humanität und Milde aber geht im Deut. Hand in Hand 
mit einem unbeugsamen Ernst nicht bloß gegen Götzendienst, 
sondern auch gegen Zuchtlosigkeit aller Art. Der ungeratene 
und unverbesserliche Sohn soll auf Antrag der eigenen Eltern 
gesteinigt werden (21 isff.); ebenso steht auf Ehebruch (22 22) 
und Verführung einer Verlobten innerhalb der Stadt die Todes- 
strafe für beide Teile (22 23 f.) ; die Verführung einer Nichtver- 
lobten wird durch eine Geldbuße und die Verpflichtung zu dauern- 
der Ehe geahndet (22 28 f.), Schamlosigkeit eines Weibes durch 
Handabhacken gestraft (25 11 f.). Eine bei Beginn der Ehe 
nicht als Jungfrau Erfundene soll gesteinigt werden (22 20 f.) ; 
dagegen zieht falsche Anschuldigung für den Mann eine höhere 
Geldbuße und die Verpflichtung zu dauernder Ehe nach sich 
(22 13 ff.). Für die Entlassung eines Weibes, an der der Mann 
„etwas Widerwärtiges" entdeckt, wird die Ausstellung eines 
Scheidebriefes zur Bedingung gemacht. Nach allen Spuren 
waren Ehescheidungen ziemlich häufig; auch das Volk Israel hat 
sich von der allgemeinen Anschauung des Orients, der das Weib 
in gewissem Sinn als eine Sache gilt, nur allmählich frei gemacht. 
Doch ist wenigstens die Wiederheirat einer Geschiedenen, die 
unterdes einem anderen Manne angehört hat, als eine Befleckung 
des Landes streng verpönt (24 1 ff.). Als eine Art Kompendium 
der deuteronomischen Ethik können endlich auch die 12 Flüche 
Dt. 27 15 ff. betrachtet werden. 

Dabei setzt auch das Dt voraus, daß die von ihm erhobenen 
Forderungen, etwa abgesehen von der Konzentrierung des Kultus, 
nicht als etwas ganz Neues an das Volk ergehen. Hat doch 
Jahwe von Anfang an für Organe gesorgt, die seinen Willen 
zu verkündigen haben, in Gestalt der Priester und Propheten. 
Ersteren liegt im Dt die Entscheidung schwieriger Rechtshändel 
ob (17 9. 12. 19 17 ff. 21 5), der Dienst vor Jahwe im Heiligtum, 
der ihnen in Ermangelung eines Erbbesitzes ihren Unterhalt 
bietet (18 1 ff. 26 3 f.), die Anfeuerung der Krieger vor dem 
Kampfe (20 2 ff.) und die Ueberwachung des Aussatzes (24 8 f.). 
In betreff der Propheten befindet sich das Dt insofern in einem 
gewissen Widerspruch mit sich selbst, als es auf der einen Seite 
auf das stärkste die Vorzüglichkeit, ja Vollkommenheit des von 
ihm vorgetragenen Gesetzes hervorhebt (4 8. 30 11 ff. ; vergl. auch 
Jos. 1 8) und dabei doch auch die Bedeutung der Propheten 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 16 



242 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

anerkennt, obschon sie durch das geschriebene Gesetz eigentlich 
überflüssig werden. Dieser Widerspruch löst sich jedoch durch 
die Erwägung, daß Dt. 18 is ff. deutlich nur eine bestimmte Funk- 
tion der Propheten im Auge hat: nicht die Verkündigung des 
Gotteswillens im allgemeinen, sondern die Vorausverkündigung 
der Zukunft. Denn die Prophetie ist ein von Jahwe geordneter 
Ersatz für die Wahrsagerei und Zeichendeuterei anderer Völker 
(V. 14). Jahwe selbst sorgt allezeit 1 ) für einen solchen Ersatz; 
ob aber ein Prophet wirklich im Namen Jahwes geredet hat, wird 
nur durch das Eintreffen des von ihm Angekündigten erwiesen 
(V. n f.). Von den eigentlichen Propheten empfiehlt zwar Jeremia 
(11 2 ff.) die Beobachtung der Worte „ dieses Gesetzes" 2 ), womit 
nur das Dt gemeint sein kann ; dabei ist er jedoch sicher nicht 
der Meinung, daß die wahrhafte Jahweprophetie, das lebendige 
Wort Jahwes, das wie Feuer ist und wie ein Hammer, der Felsen 
zerschmeißt (23 »), jemals durch ein geschriebenes Gesetz über- 
flüssig gemacht werden könnte. Wie Jahwe seit der Erwählung 
Israels unermüdlich seine Knechte, die Propheten, zur Verkündi- 
gung seines Willens gesandt hat (7 25. 25 4. 26 5. 29 19), so tut 
er auch jetzt noch. Und nur diese unmittelbare töräh (Weisung) 
Gottes bietet die Gewähr, wahrhaftes Gotteswort zu sein, während 
dies nicht unbedingt von einem geschriebenen Gesetz gelten kann. 
Nur so läßt sich der merkwürdige Ausspruch Jeremias 8 8 ver- 
stehen: Wie mögt ihr sagen: weise sind wir, und die töräh (hier: 
das geschriebene Gesetz Jahwes) steht uns zur Verfügung ! Jawohl 
— zur Täuschung hat der Lügengriffel der Schreiber gearbeitet 3 ) ! 
Wenn dies nicht geradezu eine Verwerfung des unter Josia auf- 
gefundenen und eingeführten Gesetzbuchs sein soll, so doch 
mindestens ein Hinweis darauf, welchen Gefahren ein schrift- 
liches Gesetz unterliegt, daher es eben niemals das lebendige 
Gotteswort durch die Propheten ersetzen kann. 

Von den älteren Propheten setzt Hosea 8 12 das Vorhan- 

*) Die Beziehung „des Propheten" Dt. 18 16 und 18 auf einen be- 
stimmten, nämlich den Messias (womit die alte Dogmatik das munus 
propheticum Christi begründete), wird durch einen Blick auf V. 20 und 22 
sofort hinfällig. 

2 ) Hierbei soll nicht verschwiegen werden, daß die schweren Be- 
denken, die Duhm in seinem Kommentar gegen die Herkunft dieser 
Perikope von Jeremia äußert, nicht aus der Luft gegriffen sind. 

8 ) Die übliche Fassung: „Zur T. hat es der Lügengriffel der Schreiber 
gemacht *, fordert die Lesung 'äSähü statt 'äSäh. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 243 

densein zahlreicher schriftlicher toroV) (Weisungen) voraus: doch 
kann es sich dabei nach dem Zusammenhang der Stelle nicht um 
Vorschriften für den Kultus, sondern nur um Anweisungen zu 
einem sittlichen Wandel handeln. Jes. 8 ie bezieht sich die töräh, 
welche aufbewahrt und versiegelt werden soll, nur auf die un- 
mittelbar vorangegangenen Weissagungen. Außer bei Jer. und 
Hos. 8 12 begegnen wir nirgends einem Hinweis auf ein geschrie- 
benes Gesetz; dagegen besteht überall (vergl. Am. 2 n. Hos. 6 5. 
Jes. 6 i ff. 8 11. Mich. 3 s. Hab. 2 i ff. etc.) die Ueberzeugung von 
der göttlichen Sendung und dem unmittelbaren Verkehr der 
echten Jahwepropheten mit ihrem Gott. Da von dem Wesen und 
den Aufgaben derselben bereits oben (§ 15) ausführlich die Rede 
war, so mag hier nur auf zwei Punkte noch hingewiesen sein: 
einmal auf die Bestimmtheit, mit der die Propheten das Eintref- 
fen ihrer Vorhersagung erwarten (vergl. dazu bes. Jes. 8 i f. 30 8. 
Hab. 2 2, wo die Weissagung noch durch schriftliche Aufzeich- 
nung bekräftigt wird, aber auch Jes. 20 1 f. Jer. 20 e. 21 7. 28 le f.) ; 
andrerseits darauf, daß der natürliche Mensch im Propheten 
gar leicht mit dem Inhalt des ihm befohlenen Gottesworts in 
Widerstreit geraten kann, sei es, daß er vorübergehend an der 
Gerechtigkeit des Weltlaufs (Jer. 12 i ff.) oder an jedem Erfolg 
seiner Sendung verzweifelt (Jer. 15 is ff. 20 7 ff.), oder sei es, daß 
er das tiefste Mitleid mit den von ihm Bedrohten nicht zu unter- 
drücken vermag (Jes. 22 4. Mich. 1 8. Jer. 4 10. 8 is ff.). Aber 
zuletzt siegt doch immer die Erkenntnis, die Jeremia (12 i) seiner 
Klage und Beschwerde voranschickt: „Du bleibst im Rechte, 
Jahwe, wenn ich mit dir hadern wollte!" Wird doch vor Gott 
jede menschliche Weisheit und Stärke und jeglicher Reichtum 
zunichte (Jer. 9 2s). 

Von anderen Organen Jahwes gedenkt Arnos einmal (2 n) 
der Nasiräer (s. oben S. 143 ff.) ; der Priester aber wird abgesehen 
von der ehrenvollen Erwähnung des Oberpriesters Uria bei Jesaja 
(8 2) von den Propheten nur unter heftigen Rügen ihrer Pflicht- 
vergessenheit gedacht. Und fast ebenso häufig werden schwere 
Anklagen gegen das Königtum laut. Nicht als ob die alte An- 

*) Lies statt des Sing, töräti, bei welchem der MT an das eine 
Gesetz Moses denkt, den Plural törötaj. Nur so hat „die unzählige 
Menge u vorher einen Sinn. — Zu dem Sprachgebrauch von töräh vgl» 
JT aleton, Beteekenis en gebruik van het woord Thorä in het oude 
Testament, in „Theol. Studien" 1891, S. 101 ff. 

16* 






i 



244 * Die Zeit "der 'Schriftpropheten big zum Exil. [§ 18. 



T 



schauung (vergl. oben S. 57^ihijlaJ.51 ff.), die im Königtum eine 
Segnung Jahwes, im König so gutjtoiaun den Priestern und Pro- 
pheten ein Organ der Theokratie ertyilrckt, ganz verleugnet würde. 
Sie tritt uns in der jetzigen (deuteronomistischen) Bearbeitung 
von 2 Sam. 7 deutlich entgegen. Aber die Erfahrungen, die man 
im allgemeinen — namentlich im nördlichen Reiche — mit dem 
Königtum gemacht hatte und die uns in gar greifbarer Gestalt 
aus dem sogenannten Königsgesetz Dt. 17 14 ff. entgegenklingen, 
mußten notwendig zu einem fast völligen Verwerfungsurteil 
führen. 

Eine letzte Frage, die wir in diesem Abschnitt über den 
Inhalt der prophetischen Predigt noch zu beantworten haben, ist 
die: Erachten die Propheten eine vollständige Erfüllung des 
göttlichen Willens für möglich und bemessen sie darnach die 
Verantwortlichkeit eines jeden? Die Antwort lautet: die Pro- 
pheten kennen nur zu wohl die angeborne, mit der Gebrechlich- 
keit Ues Fleisches zusammenhängende Sündhaftigkeit des Men- 
schen. Muß doch selbst ein Jesaja (6 ö) klagen, daß er ein Mann 
unreiner Lippen sei und inmitten eines Volkes mit unreinen 
Lippen wohne. Jeremia urteilt 17 o (vergl. auch 13 2s): arglistig 
mehr als alles ist das Herz und bösartig — wer kennt es aus? 
ü^d das Dt läßt es Salomo bei der Tempelweihe (1 Kön. 8 4$) 
ai sprechen : es gibt keinen Menschen, der nicht sündigte ! Aber 
trq z dieser allgemeinen Sündhaftigkeit kennen die Propheten 
doch auch eine relative Gerechtigkeit, eine Frömmigkeit, die auf- 
richtig trachtet, den Forderungen Gottes genug zu tun. Das, 
was ihr infolge von Irrtum, Uebereilung und Schwäche noch 
mangelt, wird durch die schonende und verzeihende Gnade Got- 
tes ergänzt. Dabei ist bemerkenswert, daß alle die zahlreichen 
Ausdrücke für Sündenvergebung nicht eine vollständige Ver- 
nichtung, sondern nur ein Uebersehen oder Unsichtbarmachen 
der Sünden hervorheben, so daß sie das richterliche Auge Gottes 
nicht mehr zur Ahndung reizen. Das ist ja allerdings bildlich 
geredet, stimmt aber zu der echt evangelischen Auffassung, nach 
der der Mensch nach wie vor ein armer Sünder bleibt, aber von 
Gott aus Gnaden für gerecht erklärt und damit dem Gericht 
entnommen wird. Die Sühne besteht in einem „Zudecken" (und 
damit Unsichtbarmachen) der Schuld, und zwar deckt nach dem 
prophetischen Sprachgebrauch (Jes. 6 7. Jer. 18 23 u. a.) Gott 
selbst die Sünde zu. Anderwärts heißt die Sündenvergebung 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 245 

ein Hinwegnehmen, Beseitigen, Vorübergehenlassen, Wegwa- 
schen, Wegwischen, Heilen der Sünde ; Gott versenkt sie in die 
Tiefen des Meeres (Mich. 7 10) oder wirft sie hinter seinen Rücken 
(Jes. 38 17) — alles mit der gleichen Wirkung, daß nunmehr die 
Sünde seinem Anblick entzogen ist. Wahre Reue und Buße ist 
dabei immer selbstverständliche Voraussetzung; sie kann aber 
auch blutrote Sünden schneeweiß, purpurrote wie Wolle werden 
lassen (Jes. 1 is). 

Der Beweis dafür, daß den Propheten wenigstens eine rela- 
tive Gerechtigkeit für erreichbar gilt, liegt einmal in dem Hin- 
weis auf eine solche in vergangenen Zeiten (Jes. 1 21 f. 2e), andrer- 
seits in den vielfachen Verheißungen, die an die redliche Erfül- 
lung des göttlichen Willens geknüpft werden (Jes. 1 19 und 
besonders häufig und nachdrücklich im Dt: 7 12 ff. 11 13 ff. und 
mit den entsprechenden Bedrohungen des Ungehorsams 28 1 ff. 
30 1 ff.). Die Frage, wie sich denn eine solche Vergeltungslehre, 
nach der das Schicksal der Menschen genau ihrem WanuJ. ent- 
spricht, mit den Erfahrungen des wirklichen Lebens reime, wird 
jetzt noch nicht aufgeworfen. Der fromme Glaube hält sich ein- 
fach an das Postulat, daß lautere Frömmigkeit ihren Lohn, 
Gottlosigkeit aber ihre Strafe finden muß. Dieses Postulat er- 
schien um so berechtigter, als man es vor allem auf Schuld gnd 
Schicksal des gesamten Volkes, weniger auf das einzelne Ir^ivi- 
duum anwandte. Und wenn das Dt (denn dieser Schicht geAört 
doch wohl die Erweiterung des Dekalogs Ex. 20 5 b und e an) ein 
Fortwirken der Schuld auf Kinder, Enkel und Urenkel der Gott- 
losen, wie umgekehrt ein Fortwirken der durch Frömmigkeit er- 
worbenen Huld Gottes bis ins tausendste Glied lehrt, so spricht 
es damit nur im Sinne der Propheten eine Wahrheit aus, die 
auch anderwärts vielfältig im A. T. und tausendfältig von der 
Erfahrung bezeugt wird. Wie das Verdienst Davids dem Volke 
noch Jahrhunderte lang zugute kommt (1 Kön. 11 12 f. 84. 15 4. 
2 Kön. 8 10), so führen umgekehrt die Sünden Manasses unaus- 
bleiblich den Untergang des Volkes herbei ( Jer. 15 4. 2 Kön. 24 s). 
Dabei liegt jedoch die falsche Umkehrung des Postulats, daß der 
Tugend Lohn, dem Frevel Ahndung gewiß sei, dem Dt fern. 
Es behauptet nicht, wie nachmals die Volksmeinung tat, daß 
alles menschliche Leid eine Folge schwerer Verschuldung sein 
müsse. Nicht minder tritt schon Jeremia (31 20 f.) dem auch 
von Hesekiel (18 2) bezeugten Sprichwort entgegen, durch 



246 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

das man damals die falsch verstandene Vergeltungslehre von 
Ex. 20 5 b zu verhöhnen pflegte: „Die Väter haben saure Trau- 
ben gegessen und den Kindern sind die Zähne stumpf gewor- 
den. u Vielmehr soll ein jeder für seine eigene Schuld büßen 
(vergl. dazu auch Dt. 24 i«) ; keiner vermag sich somit der sitt- 
lichen Verantwortung zu entziehen, die auf ihm lastet, und eben 
darin liegt der Beweis, daß die Forderungen Jahwes als erfüllbar 
gedacht sind. 

Unter allen Umständen aber ist Lohn und Vergeltung als 
diesseitig gedacht; von der Erwartung eines Fortlebens nach 
dem Tode oder einer Auferstehung findet sich in der vorexili- 
schen Prophetie noch keine Spur. Vielmehr steht sie in betreff 
der Zustände nach dem Tode offenbar noch ganz auf dem Boden 
des alten Volksglaubens an die Scheol (vgl. oben S. 177 ff.), mögen 
auch die Erwähnungen derselben (Am. 9 a. Jes. 5 14. 7 11. 28 is. is. 
Hab. 2 s) nur sehr spärlich und nebensächlich sein. Die nationale 
.Religion, mit der es die vorexilischen Propheten vor allem zu 
tun haben, hatte lediglich ein Interesse an der Dauer und der 
etwaigen Wiederaufrichtung des diesseitigen Gottesstaats. Die 
Fragen der Unsterblichkeit und Auferstehung gehen das Indivi- 
duum an. Wir werden ihnen daher erst in einer Zeit begegnen, 
in der nach dem politischen Untergang der Nation die Interessen 
des religiösen Individuums mehr und mehr zu ihrem Rechte 
kamen. 

3. Das Verhalten des Volkes gegen Jahwe. 

Wie entsprach nun das von Jahwe erwählte Volk dem Bilde, 
das wir im vorigen Abschnitt von den Forderungen Gottes durch 
die Propheten entworfen haben? — Es ist ein überaus düsteres 
Gemälde, das fast in sämtlichen Schriften der vorexilischen Pro- 
pheten vor uns aufgerollt wird, und man hat kein Recht zu der 
Behauptung, daß sie nach Weise der ßußprediger aller Zeiten 
die Zustände allzu schwarz gemalt hätten, um mit ihren Rügen 
und Mahnungen nur desto besser Eingang zu finden. Vielmehr 
schwebt über allen ihren Schilderungen die Voraussetzung: 
Der hohe Vorzug, dessen Israel gewürdigt war, schloß eine eben- 
so schwere Verantwortung für das Volk in sich: aber gerade dies 
wollte es nicht verstehen. Den Vorzug: „von allen Völkern der 
Erde habe ich nur euch erwählt" (Am. 3 2) wollten sie sich gerne 
gefallen lassen; aber der Nachsatz „eben darum werde ich alle 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 247 

eure Verschuldungen an euch heimsuchen!" erschien ihnen un- 
begreiflich. Die eben zitierten Worte des Arnos sind zunächst an 
die Bewohner des nördlichen Reiches gerichtet, wie die gesamte 
Prophetie des Hosea und allerlei Aussprüche der späteren Pro- 
pheten (z. B. Jes. 17« ff. 28 i ff.; vgl. dazu auch Jer. 31 s ff. und 
V. 15 ff., sowie das Urteil des Deut, in 2 Kön. 13 5. 14 «e f. und 
die ganze Betrachtung 17 7 ff.). In der Tat besteht in der Beur- 
teilung beider Reiche bei den Propheten insofern kein Unter- 
schied, als auch Ephraim nach der Reichsspaltung zum Volk Jah- 
wes gezählt wird und infolge dessen ganz der gleichen Verant- 
wortung, somit aber auch der gleichen Verdammnis wegen seines 
Abfalls von Jahwe und seiner Frevel unterliegt 1 ). 

Im Vordergrund aller Anklagen stehen die, welche die Wur- 
zel alles verkehrten Wesens betreffen: die Rügen des eigentlichen 
Götzendienstes, der falschen Beurteilung Jahwes und seines Wil- 
lens und des darauf beruhenden falschen Jahwedienstes. 

In betreff des Götzendienstes hatten wir schon bei der vori- 
gen Periode (s. o. S. 105 ff.) festzustellen, daß es sich dabei eigent- 
lich nie um eine völlige Verleugnung Jahwes als des Volksgottes 
handelte (geschweige gar um eineLeugnung seiner Existenz!), son- 
dern nur um den unausrottbaren Hang zu einem Synkretismus, 
der es auch mit dem Ba'al (genauer den b e 'älim, d. h. den ver- 
schiedenen Lokalisierungen des Ba'al) nicht verderben wollte. 
Diese Klage des Elia erschallt auch bei Hosea (2 7 ff.), also etwa 
25 Jahre vor dem Untergang des Reichs, noch in gleicher Stärke. 
Aber je unverfänglicher das dem Volk erscheinen mochte, der 
Prophet brandmarkt es als Ehebruch (1 2. 2 4 ff. u. ö.; vgl. auch 
Jer. 3 1 ff. 13 27). Wir lassen hierbei dahingestellt, ob der Ver- 
gleich des Verhältnisses Jahwes zu Israel mit einer Ehe (oder 
auch einem Brautstand) zuerst von Hosea im Hinblick auf die 
Untreue seines eignen Weibes, in der er ein Spiegelbild der Un- 
treue Israels gegenüber Jahwe erblickte, eingeführt worden ist. 
Jedenfalls erfüllte dieses Bild den Zweck der Propheten, das 
Tun Israels für das allgemeine Verständnis als etwas unbedingt 
Schändliches und Verwerfliches darzustellen. 

In den Bereich des Götzendienstes gehört für Hosea (4 12) 
deutlich auch das Wahrsagen mittelst Stäbchen (die sogen. Rhab- 

*) Vgl. hierzu die ausführlichen Erörterungen bei OProcksch, Ge- 
schichtsbetrachtung und geschichtliche Ueberlieferung bei den vorexili- 
schen Propheten. Leipz. 1902. 



248 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

domantie), wie für Jesaja (8 w) die Nekromantie und überhaupt 
jede Art von Wahrsagern und Zauberei (Jes. 2 e ; vgl. noch 2 
Kön. 23 m). Der Volksglaube mochte diese Dinge mit dem Jahwe- 
dienst für vereinbar halten. Doch fehlt es auch abgesehen von 
dem Synkretismus gegenüber den Ba'alen nicht an Hinweisen auf 
Götzendienst im eigentlichsten Sinne; so Jes. 1 » und sehr häufig 
bei Jeremia (1 le. 2 5 ff. 3 20 ff. 11 is). Seit der Mitte des 7. Jahr- 
hunderts gelten die Rügen besonders dem Dienst des Himmels- 
heeres (Zeph. 1 5 f. Jer. 7 17 ff. 82. 19 u; überaus charakteristisch 
ist dafür die Rede des Volks 44 17 ff. ; vgl. auch 2 Kön. 23 11 f.), 
sowie den Kinderopfern (Jer. 7 so f. 19 ß. 2 Kön. 23 10), wobei 
allerdings nicht unbedingt sicher ist, ob der mcelceh (König) 1 ), 
dem diese Opfer gebracht wurden, nicht als eine Sondergestalt 
Jahwes gemeint ist (vgl. darüber oben S. 17 f. 22 f.). Ein ähn- 
licher Zweifel erhebt sich, wie wir oben S. 98 f. bereits darge- 
legt haben, in betreff der Gottesbilder (Jes. 2 20 etc.), sofern es 
sich dabei vielfach um Jahwebilder handeln dürfte. 

Zu den Rügen des Götzendienstes hat man früher auch zahl- 
reiche Aussprüche gezählt, die in Wahrheit dem verkehrten, ge- 
dankenlosen, noch vielfach mit kanaanitischen Kultsitten gemisch- 
ten Jahwedienst gelten. Die Opfermahle sind häufig nur Anlaß zu 
Völlerei (vgl. bes. Jes. 28 7 ff.) und Unzucht. So klagt schon Arnos 
(2 8): „neben jedem Altar strecken sie sich auf gepfändete Ge- 
wänder und trinken Strafwein 2 ) im Tempel ihres Gottes". Nach 
4 4 f. ist ihr scheinbarer Eifer für den Kultus in ßethel und Gil- 
gal doch nur mit Schandtaten gepaart. Auch dem Propheten 
Hosea gilt ihr Opferdienst auf den Höhen in Gemeinschaft der 
Lustdirnen nicht besser als Götzendienst (4 13 f.), und ihre Opfer- 
gaben sind darum vor Jahwe nutzlos (5 e). Wohl haben sie Jah- 
we zahlreiche Altäre errichtet, aber sie sind ihnen nur ein An- 
laß zur Sünde geworden (811. 10 1; doch könnte sich letztere 
Stelle auch auf Altäre und Malsteine des Ba'al beziehen). Ueber 
Jesajas Polemik gegen den gehäuften und doch völlig nutzlosen 
Werkdienst (1 11 f.) vgl. oben S. 235). Wohl nahen sie sich Jah- 
we mit ihrem Munde und ehren ihn mit ihren Lippen; aber ihr 
Herz ist fern von ihm, und ihre Gottesfurcht nichts als angelern- 
tes Menschengebot (Jes. 29 is. Jer. 12 2). Aehnliche Klagen las- 

*) Vgl. dazu BDEekdmans, Melekdienst en vereering van hemel- 
lichamen in Israels assyr. Periode. Leiden 1892. 

*) D. h. Wein, der an Stelle einer Geldbuße entrichtet wurde. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 249 

sen Micha und Jeremia laut werden. Das stärkste Zeugnis für 
die gründliche Verkehrtheit des Kultus bleibt aber doch die Tat- 
sache, daß sich das greuliche Unwesen der Lustknaben und Lust- 
dirnen (vgl. oben S. 160 f.) im Zusammenhang mit dem Jahwekult 
(denn so muß man nach Deut. 23 is f. und 2 Kön. 23 1 urteilen) 
bis zur Kultusreform des Josia behaupten konnte. 

Beide Verirrungen, der Götzendienst wie der verkehrte 
Jahwekult, fließen aus derselben Quelle: dem gänzlichen Mangel 
an Erkenntnis des wahren Wesens Jahwes. Nur aus ihm erklärt 
sich der grobe Undank des Volks gegen seinen Wohltäter und 
Pfleger von uralten Zeiten her (Jes. 1 s. 5 i ff.), aus ihm auch das 
falsche Vertrauen auf Jahwe als den Volksgott, der um seiner 
eigenen Ehre willen sein Volk und seinen Tempel schließlich 
doch nicht den Heiden preisgeben könne, vielmehr zuletzt allen 
ihren Abfall und ihre Sünden übersehen müsse (Jer. 7 10 u. a). 
Sehr häufig wird dieses falsche Vertrauen auf Jahwe der Ver- 
führung durch Lügenpropheten zugeschrieben, die auch dann 
noch Heil verkündigen, wo den wahrhaften Jahwepropheten be- 
reits alle Schrecken des Gerichts lebhaft vor Augen stehen 
(Mich. 3 5. n b . Jer. 5 12. 3i. 7 4. 14m f. 23ie_i8. 27 9f. und uff. 28 i ff. 

29 8 f. 21—28. 31 f.). 

Das falsche Vertrauen auf Jahwe hindert jedoch keineswegs 
das Mißtrauen gegenüber seiner Macht und Hilfe, das sich in 
dem eifrigen Trachten nach Selbsthilfe, im Wertlegen auf selbst- 
erwählte, fleischliche Mittel kundgibt. Das ist einer der Haupt- 
punkte, auf den die Anklagen der Propheten gerichtet sind, mag 
es sich dabei mehr um das Vertrauen auf eigene Machtmittel, 
Streitwagen und Krieger, Gold und Schätze handeln (Hos. 10 i3 b . 
Jes. 2 7. 22 s ff. 30 ie. Mich. 5 9), oder um Bündnisse bald mit As- 
sur, bald mit Aegypten oder auch mit den Nachbarvölkern zum 
Schutze gegen Assur (Hos. 5 13. 7 11. 89 f. 12 2 b . 144 — sämtlich 
auf das nördliche Reich bezüglich, während Jes. 28 15. 29 is f. 
30 1 f. 31 1 f. dem Bündnis Judas mit Aegypten gelten). 

Der Mangel an wahrhaftem Glauben und Gottvertrauen, der 
sich in solchem Tun kundgibt, steigert sich aber schließlich zur 
offenen Lossagung von Jahwe, ja zur frivolen Verhöhnung seiner 
Propheten und der von ihnen verkündigten Gottessprüche (Am. 
2 12. Hos. 9 7 f. Jes. 1 4. 5. 19. 22 11 ff. 28 9 ff. 30 9 ff. Jer. 6 10. 1 1 is ff. 
12 c. 15 10. 15. 18 is— 23. 20 7 ff.). Besonders durch Mich. 2 c. 11. 
Jes. 22 12 ff. werden wir lebhaft an die „Sünde wider den heiligen 



250 I>ie Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

Geist" erinnert (Mth. 12 si f. Hebr. 6 4 ff. 10 u f.), die niemals 
vergeben werden kann. 

Dem Stande der Gotteserkenntnis und Religiosität entspre- 
chen naturgemäß auch die sittlichen Zustände im Volk, und 
schier endlos ist die Reihe der Anklagen, die in dieser Beziehung 
von den Propheten bald gegen die Gesamtheit des Volks, bald 
gegen einzelne Stände geschleudert werden. Beginnen wir mit 
den letzteren, so finden wir wenigstens bei Hosea keinen Nach- 
hall mehr von der alten Anschauung (vgl. oben S. 57 f. und 
151 ff.), der das Königtum als eine von Jahwe verliehene Seg- 
nung galt. Denn zwischen diesen, großenteils durch Empörung 
oder gar durch Meuchelmord auf den Thron gelangten Königen 
Israels und dem Königtum im Sinn und Geist derTheokratie be- 
steht kein Band der Gemeinschaft (Hos. 8 4. 13 10 f.) l ). Jesajas 
Urteil über Ahas ist wohl in dem Ausspruch 3 12 mit eingeschlos- 
sen, und von der Verschuldung Manasses wurde schließlich der 
Untergang Judas hergeleitet (2 Kön. 23 «e f. 24 «—4). Zahlreich 
und zum Teil überaus heftig sind die Anklagen gegen die Oberen 
des Volks (Jes. 3 12 ff. Mich. 3 11. 7 4) als die ungetreuen Hirten 
( Jer. 23 1 ff.), sowie gegen die Priester (Hos. 4 4 ff. Mich. 3 11. 
Zeph. 3 4. Jer. 2 8. 5 31. 6 13) und die falschen Propheten (Zeph. 
3 4. Jer. 2 8. 613. 23 • ff. 21. 26 ff. 30 ff.). Kein Wunder, daß unter 
solcher Leitung alle Laster üppig gedeihen. Die Sättigung mit 
äußeren Gütern erzeugt Hochmut (Am. 6 8. 13. Jer. 13 ». Deut. 
8 12 ff.), Ueppigkeit (Am. 6 4 ff.), Hoffahrt, namentlich auch der 
Weiber (Am. 4i. Jes. 3ieff.), und Unzucht (Am. 2 7 b ). Vor allem 
aber ist es wieder die habgierige Vergewaltigung der Armen und 
Geringen, die Beugung des Rechts gegenüber den Witwen und 
Waisen (Am. 2 e. 7\ Jes. 5 23. 10 1 ff. Mich. 2 2. 3 1 ff.), die zu schwe- 
ren Klagen Anlaß gibt. Schließlich sind es aber nicht bloß ein- 
zelne Laster und Verbrechen, die dem Volke schuldgegeben wer- 
den, sondern eine solche Verkehrung aller sittlichen Begriffe (Jes. 
5 20), eine so gründliche und allgemeine Verderbnis, daß eine Stei- 
gerung derselben kaum noch möglich scheint. Schon Hosea (4i ff.) 
muß klagen, daß keine Treue, keine Liebe, keine Gotteserkennt- 
nis mehr im Lande sei: sie fluchen und lügen, morden und steh- 

*) Wenn sich Hoa. 9 9. 15 10 9 tatsächlich auf die Einführung des 
Königtums bezögen, so enthielten diese Stellen (wie 1 Sam. 8 6 ff. 12 12) 
eine absolute Verwerfung des Königtums ; aber diese Deutung ist zum 
mindesten zweifelhaft. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 251 

len und ehebrechen, und Blutschuld reiht sich an Blutschuld. 
Jes. 3 8 f. weist auf die Schamlosigkeit hin, mit der sie, in fre- 
chem Trotz gegen Jahwe, ihre Sünde wie einst die Sodomiter un- 
verholen kundtun. Nicht minder trostlos lautet das Verwerfungs- 
nrteil Michas (7 i ff.; vgl. besonders V. 4: der Beste unter ihnen 
gleicht einem Stechdorn, der Redlichste unter ihnen ist wie eine 
Dornenhecke) und Jeremias (5 i ff. 6 is. 28. 9 i ff.). Ja, nach ihm 
ist die Verderbnis so tief eingewurzelt, daß ein Mohr eher seine 
Haut verwandeln könnte oder ein Panther seine Flecken, als das 
Volk sein böses Tun (13 23). Trug und Verrat sind so allgemein, 
daß sie sich auch in die engste Freundschaft und die heiligsten 
Familienbande eindrängen, so daß es zur Regel geworden ist: 
des Menschen Feinde sind die eigenen Hausgenossen (Mich. 7 s f.). 

4. Die Stellung der Propheten zu der Verderbnis 

des Volks. 

ZurLiteratur: OPbocksch, Geschichtsbetrachtung und geschichtl. 
Ueberlieferung bei den vorexil. Propheten. Leipzig 1902. — PKleinert, 
Die Propheten Israels in sozialer Beziehung. Leipzig 1905. — FRBenne- 
"WITZ, Inwieweit läßt sich die von Arnos vertretene Auffassung von der 
Sünde auch schon vor ihm nachweisen? Jena 1906. — E König, Die 
alttestamentl. Propheten und die Politik. Theol. Lit. Bl. 27, 51. — 
Bbuston, Jöremie fut-il prophete pour les nations? ZAW 1907, 1. S. 
75 — 78. — WStaebk, Das assyrische Weltreich im Urteil der Propheten. 
•Göttingen 1908. — MaxWiener, Die Anschauungen der Propheten von 
der Sittlichkeit. (Schriften der Lehranstalt f. die Wissens eh. des Juden- 
tums, Bd. II, Heft 3/4). Berlin 1909. 

Solchen Zuständen gegenüber mußten die Bestrebungen der 
Propheten naturgemäß in erster Linie darauf gerichtet sein, Buße 
und Umkehr zu predigen, um doch womöglich noch in der letz- 
ten Stunde das Volk vom Verderben zurückzureißen. Und so 
verhält es sich in der Tat. Die heute vielfach nachgesprochene 
Behauptung, die Schriftpropheten vor dem Exil hätten nur das 
Gericht verkündigt, ohne jede Milderung, jede Aussicht auf eine 
wenigstens teilweise Errettung und Wiederherstellung, ist von 
vornherein psychologisch unverständlich. Ein Prophet, der mit 
völliger Bestimmtheit die Vernichtung des Staats und aller Glie- 
der des Volks erwartete, müßte es für völlig zwecklos erachten, 
unaufhörlich nur diese Vernichtung zu verkündigen, zumal wenn 
er damit doch keinen Glauben fände. Es würde ihm nichts näher 
liegen, als die Masse ihrem Schicksal zu überlassen und mit den 
Seinen ihre Verstocktheit und den Untergang des Volks zu be- 



252 Die Zeit der Schriffcpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

trauern. Statt dessen finden wir, daß alle «diese Propheten einen 
Feuereifer in der Verkündigung des Wortes Jahwes entfalten, 
der nur durch den Zweck verständlich wird, den sie dabei doch 
immer im Auge haben. Es gilt, zu retten, was noch zu retten 
ist, wenigstens einem Teil der Betörten die Augen zu öffnen und 
ihn zu dem kleinen Häuflein herüberzuziehen, das von Gott aus- 
ersehen ist, das Gericht zu überdauern. So erhalten wir folgende 
Stufenleiter in der prophetischen Verkündigung: einfache Buß- 
predigt mit dem Hinweis auf eine noch mögliche Rettung, sodann 
die Androhung des Gerichts für die gottlose Mehrheit des Volks* 
Dieses Gericht erscheint mehr und mehr als unabwendbar und 
zwar als eine totale Vernichtung des Staats und bisherigen Volks- 
tums. Aber bei alledem steht doch immer im Hintergrund der 
Gedanke, daß es sich für einen Teil des Volks nur um ein Läu- 
terungs-, nicht um ein Vertilgungsgericht handeln werde. Und 
jengeits der Schrecken des Gerichts winkt eine Zeit der Gnade 
und des Erbarmens Gottes, eine Zeit der Erneuerung, in der 
die Reste des Volks wieder der Idee eines Gottes volkes ent- 
sprechen und die Früchte solches Vorzugs genießen werden. E& 
ist nur natürlich, daß wir diesen verschiedenen Stadien der pro- 
phetischen Verkündigung nicht immer vollständig und in der 
gleichen Reihenfolge begegnen. Besondere Anlässe und die Ver- 
schiedenheit der Hörer lassen bald das eine, bald das andere in 
den Vordergrund treten; ganz aber dürfte keines der genannten 
Momente wenigstens in den größeren Prophetenschriften fehlen. 
Dabei ist allerdings zuzugeben, daß das Urteil nicht selten durch 
unleugbare spätere Zutaten (vergl. darüber oben S. 189 ff.) be- 
trächtlich erschwert ist. Die nachfolgende Uebersicht wird sich 
auf die Verwertung derjenigen Perikopen beschränken, deren 
Echtheit von den meisten anerkannt wird, nur daß wir dabei 
die sogenannte „messianische Weissagung" einer besonderen 
Besprechung vorbehalten. 

Die oben erwähnte Behauptung, daß den Inhalt der vorexi- 
lischen Predigt ausschließlich die endgültige Androhung des Ge- 
richts bilde, hat noch am meisten bei A m o s einen Schein des 
Rechts für sich. In seiner Predigt scheint auch nicht der leiseste 
Schimmer des Trostes in die schwarze Nacht zu fallen, die er 
ankündigt. Denn von dem jetzigen Schluß (9 8 ff.) müssen wir 
notwendig absehen, und der wiederholte Hinweis auf die gött- 
liche Langmut, die sich auf die Fürbitte des Propheten des Uebels 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 253 

gereuen läßt, in den Gesichten 7 1 ff., hat doch nur den Zweck, 
auf den Zeitpunkt vorzubereiten, wo die Langmut Gottes ein 
Ende hat, und nur noch Raum bleibt für die Vollziehung des 
Gerichts (7 ? ff.). Dem entspricht auch die ganze vorangegangene 
Verkündigung des Arnos. Er schaut das Gericht über das nörd- 
liche Reich in Gestalt eines Verheerungszugs auswärtiger Feinde, 
dem niemand weder durch Stärke, noch durch Schnelligkeit ent- 
rinnen kann (2 u ff. 3 n. 4 2 f. 5 s. 7 ». 9 1 ff. ; dabei ist 6 14 ein ziem- 
lich deutlicher Hinweis auf die Assyrer als das feindliche Volk 
gegeben). Damit steht die Androhung des Exils (5 5. 27. 67.7 11. 17. 
9 4) oder auch einer verheerenden Seuche (so wohl 5 ie f. 6 f. 
8». 10) nicht in Widerspruch. Denn Pest und Hungersnot (8 13) 
stellen sich von selbst ein, wenn das Schwert gewütet hat. Nach 
alledem scheint es dabei zu verbleiben, daß die Totenklage *), die 
Arnos 5 1 über die Jungfrau Israel anhebt, das letzte Wort sei- 
ner Prophetie sei, zumal er unmittelbar vorher (4 e ff.) die völlige 
Nutzlosigkeit der bisherigen Strafgerichte Gottes aufgezeigt hat. 
Der Termin aber der Gerichtsvollstreckung ist „der Tag Jah- 
we s a . Auf ihn weist der Prophet schon 2w hin; eine nähere 
Besprechung findet er jedoch erst 5 18 ff. Hier erfahren wir, daß 
die Erwartung des Tages Jahwes den Zuhörern des Propheten 
bereits geläufig war, nur daß sie offenbar einen ganz anderen 
Sinn mit dem Worte verbanden als der Prophet selbst. Für sie 
ist es ein Tag der Rache Jahwes an allen Feinden seines Volks, 
daher ein Sieges- und Ehrentag für Israel, das ihn von ganzer 
Seele herbeiwünscht. Auch für Arnos ist es ein Tag, an dem sich 
die Gerechtigkeit Jahwes verherrlicht, aber die Forderungen 
des Volkes kehren sich — getreu dem 32 ausgesprochenen Grund- 
satz — gegen es selbst. Darum muß der Prophet ein Wehe 
über die ausrufen, die diesen Schreckenstag herbeiwünschen: 
» Was soll euch doch der Tag Jahwes? Er ist ja Finsternis, nicht 
Licht", und ganz vergeblich ist es, ihm entrinnen zu wollen. In- 
direkte Hinweise auf diesen Gerichtstag Jahwes sowohl über Is- 
rael und Juda, wie über die Heiden Völker liegen eigentlich über- 
all da vor, wo eine prophetische Ankündigung eingeführt wird 
nrit der Formel „an jenem Tage". Ausdrückliche Hinweise aber 
finden sich noch Jes. 2 12 ff. in der grandiosen Aufzählung aller 

■ ' ■ - - » 

l ) Auch der Rhythmus der beiden Stichen in V. 1 ist der des sogen. 
WMäh- oder Klageliedverses mit je einem längeren ersten und einem 
kürzeren zweiten Glied. 



254 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

der Dinge, die dem Tag zum Opfer fallen werden, den Jahwe in 
Bereitschaft hält, damit alles Stolze und Hohe erniedrigt werde, 
damit „der Menschen Stolz gebeugt und der Männer Hochmut 
gedemütigt werde und Jahwe allein an jenem Tag erhaben sei*. 
Zeph. 1 7 ff. endlich wird der nahe bevorstehende Tag Jahwes 
unter dem Bilde eines großen Opferfestes geschildert, das Jahwe 
selbst zugerichtet und zu dem er die von ihm Geladenen (das sind 
wie Jes. 13 s die zur Vollstreckung seines Zorns berufenen Hei- 
den) geweiht hat. Ihrem Ansturm fällt Jerusalem zum Opfer 
und so wird (V. u) „jener Tag ein Tag des Grimms, ein Tag der 
Angst und Drangsal, ein Tag der Wüstenei und Verwüstung, ein 
Tag der Finsternis und Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und 
der Wolkennacht a sein. 

Kehren wir nach dieser Abschweifung noch einmal zu Arnos 
zurück, so ist doch bei seinen scheinbar bedingungslosen Andro- 
hungen des Gerichts noch immer ein Doppeltes zu erwägen. 
Erstlich gelten diese Drohungen, wenn wir von der offenba- 
ren Glosse 2 4 f. absehen, ausschließlich dem nördlichen Reich 
und haben sich an ihm so gut wie buchstäblich erfüllt. Dabei 
bestand jedoch das „Volk Gottes* in Juda noch immer fort als 
Erbe der geschichtlichen Erinnerungen und als Träger der Hoff- 
nungen auf eine bessere Zukunft. Zweitens: es ist nicht einmal 
zutreffend, daß der Gedanke an die Möglichkeit einer rechtzei- 
tigen Buße und damit einer Errettung Israels bei Arnos vollstän- 
dig fehle. Oder lesen wir nicht 5 4 die Mahnung: „Suchet mich, 
damit ihr am Leben bleibt!" Und V. u f.: „Trachtet nach dem 
Guten und nicht nach dem Bösen, damit ihr am Leben bleibt! 
Dann erst würde Jahwe, der Gott der Heerscharen mit euch sein, 
wie ihr gesagt habt. Hasset das Böse und liebt das Gute; rich- 
tet das Recht im Tore auf! Vielleicht wird sich Jahwe, der Gott 
der Heerscharen, eines Restes Josephs erbarmen u . Diese letzten 
Worte legen die Frage nahe, ob nicht doch vielleicht in dem ur- 
sprünglichen Schluß des Amosbuchs einige tröstliche Ausblicke 
für einen Ueberrest des nördlichen Reiches enthalten waren — 
ohne daß damit dem Verwerfungsurteil über die Masse des Volks 
ein Abbruch geschah. 

Arnos war auf Geheiß Jahwes aus Juda nachBethel hinüber- 
gegangen und nach Ausrichtung der göttlichen Botschaft wieder 
in seine Heimat zurückgekehrt. H o s e a aber war ein Bürger 
des nördlichen Reiches und mußte darum an dem göttlichen Ver- 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 255 

werfungsurteil über dieses einen ganz anderen persönlichen An- 
teil nehmen, als der Hirt von Thekoa. In der Tat tritt uns auf 
jedem Blatt bei Hosea das tragische Schicksal eines Mannes 
entgegen, der von Gott ausersehen ist, dem eigenen Volk und 
Heimatland das wohlverdiente und unabwendbare letzte Schick- 
sal zu verkündigen, und der doch bei aller Beugung unter das 
gerechte Urteil Gottes von einem brennenden Schmerz über den 
Untergang eben dieses Volkes und Landes erfüllt ist. Die Mög- 
lichkeit einer Selbstbesinnung und Umkehr des Volkes vor dem 
Gericht wird auch von ihm nicht ganz abgewiesen, wenn er 10 1« 
mahnt: „Säet aus in Gerechtigkeit, so werdet ihr nach dem Maße 
der Liebe ernten. Pflügt euch einen Neubruch, da es an der Zeit 
ist, Jahwe zu suchen, damit er komme und euch Gerechtigkeit 
lehre". Noch ausdrücklicher wird dieselbe Mahnung 14 2 ff. aus- 
gesprochen und zugleich dem Volk ein Sündenbekennntnis in 
den Mund gelegt, das sofort auch (V, 5 ff.) die göttliche Zusage 
einer vollständigen Wiederherstellung nach sich zieht. Aber ge- 
rade daraus ergibt sich, daß das Gericht selbst schon vollzogen 
ist, daß also hier ein Späterer redet, der nach dem Zorn wieder- 
um die Zeit des Erbarmens gekommen glaubt. Hosea selbst 
schaute den Ausbruch des göttlichen Zornes erst in der Zukunft. 
Wie Arnos denkt er ihn durch einen feindlichen Ueberfall her- 
beigeführt (1 5. 5 8), der das Land zur Wüste macht (5 9. 10 s; 
auch 2 11 ff. ist sicher so zu deuten), während das Volk nach 
Aegypten und Assyrien ins Exil wandern muß (8w. 9 3. e. 11 5). 
Aber so gewiß das alles kommen muß, da die Schuld Ephraims 
wohl verwahrt und zu künftiger Ahndung bei Gott geborgen ist 
(13 12), so ist es schließlich doch nur ein Läuterungs-, nicht ein 
Vertilgungsgericht, das Gott mit ihm vorhat. Denn er ist „Gott 
und nicht ein Mensch", daß er sich vom Jähzorn könnte fort- 
reißen lassen, Ephraim gänzlich zu verderben (11»). Vielmehr 
wird er, wie Hosea bereits in anderem Zusammenhang (2 ie f.) 
ausgeführt hat, durch die Verwüstung des Landes und die Ver- 
bannung des Volks einen heilsamen Umschwung herbeiführen; 
»das Tal der Trübsal wird ihm zu einer Pforte der Hoffnung, 
daß es dort [im Exil] wieder willfahrig wird, wie in der Zeit sei- 
ner Jugend, beim Auszug aus Aegypten". Dann werden (2 18 ff.) 
die Namen der Ba'ale aus seinem Munde verschwinden, alles 
was schädigen kann, wird hin weggetilgt; das alte innige Ver- 
hältnis zu Jahwe kehrt wieder auf der Grundlage von Becht und 



256 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

Gerechtigkeit, Güte und Liebe, und auch die äußeren Segnungen 
an Getreide, Most und Oel bleiben nicht aus. 

Gegen die Herkunft dieser ganzen Perikope (2 le ff.) von 
Hosea sind neuerdings x ) starke Bedenken erhoben worden. Man 
hat in ihr eine der späten Zutaten erblicken wollen, durch die 
für spätere Geschlechter (und zwar vor allem i» Juda) die Trost- 
losigkeit der erbarmungslosen Gerichtsandrohung gemildert wer- 
den sollte. Bei dieser Annahme muß man freilich (mit Marti) 
noch einen Schritt weiter gehen und auch c. 3 für eine spätere 
Zutat erklären. Denn so lange man in dem Weibe 3 i die von 
Hosea trotz ihrer Untreue wieder aufgenommene Gomer bat 
Diblajim erblickt — was uns noch immer als das einzig Natür- 
liche erscheint — so gibt uns das Verhalten des Propheten ganz 
ausdrücklich die Lehre, daß eben dieses Weib ein Spiegelbild 
des Volkes ist, das trotz alles Undanks und aller Untreue den- 
noch der erbarmenden und verzeihenden Liebe Jahwes nicht 
verlustig gehen soll. 

Einen starken Schein hat die Behauptung, daß die Predigt 
der vorexilischen Propheten nichts als Gerichtsdrohung gewesen 
sei, auch bei Jesaja für sich. Wird ihm doch bei seiner Be- 
rufung (6 9 ff.) der göttliche Auftrag, das Volk durch seine Pre- 
digt in die äußerste Verstockung hineinzutreiben, damit ihm jede 
Einsicht und Buße, damit aber auch jede Errettung unmöglich 
gemacht werde. Aber auch hier werden wir sagen müssen, daß 
die ganz buchstäbliche Deutung dieses Gottesspruchs psycholo- 
gisch undenkbar wäre, und daß sie mit der tatsächlichen Wirk- 
samkeit Jesajas nicht zu vereinigen ist. Allerdings war die Masse 
des Volks unrettbar dem Gericht verfallen; von dieser erschüt- 
ternden Ueberzeugung ist der Prophet auf das tiefste erfüllt. 
Aber dadurch ist nicht ausgeschlossen, daß sich ein Häuflein Ge- 
treuer um den Propheten schart, das im Gericht unter dem Schutz 
seines Gottes bestehen bleiben soll. Es sind dies die „ Jünger", 
in denen (oder mit deren Hilfe) die von Ahas und der Masse des 
Volks verworfene Gottesoffenbarung versiegelt werden soll ; auch 
die „ Söhne" 8is sind vielleicht nicht von leiblichen Söhnen, 
sondern von eben diesen Jüngern zu verstehen. Jedenfalls aber 
hat der Prophet einen leiblichen Sohn s^ärjüäüb, d. i. „ein Rest 
wird sich bekehren" genannt und auch dadurch seiner Hoffnung 



*) Vgl. besonders Maeti, Dodekapropheton (Tüb. 1903), S. 27 ff. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 257 

Ausdruck gegeben, daß das Gericht nicht eine Vertilgung aller 
bedeute 1 ). Und wenn Jesaja 1 i« f. nach dem abfälligen Urteil 
über den Wert ihrer Opfer mahnt: „Wascht, reinigt euch! 
Schafft mir eure bösen Taten aus den Augen! Lernet Gutes 
tun, trachtet nach Recht! Bringt die Gewalttätigen auf den 
rechten Weg! Verschafft der Waise ihr Recht, führt die Sache 
der Witwe!" — so hält er es sicher nicht für ausgeschlossen, 
daß sich wenigstens einige der Hörer seine Worte zu Herzen 
nehmen. Ohnedies hätte es keinen Sinn, daß er gleich darauf 
(V. 18 ff.) die Möglichkeit einer vollen Sündenvergebung aus- 
spricht und dem Volke die Wahl läßt zwischen Gehorsam und 
Segen auf der einen Seite, Widerspenstigkeit und Vertilgung 
durch das Schwert auf der andern Seite. Selbst einem Ahas gilt 
der Zuruf (7 9): „wenn ihr nicht vertraut, werdet ihr nicht Be- 
stand haben!", worin doch zugleich liegt: „wer da vertraut, wird 
nicht zu schänden werden!" (28 1«). Nach alledem ist das Ge- 
richt eben doch ein Läuterungsgericht, ein Schmelzungsprozeß, 
bei dem Jahwe selbst (1 25 ff.) alles unedle Metall herausschmelzt, 
so daß nur das lautere Silber („Richter wie dereinst und Regen- 
ten wie zu Anfang") zurückbleibt, während „über die Empörer 
und die Sünder insgesamt Zerschmetterung kommt ; die Jahwe 
verlassen, müssen zugrunde gehen". 

Wie seine Vorgänger denkt auch Jesaja das Gericht durch 
einen verheerenden Einfall der damaligen Weltmächte, Assurs 
(5 26 ff.) und Aegyptens (doch ist von letzterem nur 7 18, neben 
Assur, die Rede) herbeigeführt. Eine totale Verwüstung und 
Verödung des Landes ist die Folge (5 5 f. 10. 6 11 f. 7 18 ff. 8 6 ff . 
21 f.). . Die Männer fallen bis auf wenige im Kampfe, so daß sich 
sieben Weiber einem Manne aufdrängen, um nur der Schmach 
der Ledigkeit zu entgehen (3 25. 4 1; vergl. auch 5 24 f.). Praglich 
ist, in welchem Umfang sich Jesaja die Exilierung der Bewohner 
gedacht hat. Wie dem nördlichen Reiche (17 4 ff.), so scheint 
auch Juda nach 5 13. 6 12 f. 10 4. 30 13 f. n eine fast völlige Auf- 
reibung des Volkes durch Schwert und Exilierung bevorzustehen ; 
soll doch nach 6 13 das Zehntel, das zuerst dem Gericht entringt, 
nochmals gesichtet werden. Dagegen wird 3 1 ff. nur die Depor- 
tation aller Leiter des Volks (wie V. 24 die Wegführung der vor- 
nehmen Frauen in die Sklaverei) in Aussicht genommen; unter 



*) Ueber den „heiligen Samen" 613 s. unten S. 269. 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 17 



258 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

den Zurückbleibenden greift eine wüste Anarchie, ein Krieg aller 
gegen alle Platz. Die Herrscherwürde ist dermaßen feil gewor- 
den, daß sie überhaupt niemand mehr begehrt. Man kann sich 
dem Eindruck nicht entziehen, daß der Prophet hier im Geiste 
die Zustände schaut, wie sie nach der ersten Deportation durch 
die Chaldäer 597 zum guten Teile tatsächlich in Juda eintraten. 

Noch bleibt uns jedoch die Frage zu beantworten : hat Jesaja 
allezeit an diesen trostlosen Erwartungen festgehalten, oder 
spricht nicht vieles dafür, daß alle die erwähnten Drohungen 
nur seiner ersten Periode (etwa bis zum Tode des Ahas) ange- 
hören, daß er aber unter dem gerechten Regiment des frommen 
Hiskia umgestimmt ward — so daß er zwar noch immer ein 
Läuterungsgericht durch den Einfall der Assyrer, zugleich aber 
eine Errettung der Stadt und des Staates im Moment der höch- 
sten Gefahr annahm? Voraussetzung wäre dabei gewesen, daß 
mit den schweren Leiden und den Folgen des Kriegs dem be- 
rechtigten Zorne Jahwes Genüge geleistet sein werde, so daß er 
sich nun wiederum seines Volkes erbarmen könne, ehe es zum 
Aeußersten kommen würde (10 24 f.). 

Die Möglichkeit eines solchen Umschwungs kann nicht von 
vornherein in Abrede gestellt werden. Der Gedanke, daß Assur 
in seinem alles übersteigenden Hochmut den göttlichen Auf- 
trag weit überschritten hat und nicht bloß auf Züchtigung, son- 
dern auf Vernichtung Judas bedacht ist, tritt bei Jesaja und 
zwar, wie es scheint, schon ziemlich früh in solcher Stärke auf, 
daß er sich notwendig mit der Androhung einer gründlichen 
Züchtigung Assurs verbindet. Nur die ärgste Hyperkritik kann 
Stellen wie Jes. 10 ie ff. 25 ff. 33 f. 14 24 ff. 17 12 ff. 18 5 f. dem 
Jesaja absprechen. Sobald man dies anerkennt, unterliegt auch 
das Orakel 37 22—29 keinem Bedenken, und die Prophetie Jesajas 
hat dann bei der Vernichtung des Heeres Sanheribs (37 S6 f.) 
einen Triumph gefeiert, wie er glänzender nicht gedacht werden 
konnte. Es bewahrheitete sich da, was Jesaja in dem Hinweis 
auf das wechselnde Tun des Landmanns (28 24 ff.) als ein Spiegel- 
bild des Verfahrens der göttlichen Weisheit so nachdrücklich be- 
tont hat: das Tun Gottes gleicht nicht dem Walten eines blin- 
den Verhängnisses, sondern paßt sich weise den wechselnden 
Umständen an: auf Zeiten schwerer Züchtigung folgen Zeiten 
des Erbarmens und der Verschonung. Auch darin liegt kein 
Widerspruch, daß Jesaja beim Herannahen der assyrischen Ge- 



§ 18.] Der Inhalt der prophetische n Verkündigung. 259 

fahr nach dem Tode Sargons (705) nicht nur den eigenmächtigen 
Abfall Hiskias und die fleischlichen Maßregeln zur Abwehr, 
namentlich das Bündnis mit Aegypten (29 15. 30 i ff. 31 lff), 
nachdrücklieh verdammt, sondern auch die Nutzlosigkeit solches 
Beginnens (30 s. 31 s f.), die Belagerung und schwere Aengsti- 
gung der Stadt (29 i ff.) sowie die Verheerung des Landes (32 »— is) 
voraussagt. Denn das unausbleibliche Gericht über die fleischlich 
Sicheren und Gottlosen (28 isf. 17 ff.) schließt doch die Rettung 
der Bußfertigen und Demütigen (10 2* f.), wenn auch erst nach 
einer Zeit schwerer Drangsal, nicht aus. Immerhin muß doch 
gefragt werden, ob Jesaja damit alle die früheren Drohungen 
eines tiefeingreifenden Strafgerichts, vor allein die Exilierung 
fast des gesamten Volks für hinfällig erklären wollte. Angesichts 
von Aussprüchen wie 6 n f. (bei seiner Berufung zum Propheten!) 
muß man einen solchen Umschwung seiner Zukunftserwartungen 
für unmöglich erklären. Die ursprünglichen, schonungslosen 
Drohungen der ersten Zeit mögen ihm selbst in der Erregung 
der Sanheribinvasion in den Hintergrund getreten sein; aber 
darum ist er sicher nicht in der Ueberzeugung irre geworden, 
daß die Ereignisse von 701 nur eine Episode in dem Gesamtrat- 
schluß Jahwes, einen Aufschub des endgültigen Gerichtes be- 
deuteten. Und wenn das Orakel 22 i ff. in die Zeit nach dem 
Abzug der Assyrer fallen sollte, so wäre der Prophet nur zn bald 
zu der einstigen überaus düsteren Auffassung der Zukunft zurück- 
gekehrt. Welche Hoffnungen er trotzdem auf eine Wiederher- 
stellung nach dem Gericht setzte, wird an einer anderen Stelle 
zu erörtern sein. 

Ob für Micha, den Zeitgenossen Jesajas, die Androhung 
der totalen Zerstörung nicht bloß Samarias (1 e f.), sondern auch 
Jerusalems (3 12) das letzte Wort der Weissagung gewesen ist, 
hängt von der Frage ab, wieviel in c. 4 ff. von Micha selbst her- 
stammt. Keinesfalls gilt dies von Stellen wie 4 11 ff, die eine 
plötzliche Errettung des belagerten Jerusalem erwarten. Wohl 
aber ließe sich mit 3 12 die Androhung des Exils nebst dem Hin- 
weis auf die dann erfolgende Rettung in 4 9. 10. u sowie 6 18 ff» 
vereinigen. Ueber 5 1 ff. s. unten S. 267 f. 

Die größte Mannigfaltigkeit tritt uns, wie zu erwarten, in 
den Zukunftsweissagungen Jeremias entgegen. Er hat nicht 
nur die Zeiten des Niedergangs, sondern auch die des Untergangs 
mit allen seinen Schrecken erlebt, ist Zeuge gewesen des Hin- 

17* 



260 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

undherschwankens zwischen Furcht und Hoffnung, zwischen 
kleingläubiger Verzweiflung und wahnsinniger Verblendung, und 
zwar ein Zeuge, dessen persönliche Schicksale auf das engste 
mit alledem verflochten waren. Daß auch bei ihm die Gerichts- 
drohung im Vordergrund steht, ist nach Lage der Sache nur 
natürlich. Schwert, Hunger und Pest sind die Mittel, durch die 
Jahwe das Volk aufreiben will (14 12. 18. 24 10. 29 is und sehr 
oft) ; der Einfall der Chaldäer bringt sie ins Land. Die totale 
Zerstörung der Stadt (9 10), die Wegfiihrung aller Bewohner 
Judas (9 15. 13 19. 14 is b . 16 is. 17 4) — nach 25 11 für 70 Jahre — 
schaut der Prophet im Geiste; dazu auch — und dies ist ein neues 
Moment der Weissagung — den endlosen Spott und Hohn der 
Heiden über das von seinem Gott verlassene Volk (18 16. 19 8. 
25 9. is. 26 e. 29 is). 

Aber trotz alledem lehrt Jeremia 18 8 ff. sein Volk, daß 
weder die Drohungen, noch die Verheißungen Gottes ein decre- 
tum absolutum bedeuten l ). Sondern wie der Töpfer das miß- 
ratene Gefäß ganz nach Belieben umgestalten kann, so kann 
Gott je nach dem Verhalten eines Volkes seine Drohungen und 
Verheißungen in ihr Gegenteil verwandeln. So erscheinen auch 
Jeremia die Ermahnungen zur Buße wenigstens eine Zeitlang 
nicht schlechthin hoffnungslos. Auf das Geheiß Jahwes verkün- 
digt er (7 1 ff. und ganz ähnlich 26 2 f.) in einem Tor des Tempels 
den Eintretenden die Bedingungen, unter denen sie dauernd im 
Lande bleiben können. Aber je länger, je mehr wird es dem 
Propheten zur unumstößlichen Gewißheit, daß an der grauen- 
haften Selbstverstockung des Volks alleBußmahnungen wirkungs- 
los abprallen, wie schon in früheren Zeiten alle Züchtigungen 
Jahwes wirkungslos blieben (5 3). Das Gericht ist eine schlecht- 
hin unwiderrufliche Notwendigkeit. Dieser Erkenntnis gibt Jere- 
mia in verschiedener Weise kräftigen Ausdruck. So durch die 
symbolische Handlung der Zerschmetterung eines irdenen Kru- 
ges vor den Augen der Vornehmsten des Volks (19 1 ff.) und nicht 
minder durch die wiederholte Verkündigung, daß ihm jede Für- 
bitte für das Volk als gänzlich nutzlos von Gott verboten sei 
(7 16. 11 14. 14 11). Ja wenn auch Mose und Samuel — die ge- 
waltigen Beter und Erretter des Volks — vor Gott hintreten 
würden, so bliebe es doch bei der Verwerfung des Volks (15 1). 



-i :'- - *) Vgl. hierzu das oben S. 201 f. Ausgeführte. 



t j. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 261 

Das stärkste Zeugnis aber für die felsenfeste Gewißheit des Pro- 
pheten in betreff des göttlichen Ratschlusses liegt 37 3 ff. vor. 
Als die Chaldäer durch den Anmarsch des Pharao Hophra ge- 
nötigt waren, die Belagerung Jerusalems vorübergehend aufzu- 
heben, geriet ganz Juda in einen Freudentaumel und träumte 
sich schon von aller Not und Gefahr befreit. Jeremia allein ließ 
sich keinen Augenblick irre machen, sondern verkündigte dem 
König Zedekia auf seine Anfrage: „Selbst wenn ihr das ganze 
Heer der Chaldäer schlagen würdet, und es blieben nur einige 
Schwerverwundete von ihm übrig, so würden sie sich doch ein 
jeder in seinem Zelte aufraffen und diese Stadt niederbrennen ! tt 
Der Verlauf der Ereignisse gab dem Propheten Recht; alle 
seine Drohungen gingen durch die Greuel der langen Belagerung, 
die entsetzliche Hungersnot und das Schwert der Feinde in Er- 
füllung. Aber alle diese Gerichte sind nicht das Letzte in den 
Wegen Gottes mit Israel. Jeremia sieht im Geiste auch schon 
die Zeit, da Jahwe die Versprengten aus allen Ländern sammeln 
und auf den heiligen Boden zurückführen wird, damit sie dort 
unter treuen Hirten wohnen und fortan nicht mehr sich zu fürch- 
ten und zu erschrecken brauchen (Jer. 23 1 f. 30 a. is ff. 32 87 ff.). 
Und wenn so die Wunden Judas geheilt werden (30 17), so fallen 
seine Plünderer und Peiniger der Plünderung und Exilierung 
anheim (V. ie). Die Wiederbegnadigung erstreckt sich aber auf 
alle Geschlechter Israels, also auch auf die Exulanten des nörd- 
lichen Reichs: 31 1 ff. (vgl. besonders V. 5. ». is ff. 27). In betreff 
der Judäer wird unterschieden zwischen den bereits 597 Hinweg- 
geführten und den mit Zedekia im Lande Zurückgebliebenen 
(24 1 ff.). Die ersteren gleichen den guten Feigen, die Jeremia in 
einer Vision erblickt hat; ihnen gelten alle die tröstlichen Ver- 
heißungen der Zurückführung und Wiedereinpflanzung (V.5 ff.), 
während die anderen, die den schlechten Feigen der Vision ent- 
sprechen, dem Schwert, dem Hunger und der Pest und dazu 
dem grimmigen Hohn aller Völker der Erde zum Opfer fallen 
sollen. 

5- Die sogenannte messianische Wei s s agun g. 

Zur Literatur (Aeltere Literatur s. u. S. 263, Anm. 1): ChhDiek- 
mann, Die erste Weissagung vom Davidssohn. Leipzig 1903. — WMölleb, 
Die messianische Erwartung der vorexil. Propheten. Gütersloh 1906. — 
BBaektsoh, Prophetie und Weissagung. Zeitschr. f. wissensch. Theol. 1908. 
4. Heft, S. 447 — 485. — AdSohulte, Die messianischen Weissagungen 



262 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

des A. T. nebst dessen Typen übs. und kurz erkl. (Wissenseh. Handbibl. 
L Reihe. TheoL Lehrb. XXX.) Paderborn 1908. — ESbllin, Die israe- 
litisch-jüdische Heilandserwartung (Bibl. Zeit- und Streitfragen V, 2/8), 
Groß-Lichterfelde 1909. 

Dem Wortlaute nach handelt es sich hierbei eigentlich nur 
um solche Zukunftsreden, die den Messias, den Gesalbten *), d. i. 
den König aus dem Hause Davids, der nach dem Läuterungsge- 
richt als ein idealer Herrscher über das erneuerte Volk gebieten 
wird, zum Gegenstande haben. Man hat sich indes lang gewöhnt, 
auch von „messianischen Weissagungen" im weiteren Sinne zu 
reden, d. h. solchen, die sich mit den Zuständen der durch den 
Messias herbeigeführten „messianischen Zeit" befassen. Man 
rechnet aber dazu auch Weissagungen, die der Person des Mes- 
sias gar nicht gedenken, ja bei denen sogar zweifelhaft ist, ob sie 
einen solchen erwarten. Wir gedenken im folgenden auch diese 
messianischen Weissagungen im weiteren Sinn zu berücksichti- 
gen. Doch bedarf es hierbei noch einer Einschränkung. Nicht 
jede Erwartung einer Restitution nach dem Läuterungsgericht 
(wie z. B. Jes. 1 26. Deut. 30 s ff.) kann ohne weiteres schon eine 
messianische Weissagung heißen 2 ). Vielmehr gehört zum Wesen 
einer solchen, daß der Umschwung durch ein außerordentliches 
(meist auch von gewaltigen Naturereignissen begleitetes) Eingrei- 

*) Vgl. über die Geschichte und Bedeutung der Salbung von Personen 
oben S. 151 ff. Der uns geläufige Name „Messias" entstammt bekannt- 
lich dem neutestamentlichen Meaatot£ oder Meoiag (so nur Joh. lu 
und 4 25, sonst wie in den LXX 6 Xpiaxöc — so meist in den Evangelien 
— oder Xpicrcöc — so meist bei Paulus) — dieses aber nicht dem 
hebr. mäUdk, sondern der aramäischen Form m^iha 1 (status emphaticus 
mit der Determinationsendung ä\ die dem hebräischen Artikel entspricht, 
also = 6 Xptoxög). Die Schreibung Meoatag entspricht Analogieen wie 
Tsoooup = "ntfa, 'I&ooTjva = flO#\ und rechtfertigt nicht die Behauptung 
de Lagardes (Bildung der Nomina, Gott. 1889, S. 93 ff.), daß Meccias 
nur auf JTtftt = arab. missih, d.i. „oft salbend" zurückgehen könne. 

2 ) Ebensowenig gehört natürlich jede Bedrohung der Israel feind- 
lichen Völker ohne weiteres in den Bereich der messianischen Weis- 
sagung. Solche Drohungen können einfach aus dem allgemeinen Glau- 
ben an das gerechte Walten Jahwes als des Weltherrschers fließen 
(so Am. 1 s ff.) oder aus dem speziellen Glauben an die Gerechtigkeit 
des Gottes Israels, der den übermäßigen Hochmut der von ihm als 
Zuchtrute verwendeten Weltmacht straft; so Jesajas Drohungen gegen 
Assur (vgl. oben S. 219), Nahums gegen Nineve, Habakuks (2 4 ff.) gegen 
die Chaldäer. Anders steht es natürlich da, wo die Bedrohung im Zu- 
sammenhang steht mit dem Hinweis auf den persönlichen Messias oder 
andere zweifellose Merkmale messianischer Weissagung. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 263 

fen Jahwes herbeigeführt wird, und nicht minder, daß die neuge- 
schaffenen Zustände nicht bloß eine Kopie der einst schon vom 
Volke erlebten (etwa der davidisch-salomonischen Zeit) darstel- 
len, sondern in irgendwelcher Weise eine Steigerung der erfah- 
rungsgemäßen staatlichen und religiösen Zustände, kurz ein 
Außerordentliches bieten. Abgesehen von gewissen Grundzügen 
herrscht in den betreffenden Schilderungen eine sehr große Man- 
nigfaltigkeit, und nicht selten muß überdies gefragt werden, was 
von dem Propheten buchstäblich gemeint und was lediglich auf 
Rechnung der dichterischen Ausgestaltung, ja der dichterischen 
Hyperbel zu setzen ist *). 

*) Bei der außerordentlichen Wichtigkeit, die schon in der alten 
Kirche den (möglichst magisch gefaßten) Prädiktionen des A. Testa- 
ments über Christi Person und Werk beigemessen wurde, ist die Lite- 
ratur über diesen Gegenstand von jeher äußerst umfänglich gewesen. 
Wir beschränken uns auf die Werke, die entweder die Erkenntnis der 
Sache wirklich gefördqrt oder doch auf das Urteil über die „messiani- 
schen Weissagungen * kürzere oder längere Zeit stärker eingewirkt haben. 
Die Titel sind in drei Kategorieen chronologisch geordnet; an die be- 
treffenden Abschnitte der „ biblischen Theologieen" und die Artikel der 
Bibelwörterbücher sei außerdem erinnert. 

I. Auf dem Standpunkt der mechanischen Inspirationstheorie oder 
doch unter spezifisch dogmatischen Gesichtspunkten stehen: EWHbngsten- 
bebg, Christologie des A. Test, und Kommentar übeT die messianischen 
Weissagungen der Propheten. Berlin 1829—35. 2. Aufl. 1854—57. 3 Teile. 
Nach H. verkündigen die Propheten durchweg in ekstatischem Zustand, 
vielfach ohne eigenes Verständnis von Inhalt und Tragweite ihrer Worte, 
kraft göttlicher Inspiration die gesamte Christologie der orthodoxen 
Dogmatik voraus. — JohChbvonHofmann, Weissagung und Erfüllung 
im A. und N. Test Nördlingen 1841—44. 2 Teile (versucht den Nach- 
weis, daß die Zeit der Erfüllung und alle Einzelheiten der Erfüllung 
bereits vorgezeichnet sind in den Tatsachen der alttestamentlichen 
Heilsgeschichte; das Wort der Weissagung tritt den Tatsachen mehr 
nur ergänzend und bestätigend zur Seite. Die in den Tatsachen liegen- 
den Typen auf Christum werden durch eine äußerst künstliche Exegese 
mit Verzicht auf alle Literarkritik gewonnen). — 

II. Von wissenschaftlichem, aber kritisch konservativem Standpunkt: 
CvOkelli, Die altt es tarn entliche Weissagung von der Vollendung des 
Gottesreiches in ihrer geschichtlichen Entwickelung dargestellt. Wien 
1882 (englisch 1885). Der Verfasser bietet zahlreiche Uebersetzungs- 
proben und einen Kommentar zu den einschlägigen Stellen. Beides gilt 
auch von ChABriggs, Messianic Prophecy. New York 1886. — Fbanz 
Delitzsch, Messianische Weissagungen in geschichtlicher Folge. Leipzig 
1890 (englisch 1891). — 

IH. Auf einem freien kritischen Standpunkt stehen : FerdHitzig, 
Vorlesungen über die biblische Theologie und [in einem selbständigen 



264 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

Eine Hauptschwierigkeit bilden dabei die literarkritischen 
Fragen. Die Authentizität der persönlich messianischen Weis- 
sagungen, speziell der jesajanischen, ist neuerdings von Hack- 
mann (8. u.), Cheyne u. a. stark erschüttert worden, und wenn 
auch noch nicht bei allen Perikopen das letzte Wort gesprochen 
sein dürfte, so bleibt doch kaum eine, die nicht ernstlichen Be- 
denken unterliegt, sei es in betreff des Inhalts oder des Sprach- 
gebrauchs. Wir vermögen daher nur mit Vorbehalt die Bespre- 
chung der eigentlich messianischen Weissagungen mit Jes. 7 u 
zu beginnen. 

Nach der jetzt herrschenden Meinung fällt allerdings diese 
sogen. Immanuel- Weissagung für unsere Darlegung ganz außer 
Betracht. Der Prophet wolle, so behauptet man, nichts weiter 
sagen, als: irgendwelcher, binnen kurzem geborner Knabe, werde 
von seiner Mutter „Gott mit uns" genannt werden können im 
Hinblick auf die bald darnach erfolgende Errettung von den ge- 
genwärtig drohenden Feinden. Das „Zeichen 44 , das Ahas ver- 
schmäht hatte und das nun der Prophet im Namen seines Gottes 
ankündigt, bestehe lediglich in dem Namen „Immanuel 44 ; die Per- 
son des jungen Weibes ('almäh) sowie des Knaben sei dabei ganz 



2. Teil] die messianischen Weissagungen des A. Test., herausgegeben 
von Kneuckeb, Karlsruhe 1880. — EdRiehm, Die messianische Weis- 
sagung. Gotha 1875. 2 A. 1885 (englisch 1891). — VHStanton, The 
Jewisch and the Christian Messiah. Edinburgh 1886 (vertritt mit Erfolg 
die These, daß die jüdische Messiaserwartung noch nicht den vollen 
Inhalt der christlichen Messiasidee gehabt habe; die letztere beruhe 
auf höheren Erkenntnissen von dem Wesen und Beruf des Messias). — 
HHackmann, Die Zukunftserwartung des Jesaja. Gott. 1893. — PVolz, 
Die vorexilische Jahweprophetie und der Messias. Göttingen 1897 
(sucht mit oft sehr kühner Literarkritik zu beweisen, daß die Messias- 
idee dem Wesen des vorexilischen Prophetismus fremd sei und zuerst 
bei Hesekiel auftauche, aber dort nicht als aus dem Geiste der vor- 
exilischen Prophetie, die vorzugsweise Straf- und Bußpredigt war, ent- 
sprungen, sondern als eine Konzession Hesekiels an die nationalparti- 
kularistischen Triebe der jüdischen Volksseele, im Widerspruch mit 
seiner sonstigen prophetischen Anschauung). — HHühn, Die messia- 
nischen Weissagungen des israelitischen und jüdischen Volks bis zu den 
Targumen. Freiburg i. B. Teil 1 1898, eine knappe, aber sehr geschickte 
Behandlung des Gegenstands ; Teil II, Tübingen 1900, bespricht die 
alttestamentlichen Zitate und Reminiszenzen im Neuen Testament). — 
GNowack, Die Zukunftshoffnungen Israels in der assyrischen Zeit. Tüb. 
1902. — ABDavidson, Old Test. Prophecy (ed. by J. A. Paterson). 
Edinb. 1903. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 265 

gleichgültig. Es will uns jedoch scheinen, als ob diese Deutung 
allzurasch über zwei schwere Bedenken hinweggehe. Erstens : 
kann das von Jesaja mit solcher Feierlichkeit angekündigte Be- 
stätigungszeichen wirklich nur darin bestehen, daß man die Ret- 
tung Judas durch die Benennung irgend eines Knaben konsta- 
tiert? kommt die Logik dieser prophetischen Verkündigung nicht 
darauf hinaus: die Rettung wird so gewiß eintreten, als sie ein- 
treten wird? Und sodann: kann man sich 8 8 bei der Erklärung 
beruhigen, daß sich „dein Land, o Immanuel!" auf die Heimat 
jenes beliebigen, lediglich fingierten Knaben beziehen soll, den 
man so benennen konnte? 

Wenn man darnach noch heute die uralte messianische Deu- 
tung von Jes. 7 14 ernsthaft zu erwägen hat, so muß man 
sich dabei allerdings zu mehreren Zugeständnissen bequemen. 
Erstens, daß der Prophet das Erscheinen des Messias nicht bloß 
innerhalb der Periode der assyrischen Weltherrschaft, sondern 
in nächster Nähe erwartet und sich somit in diesem Punkte* ge- 
täuscht hätte. Zweitens, daß seine Ankündigung des Immanuel 
als des Messias und Retters nur unter der Voraussetzung be- 
greiflich wird, daß er die Bekanntschaft seiner Hörer mit dem 
Theologumen vom Messias mit völliger Sicherheit voraussetzen 
konnte. Denn ohne dies hätte er sich so dunkel und rätselhaft 
ausgedrückt, daß ihn schwerlich jemand hätte verstehen können. 
Nun ist ja denkbar, daß sich ein alter Gottesspruch von der ewi- 
gen Dauer der davidischen Dynastie, wie er zweifellos der jetzi- 
gen Ueberarbeitung von 2 Sam. 7 (vergl. besonders V. u) zu- 
grunde liegt, in der Volksmeinung bereits zu der Erwartung 
eines idealen Herrschers aus Davids Geschlecht verdichtet hatte 
und daß sich diese Erwartung immer dann kräftiger regte, wenn 
sich das Volk von irgend einer schweren Gefahr bedroht sah. 
Der Prophet konnte dann ohne weiteres auf das Verständnis 
seiner Hörer rechnen, wenn er an jene Erwartung auch nur an- 
spielte. Durch all dies wird freilich die Frage nicht beantwortet: 
warum kommt der Prophet später niemals auf dieses Theologu- 
men vom Messias zurück, auch da, wo dies (wie in der schwersten 
Bedrängnis durch Assur 701) überaus nahe gelegen hätte? Soll 
man annehmen, daß er später von seiner Messiaserwartung 
zurückgekommen sei und Jahwe allein alle Punktionen des 
Messias zugeschrieben habe, oder gar, daß in betreff seiner Zu- 
kunftserwartungen nicht zwei, sondern drei oder gar vier Peri- 



266 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

öden 1 ) zu unterscheiden seien? Einer solcher Annahme wider- 
spricht alles, was wir von der Persönlichkeit eines Jesaja wirk- 
lich wissen können. Um so schwerer fallt dann freilich ins Ge- 
wicht, daß er nach 8 8. 10 niemals auf den Immanuel zurück- 
kommt. 

Dieselbe Schwierigkeit erhebt sich natürlich für die Beur- 
teilung der beiden großen zweifellos messianischen Weissagungen 
9 i — e und 11 i — 9 (der sekundäre Charakter von 11 10 ff. ist jetzt 
wohl allgemein anerkannt). Gegen Jesaja spräche weder, daß 
9 i die Zustände des Exils, 11 i der bis auf einen bloßen Wurzel- 
stock reduzierte Stamm Davids vorausgesetzt zu sein scheinen. 
Denn es läge durchaus im Bereich der wahren Jahweprophetie, 
daß Jesaja vom Geiste Gottes in eben jene künftigen Zustände 
versetzt würde; solches würde der Anknüpfung an die Gegenwart 
durchaus nicht ermangeln. Auqh die weiteren Züge der Weis- 
sagung in 9 i ff., die Hoffnung auf einen gewaltigen Sieg, durch 
den Jahwe das Joch der Feinde zerbricht (V. s), die Verbren- 
nung aller Kriegsgeräte (V. 4), die gerechte und friedvolle Herr- 
schaft des Davididen (denn an einen solchen ist sicher gedacht) 
über das im alten Umfang wiederhergestellte Königreich Davids 
— das alles sind Erwartungen, die ein Jesaja sehr wohl gehegt 
haben könnte. Auch die Namen, mit denen Gott (V. 5) den Mes- 
sias benennt, bieten keinen Anstoß, sobald man bei 'el gibbor 
nicht auf der Uebersetzung „Heldengott" besteht, sondern die 
Bezeichnung „Gott von einem Helden", d. h. „göttlicher Held" 
darin findet; ein reines Gottheitsprädikat wäre ja selbst bei 
dem Messias im A. Test, undenkbar 2 ). Unleugbar aber ist die 
Schwierigkeit, daß die Ankündigung des Messias in so rätselhaf- 
ten Andeutungen wie „ein Kind", „ein Sohn", erfolgt, ohne irgend- 
welche nähere Erklärung; dies erinnert allerdings an die absicht- 
lich änigmatische Sprechweise der späteren Prophetie, die schon 
im Uebergang zur Apokalyptik begriffen ist. Von 11 1 ff. kann 

J ) Zwei Perioden (die erste 736—724) nimmt Guthe an („Das Zu- 
kunftsbild des Jesaja*. Leipzig 1885) , ein dreifaches Zukunftsbild 
Giesbbkecht (Beiträge zur Jesajakritik. Gott. 1890, S. 70 ff.), ein vier- 
faches Meinhold (Studien zur israel. Religionsgeschichte. I. Der heilige 
Rest. Bonn 1903). 

2 ) Die rabbinische Exegese hilft bekanntlich der Schwierigkeit da- 
durch ab, daß sie die drei (oder doch zwei) ersten Namen als Subjekte, 
d. h. also als Gottesnamen zu „und er nennt* zieht, und nur den (oder 
die beiden) letzten »Namen als Bezeichnung des Messiaa gelten läßt. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 267 

ein gleiches nicht behauptet werden. Das frische „Reis aus dem 
Wurzelstock Isais" konnte von niemandem mißverstanden wer- 
den, und ebensowenig die schöne Schilderung des gerechten Re- 
giments, das er kraft der außerordentlichen Ausrüstung mit dem 
Geiste Jahwes und seinen vielseitigen Wirkungen führen werde. 
Wohl ist die ganze Weissagung von religiösen Gesichtspunkten 
beherrscht, aber das Idealbild der Theokratie ist noch durchaus 
nicht das eines Priesterstaats unter der Herrschafteines geschrie- 
benen Gesetzes. Vielmehr bewegt sich die Erwartung durchaus 
in den Gedanken, die uns bei einem Propheten des 8. Jahrhun- 
derts im Hinblick auf die bereits vorliegenden geschichtlichen 
Erfahrungen wie auf die Zustände seiner Zeit nur natürlich er- 
scheinen können. Selbst die V. 6 ff. sich anschließende Schilderung 
des paradiesischen Friedens unter dem reißenden Getier könnte 
nur dann eine utopische und der späten Apokalyptik entstam- 
mende genannt werden, wenn in V. 9 auch den Tieren Anteil an 
der allgemeinen Gotteserkenntnis der messianischen Zeit zuge- 
schrieben würde. Verzichtet man auf diese (sicher unberechtigte) 
Exegese, so bleibt nur die hochpoetische Ausführung des echt 
prophetischen Gedankens, daß auch der äußere Naturlauf und 
seine etwaige Umgestaltung im innigsten Zusammenhang steht 
mit den Schicksalen, und zwar ebenso mit dem Fall wie mit dem 
Wiederaufstehen des Volkes Gottes. Nach alledem ist es begreif- 
lich, wenn selbst ein so radikaler Kritiker wie Dühm an der 
Authentizität von 9 i — 6 und 11 i — 8 festhält, und wir würden 
uns dem gern bedingungslos anschließen, wenn uns erst die Frage 
beantwortet wäre, wie so ausdrückliche und gewaltige persönlich- 
messianische Erwartungen ohne jeden Nachhall in den späteren 
Orakeln Jesajas bleiben konnten. 

Neue Schwierigkeiten erheben sich bei der Weissagung vom 
Messias Mich. 5 i ff. Sie hegen nicht in der scheinbar magischen 
Prädiktion auf Bethlehem als den Ausgangspunkt des Messias. 
Denn damit soll offenbar nur (wie Jes. 11 1) gesagt sein, daß die 
davidische Dynastie erst auf die vordavidischen Zustände redu- 
ziert sein muß, ehe der Messias erscheinen kann. Auch der Hin- 
weis auf die graue Vorzeit 1 ), der der Messias entstammt, würde 
nur dann gegen Micha als Verfasser sprechen, wenn dabei an 

*) Für diese Bedeutung von j e me 'öläm (nicht etwa Tage der 
Ewigkeit, als ob von ewiger Präexistenz des Messias die Rede wäre) 
beweist Dt. 327. 



268 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

das erste Auftreten Davids und nicht vielmehr an den uralten 
Ratschluß Jahwes über die Sendung des Messias zu denken wäre. 
Wohl aber beginnt die Schwierigkeit mit V. 2. Sollte Micha im 
Hinblick auf die (von ihm messianisch gedeutete) Weissagung 
seines Zeitgenossen Jesaja (7 n) den eigentümlich verschleierten 
Ausdruck gebraucht haben : bis zu der Zeit, da eine, die gebären 
soll, geboren hat? Ist nicht bei der Hoffnung auf die Rückkehr 
seiner übrigen Volksgenossen samt den Israeliten (V. 2. ß) die 
Rückkehr eines Teils bereits vorausgesetzt (also nicht erst ge- 
weissagt)? Und ist nicht mit dem Großdastehen des Messias 
„bis an die Enden der Erde" bereits an das späte Theologumen 
von der Weltherrschaft Israels unter dem Messias erinnert? Das 
alles sind Fragen, die noch einer befriedigenden Lösung harren. 
Die Hauptschwierigkeit bleibt auch hier wieder, daß eine so 
scharf ausgeprägte Messiaserwartung sowohl bei Micha selbst, 
als bei den auf ihn folgenden Propheten wieder in Vergessenheit 
geraten sein müßte. 

Nach alledem wäre es nicht unmöglich, daß der wirkliche 
Ausgangspunkt der persönlich-messianischen Erwartung doch 
erst in Jer. 23 5 ff., dem Hinweis auf den „rechten Sproß Davids" 
zu erblicken wäre 1 ). Der „ rechte Sproß" heißt er, weil er im 
Gegensatz zu den Nachkommen Davids in Jeremias Zeit dem 
Ideal eines davidischen Herrschers entsprechen wird. Aber das 
Wenige, was Jeremia über ihn aussagt, daß er weise und gerecht 
regieren, daß unter ihm Juda und Israel gerettet werden und 
sicher wohnen sollen, setzt durchaus keine außerordentlichen 
Schicksale oder Eigenschaften des Geweissagten voraus, so daß 
man fast fragen könnte, ob der Begriff „Messias" auf den „rech- 
ten Sproß" bei Jeremia überhaupt anwendbbar ist. Auch der 
ihm beigelegte Name (V. e) „Jahwe ist unsere Gerechtigkeit" 
führt nicht weiter, zumal es exegetisch zweifelhaft ist, ob dieser 
Name dem Messias und nicht vielmehr dem Land und Volk gilt; 
in der späten Nachahmung unserer Stelle 33 16 wird derselbe 
Name auf Jerusalem bezogen. Aber wenn auch Jeremia mit dem 
„rechten Sproß" den Messias im engeren Sinn gemeint haben 
sollte, so denkt er doch keinesfalls an einen ewig lebenden und 

*) Für die Authentizität dieser Weissagung scheint uns Sach. 3s. 
612* wo „ Sproß" (doch sicher auf die Autorität Jeremias hin) bereits 
zu einem Nomen proprium des Messias geworden ist, absolut beweis- 
kräftig zu sein (gegen Duhm, im Kommentar zu Jer.). 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 269 

i i i i i 

regierenden Davididen. Denn er verheißt bereits 23 4 Hirten, 
die sein wieder gesammeltes Volk weiden sollen, erwartet also 
eine Sukzession rechter Davididen, und so hat ihn bereits der 
Autor von Jer. 33 n verstanden. Dadurch wäre ja allerdings 
nicht ausgeschlossen, daß der zuerst erweckte und den großen 
Umschwung inaugurierende Davidssproß als Messias in engerem 
Sinn gedacht wäre; aber eine nähere Betrachtung der Stelle 
zeigt, daß die Idee des persönlichen Messias nicht in dem Maße 
in den Vordergrund tritt, daß man sie als einen besonderen 
Markstein in der Geschichte der messianischen Erwartung be- 
trachten könnte. 

Auch die messianischen Zukunftsbilder im weiteren Sinne, 
die herkömmlicherweise vorexilischen Propheten zugeschrieben 
werden, bedürfen dringend einer sorgfältigen Sichtung. Sehr vie- 
les unterliegt starken Bedenken hinsichtlich der Authentizität 
und wird daher besser an späterer Stelle besprochen. Anderes 
beruht auf der Erwartung eines natürlichen Verlaufs der Dinge 
und ermangelt daher nach dem oben S. 262 f. Ausgeführten der 
Merkmale wirklicher messianischer Weissagungen. Dahin gehört 
z. B. die Erwartung, die Jesaja in dem Namen seines Sohnes 
s-'ärjä&ubt „ein Rest *) wird sich bekehren", zum Ausdruck bringt. 
Darin liegt einfach: der unbußfertigen Masse des Volks wird der 
Gerichtstag Jahwes den Untergang bringen, eine geringe Zahl 
von Frommen aber wird das Gericht überstehen und in einem 
erneuerten Staatswesen ein Gott wohlgefälliges Leben führen. 
Auch der Schluß von Kap.öis: „und ein heiliger Same wird sein 
[des zuletzt übriggebliebenen Zehntels] Wurzelstock sein" 2 ), kann 
einfach so verstanden werden, daß die Geretteten den Grund- 
stock zu einer Jahwe geweihten, ihm wahrhaft angehörigen 
Bevölkerung Judas bilden werden. Daß ihre Bekehrung und Er- 
rettung sowie die Gestaltung des neuen Staatswesens durch ein 
wunderbares Eingreifen und außerordentliche Veranstaltungen 
Jahwes erfolgen soll, würde nur aus den schon oben besproche- 
nen personlich-messianischen Weissagungen ergänzt werden kön- 
nen, wenn sie mit Sicherheit von Jesaja herzuleiten wären. 

Neben die Verheißung einer von Sünden gereinigten, in in- 

1 ) Vgl. zu dem „heiligen Rest" die oben S. 266 Note 1) angeführten 
Studien von Meinhold. 

2 ) Wir wollen nicht verschweigen, daß auch diese (bei den LXX 
fehlenden) Worte von vielen dem Jesaja abgesprochen werden. 



270 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 18. 

nigster Gemeinschaft mit Gott stehenden Volksgemeinde tritt 
Hos. 2 20. st f. die Verheißung außerordentlicher äußerer Seg- 
nungen: der Bewahrung vor allen Schädigungen durch die Tier- 
welt (wie Jes. 11t ff.), sowie der sogen. „ messianischen Frucht- 
barkeit" — ein Thema, das in den späteren eschatologischen 
Schriften mit besonderer Vorliebe und in den stärksten Hyper- 
beln ausgeführt wird. 

Aus der Zeit vor Jeremia dürfte höchstens Zeph. 3 ii—it 
hierher zu ziehen sein. Aber auch diese Stelle redet nur von der 
Hinwegnahme des Schuldbewußtseins und der Verhütung neuer 
Schuld bei dem „demütigen und geringen Volk", das nach der 
Beseitigung der Uebermütigen auf dem heiligen Berge zurück- 
bleibt und daselbst fortan friedlich wohnen wird. 

Bei Jeremia begegnen wir vielleicht zuerst 1 ) dem — aller- 
dings noch sehr bedingt ausgesprochenen — Gedanken eines 
künftigen Anteils der Heiden an den Segnungen der Theokratie, 
wenn er 12 u ff. die Wiedereinptianzung der ins Exil geführten 
heidnischen Nachbarn Judas und ihr Gedeihen inmitten Judas 
verheißt, falls sie sich zum Namen Jahwes bekennen werden ; 
andernfalls sollen sie wieder ausgerissen und völlig vertilgt 
werden. Ohne Zweifel haben wir in diesem Spruch einen Ansatz 
zu dem nachmals so wichtigen Theologumen von der Bekehrung 
der Heiden und ihrer Aufnahme in das Beich Gottes zu erblicken 
— eine Erwartung, die von einem tiefen Einblick in den Heils- 
weg Gottes zeugt und die vor allen anderen den Namen einer 
wahrhaft messianischen Zukunftshoffnung verdient. 

Wir finden indes nicht, daß Jeremia diesen Gedanken ander- 
wärts weiter verfolgt hätte. Dafür bietet er aber 3 1 si— 34 eine Weis- 
sagung über den Zustand Judas nach dem Läuterungsgericht, die 
weit über die Ankündigung einer einfachen Restitution und er- 
neuter Wohlfahrt hinausgeht. Es ist die berühmte Weissagung 
von dem „neuen Bund", den Jahwe dereinst mit Israel (auch das 
längst exilierte nördliche Reich wird also in die Weissagung mit 
eingeschlossen) und Juda schließen will. Wir sehen hierbei da- 



*) Die Authentizität von Jesu 187 und vollends 19 w ff. unterliegt 
wie die von Jes. 2 2 ff., Mich. 4 i ff . zu starken Bedenken, als daß man 
diese Stellen vor Jeremia ansetzen könnte. Uebrigens wird auch Jer. 
12 n ff. von Stade und Duhm Jeremia abgesprochen, dagegen (außer 
V. 14 bß) von Giesbbbbcht, dem wir zustimmen, für authentiseh er- 
klärt. 



§ 18.] Der Inhalt der prophetischen Verkündigung. 271 

von ab, daß auch bei Jeremia b'rit nicht kurzweg einen von zwei 
Parteien beliebig geschlossenen und beliebig lösbaren „Bund" 
oder Vertrag bedeutet, sondern nach dem religiösen Sprach- 
gebrauch des A. Testaments (vgl. dazu oben S. 59 ff.) eine von 
Gott ausgehende und für Israel unbedingt verbindliche Anord- 
nung. Dies schließt indes nicht aus, daß hier tatsächlich ein ganz 
neuer Begriff der b'rit in die Geschichte eintritt. Der Prophet 
betont dies selbst nachdrücklich in den Worten „nicht wie der 
Bund war, den ich mit ihren Vätern bei der Herausführung aus 
Aegypten schloß, welchen Bund mit mir sie gebrochen haben". 
Und die Fortsetzung in V. 33 lehrt deutlich, worin der tiefgrei- 
fende Unterschied zwischen den beiden Formen der b e rit besteht. 
Dort waren es äußerliche Satzungen (der Prophet denkt dabei 
höchstwahrscheinlich an das von Josia 623 eingeführte Gesetz- 
buch), die dem Gesamtvolk gegeben wurden, ihm aber fort und 
fort als ein Aeußerliches, als tote Satzung gegenüberstanden, 
unfähig, in Herz und Gewissen des Einzelnen einzudringen und 
daselbst nachhaltiges geistliches Leben zu erzeugen. Dies soll 
nun ganz anders werden: Jahwe will sein Gesetz in ihr Inneres 
legen und in ihr Herz schreiben; darauf soll sich fortan die 
Tatsache gründen: Jahwe der Gott Israels, Israel das Volk Jah- 
wes. Dann bedarf es (V. 84) für niemanden mehr einer Unter- 
weisung und Ermahnung zur Erkenntnis Jahwes, denn sie wer- 
den ihn allesamt erkennen vom Kleinsten bis zum Größten — 
nämlich kraft der von Jahwe ausgehenden Erleuchtung. Für 
diese aber sind sie zubereitet dadurch, daß der Bann der Schuld 
von ihnen genommen ist, ihrer Sünde nicht mehr gedacht wird. 
Nur in reinen Herzen kann wahrhafte Erkenntnis Gottes, sowie 
eine Gottesverehrung im Geist und der Wahrheit Wurzel 
schlagen. 

Man kann die Bedeutung dieser Weissagung Jeremias vom 
»neuen Bund" nicht leicht überschätzen. Sie bedeutet nichts Ge- 
ringeres als den klaren Bruch mit der Auffassung der Religion 
Israels als einer bloßen Volksreligion, die mit bestimmten äuße- 
ren Formen des Kultus und vor allem mit einem bestimmten 
Land unlösbar verknüpft ist. Der „neue Bund" kann überall da 
blühen und Frucht bringen, wo ein Israelit mit dankbarem und 
vertrauensvollem Herzen zu seinem Gott aufblickt; an die Stelle 
des Gesamtvolks, das bisher das Subjekt der Religion bildete, 



272 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 19. 

tritt nunmehr das Individuum 1 ) mit seinem Anrecht auf unmittel- 
barste, persönliche Gemeinschaft mit seinem Gott. Damit ist 
grundsätzlich überwunden, was der Religion Israels noch von 
alten Zeiten her an partikularistischen, ja an die Naturreligion 
anstreifenden Zügen anklebte. 

§ 19. Der äussere Entwickelungsgang der Religion Israels 
im Zeitraum der vorexilischen Prophetie. 

Zur Literatur: CHCornill, Israelitische Volksreligion und die 
Propheten („Das Christentum-, S. 3—22). Leipzig 1908. 

Seit der Reichsspaltung waren die beiden Reiche je länger 
je mehr auch in religiöser Hinsicht ihre eigenen Wege gegangen. 
Nicht als ob man sich des allen Stämmen Gemeinsamen, des 
einen Gottes und seiner einstigen Großtaten für Gesamtisrael, 
nicht mehr bewußt gewesen wäre. Daß dies der Fall war, lehrt 
die fast völlige Gleichheit der Anschauungen und Institutionen. 
Der Bilderdienst und die Lokalisierung Jahwes in verschiedenen 
Heiligtümern gingen in Israel wie in Juda im Schwange, und 
wenn Juda den Stierdienst ablehnte, so opferte es noch bis zu 
Hiskias Zeit einer ehernen Schlange, mag diese auch ihren Platz 
nicht im Tempel gehabt haben. Beiden Reichen wird übereifrige, 
freilich nur äußerliche Betreibung des Opferkults vorgeworfen 
(Am. 5 22 ff. Jes. 1 n ff.). In beiden Reichen wirken Priester und 
Propheten Jahwes. Wie Israel seine Priester wertete, lehren zur 
Genüge die panegyrischen Sprüche Dt. 33 8 ff.; darnach standen 
sie mit ihren Ansprüchen in keiner Weise den Jerusalemischen 
nach. Und wenn Josaphat (1 Kön. 22 7), unbefriedigt durch 
das Gebaren der 400 Propheten Ahabs, fragt: Ist kein Prophet 
Jahwes mehr hier, den wir befragen könnten? so setzt er doch 
wohl voraus, daß es auch in Israel echte Jahwepropheten gibt; 
und seine Erwartung wird nicht getäuscht. Kurz, auch Israel ist 
nach wie vor das Volk Jahwes, nicht bloß für Hosea, den Bürger 
des nördlichen Reichs, sondern auch für Arnos, den Judäer 



*) Es wäre natürlich eine arge Uebertreibung, wenn man der vor- 
jeremianischen Religion Israels jeden individuellen Zug absprechen 
wollte. Dem würde jede Erwähnung eines individuellen Gebets, wie 
1 Sam. 1 10 ff. u. a. widersprechen. Aber dies berechtigt nicht dazu, 
mit Sellin (Beiträge zur israel. und jüd. Religionsgeschichte. 1 Heft: 
Jahwes Verhältnis zum israel. Volk und Individuum nach altisraelit. Vor- 
stellung. Leipzig 1896) den tiefen Unterschied zwischen der vorjere- 
mianischen und der jeremianischen Auffassung in Abrede zu stellen. 



§ 19.] Der äußere Entwicklungsgang der Religion Israels. 273 

(Am. 7 iö), und alle späteren Propheten. Ohne dies wäre ja auch 
unhegreif lieh, daß sich die Erwartung einer Wiederkehr Israels 
aus dem Exil und seiner Wiedervereinigung mit Juda unter einem 
König mit solcher Zähigkeit hätte erhalten können, und zwar 
noch weit über Hesekiel hinaus, dessen starke Betonung dieser 
Erwartung (37 15 ff.) schon befremdlich genug ist, wenn wir sein 
grimmiges Verwerfungsurteil über Samaria (c. 16 und 23) in Be- 
tracht ziehen. 

Aber trotzdem ist doch auch ein frühzeitig eintretender und 
tiefgreifender Unterschied zwischen beiden Reichen nicht zu ver- 
kennen. Das nördliche Reich hatte mit dem Namen Israel den 
Anspruch geerbt, die eigentliche Fortsetzung des davidisch-salo- 
monischen Reiches darzustellen, einen Anspruch, der in den 
Worten des Königs Joas 2 Kön. 14 9 wie in Dt. 33 7 einen drasti- 
schen Ausdruck findet. Auf politischem Gebiet mochte er in 
weitgehendem Maße berechtigt sein ; die Macht des Gesamtvolkes 
war vor allem durch Israel repräsentiert, und Juda ist höchst- 
wahrscheinlich — trotz des Schweigens seiner Geschichtschrei- 
ber — nicht bloß zu Josaphats Zeit, sondern auch sonst bisweilen 
ein Vasall Israels gewesen. Auf religiösem Gebiet aber konnte 
Israel nur in einem bedenklichen Sinne der Erbe der alten Ueber- 
lieferungen heißen. Allen Spuren nach waren die religiösen An- 
schauungen wie der Kultus des nördlichen Reichs weit stärker 
mit den Ueberbleibseln einstiger Naturreligion durchtränkt, als 
dies in Juda der Fall war. Der Synkretismus zwischen Ba'al 
und Jahwe, wie ihn noch Hosea auf das schärfte rügen muß, be- 
weist, wie weit das Volk — ein Menschenalter vor seinem Unter- 
gang! — noch von konsequentem Henotheismus, geschweige von 
wirklichem Monotheismus entfernt war. Und in welchem Maße 
die Kultsitten in Israel von einer Nachahmung kanaanitischer 
Gewohnheiten durchsetzt waren, darüber geben uns Arnos und 
Hosea genügenden Aufschluß. 

Hierzu kam noch etwas anderes. Israel wurde früher als 
Juda hineingezogen in den Strudel der großen Politik, die sich 
in der Hauptsache um die Vorherrschaft Assurs in Vorderasien 
und seine Absichten auf Aegypten drehte. Die Wirkung der 
politischen Erlebnisse war nun zwar nicht eine Hinneigung zu 
den Göttern der Weltmächte als den gewaltigeren, wohl aber, 
wie das auf dem Standpunkt der bloßen Volksreligion gar nicht 
anders sein konnte, ein unwillkürlich geringschätziges Urteil über 

B. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 18 

/ 



274 Bie Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 19. 

die Macht des Landesgottes, verglichen mit der ungeheuren Ueber- 
legenheit Assurs, und damit über den Landesgott selbst. Mochte 
man im engeren Kreise noch allerlei Segen und Hilfe von ihm 
erwarten, — für die Bedürfnisse des Volkes im großen, im Kampf 
um seine Existenz, erschien seine Macht unzureichend; man mußte 
sich nach anderen Hilfsmitteln und Bundesgenossen umsehen. 
Nun verstehen wir, warum ein Hosea seinen heiligen Eifer vor 
allem gegen das Buhlen seines Volkes um die Gunst bald As- 
surs, bald Aegyptens entfaltet; lag doch in diesem Gebahren 
eine gröbliche Verleugnung des Gottes Israels, ja eine Art von 
Gotteslästerung. Und daß eine Religion, ein Kultus mit einem 
solchen Gottesbegriff nicht zu einer Quelle der sittlichen Erneue- 
rung des Volkslebens werden konnte, begreift sich leicht. Eine 
Dynastie nach der andern sank durch Mord und im blutigen 
Kampf der Parteien dahin, eine entsetzliche Korruption herrschte 
unter den Oberen des Volkes und den Priestern, und auch im 
niederen Volke war Treu und Glauben, die Scheu vor irgend- 
welcher Autorität, geschweige vor dem heiligen Willen Gottes 
bis auf den letzten Rest geschwunden. Es verlautet nichts mehr 
von 7000, die ihre Kniee nicht dem Ba'al, d.h. jetzt dem falschen 
Vertrauen auf weltliche Mittel, gebeugt hätten. Die Fäulnis, 
der der Volkskörper verfallen war, tat unaufhaltsam ihr Werk. 
722 erlag Israel nach längerem Verzweiflungskampf der Ueber- 
macht Sargons. Daß uns aus der Zeit des Untergangs auch 
nicht ein Name eines Führers überliefert wird, läßt sich nur so 
erklären, daß der religiöse Faktor in diesem Ausgang der Ge- 
schichte Israels gänzlich ausgeschaltet war. Ohnedies hätte uns 
die jüdische Geschichtschreibung, die doch (2 Kön. 17 24 ff.) in 
religiöser Hinsicht ein Interesse für die Ueberreste der Bewohner 
Samariens zeigt, sicher wenigstens einen Namen aufbewahrt. 

Es liegt auf der Hand, daß der Untergang des nördlichen 
Reichs auf die Gestaltung der Dinge in Juda einen überaus 
mächtigen Einfluß ausüben mußte. Die nächste Wirkung war 
freilich wohl nur eine Stärkung der Volksreligion. Samaria war 
gefallen, Jerusalem geblieben. Somit hatte Jahwe das nördliche 
Reich, das von Juda abgefallene (Jes. 7 17), verworfen, Juda 
dagegen war nunmehr „das Volk Jahwes", die Fortsetzung yon 
Gesamtisrael, und wurde demgemäß fortan gern auch „Israel" 
genannt. Vor allem aber kam der Gang der Ereignisse dem 
Ansehen des. Tempels in den Augen des Volkes zu gute. Sicher 



§ 19.] Der äußere Entwickelungsgang der Religion Israels. 275 

hatte er, obschon zunächst nur das Palastheiligtum Salomos, seit 
der Reichsspaltung als ein mächtiger Vorzug Judas gegolten, so 
daß Jerobeam I. (1 Kön. 12 27) in dem Nimbus, der den Tempel 
umgab, eine Gefahr für den Bestand seines Königtums erblicken 
konnte. Knüpften sich doch an die heilige Lade, die nunmehr 
dort in mystischem Dunkel stand, die ehrwürdigsten Erinne- 
rungen an die Heldenzeit des Volks, wie an den stolzen Bau 
Salomos mit seinen riesigen Substruktionen die herrlichsten Er- 
innerungen an die Glanzzeit Gesamtisraels; nur mit Neid konnte 
das nördliche Reich daran denken, daß ihm an diesem Stolz des 
Gesamtvolkes kein Anteil mehr geblieben war. 

Aber war dieser Vorzug Judas nicht schließlich doch nur 
ein äußerlicher, um nicht zu sagen ein bloß eingebildeter und 
nicht reeller? Und hatten nicht auch in Juda die Propheten 
über groben Bilderdienst, rohen Werkdienst im Kultus, Zertre- 
tung des Rechts, blindes Vertrauen in der äußeren Politik bitter 
zu klagen? Diese Frage ist berechtigt, aber nicht minder die 
Behauptung, daß trotz alledem die Dinge in Juda anders lagen 
als in Israel. Erstlich bildete die Stetigkeit der davidischen 
Dynastie einen mächtigen Damm gegen politische Zerrüttung. 
Wohl wird einmal (2 Kön. 14 19 ff.) von einer Verschwörung 
gegen König Amazja berichtet, die seine Ermordung zur Folge 
hat; der Bestand der Dynastie wird jedoch nicht davon berührt. 
Die Ausrottung der Familie Davids durch Athalja (2 Kön. 1 1 1) 
geht von einer Fremden aus, aber diese wird so bald als möglich 
von dem Oberpriester Jqjada und der königlichen Leibwache zu 
Gunsten eines davidischen Prinzen gestürzt. Ebenso wird 2 Kön. 
21 23 f. die Ermordung Amons rasch durch die Tötung der Ver- 
schwörer und die Einsetzung Josias gesühnt. Wenn durch das 
Ansehen der Dynastie selbst schlechte Könige wie Ahas getra- 
gen wurden, um wie viel mehr mußte dann von tüchtigen und 
religiös wohlmeinenden Herrschern wie Amazja, Ussia, Jotham, 
Hiskia ein spürbarer Segen ausgehen. Nicht minder wird auch 
die Priesterschaft am Tempel zu Jerusalem beträchtlich höher 
gestanden haben als die in Bethel und Dan. Die aus alten Zei- 
ten stammende Erblichkeit, sowie — verschiedenen Spuren nach — 
nicht seltene Verschwägerungen mit der königlichen Familie ver- 
liehen ihr hohes Ansehen und politischen Einfluß; auch die Pflege 
der literarischen und überhaupt der geistigen Interessen lag ohne 
Zweifel fast ausschließlich in ihrer Hand. So waren durch 

18* 



276 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 19. 

Könige und Priester wenigstens in gewissen längeren Zeiträumen 
in Juda alle Bedingungen für ein tieferes Einwurzeln der pro- 
phetischen Gedanken über Gott und seine rechte Verehrung ge- 
geben. Und was die Hauptsache war: es fehlte neben allerlei 
falschen Propheten nicht an überaus tatkräftigen Vertretern der 
wahrhaften Jahweprophetie. Wenn uns auch außerhalb des 
Kreises der Schriftpropheten nur spärliche Namen überliefert 
werden, so zeugt doch mindestens Jes. 8 ie ff. für einen Jünger- 
kreis, der sich um Jesaja scharte und dem wir gewiß als dem 
Hüter und Verfechter der Gedanken des Meisters einen tiefgrei- 
fenden Einfluß auf die Folgezeit zuzuschreiben haben. Aller- 
dings macht Jes. 8 ie ff. ganz den Eindruck, als ob sich Jesaja 
damals, indem er an einer Besserung der religiösen Zustände 
unter Ahas verzweifelte, ganz in den engeren Kreis seiner Jünger 
zur Pflege esoterischer Verkündigung habe zurückziehen wollen. 
Nicht ohne Grund erblickte darum Robertson Smith *) in jener 
Jesajastelle die Geburt des Begriffs „Kirche", den ersten Anfang 
zur Befreiung der geistigen Religion aus den Banden der natio- 
nalen. Immerhin blieb doch auch für Jesaja in den Zeiten His- 
kias noch Gelegenheit genug, seinen Einfluß zugunsten einer 
wahrhaft theokratischen Politik geltend zu machen. 

Eine andere Frage ist, wie weit es Jesaja gelang, die pro- 
phetischen Forderungen auch auf dem Boden des Kultus und 
überhaupt in der äußeren Betätigung der Jahwereligion durch- 
zusetzen. Nach dem Bericht des Dt in 2 Kön. 18 4 hätte schon 
Hiskia den Höhendienst vollständig abgeschafft, die Malsteine 
zertrümmert und die Aschera (d. h. hier den heiligen Pfahl neben 
dem Altar) umgehauen, und man pflegt diese „Kultusreform 
Hiskias" allgemein auf den Einfluß Jesajas zurückzuführen. 
Aber die Folgezeit weiß von solchen Reformen Hiskias nichts 2 ). 
Dies erklärt allerdings eine späte Glosse in 2 Kön. 21 s ff. daraus, 
daß Hiskias Sohn Manasse die zerstörten Höhen wieder aufgebaut 
und eine neue Aschera angefertigt habe. Aber die ganze Schilde- 

*) The Prophets of Israel (Edinb. 1892), S. 274 f. : The formation 
of this little Community was a new thing in the history of religion. — 
It was the birth of a new era in the Old Testament religion, for it was 
the birth of the conception of the Chukch, the first step in the eman- 
cipation of spiritual religion from the forms of political life. 

*) Der Versuch WErbts („Die Sicherstellung des Monotheismus*. 
Gott. 1903), die Konzentration des Kultus dennoch auf Hiskia zurück- 
zuführen, muß als mißlungen bezeichnet werden. 



§ 19.] Der äußere Entwicklungsgang der Religion Israels. 277 

rang in 2 Kön. 22 und 23 läßt keinen Zweifel darüber aufkom- 
men, daß die Zustände, die endlich durch Josias Kultusreform 
beseitigt wurden, seit Jahrhunderten als ganz unanstößig gegol- 
ten und deshalb auch ganz unangefochten fortbestanden hatten. 
Gilt dies doch nach 2 Kön. 23 ia sogar von den „Höhen", d. h. 
Opferstätten, die dereinst Salomo seinen heidnischen Weibern 
zu Liebe am Oelberg errichtet hatte! 

Wenn also in diesem Punkte von einem Einfluß Jesajas auf 
Hiskia nicht wohl die Rede sein kann, zumal wir nirgends bei 
Jesaja einer Rüge der Höhen oder Malsteine begegnen, so doch 
höchstwahrscheinlich in einem anderen Punkte. Wir sahen oben, 
daß sich Jesaja durch seinen Gottesbegriff zu eifriger Verwer- 
fung der Jahwebilder angetrieben fühlte. So war er es ohne 
Zweifel, der Hiskia (2 Kön. 18 4) zur Zertrümmerung der von 
Mose verfertigten Schlange *) vermochte und überhaupt — wenig- 
stens in den prophetisch gesinnten Kreisen — die Abschaffung 
der Jahwebilder erreichte. Dafür spricht besonders, daß nach- 
mals Jeremia zwar gegen Götzenbilder, aber allem Anschein 
nach nirgends gegen Jahwebilder zu eifern Anlaß fand. 

Mit dem oben Ausgeführten soll übrigens nicht behauptet 
werden, daß die Idee der Konzentrierung des Kultus, die erst 
623 durch das Gesetzbuch Hilkias verwirklicht wurde, der Zeit 
Jesajas und ihm selbst gänzlich ferngelegen haben müßte. Nicht 
daß er im Sinn der alten Volksreligion ein falsches Vertrauen 
auf den Bestand des Tempels gesetzt hätte als einen Ort, den 
Jahwe unter keinen Umständen den Feinden des Volkes preisge- 
ben könne. Aber die Idee einer Einwohnung Jahwes oder doch 
einer Offenbarungserscheinung Jahwes auf dem Zion war auch 
Jesaja geläufig. Auch er erblickt in dem Zion — wenn auch in 
einem viel tieferen geistlichen Sinne — ein Bollwerk der Theo- 
kratie (28 16), den Wohnsitz und Herd Gottes: 8 18. 29 1 f. (wenn 
Ariel so viel als „Feuerherd"); 31 9. Mit dieser Idee des „Hauses 
Jahwes" stand jedoch die Zerteilung Jahwes auf zahlreiche Hei- 
ligtümer in offenbarem Widerspruch, und wenn Jesaja selbst 
noch nicht auf eine Konzentrierung des Kultus drang, so erklärt 
sich dies wohl einfach daraus, daß er auf den äußeren Kult, zu- 
mal in den damals üblichen Formen, überhaupt keinen Wert 
legte. Dagegen dürften die Recht behalten, die im Jüngerkreise 

*) Die Notiz über diese kann nicht wie das Uebrige vom Dt, sondern 
nur aus dem von ihm benutzten sogen, großen Königsbuche stammen. 



278 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 19. 

Jesajas die Kräfte suchen, denen wir die ersten Vorarbeiten 
zum Gesetzbuch des Dt zu verdanken haben. 

Unterdes waren aber die Dinge einen ganz anderen Weg 
gegangen. Nach dem Tode Sargons (705) hatte sich Hiskia — 
offenbar zum großen Mißfallen Jesajas — in den Strudel der 
Empörung Vorderasiens gegen Sanherib hineinziehen lassen. Es 
ist nicht unwahrscheinlich, daß der König selbst dem Rat des 
Propheten lieber Gehör geschenkt hätte, daß er aber nicht mäch- 
tig genug war, der von einem wahren Taumel ergriffenen Kriegs- 
partei Halt zu gebieten. Jesaja aber machte (vergl. besonders 
30 i ff. 31 i ff.) kein Hehl daraus, wie das anfangs heimlich, dann 
offen betriebene Bündnis mit Aegypten gegen Assur im Sinne 
Jahwes zu beurteilen sei. Als aber die Katastrophe hereingebro- 
chen, das Land entsetzlich durch die Assyrer verwüstet und (wie 
wir jetzt aus den Keilinschriften wissen) über 200 000 Menschen 
weggeführt waren, da verkündigt Jesaja, daß Jahwe nicht die 
Zerstörung, sondern die Errettung der schwerbedrängten Haupt- 
stadt wolle. Ohne Zweifel ist dieser Umschwung im Urteil 
des Propheten vor allem durch die Perfidie veranlaßt, mit der 
Sanherib trotz der Unterwerfung Hiskias und der Zahlung eines 
für Juda ungeheuren Tributs (2 Kön. 18 u ff.) auf der Uebergabe 
der Stadt bestanden hatte. 

Das Unglaubliche geschah. Die Assyrer wurden durch die 
Pest zu schleunigem Abzug gezwungen, Jerusalem sah sich über 
Nacht gerettet. Die Prophetie Jesajas hatte einen großartigen 
Triumph gefeiert. Aber die Nutzanwendung, die die Volksmei- 
nung und wenn auch nicht Hiskia, so doch bald daraufsein Sohn 
Manasse aus den Ereignissen zog, lautete vielmehr dahin: nicht 
dem — unerschwingliche Forderungen stellenden — Gott der 
Propheten, sondern dem alten Volks- und Landesgott Jahwe ist 
die Rettung zuzuschreiben, ihm, der um seiner eignen Ehre willen 
Stadt und Tempel nimmermehr den Heiden preisgeben konnte, 
wenn man es nur an gehäuften Opfern — im äußersten Fall auch 
an Kinderopfern — nicht fehlen ließ. Daß dieser, einem natu- 
ralistischen Gottesbegriff entsprungene Wahn von der sicheren 
Wirkung der Kinderopfer auch in Juda nicht ausgestorben war, 
beweist die unanfechtbare Notiz 2 Chr. 28 s über die Opferung 
der eigenen Söhne durch Ahas (höchstwahrscheinlich 735 in der 
Bedrängnis des syrisch-ephraimitischen Kriegs). Aber was dort 
vereinzelt in der höchsten Not geschehen war, der Rückfall in 



§ 19.] Der äußere Entwickelungsgang der Religion Israels. 279 

eine durch die Propheten überwundene Religionsstufe, das wurde 
allem Anschein nach unter Manasse Regel; der alte Naturalis- 
mus lebte wieder auf, die ganze Lebensarbeit eines Jesaja und 
Micha schien umsonst getan. Von vielfältigem grobem Götzen- 
dienst Manasses weiß nur ein später Zusatz (2 Kön. 21 s — e) zu 
dem älteren Bericht des Dt zu melden. Es ist indes wohl mög- 
lich, daß Manasse vor einer Vermischung des Jahwekultes mit dem 
Kult des Himmelsheeres nicht zurückschreckte 1 ). Aber das Kin- 
desopfer, das ihm schuld gegeben wird samt aller Zauberei, Wahr- 
sagerei und Totenbeschwörung, und nicht minder die Aschera, 
die dem Dt (21 7 ff.) so schweren Anstoß bereitet, sind sicherlich 
nicht auf Rechnung seines Hangs zum Götzendienst, sondern 
seines gründlichen Irrtums über die Gott wohlgefällige Art des 
Kultus zu setzen. Und wenn ihm (V. ie) das Vergießen sehr vie- 
len unschuldigen Blutes nachgesagt wird, so könnte es sich dabei 
allgemein um Ausbrüche von Haß und Grausamkeit handeln. 
Wir gehen aber wohl nicht fehl, wenn wir vor allem auch an das 
Blut von Märtyrern denken, von Propheten und Prophetenjün- 
gern, die sich in heiligem Zorn gegen die neu einreißenden Greuel 
auflehnten und ihren Widerstand mit dem Tode büßten. Be- 
kanntlich rechnet eine Ueberlieferung, die vielleicht mehr ist als 
eine bloße Sage, auch den greisen Jesaja zu den Opfern der sinn- 
losen Wut des Königs. 

Beachtung verdient, daß seit Micha, dessen von bitterster 
Klage erfüllter Schwanengesang uns wohl in dem Fragment 
7 i — 6 vorliegt, die Jahweprophetie, wenigstens für unsere Kennt- 
nis, völlig verstummt. Denn das Orakel Nahums gegen Nineve 
(wohl aus der Zeit um 660) kommt seinem Inhalt nach hier nicht 
in Betracht; der nächste Prophet aber, Zephanja (um 630), gehört 
bereits in die Zeit Josias. Diese etwa 60jährige Lücke in der 
Reihe der Propheten ist sicher nicht so zu erklären, daß den 
doch von Gott Erweckten feige Menschenfurcht den Mund ge- 
schlossen hätte. Vielmehr war es nur natürlich, daß sich bei dem 
trostlosen Zustand der öffentlichen Religion und der völligen 
Aussichtslosigkeit eines Widerstandes der religiöse Eifer vor 
allem auf die literarische Arbeit konzentrierte, um auf diesem 

*) Die Altäre für das ganze Himmelsheer 2 Kön. 21 5 stammen aus 
23 12, nach welcher Stelle es aber sehr wohl Jahwealtäre gewesen sein 
könnten. Soll man mit Budde annehmen, daß Manasse die assyrischen 
Gestirngötter als Vasallen Jahwes betrachtet habe? 



280 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 19. 

Wege das Erscheinen besserer Zeiten vorzubereiten. Sind doch 
in diesem Zeitraum außer den Vorarbeiten zum Gesetzbuch Hil- 
kias (s. o. S. 189. 277) mit höchster Wahrscheinlichkeit auch 
die Verschmelzung der alten Pentateuchquellen J und E, viel- 
leicht auch sonstige neue Bearbeitungen der älteren Geschichts- 
bücher und Prophetenschriften anzusetzen. 

Die Aussprüche in Kap. 1 des Zephanja lassen uns in die 
Zustände vor dem Auftreten Jeremias einen tiefen Blick tun. Er 
hebt an mit der Androhung eines Vertilgungsgerichts, das Men- 
schen und Tiere hin wegraffen soll. Juda und Jerusalem aber soll 
es treffen wegen des Götzendienstes, der dort im Schwange geht. 
Neben den Götzendienern aber kennt Zephanja (1 6. 12) auch 
solche, die nichts nach Jahwe fragen, weil er doch weder Glück 
zu geben, noch zu schaden vermöge. Dieses Urteil ist wiederum 
charakteristisch für den Standpunkt der Volksreligion. Ihre An- 
hänger sind vollständig irre geworden an der Macht des Gottes 
Israels. Lange Erfahrung hat sie gelehrt, daß er den Göttern 
der Weltmächte nicht gewachsen ist. Sie leugnen darum keines- 
wegs seine Existenz, wohl aber die Ersprießlichkeit seiner Ver- 
ehrung. Was nützt ein Gott, der nicht zu helfen vermag ! Der 
Gedanke, daß die scheinbare Untätigkeit Jahwes auf die eigne 
Schuld des Volkes zurückzuführen sei, ist ihnen unfaßbar: „sie 
sind steif geworden auf ihren Hefen" (V. 12). 

Der Kampf Jeremias, der kurz nach Zephanja auf den 
Schauplatz tritt, gilt in erster Linie der falschen Sicherheit, mit 
der das verblendende Volk seine Augen gegen den furchtbaren 
Ernst der Lage verschließt. Alle Anzeichen des nahenden Un- 
tergangs, alle Mahnungen zur Umkehr werden übertäubt durch 
den Wahn, Jahwe müsse, wenn es zum Aeußersten komme, doch 
Stadt und Tempel dem Feind entreißen (vergl. besonders 7 4 ff. 
und 8 ff.). In diesem Wahn wird das Volk unaufhörlich bestärkt 
durch die Lügenpropheten, die seinen Schaden schnellfertig hei- 
len möchten, indem sie Heil! Heil! rufen, wo doch kein Heil ist! 
Aus diesen Kreisen stammte natürlich auch später die Ermuti- 
gung zu dem wahnsinnigen Widerstand gegen die Chaldäer, im 
Gegensatz zu der unermüdlichen Mahnung Jeremias zu geduldi- 
ger Unterwerfung, wie sie allein dem Ratschluß Jahwes ent- 
spreche. 

Noch einmal aber schien es, als ob der unerläßliche Um- 
schwung in der religiösen Erkenntnis des Volkes, den herbeizu- 



§ 19.] Der äußere Entwicklungsgang der Religion Israels. 281 

führen die Propheten vergeblich gearbeitet hatten, von anderer 
Seite zustande gebracht werden sollte. Der Inhalt des von Hil- 
kia aufgefundenen Gesetzbuchs *) hatte wenigstens auf den from- 
men König Josia einen ungeheuren Eindruck gemacht und ihn 
zur Einführung des neuen Gesetzes und zur feierlichen Verpflich- 
tung des gesamten Volks auf dasselbe im Tempel bewogen (2 Kön. 
23 i ff.). Daß er zuvor (22 12 ff.) einen prophetischen Rat in die- 
ser Angelegenheit nicht von Jeremia, sondern der Prophetin 
Hulda einholt, kann nur in der zufälligen Abwesenheit Jeremias 
seinen Grund gehabt haben. Denn daß Jeremia selbst auf dieses 
Gesetzbuch große Hoffnungen setzte, geht daraus hervor, daß er 
(11 1 ff.) noch um 605 überaus dringend zum Gehorsam gegen 
dasselbe mahnt. Später freilich scheint ihm die Nutzlosigkeit 
auch dieses letzten Versuchs völlig klar geworden zu sein; er 
rügt zwar 34 12 ff. noch um 588 scharf die Mißachtung eines deu- 
teronomischen Gebots (Dt. 15 12), aber des Gesetzbuchs als eines 
Ganzen gedenkt er nicht mehr. 

An äußeren Wirkungen hatte es dem Gesetzbuch Hilkias 
zunächst nicht gefehlt. Es hatte, abgesehen von der strengen 
Konzentration 2 ) alles Kultus auf Jerusalem, zu einer gründlichen 
Kultusreinigung überhaupt geführt. Man staunt beim Lesen von 
2 Kön. 23 4 ff., was bis dahin — unter den Augen eines so from- 
men Königs wie Josia! — in und um Jerusalem noch möglich 
gewesen war. Man kann aber nicht sagen, daß es jenem Gesetz- 

*) In betreff dieses Gesetzbuchs muß hier (vgl. auch oben S. 189) 
die Bemerkung genügen, daß es, wenn auch nicht völlig mit unserem 
heutigen Dt. identisch, doch auf das nächste mit diesem verwandt ge- 
wesen sein muß. Weiter bekennen wir uns zu der Ueberzeugung, daß 
die Auffindung durch Hilkia tatsächlich eine zufällige (bei Gelegenheit 
von Reparaturen im Tempel) und nicht etwa zwischen Schaphan und 
Hilkia zur Täuschung des Königs verabredet war. Als die Frucht hei- 
ligen Eifers in Prophetenkreisen entstanden (s. o. S. 279 f.), ein Aus- 
druck der felsenfesten Ueberzeugung, daß nur auf dem Wege der Kon- 
zentration des Kultus noch Rettung zu schaffen sei, mag das Buch unter 
Manasse in der Hoffnung auf bessere Zeiten im Tempel niedergelegt, 
dann aber (wohl mit dem Tode des Hinterlegers) vergessen worden sein. 
Nur so erklärt es sich, daß bis zur Auffindung 18 Regierungsjahre Josias 
verstreichen konnten. Was hätte die Urheber des angeblichen frommen 
Betruges veranlassen sollen, so lange zu warten, während doch alle 
Umstände für sie äußerst günstig lagen? 

2 ) Der Versuch von Feies („Die Gesetzesschrift des Königs Josia", 
Leipz. 1903), die Forderung der Konzentration des Kultus aus Dt. 12 hin- 
wegzudeuten, ist als mißglückt zu betrachten. 



282 Die Zeit der Schriftpropheten bis zum Exil. [§ 19. 

buch nur um die Besserung der äußeren Zustände zu tun gewe- 
sen wäre. Wir haben bereits oben gesehen, daß das ganze Dt 
durchaus von dem Geiste der echten Jahweprophetie getragen 
ist, daß die von ihm geforderte Gottesverehrung und Sittlichkeit 
auf wahrhaft religiösen Motiven ruht: der demütigen Erkennt- 
nis des eignen Unwerts, der Gottesliebe und der innigen Dank- 
barkeit für Gottes unerschöpfliche Wohltaten. Josia selbst mag 
von diesen Gedanken tief ergriffen und durchdrungen gewesen 
sein. Aber die Reform, die er auf sie gründete, blieb für die 
Masse des Volks nur eine königliche Verordnung, die sich zwar 
in allerlei Aeußerlichkeiten bemerkbar machte, aber in betreff 
der Gesinnung alles beim Alten ließ. Dazu kam eine Wirkung 
des neuen Gesetzbuchs, die von seinen Urhebern schwerlich be- 
absichtigt, trotzdem aber unausbleiblich war. Das geschriebene 
Gesetz machte als anscheinend erschöpfende Offenbarung des 
Gottes willens das lebendige Wort der Propheten eigentlich über- 
flüssig, trotz der Verheißung Dt. 18 is. Oberste Autorität wird 
der Buchstabe des Gesetzes; nach ihm beurteilen die deuterono- 
mistischen Redaktoren des Königsbuchs die theokratische Qua- 
lität der einzelnen Könige (vergl. auch Dt. 17 is!). Für die Pro- 
pheten bleibt eigentlich nur die Aufgabe, das Gesetz auszulegen 
und einzuschärfen. 

Der durchschlagende Beweis dafür, daß die Wirkung der 
Josianischen Reform doch nur eine äußerliche war, liegt in der 
Behandlung, die Jeremia fortgesetzt wegen seiner Bußpredigten 
und Gerichtsdrohungen zu erdulden hatte («Ter. 20 i ff.). Das alte 
Dogma von der Unverletzlichkeit der Stadt und des Tempels be- 
hauptete sich ungeschwächt im Wahne des Volks. Wohl fühlt 
sich dies einmal (26 i ff.) durch die Hoheit des Propheten der- 
maßen überwältigt, daß es ihn kräftig vor der Wut der Priester 
und falschen Propheten schützt. Wohl fehlt es Jeremia auch un- 
ter den Oberen Judas (36 w. 25) nicht an einsichtigen Gönnern. 
Aber das alles vermag der Verblendung seiner Feinde nicht Einhalt 
zu tun. Zu diesen gehört vor allem König Jojakim. In einem 
Gemisch von Trotz und Angst zerschneidet und verbrennt er 
(36 ai ff.) die Rolle mit den Gottessprüchen Jeremias, als ob das 
letzte Geschick Judas und Jerusalems abgewendet sei mit der 
Zerstörung der Schrift, die es verkündigte ! Und als 597 mit der 
Wegführung Jojachins und der geistigen Häupter des Volks be- 
reits eine furchtbare Warnung erteilt war, dauerte dennoch das 



§ 19.] Der äußere Entwickelungsgang der Religion Israels. 283 

Treiben der Lügenpropheten fort (28 i ff. 29 i ff.). Der König 
schwankt haltlos zwischen der Furcht vor dem Gottes wort des 
Propheten und den Drohungen der Kriegspartei hin und her, bis 
endlich die Furcht vor der letzteren überwiegt und er ihr den 
Propheten preisgibt (38 4 ff.). Wenn es noch eines Beweises be- 
dürfte, daß das damalige Juda reif war zum Gericht, so wäre er 
durch den Umstand geliefert, daß es ein Volksfremder, ein Aethi- 
opier war, der den großen Dulder von einem schmachvollen Tod 
errettete. Aber auch das letzte Bittere sollte ihm nicht erspart 
bleiben: die Erfahrung, daß auch das schreckliche Gottesgericht 
über Jerusalem 586 an dem Ueberrest des Volkes im Lande ver- 
geblich gewesen war. Hatten sie 597 durchaus noch nicht an den 
vollen Ernst des Gottesgerichts glauben wollen, so werden sie 
nach der Ermordung Gedaljas inMizpa von wahnsinniger Furcht 
gepackt; denn nun zweifeln sie nicht mehr daran, daß Jahwe das 
Land für immer verlassen, sein Volk preisgegeben habe. In Ae- 
gypten, wohin sie trotz der dringenden Abmahnung Jeremias 
samt diesem geflohen sind, beginnen sie aufs neue den Kultus der 
Himmelskönigin und führen alles Unglück der letzten Zeit nur 
auf die Unterbrechung dieses Kultus (durch die Reform Josias) 
zurück. Kein Wunder, daß Jeremia in der Frechheit, mit der sie 
diese ihre Gesinnung kund geben, eine Selbstverdammung erblickt, 
die jeden Gedanken an eine Umkehr und Begnadigung aus- 
schließe. 

Wenn der Prophet trotz allen bitteren Enttäuschungen den- 
noch (8. o. S. 261. 2 70 ff.) die Wiedereinpflanzung der Exulanten in 
die Heimat und die Aufrichtung eines neuen, auf wahrhafte Got- 
teserkenntnis begründeten „neuen Bundes** zwischen Gott und 
Israel erwartete, so liegt darin ein glänzendes Zeugnis für die 
unerschütterliche Gewißheit, mit der er den Offenbarungen sei- 
nes Gottes vertraute. Er erwartete den großen Umschwung von 
einer völligen Erneuerung der Herzen, die Gott selbst dereinst 
wirken werde (31 si ff.). In etwas anderem Lichte erschaut sein 
jüngerer Zeitgenosse Hesekiel den weiteren Verlauf der Wege 
Gottes mit Israel. Auch er weiß wohl, daß der widerspenstige 
Sinn des Volks nur durch ein neues Herz und einen Geist, den 
ihm Gott verleiht, überwunden werden kann. Aber der Weg 
dazu führt nach ihm durch eine Schule eiserner Zucht, die das 
Volk an ganz neue Formen des Kultus gewöhnt und endlich dem 
Gedanken zum Sieg verhilft, daß es für allen Besitz und alles 



284 Der Propheti8mii8 seit dem Exil. [§ 20. 

Tun Israels nur einen höchsten Maßstab und ein letztes Ziel 
gebe — Gottes Heiligkeit ! 



V. Kapitel. 

Der Prophetismus seit dem Exil. 

§ 20. Hesekiel. 

Zur Literatur: KBeyrich, Das Messiasbild des Ezechiel. ZwTh. 
47 4. (1904) S. 433—461.— DHMüller, Biblische Studien. 1. Heft: Eze- 
chiel- Studien. Wien 1904. — JHebbmann, Ezechiel-Studien (Beitr. zur 
Wiss. vom A. T., herausg. von Kittel, 2), Leipzig 1908. 

Die hohe Bedeutung Hesekiels für die weitere Gestaltung 
der Religion Israels, wie wir sie am Schluß des vorigen § skizziert 
haben, konnte erst erkannt werden, als die Abhängigkeit des 
priesterlichen Gesetzes von Hesekiels Zukunftsprogramm (c. 40 
bis 48) über jeden Zweifel erhoben war. So lange man für mög- 
lich hielt, daß er, der Priester, die Muße des Exils mit phantasti- 
schen Variationen zu dem längst vorhandenen Priesterkodex 
ausgefüllt habe, stand man seinem Buche oder doch dem Schlüsse 
desselben ratlos gegenüber. Ja, man konnte, wie dies der Tal- 
mud bezeugt, darüber streiten, ob ihm überhaupt ein Platz im 
Kanon des A. T. gebühre. Ganz andersaber muß das Urteil lauten, 
wenn Hes. c. 40 — 48 vielmehr als ein erster kühner Entwurf der 
künftigen Gestaltung des Staats und des Kultus zu betrachten 
ist. Dann wird „der Priester im Prophetenkleid" mit einem 
Schlage zum bahnbrechenden Geiste, zum eigentlichen Schöpfer 
des Judaismus im engeren Sinne, der Gesetzesreligion, in der 
nachmals überhaupt die Religion Israels aufgeht. Nicht als ob 
ihm deshalb der Name eines Propheten abzusprechen wäre. Viel- 
mehr wird sich sogleich zeigen, daß er in jeder Hinsicht an seine 
Vorgänger, insbesondere Jeremia, anknüpft, ja ihre Gedanken 
vielfach als selbstverständlich voraussetzt. Aber darum bleibt es 
doch wahr : daß er die Verwirklichung der Pläne Gottes mit Is- 
rael, der früheren prophetischen Forderungen und Verheißungen 
in der Begründung eines Priesterstaates erblickt, der die "Wah- 
rung der Heiligkeit Gottes zur vornehmsten Aufgabe hat, — die- 
ser Gedanke ist s ein Eigentum und durch ihn hat er für die Folge- 
zeit eine außerordentliche Bedeutung erlangt. 

Daß Hesekiel die religiösen Anschauungen seiner Vorgänger 



§ 20.] Hesekiel. 285 

als selbstverständlich voraussetzt, gilt sogleich in auffälliger 
Weise von seinem Gottesbegriff. Der Eifer, mit dem er unauf- 
hörlich seine beiden großen Hauptthemata, die Schuld des Vol- 
kes und die Wege zur Aufhebung dieser Schuld erörtert, lassen 
ihn so gut wie niemals zu speziellen Aussagen über Wesen und 
Eigenschaften Gottes kommen. Ja, wenn man nach dem Schein 
urteilen wollte, könnte man in seiner eingehenden Beschreibung 
der Herrlichkeit (Jcäbod) Jahwes als seiner sinnlichen Erschei- 
nungsform (laeff. 43 2 f.; vgl. hierzu oben S. 88 ff.) und des 
Tempels als der „Stätte seines Throns und des Ortes seiner Fuß- 
sohlen" (43 7) ein Herabsinken zu längst überwundenen sinn- 
lichen Vorstellungen von der Gottheit erblicken. Aber es ist un- 
denkbar, daß für Hesekiel die im Tempel wohnende „Herrlich- 
keit u Jahwes mit dessen innerstem Wesen völlig identisch ge- 
wesen wäre. Er rügt selbst 8 12 den törichten Wahn der in Judäa 
Zurückgebliebenen : „Jahwe sieht uns nicht, Jahwe hat das Land 
verlassen u . Vor allem aber ist bemerkenswert, wie er das Verhält- 
nis Jahwes zu den Israel feindlichen Heidenvölkern behandelt. 
Fast nirgends *) finden wir da eine Belehrung über die Gründe 
seines Verhaltens, eine Abwehr falscher Urteile, außer der über- 
aus häufig wiederholten Formel: „damit sie erkennen, daß ich 
Jahwebin ! (so in derBedrohungEdoms, 354.9.12. 15 viermal). Darin 
liegt von selbst eingeschlossen: damit ihnen meine absolute All- 
macht, meine absolute Herrschergewalt über alle Völker der Erde, 
meine unantastbare Heiligkeit zum Bewußtsein komme. Ja, nach 
36 20 ff. gewinnt es ganz den Anschein, als wolle Jahwe nur des- 
halb zur Wiederherstellung Israels schreiten, weil es im Exil zu 
Lästerreden der Heiden und damit zur Entweihung seines heili- 
gen Namens Anlaß gab. 

Der Gedanke der Erwählung des Volks und der Wohl- 
taten, die ihm Jahwe erwiesen, tritt uns nur in der ergreifen- 
den Allegorie 16 4 ff. entgegen, in deutlicher Anlehnung an die 
Ideen des Deut, und mit der stillschweigenden Folgerung, zu 
wie großer Dankbarkeit Israel durch alles dies verpflichtet ge- 
wesen wäre. Die ethischen Forderungen Jahwes, wie sie Hes. 
18 5 ff. (vgl. auch 22 e ff.) in einer Art Kanon zusammenstellt, 

*) Jedenfalls gehört es zu den ganz vereinzelten Ausnahmen, wenn 
es 29 16 als eine Wirkung des Gerichts über Aegypten hingestellt wird, 
daß dieses dann nicht mehr Gegenstand des Vertrauens für Israel sein 
werde. 



286 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 20. 

stimmen z. T. wörtlich mit denen der vorexilischen Propheten 
überein, nur daß sich z. T. bereits der Hinweis auf spezifisch re- 
ligiöse oder genauer kultische Pflichten (Achtung vor dem Jahwe 
Geheiligten, Sabbathsfeier, Enthaltung von Opfern auf den Hö- 
hen etc.) einmischt. In der Beurteilung der sittlichen Verant- 
wortlichkeit des Einzelnen schließt sich Hesekiel durchaus an Jere- 
mia an. Wie dieser (Jer. 31 19 f.) eifert er gegen den "Wahn, als 
lasse Jahwe die Söhne unschuldig für die Sünde der Väter büßen 
(18 t ff.); vielmehr: wer sündigt, der soll sterben (V. 20). Aber 
durch diese allgemeine Kegel ist doch die Wirksamkeit recht- 
zeitiger Buße nicht ausgeschlossen: Jahwe will nicht den Tod des 
Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe (18 23. 33 11). Da- 
rum sorgt er auch für die Verwarnung der Gottlosen durch die 
Propheten, und die letzteren sind für die Unterlassung der War- 
nung voll verantwortlich (3 17 ff. ; c. 33). 

Daß die zuletzt besprochenen Gedanken von Hesekiel nur 
selten berührt werden, hat seinen Grund sichtlich in dem Um- 
stand, daß er sich zunächst weit mehr gedrungen fühlt, seiner 
heiligen Entrüstung über die Sünden und damit über die Größe 
der Schuld seines Volks einen kräftigen Ausdruck zu geben. 
Damit hebt der göttliche Auftrag für ihn an, daß er an die Ab- 
trünnigen, an „das Haus der Widerspenstigkeit** gesandt ist 
(2 3. 5. 5 5 ff. und oft). Und zwar ist es immer dieselbe Anklage, 
die im Vordergrund aller Beschuldigungen steht: die des groben 
Abfalls von Jahwe, des Götzendienstes. 

Für die richtige Beurteilung dieser Anklage ist allerdings 
ein doppeltes zu beachten. Erstlich: Unter Götzendienst ver- 
steht Hesekiel nicht bloß die wirkliche Verehrung fremder, 
heidnischer Götter 1 ), wie er 8 1 ff. in einem Gesicht die Vereh- 
rung des „Eiferbildes" (einer Aschera?) und allerlei Gewürms, 
die Beweinung des Tammuz und die Anbetung der Sonne im 
jerusalemischem Tempel erschaut, sondern auch den gesamten 
Jahwekult, sofern er ,mit dem Gebrauch von Jahwebildern und 
dem Opferdienst auf den sogenannten „Höhen" verbunden ist. 

Das Dt hatte kein Hehl daraus gemacht, daß die Beseiti- 
gung des Höhendienstes eine Neuerung sei, die mit einer gewis- 
sen Schonung durchgeführt werden müsse. Bedeutete sie doch 

*) Daß es sich Hes. 8 um altisraelitische Geschlechts- und Stammes- 
götter handle, wie RobebtsonSmith und Smend annehmen, läßt sich 
durch nichts beweisen. 



§ 20.] Hesekiel. 287 

ein Profanwerden alles Gebietes außerhalb Jerusalems — für 
die alte Anschauung ein unerträglicher Gedanke ! Infolgedessen 
liatte das Dt den bisherigen Höhenpriestern wenigstens ein 
Amtieren am Tempel gestattet und sie zugleich nach Kräften 
der Mildtätigkeit des Volkes empfohlen. Eine absolute Verur- 
teilung des Höhendienstes als eines schweren Verbrechens lag 
ihm also fern, wenn schon die Beschränkung des Kultus auf den 
Tempel seit Salomo Pflicht gewesen wäre. Ganz anders lautet 
das Urteil Hesekiels. Ihm war durch die Ereignisse von 597, 
durch die er persönlich so schwer betroffen war, und die ganze 
Folgezeit die Erkenntnis aufgegangen, daß die Wurzeln des Un- 
heils weit tiefer lagen, als daß ihnen die josianische Reform hätte 
beikommen können. Nicht erst von Salomo, sondern von allem 
Anfang an war der Kultus Israels, auch wenn er Jahwe gelten 
sollte, reiner Götzendienst. Denn er bewegte sich zuerst in ägypti- 
schen (23 3. 8) *), dann in kanaanitischen Formen. Das letztere 
meint der Prophet mit dem Beginn der großen Anklagerede ge- 
gen Jerusalem in c. 16: „Deine Abstammung und dein Ursprung 
sind aus dem Lande der Kanaaniter; dein Vater war Amorfter 
und deine Mutter Hethiterin. u Damit will er nicht nicht etwas 
Neues über die älteste Geschichte Israels lehren, sondern nur 
die heidnische Art seines Kultus auf das stärkste brandmarken. 
Dabei tritt es nicht bloß in den beiden großen Anklagereden 
c. 16 und 23, sondern auch anderwärts (vergl. z. B. 44eff.!) 
deutlich hervor: der heidnische Charakter dieses Kults bestand 
nicht bloß in spezitisch heidnischen Kultsitten, wie etwa Völlerei 
und Unzucht bei den Opfermahlen, sondern in dem gänzlichen 
Mangel an Feingefühl für das Heilige, der Gottheit Würdige. 
Kein Wunder, daß Hesekiel in der bloßen Verpflanzung dieses 
Kultus in ein Heiligtum nur eine halbe Maßregel erblickte, die 
nunmehr energisch durch eine ganze ersetzt werden müsse. Denn 
das Heiligtum war auch nach der Reform Josias weiter „verun- 
reinigt" worden; insbesondere scheinen Jahwebilder später wie- 
der Eingang gefunden und eine wichtige Rolle gespielt zu haben 

(5 11. 6 4 ff. 13. 7 20). 

*) Da es sich unter dem Bilde grober Unzucht, das der Prophet in 
c. 16 und 23 in äußerst drastischer Weise durchführt, nach bekanntem 
Sprachgebrauch nur um Götzendienst handeln kann (was uns auch durch 
20 8 bestätigt wird), so liegt die Vermutung nahe, daß Hesekiel durch 
die Deutung von Am. 5 26 auf die ägyptische Zeit des Volks zu obigem 
Urteil veranlaßt war. 



288 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 20. 

Zweitens aber fällt unter die Anklage des Götzendienstes 
als eines Ehebruchs gegenüber Jahwe auch das Buhlen um die 
Gunst und Hilfe der heidnischen Mächte (so deutlich 16 26 ff., 
wohl auch 23 s. 8. uff. 21; anderwärts ist bisweilen zweifelhaft, ob 
nicht wirklicher Abfall zu heidnischen Göttern infolge des poli- 
tischen Verkehrs gemeint ist). Für Hesekiel ist eben jede Be- 
rührung mit der heidnischen Sphäre eine äußere und innere Ver- 
unreinigung. 

Natürlich sind für Hesekiel beide Reiche (Samaria 23 4 
unter dem Namen 'oh°läh, d. i. „ihr [eigenes] Zelt", und Jerusa- 
lem unter dem Namen 'ohHibäh, d. i. „mein Zelt ist in ihr*, in 
gleicher Verdammnis. Doch ist Judas Schuld insofern größer, 
als es sich durch das Schicksal Sodoms und Samarias nicht nur 
nicht warnen ließ, sondern es noch weit ärger trieb als diese ihre 
Schwestern. Darum soll auch deren Schicksal gewendet werden, 
damit sie zur tiefen Beschämung Judas dastehen ; denn dieses 
hat den Beweis geliefert, daß im Vergleich mit ihm sogar Sodom 
und Samaria noch Nachsicht verdienten (16 46 ff. 23 11). 

Die speziellen Anklagen, die Hesekiel (bes. 22 6 ff.) gegen 
Jerusalem richtet, erstrecken sich vor allem auf Rechtsbeugung 
und Gewalttat und erinnern uns lebhaft an die immer wiederhol- 
ten Anklagen der früheren Propheten ; auffallig ist nur die starke 
Betonung der Blutschande (22 10 f.), die unmöglich bildlich zu 
verstehen ist. Uebrigens sind an der allgemeinen Verderbnis 
alle Stände mitschuldig: der König (Zedekia), an dem sein 
Meineid und Vertragsbruch schwer geahndet werden soll (17 11 ff.), 
die Oberen, die als Wölfe und schlechte Hirten dastehen (22 27. 
34 1 ff.), die pflichtvergessenen Priester (21 6 ff. 22 20), die lügen- 
haften Propheten (13 1 ff. 22 2s) und Prophetinnen (13 17 ff.), die 
das Volk in falsche Sicherheit einwiegen. 

Alle diese Schuld schreit nach Sühne. Wohl regt sich in 
Hesekiel im Angesichte des furchtbaren Gerichts das Mitleid 
mit dem untergehenden Volke, aber die Verschul düng ist zu groß, 
als daß noch Verschonung möglich wäre (9 sff. 1 1 13 u. oft). Selbst 
so exemplarisch Fromme wie Noah, Daniel und Hiob vermöch- 
ten jetzt nichts durch ihre Fürbitte auszurichten, sondern höch- 
stens sich selbst zu retten (14 14 ff.). Die jetzt drohenden Straf- 
gerichte sind nur der Abschluß der schon längst, freilich immer 
vergeblich, über Israel verhängten. Ganz eigentümlich ist dabei 
die Lehre des Propheten, daß Jahwe die Israeliten für ihren 



§ 20.] Hesekiel. 289 

Abfall auch durch die Verleihung nicht ersprießlicher Gebote, 
wie z. B. des Gebots der Kinderopfer, gestraft habe. Nur so 
kann der Ausspruch 20 25 ff. verstanden werden, mag auch der 
Prophet 16 20 f. und 23 39 diese Opfer als den Götzen darge- 
bracht bezeichnen. Immerhin ist es fast undenkbar, daß Hesekiel 
Kinderopfer als zum Verderben Israels von Jahwe selbst gefor- 
dert hingestellt haben sollte. Vielleicht bezeichnet er das Gebot 
Ex. 22 28 b nur deshalb als „nicht ersprießlich", weil es zu dem 
Wahne Anlaß gab, Gott verlange nicht bloß die Weihung, son- 
dern die tatsächliche Opferung der Erstgebornen. 

Mit völliger Klarheit sieht der Prophet das Anrücken der 
Chaldäer (21 23 ff.), die Belagerung der Stadt mit allen ihren 
Schrecken (4 1 ff. und ie f.), sowie ihre Einäscherung (10 2) voraus. 
Durch symbolische Handlungen versinnbildlicht er das Schicksal 
der Besiegten, die erneute Dezimierung der scheinbar schon 
Geretteten (5 1 ff.), sowie den Abzug ins Exil (12 3 ff.). Schwert, 
Hunger und Pest werden ohne Aufhören gegen sie wüten; das 
Land wird zur Wüste und samt dem Volk ein Gegenstand grim- 
miger Verhöhnung für die Heiden (5 14 ff. 33 27 ff.), während sie 
selbst im Exil unreines Brot essen müssen (4 9 ff.). 

Aber die Verwerfung ist doch keine endgültige. Zwar scheint 
es nach 21 e ff., als sollten durch das Strafgericht Fromme und 
Gottlose dahingerafft werden — ein Ausspruch, zu dem sich 
Hesekiel offenbar vorübergehend durch die Tatsachen getrieben 
sah. Aber im Grunde bleibt es doch bei der altprophetischen Er- 
wartung, daß eine wenn auch kleine Schar von Schwert, Hunger, 
wilden Tieren und Pest verschont bleiben werde (14 21 ff.). Sieht 
doch der Prophet im Geiste (9 4 ff.) nicht bloß die Preisgebung 
Jerusalems, sondern auch das Zeichen des Engels an der Stirn 
der zur Rettung Bestimmten. Weiter sieht er (37 1 ff.) die Auf- 
erstehung der Totengebeine, d. h. des im Exil gleichsam ins Grab 
gesunkenen Volkes, das durch den Odem Gottes zu neuem Leben 
erweckt wird. Die in das heilige Land Zurückgeführten werden 
dort fortan nach Beseitigung aller früheren Greuel sicher wohnen 
und sich reichen Segens von Jahwe zu erfreuen haben (11 17 ff. 
28 25 f. 34 13 ff. 36 8 ff. 33 ff. 39 25 ff.). Denn er gedenkt seiner 
früheren Verheißungen, vergibt Jerusalem alle seine Sünden und 
schließt einen ewig gültigen Bund mit ihm (16 6off. 37 20). Er 
kann fortan sein Angesicht nicht mehr vor seinem Volke verber- 
gen, da er seinen Geist über es ausgegossen hat (39 29). Und als 

E. EantzBch, Biblische Theologie d. A. T. 19 



290 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 20. 

die Frucht dieses Gottesgeistes wird die Ersetzung des bisherigen 
Wesens durch einen anderen Geist und ein neues Herz *), die 
Verwandlung des steinernen Herzens in ein weiches fleischernes 
Herz (11 19. 36 26 f.) verheißen. 

Sofern es dazu eines außerordentlichen Eingreifens Jahwes 
bedarf, kann die letzterwähnte Verheißung bereits zu den sog.mes- 
sianischen Weissagungen (im weiteren Sinne, s. o. S. 262 f.) 
gezählt werden. Solche finden sich bei Hesekiel auch im engeren 
Sinne, wenn auch spärlich und keineswegs besonders hervortre- 
tend. So kann der zarte Schößling vom Wipfel der hohen Zeder, 
der nach 17 22 ff. auf einen hohen und erhabenen Berg (den Tem- 
pelberg) gepflanzt und dort zu einer majestätischen Zeder wer- 
den soll, nur den messianischen König aus Davids Geschlecht 
bedeuten, unter dem Israel sicher wohnen wird. An seiner Er- 
höhung werden die heidnischen Königreiche („alle Bäume des 
Feldes") die Macht Jahwes erkennen. Von einer Weltherrschaft 
des messianischen Königs ist hier keine Rede. Auch 21 32 redet 
nur davon, daß der Staat in Trümmern liegen soll, bis der kommt, 
dem es (als Subjekt ist die Herrschaft zu denken) gebührt und 
dem es Jahwe verleiht. Einen Davididen verheißt Hesekiel aus- 
drücklich erst 34 28 f., aber auch dort nicht als den Vorkämpfer 
und Erretter des Volks, sondern nur als den rechten Hirten, 
der das Volk weiden wird, nachdem Jahwe selbst (V. 1 ff., in 
deutlichem Anschluß an Jer. 23 1 ff.) zugunsten seiner Schafe 
eingeschritten ist und eifrig (34 11 ff.) des Hirtenamtes an ihnen 
gewaltet hat. Erst dann wird er einen einzigen Hirten über sie 
bestellen, nämlich „seinen Knecht David". Daß hierbei nicht 
etwa an den wiederkehrenden König David, sondern, wie bei dem 
„rechten Sproß Davids" Jer. 23 5 nur an einen im Geiste Davids 
Regierenden gedacht ist, lehrt schon der Umstand, daß er nicht 
einmal „König" heißt; vielmehr (34 24): Ich, Jahwe, will ihr Gott 
sein, und mein Knecht David wird „Fürst" (näsVJ in ihrer Mitte 
sein. Ein Weiteres aber wird nicht von ihm ausgesagt. Jahwe 
allein ist es, der (V. 25 ff.) einen Friedensbund mit dem Volke 
schließt, ihm Sicherheit vor wilden Tieren, wie vor Unterdrückung 
und Hohn der Feinde, und dem Lande reiche Fruchtbarkeit ver- 



l ) Wenn es 18 si in etwas anderem Zusammenhang heißt: „Schaut 
euch ein neues Herz und einen neuen Geist!" so wird dadurch nicht 
hinfällig, daß die Verleihung des neuen Geistes doch nur von Gott aus- 
gehen kann. 



§ 20.] Hesekiel. 291 

leiht. Dieselbe Weissagung kehrt wieder 37 22 ff. nach der sym- 
bolischen Handlung der Vereinigung zweier Stäbe (Judas und 
Josephs) in der Hand Hesekiels. Auch das längst untergegan- 
gene nördliche Reich soll mit Juda wieder zu einem Reiche 
unter einem König verbunden sein. Aber wieder ist es (V. 23) 
Jahwe selbst, der sie errettet und reinigt, daß sie wieder sein 
Volk seien. Nun scheint allerdings in 37 22 ff. gegenüber 34 2s f. 
eine Steigerung vorzuliegen, sofern es 37 24 f. nicht nur heißt 
„und mein Knecht David soll König über sie sein", sondern 
(V. 25) „mein Knecht David soll für immer ihr Herrscher sein". 
Hat der Prophet in der Zwischenzeit seine Erwartung so stark 
umgestaltet, daß er nunmehr einen König von ewiger Regierungs- 
dauer erwartet? Das ist unmöglich, weil es in völligem Wider- 
spruch stehen würde mit der Rolle, die der „Fürst" (also nicht 
König!) in dem Zukunftsprogramm des Hesekiel c. 40 — 48, 
spielt (8. unten). Aber auch abgesehen davon tritt in c. 37, wie 
c. 34, Jahwe als der eigentliche Herrscher, der sein Heiligtum 
in ihrer Mitte bewohnt und über dem ewigen Friedensbund mit 
ihnen waltet, dermaßen in den Vordergrund, daß daneben für 
die Messiasidee kaum noch Raum bleibt. 

Wie anderwärts in den Zukunftserwartungen der Propheten 
nimmt auch bei Hesekiel die Bedrohung der auswärtigen 
Völker einen ziemlich breiten Raum ein; ja nach 30 2 f. scheint 
es, als ob der seit Arnos erwartete „Tag Jahwes" ausschließlich 
ein Gerichtstag über die fremden Völker sein solle. Dabei wird 
zwar auch die Feindseligkeit der Fremden gegen Israel als Grund 
des göttlichen Zorns genannt (so die Schadenfreude und Rach- 
gier der Ammoniter 25 3, der Moabiter V. 8, der Edomiter V. 12 
und nochmals c. 35, der Philister 25 15, der Tyrier 26 2). Aber der 
Hauptgesichtspunkt ist doch immer, daß der Machtdünkel und 
all das hochmütige Gepränge der Heiden zu Schanden werden 
soll, „damit sie erkennen, daß ich Jahwe bin" (25 7. 11. 17 etc.). 
Am längsten und kräftigsten ergießt sich daher die Drohung 
gegen die stolzesten und mächtigsten Völker: gegen Tyrus 
(c. 26 — 28), weil es sich (27 s) für die vollendete Schönheit und 
sein König sich (28 2) sogar für einen Gott erklärte, und gegen 
die Aegypter (c. 29 — 32), weil sich der Pharao (29 3) gebrüstet: 
mein ist der Nil, ich habe ihn gemacht! Diesen Hochmut wird 
Gott strafen, wie er dereinst schon die üeberhebung der assyri- 
schen Helden gestraft hat, deren Gräber (als der Ruchlosesten) 

19* 



292 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 20. 

in den äußersten Winkel der Gruft gelegt sind (32 23, beiläufig 
der erste Ansatz zu einer Unterscheidung zwischen den Bewoh- 
nern der Unterwelt und damit zu der Lehre von den Höllen- 
strafen). 

Eigentümlich ist der Eschatologie Hesekiels die Erwartung 
eines feindlichen Ansturms gewaltiger Völkermassen unter Gog, 
dem Fürsten im Lande Magog, gegen das bereits wiederbesiedelte 
Land Israel, also nach dem Anbruch der messianischen Zeit 
(c. 38 f.). Auch hier ist der wesentliche Gesichtspunkt (38ie): 
„damit mich die Völker kennen lernen, wenn ich mich vor ihren 
Augen heilig erweise" (vergl. auch 39 7). Davon, daß diese Er- 
kenntnis weiter zu einem Anschluß der Völker an Jahwe, zu 
einem Anteil am Heile Israels führe, ist hier so wenig wie ander- 
wärts bei Hesekiel die Rede. Auf den Bergen Israels soll Gog 
fallen, und so unermeßlich wird die Zahl seiner Krieger sein, 
daß man sieben Jahre lang mit ihren Waffen heizen und sieben 
Jahre an ihren Leichen zu begraben hat. 

Wenn sich Hesekiel (38 17) auf die Weissagungen früherer 
Propheten über Gog beruft, so vermögen wir nicht zu sagen, 
welche Sprüche (falls sie uns überhaupt noch erhalten sind) er 
dabei im Sinne haben könnte. Jedenfalls aber ist sein Hinweis 
ein Zeugnis dafür, daß die vorexilische Prophetie bereits Gegen- 
stand der Reflexion für ihn war. Und darin spricht sich zugleich 
das Bewußtsein aus, daß die alte Prophetie, das Erzeugnis des 
unmittelbar wirkenden Gottesgeistes, so gut wie ganz erloschen 
ist und wesentlich durch schriftstellerische Tätigkeit ersetzt wer- 
den muß. 

In den Bereich der letzteren gehört nun zweifellos die ganze 
Perikope (c. 40 — 48), die nach dem oben Dargelegten von bahn- 
brechender Bedeutung für die weitere Gestaltung der Religion 
Israels geworden ist: der Entwurf zu der Neugestal- 
tung des Heiligtums und des Kultus nach der 
Rückkehr des Volks aus dem Exil 1 ). Nicht als ob es in 
c. 1 — 39 ganz an Andeutungen fehlte, die auf dies letzte Ziel der 
Gerichte Gottes hinwiesen ; wir finden solche z. B. 20 40 f. 37 26. 28. 
Aber in c. 40 — 48 treten diese Interessen, der Neubau des Tem- 
pels in allen seinen Einzelheiten, die genaue Regelung der Opfer 
und Feste usw. in einem Grade in den Vordergrund, daß alles 

J ) Vergl. hierzu Bertholet, Der Verfassungsgesetzentwurf des Eze- 
chiel in seiner religionsgeschichtlichen Bedeutung. Freiburg i. B. 1896. 



§ 20.] Hesekiel. 293 

andere, d. b. alles, was nicht zum Kultus gehört, nur als Anhäng- 
sel und kaum der Erwähnung wert erscheint. 

Allen den mannigfaltigen und komplizierten Anordnungen 
in c. 40 — 48 liegt doch strenggenommen nur ein Gedanke zu- 
grunde — die unbedingte Darstellung und Wahrung der Heilig- 
keit Gottes im Gegensatz zu ihrer endlosen Befleckung in der 
vorexilischen Zeit. Diese Wahrung aber erfolgt durch eine große 
Zahl äußerlicher Veranstaltungen und Ordnungen. Allerdings 
sind diese im Grunde nur symbolische Darstellungen der 
Heiligkeit Gottes und des Eifers, der auf ihre Wahrung gerich- 
tet ist; aber ihre strenge Beobachtung ist schlechthin unerläßlich 
und nicht etwa (wie die Opfer nach altprophetischer Auffassung) 
bloß eine, allenfalls auch entbehrliche Betätigung der frommen 
Gesinnung. Hesekiel ist eben der Urheber der Gesetzesreli- 
gion , des Levitismus. Dafür ist vor allem anderen charakteri- 
stisch, daß die Verletzung der Heiligkeit Gottes ausschließlich 
als objektive Tatsache, ohne Rücksicht auf Absicht und Beweg- 
grund des Urhebers, gewertet wird. Unbewußte levitische Ver- 
unreinigung und wissentliche Sünde ziehen ganz dasselbe Maß 
von Verschuldung nach sich. 

An der Spitze aller Anordnungen stehen naturgemäß die 
über den heiligen Raum. Die Idee, daß nunmehr das ganze 
Land Jahwe geheiligt ist, findet ihren symbolischen Ausdruck in 
der Hochheiligkeit nicht bloß des Tempels, des Orts der Einwoh- 
nung Jahwes, sondern des ganzen Bereichs rings um den Tempel 
auf dem Gipfel des Bergs (43 12). Denn Stadt und Tempel wer- 
den alsdann auf einem sehr hohen Berge liegen (40 2) zum Er- 
weis ihrer, jede andere Stätte auf Erden überragenden Bedeu- 
tung. Eine Verunreinigung des Heiligtums, wie sie ehedem durch 
die Königsgräber dicht neben dem Tempel herbeigeführt wurde 
(43 7), ist dann völlig ausgeschlossen. An die Heiligkeit des Vor- 
hofs erinnert beständig dasVerschlossenbleiben des Osttors (44 1), 
durch das Jahwe vom Oelberg her seinen Wiedereinzug ins Hei- 
ligtum gehalten hat. Der ganze heilige Bezirk aber mit Einschluß 
des Priester- und Levitengebiets ist eine „Hebe" vom Land (45iff. 
48 8 ff.), eine Art Opfergabe, durch die alles übrige Land ebenso ge- 
heiligt und gebrauchsfähig gemacht wird, wie die Früchte des 
Landes durch die Abgabe der Erstlinge an Jahwe. An den hei- 
ligen Bezirk schließt sich unmittelbar das Gebiet der Stadt und 
das Dominialland des Fürsten an. Dem ersteren eignet auch 



294 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 20. 

noch ein gewisser Grad von Heiligkeit; soll doch die Stadt nach 
48 35, dem Schlußwort der ganzen Perikope, fortan heißen „Jahwe 
daselbst ! u Sie gehört keinem Stamm ausschließlich, sondern 
Leute aus allen Stämmen sollen sie bewohnen (48 19). 

Gemäß dieser ihrer Bedeutung ist die Stadt samt der heili- 
gen Hebe das Herz und fast genau auch der Mittelpunkt des ge- 
samten Landes ; denn nördlich von ihr liegen sieben, südlich fünf 
Stämme, unter letzteren, ganz abweichend von dem einstigen ge- 
schichtlichen Tatbestand, auch Issachar, Sebulon und Gad. Das 
Ostjordanland war wohl längst zu stark von Heiden besetzt, als 
daß es Hesekiel noch hätte zum heiligen Lande rechnen kön- 
nen. Dagegen sollen die unter Israel wohnenden Fremden, die 
Söhne erzeugt haben (also dauernd ansässig sind), ganz wie die 
eingebornen Israeliten gelten und auch Erbbesitz erhalten (47 22). 
Der Sinn dieser auf den ersten Blick auffälligen Bestimmung ist 
der, daß es in dem neuen Staat nur vollbürtige Glieder der Kul- 
tusgemeinde, mit gleichen Rechten, aber auch gleichen Pflichten 
geben kann. 

Einen überaus drastischen Ausdruck findet endlich die Idee, 
daß das Jahwe geheiligte Land von seinem Segen überströmt 
sein wird, in der Schilderung der Tempelquelle 47 1 ff., die unter 
dem Tempel selbst entspringt, anfangs ein seichtes Wässerlein, 
aber schon nach einem Lauf von 4000 Ellen ein mächtiger Strom 
wird, der zahlreichen Bäumen an seinen Ufern immergrünes 
Laub und nie versagende Früchte schafft, das Wasser des toten 
Meeres gesund und überaus reich an Fischen macht. Das alles 
geschieht, „weil das Wasser vom Heiligtum ausgeht"; eben dar- 
um hat es eine magische Wirkung (47 12). 

In welchem Grade für Hesekiel auch die subtilsten Bestim- 
mungen über Kultusangelegenheiten von Wichtigkeit sind, das 
lehren seine Anordnungen über die Opfertische (40 39 ff.), die 
Priesterzellen (42 13 f.), die Sündopfer zum Behuf der siebentägi- 
gen Altarweihe (43 18 ff.), die im Kultus zu brauchenden Maße 
und Gewichte (45 9 ff.), die Fest- und Opferordnung (45 18 ff.); 
vergl. dazu auch die komplizierten Vorschriften über Ort und 
Anzahl der Opfer des Fürsten in c. 46). In betreff der Feste ist 
bemerkenswert, daß sie — wie schon die genaue Datierung be- 
weist — von ihrem einstigen Zusammenhang mit dem Naturlauf 
(als Erntefeste) losgelöst und zu kirchlichen Opferfesten gewor- 
den sind. Denn abgesehen vom Verbot des Sauerteigs für die Zeit 



§ 20.] Hesekiel. 295 

des Passah ist (45 21 ff.) von nichts als den offiziell darzubringen- 
den Opfern die Rede. Ueberaus bezeichnend ist die gänzliche 
Ignorierung des Wochenfestes, das sogar P gemäß uralter Tra- 
dition als Erntefest beibehält, und nicht minder, daß die beiden 
Sühnetage, die Hesekiel je am Beginn einer Jahreshälfte ansetzt 
(45 18 ff.), nicht einen Bußtag für das Volk bedeuten, sondern 
eine Entmündigung des Heiligtums durch äußerliche Zeremonien 
bezwecken „wegen derer, die sich etwa aus Irrtum oder Unwis- 
senheit verfehlt haben". Die Reinigung des Tempelgebäudes von 
levitischer Verunreinigung erscheint hier dermaßen als dieHaupt- 
sache, daß die Reinigung der Herzen, die den vorexilischen Pro- 
pheten weitaus das wichtigste gewesen wäre, in diesem Zusam- 
menhange unerwähnt bleibt. 

Manches von Hesekiel Angeordnete mag auf altem Her- 
kommen beruhen, das dem Priester Hesekiel, vielleicht von 
seiner eignen Amtspraxis her, wohlbekannt war. Zweifellos neu 
aber und folgenschwer ist seine Unterscheidung (40 46 und beson- 
ders 44 6 ff.) von solchen Priestern aus Levi, die zugleich Nach- 
kommen Zadoks sind, d. h. zur erbeingesessenen Priesterschaft 
Jerusalems gehören, und den andern Priestern aus Levi, die dem 
Volke gedient haben in der Zeit seiner Verirrung, d. h. den frühe- 
ren Höhenpriestern. Nur den Zadokiten soll fortan das legitime 
Priestertum zustehen; die andern „sollen die Polgen ihrer Schuld 
tragen" und zur Leistung aller der niederen Dienste im Kultus 
verurteilt sein, die früher von Unbeschnittenen (Sklaven und 
Kriegsgefangenen) verrichtet worden waren (44 10 ff.). Erst He- 
sekiel hat damit die Unterscheidung von Priestern und Leviten 
angebahnt, die uns aus P und der Chronik so geläufig ist, daß 
wir uns den israelitischen Kult vom Sinai an schwer ohne sie 
vorstellen können, während sie doch sogar dem Dt noch ganz 
unbekannt ist. 

In den Spezialvorschriften für die Priester (44 17 ff.) ist wie- 
derum bemerkenswert, daß an der Spitze ihrer Amtspflichten 
(V. 23) die Unterweisung des Volkes über den Unterschied von 
heilig und gemein, rein und unrein und dann erst ihre richter- 
liche Befugnis erwähnt wird. 

Neben den Priestern spielt der „Fürst" (näsT), wie schon 
oben erwähnt, eine ziemlich farblose Rolle. Ein Oberhaupt mußte 
vorhanden sein, und nichts lag näher, als die Anknüpfung an die 
mehrhundertjährige geschichtliche Tradition, also die Erwartung 



296 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 20. 

eines politischen Oberhaupts aus Davids Geschlecht. Ganz un- 
nötig hat man sich darüber verwundert, daß Hesekiel dem Prie- 
sterstaat nicht eine geistliche Spitze gebe, vielmehr über den 
„Hohenpriester 44 gänzlich schweige. Aber Hohepriester hatte es 
vor dem Exil überhaupt nicht gegeben, sondern höchstens Ober- 
priester zu Jerusalem. Diese waren aber lediglich hohe könig- 
liche Beamte gewesen, und es ist sehr wohl möglich, daß Hesekiel 
das Wiederaufleben dieser priesterlichen Beamten aus guten 
Gründen nicht wünschenswert fand. Der Gedanke, daß in dem 
neuen Jerusalem an die Stelle des nationalen, politischen Haup- 
tes ein geistliches, und zwar nun einHoherpriester, treten 
werde, lag ihm fern. So blieb es denn für Hesekiel bei einem 
politischen Oberhaupt — aber dieses ist strenggenommen nur 
der Bürge für den regelmäßigen Betrieb des Kultus. Denn man 
kann doch kaum von einem souveränen Fürsten reden, wenn die- 
sem näsV ein Dominialland am östlichen und westlichen Ende der 
heiligen Hebe angewiesen wird, aber mit dem Ausdruck befremd- 
lichen Mißtrauens, „damit meine Fürsten mein Volk fortan nicht 
mehr vergewaltigen, sondern das Land dem Hause Israel nach sei- 
nen Stämmen überlassen" (45s. 46 is). Allerdings erhält der Fürst 
nach 45i3ff. noch eine „Hebe 44 vom Volk an Weizen, Gerste, Oel 
und Schafen ; dafür liegt ihm aber die Darbringung aller Gemeinde- 
opfer an den Festen, Neumonden und Sabbathen, sowie des tägli- 
chen Morgenbrandopfers und Speisopfers (45 17 ff.) ob. Das einzige 
Vorrecht aber, dessen er sich erfreut, ist der Eingang in die Vor- 
halle des für gewöhnlich verschlossenen Osttors (44 3. 46 2), da- 
mit er von dessen Schwelle aus der Herrichtung seiner Opfer 
durch die Priester zusehen und auf der Schwelle anbeten kann. 
Daß dieser näsV von Hesekiel nicht als der Messias gedacht sein 
kann, bedarf keines Beweises. 

Fragen wir nun zum Schluß: wie hat der Prophet selbst über 
die Verwirklichung dieses seines Zukunftsprogramms gedacht? 
so ist zu antworten : Man muß unterscheiden zwischen solchen 
Erwartungen, deren Erfüllung in keines Menschen Macht stand, 
wie die Erhöhung des Tempelbergs oder die Schaffung der wun- 
derbaren Tempelquelle oder auch die Wiederbringung der 10 
Stämme — und solchen, die im Bereiche menschlichen Strebens 
lagen. Mit den letzteren aber war es Hesekiel voller Ernst, und 
der weitere Verlauf der Dinge hat ihn vollkommen gerechtfertigt. 
Allerdings war in einigen Fällen die Macht der uralten Sitte 



§ 21.] Der sogenannte Deuterojesaja. 297 

stärker als die Theorie des Propheten, so z. B. in betreff des 
Wochenfestes. Anderes, wie die Degradation der einstigen Ho- 
henpriester, konnte offenbar erst nach schweren Kämpfen in sehr 
gemilderter Form durchgesetzt werden. Im großen und ganzen 
aber bleibt es dabei, daß uns heute in P eine möglichst genau an 
die Vorschriften Hesekiels sich anschließende Neuordnung des 
Kultus vorliegt. Dafür zeugen ganz besonders die Parallen in P 
zu den speziellen Vorschriften für die Priester Hes. 44 17 ff. Al- 
len Spuren nach gingen die Priesterkreise — und zwar an ver- 
schiedenen Arbeitsherden — bereits während des Exils ans Werk, 
um die Gedanken des Propheten zu einem Kultusgesetz zu ver- 
arbeiten. Die Frucht dieser mannigfaltigen, aber von durchaus 
einheitlichem Geiste getragenen Bemühungen war das große 
priesterliche Geschichts- und Gesetzbuch, dessen Einführung dem 
nachexilischen Judentum endgültig den Stempel aufdrückte, den 
es, wie in der neutestamentlichen Zeit, so bis auf den heutigen 
Tag getragen hat. 

Freilich wird auch hier offenbar : der Weg der geschicht- 
lichen Entwicklung ist keineswegs immer ein geradliniger. Mit- 
ten hinein in die Arbeiten, die der Kodifizierung eines priester- 
lichen Gesetzes im Geiste Hesekiels gewidmet waren, fällt noch 
einmal die machtvolle Betätigung der genuinen Jahweprophetie 
in Gestalt des sogen. Deuterojesaja. Ihr haben wir uns zunächst 
zuzuwenden. 

§ 21. Der sogenannte Deuterojesaja. 

Zur Literatur: HRot, Israel und die Welt in Jes. 40 — 55. Ein 
Beitrag zur Ebed-Jahweh-Frage. Leipzig 1903. — AZillessen, Der alte 
und der neue Exodus. Eine Studie zur israelit. Prophetie, speziell zu 
Jes. 40 ff. Archiv f. Rel.-Wiss. 1903, Bd. 6, S. 289-304. — FMaecklen- 
bukg, Ueber die Auffassung der Berufstätigkeit des Ebed-Jahwe nach 
den Ebed- Jahwestücken Jes. 42 1—7. 49 1—9. ZwTh. 48, 3 und 4 (1905). 

— FFeldmann, Der Knecht Gottes in Jesajas Kap. 40 — 55. Freiburg 
1907. — Ceamer, Der Begriff rpix bei Tritojesaja. ZaW. 1907, S. 79—99 

— CvOeelli, Der Knecht Jahves im Jesajabuche. (Bibl. Zeit- und Streit- 
fragen IV, 6.) Groß-Lichterfelde 1908. 

Die Tatsache, daß mit dem 40. Kapitel des Jesaja ein ganz 
neues Buch beginnt, das nirgends einen Anspruch erhebt, ein 
Werk Jesajas zu sein, kann gegenwärtig als endgültig festgestellt 
gelten. Streitig ist dagegen noch immer der Umfang dieses sogen. 
Deuterojesaja. Nach der früher allgemein herrschenden Annah- 
me umfaßte er c. 40—66. Mehr und mehr fand man jedoch die 



298 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 21. 

Erkenntnis bestätigt, die schon Eichhorn gewonnen und Kue- 
NEN erneuert hatte: daß ein Teil von 40 — 66 erst nach der Rück- 
kehr aus dem Exil in Jerusalem verfaßt sein könne 1 ). Man be- 
gnügte sich jedoch zunächst mit der Abtrennung von c. 63—66 
als eines späteren Nachtrags, bis schließlich die Scheidung zwi- 
schen c. 40 — 55 als dem Deuterojesaja und c. 56— 66 als dem Trito- 
jesaja zu fast allgemeiner Anerkennung gelangte. Auch wir hal- 
ten dies für das richtige. Uebrigens bestätigt Jesaja 40—66 in 
glänzender Weise die Tatsache, daß Authentizitätsfragen für die 
Wertung des religiösen und ethischen Gehalts einer alttestament- 
lichen Schrift von geringem Belang sind. Ja die volle Bedeutung 
des herrlichen Buches c. 40—55 konnte erst von denen erkannt 
und festgestellt werden, die es geschichtlich verstehen lehrten 
aus den letzten Jahren vor der Eroberung Babels durch Kyros 
(538) und der durch ihn ermöglichten Heimkehr eines Teils der 
Exulanten. 

Das Buch des „großen Unbekannten" würde für seine Zeit- 
genossen schon bedeutungsvoll genug gewesen sein, wenn es nichts 
anderes gewesen wäre als ein Trostbuch für die Exulanten, das 
ihnen das Ende der Knechtschaft, die Heimkehr ins heilige Land 
und eine erneute Gnadenzeit Jahwes verhieß. Aber es bietet un- 
endlich mehr. Von einer Höhe der prophetischen Betrachtung 
aus, die in alttestamentlicher Zeit kaum ein anderer wieder er- 
stiegen hat, lehrt es die ganze vorangegangene Geschichte Israels 
wie seine gesamte Zukunft unter dem Gesichtspunkt eines uran- 
fänglichen, allweisen, die gesamte Völkerwelt umspannenden 
Heilsplans Jahwes verstehen. Die Schranken der Volksreligion 
sind hier vollständig niedergebrochen und der Grund zur Welt- 

l ) Zu der Entscheidung des Streits über Deuterojesaja und Trito- 
jesaja haben insbesondere beigetragen : Duhm (im Kommentar zum Buche 
Jesaja. Gott. 1892. 2. Aufl. 1902; er beginnt den Tritojes. mit c. 56); 
Cheyne (Introd. to the book of Js. Lond. 1895 ; er setzt c. 56 i — 8. 58 
und 59 unter Artaxerxes II. oder III. an, c. 63 7 — 64 12 [11] um 350 v. Chr., 
c. 66 unter Darius Ochus); HGhessmann, Ueber die in Jes. c. 56—66 
vorausgesetzsen zeitgeschichtlichen Verhältnisse. Gott. 1899. (Nach ihm 
bilden die cc. 56 — 66 kein einheitliches Ganzes, stammen aber sämtlich 
aus nachexilischer Zeit und aus Judäa.) ELittmann, Ueber die Abfas- 
sungszeit des Tritojesaja. Freib. i. B. 1899. Nach L. umfaßt der Trito- 
jes. c. 56—63 6 (außer 59 5 — 8 und vielleicht 56 1— s), sowie c. 65 und 66 
(außer 66 23 f.) und stammt ganz aus der Zeit zwischen 457 und 445 
vor der Ankunft Neheraias, dagegen c. 63 7 ff. und 64 aus der Zeit zwi- 
schen 538 und 520. 



§ 21.] Der sogenannte Deuterojesaja. 299 

religion gelegt, ohne daß doch die altprophetischen Gedanken 
von der Erwählung und Bevorzugung Israels aufgegeben sind. 
Wie sich beide, scheinbar heterogene Anschauungen vereinigen 
ließen, wird nachher zu zeigen sein. Die ganze einsame Größe 
des Deuterojesaja vergegenwärtigen wir uns am besten, wenn wir 
ihn mit Hesekiel oder den ungefähr gleichzeitigen Stellen Deut. 
4 1» f. und 32 8 vergleichen. In Hesekiels Zukunftserwartungen 
war für irgendwelchen Anteil der Heiden an dem Heil Israels 
kein Haum. Deut. 4 19 f. aber wird unumwunden die Meinung 
ausgesprochen, daß Jahwe die Heiden zur Verehrung der Ge- 
stirngottheiten bestimmt (d. h. also gleichsam zum Götzendienst 
verurteilt) habe, während er Israel zu s e i n e m Eigentum erwählte. 
Ganz denselben Gedanken drückt Deut. 32 8 nach der richtigen 
Lesart der Sept. aus : Jahwe bestimmte die Grenzen der Völker 
nach der Zahl der Götter (b'ne i(B löMm), d. h. er teilte jedem der 
[Unter-] Götter ein bestimmtes Volk zu, während er Israel für 
seinen Erbbesitz erklärte. 

Dem oben erwähnten Grundgedanken eines eben jetzt offen- 
bar werdenden göttlichen Heilsplans, der alle Völker umfaßt und 
zugleich alle Rätsel der Geschichte Israels löst, sind zunächst alle 
die Aussagen untergeordnet, aus denen man unschwer den über- 
aus hochstehenden Gottesbegriff unseres Propheten ersehen 
kann. Voraussetzung eines schlechthin einheitlichen Weltplans 
ist die Einzigkeit Gottes. Der absolute Monotheismus ist hier 
auf den klarsten und schärfsten Ausdruck gebracht (43 10 f. 44 
6. 8. 45 5 f. 14. 18). Voraussetzung der lückenlosen Durchführung 
ist die Ewigkeit (41 4. 44 e), Un Veränderlichkeit (41 4. 43 13) und 
immer gleiche Machtfülle (40 28 ff.) Gottes. Seine Allmacht wird 
vor allem durch seine Schöpfertätigkeit bewiesen. Er allein hat 
den Himmel ausgespannt, die Erde geschaffen (40 12. 22 ff. 28. 42 s. 
44 24. 45 12. 18) in der Fülle seiner Allgewalt und der Stärke sei- 
ner Kraft (40 20); es bedurfte nur seines Zurufs, so standen sie 
da (48 13). Er ist der Urheber aller Menschengeschlechter von 
Anfang an (4 1 4) und lenkt mit souveräner Allmacht die Geschicke 
auch der mächtigsten Menschen (40 23 f.) ; sind doch auch die 
Völker vor ihm nur wie ein Tropfen am Eimer und ein Stäub- 
chen an den Wagschalen (40 15 ff.). Wie könnte da der ein- 
zelne mit ihm hadern, — die Scherbe mit dem Töpfer! (45 9). 
Wie im ersten Jesaja wird Gott auch hier häufig als „der Heilige 
Israels " bezeichnet und zwar gleichfalls im Sinne seiner absolu- 



300 Der Prophetisoius seit dem Exil. [§21. 

ten Erhabenheit über alles Kreatürliche und Vergängliche und 
damit natürlich auch über alle Befleckung und Verunehrung 
(41 14. 16. 43 s. i4 etc,). Dadurch ist auch die Darstellung Gottes 
in irgend welchem Bilde schlechthin ausgeschlossen (40 uff.), 
wie sich denn überhaupt unser Prophet in der Schilderung der 
Torheit und Widersinnigkeit des Götzen- und Bilderdienstes nicht 
genug tun kann (vgl. 41 20 und ganz besonders die fast humoristi- 
sche Ausführung 44 9 ff. 46 6 ff.). Der Heiligkeit Gottes entspricht 
es auch, daß all sein Tun im tiefsten Grunde der Ehre seines 
Namens gilt (48 9. 11); er will „seine Ehre keinem anderen geben, 
noch seinen Ruhm den Götzen" (42 s), als hätten sie ausgeführt, 
was allein sein Werk war. 

Die spärlichen Aussagen über die Mittel Gottes zur Aus- 
führung seines Welt- und Heilsplans nennen vor allem das pro- 
phetische Wort ; dieses ist von unwiderstehlicher Wirkung (55 10 f.) 
und ewiger Gültigkeit (42 9). In der genauen Vorhersagung der 
wunderbaren Ereignisse der Gegenwart (der Sendung des Kyros 
und der nahe bevorstehenden Errettung Israels) erblickt unser 
Prophet einen der stärksten Beweise für die Einzigkeit und All- 
macht des Gottes Israels (41 25 ff. 42 9. 43 10 ff. 44 7 f. 26 ff. 45 n. 
46 10 f. 48 8 ff. 14 ff.) ; die nichtigen Götzen können weder das 
Frühere deuten, noch das Künftige vorhersagen (41 21 ff.). 

Wie bei den vorexilischen Propheten und im Dt. beruht die 
Bevorzugung Israels auf seiner Erwählung (41 8 f.). Diese aber 
wird nicht einfach auf die Liebe Gottes zu Israel zurückgeführt, 
wie es nach 43 s f. scheinen könnte, sondern auf die besonderen 
Absichten, die Jahwe durch Israel, seinen Knecht (s. u.), zum 
Heil der ganzen Welt verwirklichen will. Darum hat er es liebe- 
voll getragen vom Mutterschoße an (46 s), und als es durch seine 
Sünden den gerechten Zorn Gottes erregte, da gab er es zwar 
seinen Feinden preis (42 24 f. 50 1. 51 17): aber nicht das war 
seine Absicht, daß sich Babel, die Vollstreckerin seines Gerichts, 
erbarmungslos gegen Juda erweisen solle (47 e). Um so mehr er- 
achtet nun Gott die alte Schuld des Volkes für gesühnt, ja für 
zwiefältig abgebüßt (40 2. 51 19). Bei alledem ist die kommende 
Rettung nichts als der Ausfluß der freien Gnade Gottes und we- 
der durch Opfer, noch durch ein sonstiges Verdienst Israels her- 
beigeführt; vielmehr hätte dieses durch seine Sünden von seinem 
ersten Ahnherrn (Jakob) an eigentlich die Vernichtung verdient 
(43 22 ff. 48 1. 4. 8). Aber Jahwe tilgt wie eine Wolke seine Ueber- 



§21.] Der sogenannte Deuterojesaja. 301 

tretungen (44 22). 

Um so weniger ist nach alledem der Kleinmut berechtigt, 
in dem Zion klagt, daß es von seinem Gott verlassen und ver- 
gessen sei (40 27. 49 u). So wenig wie eine Mutter ihres Säug- 
lings hat er der Gemeinde Israels vergessen (49 15). Ist doch 
er, ihr Schöpfer, zugleich ihr Gemahl, der die Jugendgattin nim- 
mermehr verwerfen kann (54 5 ff.). Das Werkzeug aber, dessen 
sich Jahwe zur Rettung seines Volkes und zur Verwirklichung 
seines weiteren Heilplans bedient, ist Kyros. Der Prophet redet 
von ihm und seiner göttlichen Sendung in so ehrenvollen Aus- 
drücken, daß man gemeint hat, er erblicke in ihm tatsächlich den 
von den früheren Propheten verheißenen Messias. Jahwe selbst 
nennt ihn seinen Hirten (44 28), ja seinen Gesalbten, dessen Rechte 
er ergriffen habe, um Völker vor ihm niederzuwerfen, den er um 
Israels willen bei seinem Namen gerufen (45 1 ff.), dem er alle 
seine Wege ebnen will (45 ia) als dem Mann seines Ratschlus- 
ses (46 11), den er lieb hat (48 u). 

Wenn der Siegeslauf des Kyros s zu deuten ist, dann ist 
für Israel kein Grund mehr zu banger Furcht; mit voller Freu- 
digkeit darf es der Offenbarung der Herrlichkeit Jahwes entge- 
gensehen (40 5. 41 10 ff.). Er verleiht den Gefangenen sichere 
Heimkehr; von allen Seiten her bringt er sie zusammen (43 ff.) 
und überbietet alsdann noch seine einstigen Großtaten bei der 
Ausführung aus Aegypten (43 16 ff.). Er schafft ihnen in der 
Wüste eine wohlbereitete, gefahrlose Bahn (40 3. 42 16. 43 2. 49 iof.), 
sorgt überreichlich für Wasser und prächtige Bäume (41 nff.43 18 ff. 
48 21) und geleitet sie selbst als liebevoller Hirt (41 11. 52 12). Die 
ganze Natur begleitet diese Rettungstaten mit ihrem Jubel (42 10 ff. 
44 23. 49 13. 55 12). Wie ein Brautschmuck werden die Heimge- 
kehrten für Zion, die scheinbar verlassene und tief betrübte Stadt 
sein ; sie wird staunen ob der Menge ihrer Kinder und fast nicht 
Raum genug für sie alle haben (49 18 ff. 54 1 ff.). Denn mit Jakob 
(Juda) werden auch „die aus Israel Bewahrten" zurückkehren 
(49 5 f.). Jahwe aber wird wiederum als König auf dem Zion 
herrschen (52 7 f.) und alle die Gnaden Verheißungen, die er einst 
David, dem Zeugen seiner Herrlichkeit und dem Gebieter über 
Nationen, gegeben hat, an seinem Volke erfüllen, indem es 
fremde, ja ihm noch unbekannte Völker an sich ziehen wird 
(55 3 ff.). Denn sie alle müssen erkennen, daß Jahwe den Ky- 
ros berufen und mit Sieg gekrönt hat, und dem Gotte Israels 



302 Der Propheti8mus seit dem Exil. [§ 21. 

die Ehre geben (41 i ff.). Israel selbst aber erfährt durch die 
Ausgießung des Geistes Gottes (44 3 ff.), die die innigste Zugehö- 
rigkeit jedes Einzelnen zu Gott besiegelt (44 5) und sie alle zu 
wahrhaften Jüngern Jahwes macht (54 is), eine wunderbare Ver- 
jüngung (40 29 ff.). Die Dauer dieses erneuten „Bundes" aber 
wird unbegrenzt sein; auf den kurzen Zeitraum des Zornes Got- 
tes folgt eine Zeit ewiger Gnade, ewigen Heils (45 17. 54 7 ff.) *). 

Mit alledem ist jedoch der Gedankeninhalt dieses einzigar- 
tigen Buches noch nicht erschöpft. Das Wunderbarste in ihm ist 
die Idee von Israel als dem „Knechte Jahwes", der nach Jah- 
wes ewigem, alle menschliche Erkenntnis übersteigendem Rat- 
schluß dazu bestimmt ist, nicht bloß die eigene Schuld, sondern 
auch die der Heidenwelt durch sein Straf leiden zu büßen, dann 
aber einen großartigen Missionsberuf an der Völkerwelt auszu- 
üben, damit „alle Enden der Erde das Heil des Gottes Israels 
sehen" (52 10). 

Seit es eine Bibelforschung gibt, ist es als ein überaus schwie- 
riges Problem empfunden worden : wie lassen sich die Aussagen, 
in denen „der Knecht Jahwes Qcehad jahw<ßh) u zweifellos vom 
Volk Israel zu verstehen ist (41 8 f. 42 19. 43 10. 44 1 f. 21. 45 4. 
48 20; vgl. auch „die Knechte Jahwes" 54 17), mit denen vereini- 



l ) In obiger Zusammenstellung der im Deuterojesaja zerstreuten und 
meist sprunghaft vorgetragenen Gedanken sind zwei Aussagen absicht- 
lich übergangen, weil sie sich in keiner Weise mit den sonstigen Er- 
wartungen des Propheten vereinigen lassen und somit nur als spätere 
Zutaten betrachtet werden können: 1) Nach 41 15 f. soll Israel zu einer 
neuen, scharfen, vielspitzigen Dreschwalze werden, die in gründlicher 
Arbeit sogar die Berge und Hügel zermalmen wird. Natürlich be- 
zieht sich dieses Bild auf die Vernichtung der Feinde Israels. Nun 
kennt unser Prophet wohl eine Bedrohung Babels (47 1 ff.) ; an sie, die 
Peinigerin Israels, soll nunmehr der „ Taumelkelch * kommen, den vor- 
her Jerusalem hatte trinken müssen (51 22 f.). Aber nie ist von etwas 
anderem die Rede, als daß Kyros das Gericht an Babel vollstrecken 
werde, während die anderen Völker zum Anteil an dem Heil Israels be- 
rufen sind. 41 15 f. gehört somit einem ganz anderen Gedankenkreis, und 
zwar dem von Hes. 38 f. Mich. 4 11 ff. an. — 2) 49 22 f. tritt an die Stelle 
der Heimkehr der Gefangenen durch die Wüste unter der Führung 
Jahwes eine Zurückbringung durch die Heiden auf Befehl Jahwes. Man 
mag sagen: das eine schließt das andere nicht aus. Aber daß dabei 
„ Könige die Wärter Israels und fürstliche Gemahlinnen seine Ammen 
sein werden, ja daß sie huldigend den Staub seiner Füße lecken werden" 
(49 23), das sind Erwartungen nicht des Deuterojesaja, sondern einer er- 
heblich späteren Phase des Judentums. 



§ 21.] Der sogenannte Deuterojesaja. 303 

gen, die allem Anschein nach vielmehr ein Individuum im Auge 
haben (so in den sogen. „Ebed- Jahwe-Liedern** 42 i — 4 [nach an- 
dern i — 7]. 49 1—6. 504 — 9 [nebst V. 10] und 52 13— 53 12). Zahl- 
los sind die Versuche, durch die man das genannte Problem zu 
lösen versucht hat 1 ). Wir müssen uns an dieser Stelle mit der 
Erklärung begnügen, daß in dem heftigen Streit, der seit 1892 
darüber geführt worden ist, nach unserer Ueberzeugung die Deu- 
tung des Knechtes J.s auf das Volk den Sieg behalten hat. So- 
bald man die Neigung der hebräischen Poesie und Prophetie zu 



*) Seitdem Duhm in seinem Jesajakommentar (Gott. 1892) die Ebed- 
Jahwe-Lieder von anderer, und zwar späterer Hand als der des Deutero- 
jesaja hergeleitet und somit als nachträgliche Zutat zu demselben er- 
klärt, überdies auch individuell (als vielleicht auf Jeremia bezüglich) 
gedeutet hatte, tauchte eine Fülle ähnlicher Hypothesen auf. Die indi- 
viduelle Deutung der Ebed-Jahwe-Lieder vertreten auch JLey (Histo- 
rische Erklärung des 2. Teils des Jesaja. Marb. 1893 ; Die Bedeutung 
des Ebed- J. etc. Theol. Studien u. Krit. 1899, S. 163 ff.) und LLaue (Die 
Ebed-J.- Lieder im 2. Teil des Jesaja. Wittenberg 1898; auch in Theol. 
Studien u. Krit. 1904, Heft 3). Beide erblicken im „Knecht J.s* den 
Messias der Zukunft; ebenso GFüllkrug (Der Gottesknecht des Deu- 
terojes. Gott. 1899), nur daß er die Lieder vom Deuterojes. selbst ver- 
faßt sein läßt. ESellin (Serubbabel. Leipz. 1898) deutete den Ebed-J. 
auf Serubbabel, der sich tatsächlich die Krone aufgesetzt und dafür ein 
furchtbares Martyrium durch die Perser erlitten habe (in seinen „Stu- 
dien zur Entstehungsgeschichte der jüd. Gemeinde*. L, Leipz. 1901, denkt 
S. an einen anderen Davididen). Kittel (Zur Theol. des A. T. II. Leipz. 
1898) findet wenigstens in c. 53 den von den Persern gekreuzigten Se- 
rubbabel, während Bertholet (Zu Jes. 53. Freiburg 1899) c. 53 1—11 
auf das Leiden und Sterben des 90jährigen Schriftgelehrten Eleasar 
deutet (vergl. 2 Makk. 6 18 ff.). Die Abfassung der Perikope 52 13 — 53 12 
von einem anderen Dichter als dem der übrigen (gleichfalls nicht deu- 
terojesajanischen) Ebed-J. -Lieder behauptet auch Laue (s.o.) und Schian 
(die Ebed-J.-Lieder in Jes. 40—66. Halle 1895). Es war das Verdienst 
KBuddes (The so-called Ebed Jahweh Songs and the Meaning of the 
Term „Servant of Jahweh" in Js. 40 — 55. Amer. Journ. of Theol. 1899, 
III, S. 499 ff. ; deutsch: „die sogen. Ebed.-J.-Lieder und die Bedeutung 
des Knechtes J.'s in Jes. 40—55. Gießen 1900), sowie KMaetis (Das 
Buch Jesaja. Tüb. 1900), daß die Exegese dieser Kapitel aus dem Hypo- 
thesenwald zu einer nüchternen Betrachtung der Dinge zurückgebracht 
wurde. Ihre Beweisführung wurde allseitig bekräftigt durch die gründ- 
liche Erörterung von FGiesebeecht, Der Knecht Jahves des Deutero- 
jesaja. Königsberg 1902. Fortan dürfte die Herkunft auch der sogen. 
Ebed-J.-Lieder von Deuterojesaja, sowie ihre Deutung auf das zum 
Missionsberuf an den Heiden bestimmte Israel kaum noch zu erschüt- 
tern sein. 



304 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 21. 

weitgehender Personifikation der Kollektivbegriffe, insbesondere 
auch der Volkskörper, anerkannt und 53 i ff. richtig als Rede 
der Heiden versteht, schließen sich alle Aussagen zu einem wohl- 
verständlichen Ganzen zusammen. Dabei erscheint uns auch die 
Frage müßig, ob der Prophet unter dem Knechte J.s das ganze 
Volk oder nur den wahrhaft frommen Kern, das der Idee eines 
Gottesvolkes voll entsprechende „geistliche Israel", verstanden 
wissen wolle. Wo derProphet von der Erwählung und Bestimmung 
Israels für einen weltgeschichtlichen Beruf zu reden hat, beziehen 
sich seine Worte naturgemäß auf Gesamtisrael, denn eben dieses 
war Gegenstand der Erwählung und mannigfaltiger Führungen im 
Verlauf seiner Geschichte. Ebenso naturgemäß aber kann in 
den Stellen, die das stellvertretende Leiden des Knechtes und 
seinen Missionsberuf im Auge haben, nicht an die im Läuterungs- 
gericht Untergehenden, sondern nur an den wahrhaft frommen, 
nach Gott verlangenden und bußfertigen Kern des Volkes gedacht 
sein. Ja selbst das ist nicht ausgeschlossen, daß der Knecht als 
ein Teil des Volks, nämlich als der in besonderem Maße büßende 
und leidende, dem Gesamtvolk gegenübergestellt wird (49 ö: „der 
mich ... zu seinem Knechte bildete, daß ich Jakob zu ihm zu- 
rückbrächte und Israel für ihn gesammelt würde; vgl. auch V. 6). 
Weit öfter aber und stärker als diese Arbeit an den Volksge- 
nossen wird der Missionsberuf des Knechtes gegenüber der Hei- 
denwelt betont. Er steht im Mittelpunkt der gesamten Gedan- 
kenwelt unseres Propheten : erst von ihm aus ist das Rätsel der 
Erwählung wie der Preisgebung Israels im göttlichen Weltplan 
zu verstehen. Das schwere Leiden Israels war die unerläßliche 
Bedingung zum Heil der ganzen Welt. 

Daß auch die Heiden von Anfang an zum Eingang in das 
Reich Gottes bestimmt sind, lehrt die Aufforderung Gottes (45 22ff.) 
an alle Enden der Erde, sich ihm zuzuwenden und sich erretten 
zu lassen, sowie sein Schwur, daß sich ihm zuletzt alle Kniee 
beugen, alle Zungen bei ihm schwören sollen. Aber zum Organ 
seiner Heils Verkündigung hat er von Mutterleibe, d. h. von allem 
Anfang an seinen Knecht Israel berufen, um sich an ihm zu ver- 
herrlichen (49 i. 3). Er hat seinen Geist auf ihn gelegt (42 1), 
ihm sieghafte Beredtsamkeit (49 2), die Zunge eines rechten 
Jüngers Jahwes (50 4) verliehen, damit er den Heiden die wahre 
Religion verkünde (42 1) und so zum Lichte der Heiden (42 6. 
49 6), zum Bringer eines Bundes (b'rit) zwischen Gott und Men- 



§ 21.] Der sogenannte Deuterojesaja. 305 

sehen werde (42 e. 49 s). Und Israel wird dieses Berufs in aller 
Sanftmut und demütiger Hingabe warten (42 2 ff.). Wohl fehlt 
es dabei nicht an einer gewissen Bereitschaft der Heiden für die 
Heilsverkündigung des Knechtes. Schon harren die Inseln seiner 
Unterweisung (42 4) ; müssen doch die Völker selbst erkennen, 
daß nur Jahwe den gewaltigen Umschwung durch Kyros herbei- 
zuführen vermochte (41 1 ff.). Aber von durchschlagender Wir- 
kung ist schließlich doch erst das tiefe Leiden des Knechtes 
gewesen und die Geduld, mit der er sich allen Mißhandlungen 
und Beschimpfungen unterworfen hat (50 e). Zu ihrem eigenen 
höchsten Erstaunen geht vielen Völkern und Königen die Er- 
kenntnis auf, daß der kaum noch menschenähnliche, tief ver- 
achtete und aufs äußerste gemißhandelte Knecht Jahwes durch 
sein freiwilliges, geduldiges Leiden als ein rechtes Schuldopfer 
die Strafe für andere getragen, ihre Schuld gebüßt, ihnen Heil 
erworben hat (52 13 ff.). 

Diese Idee eines stellvertretenden Strafleidens Israels für 
die Heidenwelt zum Heil der letzteren ist so außerordentlich und 
einzigartig, daß man es begreifen kann, wenn sie eine unendliche 
Mannigfaltigkeit von Auslegungen hervorgerufen hat, und sich 
immer wieder Stimmen erhoben haben, die allein die direkte 
Beziehung dieser Perikope auf das stellvertretende Leiden Christi 
(nach 1 Petr. 2 22 ff.) für berechtigt erklärten. In der Tat hat 
die Kirche ein Recht, die volle Erfüllung dieser merkwürdigen 
Weissagung erst durch die Person Christi herbeigeführt zu sehen. 
Aber ihrer Bedeutung wird dadurch nichts genommen, daß wir 
den Knecht Jahwes im Sinne des Propheten zunächst auf Israel 
deuten. Nur beschränkt sich seine Meinung nicht etwa darauf, 
daß die Heiden durch den Anblick des in allen Martern gedul- 
digen Israel gerührt, zur willigen Annahme seiner Heilsverkündi- 
gung und zur Nachfolge in seiner Religion angereizt werden. 
Sondern der Prophet betont ausdrücklich, daß der Knecht Jah- 
wes seinen hohen Beruf erfüllte, indem er die Sünden vieler trug 
und für die Frevler fürbittend eintrat. Er redet somit 
von der Ausübung einer hohenpriesterlichen Interzession Israels, 
die sich zu dem stellvertretenden Leiden gesellt. Damit läßt er 
seine Leser einen Blick in die Tiefen göttlicher Gedanken tun, 
die sich so kaum einem anderen seiner Mitpropheten aufgetan 
haben : in die Erkenntnis, daß die durch Menschenschuld herbei- 
geführte scheinbare Störung des göttlichen Heilsplans und die 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 20 



306 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

Leiden, die sie herbeiführt, erst recht dazu dienen müssen, Gottes 
heilsame Absichten mit der Menschheit zu verwirklichen. Die- 
sem Zweck aber sind von Anbeginn alle anderen untergeordnet: 
„der Himmel wird wie Rauch zerstieben, und die Erde wie ein 
Gewand zerfallen, mein Heil jedoch wird ewig dauern" (51 6). 
Hinter und über der zeitlichen, vergänglichen Welt steht noch 
eine andere mit höheren, ewigen Gütern! Daß zu ihr auch allen 
Heiden der Zugang offen stehen sollte, das überstieg zu dieser 
Zeit noch alles israelitische Denken. Der Prophet aber versteht 
das Wort seines Gottes: Meine Gedanken sind nicht eure Ge- 
danken, und eure Wege nicht meine Wege; sondern so viel der 
Himmel höher ist als die Erde, so viel sind auch meine Wege 
höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken!" 

§ 22. Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie 

samt den Anfängen der Apokalyptik. 

Zur Literatur: LRademaohek, Walfischmythen. Archiv f. Rel- 
Wiss. IX, 2. S. 248—252. — HSchmidt, Absicht und Entstehungszeit des 
Buches Jona. Th. St. u. Kr. 1906, S. 180—199. — HSchmidt, Jona. Eine 
Untersuchung zur vergleichenden Religionsgeschichte. Göttingen 1907. 
— Zu den in Abschnitt 1 dieses § genannten prophetischen Perikopen 
vergleiche man die Kommentarwerke von Nowack und Marti sowie 
BDuhm, Anmerkungen zu den 12 Propheten. ZatW. 1911, Heft 1—3. — 
Neuere Literatur zur jüdischen Eschatologie und Apokalyptik sehe man 
bei Abschnitt 5 (S. 312). 

1. Die Quellen. 

In dieZeit des Exils dürfte mit einiger Sicherheit Jes. 21 i— io. 
13 i—14 23 und vielleicht auch die dem Deuterojesaja nahe ver- 
wandten Kapitel 34 und 35 zu setzen sein. Dagegen ist schwer 
zu entscheiden, ob auch ein Teil der unten anzuführenden späte- 
ren Zusätze zu vorexilischen Propheten noch dem Exil entstammt. 
Jedenfalls genügt zu dieser Annahme noch nicht der (überaus 
häufige) Hinweis auf die Sammlung und Zurückbringung der 
Exulanten. Denn abgesehen davon, daß eine solche Erwartung 
mehrfach den älteren Propheten vom Standpunkt der Erfüllung 
aus und zwar zur Abmilderung ihrer Drohungen in den Mund 
gelegt wird, blieb die Zahl der allerorten in der Diaspora leben- 
den Juden auch nach 537 und 458 noch eine sehr große und die 
Erwartung ihrer Heimkehr konnte daher sehr wohl zu einem 
unentbehrlichen Bestandteil der Zukunftserwartungen werden. 

In die erste nachexilische Zeit gehörenHaggai(520), Sacharja 



§ 22.] Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 307 

(520 — 518) und das Buch Maleachi (wohl vor 458), sowie Ob. 10—21 
und der sogen. Tritojesaja (c. 56 — 66; wohl um 440). In den 
Anfang des 4. Jahrh. setzen wir Joel und Jona, gegen das Ende 
des 4., wenn nicht ins 3. oder gar 2. Jahrh. die sogenannte Jesaja- 
Apokalypse, Jes. 24 — 27 und Sach. 9 — 14. Von den nicht näher 
zu datierenden Zusätzen zu den älteren Propheten dürfte ein 
nicht unerheblicher Teil bis ins vierte und selbst das dritte Jahr- 
hundert herabreichen. Mit Uebergehung einzelner Verse nennen 
wir als nahezu allgemein anerkannte Zusätze : 

Jes. 2 2—4 (Mich. 4 1—4). 4 2—6. 8 9 f. 10 20—28. 11 10— .12 e. 

13 1—14 28 (s. 0.). 18 7 (?). 19 18—26. 21 1—10 (s. o.). 23 10-18. 
29 0. 7 f. 17—24. 3018—26. 27—88 (?). 31 5-9. c. 32 und 33. 34 f. (s.o.). 

Jer. 3 14—18. 10 1—16. 16 18 — 21. 17 19—27. 29 16— 20. 30 10 f. 

31 10-14 (?). 31 88—40. 32 17—23. 33 14—26. C 46—49 (?). 501—51 58. 

Hos. 2 1—8. 3 5 (jedenfalls „und David ihren König"); 

14 2—io (?). Am. 9 8—15. Mich. 4 1—4. 6—8 (?). 11— 18. 7 7—20. 
Hab. 3. Zeph. 2 4—15. 3 14—20. 

2. Geschichtlicher Hintergrund. 

Die Weissagung des Deuterojesaja von der Befreiung des 
Volks durch Kyros hatte sich 538 nach der Eroberung Babels 
erfüllt. Das Edikt des Kyros gab den Exulanten die Erlaubnis 
zur Rückkehr und gegen 50000 machten unter der Führung 
Serubbabels und des Priesters Je§ua* von ihr Gebrauch. Aber 
die Gestaltung der Dinge in der so heiß ersehnten Heimat ent- 
sprach nicht den hochfliegenden Erwartungen der Heimgekehrten. 
Die Fremdenherrschaft dauerte fort ; dazu lähmten Armut und 
Mißwachs, sowie die Feindseligkeit der jüdisch-heidnischen Misch- 
bevölkerung, die sich während des Exils im Lande allmählich 
ausgebreitet hatte, alle Tatkraft. Mag auch der Kultus sogleich 
nach der Rückkehr durch die Wiederaufrichtung des Brand- 
opferaltars (Esr. 3 2 ff.) begonnen worden sein, der Tempelbau 
wurde erst 520 auf energisches Betreiben Haggaisund Sacharjas 
ernsthaft in Angriff genommen und 516 vollendet. Offenbar 
erwarteten diese Propheten nach der Vollendung des Baus den 
Anbruch der messianischen Zeit und erblickten gleichzeitig in 
Serubbabel den von Jeremia verheißenen Davidssproß (Hag. 
2 e. 20 ff. Sach. 3 8. 6 11 f., wo ursprünglich höchstwahrscheinlich 
nur von einer Krönung Serubbabels die Rede war). Auch diese 
Hoffnungen wurden gründlich getäuscht. Zwar besitzen wir über 

20* 



308 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

die Geschicke der nachexilischen jüdischen Kolonie bis auf Mal e- 
achi nur äußerst spärliche Ueberlieferungen (Esr. 4 6—23), aber 
eben das Buch Maleachi zeigt, daß sich die Zustände seit 516 
eher noch verschlechtert hatten. Unter der fortdauernden Armut 
litten naturgemäß die Opfergaben (Mal. 3 8 ff.), aber nicht min- 
der auch unter der Gewissenlosigkeit der Priester (1 e f. 3 s f.). 
Schwere Rügen hat der Prophet auch gegen die leichtfertige 
Verstoßung jüdischer Frauen zum Behuf neuer Ehen mit heidni- 
schen Weibern auszusprechen (2 10 ff.). Das Schlimmste aber 
war die resignierte, um nicht zu sagen verzweifelte Stimmung, 
die sich des Volks bemächtigt hatte und sich in geradezu blas- 
phemischen Urteilen kund gab: Jeder, der übel tut, ist Jahwe 
wohlgefällig, und an solchen hat er seine Freude, oder wo ist 
denn sonst der Gott des Gerichts? (2 n und noch ausführlicher 
3 u f.). Man begreift, daß den Priesterkreisen in der Diaspora, 
die längst in den Fußstapfen Hesekiels mit der Feststellung der 
neuen Kultusordnungen (s. u. § 23) beschäftigt waren, der Zeit- 
punkt zum Eingreifen gekommen schien. Aber auch Esra, der 
Führer einer zweiten Schar von Exulanten (458), mußte sich 
wohl bald überzeugen, daß es zunächst galt, andere Aufgaben 
zu lösen, als die Einführung des von ihm aus Babylonien mitge- 
brachten priesterlichen Gesetzes. Sein drakonischer Eifer in 
der Auflösung der zahlreichen Mischehen steigerte die Feind- 
seligkeit der davon betroffenen heidnischen und jüdischen Fami- 
lien zu einer solchen Höhe, daß sie von Artaxerxes I. Vollmacht 
zur Zerstörung der von Esra kaum noch vollendeten Mauern 
und Tore Jerusalems erwirkten. Wie gründlich diese ausfiel, 
lehrt zwar nicht die verschämte Andeutung Esr. 4 23, wohl aber 
der urkundliche Bericht Nehemias (Neh. 1 3 ff. 2 12 ff. 3 1 ff.). Seine 
Ankunft in Jerusalem (445) hatte vor allem auch die feierliche 
Einführung des priesterlichen Gesetzbuchs zur Folge (Neh. 8, 
wohl großenteils aus der Denkschrift Esras). Ueber die hohe 
Bedeutung dieses Aktes wird im nächsten § zu reden sein. Daß 
aber alle diese Ereignisse auch in der Prophetie einen Widerhall 
gefunden haben, ist von vornherein anzunehmen und findet 
namentlich in dem Inhalt des sogen. Tritojesaja seine Bestäti- 
gung. So löst sich das Rätsel, das früher über Jes. 66 schwebte, 
sehr einfach durch die Erkenntnis, daß es sich dort um eine 
Polemik gegen die Samaritaner aus der Zeit Esra-Nehemias 
handelt. Seit dem zweiten Aufenthalt Nehemias in Jerusalem 



§ 22.] Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 309 

(432, nach anderen erst 412, vgl. Neh. 13* ff.), verstummt für uns 
die alttestamentliche Ueberlieferung bis zum Beginn der Makka- 
bäerkriege, mag auch der Zwischenzeit ein beträchtlicher Teil der 
oben aufgeführten prophetischen Schriftstellerei entstammen. 

3. Gottesbegriff und Ethik. 

Daß die gesamte exilische und nachexilische prophetische 
Schriftstellerei, die uns hier beschäftigt, fast ausnahmslos einen 
sekundären Charakter trägt und — abgesehen von der weiteren 
Ausmalung der Zukunftshoffnungen — nur von den Gedanken 
der älteren Propheten lebt oder diese einfach voraussetzt, tritt 
uns deutlich schon im Gottesbegriff dieser Zeit entgegen. Die 
Aussagen darüber sind offenbar eben deshalb so spärlich, weil 
man der Verkündigung der vorexilischen Propheten nichts hin- 
zuzusetzen hatte. Der Glaube an die Einzigkeit und Ueberwelt- 
lichkeit Jahwes ist Gemeingut des ganzen Zeitalters; die schein- 
bare Lokalisierung Jahwes auf dem Sinai (Hab. 3 s) kann nur 
als eine dichterische Reminiszenz an altertümliche Schilderungen 
(wie Jud. 5 4) betrachtet werden. Seine Allmacht und Allweis- 
heit offenbart sich in der Schöpfung von Himmel und Erde 
(Jer. 10 12 ff.) ; für ihn ist nichts unmöglich (32 17). Das gewaltige 
Babel ist nichts als ein Hammer in seiner Hand (Jer. 51 20 ff.). 
Er hat Israel erwählt, weil er es liebte, Esau dagegen, den Zwil- 
lingsbruder, gehaßt (Mal. 1 2 f.); auf eine ethische Motivierung 
der Erwählung, wie sie sich im Deuterojesaja findet, scheint hier 
verzichtet zu werden. Er erweist sich Israel als Vater und Er- 
löser in einem viel tieferen Sinne als Abraham und Jakob (Jes. 63 ie. 
64 7). Aber die alte Vorstellung von dem Volksgott Jahwe, der 
sein Augenmerk nur auf Israel richtet, hat daneben keinen Raum 
mehr. Jahwe „ist groß über den Bereich Israels hinaus", sein 
Name wird gefürchtet unter den Nationen als der eines großen 
Königs (Mal. 1 5. u. Jer. 10 7); ja, die Rauchopfer und reinen 
Gaben, die vom Aufgang bis zum Niedergang von den Heiden 
geopfert werden, gelten strenggenommen nur ihm (Mal. 1 11) — 
ein merkwürdiges Zeugnis von der tiefgehenden Wirkung der 
deuterojesajanischen Predigt! Einer Polemik gegen die Torheit 
des Bilderdienstes und Götzendienstes bedarf es kaum noch; 
Jes. 57 3 ff. ist höchstwahrscheinlich an die halbheidnische Misch- 
bevölkerung in und um Juda, Jer. 10 1 ff. dagegen an die durch 
ihre heidnische Umgebung gefährdeten Exulanten gerichtet. 



310 D er Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

Mit der Ueberweltlichkeit Jahwes steht die häufige Betonung 
seiner Begleitung der Exulanten und seiner Einwohnung auf dem 
Zion (8. u. S. 318 f.) nicht in Widerspruch. Denn im letzteren 
Falle handelt es sich, wie im Gottesbegriff der prophetischen Zeit, 
um eine Ein wohn ung seiner „Herrlichkeit**, d. h. einer Offenba- 
rungsform seiner Person, die mit seinem vollen Wesen nicht 
schlechthin identisch ist. Der „Engel Jahwes**, in alter Zeit (s. 
o. S. 83 ff.) eine Erscheinungsform Jahwes selbst, ist Sach. 1 12 ff., 
wo er zu Jahwe betet und von diesem getröstet wird, als dienen- 
der Engel deutlich von Jahwe unterschieden. Wenn Sach. 3 1 
zum ersten Male „der Satan** nicht mehr als bloßes Appellati- 
vum („Widersacher**, wieNum. 22 22. »2 vom Engel Jahwes, 1 Kon. 
11 14.23 u. a. von Feinden im Krieg), sondern als ein bestimmtes 
Engel wesen und zwar als Ankläger des Hohenpriesters Josua auf- 
tritt, so beweist dies nichts für das Aufkommen eines dualisti- 
schen Gottesbegriffs. Der Satan, der übrigens von Sacharja nicht 
neu erfunden, sondern als längst bekannt vorausgesetzt sein 
dürfte, gehört offenbar (wie noch Hi. 1 e f.) zu den dienenden 
Engeln, nur daß er seinem Diensteifer als eine Art Anwalt Got- 
tes zu weit geht. Eher mag Jes. 24 »1 f. eine Anspielung auf 
Engelfehden enthalten, die denen der Erdenvölker entsprechen. 
Aber auch in diesem sehr späten Theologumen, dem wir bei Be- 
sprechung des Danielbuchs wieder begegnen werden, bleibt die 
Oberherrschaft Jahwes, der die Widerspenstigen einsperrt und 
erst nach langer Zeit begnadigt, gänzlich unberührt. 

Das Bewußtsein eines Epigonentums gegenüber den schöpfe- 
rischen Zeiten der Prophetie gibt sich deutlich in dem gedämpf- 
ten Ton der nachexilischen Propheten und der auffällig gehäuften 
Formel „Spruch Jahwes** zu erkennen; bei Sacharja auch in dem 
Vorwiegen der Vision, die doch wohl zu einem guten Teil auf 
Rechnung des Schriftstellers gesetzt werden muß. Auch die aus- 
drückliche Berufung auf ältere Prophetensprüche (Jes. 34 ie. Joel 
3 0) zeugt für dieses Bewußtsein und nicht minder die Ankündi- 
gung des Boten, der Jahwe vor dem Anbruch des Gerichtstags 
den Weg bereiten soll (Mal. 3 1 ; V. 23 wird als solcher Vorläufer 
der Prophet Elias genannt). Es bedarf eben noch besonderer 
tatkräftiger Werkzeuge Gottes zur Herbeiführung des großen 
Umschwungs. Wenn endlich Sach. 13 2 ff. in der messianischen 
Zeit die Wegschaffung der Propheten und des unreinen Geistes 
aus dem Lande erwartet und den dennoch als Propheten Auf- 



§ 22.] Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 311 

tretenden Todesstrafe durch die eigenen Eltern ankündigt, so ist 
dabei allerdings an Lügenpropheten gedacht; aber der ganze 
Ausspruch zeigt zugleich, daß andere gar nicht mehr für möglich 
gehalten werden. 

Wie der Gottesbegriff entsprechen auch die sittlichenPor- 
derungen der exilischen und nachexilischen Prophetie durch- 
aus denen der vorexilischen Propheten. Wenigstens in der Theo- 
rie ist ihre Berechtigung allgemein anerkannt, wenn auch die Pra- 
xis nach wie vor zu bitteren Klagen Anlaß gibt ( Jes. 56 9 ff. 58 i ff. 
59 2 ff.). Wie bei Arnos und Jesaja wird vor allem die Pflege von 
Recht und Gerechtigkeit, sowie das Erbarmen gegenüber Ar- 
men, Witwen und Waisen und jede Art von Notleidenden zur 
dringenden Pflicht gemacht : Sach. 7 9 f. 8 ie f. Jes. 56 i. 58 6 ff. 
Mal. 3s; letztere Stelle wendet sich jedoch auch gegen Zau- 
berer, Ehebrecher und Meineidige. Uebrigens läßt sich nicht be- 
streiten, daß schon im ersten Zeitraum nach dem Exil mehrfach 
eine mechanische Vergeltungstheorie, die Idee einer unmittelbaren 
Aufeinanderfolge von Sünde und Strafe, Rechthandeln und äuße- 
rem Segen zutage tritt (Sach. 8 9 ff.). So ist die kärgliche Ernte 
nach Hagg. 1 5 ff. die unmittelbare Strafe der Lässigkeit im 
Tempelbau; nach 2 u ff. gelten alle Opfer bis zur Fertigstellung 
des Tempels als unrein und somit als unwirksam ; nachher aber 
wird sich um so reicherer Segen einstellen. 

4. Der Kultus. 

Die spärlichen Aussagen über den Kultus — wir sehen 
hierbei noch ab von solchen Aussagen, die in den Bereich der 
Zukunftserwartungen gehören — lassen abermals ein gewisses 
Herabsinken unter die Höhe der wahrhaft prophetischen Betrach- 
tung (vgl. oben S. 233 ff.) erkennen. Das Gesetzbuch Hilkias, 
obschon prophetischen Geistes, hatte doch zugleich so bestimmte 
kultische Vorschriften gegeben, daß ein Wertlegen auf das äu- 
ßere kultische Werk unausbleiblich war. Dazu kam, daß von der 
Auffassung Hesekiels, seiner totalen Verurteilung derVergangen- 
heit und seinem Entwurf einer gründlich erneuerten Kultusord- 
nung sicherlich schon genug in alle jüdischen Kreise eingedrun- 
gen war, um lange vor der Einführung des priesterlichen Gesetzes 
eine gewisse Aengstlichkeit, ja Peinlichkeit in kultischen Dingen 
zu erzeugen. Allerdings fehlt es auch jetzt nicht an Zeugnissen 
für eine wahrhaft prophetische Wertung kultischer Leistungen. 



312 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22 

Die Ausführung über das rechte Fasten Jes. 58 s b ff. könnte gar 
wohl auch von Jesaja ben Amoz herstammen, und Joels Forde- 
rung : Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider (2 i»), erin- 
nert an die Forderung der Herzensbeschneidung bei Jeremia. 
Ebenso muß die ideale Auffassung der Pflichten und der Bedeu- 
tung des Priester Standes Mal. 2 6 ff. als eine überaus würdige be- 
zeichnet werden. Dagegen entspricht die Art, wie Haggai und 
Sacharja eigentlich alles Heil für Juda von dem Wiederaufbau 
des Tempels abhängig machen (Hagg. 1 5 ff. Sach. 8 9 ff.), die 
Betonung der äußeren Sabbathsheiligung Jer. 17 19 ff. (vgl. be- 
sonders die Begründung Y.n !), Jes. 56 2. 58 13, das außerordent- 
liche Wertlegen auf die regelmäßige Darbringung der Speis- und 
Trankopfer im Tempel (Joel 1 9. 13. 16. 2 m) kaum den kultischen 
Idealen eines Jesaja oder Jeremia. 

5. Die Zukunftserwartungen. 

Zur Literatur: PFibbig, Der Menschensohn. (Diss.) Halle 1901. 

— EBertheau, Die alttestamentl. Auferstehungshoffnung. Hannover 
1905. — EKönig, Der Menschensohn im Danielbuch. Neue kirchl. Zeit- 
Bchr. XVI, 12. (Dez. 1905.) S. 904—928. — Höressmann, Der Ursprung 
der israelitisch-jüdischen Eschatologie. Göttingen 1905. (Forschungen 
zur Rel. und Literatur des A. und N. T., Heft 6.) — Volck, Der Tod 
und die Fortdauer nach dem Tode auf Grund der Lehre des A. T. Wis- 
mar 1906. — HSohmidt, Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Escha- 
tologie. Theol. Rundschau 1906, 5. S. 159—169. — Bertholet, Daniel 
und die griechische Gefahr. (ReLgesch. Volksb. II, 17.) Tübingen 1907. 

— JWalther, Der Menschensohn. Wismar 1907. — HGressmann, Er- 
widerung auf Prof. FGGiesebrechts Besprechung von „ Ursprung der 
israelitisch-jüdischen Eschatologie*. Th. St. u. Kr. 1908, 2. S. 307—317. 

— ACausse, Der Ursprung der jüdischen Lehre von der Auferstehung. 
Cahors 1908. — PLagrange, Le Messianisme chez les Juifs (150 av. — 200 
apr. J. C). Etud. bibl. Paris 1909. — HWindisch, Der messianische 
Krieg und das Urchristentum. Tübingen 1909. 

Das Edikt des Kyros hatte wohl einem Teil des Volkes Be- 
freiung, aber noch keineswegs den großen Umschwung der Dinge 
gebracht, wie ihn die Predigt des Deuterojesaja in Aussicht 
gestellt hatte. Vielmehr hatten die Zurückgekehrten hart um 
ihre Existenz zu kämpfen, und ihre Lage konnte den im Exil 
Zurückgebliebenen kaum beneidenswert erscheinen. Kein Wun- 
der, daß sich die Gedanken um so sehnsüchtiger der Zukunft zu- 
wandten, die doch endlich die Erfüllung aller Hoffnungen brin- 
gen mußte. Mit wachsender Spannung lauschte man auf die An- 



§ 22.] Die Übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 313 

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zeichen, die eine Bewegung unter den Völkern und damit die 
Geburtswehen der messianischen Zeit ankündigen sollten. Wohl 
erfahrt Sacharja (1 8 ff.) in seinem ersten Nachtgesicht von den 
himmlischen Reitern, die die Erde durchstreift haben, daß noch 
die ganze Erde in Ruhe und Stille liegt. Aber dem Engel, der 
Jahwe auf den Ablauf der 70 Jahre des Zorns hinweist, werden 
glückverheißende, trostreiche Worte von Jahwe zu teil. Haggai 
verkündet es als ein Wort Jahwes, daß er binnen kurzem das 
Weltall erschüttern und alle Völker in Erregung versetzen werde 
(2 «. 20 ff.). Aber noch der Tritojesaja muß klagen (59 9), daß 
Israel bisher noch immer vergeblich auf Licht geharrt habe, und 
er bittet die himmlischen „Wächter", die Jahwe über die Mauern 
Jerusalems bestellt hat, daß sie sich und Jahwe keine Ruhe gön- 
nen sollen, bis er Jerusalem hergestellt und verherrlicht habe 
(62 e f.). 

Den großen Umschwung bringt nach uralter Erwartung 
(vergl. oben S. 253 f. 291) der Tag Jahwes, der Gerichtstag 
sowohl über die Sünder in Juda, wie über die Israel feindli- 
chen Völker. Von dem Gericht über Juda, in dem der Engel 
des Bundes wie mit dem Feuer eines Schmelzers und der Lauge 
von Wäschern die Leviten und das Volk läutert und sichtet, 
redet eigentlich nur Maleachi (3 2 ff.). Der „große und furcht- 
bare Tag tt , dem Elias vorangeht, um Väter und Söhne mit 
einander auszusöhnen und so den Bannfluch vom Lande abzu- 
wenden (3 23 f.), verbrennt mit seiner Glut alle Uebermütigen und 
Frevler (3 19). Den Gottesfürchtigen aber wird die Sonne der 
Gerechtigkeit aufgehen; sie werden ungeschädigt hervorgehen 
und die Gottlosen zertreten (3 20 f.). Bei Joel hat es zuerst den 
Anschein, als ob in der Verwüstung des Landes durch Heu- 
schrecken die Vorboten des Tages Jahwes erschienen seien, als 
eines „Tags der Finsternis und Dunkelheit, des Gewölks und der 
Gewitternacht** für Juda (Jo. 1 15. 2 if.). Aber 3 1 ff. geht die Gei- 
stesausgießung über Juda dem Anbruch des „großen und schreck- 
lichen Tages Jahwes" voraus. Das Gericht dieses Tages erstreckt 
sich also nur auf die Heiden, und nur von diesen (und zwar „al- 
len Nationen* 4 ) ist die Rede bei dem Gericht im Tale Josaphat 
(4iff.), wo sie Jahwe „wegen seines Volkes und seines Erbteils 
Israel** zur Rechenschaft ziehen wird. Ebenso gilt der Tag Jah- 
wes Jes. 13 e ff., obschon das Racheheer von Jahwe ausgesandt 
ist, die Erde zur Wüste zu machen und die Sünder auf ihr zu 



314 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

vertilgen (V. 9), in der Hauptsache Babel. 34 s ff. ist es ein Tag 
der Bache, ein Jahr der Vergeltung zu Gunsten Zions gegen 
Edom. Auch Ob. w ff. wird bei dem „Tag Jahwes über alle Völ- 
ker" vor allem Edom von der Rache getroffen. Dagegen wendet 
sich Zeph. 24— 15 (ein späterer Nachtrag zur Bedrohung Judas 
V.1-3) der „Tag J.s u gegen fünf verschiedene Völker. Sach. 14i ff. 
endlich ist die Situation von Hes. 38 f. vorausgesetzt, nur daß der 
Ansturm der Heiden zuerst die Eroberung und Plünderung der 
Stadt und die Wegführung eines Teils der Bewohner zur Folge 
hat. Dann aber streitet Jahwe samt allen Heiligen (Engeln) 
vom Oelberg aus wider jene Nationen, während die zur Rettung 
bestimmten durch einen breiten Spalt in demselben Berge ent- 
fliehen (Sach. 14 8 ff.). Von anderen Zügen in dieser phantasti- 
schen und nach Weise der späteren Eschatologieen ganz Ver- 
schiedenartiges vermischenden Weissagung wird weiter unten 
noch die Rede sein. 

Das alte Theologumen von der Verflechtung der äußeren 
Natur in die Schicksale des Volkes Gottes erscheint auch hier 
in Verbindung mit dem Tag Jahwes oder überhaupt als Kenn- 
zeichen der messianischen Endzeit, aber in mehr augenfälliger 
Gestalt, als Hinweis auf wunderbare, Schrecken erregende Na- 
turerscheinungen, wie die Verfinsterung von Sonne, Mond und 
Sternen (Jes. 13 to. Jo. 2 10. 3 » f. 4 15. Sach. 14 « f., wonach es am 
Tage Jahwes nicht Tag und nicht Nacht sein, sondern erst am 
Abend hell werden wird), Erdbeben (Jes. 13 is. 24 i8 b ff.), ja das 
Vergehen des Himmelsheeres samt dem Himmel (Jes. 344). Da- 
gegen wird nach Jes. 30 26 beim Anbruch der messianischen Zeit 
das Licht des Mondes dem der Sonne gleichen, und das der Sonne 
siebenfältig sein. 

Auch abgesehen von den Hinweisen auf den Tag Jahwes 
steht im Vordergrund der Zukunftserwartungen die Rache an 
den Heidenvölkern, insbesondere an denen, die bei der Zerstörung 
Jerusalems nach Kräften mitgeholfen oder doch grimmigen Hohn 
und giftige Schadenfreude geäußert hatten. Unter diesen steht 
obenan Edom (Jes. 34 5 ff. Ob. 10 ff. Jer. 49 7 ff. Joel 4 19; auch 
Am. 1 11 f. ist höchstwahrscheinlich erst nach dem Exil einge- 
fügt). Gegen Moab wendet sich Jer. 48, gegen Babel Jes. 13 2 ff. 
und die ganze Serie von Drohsprüchen «Jer. 50 und 51; gegen 
Aegypten Jer. 46, die Philister c. 47, die Ammoniter 49iff.; gegen 
fast alle Nachbarn Israels Zeph. 24ff. Joel 4iff. Sach. 9iff. Nicht 



§ 22.] Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 315 

minder häufig sind aber die Drohungen gegen die Völker insge- 
samt gerichtet und stellen die Verwüstung und Entvölkerung der 
ganzen Erde (Mi. 7 13. Jes. 24 1 ff.), ja die Zerstampfung der Völ- 
ker durch Jahwe selbst als einen Keltertreter (Jes. 63 1 ff.) oder 
ihre Verbrennung zu Kalk (Jes. 33 12) in Aussicht. Sacharja 
schaut in seinem zweiten Nachtgesicht (2 1 ff.) vier Hörner, das 
sind die feindlichen Mächte in allen vier Himmelsgegenden, die 
Juda verstreut haben ; aber er schaut auch die vier Schmiede, 
die diese Hörner abhauen sollen, und im achten Gesicht (6 1 ff.) 
die Kriegswagen, die nach allen Seiten ausfahren, um das Ge- 
richt zu vollstrecken. Und zwar ist Jahwe deshalb „in heftigem 
Zorn über die Nationen entbrannt, weil sie, als er ein wenig [über 
Juda] zürnte, eigenmächtig zum Unglück mithalfen" (1 15). Hier 
ist die alte Anschauung, daß sich Jahwe der Heiden als einer 
Zuchtrute für Israel bediente, fast vergessen und nur von einer 
Schuld der Heiden die Bede. Mi. 7 f. wird zwar die Schuld Ju- 
das willig bekannt, aber dieses Bekenntnis ist doch auch mit der 
Hoffnung auf Rache verknüpft. Vgl. noch Jes. 8 f. Jer. 10 25. 
25ao ff. Alle diese Bedrohungen schließen jedoch nicht aus, daß 
sich anderwärts ganz andere Erwartungen in betreff der Heiden- 
völker finden. 

In den genannten Stellen ist das Gericht über die Heiden 
die Bedingung für die Sammlung und Wiedervereinigung ganz 
Israels im heiligen Lande. Von allen Seiten werden die Zer- 
streuten herbeiströmen; Gewässer und Wüsten bereiten ihnen 
keine Hindernisse, denn Jahwe selbst bereitet ihnen die Bahn 
und geleitet sie (Jes. 35 1 ff. 11 11 ff.). Nach Jes. 27 12 f. werden sie 
allerorten einzeln von Jahwe aufgelesen und folgen dem Ton der 
großen Posaune, der sie heimruft; vgl. auch Jer. 30 10 f. 46 27 f. 
Sach. 10 8 ff. Ganz eigentümlich wird Sach. 9 11 ff. (10 5 ff.) die 
Befreiung der Gefangenen mit siegreichen Kämpfen Judas und 
Ephraims gegen die Jonier, d. h. die griechische Weltmacht, in 
Verbindung gebracht. Daß auch die Exulanten des nördlichen 
Reiches zurückkehren, ist, wie bei Hesekiel (37 15 ff.), feststehende 
Erwartung; vgl. Hos. 2 2. Mi. 2 12. Jer. 3 is. 50 4. Ob. is. Von 
Neid und Eifersucht zwischen Juda und Ephraim ist dann keine 
Rede mehr (Jes. 11 13). 

Ein Lieblingsgedanke der nachexilischen Zeit ist offenbar 
die Erwartung, daß die Heiden selbst die Exulanten heimbringen 
und dabei eine sie tief demütigende Rolle spielen werden. Wirbe- 



316 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

gegneten dieser Erwartung bereits in einer Zutat zum Deutero- 
jesaja (49 22 f.; s. o. S. 302 l ). Vgl. auch Jes. 60 * b und 9 f.). Nach 
Jes. 66 19 ff. werden etliche von denen, die dem Gericht Jahwes 
über die Heiden entronnen sind, zu den fernen Völkern entsandt, 
damit sie alle noch verbannten Israeliten als eine Opfergabe für 
Jahwe ehrfurchtsvoll zum Zion geleiten. Nach 60 10 werden dann 
Fremdlinge den Judäern ihre Mauern bauen, und Könige sie be- 
dienen, nach V. u (vgl. auch Mi. 7 ie f.) die Söhne ihrer früheren 
Bedrücker in tiefer Demut ihnen huldigen. Sie selbst werden als 
Priester dastehen, d. h. frei von jedem profanen Geschäft, denn 
die Fremden werden ihnen als Hirten, Bauern und Winzer 
dienen (Jes. 61 f.). Derselben Art ist die Erwartung Jes. 14i b f., 
daß die Israeliten die sie heimgeleitenden Heiden nach der An- 
kunft im Lande Jahwes zu Sklaven machen und so „ihre Fänger 
fangen und ihre Bedrücker unterjochen werden". Anderwärts 
(Jes. 11 14 f. Am. 9 12. Ob. 19 ff.) ist die Unterwerfung der einsti- 
gen Vasallen des davidischen Reiches als ein Werk der bereits 
Heimgekehrten gedacht. Einer ganz anderen Gedankenreihe 
gehört dagegen die an Hes. 38 f. sich anschließende Erwartung 
an, daß die Masse der Heidenvölker vor den Mauern Jerusalems, 
das sie schon als ihre sichere Beute betrachten, durch das plötz- 
liche Eingreifen Jahwes vom Verderben ereilt wird. (Vgl. Jes. 
29 5. 7 f. 30 27 ff. 33 3 f. 23 b Mi. 4 11 ff., sowie Sach. 12 2 ff., wo auch 
die Häuptlinge Judas zum Verderben der Völker mitwirken, und 
14 12 ff., wo die grausame Strafe der Angreifer und die ungeheure 
Beute, die Juda zufällt, geschildert wird. Ueber die andersartige 
Erwartung Sach. 14 2 ff. s. o. S. 314.) Wenn die Ansetzung die- 
ser Stellen in nachexilischer Zeit berechtigt ist, so kann eben nur 
an einen dereinstigen letzten Ansturm der Heidenvölker gegen 
Jerusalem gedacht werden. Daß die Aussagen vielfach etwas 
Schwankendes, ja Nebelhaftes haben, beruht auf ihrem eschato- 
logischen Charakter, der auch Heterogenes dicht nebeneinander 
duldet. 

Tritt uns in allen jenen, den Heiden feindseligen Erwartun- 
gen ein Partikularismus entgegen, der nur als eine Verleugnung 
der Predigt des Deuterojesaja betrachtet werden kann, so fehlt 
es doch glücklicherweise auch nicht an zahlreichen Zeugnissen 
dafür, daß seine Wirksamkeit keineswegs vergeblich gewesen war. 
Schon Sach. 2 15 sieht einen Anschluß vieler Völker an Jahwe 
voraus, damit sie zu seinem Volke gehören und unter Juda woh- 



§ 22. J Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 317 

nen. Nach 8 20 ff. werden viele Völker und Nationen herbeikom- 
men, um Jahwe zu suchen und zu begütigen ; zehn Männer ver- 
schiedener Zunge werden einen Judäer beim Rockzipfel ergreifen, 
um mit denen zu ziehen, von denen sie gehört haben, daß Gott 
mit ihnen ist. Aber es bleibt nicht bei einem bloß äußerlichen 
Anschluß : alle Heiden werden zum Berge Jahwes herzuströmen, 
um sich dort Belehrung über den von ihm geforderten Wandel 
zu holen und sich seinem schiedsrichterlichen Spruche zu unter- 
werfen. Allgemeiner Friede unter den Völkern wird die Folge 
sein ( Jes. 2 2 ff. Mi. 4 1 ff. Zeph. 3 9. Jes. 60 s). Ebenso muß das 
Mahl von Fettspeisen, das Jahwe nach Jes. 25 e für alle Völ- 
ker auf dem Zion bereiten wird, als ein Opfermahl verstanden 
werden, das sie in die Gemeinschaft des Volkes Gottes aufnimmt. 
Dabei wird zugleich (V. 7) auch die Hülle vernichtet, die bis da- 
hin über die Völker gebreitet war und sie an der freudigen Er- 
füllung des auch ihnen bekannten Willens Gottes verhinderte. 
Nach Jes. 66 8 ff. werden nicht nur Volksfremde, sondern sogar 
Verschnittene, die sich Jahwe angeschlossen haben und seine 
Sabbathe halten, ihm wohlgefällige Opfer auf dem Zion bringen 
können ; denn sein Haus soll „ ein Bethaus für alle Völker" heißen 
(V. 7). Ihren Höhepunkt erreicht aber die Ueberwindung des Par- 
tikularismus in der merkwürdigen Stelle Jes. 19 19 ff., die eine 
Bekehrung der Aegypter und ihren Zusammenschluß mit Assur 
und Juda zur gemeinsamen Verehrung des wahren Gottes in 
Aussicht nimmt. Es mag sein, daß Assur hier nur ein symboli- 
scher Name für Syrien ist und daß die besonderen Zustände einer 
späten Zeit (des 3., wenn nicht des 2. Jahrhunderts v. Chr.) den 
Anlaß zu dieser Erwartung gaben. Unter allen Umständen ist 
sie aber ein gewichtiges Zeugnis dafür, daß aller Partikularismus 
der späteren nachexilischen Zeit den Geist des Deuterojesaja 
nicht zu ertöten vermocht hat. Dasselbe gilt aber auch von dem 
Buche Jona 1 ). Die einfache Lehre dieses so vielfach mißver- 
standenen und darum nicht nach Gebühr geschätzten Büchleins 
ist die, daß Gott in seiner Barmherzigkeit nicht den Tod der 
Sünder, und zwar auch der aus den Heiden, will, sondern daß 
sie sich bekehren und leben ; ferner, daß es in seiner Macht steht, 
solche Bekehrung gegen alles menschliche Erwarten zu bewirken, 
und daß es somit nur ein Ausfluß fleischlicher Gesinnung und 



l ) [Neuere Literatur zu Jona s. 0. S. 306. D. H.] 



318 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

niedriger Rachsucht ist, wenn Juda, anstatt sich der Bekehrung 
der Heiden zu freuen, voller Ingrimm darüber ist, daß die Rache 
an Ninive (in Wahrheit ist damit wohl Babel gemeint) ausbleibt. 
So verstanden — und diese Deutung fordern gebieterisch die 
Schlußworte der Erzählung — steht auch dieses Büchlein auf der 
höchsten Höhe deuterojesajanischer Betrachtung. 

Wir haben im Vorstehenden alle die Heiden weit betreffen- 
den Erwartungen zusammengestellt. Den Mittelpunkt der letz- 
teren bildet jedoch immer „der Erbbesitz* 4 Jahwes (Jes. 19 25), 
Israel. Ihm vor allem gilt die frohe Botschaft, die die Trauern- 
den Zions tröstet (Jes. 61 1), in ihm vollzieht sich der wunderbare 
Umschwung, ja die Umkehrung aller Zustände in ihr Gegenteil 
(Jes. 29 17 ff.) und mit ihr der Triumph der Dulder und Aermsten 
der Menschen (V. 19). 

Die Hauptbürgschaft für alle Segnungen der messianischen 
Zeit liegt — wie in den älteren Weissagungen — in der erneu- 
ten persönlichen Gegenwart Jahwes, genauer: der Einwohnung 
seiner „ Herrlichkeit ". (Vgl. Sach. 2u.ief. 8s; Jes. 4s, wo Gewölk 
und Feuerglanz nach dem Läuterungsgericht an die feurige Wolke 
erinnern sollen, in der Jahwe dereinst Israel auf dem Wüsten- 
zuge begleitete.) Mit seinem Erscheinen auf dem Zion tritt er 
zugleich die Königsherrschaft über Israel und das Richteramt 
über alle Völker an (Jes. 2 4. 33 22. 24 28. Jer. 10 10. 16 21. Zeph. 
3 10. Sach. 14 9). Unter seinem Scepter wird sich die in nachexi- 
lischer Zeit lange so spärliche Bevölkerung ins Ungemessene ver- 
mehren (Sach. 85. Hos. 2 1). Die Mauern Jerusalems müssen weit 
hinausrücken (Mi. 7 11. Jer. 31 88 ff.), ja sogar ganz wegfallen we- 
gen der Menge von Menschen und Vieh (Sach. 2 ff.); wird doch 
Jahwe selbst der Stadt als eine feurige Mauer dienen (V. 9). Je- 
rusalem ist fortan heilig : Fremde sollen es nicht mehr durch- 
ziehen (Joel 4 17), kein Zwingherr mehr über es kommen, denn 
nun hält Jahwe seine Augen offen und lagert sich als Schutzwehr 
für seinen Tempel gegen alles, was da kommt und geht (Sach. 
9 8; vgl. auch Jes. 60 is). Auch bedarf es dann nicht mehr der 
Sonne und des Monds, denn Jahwe ist immerwährendes Licht 
(Jes. 60 19 f.). 

Der Herrlichkeit seines Königs entspricht auch die äußere 
Herrlichkeit, der Ruhm und Glanz des neuen Jerusalem, sowie 
das Glück seiner Bewohner. Sie stehen da zum Ruhm und Preis 
unter allen Völkern der Erde (Zeph. 3 20). Alle Nationen werden 



§ 22.] Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 319 

ihr Land glücklich preisen als ein Land des Entzückens (Mal. 
3 18), Jerusalem als den Stolz und die Wonne für alle künftigen 
Geschlechter (Jes. 60 is). Zion, die Stadt der Feste, wird einer 
sicheren, keiner Veränderung unterworfenen Wohnung gleichen 
( Jes. 83 20 ; vgl. auch Am. 9 is. Joel 4 20), Israel herrlich blühen- 
den Pflanzen (Hos. 14 e ff. Jes. 27 e, nach Manchen auch Jes. 4 2). 
Insgesamt werden sie sich einer überaus langen Lebensdauer er- 
freuen (Sach. 8 4. Jes. 65 20. 22), rings umgeben von Segen und 
Fruchtbarkeit (Jes. 30 23 ff. Jer. 31 11— u. Am. 9is. Joel4is). 
Denn sie sind „ein Geschlecht von Gesegneten Jahwes" (Jes. 
65 28) ; in tiefstem Frieden verbringen sie ihre Lebenstage (Mi. 
4*. Jes. 60 i7 b f.), einen Frieden, der sich auch auf die reißenden 
Tiere erstreckt (Jes. 65 20). 

Zum Glänze Jerusalems müssen aber vor allem auch die 
Heiden betragen. Alle ihre Reichtümer werden in Jerusalem als 
Huldigungsgaben für den Tempel zusammenströmen (Hagg. 2 7. 
Jes. 11 10. 18 7? 23 is. 60 f. 11), ihre Herden für die Opfer zu 
Diensten stehen (Jes. 60 7), die Pracht des Libanon zur Verherr- 
lichung der heiligen Stätten. So wird dann Israel „die Milch 
der Völker trinken und an der Brust der Könige saugen" (V. ie). 

Aber es sind doch nicht bloß Segnungen mit irdischen Gü- 
tern, auf denen das Glück des neuen Jerusalem beruhen wird. 
Die Weissagung vergißt auch der höheren, geistlichen Güter 
nicht — mag auch ihre Beschränkung auf Israel vorwiegen und so 
auch in diesem Punkte ein Herabsteigen von der Höhe der deu- 
terojesanischen Erwartungen unleugbar sein. Das Wichtigste, 
weil Vorbedingung für jede andere Segnung, ist die volle Sühne 
für alle vergangene Schuld des Volkes. Wenn nun Sacharja in 
seinem vierten Nachtgesichte (3 1 ff.) den Satan, der im Hohen- 
priester Josua noch immer das Volk wegen seiner alten Schuld 
anklagt, ohne weiteres zum Schweigen verurteilt sieht, so könnte 
es scheinen, als ob die vorangegangenen Strafgerichte ganz von 
selbst die volle Sühne gebracht hätten. Dies ist jedoch nicht die 
Meinung des Propheten. Vielmehr muß Jahwe (V. 4) die Schuld 
ausdrücklich verzeihen ; die Bekleidung des Hohenpriesters mit 
reinen Gewändern ist eine symbolische Handlung, die ihn (und 
damit das Volk) für gerechtfertigt erklärt, aber natürlich unter 
der Voraussetzung bußfertiger, Gott wohlgefälliger Gesinnung. 
In Wahrheit ist es die Gnade Gottes, die die Sühne bewirkt, 
wie dies Jes. 12 1 ff. 33 24 und vor allem Mi. 7 18 ff. ausdrücklich 



320 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22 # 

hervorgehoben wird. So wird Israel ein Volk, das aus lauter 
Gerechten besteht (Jes. 60 21), aus solchen, die heilig, d. h. Jahwe 
als unverlierbares Eigentum geweiht sind (Jes. 4 s) ; wird doch 
Jerusalem den Ehrennamen tragen „Jahwe ist unsere Gerech- 
tigkeit" (Jer. 33 ie). Nur gelegentlich wird die religiöse und sitt- 
liche Neugeburt des Volkes auf die Verleihung des göttlichen 
Geistes zurückgeführt; vgl. Jes. 32 15 ff. 59 21. Sach. 12 10 und 
besonders Joel 3 1 ff., obschon dort die Ausgießung des göttlichen 
Geistes auf alle Glieder des Volkes, selbst die Sklaven und 
Sklavinnen, vor allem auf die Verleihung der Prophetengabe ab- 
zielt. Aber auch die Jes. 29 24. 33 5 f. geschilderten geistigen 
Wandlungen sind sicher als Wirkungen des göttlichen Geistes 
gedacht. 

Bei alledem läßt sich nicht verkennen, daß die von Hesekiel 
vorbereitete und im Verlauf unserer Periode verwirklichte „Ge- 
setzesreligion" auch in die Erwartungen der Vollendungszeit 
ihre Schatten wirft. Wie in der Gegenwart (s. o. S. 311 f.) wird 
auch in der messianischen Zukunft Tempel und Kultus eine sehr 
hervorragende Rolle spielen. Zwar solcher Verkörperungen der 
Gegenwart Gottes, wie der heiligen Lade, wird man gern ent- 
raten, weil alsdann ganz Jerusalem der Thron Jahwes heißen wird 
(Jer. 3 16 f.). Aber der Tempelberg wird als der heiligste und 
wichtigste alle anderen überragen (Jes. 2 2. Mi. 4 1), während 
sich nach Sach. 14 10 das ganze übrige Land in eine Ebene ver- 
wandeln wird. Die Weissagung Hesekiels (c. 47) von der Tem- 
pelquelle erfährt Sach. 14 8 eine Steigerung, sofern die lebendi- 
gen Wasser von Jerusalem aus nach beiden Meeren, im Osten 
und Westen, abfließen und so das ganze Land befruchten. Wel- 
ches Gewicht aber auf die Ausübung des Kultus gelegt wird, das 
lehren nicht bloß die Erwartungen allseitiger Huldigungsgaben 
der Heiden für den Tempel (s. 0. S. 319), sondern auch Stellen 
wie Jer. 33 18. 21, wo die regelmäßige Sukzession der Leviten- 
priester auf gleicher Stufe steht mit der Sukzession der Davidi- 
den. Nur soll nach Jes. 66 21 das Priestertum auch den aus dem 
Exil Heimgekehrten (nicht etwa den sie heimbringenden Heiden!) 
zugänglich sein. Von besonderer Wichtigkeit erscheinen auch 
die religiösen Feste. Zwar die einstigen Fastentage werden sich 
dann in Freudentage verwandeln (Sach. 8 18 ff.), aber an jedem 
Neumond und jedem Sabbath wird alles Fleisch (aus Israel!) kom- 
men, um in Jerusalem anzubeten und zugleich — eine seltsame 



§ 22.] Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 321 

und wohl erst später beigefügte Erwartung — die Leichname der 
Abtrünnigen zu betrachten, „deren Wurm nicht stirbt und deren 
Feuer nicht verlöscht" (Jes. 6624 ; s. darüber unten S. 323). Dage- 
gen erwartet Sacharja 14 ie ff. für jedes Laubhüttenfest eine Wall- 
fahrt aller Völker nach Jerusalem zur Anbetung vor Jahwe und 
zur Mitfeier; wer sie unterläßt, des Land soll mit Dürre gestraft 
werden. Die dem Tempel eignende Heiligkeit wird ihre Wirkung 
auch auf die Schellen der Rosse in Jerusalem und die Kochtöpfe 
im Tempel erstrecken. Es bedarf keines Wortes, daß dieser 
Begriff der Heiligkeit nicht aus dem Sprachgebrauch eines Jesaja 
oder Deuterojesaja, sondern nur aus der mechanisch-äußerlichen 
Auffassung der ßesetzesreligion gedeutet werden kann. 

Absichtlich haben wir bisher den Teil der Zukunftserwar- 
tungen bei Seite gelassen, der nach einer noch heute herrschen- 
den Meinung im Vordergrunde aller Interessen stand: die Hoff- 
nung auf das Erscheinen des „Messias", des spätestens schon von 
Jeremia (s. o. S. 268 f.) verheißenen „Sproß Davids". In Wahr- 
heit kann man jedoch nicht behaupten, daß diese Seite der Weis- 
sagung in unserem Zeitraum eine hervorragende Rolle spielt, — 
es müßten denn die hochwichtigen Sprüche Jes. 9 1— e und 
11 1—9, sowie Mi. 5 1 ff. (vgl. dazu oben S. 267 f.) erst der nach- 
exilischen Zeit entstammen. Sehen wir von diesen Stellen ab, 
so finden wir eine direkte Beziehung auf den von Jeremia (23 5 ff.) 
angekündigten „Sproß Davids": Jer. 33 uff. (wo jedoch nach 
V. 17 und 21 f. nicht an einen bestimmten Herrscher, sondern an 
die stetige Aufeinanderfolge von Herrschern aus Davids Stamm 
gedacht ist) und Sach. 3 8. 6 12 1 ). Hier ist „Sproß" bereits zum 
Eigennamen geworden; auf sein Erscheinen braucht man jedoch 
nicht mehr zu warten, denn er ist in der Person Serubbabels 
schon gegenwärtig, und es bedarf nur noch der Offenbarung seiner 
Würde als eines von Jahwe auserwählten Siegelrings (Hagg. 2 23 
und der Erhebung auf den Thron seiner Väter, die Sach. 6 12 an 
die Vollendung des Tempelbaus geknüpft zu sein scheint. Daß 
die dort angeordnete Krönung nach dem ursprünglichen Text 
nicht Josua, sondern Serubbabel galt, wurde schon oben (S. 307) 
erwähnt. Es ist überaus begreiflich, daß nach dem Scheitern 
der auf Serubbabel gesetzten Hoffnungen der Hohepriester (V. 11) 

*) Von Jes. 42 sehen wir ab, weil dort „Sproß (besser Sprossung) 
Jahwes* nach dem Parallelismus nur bedeuten kann: was J. spros- 
sen läßt. 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 21 



822 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

an seine Stelle trat, zumal er bereits im fünften Nachtgesicht 
Sacharjas (4 u) zu den beiden „Gesalbten" gerechnet war, die 
vor dem Herrn der ganzen Erde stehen. 

Jes. 11 10 ist in deutlicher Rückbeziehung auf V. i von dem 
Wurzelsproß Isais die Rede, der als ein Panier für die Völker 
dastehen, d. h. ihnen die Richtung ihres Wegs anzeigen wird; 
sie werden sich um seine Gunst bemühen und durch ihre Huldi- 
gungsgaben (vgl. oben S. 319) seine Residenz verherrlichen. In 
der ganzen nachfolgenden Schilderung wird jedoch seiner nicht 
mehr gedacht. 

Die Erwartung eines Königs aus Davids Geschlecht besteht 
ohne allen Zweifel auch in der herrlichen Weissagung Sach. 9 9 f., 
obschon er dort einfach „König" heißt. Jerusalem soll jubeln 
über ihn, der als Sieger über alle Feinde heimkehrt, aber auf 
dem Reittier des Friedens, zum Zeichen, daß er fortan als ein 
Friedefürst herrschen werde bis an die Enden der Erde. Die 
Idee der Weltherrschaft des Messias liegt hier in endgültiger 
Ausprägung vor und zwar in einer Gestalt, die weit über alle 
bisher besprochenen Erwartungen hinausgeht und nur in Stellen 
wie Ps. 2 8 ihre Parallele hat. 

Außerdem begegnen wir nur ganz allgemein gehaltenen 
Verheißungen, wie der des gerechten Regiments eines Königs 
und seiner Beamten Jes. 32 i f., der Erwählung eines gemein- 
samen Oberhaupts über Juda und Israel beim Anbruch der 
messianischen Zeit (Hos. 2 2; auch Mi. 2 is ist mit dem „Durch- 
brecher" der irdische Anführer gemeint, der eigentliche König 
an der Spitze des heimkehrenden Volks ist jedoch Jahwe selbst), 
so wie endlich der Wiederaufrichtung der zerfallenen Hütte Davids 
(Am. 9 11). Doch könnte sich letztere Erwartung lediglich auf 
die Wiederherstellung der Residenz und des Reiches Davids be- 
ziehen, und Sach. 12 8. 10 ist „das Haus Davids", das (an Sieges- 
freudigkeit) dem Engel Jahwes gleichen wird, einfach die Obrig- 
keit des Volks. Eine nähere Prüfung aller dieser Stellen führt 
immer wieder zu dem Ergebnis, daß die Person des Messias in 
diesem Zeitraum entweder von nur sekundärer Bedeutung ist 
oder, wo dies nicht zutrifft, weit weniger auf dem religiösen als 
auf dem politischen Gebiet eine Rolle spielt. 

Schließlich haben wir noch einiger ganz vereinzelter Aus- 
sagen zu gedenken, die (wie schon ein Teil der oben besprochenen) 
in den Bereich der späten apokalyptischen Erwartungen gehören. 



§ 22.] Die übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 323 

Wir rechnen hierher weniger die Verheißung eines neuen Him- 
mels und einer neuen Erde (Jes. 65 17. 66 22). Denn obwohl sich 
diese Verheißung offenbar an Jes. 51 e (die Vernichtung von 
Himmel und Erde) anschließt, so denkt doch Tritojesaja nach 
dem ganzen Zusammenhang der Stelle eher an die totale Umge- 
staltung aller Verhältnisse, als an eine wirkliche Neuschaffung 
des Weltalls. Dagegen liegt Jes. 25 8 ein apokalyptischer Zug 
vor in der Ankündigung einer Vernichtung des Todes für immer *), 
sowie 26 19 in der Hoffnung auf die Auferstehung der toten From- 
men. Denn die bildliche Deutung dieser Auferstehung auf die 
Rückkehr aus dem Exil (wie Hes. 37 11 ff.) ist hier durch die Art 
der Aussage doch wohl ausgeschlossen. Die „im Staube Liegen- 
den" sind wirklich Begrabene; der geheimnisvolle, aus der Ge- 
stirnregion stammende Tau bewirkt, daß die Erde die Schatten 
wieder von sich gibt. Die Bestimmtheit, mit der hier eine Auf- 
erstehungserwartung vorgetragen wird, kann uns um so weniger 
Wunder nehmen, als die sogenannte Jesajaapokalypse (c. 24 — 27) 
doch wohl einer Zeit angehört, aus der wir auch andere Zeug- 
nisse für diese Erwartung besitzen (vergl. unten über Dan. 12 2). 
Anderwärts ist in unserem Zeitraum überall die alte Anschauung 
von der Scheol (s. o. S. 178 ff.), aus der keine Rückkehr möglich 
ist, vorausgesetzt. Fraglich ist nur, ob die Schilderung der Zu- 
stände des Totenreichs Jes. 14 9 ff., nach Analogie der Zustände 
auf der Oberwelt, lediglich auf Rechnung kühner dichterischer 
Ausmalung oder einer Weiterbildung der alten einfacheren Vor- 
stellung zu setzen ist. Hat man das Letztere anzunehmen, so 
kann doch auch in dieser Stelle (bes. V. 15; vergl. Hes. 32 23) 
nur ein Ansatz zu der Lehre von einer Scheidung der Guten und 
Bösen gefunden werden. Ueber die rätselhafte Aussage Jes. 66 24 
(wahrscheinlich spätere Zutat) vergl. oben S. 321. Sie müßte als 
ein deutlicher Ansatz zu der Lehre von Höllenstrafen betrachtet 
werden, wenn dabei überhaupt von der Unterwelt und nicht viel- 
mehr von den vor den Mauern Jerusalems liegenden Leichen der 
Abtrünnigen die Rede wäre. 

Im Vorstehenden waren schon allerlei Stellen zu erwähnen, 
die über die bloßen eschatologischen Erwartungen hinaus in das 
Gebiet der Apokalyptik übergreifen, sofern die Aussagen absicht- 

*) Ob dieser Satz, der weder zum Rhythmus, noch zum Inhalt der 
beiden folgenden Satzglieder paßt, von Haus aus zu Jes. 25 s gehört., 
lassen wir dahingestellt. 

21* 



324 D er Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

lieh dunkel und verschleiert, ja rätselhaft gestaltet sind, z. T. 
vielleicht in der wohlbegründeten Absicht, den Volksfremden das 
Verständnis unmöglich zu machen. Die eigentliche Apokalyptik 
beginnt jedoch in der uns erhaltenen Literatur erst mit dem 
Buche Daniel (um 165 v. Chr.). Da es Aufnahme in den alttesta- 
mentlichen Kanon gefunden hat, dürfen wir es im Zusammen- 
hang dieser Darstellung nicht ganz übergehen. In Wahrheit 
gehört es jedoch dem Bereich der nachkanonischen (apokryphi- 
schen und apokalyptischen) Literatur an *). Auf den apokalypti- 
schen Charakter des Danielbuches weist schon der Befehl (8 26. 
12 4. 9) an Daniel, die Offenbarungen geheim zu halten und das 
Buch auf die Endzeit zu versiegeln; ganz besonders aber der In- 
halt von c. 2. 7 und 10 ff. Hier werden überall Ereignisse ge- 
weissagt, die der Verfasser teils selbst erlebt, teils längst hinter 
sich hatte: in c. 2 und 7 die auf das babylonische Reich folgen- 
den Weltreiche samt den 10 Königen des vierten Reichs, in 10 ff. 
die Kämpfe der Ptolemäer und Seleukiden mit vielen Einzelhei- 
ten, ganz besonders aber die furchtbare Bedrohung der Religion 
Israels durch Antiochus IV Epiphanes (11 se ff.). Die Tendenz 
ist überall die gleiche: der Verfasser will seine Volksgenossen in 
der schweren Bedrängnis ihres Glaubens und ihrer Gesetzestreue 
zu unerschütterlichem Ausharren verhelfen. Zu diesem Behufe 
zeigt er ihnen an dem Beispiel des jungen Daniel und seiner 
Gefährten (1 8 ff.) den Segen unbedingten Gehorsams gegen die 
Speisegebote, an den drei Männern im Eeuerofen (c. 3) und an 
Daniel in der Löwengrube (c. 6) die wunderbare Errettung der 
mannhaften Bekenner des Gottes Israels aus der denkbar größ- 
ten Lebensgefahr, aber auch die unausbleibliche Strafe, die die 
Verächter dieses Gottes trifft (3 22 ff. 4 30 ff. 5 so. 6 20). Andrer- 
seits gründet sich der Trost, den der Apokalyptiker spendet, auf 
die — wenn auch in echt apokalyptischer Weise verschleierte, 
aber darum doch genaue — Vorhersagung des Endes der Drang- 
sal. Sie fließt (c. 9) aus einer mystischen Deutung des von 
Jeremia geweissagten 70jährigen Zeitraums der Verwerfung Jeru- 



*) Für das Einzelne sei hier verwiesen auf WFairnwbathers „ De- 
velopment of Doctrine in the apocryphal Period", sowie auf PVolz, Jü- 
dische Eschatologie von Daniel bis Akiba. Tüb. u. Lpz. 1903. WBousset, 
Die jüd. Apokalyptik etc. Berlin 1903. WBaldenspbböer, Die messia- 
nisch-apokalyptischen Hoffnungen des Judentums. 3. Aufl. Straßb. 1903. 
Das Selbstbewußtsein Jesu, I. Teil.) 



§ 22.] Die Übrige exilische und die nachexilische Prophetie. 325 

salems, indem die Jahre als Jahrwochen gedeutet werden. Auch 
diese Beschäftigung mit den längst kanonisch gewordenen heili- 
gen Schriften zur Ermittelung eines Geheimsinns ist ein charak- 
teristisches Merkmal der Apokalyptik. 

Man würde dem Buche Daniel grobes Unrecht tun, wollte 
man ihm wahrhaft religiösen Gehalt gänzlich absprechen und 
nur eine Verkörperung starren Gesetzeseifers in ihm erblicken. 
Mag auch das schöne Sündenbekenntnis 9 4 — 20 mit zahlreichen 
Neueren als eine spätere Zutat zu betrachten sein, so besteht 
doch auch 8 19 und 11 se die Voraussetzung, daß der Anbruch 
der Endzeit noch immer durch das Fortwähren des wohl- 
verdienten Zornes Gottes über Israel aufgehalten wird. Ueb- 
rigens aber läßt sich nicht bestreiten, daß die strikte Beob- 
achtung der äußeren Forderungen des Gesetzes, obenan derer, 
die den Kultus betreffen, im Vordergrund des Interesses stehen. 
Als das Hauptunglück in der Religionsverfolgung durch Antio- 
chus Epipbanes erscheint unserem Apokalyptiker offenbar die 
Abschaffung des regelmäßigen Morgen- und Abendbrandopfers 
(811. is; 11 8i neben der Befleckung des Heiligtums durch ein 
Götzenbild erwähnt) ; seine Wiederaufnahme ist Gegenstand ge- 
nauer Berechnung (8 18 f. 12 11 f. *). 

Daß der Gottesbegriflf des Buches auf der durch die Schrift- 
propheten vorgezeichneten Höhe steht, ist für den Zeitraum sei- 
ner Entstehung selbstverständlich. Bemerkenswert sind jedoch 
schon hier die starken Spuren des Bestrebens, das nachmals in 
der rabbinischen Theologie auf die Spitze getrieben wurde, die 
Person Gottes ängstlich von jeder direkten Berührung mit der 
sichtbaren Welt abzuschließen. So erklärt sich das starke Ueber- 
wuchern ziemlich selbständig auftretender Mittel wesen, die mit 
dem Apokalyptiker verkehren, um ihm Aufschlüsse zu geben 
(7 16 fif. 8 15 ff. und 9 21 ff., wo zum ersten Male der Name eines 
Engels, Gabriel, erscheint ; 10 4 ff.), oder die er sonst in seinen 
Gesichten schaut, wie die zahllosen Myriaden 7 10; vergl. auch 
8 13 f. 12 5 ff. und die Erwähnung der Schutzengel 3 25. 6 23. In 
der Erzählung vom Wahnsinn Nebukadrezars (4 10 fif.) gewinnt 
es fast den Anschein, als ob die Weltregierung lediglich auf dem 
»Beschluß der Wächter" (bestimmter oberer Engel) und dem 
Befehl der „Heiligen" beruhe; erst V. 21 ist von einem „Beschluß 

x ) In 12 11 f. dürften allerdings zwei spätere, von 814 verschiedene 
Berechnungen vorliegen. 



326 Der Prophetismus seit dem Exil. [§ 22. 

des Höchsten" die Rede. Nicht minder scheinen die Völker- 
kämpfe lediglich durch Engelfürsten (därim) als die Schutzpatrone 
und Vorkämpfer der einzelnen Völker entschieden zu werden x ); 
vergl. 10 4 ff., wo mit der phantastisch beschriebenen Gestalt des 
Vorkämpfers Israels, der mit dem Beistand Michaels 2 ), eines 
der obersten Fürsten (10 18. ai; 12 i heißt er „der große Fürst, 
der deine Volksgenossen schützt"), gegen den Schutzpatron des 
persischen Reiches und (V. 20) Griechenlands kämpft, wahrschein- 
lich Gabriel gemeint ist. 

Der oben betonten Fernhaltung der Person Gottes scheint 
nun durchaus die Schilderung 7 9 ff. zu widersprechen, wo der 
„Hochbetagte", der sich auf dem Throne niederläßt, um Gericht 
zu halten, nur von Gott verstanden werden kann. Aber abge- 
sehen davon, daß es sich um eine bloße Vision handelt, und daß 
bei dieser Gelegenheit eine persönliche Teilnahme Gottes schlecht- 
hin unumgänglich war, bleibt die Schilderung durchaus bei Aeus- 
serlichem stehen (Gewand und Haupthaar, Flammenthron und 
Myriaden dienender Geister) und führt Gott nicht einmal redend 
ein. Vielmehr scheint es, als ob die Entscheidung von den Bei- 
sitzern des Gerichts (V. io b ) auf Grund der „Bücher", d. h. doch 
wohl der Aufzeichnungen über die Taten der zu Richtenden, ge- 
fällt würden. 

Dieses Gericht ist sichtlich ein Hauptbestandteil der eschato- 
logischen Erwartungen des Apokalyptikers. Und zwar bedeutet 
dasselbe nicht nur die Niederwerfung der in dem gottesläster- 
lichen Antiochus Epiphanes personifizierten heidnischen Welt- 
macht, sondern zugleich auch die Verleihung der Weltherrschaft 
für ewige Zeiten an „die Heiligen des Höchsten", d. h. an das 
Volk Israel (7 13 f. 21 f. 27; vgl. übrigens schon 2 44). Denn nur 
dieses, und nicht ein persönlicher Messias, kann nach der aus- 
drücklichen Interpretation des Engels 7 27 unter dem verstanden 
werden, der einem Menschen gleichend mit den Wolken des 
Himmels herankommt. Von einem persönlichen Messias enthält 
das Buch befremdlicherweise keine Spur. Dagegen bietet es (12 2) 
die erste ganz zweifellose 3 ) Aussage in betreff der Auferstehung, 

*) Vergl. hierzu das oben S. 79 über Jes. 24 21 f. bemerkte. 

2 ) Vergl. dazu die ausführliche Monographie von WLukkbn, „Mi- 
chael". Gott. 1898. 

8 ) Die oben S. 323 besprochene, übrigens vielleicht gleichzeitige 
Stelle Jes. 26 10 wird von manchen auf die politische Auferstehung des 
Volkes gedeutet. 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 327 

nur daß noch nicht eine allgemeine Auferstehung aller Toten, 
sondern nur eine solche vieler, und zwar der Frommen (zum 
ewigen Leben) und der Gottlosen (zur Schmach und zum ewigen 
Abscheu) erwartet wird. Zu den ersteren wird nach V. is natür- 
lich auch Daniel gehören. 

Daß dieser letzte Ausläufer der Prophetie nur noch wenig 
von deren Geiste verspüren läßt, sich vielmehr ganz in den Bah- 
nen der Gesetzesreligion bewegt, ist nur natürlich, da diese 
bis zur Abfassung des Daniel nahezu 300 Jahre eine fast un- 
beschränkte Herrschaft ausgeübt hatte. Mit der Besprechung 
des Daniel, wie schon eines nicht unerheblichen Teils der nach- 
exilischen Prophetie, haben wir der Zeitfolge der Entwickelungs- 
stadien der Religion Israels vorgreifen müssen, und es liegt uns 
nunmehr vor allem ob, uns das Wesen des Priestergesetzes näher 
zu vergegenwärtigen. 



VI. Kapitel. 

Die Religion des Judentums. 

§ 23. Das Priestergesetz (P). 

Zur Literatur: CPTiele, Die Kosmogonie der Avesta und Gen. I. 
Archiv für Rel.Wiss. 1903, VI, 3. S. 244 f. — FbBohn, Der Sabbat im 
AT. und im altjüdischen relig. Aberglauben. Gütersloh 1903. — SFbAnkkl, 
Zu dem semit. Original von tXoconfipios und EXaoxTJpiov. ZntWiss. V, 3 
(1904), S. 257 f. — JHerkmann, Die Idee der Sühne im A.T. Eine 
Untersuchung über Gebrauch und Bedeutung des Wortes Kipper. Leip- 
zig 1905. — TKChbynb, Das religiöse Leben der Juden nach dem Exil. 
Amerikanische rel.wiss. Vorlesungen, 3. Reihe 1897 — 99. Uebersetzt von 
H. Stocks. 2. Ausgabe. Gießen 1905. — JKöberle, Die Bedeutung der 
Sündenvergebung in der alttestamentl. Frömmigkeit. Neue kirchl. Zeit- 
8chr. XVI, 1. 1905, S. 20—50. — OKluge, Die Idee des Priestertums in 
Jsrael-Juda und im Urchristentum. Leipzig 1906. — HStkunk, Die 
hohepriesterliche Theorie im A.T. Halle 1906 (Diss.). — JGoldschmidt, 
Das Wesen des Judentums. (Rel.wiss. Bibl. des Judentums, 2. u. 3. Heft.) 
Frankfurt a. M. 1907. — WEkbt, Das Jobeljahr, Oriental. Lit.-Ztg. X 
(Dez. 1907), S. 636—638. — HStbunk, Das alttest. Oberpriestertum. 
Th. St. u. Kr. 1908, 1. S. 1—26. — JBenzingeb, Wie wurden die Juden 
das Volk des Gesetzes ^(Rel.gesch. V.B. II, 15). Tüb. 1908. — JWRoth- 
stein, Juden und Samaritaner, die grundlegende Scheidung von Juden- 
tum und Heidentum. (Beitr. zur Wissensch. vom A.T., her. von Kittel, 
Heft 3). Leipzig 1908. — WEngelkempeb, Heiligtum und Opferstätten 
in den Gesetzen des Pentateuch. Exeget. Studie. Paderborn 1908. — 
WStärk, Aramäische Urkunden zur Gesch. des Judentums im IV. und 



328 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

V. Jhdt. vor Chr. Sprachl. und sachlich erklärt. Bonn 1908. (Nr. 32 
aus: „Kleine Texte" etc., herausg. v. H. Lietzmann). — ABebtholet, 
Das rel.gesch. Problem des Spätjudentumg. (Sammlung gemeinverst. Vor- 
träge etc. Nr. 55.) Tübingen 1909. — WCaspari, Die Pharisäer bis an 
die Schwelle des N. Test. (Bibl. Zeit- u. Streitfragen V, 7.) Groß-Lichter- 
felde-Berlin 1909. — KKohler, Verbot* des Knochenzerbrechens, Archiv 
f. Rel.Wiss. 1910, 1. S. 153 f. — WBaohkb, Die Ansicht Kaiser Fried- 
richs II. des Hohenstaufen über das bibl. Opfergesetz. ZDMG. LXIV, 1910. 
1. Heft. S. 84—86. 

1. Die Quellen. 

In betreff der mannigfaltigen Streitfragen zur Literarkritik 
der gesamten Schicht, die man mitP zu bezeichnen pflegt, müssen 
hier wenige Bemerkungen genügen. Es ist allgemein anerkannt, 
daß nicht nur der jetzige Pentateuch, sondern auch die jüngste 
Schicht, d. i. eben P, als die Frucht eines längeren literarischen 
Prozesses zu betrachten ist. Trotzdem erweist sich Geist und 
Sprachgebrauch der ganzen Schicht in einem Grade einheitlich, 
daß für die religionsgeschichtliche Betrachtung die genauere Er- 
mittelung der einzelnen Bestandteile nur ein nebensächliches In- 
teresse hat. So bestreiten wir nicht die Möglichkeit, daß sich in- 
nerhalb des sog. Heiligkeitsgesetzes (H, Lev. 17 — 26) einige Peri- 
kopen aus vorexilischer Zeit finden könnten : weitaus das Meiste 
von H denken wir uns jedoch in den Priesterkreisen des Exils 
und zwar als Ausführung des Entwurfs Hesekiels (c. 40 — 48) 
entstanden ; ebenso das priesterliche Gesetzbuch, das nach der 
ausdrücklichen Aussage Esr. 7 25 (vergl. auch Neh. 8 1 f. is) erst 
von Esra aus Babylonien mitgebracht und nach Esr. 7 12. 21 von 
ihm (dem „Schreiber des Gesetzes des Gottes des Himmels") 
mindestens redigiert war. Ob dieses Gesetzbuch Esras identisch 
war mit der Rezension, die die Kultusgesetze in Gestalt einer 
Kultusgeschichte einprägte (vergl. z. B. Lev. 10 1 ff. Num. 15 82 ff.) 
und auch die geschichtlichen Partieen in Gen., Ex., Num. und 
Jos. mit enthielt, lassen wir hier auf sich beruhen. Nur darüber 
besteht uns kein Zweifel, daß das Gesetzbuch Esras weder mit 
dem ganzen heutigen Pentateuch, noch der ganzen jetzigen P- 
Schicht identisch ist. Denn in ersterem Fall wäre bei der z. T. 
starken Differenz der Gesetze in Dt und P eine arge Verwirrung 
entstanden; im anderen Falle wären die überaus zahlreichen 
Wiederholungen (so die doppelte Rezension der Gesetze über 
Bau und Ausstattung des Offenbarungszeltes Ex. 25 — 31 und 
35 — 40), sowie die teilweise Verschiedenheit der Bestandteile ge- 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 329 

wisser Gruppen (so innerhalb der sogen. Opferthora, Lev. 1 — 7) 
ganz unerklärlich. Vielmehr kann das einheitliche Gesetz 
Esras nur erst nachträglich durch die Früchte anderweitiger prie- 
sterlicher Entwürfe vermehrt und so schließlich (wohl noch im 
5. Jahrhundert) mit den älteren Quellenschriften (J, E, D) zu 
einem Ganzen vereinigt worden sein. 

2. Der Gottesbegriff. 

Der Gottesbegriff von P kann eigentlich nur aus dem Schöp- 
fungsbericht in Gen. 1 erschlossen werden. Denn da sich fast 
sein ganzes Interesse auf die Vorbereitung und Begründung der 
israelitischen Theokratie konzentriert, so findet sich anderwärts 
nur wenig Veranlassung zu Aufschlüssen über das Wesen Gottes. 
Im Schöpfungsbericht von P aber (vergl. dazu oben S. 185 ff.) 
tritt uns eine solche Transzendenz Gottes gegenüber dem Stoff, 
im Gegensatz zu jeder pantheistischen Vermischung beider, sowie 
zu jeder Evolutionstheorie entgegen, daß wir die vielumstrittene 
Anlehnung des Erzählers an die babylonische oder phönizische 
Kosmogonie hier auf sich beruhen lassen können *). Höchstens 
hat sich in der Andeutung eines Chaos (V. 2) und dem Schweben 
(schwerlich „Brüten" !) des schöpferischen Geistes Gottes über 
denUrwa88ern ein mythologischer Anklang erhalten. Aber selbst 
wenn man V. 2 gegen die Voraussetzung einer „creatio ex nihilo" 
geltend machen wollte, so bliebe doch die Erschaffung des Lichts, 
der Himmelsveste und vor allem der Gestirne, die offenbar nicht 
aus vorhandenem Stoff geformt, sondern unmittelbar ins Dasein 
gerufen zu denken sind. Die absolute Allmacht des Schöpfers 
ergibt sich von selbst daraus, daß ihm schon das befehlende Wort 
genügt, die Dinge nach seinem Belieben ins Dasein zu rufen, die 
absolute Weisheit aber aus dem stufenweisen Aufbau der Schöp- 
fung bis hinauf zu dem Menschen als dem Ziel und der Krone 
alles Geschaffenen, sowie aus dem Selbstzeugnis des Schöpfers 
(V. si), daß alles von ihm Geschaffene „sehr gut", d. h. vollkom- 
men gewesen sei. 

Diese erhabene Vorstellung von dem lebendigen, persön- 
lichen, zugleich aber rein geistigen Gott, — eine Frucht des voll- 
endeten Prophetismus — tritt uns anderwärts in P in der sorg- 

*) Eine ausführliche Behandlung dieser Fragen bietet HGünkel, 
„Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit u (Gott. 1894) und FDb- 
Iitzsch, Das babylonische Weltschöpfungsepos. Leipzig 1896. 



330 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

fältigen Fernhaltung jedes Anthropomorphismus entgegen. Aller- 
dings kann auch P in besonders wichtigen Momenten der Heils- 
geschichte der Theophanieen nicht ganz entbehren. Aber es 
bleibt immer bei fast unmerklichen Hinweisen auf das Nahege- 
wesensein Gottes (Gen. 17 22. 35i8 Ä ) oder auf die Erscheinung 
der „Herrlichkeit Jahwes" (s. oben S. 88 ff.) in der Wolke (Ex. 
16 10. Num. 9 15 ff. 17 7). Diese „Herrlichkeit u erscheint den Is- 
raeliten auf dem Gipfel des Berges Sinai wie verzehrendes Feuer 
(Ex. 24 17) ; von ihrem Wiederschein erglänzt die Haut Moses, 
so daß er sein Angesicht mit einer Hülle bedecken muß (Ex. 
3429). An eine Beschreibung des eigentlichen Wesens Gottes 
wagt sich jedoch keine dieser Aussagen auch nur von weitem 
heran. Unter diesen Umständen ist es auch gewiß nicht zufallig, 
daß sich bei P keine Spur von Mittelwesen zwischen Gott und 
Menschen findet. Als Medium der Offenbarung dient ausschließ- 
lich das Reden Gottes. Offenbar erschien P die Entsendung von 
Engeln, die doch in irgendwelcher Leiblichkeit gedacht werden 
mußten, schon als eine Herabziehung der göttlichen Sphäre in 
den Bereich des Kreatürlichen. Um so weniger kann bei der Er- 
schaffung des Menschen nach dem Bilde und in der Aehnlich- 
keit Gottes (Gen. I27) an ein Ebenbild der Leiblichkeit Gottes 
gedacht werden. Sollte etwas derartiges in der von manchen 
vorausgesetzten heidnischen Vorlage des Erzählers gemeint ge- 
wesen sein, so hätte doch er selbst eine solche Auffassung ent- 
rüstet zurückgewiesen. Der Mensch ist das Ebenbild Gottes, so- 
fern er im Unterschied von allen anderen Lebewesen in die Sphäre 
der vernunftbegabten, sittlichen Wesen gehört, an deren oberster 
Spitze Gott selbst steht. Davon, daß dieses göttliche Ebenbild 
durch einen Sündenfall verloren gegangen wäre, weiß P nichts. 
Vielmehr betont er (Gen. 5 3) ausdrücklich, daß es von Adam 
durch Zeugung auf Seth und seine Nachkommen übertragen 
worden sei, und auch nach der Sintflut wird der Mord (Gen. 9 e) 
deshalb für ein todeswürdiges Verbrechen erklärt, weil er eine 
Zerstörung des göttlichen Ebenbildes bedeutet. 

Ein Ausfluß der bevorzugten Stellung, die der Mensch als 
Träger des göttlichen Ebenbildes einnimmt, ist die ihm von Gott 
verliehene Herrschaft über die Erde, insbesondere über die Tier- 
welt (Gen. 1 28). Zu ihrer Ausübung sollen die Menschen da- 
durch befähigt werden, daß sie gemäß dem „ Schöpfungssegen* 4 
fruchtbar sind und zahlreich werden. Dabei werden sie jedoch 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 331 

anfänglich (V. w) ausschließlich auf vegetabilische Nahrung an- 
gewiesen; die Gestattung animalischer Nahrung (jedoch mit Aus- 
schluß des Blutgenusses) erfolgt erst nach der Sintflut (Gen. 
9 s ff.), ist also nur ein Zugeständnis an die nun einmal einge- 
rissene Verderbnis, eine Verkebrung des ursprünglich von Gott 
gewollten Zustandes. In seiner vollkommenen Schöpfung konnte 
nicht von Anfang an der Mord gewütet haben. 

3. Die Ordnungen der Theokratie. 

Das Interesse an den Ordnungen der Theokratie, von dem 
P beherrscht ist, macht sich bereits in der Schöpfungsgeschichte 
geltend, sofern sie den Sabbath, als den Tag der Ruhe Gottes 
vom Sechstagewerk, von Anbeginn gesegnet und geheiligt sein 
läßt (Gen. 2 s). Die Sintflut ist zwar (6 u ff.) wie bei J ein Straf- 
gericht Gottes über die gänzlich verderbte Menschheit, aber zu- 
gleich ein Anlaß, mit der von Noah ausgehenden neuen Mensch- 
heit eine b*rit (vgl. hierzu oben S. 59 ff.) einzugehen. Diese be- 
steht in der Zusage Gottes, daß die Menschheit künftig vor einem 
neuen Flutgericht verschont bleiben soll, und in der Verpflich- 
tung Noahs (und in ihm der ganzen Menschheit) zur Enthaltung 
von Blutgenuß und Mord. Das die göttliche Zusage verbürgende 
Zeichen des „Bundes" ist der Regenbogen (9 12 ff.). Aus der Ge- 
schichte der Patriarchen, die von P nur mit wenigen, äußerst 
kurzen Notizen erledigt wird, hebt sich wiederum der Abschluß 
der b'Ht mit Abraham hervor (Gen. 17 1 ff.). Die göttliche Zu- 
sage erstreckt sich hier auf die Verleihung einer überaus zahl- 
reichen Nachkommenschaft, zu der auch Könige gehören wer- 
den, so wie auf die Verleihung Kanaans an die Nachkommen Ab- 
rahams zu dauerndem Besitz. Abraham aber wird zu frommem 
Wandel vor Gott und zur Vornahme der Beschneidung als des 
äußeren Zeichens dieses zweiten „Bundes" verpflichtet. Klar 
ist, daß die Beschneidung, die als uralter Brauch zahlreicher 
Völker rings um Israel ursprünglich auf anderen Motiven beruht 
haben muß (vgl. darüber oben S. 34 f.), hier unter spezifisch reli- 
giösem Gesichtspunkt steht. Da der Unbeschnittene „unrein" 
ist, so ist die Beschneidung, als Hinwegnahme eines Teils der 
Unreinheit, ein symbolischer Reinigungsakt. Zu dieser negativen 
Bedeutung kommt aber die postive eines Weiheaktes: die Be- 
schneidung ist der Eitus der Aufnahme des Kindes in die Ge- 
meinschaft des reinen, Gott geweihten Volkes, und schließt zu- 



332 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

gleich die Verpflichtung auf die in dieser Gemeinschaft gelten- 
den göttlichen Satzungen in sich. Durch alle diese Momente 
(Reinigung, Weihe, Gelöbnis) erhält die Beschneidung im Sinne 
des PC einen sakramentalen Charakter, der den Vergleich mit 
der christlichen Taufe nahelegt. Daß die Beschneidung nach Gen. 
17 18 auch an jeder Art von Sklaven vollzogen werden muß, er- 
scheint auf den ersten Blick höchst auffallig angesichts des Par- 
tikularismus, mit dem P sonst das alleinige Anrecht Israels auf 
den Namen eines Volkes Gottes hervorhebt. Aber noch wichtiger 
erscheint ihm, daß in der Genossenschaft der Reinen schlechter- 
dings kein Unreiner geduldet wird, und er ergreift daher lieber 
den Ausweg, daß auch die Volksfremden, die nun einmal in 
äußere Gemeinschaft mit Israel getreten sind, durch die Be- 
schneidung auf das Gesetz verpflichtet und damit zu Vollbürgern 
der Gemeinde Gottes gemacht werden. 

Abgesehen von dem ausfuhrlichen Bericht über den Ankauf 
der Begräbnisstätte in Hebron (Gen. 23), auf den offenbar ein 
Besitzrecht der Nachkommen Abrahams in Kanaan gegründet 
wird, eilt P mit raschen Schritten über die Vorgeschichte des 
Sinaibundes hinweg, um diese dritte b'rit, die auf ewige Dauer 
berechnet ist und den Sabbath zum Bundeszeichen hat (Ex. 
31 18 ff.), desto ausführlicher darzustellen. An der Spitze steht 
(Ex. 62 ff.) die feierliche Offenbarung des Jahwe-Namens an 
Mose. Sie wird ausdrücklich als erst jetzt erfolgend hingestellt, 
während sich Gott den Vätern nur als 'gl äaddaj (allmächtiger 
Gott) offenbart habe. Eine Erklärung des Namens Jahwe wird 
nicht gegeben ; ohne Zweifel wird die Ex. 3 15 vorliegende als längst 
bekannt vorausgesetzt. Wohl aber werden schon hier die Zu- 
sagen Jahwes aufgezählt, auf die sich die b'rit am Sinai gründen 
soll : die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft, durch die 
zugleich die Erwählung Israels zum Eigentumsvolk besiegelt 
wird, und die Einpflanzung in Kanaan kraft der den Patriarchen 
eidlich gegebenen Verheißung, daß dieses Land ihren Nach- 
kommen zu dauerndem Besitz verliehen werden solle. Die Ver- 
pflichtungen aber, denen sich das Volk zu unterziehen hat, 
um sich dieser göttlichen Segensgaben und des Namens „ Volk 
Jahwes" würdig zu erzeigen, sind niedergelegt in den zahlreichen 
Satzungen, die den Kern des sogenannten „Priesterkodex* 4 aus- 
machen. Dieser Name soll nicht besagen, daß es sich ausschließ- 
lich um Vorschriften für die Priester handle — etwa im Gegen- 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 333 

satz zum Dt als einem Gesetzbuch für das Volk — ; vielmehr 
tragen die meisten Gesetze die Form einer auf Befehl Jahwes 
erfolgenden Mitteilung Moses an das Volk. Aber da alle eigent- 
lich kultischen Handlungen nur von Priestern ausgeführt werden 
können, und die Gesetze sich zum allergrößten Teil eben auf 
den Kultus beziehen, hat die Bezeichnung des Ganzen als „Prie- 
sterkodex" ihr gutes Recht. Das Gebiet des Zivil- und Kriminal- 
rechts 1 ), das im „Bundesbuch" eine nicht unwesentliche Rolle 
spielt, kommt bei P nur da in Betracht, wo es sich mit spezifisch 
religiösen Interessen berührt. 

Die Grundgedanken, auf denen das sogenannte Zer emo- 
nialgesetz in Anlehnung an den Gesetzesentwurf Hesekiels 
beruht, sind überaus einfach. Sie kommen in der Hauptsache 
auf den einen Gedanken hinaus, daß im Bereich Israels, des 
Eigentumsvolkes Jahwes, alles und jedes diesem allein gehört und 
somit ihm geweiht ist, und zwar ebenso aller Raum und alle Zeit, 
wie aller Besitz und alles Leben. Die volle Konsequenz dieser 
Tatsache wäre nun eigentlich, daß der Mensch auf jede Nutz- 
nießung des Gott allein Gehörigen verzichtete, ja daß alles Le- 
ben ihm zum Opfer gebracht würde. Damit wäre aber auch ein 
Fortbestehen des Jahwe geweihten Volkes ausgeschlossen. Dar- 
um hat es Gott im Gesetze so geordnet, daß nur ein Teil der er- 
wähnten Güter ihm ausschließlich geheiligt und somit der pro- 
fanen Verwendung entzogen wird. Diese Abgabe vom Ganzen 
(t'rümäh oder „Hebe" genannt) drückt symbolisch die Anerken- 
nung aus, daß Jahwe unbestritten der Herr des Ganzen sei. An 
diesem Bekenntnis läßt er sich gnädig genügen ; durch die heilige 
Hebe wird auch alles Uebrige geheiligt und Israel zu gefahrloser 
Verwendung überlassen. Um so schwerere Ahndung aber trifft 
den, der die vorgeschriebene Heiligung und Abgabe eines Teils 
an Jahwe unterläßt oder sich an dem bereits Geheiligten ver- 
greift. Welcher Anteil Jahwe im Einzelnen von allen Gütern 
gebührt, soll die nachfolgende Uebersicht lehren. 



*) Vergl. über diese Seite der Gesetzgebung, die wir hier auf sich 
beruhen lassen können: WNowack, Die sozialen Probleme in Israel. 
Straßburg 1892. — ESchall, Die Staatsverfassung der Juden. Leipzig 
1896. — FBühl, Die sozialen Verhältnisse der Israeliten. Berlin 1899. 
— GFörstbr, Das mosaische Strafrecht in seiner geschichtlichen Ent- 
wicklung. Leipzig 1900. 



334 Die Religion des Judentums. [§ 23. 



a) Der heilige Raum. 

Jahwe ist alleiniger Herr alles Raums. Er läßt sich jedoch 
daran genügen, daß für ihn ein umgrenzter Raum ausgesondert 
und für schlechthin geweiht erklärt wird. Dieser Raum ist der 
Ort der Ein wohn ung seiner „Herrlichkeit" und so zugleich die 
Bedingung des Nahens zu ihm und jeder Art von kultischen 
Handlungen. Die letzteren wurden erst möglich nach der Be- 
schaffung des einen legitimen Heiligtums in Gestalt des „ Offen- 
barungszeltes ** (vulgo „Stiftshütte**) am Sinai. Daher berichtet 
P nirgends von Altären oder Opfern der Patriarchen ; wohl aber 
ist die Beschaffung des Heiligtums der erste und sehr ausführ- 
lich behandelte Gegenstand der Gesetzgebung am Sinai (Ex. 
25 i ff. und 35 4 ff.). Was das Dt (12 i ff.) als eine ganz neue For- 
derung hinstellte und nicht ohne Mühe durchsetzte, die Konzen- 
trierung des Kultus auf ein legitimes Heiligtum, das gilt für P 
bereits als etwas selbstverständliches, das nicht besonders geboten 
zu werden braucht. Auch tritt für P die Forderung der Kultus- 
einheit nicht wie im Dt erst mit dem Abschluß der Eroberung 
Kanaans (genauer mit der Erbauung des salomonischen Tem- 
pels) in Kraft, sondern sie besteht von allem Anfang an. Aller- 
dings ist das am Sinai errichtete Zeltheiligtum seiner ganzen Be- 
schaffenheit nach nichts anderes als der in die Zeit des Wüsten- 
zugs zurückdatierte jerusalemische Tempel; trotzdem aber kann 
man dabei aus einem doppelten Grunde nicht von reiner Fiktion 
sprechen. Einmal kennt auch die alte Ueberlieferung (Ex. 33 1 ff.) 
ein „ Offenbarungszelt** — nur daß dies nicht Kultstätte, sondern 
lediglich Orakelstätte ist und nicht inmitten des Lagers, son- 
dern außerhalb desselben steht. Sodann gehört das Zeltheiligtum 
beiP zu den vielen Theorieen, die ihre Ausgestaltung nicht einer 
wirklichen Ueberlieferung, sondern einem religiösen Postulat 
verdanken. So mußten die Dinge beschaffen gewesen sein, wenn 
sie den (viel später aufgestellten, aber) unbedingt maßgebenden 
Theorieen entsprechen sollten. Die feinsinnige symbolische Idee 
verdichtet sich zu greifbarer Geschichte. Wer dies kurzer Hand 
Geschichtsfälschung nennt, verkennt das eigentümliche Wesen 
der Literaturgattung des „Midrasch" : denn in diesen Bereich 
gehören auch solche Einkleidungen religiöser Ideen in Geschichte 
innerhalb des Zeremonialgesetzes. 

Die Aufstellung des heiligen Zeltes mitten im Lager Israels 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 335 

bedeutet natürlich, daß Jahwe inmitten seines Volkes Wohnung 
nehmen will, wenn auch nicht in seiner eigensten Person, so doch 
mit einer Repräsentation seines Wesens (vgl. oben S. 88 ff. über 
die „Herrlichkeit" Jahwes). Die eigentliche Stätte seiner Offen- 
barungsgegenwart und somit der allerheiligste Mittelpunkt der 
heiligen Stätte ist der Deckel der Gesetzeslade in dem dunklen 
Hinterraum des Zeltes (Ex. 25 22). An diesen „hochheiligen" 
Kaum, den nach Lev. 16, wie es scheint, nur der Hohepriester 
und auch dieser nur am großen Versöhnungstag betreten darf 1 ), 
schließt sich das nur den Priestern, nicht den Leviten zugäng- 
liche Heilige. Beide Räume sind von dem Vorhof umgeben, in 
dem die Priester unter dienender Assistenz der Leviten des 
Opferkultus warten. Zwischen dem Vorhof aber und den Stäm- 
men Israels, die — je drei auf jeder Seite — den Vorhof um- 
geben, lagern sich die Leviten. Vermöge der Weihe, die sie emp- 
fangen haben, sind sie geeignet, dem Volk als eine Schutzmauer 
gegenüber der Heiligkeit Gottes zu dienen, die alles Unreine, das 
in ihre Nähe kommt, mit Vernichtung bedroht (Num. 1 53). 

Die Idee einer „Hebe" vom Land für Jahwe als eines Be- 
kenntnisses, daß man ihm das Ganze schulde, findet einen wei- 
teren Ausdruck in dem Gebot der Ausscheidung von 13 Priester- 
und 35 Levitenstädten samt je einem Weideplatze rings um die 
Stadt (Num. 35. Jos. 20). Daß diese Städte und das zugehörige 
Weideland zu menschlicher Nutznießung dienen sollen, schließt 
nicht aus, daß sie als eine Abgabe an Jahwe zu betrachten sind. 
Denn auch sonst fällt die „Hebe" (so z. B. die Keule von den 
Mahlopfern) den Priestern zu. Daß aber auch dies Gesetz nur 
eine Theorie verkörpern will, ohne Rücksicht auf die Möglich- 
keit einer praktischen Ausführung, geht schon daraus hervor, 
daß das Gebiet der 12 Stämme, aus denen nach Num. 35 7 f. ins- 
gesamt 48 Städte ausgeschieden werden sollen, längst nicht mehr 
in der Gewalt des Volkes war. Auch läßt sich eine Durchfüh- 
rung des Gesetzes in der nachexilischen Zeit für Juda nicht be- 
weisen, mögen auch Priester und Leviten mit Vorliebe in den 



*) Der Eingang von Lev. 16 enthält allerdings zunächst nur Be- 
stimmungen darüber, unter welchen Schutzmitteln Aaron ungefährdet ins 
Heiligtum eingehen könne, setzt also offenbar die Möglichkeit eines 
öfteren Eintretens voraus. Dieser Eingang wurde erst nachträglich mit 
dem Ritual des Versöhnungstags verschmolzen. Auch Num. 18 7 ist 
noch ein Amtieren aller Priester im Allerheiligsten vorausgesetzt. 



336 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

betreffenden Städten von Juda und Benjamin ihren Wohnsitz 
genommen haben. Für eine bloße Theorie spricht endlich auch 
der Umstand, daß mehrere der aufgezählten Städte so dicht bei 
einander liegen, daß die zugehörigen Weideplätze (je 2000 Ellen 
von der Stadtmauer ab) vielfach zusammengeflossen wären. Wie 
spät aber diese ganze Theorie aufgestellt wurde, ergibt sich dar- 
aus, daß der eigentliche Priesterkodex wiederholt (Num. 18 so f. 
26 62) betont, der Stamm Levi solle für den Verzicht auf Land- 
besitz durch die Opfergaben Israels entschädigt werden : Jahwe 
ist sein Anteil ! 

Eine letzte Verkörperung der Idee von Jahwe als dem allei- 
nigen Besitzer des Landes liegt in einem Teil der Bestimmungen 
über das Sabbathsjahr und das sogenannte große Halljahr, Lev. 
25. Allerdings schreibt schon das Bundesbuch (Ex. 23 10 f.) vor, 
daß man das Land je im 7. Jahre zugunsten der Armen und des 
Wilds brach liegen lassen soll. Die Motivierung ist jedoch dort 
eine humanitäre, nicht eine theokratische, und überdies erstreckt 
sich die Forderung sicher nicht auf alles Fruchtland für ein und 
dasselbe Jahr. Das Dt schreibt nur (15i ff.) einen Schuldenerlaß 
für das 7. Jahr vor, wiederum aus humanitären Motiven. Dage- 
gen fordert Lev. 25 2 ff., daß je im 7. Jahr alles Land eine un- 
bedingte Ruhezeit genieße. Von humanitären Motiven ist dabei 
keine Bede mehr ; der Sabbath des Landes im Sabbathjahr be- 
deutet ebenso eine Weihung des Landes, wie der allwöchentliche 
Sabbath die Weihung eines bestimmten kürzeren Zeitabschnitts. 
In dieser Weihung liegt aber wiederum die feierliche Anerken- 
nung, daß man das Land nur als widerrufliches Lehen von Jahwe, 
dem alleinigen Lehensherrn, empfangen habe. 

Die praktische Durchführung der Bestimmungen über das 
Sabbathjahr ist uns ausdrücklich durch dieGeschichte derMakka- 
bäerkriege bezeugt. Dagegen erkennt selbst die jüdische Tradi- 
tion an, daß das sogenannte große Halljahr, d. i. das je 50. Jahr 
(nach völligem Ablauf von je 7 Sabbathsjabrwochen), nur gezählt, 
nicht aber wirklich gefeiert worden sei. In der Tat würde die 
Ausführung der Lev. 25 is vorliegenden Bestimmungen, soweit 
sie überhaupt möglich war, eine totale Unsicherheit aller Besitz- 
verhältnisse und damit eine Lähmung alles wirtschaftlichen Le- 
bens zur Folge gehabt haben. Aber die konsequente Theorie die- 
ses Gesetzgebers kümmert sich nicht um die Frage nach der 
Ausführbarkeit — auch nicht darum, daß das Halljahr unmittel- 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 337 

bar auf ein Sabbathjahr folgt und somit ein zweites Brachjahr 
bedeutet ! Dies alles erscheint ihm bedeutungslos gegenüber dem 
Grundsatz, der hier (Lev. 25 20) seinen glänzendsten und klarsten 
Ausdruck findet: das Land ist (wie alles sonstige Eigentum) als 
Besitz Jahwes überhaupt nicht verkäuflich. Vielmehr kann einer 
dem andern nur eine Anzahl von Ernten verkaufen ; der Preis 
bemißt sich nach der Anzahl der Jahre, die noch bis zum näch- 
sten Halljahr verstreichen, denn in diesem fällt es von selbst an 
den ursprünglichen Nutznießer als den eigentlichen Lehensmann 
Jahwes zurück. Bezeichnend ist, daß nach V. 20 ff. die Häuser 
in einer ummauerten Stadt im Halljahr nicht an den Verkäufer 
heimfallen. Sie sind Menschenwerk und gehören als solches 
nicht zu dem Lehensgut, das Jahwe verleiht; dagegen sind die 
Häuser in den Dörfern nach V. si ein Teil des Ackerbesitzes, 
können somit jederzeit eingelöst werden und fallen im Halljahre 
heim. 

b) Die heiligen Zeiten. 

Jahwe ist auch Herr aller Zeit. Die Verwendung derselben 
zu irgendwelcher gewinnbringenden Tätigkeit bedeutet somit einen 
Eingriff in das Eigentumsrecht Gottes. Er gestattet jedoch die- 
sen Eingriff unter der Bedingung, daß bestimmte Teile der ge- 
samten Zeit ausgesondert und „geheiligt", d. h. als Gott gehörig 
der profanen Verwendung entzogen werden. Die Hauptsache ist 
somit die Enthaltung von Arbeit ; die Verwendung des Feiertags 
zum Gottesdienst oder zu innerer Einkehr kommt für P erst in 
zweiter Linie in Betracht. An gewöhnlichen Feiertagen ist nur 
die Berufsarbeit verboten (Lev. 23 7 f. 21. 25 etc.), dagegen am 
Sabbath und am großen Versöhnungstag jederlei Arbeit 
(V. 8. 30). — Der Standpunkt von P tritt vor allem in der Motivie- 
rung der Feste zu Tage. Der ursprüngliche agrarische Charakter 
derselben (vergl. oben 159 f.) hat sich — abgesehen von der 
Weihe der Erstlingsgarbe am Mazzothfest Lev. 23 9 ff. — nur 
noch beim Wochenfest rein erhalten als dem Feste der Darbrin- 
gung der Erstlingsbrote. Dagegen geht das Passah als selbstän- 
diges Fest den 7 (früher 6) Tagen der ungesäuerten Brote voran. 
Schon in Aegypten eingesetzt (Ex. 12 1 ff.), gilt es für alle Zeiten 
der dankbaren Erinnerung an die Verschonung Israels in der 
Nacht vor dem Auszug, als Gott alle Erstgeburt der Aegypter 
schlug. Die offenbar uralte Form der Feier (das Essen des Pas- 

KKautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 22 



338 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

sahlammes in den Häusern und die Bestreichung ihrer Pfosten 
mit dem Blut des Lammes) konnte P nur dadurch beibehalten, 
daß er den Opfercharakter dieser Feier preisgab ; andernfalls 
hätte sie nur (wie im Dt 16 5 f.) am Zentralheiligtum stattfinden 
können ! Bei dem Mazzothfest wird wiederholt stark betont, daß 
das strenge Verbot alles Sauerteigs eben damals beim Auszug 
erfolgt sei ; dadurch erhält auch dieses Fest den Charakter eines 
theokratischen Erinnerungsfestes. Dasselbe wird bei dem nun- 
mehr acht-, statt siebentägigen Hüttenfest, ursprünglich dem 
fröhlichen Fest der Obst- und Weinlese, dadurch erreicht, daß 
das althergebrachte Wohnen in Laubhütten während des Festes 
zu einer Erinnerung an die Zeit d^s Wüstenzugs gestempelt 
wird. Die Loslösung von dem ursprünglichen Anlaß der Feste, 
dem Kreislauf der Ernten, gestattet auch eine genaue Datie- 
rung: Passah fällt auf den Abend des 14. Nisan, Mazzoth 
auf den 15. — 21. des ersten, Laubhütten auf den 15. — 22. des 
7. Monats, das Wochenfest auf den 50. Tag nach der Opferung 
der Erstlingsgarbe, die je am Tage nach dem Sabbath der Maz- 
zoth woche darzubringen ist. Von neuen Festen kommen dazu: 
das Fest des „Gedächtnisblasens" am Neumond des 7. Monats 
(sonst werden die in alter Zeit so hoch gewerteten Neumonde in 
P nur durch eine Vermehrung der offiziellen Opfer ausgezeich- 
net) und der große Versöhnungstag am 10. des gleichen Monats. 
Wiederum ist bezeichnend, daß dieser zweifellos jüngste und rein 
theokratisch motivierte Feiertag zum wichtigsten und heiligsten 
von allen geworden ist. Uebrigens wird nur für sieben von diesen 
Festtagen (den 1. und 7. Mazzothtag, das Wochenfest, den 1., 
10., 15. und 22. des 7. Monats, nach Lev. 23 8 jedoch auch für 
jeden Sabbath) „heilige Versammlung" des ganzen Volkes am 
Heiligtum angeordnet, — eine Forderung, die nur verständlich 
wird, wenn man sich das Volk in der Nähe des Heiligtums woh- 
nend denkt, wie dies in der ersten Zeit nach der Rückkehr aus 
dem Exil der Fall war. 

Alle bisher aufgezählten Feste wiederholten sich im Kreis- 
lauf eines jeden Jahres. Die allen Feierzeiten zugrunde liegende 
Idee drängte jedoch zu weiterer Verwirklichung durch die Aus- 
sonderung Gott geweihter Zeiten innerhalb größerer Zeitab- 
schnitte. Dies führte zum Ausbau der Sabbathsidee durch die 
Aussonderung und Weihung des je 7. Jahres als des Abschlusses 
einer Jahr- Woche und des 50. Jahres nach dem Abschluß eines 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 339 

Zyklus von 7 Jahrwochen. Die Feier beruht auf dem Verzicht 
auf eine Nutzung des Bodens. Da sich hier die Theorie der hei- 
ligen Zeit auf das engste mit der des heiligen Raums berührt, 
hatten wir schon oben (S. 236 f.) von den Sabbathsjahren und dem 
großen Halljahr zu reden. 

c) Das Geweihtsein aller Glieder des Volks. „Heilige Personen" 

im engeren Sinne (Priester und Leviten). 

Durch den von Jahwe mit gewaltigen Taten bewirkten „Los- 
kauf" des Volkes aus der ägyptischen Sklaverei ist Israel in den 
alleinigen Besitz Jahwes übergegangen (Lev. 25 42. öö). Fortan 
soll es ein ihm geweihtes und daher — entsprechend seiner Er- 
habenheit über jede Art von Befleckung — schlechthin reines 
Volk sein. Diese Idee kommt einerseits in dem Reinigungsakt der 
Beschneidung, andrerseits in den zahllosen „Reinigkeitsgesetzen" 
(vergl. dazu besonders Lev. 11 — 15), die über die Verhütung von 
Verunreinigungen und die nötigen Sühneakte nach dem Verlust 
der Reinheit belehren, zum Ausdruck. Soweit diese Akte in 
Opferhandlungen bestehen, werden sie unten im Zusammenhang 
mit den Opfern noch näher zu besprechen sein. Außerdem aber 
gehört hierher das Gebot, alle männlichen Erstgeburten (und 
damit alle weiteren Geburten desselben Mutterschoßes) Gott zu 
weihen und demgemäß durch eine bestimmte Leistung von dem 
Zustand des Gottverfallenseins loszukaufen (Ex. 13 1. 12 ff. Num. 
18 ie). Denselben Zweck verfolgt die Forderung eines Kopfgeldes 
im Betrag eines halben Sekels von allen erwachsenen Israeliten 
zur schützenden „Bedeckung" ihres Lebens bei Gelegenheit der 
Volkszählung (Ex. 30 11 ff.). Denn die letztere bedeutet gleich- 
sam einen Eingriff in den Herrschaftsbereich Jahwes; daher be- 
darf es einer ausdrücklichen Anerkennung seines alleinigen An- 
rechts an das Leben aller Personen, und diese erfolgt in Gestalt 
des für alle gleichbemessenen Kopfgeldes (hebr. Jcöpcer, d. i. Dek- 
kung, Sühne). Eine naturgemäße Konsequenz derselben Voraus- 
setzung ist endlich auch das Verbot (Lev. 25 39 ff.), solche Volks- 
genossen, die aus irgend einem Grunde zu Leibeigenen geworden 
sind, als eigentliche Sklaven zu betrachten und zu behandeln, 
was doch im Bundesbuch (Ex. 21 2 ff.) und noch im Dt (15 12 ff.) 
als möglich gesetzt wird. Vielmehr sollen sie, weil eigentlich Be- 
sitztum Jahwes, nur wie Lohnarbeiter oder Beisaßen gelten und 
jedenfalls im Halljahre frei ausgehen. 

22* 



340 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

Noch deutlicher als durch alles bisher Erwähnte kommt je- 
doch die Idee des Gott geweihten Volkes durch die Organisation 
desPriestertumszum Ausdruck. Eigentlich sollten alle Männer 
Israels Priesterdienst tun und dadurch ihre willige Hingabe an 
Gott bezeugen. Dazu bedarf es aber unausgesetzt eines Zustan- 
des der Reinheit, der inmitten des profanen Lebens unmöglich 
von jedermann bewahrt werden kann. Daher hat Jahwe eine 
dauerne Vertretung des Volkes angeordnet in Gestalt des erb- 
lichen Priestertums, mit dem Aaron und seine Söhne betraut 
sind l ). Die von Hesekiel (s. o. S. 285) geforderte Beschränkung 
des Priesterrechts auf die „Söhne Zadoks" war für P schon des- 
halb unmöglich, weil seine ganze Gesetzgebung auf Mose, also 
weit über Zadok hinauf, datiert ist. Zugleich bot aber die Her- 
leitung des Priestertums von Aaron noch die Möglichkeit, einigen 
nichtzadokitischen Familien 2 ) das Priesterrecht zuzuerkennen. 
In der Hauptsache meint jedoch P mit den „Söhnen Aarons" 
eben die Zadokiten. 

Um ungefährdet Gott nahen und ihm die Opfergaben Israels 
darbringen zu können, haben sich die Priester sorgfältig vor je- 
der Verunreinigung zu hüten. Insbesondere dürfen sie sich an 
keiner Leiche verunreinigen (Lev. 21iff.), abgesehen von den 
ganz unumgänglichen Fällen, wo es sich um die Leichen der El- 
tern, Brüder, unvermählter Schwestern und eigener Kinder 
handelt. Ein Leibesgebrechen schließt ohne weiteres vom Prie- 
sterdienst aus, weil der damit Behaftete „ die Heiligtümer Jahwes 
entweihen" würde (V. 23). Die höchsten Anforderungen in betreff 
der äußeren Reinheit werden jedoch an den Hohenpriester ge- 
stellt, denn in seiner Person erfährt die Idee der persönlichen 



*) Durchaus irrig ist die früher übliche Parallelisierung des alttesta- 
mentlichen mit dem katholischen Priesterbegriff. Nach letzterem steht 
der Priester auf Seiten Gottes dem Volk gegenüber und erteilt somit 
im Namen Gottes Absolution und Segen. Dagegen ist in P auch der 
Hohepriester nichts als eine, wenn auch hochgesteigerte und würdige 
Repräsentation des gottgeweihten Volkes. Er vertritt es in jeder Hin- 
sicht Gott gegenüber; seine etwaige (rituelle) Verfehlung zieht eine 
Verschuldung des ganzen Volkes nach sich. Aber den Segen Jahwes 
kann er, wie die übrigen Priester, nicht von sich aus mitteilen, sondern 
nur von Jahwe erflehen (vergl. Num. 6 23 ff. und besonders V. 27). 

2 ) Diese werden, anstatt von Eleasar, von einem anderen Sohne 
Aarons, Ithamar, abgeleitet ; übrigens wird als Nachkomme Ithamars nur 
ein Familienhaupt, Daniel (Esr. 8 2), genannt. 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 341 

Repräsentation des heiligen Volkes die höchste Steigerung. Er 
darf sich an gar keiner Leiche verunreinigen, auch nicht an der von 
Vater und Mutter, darf überhaupt das Heiligtum nicht verlassen, 
um nicht etwa (durch die Berührung mit Profanem) das Heilig- 
tum seines Gottes zu entweihen. Dabei tritt übrigens schon in 
seiner Kleidung (Ex. 28 2 ff.) an mancherlei Symbolen hervor, 
daß er neben der Herrlichkeit des priesterlichen Volkes auch die 
königliche Würde desselben repräsentiert. Er trägt ein Gewand 
aus blauem und rotem Purpur und ein goldenes Diadem mit der 
Aufschrift „Jahwe geheiligt", wie er anderseits die Namen der 
12 Stämme, in Edelsteine eingegraben, auf dem Schulterkleide 
und dem Brustschilde trägt. Kurz : an die Stelle des vorexilischen 
Oberpriesters, eines königlichen Beamten, ist der souveräne, erb- 
liche Hohepriester getreten. Mit seinem Tode erlischt nach Num. 
35 25 das Anrecht des Bluträchers auf das Leben des Totschlä- 
gers ; das heißt nichts anderes als : mit dem Oberhaupt des Staa- 
tes endigt die gesamte Periode des staatlichen Lebens, die mit 
seinem Amtsantritt begonnen hatte. Ebenso ist die Salbung des 
Hohenpriesters, wenigstens nach der Theorie, die ihn allein ge- 
salbt werden läßt (Ex. 29 7), ohne Zweifel als eine Parallele zur 
Salbung des Königs gedacht. Vergl. Lev. 4 8. 0. 16. 812, wo er „der 
gesalbte Priester" heißt 1 ); auch Lev. 21 12: „Die Weihe des 
Salböls seines Gottes ruht auf ihm." Die andere Theorie, 
die alle Priester gesalbt werden läßt, denkt dabei wohl nach 
alter Weise (vergl. oben S. 151 ff.) an die Geistes Verleihung als 
die Folge der Salbung (Ex. 40 15 ; dagegen scheint 29 21 und 30 so 
die Besprengung der Priesterkleider mit Salböl von dem Ueber- 
gießen des Hauptes Aarons [29 7] unterschieden zu werden). 

Was die Leviten betrifft, so ist dem Irrtum entgegenzu- 
treten, als ob sie Priester niederen Ranges gewesen seien — 
gleichsam die breite Masse der Glieder des „Priesterstammes" 
Levi, aus der sich die eigentlichen Priester als ein engerer Aus- 
schuß mit dem Hohenpriester an der Spitze heraushebe. Dies ist 
keineswegs die Meinung von P. Daß die Leviten gerade aus dem 
Stamme Levi genommen werden, beruht ebenso nur auf göttlicher 
Anordnung, wie die Aussonderung der Priester aus Levi und ist 
nicht etwa die Konsequenz der letzteren. Vielmehr sind die Le- 

*) Die uns geläufige Bezeichnung „Hoher (eig. großer) Priester" 
findet sich Lev. 21 10 in der Form „der Priester, der größer ist als seine 
Brüder 4 *. Esr. 7 5 steht dafür „der Priester [,der] das Haupt [ist]'. 



342 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

viten ein Ausschuß aus dem Volk zur Vertretung desselben bei 
den niederen Dienstleistungen, die der Kultus erfordert. Diese 
sollten eigentlich von dem Volke selbst, genauer den Gott ge- 
weihten Erstgeborenen, verrichtet werden. Aber auch hier würde 
der unvermeidliche Mangel an steter Reinheit einen solchen 
Dienst unmöglich machen, da ja doch die Erstgebornen nicht 
ganz aus dem Bereich des profanen Lebens ausscheiden könnten. 
Daher soll nach Num. 3 *o ff. für alle Erstgebornen des Volkes 
je ein Levit als Stellvertreter eingesetzt werden. Da nur 22,000 
Leviten zur Verfügung stehen, müssen von den 22,273 Erstge- 
bornen 273 noch besonders mit je 5 Sekeln von ihrer Verpflich- 
tung gelöst werden. In dieser Forderung kommt die wahre Mei- 
nung von P über das Wesen der Leviten zu einem überaus klaren 
Ausdruck. Sie sind eine „Gabe a des Volks an die Priester (Num. 
3 e ff.) zur Bedienung derselben. Nach Num. 8 10 ff. werden sie 
wiejedes sogenannte „Webeopfer" durch Handaufstemmung(s.u.) 
seitens der Israeliten Jahwe zugeeignet, von Aaron vor Jahwe 
„gewebt" (V. 21), d. h. wohl hin und her geführt an Stelle des 
sonstigen Hinundher wiegens der Opfergabe auf den Händen, 
und fallen sodann, wie alle Hebe- und Webeopfer, den Priestern 
zu. Ihre Einsetzung wird nicht, wie bei diesen, als eine Weihe, 
sondern nur als eine Entsündigung und Reinigung bezeichnet 
(Num. 85 ff. ai). Nach alledem kann von irgendwelchem Prie- 
sterdienst durch die Leviten keine Rede sein. Dürfen sie doch 
nach Num. 4 15 die heiligen Geräte bei Todesstrafe nicht berüh- 
ren, sondern sie erst dann tragen, wenn sie von den Priestern 
sorgfältig eingehüllt sind. Allerdings befähigt sie ihr Zustand 
größerer Reinheit dazu, dem Heiligtum näher zu kommen als die 
profane Menge, und so der letzteren als eine Schutzwehr gegen 
die vernichtende Heiligkeit Gottes zu dienen (vergl. dazu oben 
S. 335). 

Daß auch P noch eine Art Laienpriestertum in Gestalt des 
für einen bestimmten Zeitraum übernommenen Nasiräats kennt, 
wurde bereits oben S. 147 f. besprochen. 

d) Das Geweihtsein alles Besitzes 

kommt teils in der althergebrachten Abgabe der Erstlinge vom 
Getreide, Most und Oel (Num. 18 12), teils in einer Anzahl von 
Opferhandlungen zum Ausdruck. Jede Abgabe von den Erzeug- 
nissen des Bodens bedeutet, daß man Jahwe das Ganze verdanke; 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 343 

erst wenn er seinen Anteil empfangen hat, ist das übrige gehei- 
ligt und für die menschliche Nutznießung freigegeben. Zu den 
regelmäßigen kultischen Abgaben gehört auch der (in alter Zeit 
an den König abgelieferte) Zehnte, nur daß er jetzt nicht mehr, 
wie im Dt (14 22 ff.), am Heiligtum verzehrt und je im 3. Jahre 
den Armen überlassen, sondern vielmehr den Leviten als Lohn 
für den Dienst, den sie in Vertretung des Volkes am Heiligtum 
verrichten, überwiesen wird (Num. 18 21 ff.). 

Weitaus die wichtigste Stelle nehmen jedoch in P, wie in der 
vorprophetischen Zeit, unter allen Gaben an Gott die Opfer 
ein. Auch sie sind vielfach der Ausdruck des Bewußtseins, daß 
man Gott alle Segnungen an irdischem Besitz verdanke und sei- 
nen Dank dafür in feierlicher Weise zu bezeugen habe. Nur ist 
dies nicht der einzige Gesichtspunkt. Vielmehr wirken hier mehr- 
fache, z. T. uralte Motive nach, die wir schon früher für die Opfer- 
handlungen geltend zu machen hatten, — wenn auch schwer zu 
sagen ist, wie weit sich bei den Verfassern von P ein Bewußtsein 
von dem ursprünglichen Sinne des Ritus erhalten hat. Die Idee der 
sakralen Kommunion (vergl. oben S.21. 37. 60. 156. 169.) kommt 
nach wie vor in der Blutsprengung, als dem wichtigsten Teil aller 
Opferhandlungen, zum Ausdruck. Und zwar wird das Blut desto 
näher an Gott herangebracht, je wichtiger und heiliger das Opfer 
ist : das Blut der Heilsopfer und Brandopfer wird nur ringsum 
an den Altar gesprengt (Lev. 1 6. 11 3 2) ; von dem Blute der Sünd- 
opfer dagegen hat der Priester einen Teil vor dem Vorhang, der 
das Heilige vom Allerheiligsten trennt, hinzusprengen, einen 
Teil an die Hörner des Rauchopferaltars zu streichen, den Rest 
neben dem Brandopferaltar auf den Boden zu gießen (Lev. 4 6 f. 
16 f. 25). Am großen Versöhnungstage wird das Blut der Sühne- 
opfer vom Hohenpriester sogar ins Allerheiligste gebracht und 
auf und vor die Deckplatte der heiligen Lade hingesprengt (Lev. 
16 14 f.). Daß aber auch die Idee der Speisedarbietung in P noch 
eine (wenn auch wohl minder hervorragende) Rolle spielt, ergibt 
sich daraus, daß — natürlich abgesehen vom Weihrauch — nur 
Genießbares, und zwar der Heiligkeit Gottes entsprechend nur 
reine und fehllose Tiere geopfert werden dürfen ; daß jedes Opfer 
durch Salz, das Mehlopfer durch Oel, schmackhaft gemacht wer- 
den muß, und daß zu jedem vollständigen Opfer außer dem Fleisch 
eine Zukost in Gestalt eines Speiseopfers und eine Trankportion 
in Gestalt einer Weinlibation gehört. 



344 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

Mit alledem ist aber die religionsgeschichtlich wichtigste 
Frage noch nicht beantwortet: worauf beruht eigentlich nach P 
die Wirkungskraft der Opfer? Wirken sie ohne weiteres als 
Leistung (ex opere operato), oder kommen andere, spezifisch reli- 
giöse Gesichtspunkte in Betracht? Die Beantwortung dieser 
Frage hängt ab von der richtigen Beurteilung des Wesens der 
sogenannten s'mikäh (Handaufstemmung), sowie der Bedeutung 
des Blutes im Opferritual. 

Bei jeder Art von blutigen Opfern hat der Darbringer vorder 
Tür des Heiligtums seine Hand auf den Kopf des Opfertiers auf- 
zustemmen : Lev. 1 4 (hier beim Brandopfer, mit dem Zusatz : so 
wird es ihn wohlgefällig machen und ihm Sühne schaffen); 3s 
8. 18 (beim Heilsopfer); 44.15.24. 29 (beim Sündopfer). Was be- 
deutet diese Zeremonie der Handaufstemmung, auf die offenbar 
in dem Opferritual ein großes Gewicht gelegt wird? Es lag nahe, 
an eine Schuldübertragung zu denken, zumal eine solche ganz 
ausdrücklich Lev. 16 21 f. bezeugt ist. Dort stemmt der Hohe- 
priester beide Hände auf den Kopf des sogenannten Sündenbocks, 
bekennt über ihm alle Verschuldungen Israels und sendet ihn 
dann mit der Schuld des Volkes beladen in die Wüste. Kein 
Zweifel, daß die Handaufstemmung hier Schuldübertragung be- 
deutet. Aber der Sündenbock ist ja gar nicht Opfertier, und 
die ganze Parallele daher zur Deutung des Opferrituals ungeeig- 
net. Dazu kommt, daß die Handaufstemmung auch bei den Heils- 
oder Dankopfern erfolgt, die gar nicht zum Zweck der Sühne 
dargebracht werden, sowie bei der Levitenweihe (Num.810). Ins- 
besondere die letztere läßt gar keine andere Deutung zu, als daß 
durch die Handaufstemmung ein Akt der Entlassung aus dem 
eigenen Besitz und der Uebergabe für den Zwek der Opferung 
(bei den Leviten zum ständigen Dienst am Heiligtum) vollzogen 
werden soll. Der Vergleich mit der manumissio des römischen 
Rechts ist somit durchaus zutreffend x ). 

*) Volz, „Die Handauflegung beim Opfer" (ZAW 1901, S. 93 ff.) pro- 
testiert gegen die Idee der manumissio und will die semikäh beim Opfer 
nicht trennen von der beim Segnen und der Amtsübergabe (Num. 27 18. 23. 
Dt. 349). Es handle sich um das Uebertragen einer Substanz von dem 
einen auf den andern, und zwar beim Sündopfer um das Uebertragen 
von Sünde, Unreinheit, Fluch auf das Opfertier. Aber wie kann dann 
das Sündopferfleisch als hochheilig gelten und von den Priestern 
an heiliger Stätte gegessen werden (Lev. 6 18 f.) ? Volz beseitigt diesen 
Einwand durch die Hypothese, daß die Sündopfer ursprünglich gar nicht 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 345 

Eine andere Frage ist, ob nicht — ganz abgesehen von der 
Bedeutung der siniiäh — wenigstens bei den Sühnopfern eine 
Hingabe des Tierlebens an Stelle des verwirkten Menschenlebens, 
also ein Strafvollzug an dem Opfer und damit eine satisf actio 
vicaria stattfinde. Dies ist um so bestimmter behauptet worden, 
als sich im neuen Testament der Opfertod Jesu unleugbar unter 
diesem Gesichtspunkt aufgefaßt findet. Dazu kommt, daß Lev. 
17 ii ausdrücklich daraufhingewiesen wird: der Sitz des Lebens 
ist im Blute, und Gott hat bestimmt, daß das Blut am Altar zur 
Erwirkung von Sühne verwendet werde, denn „das Blut sühnt 
durch das [in ihm enthaltene] Leben**. Hier scheint doch deut- 
lich ausgesprochen zu sein, daß das Leben des Opfers einen Er- 
satz für das des Sünders darstelle. Aber diese Auffassung wird 
abermals dadurch unmöglich, daß dann das Opfertier als mit 
Schuld und Fluch beladen und somit als unrein gelten müßte, 
während es, in Wahrheit hochheilig ist und den Priestern als 
heilige Speise dient. Nach alledem gibt es im Sinne von P keine 
andere Antwort auf die Frage nach der Wirkung der Opfer als 
die ganz einfache : Gott hat den Eintritt der Sühne an die ge- 
horsame Befolgung der Opfervorschriften geknüpft ; wer sie er- 
füllt und von dem Priester die Sühnegebräuche vollziehen läßt, 
dem wird vergeben werden (Lev. 4 20. 23. si. 86 und öfter). Das Ri- 
tual, obenan die vorschriftsmäßige Darbringung des Bluts, ist 
somit die unerläßliche Voraussetzung der Sühne, aber noch nicht 
gleichbedeutend mit der letzteren. Die Vergebung der Sünde ist 
vielmehr genau so ein Ausfluß der Gnade Gottes wie nach der 
Lehre der Propheten; nur daß den letzteren das äußerliche 
Opfer entbehrlich erscheint, wenn nur die rechte bußfertige Ge- 
sinnung vorhanden ist, während sich nach P zu der rechten Ge- 
sinnung unbedingt auch ihre äußerliche Betätigung durch die 



Jahwe, sondern menschenfeindlichen Dämonen gegolten hätten ; von den 
Sündopfern sei dann die s*mikäh auch auf die übrigen Opfer übertragen 
worden. Vergl. jedoch gegen Volz auch Matthes, „Der Sühnegedanke 
bei den Sündopfern u (ZAW. 1903, S. 97 ff.), der mit Recht verschiedene 
Arten von Handauflegung behauptet. Wenn Bertholet (im Kommentar 
zu Lev. 1 4) von Lev. 24 14 ausgehen und die s € mibäh beim Opfer als 
„ Herstellung des solidarischen Zusammenhangs zwischen Darbringer und 
Opfer u deuten will, so kommt dies schließlich auf dasselbe hinaus wie 
die Deutung als manumissio, nur daß nach Bertholet hier noch ein- 
mal der fundamentale Gedanke der Communio zum Ausdruck kom- 
men soll. 



346 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

Opfergabe gesellen muß. Für den Unterschied zwischen der pro- 
phetischen und priesterlichen Betrachtung der Sühne ist schon 
der verschiedene Sprachgebrauch charakteristisch. Nach dem der 
Propheten bedeckt Gott selbst die Sünde, d. h. er erklärt sie für 
unsichtbar, so daß der Sünder vor dem Zorn Gottes bewahrt bleibt; 
dagegen nach P bedeckt der Priester die Person des Sünders mit- 
telst der Darbringung des Blutes (nur in Ausnahmefallen auch 
durch eine unblutige Opfergabe, Lev. 5 n ff.), um sie vor der ver- 
nichtenden Heiligkeit Gottes zu schützen. 

Daß der Vollzug der Sühne in erster Linie an die Darbrin- 
gung des Blutes geknüpft ist, erklärt sich natürlich aus der mäch- 
tigen Nachwirkung uralter Opfersitten, bei denen die Blutspren- 
gung eine andere Bedeutung hatte. Für P kommt die letztere 
nicht mehr in Betracht; selbst die Ansicht ist unhaltbar, daß das 
Blut, weil Sitz des Lebens, als die kostbarste Gabe betrachtet 
werde, die der Mensch darzubringen vermöge. Höchstens ließe 
sich bei P noch die Idee einer symbolischen (nicht realen) satis- 
factio annehmen, d. h. der Gedanke, daß durch die Darbringung 
des Tierlebens symbolisch die Anerkennung ausgedrückt werde, 
daß strenggenommen das eigne Leben des Sünders Gott verfallen 
sei. Aber der Hauptgedanke ist und bleibt, wie schon erwähnt: 
du sollst auf diesem und keinem anderen Weg Sühne erlangen, 
weil es Gott so befohlen hat! 

Von den technischen Fragen in betreff der Opfer dürfen wir 
absehen. Ihre verschiedene Wertung tritt deutlich schon in der 
Reihenfolge hervor, in der sie überall da gebracht werden müs- 
sen, wo mehrere Opferarten kombiniert werden. An der Spitze 
stehen dann immer die Sühnopfer; sie zerfallen in die Sünd- 
opfer (hattä't) und Schuldopfer ('ö&ä'm). Der Unterschied zwischen 
beiden ist nach den Bestimmungen in Lev. 4 f. nicht so leicht 
festzustellen. Beide werden auch zur Sühne für unvorsätzliche 
und selbst unbewußte Vergehungen dargebracht ; doch dürfte es 
sich bei dem Schuldopfer (Lev. 5 15 ff.) größtenteils um solche 
Anlässe handeln, wo sich der Mensch unbewußt (V. 15. 17) oder 
bewußt (V. 20 ff.) an fremdem Eigentum, sei es Gottes oder seines 
Nächsten, vergriffen hat. Das Schuldopfer (in Gestalt eines fehl- 
losen Widders) steht dann immer in Verbindung mit der Wieder- 
erstattung des Veruntreuten unter Hinzufügung eines Fünftels 
des Betrags. Unter den Sündopfern sind naturgemäß die hei- 
ligsten und wichtigsten die am großen Versöhnungstag (Lev. 16) 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 347 

dargebrachten, deren Blut vom Hohenpriester ins Allerheiligste, 
also in die nächste Nähe der auf der heiligen Lade thronenden 
Offenbarungserscheinung Gottes, gebracht wird. Ganz eigentüm- 
lich ist, daß hier P neben den üblichen Sühnemitteln durch Opfer 
noch eine andere vielleicht uralte Form der Entsündigung auf- 
genommen hat: die Beladung des für „ Asasel" ausgelosten Bok- 
kes mit den Sünden des Volks durch den Hohenpriester und die 
Entsendung desselben zu Asasel in die Wüste. Die Deutung des 
Namens '•zä'zdl ist streitig ; er kann sowohl den Abtrünnigen, 
wie den [die Sünde] Wegschaffenden bedeuten. Nur darüber 
kann kein Streit sein, daß es sich um ein persönliches Wesen 
handeln muß, da er (Lev. 16 s ff.) Jahwe ausdrücklich gegenüber- 
gestellt wird, sowie darüber, daß es ein in der Wüste hausender, 
unreiner Dämon (der Fürst der Wüstendämonen?) sein muß. 
Die Entsendung des Sündenbocks zu ihm ist einfach ein symbo- 
lischer Akt der Reinigung des Gott geweihten heiligen Bodens 
von Sünde und Schuld (vergl. das ganz ähnliche Beispiel einer 
symbolischen Entfernung der Unreinheit Lev. 14 58) ; Sünde und 
Schuld wird hinausgeschafft in die unreine Wüste, zu dem Dämon, 
dessen Wesen sie entspricht. Ganz irrig wäre es, in der Aner- 
kennung des Asasel bei P eine Hinneigung zu dualistischen An- 
schauungen zu erblicken. Der Asasel ist nicht ein Jahwe feind- 
liches Maclitwesen, das irgendwie mit ihm verglichen werden 
könnte, sondern ein außerhalb der Theokratie stehendes Wesen, 
das nichtsdestoweniger Jahwe, dem allmächtigen Schöpfer und 
Regenten der Welt, unterworfen ist. 

Nach einer weitverbreiteten Meinung wirken alle Sühnopfer 
bei P nur unter der Voraussetzung Sühne, daß es sich um un- 
vorsätzliche oder doch höchstens in Uebereilung begangene Sün- 
den handelt. Diese Meinung stützt sich auf Num. 15 22 ff., wo in 
der Tat ganz ausdrücklich zwischen unwissentlichen Vergehun- 
gen und solchen, die „mit [trotzig] erhobener Hand" begangen 
sind, unterschieden wird. Nur für die ersteren sind die Sühne- 
gebräuche wirksam. Wer vorsätzlich sündigt, der lästert Jahwe 
und soll unerbittlich hinweggetilgt werden (V. so f.). 

Dies ist in der Tat die Theorie dieser Perikope (Num. 
15 22 ff.); aber sie kann unmöglich überall in P vorausgesetzt 
sein *). Wie hätte man sich der Erkenntnis entziehen können, 

x ) Die Konsequenz dieser Voraussetzung wäre, daß der Begriff der 
Sühne (und Sündenvergebung) für P eigentlich gar nicht in Betracht 



348 Die Religion des Judentums. [§ 28. 

daß die Ahndung jeder vorsätzlichen Sünde durch Vertilgung 
des Sünders in Anbetracht der unleugbaren allgemeinen Sünd- 
haftigkeit binnen kurzem zur Vertilgung des ganzen Volkes 
hätte führen müssen! Aber es bedarf nicht einmal dieser Er- 
wägung: die Vergehungen, die Lev. 5 20 ff. als Anlässe zu Schuld- 
opfern aufgezählt werden (Ableugnung von Anvertrautem oder 
Verlorenem, Meineid, Erpressung), gehören doch ganz gewiß nicht 
in die Kategorie der unwissentlichen oder Uebereilungssünden. 
Dazu kommt, daß auch die Psalmen fast auf jedem Blatte Zeug- 
nis dafür ablegen, daß auch in der nachexilischen Theokratie der 
prophetische Glaube an eine Gnade Gottes, die auch schwere 
Schuld zu tilgen vermag, nicht ausgestorben ist. 

Hinter den Sühnopfern steht das Brandopfer ('öläh) oder 
Ganzopfer (kälil) schon um einen Grad an Wichtigkeit zurück. 
Immerhin hat es, weil Jahwe ganz zugeeignet, noch eine höhere 
Bedeutung als die Mahlopfer. Ehedem auch als Sühnopfer dar- 
gebracht, hat es in P die Bedeutung des allgemeinen n Adorations- 
opfers", der Bezeugung des normalen Verhältnisses zwischen 
Jahwe und dem Volke. Daher hat es seine Stelle nach den Sühn- 
opfern, da diese ja zur Beseitigung einer jeden Störung des nor- 



käme. Diese Konsequenz zog ARitschl (Lehre von der Rechtfertigung 
und Versöhnung II 8 , [1889] S.68ff. 184 ff.). Nach ihm bedarf es der „ Schutz- 
bedeckung tf (kappäräh) nicht gegen den Zorn Gottes über den Sünder, son- 
dern gegen die vernichtende Erhabenheit (Heiligkeit) Gottes, der der 
Mensch vermöge seiner kreatürlichen Schwäche ohnedies nicht nahen 
könne. Der Vollzug der kappäräh (den Ausdruck „ Sühne" will Ritschl 
lieber vermieden sehen) ist also nur die Bedingung des ungefährdeten 
Nahens zu Gott mit einer Opfergabe und setzt immer den ungestörten 
Bestand der Bundesgnade Gottes voraus; außerhalb der Bundesgnade 
seien Opfer überhaupt unmöglich. Aber ganz abgesehen von der öfter 
(Lev. 4 20. 26 etc.) wiederholten Formel : „ so wird ihm (nach Vollzug der 
Sühnegebräuche) vergeben werden", scheitert Ritschls Meinung schon 
daran, daß die Bedeckung der Person durch den Priester nur die spätere 
Umgestaltung der prophetischen Formel ist, nach der Gott die Schuld 
zudeckt. In beiden Fällen handelt es sich darum, die Schuld für un- 
wirksam zu erklären, also doch um einen Akt der Sühne. — Vergl. zu 
der ganzen Frage noch ACave, The scriptural doctrine of sacrifice and 
atonement. Edinb. 1890. ASchmollee, Das Wesen der Sühne in der alt- 
testam. Opferthora (St. u. Kr. 1891, S. 205 ff.) — Die Definition Stades 
(Geschichte Israels II, 57): Sühnen heißt wiederweihen oder verlorenge- 
gangenen heiligen Charakter durch Riten wiederherstellen, bedarf, ob- 
wohl für sehr zahlreiche Fälle durchaus zutreffend, nach Obigem doch 
einer Erweiterung. 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 349 

malen Verhältnisses angeordnet sind. Aber auch ohne voraus- 
gehende Sühnopfer kann das Brandopfer als pflichtschuldiger 
Ausdruck der unbedingten Abhängigkeit von dem Bundesgott 
und des Bewußtseins, ihm alle Segnungen zu verdanken, darge- 
bracht werden ; so besonders in Gestalt des sogenannten tämid 
oder „beständigen" Opfers, d. h. des täglichen Morgen- und 
Abendbrandopfers von einem jährigen Lamme nebst Speisopfer 
und Trankopfer (Ex. 29 88 ff. Num. 28 8 ff.). An den Sabbathen 
(V. e f.) und noch mehr an den Neumonden (V. n ff.) erfährt 
dieses regelmäßige Opfer eine erhebliche Steigerung. 

Die dritte Gattung der Opfer bilden die Mahl- oder ä<lä- 
mim- Opfer (Lev. 3. 7 29 ff.), von denen das Fett verbrannt, das 
Blut an den Altar gesprengt, die Brust „gewebt" *) und dann samt 
der rechten Keule als sogenannte „Hebe" an die Priester abgege- 
ben, das übrige Fleisch aber von den Darbringern gegessen wird. 
Eine besondere Abteilung der &lämim- oder Heilsopfer bilden die 
„Heilsdankopfer" (Lev. 7 11 ff.). Uebrigens aber gelten für P alle 
Barnim-Opfer nur als Opfer zweiten Grades, da sie Jahwe (resp. 
den Priestern) nicht allein zugeeignet, sondern auch zum Genuß 
der Laien, also streng genommen zu profaner Verwendung be- 
stimmt sind. Diese geringe Wertung der Mahlopfer — in schroffem 
Gegensatze noch zum Dt (vgl. oben S. 160. 233 f.) — erklärt sich 
aus der totalen Umwandlung der Anschauung vom Kultus, wie sie 
schon durch den Entwurf Hesekiels (45 17. 22 etc.) erfolgt war. Der 
einstige private Kultus, dessen Mittelpunkt das fröhlicheOpfermahl 
bildete, ist durch den offiziellen Kult verdrängt, der im Namen 
(und eventuell ohne jede Assistenz) der theokratischen Gemeinde 
mit peinlicher Regelmäßigkeit von denPriestern ausgeübt wird 2 ). 
Es war ganz im Geiste des PC, daß bei der Erstürmung des 



*) Dieses Weben (eig. Schwingen) des Opfers oder Opferteils be- 
deutet nach der sicher richtigen Deutung ein Hinundherbewegen auf 
den Händen, bei dem sich der Priester anstellt, als wolle er das Opfer 
in die Altarflamme werfen, worauf er es als eine von Gott den Priestern 
abgetretene Speise zurücknimmt. Eine andere Erklärung gibt Philo (in 
einem 1891 von Wendland edierten Fragment aus dem Traktat „de 
victimis"; nach ihm bestand das Weben im Emporheben des Opfers zum 
Himmel. 

2 ) Nach der Opfertabelle Num. 28 f. beläuft sich die Zahl der of f i- 
zi eilen Opfer alljährlich auf 115 junge Stiere, 1100 Lämmer, 38 Wid- 
der und 32 Böcke, abgesehen von den zugehörigen Speis- und Trank- 
opfern. 



350 Die Religion des Judentums. [§ 28. 

Tempelplatzes durch Pompejus die Priester unerschütterlich ihres 
Dienstes warteten, bis sie am Altar niedergehauen wurden, oder 
daß man bei der Belagerung durch Titus die täglichen Brand- 
opfer Morgens und Abends auch dann noch fortsetzte, als die 
Stadt schon längst unter der schwersten Hungersnot zu leiden 
hatte. 

Wir sehen hier ab von allen den weiteren Bestimmungen 
über die Festopfer und die freiwilligen Leistungen und lassen 
uns an der Tatsache genügen: alle Bestimmungen über die hei- 
ligen Räume, Zeiten, Personen und Handlungen verfolgen stets 
nur den einen Zweck, die Idee eines Gott geweihten Volkes, 
die Tatsache seiner unbedingten Abhängigkeit von Gott und der 
Notwendigkeit einer immer erneuten Hingabe an ihn zu verwirk- 
lichen. Daß bei der Ausgestaltung des Systems im einzelnen 
auch babylonische Einflüsse *) mitgewirkt haben, ist wohl möglich; 
jedenfalls aber ordnen sich diese den theokratischen Grundge- 
danken in einer Weise ein, ja unter, daß sie nicht mehr als ein 
Fremdartiges empfunden werden können und daher weniger vom 
biblisch-theologischen, als vom allgemein religionsgeschichtlichen 
Standpunkt aus Erwägung verdienen. 

4. Die sittlichen Forderungen. 

Noch eine äußerst wichtige Frage ist hier zu beantworten : 
die nach dem Charakter der Ethik, auf der P beruht und zu 
der er erziehen will. Welches Ideal von Sittlichkeit schwebt ihm 
vor und auf welchem Wege trachtet er es zu verwirklichen ? 

Von vornherein muß hierbei ein Vorwurf zurückgewiesen 
werden, der begreiflicherweise oft gegen P erhoben worden ist: 
daß die eigentlichen Sittengebote bei ihm gegenüber den kulti- 
schen in einem Grade zurücktreten, daß ihnen überhaupt keine 
Bedeutung mehr zukomme. Wir dürfen hier nicht vergessen : 
P bildet den Abschluß einer langen Entwickelung, in der die 
sittlichen Forderungen des Prophetismus, zumal nach der feier- 
lichen Einführung des Dt, längst in Fleisch und Blut des besseren 
Teils des Volkes, jedenfalls aller Träger des Zukunftsgedankens,. 



*) Vergl. hierzu besonders PHaupt, „The Origin of the Mosaic 
Ceremonial* in „John Hopkins Univers. Circular* XIX, Nr. 145 (Balti- 
more 1900), wo sogar babylonischer Ursprung von qprbän, töräh, Iwrit 
und kippcer behauptet wird, und „Babylonial Elements in the Levitie 
Ritual" in „Journ. of Bibl. Liter." XIX, 1,55 ff. 



§ 23.] Das Priestergesetz (P). 351 

übergegangen waren. Es erschien P nicht notwendig, sie noch- 
mals ausdrücklich einzuschärfen ; waren sie doch in der Form 
des Dekalogs längst ein Gemeingut des Volks. Uebrigens fehlt 
es wenigstens im sogen. Heiligkeitsgesetz (Lev. 19 und 20) nicht 
an einer Zusammenstellung einer ganzen Reihe eigentlicher Sitten- 
gebote, wenn auch meist in eigentümlicher Verquickung mit ritu- 
ellen Vorschriften (vgl. z. B. 19 5 ff. 19. 21 f. 28 ff. 27 f.). Immer- 
hin werden wir durch humanitäre Vorschriften wie 19 9 f. ia f. 
und ihre Zurückführung auf das Motiv der Furcht vor Gott (s. 
besonders V. u. 82) mehrfach lebhaft an das Dt erinnert. Das- 
selbe gilt von den Mahnungen zu strengster Unparteilichkeit im 
Rechtsprechen (V. 15. 35) und unbedingter Redlichkeit in Handel 
und Wandel (V. 11. is a . 8ö). Ja, V. 38 f. wird nicht nur vor der 
Bedrückung des Fremden *) gewarnt, sondern sogar geboten, daß 
man ihn liebe, wie sich selbst. Andrerseits läßt sich jedoch nicht 
bestreiten, daß der Begriff „Nächster" V. ie. 18 doch nur auf den 
Volksgenossen beschränkt wird. Dies tritt unter anderem deut- 
lich auch bei dem Verbot hervor, Israeliten als Sklaven zu hal- 
ten. Von den Heiden und selbst von den Beisassen Israels mag 
man Sklaven und Sklavinnen kaufen und sie als solche auf seine 
Kinder vererben, aber nicht aus Israel (Lev. 25 44 ff.). Alles, was 
aus den Heiden stammt, ist eo ipso unrein und steht daher so 
tief unter Israel, daß ihm dieses keine besonderen Rücksichten 
schuldet oder gar Gleichberechtigung zuerkennt. Der deutero- 
jesajanische Gedanke eines Missionsberufs, den Israel an den Hei- 
den auszuüben hat, scheint vollständig vergessen zu sein. 

Haben wir demnach von sittlichen Pflichten gegen Nicht- 
israeliten (außer etwa dem allgemeinen Verbot des Mordes, Gen. 
9 5 f. , und der oben erwähnten Empfehlung der gerim Lev. 
19 88 f.) abzusehen, so kann doch im Uebrigen die prophetische 
Ethik als auch für P in Kraft stehend gelten. Nur erschöpft sich 
für ihn das Ideal der Ethik nicht in der Beobachtung der spezi- 
fisch sittlichen Forderungen, sondern er stellt mit ihnen die 
kultischen, ja die rein äußerlichen rituellen Forderungen min- 
destens auf die gleiche, wenn nicht auf eine höhere Stufe. Wenn 



*) Unter dem „Fremden" (ger) ist hier offenbar nicht ein Heide, 
sondern ein Israelit aus anderem Stamm oder Geschlecht oder auch ein 
in Israel seßhaft gewordener und ihm völlig angegliederter Ausländer 
zu verstehen. Vergl. zu dieser Streitfrage Beetholet, Die Stellung der 
Israeliten und der Juden zu den Fremden. Freiburg 1896. 



352 Die Religion des Judentums. [§ 23. 

irgendwo, so offenbart sich hier, daß uns in P die Verwirklichung 
des Hesekielischen Verfassungsentwurfes vorliegt. Das Ziel, dem 
sich jedes andere Interesse unterordnen muß, ist die Herstellung 
des reinen, gottgeweihten Volkes. Sie erfolgt aber nicht in erster 
Linie im Sinne der Propheten durch die „Beschneidung der 
Herzen", sondern durch alle die zahllosen äußerlichen ßei- 
nigungs- und Sühnakte, die das Gesetz für alle denkbaren Fälle 
(vgl. besonders Lev. 12 und 15 !) vorschreibt. Ihre Verletzung 
— und zwar auch die ganz unabsichtliche, unbewußte — zieht 
genau denselben Grad von Verschuldung nach sich, wie sonst 
ein todeswürdiges Verbrechen. Die starke Konsequenz und das 
äußerlich Mechanische dieser Auffassung tritt vor allem auch 
in dem Ritual des großen Versöhnungstages hervor. Die feier- 
liche Entmündigung, die Aaron Lev. 16 iß ff. mit dem Sündopfer- 
bock des Volkes vollzieht, gilt eigentlich nicht diesem, sondern 
(V. ie. 20) dem inneren Heiligtum, dem Offenbarungszelt und dem 
Altar, also leblosen Dingen. Ihre Entsündigung von allen ritu- 
ellen Vergehungen und Unterlassungen des Volkes erscheint so- 
mit im Ritual des großen Sühntages als das Wichtigste. 

Es kann uns nicht wunder nehmen, daß über P sowohl 
wegen seiner Exklusivität gegenüber den Fremden, als wegen 
der völligen Gleichstellung sittlicher und physischer (ritueller) 
Reinheit mehrfach sehr abschätzige Urteile gefällt worden sind 
und die Kluft zwischen der Religion der Propheten, obenan des 
Deuterojesaja, und der des Priesterkodex als schlechthin unüber- 
brückbar bezeichnet worden ist. Daß zwischen beiden tatsäch- 
lich eine tiefe Kluft besteht, und zwar in der Gestalt, daß P ein 
Herabsinken von der reinen Höhe des Prophetismus bedeutet, 
sollte um so weniger geleugnet werden, als die Predigt Jesu un- 
leugbar an die Propheten anknüpft und auch das Gesetz nur im 
Sinn und Geist der Propheten gedeutet wissen will. Immerbin 
ist zu einer gerechten Würdigung von P ein Doppeltes nicht zu 
vergessen. Auch er schloß erstlich die Möglichkeit nicht aus, die 
Offenbarung des Gotteswillens als eine Hinführung zu wahrhaf- 
ter Herzensfrömmigkeit und Sittlichkeit aufzufassen und sich 
eben darum an ihr zu erfreuen und zu erbauen x ). Für eine solche 
herzliche Freude am Gesetz zeugen zahlreiche Psalmstellen 
(1 2. 19 8 ff. 119). Die Zeit der peinlichen Gesetzeserfüllung 

*) Vergl. hierzu Gunkel, Ausgewälte Psalmen (Göttingen 1904), 
S. 22 ff. 



§ 24.] Die religiöse Lyrik und Elegik. 353 

kam erst mit der schweren Gefährdung der Religion durch An- 
tiochus Epiphanes. Da wähnte man, den Zorn Gottes nur durch 
die strengste und buchstäblichste Gesetzeserfüllung beschwich- 
tigen und so die Vollendungszeit herbeiführen zu können. Ge- 
steigert wurde aber die schwere Last des Gesetzes vor allem 
durch das Hinzukommen der angeblichen mündlichen Tradition 
vom Sinai her, die in den Kreisen der Pharisäer ausgebildete 
Kasuistik mit ihren endlosen Einzelbestimmungen, die den ge- 
setzestreuen Israeliten in steter Angst erhielten, ob er sich nicht 
irgendwie verunreinigt und dadurch schwer verschuldet habe. 

Zweitens aber darf nicht vergessen werden : trotz seinem 
Zurückstehen hinter der prophetischen Religion hat doch auch 
das Gesetz im Gesamtverlauf der Religion Israels eine bedeut- 
same Mission ausgeübt. Die Erfahrung hatte gelehrt, daß sich 
die große Masse des Volks zum Verständnis und der frucht- 
baren Aneignung der prophetischen Predigt unfähig erwiesen 
hatte. So wurde diese denn abgelöst durch eine andere Methode 
der göttlichen Pädagogie: die Zucht des Gesetzes mit seiner 
unaufhörlichen Mahnung an den tiefen Abstand zwischen dem 
heiligen Gott und der sündigen Unreinheit aller Kreatur, mit 
seiner steten Nötigung, das Bedürfnis nach Vergebung und Sühne 
lebendig zu erhalten und die vorgeschriebenen Sühnemittel ge- 
wissenhaft zu gebrauchen. Kurz : das Gesetz ist nicht bloß in 
dem Sinne ein „Zuchtmeister auf Christum " geworden, daß es zu 
der Erkenntnis der Unmöglichkeit zwang, durch Gesetzeswerke 
vor Gott gerecht zu werden, sondern auch dadurch, daß es zu 
einer Schule unbedingter Unterwerfung unter den Willen Gottes 
und damit aufrichtiger Frömmigkeit ward. Und welches inten- 
sive religiöse Leben neben und unter der Herrschaft des Gesetzes 
sich entwickeln konnte, dafür zeugen die letzten Literaturgruppen, 
die wir noch ins Auge zu fassen haben : die religiöse Lyrik und 
Elegik, sowie die Ueberreste der sogenannten hokmäh- oder Weis- 
heitsliteratur. 

§ 24. Die religiöse Lyrik und Elegik. (Psalmen und 

Klagelieder.) 

Zur Literatur: EKautzsch, Die Poesie und die poetischen 
Bücher des A. T. Tüb. u. Leipzig 1902. — HGbessmann, Musik u. Musik- 
instrumente im A. T. Eine rel. gesch. Studie. Gießen 1903. — JBahr, 
Die babyl. Bußpsalmen und das A. T. — JAchelis, Der religionsge- 
flchichtl. Gehalt der Psalmen mit Bezug auf das sittl. rel. Leben der 

£. Kaut zach, Biblische Theologie d. A. T. 23 



354 Die Religion des Judentums. [§ 24. 

nachexil. Gemeinde. Berlin 1904 (Progr.). — WStäbk, Sünde und Gnade 
nach der Vorstellung des älteren Judentums, bes. der Dichter der sogen. 
Bußpsalmen. Tüb. 1905. — AWünsche, Die Schönheit der Bibel. 1 Bd.: 
Die Schönheit des Alten Test. Leipzig 1906. — Derselbe, Die Bilder- 
sprache des A. T. Ein Beitrag zur ästhet. Würdigung des poetischen 
Schrifttums im A. T. Leipzig 1906. — EKönig, Die Poesie des A. T. 
Wissensch. u. Bildung 11 Bd. Leipzig 1907. — WStäbk, Die Lyrik des 
A. T. (Die Schriften des A. T. in Auswahl etc. III, a). Göttingen. 

Wenn uns außer den Schriften der Propheten lediglich das 
Gesetz erhalten geblieben wäre, so würde ein ganz unzuläng- 
liches, ja zum größten Teile verkehrtes Urteil über die Trieb- 
kraft der prophetischen Religion unausbleiblich sein. Zum Glück 
ist uns aber ein Mehreres erhalten, und von diesem sind vor al- 
lem die Psalmen geeignet, uns zu einem tiefer eindringenden Ur- 
teil anzuleiten. In ihnen entfaltet sich eine so wunderbare Viel- 
seitigkeit und Intensität echten religiösen Lebens, daß wir ur- 
teilen müssen: von der schweren Gefahr, die durch die völlige 
Gleichsetzung der rituellen Pflichten mit den spezifisch religiösen, 
der physischen Reinheit mit der sittlichen im Gesetz heraufbe- 
schworen war, ist hier so gut wie kein Anzeichen zu verspüren; 
fehlt es doch sogar nicht an Zeugnissen für eine ausdrückliche 
Ablehnung der Opfer, also des für P weitaus wichtigsten Teils des 
Kultus ! 

Von den mancherlei literarkritischen Fragen, die sich an die 
Psalmen und die Klagelieder knüpfen, können wir hier gänzlich 
absehen. Mögen sich in den Psalmen noch vereinzelte Reste vor- 
exilischer religiöser Poesie erhalten haben: in der Gestalt, wie 
sie uns jetzt vorliegen, sind sie ein Werk der nachexilischen Zeit 1 ) 
und können darum unbedenklich trotz aller ihrer Mannigfaltig- 
keit als ein einheitliches Ganzes und ein übereinstimmendes Zeug- 



*) Als das Wahrscheinlichste dünkt uns, daß die älteste Sammlung, 
Ps. 3 — 41, noch zur Zeit Esras veranstaltet wurde; sodann etwa gegen 
das Ende der persischen Zeit eine zweite Sammlung, die aus weiteren 
davidischen Psalmen (51 — 71), Liedern von Zeitgenossen Davids (42—49. 
50. 72. 73—83) und einer Nachlese (84—89) bestand. Die dritte Samm- 
lung (90 — 150) kann kaum vor der Begründung der hasmonäischen 
Dynastie durch Simon (142 ff.) entstanden sein. Ps. 1 und 2 wurden 
wohl erst vom letzten Redaktor des gesamten Psalters als höchst geeignete 
Prologe vorangestellt. 

In betreff der Klagelieder mag die Bemerkung genügen, daß die 
ältesten Bestandteile (c. 2 und 4) auf frischester Erinnerung an die Zer- 
störung Jerusalems von 587 beruhen, während c. 5 dem sechsten, c. 1 
dem fünften, c. 3 aber dem dritten Jahrhundert angehören dürfte. 



§ 24.] Die religiöse Lyrik und Elegik. 355 

nis für Glaube und Hoffnung des nachexilischen Israel betrach- 
tet werden. 

Die in neuerer Zeit vielverhandelte Frage, wer als das Sub- 
jekt („das betende Ich* 4 ) der meisten Psalmen zu betrachten sei, 
muß zweifellos mit Olshausen, Reuss, Cheyne und anderen *) 
in sehr zahlreichen Fällen zugunsten des sogenannten Kollek- 
tivsubjekts gegenüber der fast durchweg individuellen Deutung 
Ewalds, Hupfelds, Dühms und anderer beantwortet werden. 
Mit Recht hat insbesondere Reuss geltend gemacht, daß die 
endlosen Klagen über grausame Feinde und Verfolger sich erst 
dann als verständlich und berechtigt, ja rührend darstellen, wenn 
man sie nicht auf irgendwelche Privathändel, sondern auf die 
immer gleiche Not einer von den heidnischen Unterdrückern wie 
den abtrünnigen Gliedern des eigenen Volkes gequälten from- 
men Gemeinde zurückführt. 

Nur war es eine ungerechtfertige Uebertreibung, wenn man 
diese Deutung auf den gesamten Psalter ausdehnen wollte. Viel- 
mehr ist gerade das für die richtige Wertung der Psalmen von 
höchster Bedeutung, daß der insbesondere von Jeremia ange- 
bahnte Individualismus in der Religion 2 ) durch sie bereits zu 
vielfältigem, klarem Ausdruck gelangt ist. Nur aus den zahl- 
reichen Zeugnissen für das Schmachten und Ringen einzelner 
Beter nach lebendiger Gemeinschaft mit ihrem Gott, wie für 
die selige Gewißheit solcher Gemeinschaft erklärt es sich, daß 



*) Vergl. über diese Streitfrage: RSmend, Ueber das Ich der Psal- 
men, ZAW 1888, S. 49 ff. (eine nahezu konsequente Geltendmachung des 
Kollektivsubjekts; z. T. ermäßigt durch) JZSchuurmans Stekhoven, 
ZAW 1889, S. 131 ff. — GBeee, Individual- und Gemeindepsalmen. Marburg 
1894. — FCoblenz, Ueber das betende Ich in den Psalmen. Frankfurt 
1897. — HRot, Die Volksgemeinde und die Gemeinde der Frommen im 
Psalter. Gnadenfeld 1897. — DLeimdökfeb, Das Psalterego in den 
Ich-Psalmen. 1897. — Engert, Der betende Gerechte der Psalmen. 
Würzburg 1902. Die sechs Letztgenannten betonen mehr oder weniger 
nachdrücklich, daß nicht das empirische Volk, sondern nur der unter 
feindlichem Druck schmachtende, Rettung erflehende und hoffende, 
fromme Teil des Volks als das „betende Ich" gelten könne; sodann, 
daß (ganz abgesehen von den schlechthin individuellen Liedern) auch 
die Gemeindepsalmen zunächst von einem bestimmten Individuum, wenn 
auch im Namen der Gemeinde, gedichtet seien. 

2 ) Vergl. hierzu die Ausführungen von Sellin, Das Subjekt der alt- 
israelitischen Religion in „Neue kirchliche Zeitschrift" IV (1893), Heft 6 
und V (1895), Heft 4. 

23* 



356 Die Religion des Judentums. [§ 24. 

der Psalter auch den christlichen Völkern bis auf den heutigen 
Tag als Gebetbuch zu dienen vermacht hat. 

1. Der Gottesbegriff. 

Wie in der exilischen und nachexilischen Prophetie zeigt 
sich der Gottesbegriff in den Psalmen auf einer Höhe, die auch 
auf neutestamentlichem Boden nur in wenigen Punkten noch 
überschritten werden konnte. Die Einzigkeit Jahwes (18 32), 
seine Unvergleichlichkeit mit irgendwelchem anderen Wesen, 
die gänzliche Nichtigkeit der Götzen 115 4 ff.) sind für diePsalmi- 
sten Postulate, die keines Beweises mehr bedürfen. Als Schöpfer 
der Welt (24 1 f. 74 ie f. 95 4. 1042 ff. und öfter), und zwar durch 
das bloße schöpferische Wort (33 e. 9), ist er zugleich auch der 
unumschränkte Gebieter aller Welt (33 u f. 46 7. 9 ff. 47 2 ff. 
65 e ff. 667. 82 8. 103 19. 113 4). Er verherrlicht sich beständig 
in der leblosen Natur (8 4 f. 19 2 ff. ; durch die Majestät seines 
Donners 29 3 ff.), daher auch sie zu seinem Preise aufgefordert 
wird (148 s ff.), wie an den Lebewesen. Als ein Wunder erscheint 
vor allem seine Herablassung zu dem an sich so ohnmächtigen 
Menschen; hat er ihm doch nur wenig fehlen lassen an der Na- 
tur der göttlichen Wesen (8 e ff., in deutlicher Anlehnung an 
Gen. 1 27 ff.). Die Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe wird 
offenbar nicht mit der christlichen Dogmatik als Erhaltung und 
Regierung von der Schöpfung getrennt, oder auch als ein Fort- 
wirken der einmal aufgestellten Naturgesetze gedacht, sondern 
besteht in immer erneuten, selbständigen Schöpfungsakten des 
lebendig waltenden Gottes (65 10 ff. 104 13 ff. 27 ff. 145 15 f. 147 s f.). 

Die einzige Einschränkung des an sich schlechthin schran- 
kenlosen Wesens Gottes könnte in der häufigen Hervorhebung 
seines himmlischen Wohnsitzes erblickt werden (11 4. 14 2. 20 7 
und sehr oft) ; aber diese Form der räumlichen Einschränkung 
konnte der Gottesbegriff auch auf seiner höchsten Stufe nicht 
entbehren, wollte er nicht der Gefahr pantheistischer Verflüch- 
tigung verfallen. Der nicht minder häufige Hinweis auf den Zion 
als den Wohnsitz Gottes und den Ausgangspunkt seines Wir- 
kens (20 3. 50 2. 68 17 etc.) steht mit der Idee des Himmelsgottes 
nach dem schon früher Erörterten in keinem Widerspruch. Der 
Himmel ist sein Thron, der Zion die Stätte seiner Offenbarungs- 
gegenwart, die mit seinem eigentlichsten Wesen nicht identisch 
ist. Daß Gott in der großartigen Schilderung der Theophanie 



§ 24.] Die religiöse Lyrik und Elegik. 357 

18 8 ff. den Kerub besteigt und auf ihm einherfliegt, gehört eben- 
so in den Bereich poetischer Ausdrucksweise, wie sein Erschei- 
nen vom Sinai her (68 is). 

Befremdlich könnte dagegen erscheinen, daß uns auch in 
den Psalmen Spuren eines Theologumens begegnen, das wir schon 
oben S. 299 aus Dt. 4i9, sowie aus Daniel 10 (s. oben S. 325 f.) 
kennen gelernt haben : die Idee von Untergöttern (b'ne m löh%m 
oder kurzweg 1CB löMm oder 'eßm, Götter; auch b ne ,€e löhtm sind 
nicht „ Göttersöhne", sondern „zur Kategorie der ,€B löhim Gehö- 
rende"), die entweder selbständig, wenn auch auf Veranstaltung 
Jahwes, über die Heidenvölker herrschen (so die Sternengötter 
Dt. 4i9 *), oder sich unter der Aegide Jahwes gleichsam als Unter- 
könige an der Weltregierung beteiligen. Nur so sind, wie die 
Särtm oder Fürsten Dan. 10, auch die 'elirn (so lies statt des sinn- 
losen 'eitern Ps. 58 2 und die J(B löhim 82 i. e (V. e b : b'ne 'celjön, 
Söhne des Höchsten) zu deuten. In beiden Stellen wird die Un- 
gerechtigkeit und Parteilichkeit ihres Regiments getadelt — na- 
türlich im Hinblick auf die Behandlung Israels durch heidnische 
Völker — und 82 7 ihnen dafür sogar der Tod nach Menschen- 
weise angedroht. An letzterer Stelle scheitert jede Möglichkeit, 
diese „Götter" auf menschliche Richter zu deuten. „Wie Men- 
schen sterben" können nur solche, die an sich unsterblich sind. 
Läßt sich nun auch nicht leugnen, daß in der Vorstellung von 
diesen Untergöttern offenbar der Glaube an die Realität der 
einstigen Volksgötter nachwirkt, so ist sie doch in einem Grade 
dem Jahwismus ein- und untergeordnet, daß sie unmöglich als 
ein Ueberrest des einstigen Henotheismus oder gar eines einsti- 
gen Polytheismus betrachtet werden kann. Derselben vollstän- 
digen Einfügung ursprünglich heidnischer Mythologumenein den 
Jahwismus begegnen wir auch 74 is f. in dem Hinweis auf die 
Bezwingung des Livjathan und 89 n auf die Zermalmung Ra- 
habs. (Vgl. dazu oben S. 186). 

An dieselben Untergötter, wie in Ps. 58 und 82, ist ohne Zwei- 
fel auch bei den „Göttern" (86s. 95 a. 964. 97 ?. 9. 135 s. 138 1) so- 
wie den b e ne 'dim 29 i und 897 gedacht, über die Jahwe schlecht- 
hin erhaben ist. Von ihnen werden 103 20 f. 148 2 die „Engel" 
(eigentlich Boten) unterschieden, die den Thron Gottes lob- 

l ) Denselben Sinn hat sicher auch die Bestimmung der Grenzen der 
Völker nach der Zahl der b*ne ^löhim (so lies mit Sept. für tyne ßSrä'el) 
Di 32 s. 



358 Die Religion des Judentums. [§ 24. 

preisend umgeben oder, von ihm gesandt, den Frommen schützend 
zur Seite stehen: 34s. 35 5 f.; beidemale ist „der Engel Jahwes" 
sicher nicht mehr im Sinn einer Selbstoffenbarung Jahwes zu ver- 
stehen (vgl. dazu oben S. 83 ff.) ; 91 n f. In den Bereich der Idee 
einer himmlischen Ratsversammlung gehören auch „die Heiligen" 
(d. h. wie anderwärts die zu Gott in engster Beziehung Stehen- 
den, nicht die ethisch Vollkommenen) 89 1 f. Die Unglücksengel 
78 49 aber sind, da sie von Gott zur Strafe gesandt werden, 
nicht sittlich böse oder gar gottfeindliche Wesen, sondern eigent- 
lich »Engel von den Schlimmen", d. h. solche, die von Gott ge- 
sandt werden, um Unheil über die Sünder zu bringen. 

Die sogenannten Eigenschaften Gottes, richtiger die ver- 
schiedenen Seiten, in denen sich sein einheitliches Wesen offen- 
bart, sind für die Psalmisten niemals Gegenstand metaphysischer 
Spekulation, sondern werden allezeit nur in spezifisch religiösem 
Interesse, bald zur Warnung, bald zum Tröste der Frommen 
hervorgehoben. Die Ewigkeit Gottes ist Bürgschaft dafür, daß 
er den Seinen eine wahrhafte Zuflucht sein kann (90 i f. 4). 
Seine Allmacht hat sich ebenso bei der Schöpfung, wie in der 
Lenkung der Geschichte betätigt (115 s. 135 e). Seine Unwandel- 
barkeit setzt die Nichtigkeit aller geschaffenen Dinge in das rechte 
Licht. Denn auch Himmel und Erde werden zerfallen, und er 
wird sie wechseln wie ein Gewand ; er aber bleibt unwandelbar 
derselbe (102 20 ff.). Seine Weisheit hat sich vor allem bei der 
Schöpfung offenbart (104 24) ; aber auch anderwärts erweckt die 
Tiefe seiner Gedanken staunende Bewunderung (92 e. 139 17 f.). 
Seine Allwissenheit erstreckt sich auf jedes noch so geringfügige 
Tun und jeden Gedanken der Menschen (139 1 ff.) — zu heil- 
samer Warnung für sie ! — denn auch der verborgenste Grund 
der Herzen ist ihm offenbar (7 10. 44 22). Und wenn er nach 
139 15 f. schon von dem Embryo im Mutterleibe Kenntnis nimmt, 
und die Lebensdauer, wohl auch die Schicksale des betreffen- 
den Menschen in sein Buch geschrieben werden, so ist dies sicher 
nicht im Sinne einer starren Praedestination zu verstehen, son- 
dern nur als ein Hinweis darauf, daß sich schlechthin nichts dem 
Wissen und Willen Gottes entziehen kann. Ebenso wird seine 
Allgegenwart 139 7 ff. überaus wirksam nicht pantheistisch als 
eine solche seiner Substanz, sondern seines Wissens und seiner 
Macht beschrieben, um jeden Gedanken an ein Entrinnen vor 
ihm im Keime zu ersticken. Seine sittliche Vollkommenheit tritt 



§ 24.] Die religiöse Lyrik und Elegik. 359 

im Abscheu vor dem Frevel zu Tage (5 5 ff.) ; seine Gerechtig- 
keit zeigt sich nicht bloß in seinem Verhalten gegen sein Volk 
(7 12. 11 7. 33 5 etc.), sondern auch gegen die heidnischen Völker 
(9 8). Den breitesten Raum nehmen aber begreiflicher Weise in 
den Schilderungen der Psalmisten die Eigenschaften der Liebe 
Glottes ein, der Preis seiner unerschöpflichen Gnade und Barm- 
herzigkeit, Langmut und Treue (86 is. 103 8 ff. ; 36 e. 8). Seiner 
Güte dürfen sich alle seine Geschöpfe getrösten (33 ß b . 145 s f.); 
vor allem aber erweist er sich als „Vater der Waisen und Ver- 
sorger der Witwen* 4 (68 e. 1469). Es ist bemerkenswert, daß sich 
abgesehen von der hier vorliegenden Verwendung des Vater- 
namens die Idee der Vaterliebe Gottes, die den Mittelpunkt des 
neutestamentlichen Gottesbegriffs bildet, nur noch einmal ( 103 is), 
aber nur in Form eines Vergleichs und überdies in offenbarer 
Beschränkung auf Israel hervorwagt, — auch ein Beweis dafür, 
daß der Gottesbegriff des alten Testaments in einem überaus 
wichtigen Punkte doch einer Steigerung fähig war ! 

2. Anthropologisches außerhalb des spezifischen 

Jahwismus. 

In der Beurteilung des rein Menschlichen geht neben dem 
Lobpreis der hohen Bevorzugung des Menschen durch die Ver- 
leihung der Herrscherstellung auf Erden (8 4 ff., s. o. S. 356) die 
Klage über die Ohnmacht und Wandelbarkeit alles menschlichen 
Wesens einher (33 ie f. 62 10. 103 uff.; 1444: der Mensch gleicht 
einem Hauch, seine Lebenstage sind wie ein Schatten, der vor- 
überfahrt). Von dieser Klage sind auch die Mächtigsten nicht 
ausgenommen (146 8 f.). Und wenn das allzukurze Leben (39 5 ff. 
90 10. 12) zu seinem Abschluß gelangt ist, dann wartet des Ab- 
scheidenden die finstere Scheol 1 ), die ihn von jeder Beziehung 
zur Oberwelt, obenan zu den Segnungen der Theokratie oder dem 
Lobpreis Gottes, endgültig abschneidet (6e. 30 10. 8811 ff. 115 17). 
Diesem Los vermag keiner zu entrinnen (8949). Wohl erhebt sich 
die Innigkeit der Gottesgemeinschaft (s. u. S. 362 f.) bisweilen 
zu einer Höhe und Stärke, daß nur noch ein kleiner Schritt übrig 
zu sein scheint zu der Erkenntnis, wahrhafte Gottesgemein- 
schaft müsse notwendig eine dauernde, dieses Leben überragende 
sein 2 ) — in bestimmter Form wird dieser Schritt nirgends getan. 

*) Vergl. zu dieser oben S. 178 ff. 

2 ) So erblickt RHCharles (im 2. Kapitel seiner „Critical History 



360 Die Religion des Judentums. [§ 24. 

Nur als „Gast und Beisaß" weilt der Mensch während seines 
Erden wandeis bei seinem Gott (39 is f.) ; mit seinem Tode ist das 
Band zwischen beiden für immer zerschnitten. Wenn irgendwo, 
so wird in diesem Punkte ersichtlich, welche Gewalt und Trieb- 
kraft dem Glauben an den Gott Israels innewohnen mußte, wenn 
er auch ohne irgend welch eUn 8 terblichkeitshoffnungsolcheFrüchte 
intensiver Religiosität hervorzubringen vermochte, wie sie in den 
Psalmen (und Hiob) vor uns liegen. Ob sich übrigens nicht doch 
Spuren einer Hoffnung auf Fortdauer in den Psalmen finden, 
wird unten bei den eschatologischen Erwartungen (8. 366 ff.) zu 
besprechen sein. 

Der physischen Gebrechlichkeit des Menschen entspricht 
seine sittliche. Wenn diese 51 7 auf die Erzeugung und Geburt 
von sündigen Eltern zurückgeführt wird, so soll doch damit nicht 
die Zeugung und Geburt selbst für sündig erklärt werden. Der 
ganze Ausspruch ist eine Bitte um ein mildes Urteil Gottes über 
den, der von Sündern abstammend notwendig von Mutterleibe 
an sündige Art und Neigung in sich trägt. Nur in letzterem 
Sinne kann der Ausspruch als ein Beitrag zur Lehre von der 
Erbsünde bezeichnet werden, während von einer Zurechnung der 
Schuld Adams mit keinem Worte die Bede ist. 

3. Stellung zur Theokratie und ihren Institutionen. 

An der Idee der Erwählung Israels zum Eigentumsvolke 
halten auch die Psalmisten unverbrüchlich fest (33 12. 74 2. 135 4), 
und es läßt sich nicht bezweifeln, daß diese Ueberzeugung nach 
wie vor die schwere Gefahr eines nationalen Dünkels, einer argen 
Ueberhebung über alle anderen Völker in sich schloß, die jene 
großen deuterojesanischen Gedanken über einen Missionsberuf 
Israels unter allen Heiden gänzlich zu verschütten drohte. Aller- 
dings wurde dieser Dünkel nicht unwesentlich gemildert durch 
das ehrliche Bekenntnis, daß sich Israel der göttlichen Erwäh- 
lung und der Großtaten Jahwes bei der Erlösung aus der ägypti- 



of the Doctrine of a future Live in Israel, in Judaism and in Christianity. 
London u. New- York 1899) in Ps. 49. 73, sowie im Buche Hiob Ansätze 
zu einem Unsterblichkeitsglauben — eine individuelle Eschatologie, die 
(nach Kap. 3) schließlich mit der Eschatologie des Volks im Aufer- 
stehungsglauben zusammengeflossen sei. Vgl. dazu u. die Anm. zu S. 369, 
sowie die spätere Darstellung von Chables (the Eise and Development 
in Israel of belief in a future Live) im Expositor, Jan. 1903, S. 49 ff. 



§ 24] Die religiöse Lyrik und Elegik. 361 

sehen Knechtschaft (77 15 ff. 78 4. 11 ff. 106 1 ff.) fast immer un- 
würdig gezeigt habe. Es ist der wohlverdiente Zorn Gottes, durch 
den es dem übermächtigen Druck und dem grimmigen Hohn 
seiner Feinde verfallen ist (Thren. 2 1 f. 21 f. 4 11. Ps. 22 7 ff. und 
zahlreiche andere Stellen). Es achtete nicht auf die schon seit 
den Tagen der Vorzeit ergangenen Drohungen Jahwes (Thren. 
2 17), sondern ließ sich durch falsche Propheten und Priester 
betören (Thren. 2 u. 4 13). Aber der Bund Gottes mit Israel hat 
trotz alledem die Bürgschaft ewigen Bestands (Ps. 105 8. 111 9), 
und so muß doch dereinst für die demütig sich ihm Beugenden 
der Tag kommen, an dem sich alle die tröstlichen Verheißungen 
aus vergangenen Tagen erfüllen werden (Thren. 3 21 ff.). Welche 
Erwartungen in der Hauptsache an die Theokratie der Zukunft 
geknüpft werden, wird sich uns unten in dem Abschnitt über die 
messianischen Hoffnungen ergeben. - 

Ueberaus groß ist die Zahl der Psalmstellen, in denen 
die Hochhaltung des Tempels als des Ortes der Gnadengegen- 
wart Jahwes, die Sehnsucht nach den schönen Gottesdiensten 
daselbst zu einem rührenden und ergreifenden Ausdruck kommt 
(5 s. 26 s. 27 4. 43 s f . 65 5. 84 2 ff. 11. 116 is f. 122 1 ff.). Man 
würde aber sicher irren, wenn man das Motiv dieser Sehnsucht 
in erster Linie in der Freude am Kultus in engerem Sinn, d. h. 
den Opferhandlungen, erblicken wollte. Nicht nur, daß die Er- 
wähnungen von Opfern äußerst spärlich sind (20 4. 548. 66 isff.; 
141 2 handelt es sich nur um symbolische Opfer) : es fehlt auch 
nicht an Psalmenstellen, in denen die Notwendigkeit und Gott- 
wohlgefälligkeit der Opfer mit unbedingter Entschiedenheit und 
z. T. nicht ohne einen gewissen Sarkasmus abgelehnt wird (40 7. 
50 8 ff. 51 18. 69 32; s. das Nähere oben S. 236 ff.). Wir müssen 
somit urteilen, daß die Frömmigkeit der Psalmisten im allge- 
meinen auf einer höheren Stufe steht, als die der Schöpfer des 
Priestergesetzes. Die Freude an den „schönen Gottesdiensten" 
am Tempel hat offenbar in erster Linie alledem gegolten, was 
Herz und Gemüt ansprach: den festlichen Prozessionen, den 
Gebeten und Segenswünschen der Priester und wohl nicht zuletzt 
auch der Tempelmusik und dem — nach allen Spuren mit größ- 
ter Sorgfalt gepflegten — Tempelgesang. Zu alledem stimmt, 
daß der (nicht allzu häufige) Lobpreis des Gesetzes (1 2. 19 8 ff.) 
wohl überall die spezifischen Sittengebote (so ganz deutlich 19 12 f.) 
und nicht das Zeremonialgesetz im Auge hat. Auch die zahl- 



362 Die Religion des Judentums. [§ 24. 

reichen, meist ganz allgemein gehaltenen Aussprüche über Wert 
und Wirkung der göttlichen Gebote und Rechte in Psalm 119 
lassen doch bisweilen (so V. o. 86. iss) ein Abzielen auf ihren sitt- 
lichen Gehalt erkennen. 

4. Wesen der Frömmigkeit. 

Wenn als Grundvoraussetzung aller wahrhaften Frömmig- 
keit aufrichtige Sündenerkenntnis zu gelten hat, dann ruht die 
Frömmigkeit der Fsalmisten zweifellos auf festem Grunde. Neben 
der willigen Anerkennung der Gesamtschuld des Volkes, von der 
bereits oben die Rede war, finden sich nicht wenige Zeugnisse 
für die Vergeblichkeit alles eignen Trachtens nach Gerechtigkeit, 
wenn es mit den Augen des heiligen Gottes gemessen wird (38 19. 
51 s ff. 130 i ff. 143 2. Thren. 1 5. 8. 14. 18. 22. 3 »9 ff. 4 e. 5 ie), 
wie nicht minder Zeugnisse von einer Zartheit des Gewissens, 
die es auch mit den unbewußten Sünden (Ps. 19 is. 90 s) und 
den Sünden der Jugend (25 7) ernst nimmt und Verzeihung für 
sie von Gott erfleht. Nur selten finden sich noch Ausbrüche 
einer Selbstgerechtigkeit, die auf ihre peinliche Gesetzeserfüllung 
pocht (17 1 ff. I821 ff. 44i8 ff.) und aus ihr wohl gar eine Anklage 
gegen Gott ableitet, daß er seinem Volk zu helfen säume (44 10 ff.). 
Nicht minder auffällig und im Widerspruch mit den sonstigen 
Aussprüchen des Buches ist die Klage Thren. 5 7 : Die Väter 
fehlten und wir tragen ihre Verschuldungen! 

Eine fast evangelische Erkenntnis tritt uns mehrfach in den 
Aussprüchen über die Sündenvergebung entgegen. Mit gutem 
Grunde durfte der Apostel Paulus Ps. 32 1 f. als einen Schrift- 
beweis dafür verwenden, daß die Seligkeit des mit Gott versöhn- 
ten Gewissens nicht auf irgendwelchem Verdienst der Werke 
beruht, sondern darauf, daß Gott aus Gnaden die Schuld nicht 
zurechnet (Rom. 4 e ff.); vergl. dazu auch Ps. 103s ff. und beson- 
ders V. 8 ff. 

Denen aber, die beständig dessen eingedenk sind, daß sie 
immer neu der Gnade bedürfen, die „ zerbrochenen Herzens und 
zerschlagenen Gemütes" sind, ihnen ist Jahwe nahe (34 19. 51 19) 
und schafft in ihnen — denn einer tatsächlichen Neuschöpfung 
bedarf es! — ein reines Herz und einen neuen gewissen Geist 
(51 12). Er lehrt sie, Gott als das höchste, ja einzige Gut zu er- 
kennen (16 2), als die Quelle alles wahren geistlichen Lebens 
und aller wahrhaften Erleuchtung (36 10); er erweckt in ihnen 



§ 24] Die religiöse Lyrik und Elegik. 363 

eine unauslöschliche Sehnsucht nach seligem Frieden in Gott 
und innigster Gemeinschaft mit ihm und läßt sie zu voller Be- 
friedigung dieser Sehnsucht gelangen. Aussprüche wie 16 5. 8 f. 
42 2 f. 63 2. 73 25 f. 143 e und vor allem das herrliche Wort 131 i f. 
haben durch alle Jahrhunderte hindurch auch in christlichen 
Herzen vollen Wiederhall gefunden. 

Die Frucht selcher Gottesgemeinschaft ist ein Gebetsleben 
in Bitte, Dank und Lobpreis von unerschöpflicher Mannigfaltig- 
keit und Innigkeit. Belege dafür sind um so weniger nötig, als 
ja der ganze Psalter ein großes Zeugnis für diese Tatsache dar- 
stellt. Nur das soll gesagt sein: wie kleinlich erscheinen alle die 
philosophischen und dogmatischen Diskussionen über das Gebet 
als den Versuch eines Eingriffs in die unwandelbare Vorherbe- 
stimmung Gottes gegenüber der großartigen Einfalt und inner- 
sten Gewißheit der Beter in den Psalmen! In ihren Herzen ist 
für 8 o 1 c h e Erwägungen kein Raum. Wohl kennen auch sie die 
mannigfachen Rätsel des Weltlaufs und werden durch sie in 
Zweifel und Unruhe gestürzt. Sie kennen auch die Ungeduld, 
bisweilen sogar den Unmut über das Verziehen der göttlichen 
Hilfe, über sein scheinbares Schweigen zu Gewalt und Unrecht. 
Aber zuletzt ringt sich doch die Gewißheit durch, daß die All- 
macht, Weisheit und Gerechtigkeit Gottes über alle Unvernunft 
und Ungerechtigkeit triumphieren müsse. Und die Ueberzeu- 
gung, daß das Gebet das unentbehrliche Lebensbrot der Seele 
sei von alles überragender Köstlichkeit (92 2 ff.), daß Gott unter 
allen Umständen denen nahe sei, die ihn mit Ernst anrufen 
(145 18 f.), wird schließlich durch keinen Zweifel angetastet. 

Eine weitere Frucht des geistlichen Lebens in und mit Gott 
tritt uns in der Gesinnung entgegen, die alles Tun und alles 
Schicksal des Frommen unbedingt von dem weisen und gnädigen 
Willen Gottes abhängig weiß und die darum bereit ist, in allen 
Dingen nicht Menschen, sondern Gott allein die Ehre zu geben 
(115 1 ff.) und alles nur von seinem Segen zu erwarten (127 1 f.). 
Die Psalmstellen, in denen das unerschütterliche Vertrauen 
auf die weise und liebevolle Führung und Behütung der Frommen 
einen rührenden, oft typischen Ausdruck gefunden hat (so 3 4 ff. 
5 12 f. 23 4. 27 1. 91 1 ff. 118 e ff. 121 1 ff.), haben sich allezeit 
auch für christliche Herzen als Gebetsworte von unerschöpflicher 
Lebenskraft bewährt. 



364 Die Religion des Judentums. [§ 24. 



5. Die Sittlichkeit. 

Nach allem, was wir über die Stellung der Psalmisten zum 
Kultus und über das Wesen ihrer Frömmigkeit darzulegen hat- 
ten, können wir nichts anderes erwarten, als daß auch ihre 
sittliche Gesinnung eine dem entsprechende Höhe zeigen werde. 
Die Zeugnisse dafür sind nicht gerade zahlreich, wenn wir von 
den sehr häufigen Anklagen gegen die Heiden und die abtrünnigen 
Volksgenossen (diese sind meist mit den r*§aim oder Gottlosen 
gemeint) absehen. Der Inhalt dieser Anklagen weist von selbst 
auf das Gegenteil als das Rechte und Sittliche. Wichtiger aber 
sind die Stellen, in denen ein positives Ideal wahrhaft sittlichen 
und Gott wohlgefälligen Lebens hingestellt wird. Dabei ist be- 
merkenswert, das fast in allen diesen Stellen (15i ff. 24 s f. 34 is ff. 
101 i ff.; in negativer Gestalt 50 ie ff.) die Forderungen am stärk- 
sten hervorgehoben werden, deren Nichtachtung auch den Pro- 
pheten zu Rügen und Anklagen den Hauptanlaß gegeben hatte: 
Redlichkeit und Wahrhaftigkeit, vor allem in Rechtshändeln, die 
zur Gefährdung der Armen und Schwachen ausschlagen könnten. 

Einen dunklen Schatten werfen in dieses ansprechende Bild 
unleugbar die Ausbrüche von z. T. leidenschaftlicher Rachsucht 
in den sogenannten Rachepsalmen (41 n. 58 n. 109 i ff. und be- 
sonders 137 8 ff.; vergl. auch Thren. 1 21 f. 3 64 ff. 4 21 f.). Die 
Ausflucht, daß sich dort Haß und Rachsucht nicht gegen Per- 
sonen, sondern gegen die von ihnen vertretene Sache, ihre Feind- 
schaft wider Gott und sein Reich, kehre, ist angesichts z. B. von 
137 7 ff. gänzlich unhaltbar. Wir haben einfach anzuerkennen, 
daß hier von dem Geist, aus dem Matth. 5 44 f. geredet ist, noch 
nicht der leiseste Hauch zu verspüren ist. Und wenn wir noch 
so willig einräumen, daß jene Aussprüche z. T. als Notschreie 
eines lange geknechteten und gemißhandelten Volkes zu begrei- 
fen und darum bis zu einem gewissen Grade zu entschuldigen 
seien, so sind und bleiben sie doch auch lehrreiche Zeugnisse 
dafür, daß sich neben dem Worte Gottes im alten Bund auch 
Gesinnung und Rede des natürlichen Menschen vernehmen läßt. 

6. Zur Lehre von der „Vergeltung* 4 . 

Das durch die Erfahrung immer wieder aufgedrängte Pro- 
blem, wie sich Tun und Schicksal der Menschen zu einander ver- 
halten, hatte, wie wir oben (S. 245 f. 286. 311) sahen, schon die spä- 



§ 24.] Die religiöse Lyrik und Elegik. 365 

teren Propheten beschäftigt und zunächst zu der Feststellung ge- 
führt, daß niemand für fremde, sondern nur für eigene Schuld zu 
büßen habe. Aber je mehr an die Stelle der alten, fast nur das 
Volksganze berücksichtigenden Volksreligion das Interesse des re- 
ligiösen Individuums getreten war, desto brennender wurde — bei 
dem gänzlichen Mangel der Hoffnung auf einen jenseitigen Aus- 
gleich! — die Frage, wie sich das Leiden der Frommen und das 
Glück der Gottlosen vereinigen lasse mit dem Glauben an eine gött- 
liche und somit absolut gerechte Weltregierung. Zunächst bleiben 
auch die Psalmisten bei dem einfachen, durch den Gottesbegriff 
scheinbar ohne Widerrede geforderten Postulat, das gleich der 
erste Psalm in scharfer Antithese hinstellt: Heil dem Frommen, 
wehe dem Gottlosen ! Die Schilderung des Glücks der Frommen 
(23 1 ff. 92 13 ff. 112 1 ff. 128 1 ff.) erfolgt in so Heblichen Bildern 
und mit einer solchen Bestimmtheit, daß für die Geltendmachung 
jenes Problems nicht der geringste Spielraum zu bleiben scheint. 
Aber es war unmöglich, daß man auf die Dauer an den schreien- 
den Tatsachen, die die Erfahrung des wirklichen Lebens an die 
Hand gab, achtlos vorüberging. So unterziehen denn die drei 
Psalmen 37. 49. 73, in seinem Eingang auch Ps. 39 L ) das Problem 
des Glückes der Gottlosen einer Erörterung, die nur zu deutlich 
zeigt, wie schwer diese Frage auf den Gemütern lastete, und 
welches Ringens es bedurfte, um zu einem einigermaßen be- 
ruhigenden Ergebnis zu gelangen. Dieses Ergebnis aber ist in 
allen drei Psalmen das gleiche. Das Leiden des Frommen ist 
so gut wie das Glück der Gottlosen immer nur ein vorübergehen- 
des und darum bloß trügerischer Schein. Bald und plötzlich 
kommt für den Frommen die Erlösung, für den Gottlosen der 
schmähliche Untergang. Um so mehr ist davor zu warnen, daß 
man sich über das Glück der Gottlosen erhitze, anstatt ruhig 
das Gericht Gottes abzuwarten. 

Ist dieser Versuch einer Theodicee befriedigend zu nennen? 
Wir müssen sagen : wohl hat es etwas überaus Rührendes und 
Erbauliches, wenn der Dichter von Ps. 37 25 bezeugt, daß er 
bis zu seinem Alter nie habe einen Frommen verlassen gesehen 
oder seine Kinder nach Brot gehen. Aber leider ist nicht jeder- 
mann imstande, die gleiche Erfahrung zu bezeugen. Auf dem 
Boden des alten Testaments war eine Lösung überhaupt nur in 

*) Vergl. hierzu Couabd, Die Behandlung und Lösung des Problems 
der Theodicee in den Psalmen 37. 39. 73 in StKr. 1901, S. 110 ff. 



366 Die Religion des Judentums. [§ 24 

der Form möglich, wie sie das Buch Hiob darbot ; von dieser wird 
unten noch die Rede sein. 

7. DiemessianischenErwartungen. 

Neuere Literatur s. bei § 22, 5 (S. 312) und in den „Nachträgen* 
an der Spitze des Werks. 

Wenn sich nach einer weit verbreiteten Behauptung alles 
Interesse der späteren nachexilischen Religion Israels um die 
beiden großen Angelpunkte des Gesetzes und der Messiashoff- 
nung gedreht haben soll, so läßt sich diese Behauptung auch hin- 
sichtlich des letzteren Punktes aus den Psalmen nur in sehr 
relativem Maße begründen. Nachdem eine besonnene Exegese 
längst mit einer großen Zahl angeblich messianischer (oder zum 
mindesten typisch-messianischer) Psalmen aufgeräumt hat, sind 
schließlich (abgesehen von der kurzen Verheißung eines sieg- 
reichen Davididen 132 n f.) nur drei geblieben, in denen die Er- 
wartung eines persönlichen Messias nicht wohl zu bestreiten 
ist: Ps. 2. 72. 110. Ps. 2 könnte durch den Sieg eines makka- 
bäischen Fürsten veranlaßt sein, der den Dichter bewog, eben 
in diesem den längst verheißenen Messias zu erkennen. Jede 
andere Deutung (wie etwa die Annahme hyperbolischer Schmei- 
chelei) würde unter allen Umständen an V. 8 f. scheitern, wo dem 
Angeredeten die Weltherrschaft ohne jede Einschränkung 
in Aussicht gestellt wird. Nur ist die Frage, ob es zu solcher 
Weissagung eines bestimmten historischen Anlasses bedurfte. 
Das Einfachste wird immer die Annahme bleiben, daß sich der 
Dichter im Geiste in die Geburtswehen der messianischen Zeit 
versetzt und von diesem Standpunkt aus den Verlauf der Dinge 
schildert. Ebenso ergibt sich in Ps. 72 aus V. 8, daß wir es mit einer 
reinen Zukunfts Weissagung zu tun haben, einem Ausblick in die 
Zeit, wo Jahwe einen König eingesetzt hat, unter dessen macht- 
vollem und gerechtem Scepter Friede und überreicher Segen über 
das Volk kommt, — vor allem über die bis dahin Unterdrückten, 
alle Armen und Elenden (V. 4. 12 ff.). Nach V. 5 hat es den An- 
schein, als werde diesem König persönlich ein ewiges Regiment in 
Aussicht gestellt. Da aber V. 17 vielmehr seinem Namen ewige 
Dauer und ewigen Ruhm verheißen wird, so werden wir auch hier, 
wie anderwärts, an die Ewigkeit der Dynastie zu denken haben. 
Von der Abstammung dieses idealen Königs von David ist nicht 
die Rede; sie kann jedoch trotzdem vorausgesetzt sein. In Ps. 110 



§ 24.] Die religiöse Lyrik und Elegik. 367 

nötigt V. 4 zu der Deutung, daß die Anrede an einen Heerführer 
(V. 3 ! ) gerichtet ist, der zu dem Priestertum noch königliche Würde 
(vgl. V. 2 : „dein mächtiges Scepter") erhalten und so jenem Prie- 
sterkönig Malkisedek (Gen. 14 is ff.) gleichen soll. Dies alles ist 
nur als Anrede an einen makkabäischen l ) Priesterfürsten ver- 
ständlich. Daß aber der Dichter in diesem Priesterfürsten den 
Messias erschienen geglaubt habe, läßt sich nur aus V. i (dem 
Ehrensitz neben Jahwe!) und allenfalls aus V.« erschließen, falls 
dort das Völkergericht beim Anbruch der messianischen Zeit 
gemeint ist; für alles übrige würde die Deutung auf Herrscher- 
macht und Sieghaftigkeit in engerem Kreise genügen. 

Bemerkenswert ist, daß in allen drei Psalmen nur von den 
Regenteneigenschaften (in Ps. 72 von den Tugenden, in Ps. 2 
und 110 von den kriegerischen Erfolgen) des Herrschers, nicht 
von irgendwelcher geistlichen Wirksamkeit desselben die Rede 
ist — ein abermaliges Zeugnis dafür, welche tiefe Kluft zwischen 
dem Bilde des jüdischen Messias und dem des neuen Bundes be- 
festigt ist ! 

Daß aber in gewissen Zeiten — und zwar wohl besonders 
dann, wenn sich Israel, wie z. B. unter der Herrschaft der Ptole- 
mäer, äußerer Wohlfahrt zu erfreuen hatte — oder auch in ge- 
wissen Kreisen die Erwartung eines persönlichen Messias ganz 
zurücktrat, ergibt sich aus einigen Stellen, in denen (wie vielleicht 
auch Hab. 3 13) ausdrücklich d a s V o 1 k als „ der Gesalbte " Jahwes 
bezeichnet wird; so 28s. 84 10 (schwerlich aber 89 39. 52); 105 15 
heißen die Patriarchen die Gesalbten Jahwes. Dieser Sprach- 
gebrauch hätte nicht wohl Platz greifen können, wenn nicht der 
Gedanke an den „Gesalbten" im individuellen Sinne — wenigstens 
zu Zeiten! — fast ganz verblaßt gewesen wäre. 

Letztere Tatsache schließt aber keineswegs aus, daß die Er- 
wartung der messianischen Zeit stets äußerst lebendig und 
wirkungskräftig blieb. Sie ist Gegenstand der Sehnsucht (14 7) 
und der zuversichtlichsten Hoffnung. Mit dem Jubelruf „Jahwe 
ward König"! (47 9 f. 93 1 f. 97 1 ff. 99iff.) 2 ) versetzt sich der 

*) Jeder Zweifel darüber wäre beseitigt, wenn es mit dem von Mar- 
goliouth entdeckten Akrostich in Ps. 110 1 — 4 (# in 2tf, Ö» !?> 3, also jbötr) 
seine Richtigkeit hat. Simon wurde 141 v. Chr. durch Volksbeschluß 
erblicher Hoherpriester und Volksfürst. 

2 ) Vergl. zu dieser Deutung der betreffenden Psalmen BStade, Die 
messianische Hoffnung im Psalter, in „Zeitschrift für Theologie und 
Kirche" II (1892), 369 ff. 



368 Die Religion des Judentums. [§ 24 

Dichter in die Zeit, da Jahwe endlich die Königsherrschaft auf 
dem Zion angetreten hat, zum Gericht über die Feinde Israels 
schreitet und eine .Fülle geistlicher und leiblicher Segnungen 
über Israel ausgießt. 

Wie in der älteren Prophetie spielen auch in den Zukunftser- 
wartungen der Psalmisten die Heidenvölker eine hervorragende 
Bolle. Nur muß von vornherein anerkannt werden, daß diese Rolle 
fast durchweg den partikularistischen Voraussetzungen entspricht, 
denen wir bereits anderwärts in den Psalmen begegnet sind. Das 
messianische Gericht ist allerdings auch (wie für die älteren 
Propheten in erster Linie) ein Läuterungsgericht für Israel selbst, 
in dem die Gottlosen untergehen (1 5 ; auch 7 7 ff . und 94 1 ff. ist 
Israel wohl mit eingeschlossen). In der Regel aber gilt es den 
„Völkern des Erdkreises" (96 is. 98a) und unter ihnen natürlich 
vor allem den Bedrückern und Feinden Israels. Die Vollsreckung 
des Gerichts wird fast immer von Jahwe allein erwartet. Nur 
149 e ff. schwelgt der Dichter förmlich in dem Gedanken, daß die 
Frommen Israels mit eigener Hand das längst aufgezeichnete 
Gericht an den Heiden und ihren Königen vollziehen werden. 

Bei der Häufigkeit der Aussagen über die Stellung der 
Heiden zum messianischen Reich sollte man auch Aussprüche 
erwarten, die im Geiste des Deuterojesaja von einem Anteil der 
Heiden am Reiche Gottes wissen. Aber abgesehen von 22 28 ff., 
wo von einer Bekehrung der Heiden zu Jahwe die Rede ist, läßt 
sich ein zweifelloser Beleg für diese Erwartung nicht finden. 
Denn die überaus häufige Aufforderung der Heiden zum Lob- 
preis Jahwes (47 2. 661 ff. 67 s ff. 6833. 97 1. 98 4. 100 1. 117 1. 
138 4 f. 148 11) kann sehr wohl in dem Sinn verstanden werden, 
daß sie willig die überlegene Macht Jahwes anerkennen und da- 
mit die Notwendigkeit, sich seinem Dienst zu fügen. Desselben 
Sinnes sind wohl auch Stellen wie 86 9. 96 7 ff. 102 16. 23, und 
sicher 68 30 ff. 72 9 ff. Die Gaben, die von den Königen der Heiden 
»um Tempel gebracht werden, sind nichts anderes als der Tribut, 
mit dem sie dem höchsten Gott ihre Unterwerfung bezeugen» 
Nach alledem kann auch in diesem Punkte ein Herabsinken von 
der Höhe des Prophetismus in spezifisch jüdischen Partikularis- 
mus nicht bestritten werden. 

Zum Schluß bleibt uns noch die Beantwortung einer alten 
Streitfrage : finden sich im Psalter trotz dem oben über die Scheol 
Bemerkten Stellen, in denen der Hoffnung auf individuelle Un- 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits-Literatur. 369 

Sterblichkeit Ausdruck verliehen wird? Wir sehen hierbei 
ab von Stellen wie 31 e oder 49 ie, die bei richtiger Exegese (in 
Ps. 31 durch V. le!) von selbst außer Betracht fallen. Dagegen 
kann bei 16 10 f. ernstlich erwogen werden, ob hier wirklich nur 
von der Bewahrung vor einem plötzlichen Tode und nicht vielmehr 
vor dem Tode überhaupt, nämlich durch das Erleben der messi- 
anischen Zeit (vergl. zu dieser Erwartung von Jes. 25 8 oben 
S. 323), die Rede ist. Nicht minder kann bei 17 15 erwogen 
werden, ob hier nicht an ein Erwachen gleichfalls zum Miterleben 
der messianischen Zeit im Sinne von Jes. 26 19 zu denken ist. 
In diesem Falle hätten wir eine Parallele zu der Auferstehungs- 
hoffnung Dan. 12 2 (s. oben S. 326 f.) 1 ). Immerhin stehen jene 
beiden Psalmstellen so vereinzelt, und ihre Auslegung ist über- 
dies so zweifelhaft, daß wir uns schließlich mit einem non liquet 
begnügen müssen. 

§ 25. Die sogenannte Chochma- [Weisheits-]Literatur. 

(Sprüche, Hiob, Prediger.) 

Die älteste Spur von „Weisen" als einer besonderen Berufs- 
klasse findet sich Jer. 18 is, wo sie als die Inhaber des „Rats", 
d. h. der Fähigkeit, im gegebenen Falle den besten Ausweg zu 
wählen, den Priestern und Propheten an die Seite gestellt wer- 
den. Als eine besondere Klasse erscheinen sie häufig auch im 
Buch der Sprüche (Prov. 1 6. 13 w. 22 17 u. a. ; vergl. auch 

*) Vergl. hierzu die oben S. 312 und 324 l ) erwähnte Literatur; außerdem 
nochFScHMiDT, Der Unsterblichkeits- und Auferstehungsglaubein der Bibel. 
Brixen 1902. — Bei dieser Gelegenheit mag noch bemerkt sein, daß wir 
die» Einwirkung des Parsismus auf die Entstehung der jüdischen Auf- 
erstehungshoffnung nicht für bewiesen halten. Charles (s. den Titel 
oben in Anm. 2 zu S. 359) hält mazdäische Einflüsse in Dan. 12 2 für 
möglich, in Jes. 26 19 dagegen erblickt er ein Produkt echt jüdischen 
Geistes. Aber von Jes. 26 19 zu Dan. 12 2 ist die Brücke leicht geschlagen. 
Vergl. zu der Frage über parsistische Einflüsse noch : TKCheyne, „Possible 
Zoroastrian Influences on the Religion of Israel" in Expos. Times, Aug. 
1891. — EStave, Ueber den Einfluß des Parsismus auf das Judentum. 
Leipzig 1898; nach ihm stammen die diesseitigen Zukunftserwartungen 
aus dem Judentum, die jenseitigen, insbesondere die (dem nachkanoni- 
schen Zeitraum angehörende) Lehre von der allgemeinen Aufer- 
stehung, aus dem Parsismus. — EBöklen, Die Verwandtschaft der jüdisch- 
christlichen mit der parsischen Eschatologie. Gott. 1902 (eine fleißige 
Stoffsammlung ; der Verfasser selbst will vor allem Material geben, ver- 
fahrt aber in der Herbeiziehung parsistischer Parallelen zu alttestament- 
lichen Stellen vielfach allzu künstlich). 

E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 24 



370 Die Religion des Judentums. [§ 25. 

Eccl. 12 n) und zwar vor allem als Lehrer der Jugend (Prov. 14. 
2i. 3i. 4i.io etc.)* Dadurch ist nicht ausgeschlossen, daß sie zu- 
gleich (z. T. vielleicht ausschließlich) als Schriftsteller zu denken 
sind. Und da in der Periode, in die die Erzeugnisse der hokrnäh 
gehören, von einer Schriftstellerei außerhalb des Bodens der Ge- 
setzesreligion nicht die Rede sein kann, so dürften „die Weisen" 
in der Hauptsache mit den „Schriftgelehrten" zusammenfallen, 
nur daß sie mehr eine bestimmte Seite der Schriftgelehrsamkeit 
vertreten: nicht die Feststellung des Gesetzesbuchstabens und 
die Anweisung zu seiner genauen Beobachtung (etwa in den 
kultischen Angelegenheiten), sondern die Nutzanwendung von 
dem spezifisch sittlichen Inhalt des Gesetzes und der heiligen 
Schrift überhaupt, soweit eine solche schon vorhanden war, als 
der Offenbarung des Willens Gottes, der allein das menschliche 
Handeln bestimmen soll. Denn die „Weisheit* 4 *), deren unüber- 
trefflicher Wert in den Sprüchen in unermüdlicher Wiederho- 
lung angepriesen und zu deren Erwerbung um jeden Preis ebenso 
unermüdlich angefeuert wird, ist nicht die Frucht philosophischer 
oder religiöser Spekulation oder gar eine esoterische Geheim- 
lehre, sondern (wie schon Jer. 18 is ; s. o. S. 202) die Fähigkeit zur 
rechten Lebensführung, also kurzgesagt praktische Lebens- 
klugheit. Wer die Weisheit besitzt, vermag jede Lebenslage, 
in die er kommen kann, richtig zu beurteilen und je weilen den 
besten Weg zu ihrer Beherrschung einzuschlagen. Es ist also 
gleichsam die Kunst, über den Dingen zu stehen, die den Weisen 
vom Toren unterscheidet. Erwägt man nun, daß die politische 
Lage des Volkes unter heidnischen Herrschern und die zunehmende, 
z. T. wohlhabende und einflußreiche jüdische Diaspora in heidni- 
schen Ländern immer steigende Anforderungen an ein kluges 
Verhalten gegenüber den Fremden stellte, so begreift man, daß 
die Weisheitslehre hier und da Spuren eines gewissen Kosmo- 
politismus enthält, jedenfalls aber auch Anweisungen zu klugem 
Urteil und Verhalten gegenüber dem König und der heidnischen 

*) Vergl. an spezieller Literatur über die hokmäh: TKCheyne, Job 
and Solomon or the Wisdom of the Old Test. London 1887 (eine ein- 
gehende kritische, exegetische und biblisch-theologische Erörterung der 
Bücher Hiob, Prov., Eccl. und Sir.) — HZschokke, Der dogmatisch-ethi- 
sche Lehrgehalt der alttestamentl. Weisheitsbücher. Wien 1889. — WT 
Davidson, the Wisdom Literature of the Old Testament. London 1894. 
— KBknkenstein, Der Begriff der Chokhma in den Hagiographen des 
A. Testaments. Nordhausen 1895. 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits-Literatur. 371 

Obrigkeit. Die auf praktische Lebensklugheit ausgehende Art 
dieser Weisheit zeigt sich vor allem auch in der Mannigfaltigkeit 
ihrer Gesichtspunkte und Ziele. Es ist erstaunlich, welche Fülle 
von Fragen, die die kluge Lebensführung betreffen, in den Sprü- 
chen ins Auge gefaßt wird: Beruf, Erwerb, Handel und Wandel, 
Umgang mit Höheren und Niederen, überhaupt mit verschiedenen 
Menschenklassen, Verhalten zur Obrigkeit und zahlloses Andere. 
Wie weit neben dem durchaus vorwiegen den praktischen Interesse 
auch das spezifisch religiöse zu seinem Rechte kommt, wird bei 
der Besprechung der einzelnen Bücher zu untersuchen sein. 

1. Die Sprüche. 

Zur Literatur: MFbiedländbr, Griechische Philosophie im A. T. 
Eine Einleitung in die Psalmen- und Weisheitsliteratur. Berlin 1904. — 
MLöhb, Sozialismus uud Individualismus im A. T. Gießen 1906. (Bei- 
heft X zur ZatW.). — JMeinhold, Die Weisheit Israels in Spruch, Sage 
und Dichtung dargestellt. Lpzg. 1908. — GDibttbrich, Die theoretische 
Weisheit der Einleitung zum Buch der Sprüche, ihr spezifischer Inhalt 
und ihre Entstehung. St. u. Kr. 1908, 4. S. 475—512. — Vgl. auch S. 372 K 
Wie die Psalmen dürfen wir für unseren Zweck auch die 
„Sprüche" trotz der Mannigfaltigkeit und wohl auch dem zeit- 
lichen Auseinanderliegen ihrer Bestandteile 1 ) als eine literarische 
Einheit verwerten. Höchstens besteht zwischen dem Prolog (c. 1—9) 
und den eigentlichen Spruchsammlungen der Unterschied, daß 
sich in ersterem nicht nur zahlreiche zusammenhängende Aus- 
führungen, sondern auch — wenigstens in einem Punkte — An- 
sätze zu religiöser Spekulation finden, während uns in den 
„Sprüchen Salomos" und den weiteren Sammlungen fast durch- 
weg Einzelsprüche praktischen Inhalts in antithetischer Form (so 
gleich V. l—i? in c. 10), in buntester Mischung und nur selten in 

*) Als Grundstock der Sammlung wird c. 10 i — 22 16 durch die Ueber- 
schrift müle Mömöh ausgewiesen, die nachmals in 1 i auch dem Prolog 
vorangestellt wurde. Ob in 10 i ff. Ueberreste einer auf Salomo zurück- 
geführten Spruchsammlung (vergl. die Spur einer solchen 1 Kön. 5 12) 
vorhanden sind, entzieht sich vollständig unserer Beurteilung. Das jetzige 
Buch der Sprüche kann erst in nachexilischer Zeit zusammengestellt 
sein. Zu obigem Grundstock gesellten sich zwei Anhänge (22 17 — 24 22), 
die nicht auf Salomo zurückgeführt werden. Eine zweite Sammlung 
von „Sprüchen Salomos" bieten c. 25 1 — 29 27 mit drei Anhängen: den 
Worten Agurs (c. 30), den Worten des Königs Lemuel (c. 31 1 — 9) und 
dem alphabetischen Lobpreis der tugendhaften Hausfrau (31 10 — 31). Erst 
zuletzt (und zwar nicht vor der Mitte des 4. Jahrhunderts) dürfte dem 
Ganzen der Prolog vorangestellt worden sein. 

24* 



372 Die Religion des Judentums. [§ 25. 

zusammengehörigen Gruppen entgegentreten. Uebrigens hat man 
längst erkannt, daß die Zahl der Sprüche gering ist, die man als 
wirkliche, dem Volksmund geläufige „ Sprüchwörter tt betrachten 
könnte. Das meiste gibt sich nach Inhalt und Form als Kunst- 
poesie zu erkennen *). 

Der Ansatz zu religiöser Spekulation, auf den wir oben hin- 
wiesen, betrifft die Personifikation der Weisheit an mehreren 
Stellen des Prologs. Es fragt sich dabei, ob wir es hier mit rein 
dichterischer Redeweise oder mit einer Hypostasierung der Weis- 
heit, also der Kreierung eines Mittelwesens zwischen Gott und 
der Materie zu tun haben. Die Schilderungen 1 20 f. 8 1 ff. und 
9 1 ff. können ganz wohl als rein dichterische Personifikationen 
gefaßt werden, und dies um so mehr, als 9 18 ff. auch „Frau Tor- 
heit", bei der doch unmöglich an eine Hypostasierung gedacht 
werden kann, der Weisheit gegenübergestellt wird. Anders aber 
verhält es sich mit 8 22 ff. Die Weisheit, die Jahwe vorlängst 
als das erste seiner Werke schuf, von Ewigkeit her einsetzte, die 
dabei war, als er den Himmel herstellte, ihm als Werkmei- 
sterin zur Seite war, „ ganz Entzücken Tag für Tag, spielend 
vor ihm zu jeder Zeit, spielend auf seinem Erdenrund" — diese 
Weisheit ist nicht mehr bloße dichterische Personifikation, son- 
dern ein aus Gott hervorgetretenes, selbständig neben oder mit 
ihm wirkendes Wesen. Und zwar geht man wohl nicht fehl, 
wenn man in ihr eine Hypostasierung der schöpferischen Ideen 
erblickt, den zur selbstbewußten Person gewordenen Inbegriff 
der Urbilder, nach denen sich Art und Maß der geschaffenen 
Dinge richtet, also gleichsam das Grundprinzip der göttlichen 
Weltordnung. Wenn sich bei dieser Deutung unwillkürlich der 
Vergleich mit den „Ideen" Piatos aufdrängt, so ist doch eine 
andere Frage, ob wohl ein direkter Einfluß der platonischen 
Philosophie anzunehmen ist. Unbedingt nötig ist diese Annahme 
nicht. Dagegen ist wohl kaum zu bezweifeln, daß zwischen der 
Hypostasierung der Weisheit Prov. 822 ff. und der neutestament- 
lichen Logosidee (Joh. 1 1—3) ein ursächlicher Zusammenhang 
stattfindet ; doch ist die Verfolgung dieser Frage nicht dieses Orts. 



l ) Vergl. an spezieller Literatur zu den Proverbien: RPfeiffeb, 
Die religiös-sittliche Weltanschauung des Buches der Sprüche in ihrem 
inneren Zusammenhange dargestellt. München 1896. — OMeusel, Die 
Stellung der Sprüche Salomos in der israelitischen Literatur und Reli- 
gionsgeschichte. Leipzig 1900. 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits-Literatur. 373 

Eine beachtenswerte Bestätigung findet die oben vorge- 
tragene Deutung von Prov. 8 22 ff. durch Hi. 28 1 ff. Allerdings 
ist hier die Hypostasierung der Weisheit noch in ihren Anfängen 
begriffen und die Perikope daher sicher älter als Prov. 8 22 ff. 
Hiob redet lange (28 1— u. 21 f.) von der gänzlichen Unerreich- 
barkeit und (V. 15 ff.) von dem unvergleichlichen Wert der Weis- 
heit, bis er endlich (V. 23 ff.) den Aufschluß gibt: Gott kennt 
den Weg zu ihr und weiß ihren Fundort. Bei der Feststellung 
der Naturgesetze (V. 25 ff.) „sah er sie und machte sie kund, stellte 
sie hin und durchforschte sie 44 . Deutlich ist hier die Weisheit 
noch etwas anderes als die „Werkmeisterin 44 in Prov. 8, und zwar 
eher ein geheimnisvoller, Gott allein zugänglicher Talisman mit 
wunderbaren Kräften; aber ebenso deutlich ist auch, daß dieser 
mit den Schöpferwerken Gottes in Zusammenhang steht, also 
doch auch wieder auf einen Inbegriff von Mustern für die Einzel- 
schöpfungen hinauskommt. 

Was den sonstigen Inhalt der Sprüche betrifft, so ist 
ihre Anlehnung an die spezifisch religiösen Voraussetzungen 
ihres Zeitalters, wie sie vor allem durch die Lehre der Propheten 
geschaffen waren, obenan an deren Gottesbegriff, eine Tatsache, 
die keines Beweises bedarf. Eher kann gesagt werden, daß der 
spezifisch religiöse Hintergrund und Einschlag im Spruchbuch 
bisweilen im Hinblick auf den eudämonistischen, ja utilitaristi- 
schen Standpunkt desselben viel zu gering gewertet *worden 
ist. Allerdings ist ein oft geradezu befremdliches Hervor- 
treten der Rücksicht auf den äußeren Erfolg guter oder 
schlimmer Handlungen nicht zu leugnen. Man hat nicht selten 
den Eindruck, als werde vor Verfehlungen und selbst groben 
Sünden nicht deshalb gewarnt, weil man dadurch Gottes Gnade 
verscherzt, Schuld auf sich lädt und sein Gewissen beschwert, 
sondern weil man sich durch sein Tun allzuleicht Schande, Ge- 
fahr und Schaden zuziehen kann (vergl. u. a. 6 29 und 32 ff., sowie 
5 15 ff. 24 17 ff. und die Warnung vor dem Wein: 20 1. 21 17. 
23 20 f. und 29 ff.; von allgemeinen Aussprüchen : 3 9 f. 4 10. 22 4). 
In dieselbe Kategorie von Lebensregeln unter rein utilitaristi- 
schem Gesichtspunkt gehört die wiederholte, überaus dringliche 
Warnung vor der Uebernahme von Bürgschaften (6 1 ff. 17 18. 
20 16. 22 26 f.), sowie vor Faulheit (6 e ff. u. oft). 

Trotzdem wäre es ein ungerechtfertigtes Urteil, wenn man 
die Weisheit im Sinne der Sprüche nur als ein Mittel zur Er- 



374 JDie Religion des Judentums. [§ 25. 

reichung eudämonistischer Ziele — zu möglichster Bewahrung 
vor allem, was den ruhigen Lebensgenuß stören kann — betrach- 
ten wollte. Nicht wenige Aussprüche offenbaren uns doch ein 
weit intensiveres religiöses Leben. Abgesehen von 3 9 erstrecken 
sich die Mahnungen und Warnungen durchweg auf eigentliche 
Sittengebote, nicht auf kultische Pflichten ; wird doch 21 s (ganz 
im Geiste von Hos. 6 e etc.!) Gerechtigkeit für besser erklärt als 
Schlachtopfer. Die Warnung vor Ehebruch und Buhlerei (6 24 ff. 
7 i ff.) wird 6 28 im voraus durch den Hinweis auf das Gebot 
Gottes motiviert, ebenso sehr häufig die Mahnungen zu Gerechtig- 
keit, Redlichkeit und Barmherzigkeit (3 2? ff. 14 84 und ganz be- 
sonders 14 8i. 17 5. 19 17. 28 8). Aber wir können noch auf ganz 
andere Zeugnisse einer auf wahrhafte Frömmigkeit gegründeten 
sittlichen Gesinnung hinweisen. Die Furcht Jahwes, die nach 
1 7. 29. 9 10 der Weisheit Anfang (richtiger vielleicht: das Wich- 
tigste an der Weisheit), aber auch umgekehrt nach 2 1 ff. die 
Frucht der Weisheit ist, geht nicht auf in der knechtischen Furcht 
vor der Strafe Jahwes und dem Schaden, den sie bringt, sondern 
in der Erkenntnis, daß es der unbedingten Hingabe des Leibes 
und der Seele an ihn bedarf (18 10), der auch den verborgensten 
Grund der Herzen kennt (15 11. 17 3. 24 12), der alles, auch das 
Tun der Könige, nach seinem Willen lenkt (16 9. 33. 21 1. 31), auf 
dessen Segen alles ankommt (10 22). Der Weise kennt die Allge- 
meinheit des sündigen Verderbens (20 9) ; er versteht die heil- 
same Züchtigung Jahwes, die gerade den trifft, den er lieb hat 
(3 12), und weiß, daß nur ein reumütiges Bekenntnis aus Sünden- 
not zu befreien vermag (28 13). Er mißtraut der eigenen Klug- 
heit (3 0. 28 26) und befleißigt sich allezeit der Demut (16 19. 18 12) 
und Genügsamkeit (15 16 f. 16 8. 30 8 b ) als der besten Stützen 
der Gottesfurcht. Nehmen wir noch hinzu die Beurteilung des 
Weibes und der Ehe, die uns 12 4. 31 10 ff. (vor allem in dem 
herrlichen Spruch V. so) entgegentritt, die Ermahnung zur Barm- 
herzigkeit auch gegen das Vieh (12 10), die Warnung vor Selbst- 
hilfe und Rachgier (20 22. 24 29), die Mahnung zu einer Großmut 
gegen den Feind, die fast an Feindesliebe anstreift (25 21 f.), und 
endlich den Hinweis auf die Liebe, die alle Vergehungen zudeckt 
(10 12) — so werden wir nicht leugnen können, daß die Ethik 
der Sprüche doch zu einem guten Teil auf einer weit höheren 
Stufe steht, als jenes Schlagwort von ihrem Eudämonismus und 
Utilitarismus zugestehen will. 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits-Literatur. 375 

Hinsichtlich der Vergeltungslehre finden wir die Sprüche 
durchaus auf demselben Standpunkt, wie die Psahmsten (s. oben 
S. 364 ff.), nämlich auf dem Boden des Postulats, daß Tugend wie 
Gottlosigkeit auf Erden den genau entsprechenden Lohn finden 
müssen (22i f. IO25. 11 21.31. 13 9. 21 f. 14 11. 24 20 etc.). Nirgends 
zeigt sich eine Spur, daß die Spruchdichter in diesem Postulat 
eine Schwierigkeit gefunden hätten. Daß aber gerade dieses 
Problem die Pfleger der hoimäh tief und nachhaltig beschäftigt 
hat, davon zeugt das Buch, das zweifellos als die reifste Frucht 
dieser ganzen Richtung, wie überhaupt als eines der großartigsten 
Denkmäler der Religion Israels, ja der vorchristlichen Welt- 
literatur bezeichnet werden muß. 

2. Das Buch Hiob. 

Zur Literatur: EKönig, The problem of the Book of Job. 
Americ. Journal of Theol. VIII, S. 66—77. 1904. — Köbeele, Das Rätsel 
des Leidens. Eine Einführung in das Buch Hiob. (Bibl. Zeit- und Streit- 
fragen I, 1). Großlichterfelde 1905. — MLöhb, Seelenkämpfe und Glau- 
bensnöte vor 2000 Jahren. Tübingen 1906. (ReLgesch. Volksb. II, 14). 
— MKöppel, Jahwes Allmacht und Gerechtigkeit in den Reden Hiobs. 
ZatW. 1909, 3. S. 204-214. 

Von den kritischen Fragen, die sich an das Buch Hiob 
knüpfen, kommt hier für uns nur eine in Betracht, die 
Frage nach der Echtheit der Eeden Elihus (c. 32 — 37), die den 
Zusammenhang zwischen c. 31 und 38 in unbegreiflicher Weise 
unterbrechen und plötzlich einen Redner auf den Plan stellen, 
von dem weder der Prolog, noch der Epilog der Dichtung weiß. 
Warum wir seine Aussprüche für eine zweifellos spätere Zutat 
halten, wird unten kurz zu begründen sein. — Die jetzt (durch die 
Kommentare von Dühm und Büdde) fast herrschend gewordene 
Annahme, daß im Prolog und Epilog ein älteres Volksbuch vor- 
liege, in das der Verfasser des Hauptteils die Reden Hiobs, der 
Freunde und Jahwes hineingedichtet habe, vermag Schreiber 
dieses nicht zu teilen, sondern hält an der Abfassung auch des 
Prologs und Epilogs von derselben Hand (wenn auch, wie Hes. 
14 14. 20 fordert, in Anlehnung an eine allbekannte Ueberliefe- 
rung) fest 1 ). Was die Entstehungszeit anlangt, so wird man schon 
wegen der eigentümlichen, an das Buch Daniel erinnernden An- 

*) Vergl. hierzu KablKautzsch, Das sogenannte Volksbuch von 
Hiob und der Ursprung von fli. cap. 1. 2. 427—17. Tübingen 1900. [Vom 
Verfasser notiert. D. HJ 



376 Die Religion des Judentums. [§ 25. 

gelologie, aber auch aus Gründen der Sprache bis in die spätere 
nachexilische Zeit hinabgehen müssen. Daß der Gottesbegriff 
des Buches (insbesondere in betreff der Schöpfung und Regie- 
rung der Welt, c. 38 ff. und anderwärts) auf der höchsten Höhe 
alttestamentlicher Anschauung steht, bedarf keiner Belege. 
Ueber die vereinzelten mythologischen Anspielungen (3 8 an den 
Livjatban, 9 is an Rahabs Helfer, 26 12 an Rahab, 29 1 8 an den 
Phönix) ist genau so zu urteilen, wie über die in den Psalmen. 
Und was die Ethik anlangt, so haben Perikopen wie 29 12 ff. und 
vor allem 31 1 ff. mit ihrer wahrhaft evangelischen Auffassung 
der Sittlichkeit kaum ihresgleichen im A. Testament. 

In betreff der Angelologie liegt ein Neues weniger in der 
Rolle des Satan (1 e ff. 2 1 ff.), als in sonstigen Aussagen vor. 
Der Satan unterscheidet sich von dem bei Sacharja (vgl. dazu 
oben S. 310) höchstens dadurch, daß er zwar noch nicht Verleum- 
der, wohl aber bereits Verdächtiger des Frommen ist. Noch ge- 
hört er zu den b'nö f(B löhim 9 die Jahwe dienend umgeben (le. 2i ; 
38 7 werden sie neben den personifiziert zu denkenden Morgen- 
sternen genannt) und ist schlechthin an Gottes Willen gebunden. 
Aber ein hämischer Zug, eine Freude am Fall des Frommen, ist 
bei ihm unverkennbar. Insofern liegt hier eine Weiterentwicke- 
lung gegenüber Sach. 3 1 vor. Zu einem dualistisch-gottfeind- 
lichen Wesen ist Satan (nun als Eigenname) erst 1 Chr. 21 1, 
einer lehrreichen Parallele zu 2 Sam. 24 1, geworden. Die weitere, 
im N. T. vorausgesetzte Ausbildung der Idee gehört dem Bereich 
der Apokryphen an (vgl. besonders Sap. 2 24 f.). 

Eigentümlich ist dem Buche Hiob die Idee fürbittender 
Engel (5 1. 33 23), sowie die von Todesengeln 33 22). Daß die Be- 
zeichnung der Engel als „Heilige" (15 15) so wenig wie ander- 
wärts ihre sittliche Vollkommenheit betonen will, geht gerade 
aus dieser Stelle deutlich hervor, da sie (wie 4 is) die Engel als 
dem Irrtum und der Sünde unterworfen hinstellt. 

Gegenüber den immer erneuerten Versuchen, aus 19 25 ff. eine 
plötzlich aufflackernde Hoffnung auf Aufer stehung oder Un- 
sterblichkeit herauszulesen, ist immer wieder hervorzuheben: 
die Anschauung Hiobs in betreff der Scheol, der trostlosen 
Finsternis in ihr, der gänzlichen Abgeschnittenheit ihrer Be- 
wohner von der Oberwelt und der Unmöglichkeit einer Rückkehr, 
aus ihr (7 9 f. 10 21 f. 14 10 ff. 20 f. 16 22. 21 26. 30 23) ist durch die 
ganze Dichtung hindurch die gleiche. Mit ihr würde aber eine 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits-Literatur. 377 

Unsterblichkeitshoffnung in unlösbarem Widerspruch stehen. 
Die Erwartung Hiobs 19 25 ff. ist somit eine diesseitige, und dies 
wird durch die deutliche Zurückbeziehung von 42 s auf 1927 aus- 
drücklich bestätigt. 

Das Problem, dessen Lösung die großartige Dichtung ge- 
widmet ist, lautet: Wie verträgt sich das Leiden, und zwar das 
schwere, hoffnungslose Leiden, eines notorisch Frommen mit der 
Gerechtigkeit Gottes? Und umgekehrt: wie reimt es sich mit 
der Gerechtigkeit Gottes, daß sich notorisch Gottlose bis an ihr 
Ende eines gänzlich ungetrübten Glücks erfreuen? Diese Fragen 
wurden brennend, als man gelernt hatte, Wohl und Wehe des 
Individuums von dem des Yolksganzen abzulösen und die wirk- 
lichen Tatsachen in den Einzelleben ins Auge zu fassen. 

Der Dichter führt uns im Prolog das Problem in Gestalt 
geschichtlicher Fakta vor. Hiob hat das Zeugnis exemplarischer 
Frömmigkeit von Gott selbst (1 8. 2 3). Trotzdem ist er grenzen- 
los unglücklich geworden. Warum? erfährt der Leser aus dem 
Prolog. Die Peinigung Hiobs beruht auf einer Zulassung Jah- 
wes gegenüber dem Satan, die den Beweis liefern soll, daß es 
eine Frömmigkeit gibt, die durch keine Anfechtung zum Wan- 
ken gebracht wird. Das Leiden Hiobs ist somit in keiner Weise 
ein Ausfluß des Zorns, sondern im Gegenteil der Liebe Gottes, ein 
Zeugnisleiden zur Ehre Gottes, ein Beweis menschlicher Treue 
gegen Gott. Daß der Leser darüber von Anfang an genau unterrich- 
tet wird und so von hoher Warte aus dem Streit beruhigt zuschauen 
kann, gehört zu den großartigsten Kunstgriffen des Dichters. 
Die Mithandelnden aber wissen von dieser Lösung des Problems 
nichts und tappen daher im Dunkeln. Sie führen den Streit als 
solche, die nur über menschliches Urteil und Wissen verfügen. 

Hiob hält dem wiederholten Ansturm des Verderbens trotz 
der schweren Versuchung durch das eigne Weib mit heroischer 
Ergebung Stand. Aber der stumme Vorwurf, der in dem Schwei- 
gen seiner Freunde auf ihn eindringt, samt der fürchterlichen, 
schmerzvollen und hoffnungslosen Krankheit bricht endlich sei- 
nen Glaubensmut. Mit dem Monolog (c. 3), in dem er den Tag 
seiner Geburt verflucht, eröffnet er den dreifachen Zyklus von 
Reden und Gegenreden, durch die sich das Problem, anstatt der 
Lösung näher geführt zu werden, eher immer verwirrter gestaltet. 
Der Standpunkt der Freunde ist der der alten Vergeltungslehre 
— jener falschen Umkehrung des Ex. 20 5 f. aufgestellten Sat- 



378 Die Religion des Judentums. [§ 25. 

zes, daß Gottesfurcht Segen, die Sünde aber Verderben bringt. 
Die Freunde leugnen, daß überhaupt ein Problem existiere: alles 
Leiden ist Strafe, ungeheures Leiden ist die Strafe für unge- 
heure, ganz besonders auch heimliche Schuld. Das Glück der 
Frevler aber ist immer nur scheinbar, zu plötzlichem Zusammen- 
bruch bestimmt. 

Hiob stellt seinen Anteil an der von den Freunden (4i7. 15u) 
behaupteten allgemeinen menschlichen Sündhaftigkeit durchaus 
nicht in Abrede (144. 194). Aber er bestreitet auf das heftigste 
solche Schuld, aus der sich sein Schicksal auch nur von weitem 
erklären lasse. Dagegen weist er unermüdlich auf die Tatsachen 
des wirklichen Lebens hin (vgl. besonders 21 7 ff. und 24 1 ff.), die 
schweren Rätsel, die das hoffnungslose Leiden der Frommen und 
das ungetrübte Glück der Gottlosen aufgibt. Wohl führt ihn dies 
nicht zu einem Zweifel an der Allmacht Gottes (9 & ff. 12 is ff. 
26 5 ff. 26 14) ; aber er vermag von ihr nur die unberechenbaren, 
zerstörenden Wirkungen zu erkennen. Die zu seiner Zeit offen- 
bar sehr beliebte Ausflucht, daß Gott die Strafe der Frevler für 
deren Kinder aufspare, weist er (21 19 ff.) mit berechtigter Ent- 
rüstung zurück. Denn diese Theorie war in der Tat nichts als 
eine Verlegenheitsausflucht, eine Aufhebung des sonst so eifrig 
verfochtenen Prinzips der landläufigen Vergeltungslehre, daß 
ein jeder empfange, was er verdient habe. 

Ueber den Zweifel an Gottes Gerechtigkeit (vgl. besonders 
922 ff.) siegt jedoch allmählich sein besserer Glaube. Er beginnt 
zu unterscheiden zwischen dem weisen und gerechten Gott, dessen 
Bild unauslöschlich in seinem Herzen fortlebt, und dem rätsel- 
haften Gott der Anfechtung, und ruft den ersteren gegen den 
letzteren um Hilfe an (16 18 ff.). Ja, er hat die felsenfeste Gewiß- 
heit, daß Gott selbst sich zuletzt noch für ihn erheben und seine 
Unschuld an den Tag bringen werde (19 20 ff.). Aber wenn er 
mit alledem auch allmählich den Widerspruch der Freunde ver- 
stummen macht: er selbst gelangt doch gegenüber den vorliegen- 
den Rätseln nur zu einem schmerzlichen Verzicht auf ihre Lö- 
sung. Die ergreifende Schilderung seines einstigen Glückes (c.29), 
seines jetzigen Elends (c. 30) und seines frommen Wandels (c. 31) 
schließt er 31 30 ff. mit der feierlichen Aufforderung an Gott, 
ihm zur Vertretung seiner Sache in ordentlichem Rechtsstreit 
Gelegenheit zu geben. 

In der Tat — Jahwe erscheint (38 1 ff.). Aber nicht, wie 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits-Literatur. 379 

Hiob verlangt und erhofft hat, um sich in einen Streit mit ihm 
einzulassen — solches wäre seiner ganz unwürdig — , sondern 
um ihm im "Wettersturm mit vernichtender Ironie das Törichte 
und Kindische seines Verlangens zu Gemüte zu führen. Und die 
ganze Anlage der Dichtung läßt keinen Zweifel darüber: nur in 
diesen Reden Jahwes (c. 38—41) mit ihrer göttlichen Ironie und 
nirgends anders ist die vom Dichter selbst beabsichtigte Lösung 
des Problems zu suchen. Sie lautet in denkbarster Einfachheit: 
der Gott, der in den vielgestaltigen Wundern der Schöpfung seine 
grundlose Allmacht und Weisheit, in der liebevollen Fürsorge für 
die Tierwelt (38 39 ff. 39 i ff.) seine Güte bekundet hat, waltet auch 
über den Geschicken der Menschen, und auch hier kann all sein 
Tun nur aus Weisheit und Liebe fließen, mag nun dem Menschen 
viel oder wenig davon verständlich sein. 

Man hat gesagt : das ist nicht eine Lösung des Problems, 
sondern ein notgedrungener Verzicht auf eine Lösung. Hiob selbst 
aber sieht es in seinen beiden Antworten (40 4 f. 42 s ff.) ganz 
anders an. Er demütigt sich auf dastiefste, aber nicht in schmerz- 
licher Resignation, sondern in der erhebenden Erkenntnis, daß 
sich sein Gott zu ihm bekannt, daß er alle seine Schickungen als 
Zeugnisse eines allweisen Liebeswillens zu betrachten habe. Mag 
dann die Rechtfertigung Hiobs gegenüber den Freunden im Epi- 
log und die Wiederkehr seines Glücksstandes nur einer Forde- 
rung der sogenannten „poetischen Gerechtigkeit" entsprechen, 
so waren sie doch als eine harmonische Lösung alles Zwiepalts 
für den Leser, der im Prolog den innersten Zusammenhang der 
Ereignisse verstehen gelernt hatte, nicht zu entbehren. 

Mit alledem ist aber den Elihureden von selbst das Urteil 
gesprochen. Sie sind die Zutat eines Lesers, der sich nicht dar- 
ein zu finden vermochte, daß die z. T. bedenklichen, ja fast 
blasphemischen Reden Hiobs im Gedichte nicht eine stärkere 
Zurückweisung erfahren hatten. Diesem Mangel sucht der Ver- 
fasser der Elihureden dadurch abzuhelfen, daß er das Leiden 
Hiobs für ein Läuterungsleiden, zur Ausschmelzung derihm 
anhaftenden Sünden des Hochmuts und der Selbstgerechtigkeit, 
erklärt. An sich sind manche seiner Gedanken schön und gut. 
Aber als vermeintliche Lösung des Problems stehen sie mit den 
Voraussetzungen des ursprünglichen Gedichts in unauflöslichem 
Widerspruch. 



380 Die Religion des Judentums. [§ 25. 



3. Der Prediger. 

Zur Literatur: PHaupt, Kohelet oder Weltschmerz in der Bibel. 
Ein Lieblingsbuch Friedrichs des Großen. Verdeutscht und erklärt. 
Leipzig 1904. — ARosenzweig, Qohelets Welt- und Lebensanschauung. 
Berlin 1904. — VZapletal, Das Buch „ Kohelet." Kritisch u. metrisch 
untersucht, übersetzt u. erkL Freiburg 1905. — ESellin, Die Spuren 
griechischer Philosophie im A. Test. Leipzig 1905. — VZapletal, Die 
yermeintlichen Einflüsse der griechischen Philosophie im Buche Kohelet. 
Bibl. Zeitschr. III (1905), 2. — AGerson, Der Chacham Kohelet als 
Philosoph und Politiker. Frankfurt a. M. 1905. — PHaupt, Die relig. 
Anschauungen des Buches Kohelet. Verhandlungen des II. internat. Kon- 
gresses für allgem. Rel. Gesch. in Basel 1904: Basel 1905. — VZapletal, 
Ueber den Unsterblichkeitsglauben Kohelets. Verhandlungen des IL 
internat. Kongresses für allgem. Rel. Gesch. in Basel 1904: Basel 1905. 
— GSalkinowitz, Pessimistische Strömungen im Judentum (bis zum 
Abschluß des Talmud). Berlin 1907. — PKleinert, Zur religions- und 
kulturgesch. Stellung des Buches Kohelet. St. u. Kr. 1909, 4. S. 493—529. 

Nicht ohne Zögern reihen wir den Erzeugnissen der hoimäh- 
Literatur schließlich auch den „ Prediger" an; denn er kann nur 
sehr bedingter Weise in einer Reihe mit den Sprüchen und Hiob 
behandelt werden. Mindestens die ursprünglichen ^Bestandteile 
des Buches stehen auf der äußersten Peripherie alttestamentlichen 
Glaubens, und von einer Zukunftserwartung — sei es des Volkes 



*) Die ganz auffälligen Widersprüche in den Ausführungen des Pre- 
digers (man vergleiche nur 7 u f. 19 8 i 9 n f. 10 12 mit den sonstigen 
Aeußerungen über den Wert der Weisheit 1 12 ff. 18 6 8 ff. 7 23 ; oder 
auch 5 7—19 7 1 ff. mit den Urteilen über die im Weltlauf herrschende 
Ungerechtigkeit 3 16 4 1 ff., sowie 8 10. m über den Wert der Frömmigkeit 
mit V. 11 ff.) sind längst bemerkt und bald auf mechanischem Wege 
(durch die Annahme eines Dialogs zwischen dem zweifelnden Schüler 
und dem zurechtweisenden Meister, oder auch durch die Hypothese einer 
Blätterverschiebung), bald aus dem Wesen eines haltlos hin und her 
schwankenden Zweifels erklärt worden. Schreiber dieses ist jedoch jetzt 
überzeugt, daß CSiegfkied (im Kommentar über den Prediger. Göt- 
tingen 1898) auf dem rechten Wege war, wenn er mehrere aufeinander- 
folgende Hände annahm, die von sehr verschiedenem Standpunkt aus 
die Urteile ihrer Vorgänger zu ergänzen, zu berichtigen, ja nicht selten 
ausdrücklich zu widerlegen bemüht waren. Mag Siegfried bei seiner 
Analyse z. T. unnötig künstlich verfahren sein, wenn er auf den von 
griechischer Philosophie angekränkelten Pessimisten (Qoheleth 1 ) einen 
epikuräischen Glossator aus sadduzäischen Kreisen (Q 2 ) folgen läßt, so- 
dann einen „ Weisen" (Q 3 ), der für die Weisheit, und einen „Frommen* 
(käsid, Q 4 ), der für die Gerechtigkeit der göttlichen Weltregierung ein- 
tritt, samt zwei weiteren Glossatoren, — in der Hauptsache wird sich 
seine Hypothese doch als stichhaltig erweisen. 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits-Literatur. 381 

oder des einzelnen Individuums — ist in ihnen keine Spur zu 
finden. Es ist eine düstere, durchaus pessimistische Stimmung, 
von der sich der Prediger beherrscht zeigt. Die Geschichte seines 
Volkes erscheint ihm offenbar wie ein ausgebrannter Krater. Er 
kommt mit keinem Wort auf sie zurück, nur die trostlosen Zu- 
stände der Gegenwart beschäftigen ihn und der Ausblick auf das 
für alle gleiche, trostlose Ende. Das Thema, das er an die Spitze 
gestellt hat: „O Eitelkeit der Eitelkeiten! — alles ist eitel!" 
kehrt auch im weiteren Verlauf seiner Ausführungen immer 
wieder. Ueberall zeigt sich ein ruheloser Kreislauf, durch den 
doch nichts Ersprießliches zustande kommt (1 4 ff.); es geschieht 
nichts Neues unter der Sonne (1 9 f.) Eitel ist das Trachten nach 
Besitz und Genuß auch da, wo beides auf eifrigem Schaffen be- 
ruht (2 i ff.). Eitel ist aber auch das Trachten nach Weisheit 
(1 12 ff. 6 8 ff. 7 2s), denn „mit der Erkenntnis häuft man nur den 
Schmerz" (1 is). Weise und Toren haben schließlich ganz das 
gleiche Schicksal (2 u ff. 9 2 f.). Ja, eitel ist sogar das Trachten 
nach Frömmigkeit (4 n. 7 15. 8 10. u) ; sie ändert nichts daran, daß 
Mensch und Vieh zuletzt hingehen an einen Ort (3 19 ff.), in die 
freudlose Scheol, zu ewigem Vergessensein. Ganz vergeblich 
hat man dem Prediger mittelst falscher Exegese eine Unsterblich- 
keitshoffnung anzudichten gesucht. Stellen wie 3 20. 9 4 ff. 10 b 
(„weder Tun noch Berechnung, noch Erkenntnis noch Weisheit 
gibts in der Scheol, wohin du gehen wirst") lassen über seine 
wahre Meinung keinen Zweifel. Auch 3 21 ist der Sinn der 
Zweifelsfrage *) nicht, ob der Geist des Menschen als unsterb- 
licher zu Gott zurückkehre, sondern ob wenigstens insofern ein 
Unterschied zwischen dem Odem des Menschen und des Tieres 
sei, als der letztere vielleicht hinab zur Erde, der erstere aber 
aufwärts steige, — nicht etwa als selbstbewußter Geist, sondern 
(ganz wie 12 7) wiederum aufgehend in den allgemeinen göttlichen 
Lebensgeist, von dem er dereinst ausgegangen war. Die Erwar- 
tung eines jenseitigen Gerichts kann höchstens in dem Schluß- 
wort (12 13 f.) gefunden werden: „Fürchte Gott und halte seine 
Gebote ! denn das gehört allen Menschen zu. Denn alles Tun 
wird Gott ins Gericht bringen, das über alles Verborgene ergeht, 
es sei gut oder böse!" Aber dieser Epilog (von V. 9 ab) gehört 

*) Nach dem berichtigten Text QictÖläh und h a jör<ßd<zt; der MT ist 
dogmatische Korrektur und zwar wohl im Sinn einer Unsterblichkeits- 
hoffnung). 



382 Die Religion des Judentums. [§ 25. 

sicher nicht zum Werk des ursprünglichen Verfassers. Dieser 
kennt für den Widersinn und die Ungerechtigkeit, die sich allent- 
halben im Weltlauf kund gibt (3 ie. 4 i ff.), keinen anderen Trost 
als die Möglichkeit, dem in jeder Hinsicht traurigen irdischen 
Dasein allenfalls noch durch einen vernünftigen Lebensgenuß 
die relativ beste Seite abzugewinnen. Dazu rät er unermüdlich 
(2 24. 3 12 f. 22. 5 17. 8i». 97 ff. lh) — nicht im Sinne eines gemeinen 
Epikuräismus, aber doch vom Standpunkt eines Mannes, der mit 
seinem Urteil über den Wert aller sonstigen Güter und Ziele 
auf Erden abgeschlossen hat. 

Vor gemeinem, gottlosem Epikuräismus bewahrte ihn der 
Umstand, daß auch ihm von den Glaubensschätzen seines Volkes 
wenigstens ein bedeutsamer Ueberrest geblieben war, nämlich 
der Kern des alttestamentlichen Gottesbegriffs. Alle seine Skep- 
sis und all' sein Pessimismus hat seinem Glauben an einen per- 
sönlichen Gott, der zugleich der Gott der ganzen Welt ist 1 ), 
keinen Abbruch getan. Auch die Weisheit und Gerechtigkeit 
dieses Gottes bezweifelt er eigentlich nicht: „Alles hat er schön 
gemacht zu seiner Zeit . . nur daß der Mensch das Werk, das 
Gott tut, nicht von Anfang bis zu Ende erfassen kann" (3 11. u. 
817). Das ist der Schmerz des Predigers, daß dem Menschen 
ein tröstlicher Einblick in die Rätsel des Weltlaufs, für die es 
doch um der Weisheit und Gerechtigkeit Gottes willen eine Lösung 
geben muß, für immer versagt bleibt. 

Man kann es wohl begreifen, daß die Aufnahme des Pre- 
digers in den Kanon noch im ersten Jahrhundert nach Christo 
schweren Bedenken unterlegen hat. Jedenfalls aber müssen wir 
es den Redaktoren des Kanon Dank wissen, daß sie (vielleicht 
wegen des versöhnlichen Epilogs) jene Bedenken unterdrückt ha- 
ben. So haben sie uns ein unschätzbares Zeugnis dafür überliefert, 
daß die aus Israel im Irrtum sind, wenn sie noch heute in den 
Offenbarungen und Institutionen des alten Bundes das letzte 
Wort Gottes an die Menschheit gesprochen glauben. Nach der 

J ) Für diesen Glauben spricht schon die konsequente Ersetzung des 
Gottesnamens Jahwe durch das Appellativum 9ce löhim (wie fast überall 
im 2. und 3. Buch der Psalmen, sehr häufig in der Chronik und über- 
haupt im spätesten Schrifttum). Allerdings hat dabei auch die Scheu 
vor dem Gebrauch des heiligsten Namens mitgewirkt. Andrerseits aber 
liegt in dieser völligen Gleichsetzung von Jahwe und Elohim doch auch 
ein Beweis dafür, daß für den Glauben Israels die absolute Einzigkeit 
Jahwes endgültig entschieden ist. 



§ 25.] Die sogenannte Weisheits- Literatur. 383 

Erkenntnis der Unzulänglichkeit aller Gesetzeswerke und dem 
Verzicht auf die Stichhaltigkeit eigener Weisheit hätte der Pre- 
diger nur in dem Glauben an einen jenseitigen Ausgleich Trost 
und Halt finden können. Aber von diesem Glauben wußte die 
Religion seines Volkes für den Einzelnen nichts, und der Verweis 
auf die messianische Zukunft des Gesamtvolkes erschien ihm 
offenbar als ein allzu zweifelhafter Ersatz. Mit alledem beweist 
er, daß diese Religion einer Ergänzung und Vollendung bedurfte, 
wie sie erst, als die Zeit erfüllt war, gebracht worden ist durch 
Christus, des Gesetzes Ende. 



384 



Namen- und Sachregister. 



Aaron 40. 42. 67. 99. 

335 *). 340 f. 352. 
Abendbrandopfer 325. 

349. 
Aberglaube 124. 
Abgaben an Gott 333. 

335. 342 f. 
Abgötterei 96. 235. 
Abhängigkeit des Volkes 

von Gott 350. 
Abjathar 117 f. 120. 
Abib 159. 

Abimelech 165 f. 174 
abir jisrael 227 *). 
Abner 163. 
Abraham 17. 163 ff. 309. 

331 f.; sein Grab 11. 
Absalom 163. 
Achans Diebstahl 25. 
Ackerbau (kultische Be- 
deutung) 106. 108. 

149. 
Adam 330. 
Adams Schuld 172. 
adonaj 43 x ). 
Adonja 120. 132. 
Adorationsopfer 348. 
Aegypter 1. 35. 208. 215. 

220. 291. 314. 317. 
Aethiopier 208. 
Agag 78. 128. 
Agrarische Feste 337. 
Ahab 28. 112. 134 ff. 140. 

142. 227. 
Ahas 22. 132. 199. 228. 

239. 250. 275. 278. 
Ahasja 112. 121 *). 
Ahia von Süo 133. 153. 

208. 



Ahimelech 117. 120. 

Ahitub 117. 

Ahnenbilder 98. 

Ahnenkult 6. 8 ff. 37. 

Ai 123. 

Akkommodation d ergött- 
lichen Weisheit an das 
Verständnis des Vol- 
kes 176. 

Aüerheiligstes 56. 335. 
343.347. 

Allgegenwart Gottes 182. 
215. 228 f. 358. 

Allmacht Gottes 89. 111. 
164. 185. 187. 201. 213. 
219. 227 f. 285. 299 f. 
309. 329. 358. 363. 
378 f. 

Allweisheit Gottes 309. 

Allwissenheit Gottes 103. 
182. 228 f. 368. 

almah 264. 

Altar 26. 110. 156 ff. 233. 
238. 334. 343. 352. 

Altarweihe 294. 

aluqah 19. 

Amalekiter 62. 

Amazja 275. 

Ammoniter 35. 291. 314. 

Amnon 163. 

Amon 275. 

Amoriter 287. 

Arnos 65. 68. 192 f. 196 *). 
197. 201. 204. 212. 216. 
252; Liter.: 188; seine 
Stellung zumOpf er 234. 

Amram 40. * ' 

Amtsübergabe 344 *). 

Anath 17. 



Anblick Gottes tödlich 
29. 

Angelas interpres 196. 
206. 

Angelologie in HL u. 
Dan. 375 f. 

Angesicht Gottes 74 87 1 
94. 96. 216 *). 

Animalische Nahrung 
331. 

Animismus 7 ff. 37. 

Anthropologie 168 ff. 
(Lit.:) 170 *). 359 f. 

Anthropomorphismen 50. 
213. 330. 

Anthropopathismen 215. 

Anthropozentrische Welt- 
anschauung 184 

Antiochus IV. 324 ff. 
363. 

Antlitz Baals 87 x ). 

Apokalyptik266t322ff. 

Araber 3 *). 35. 

Aram 136 f. 165. 220. 

Arbeit am Sabbath ver- 
boten 337. 

ariel 214 277. 

Arme 167 f. 240. 250. 311. 
336.364 

Armenzehnte 234. 

Artaxerxes I. 308. 

Asa 160. 

Asaph 129 *). 

asarah (Festversamm- 
lung) 162 l ). 

Asasel 20. 347. 

ascham 157 *). 346. 

Asche (bei Trauer) 9. 

Ascher 17. 



Namen- und Sachregister. 



385 



Ascherah 17. 20. 27 f. 

112 *). 155. 217. 276. 

279. 
Assur 208. 219. 240. 258. 

273. 278. 292. 317. 
Astarte 20. 
Astralmythen 17. 39. 
Asyle für Totschläger 36. 
Atem, Sitz des Lebens 

169. 
Athalja 112. 114 121. 

275. 
Auferstehung 246. 323. 

326 f. 359 1) 369. 376; 

Liter. : 312. 
Ausgleich im Jenseits 

366.383. 
Ausländer 351 *). 
Auszug aus Aegypten 31. 

62. 159. 232. 301. 337. 
Aussatz 38. 139. 241. 

Baal 87 *). 105 ff. 135. 
142. 146; B. berith 
110; b. in Eigennamen 
17 f. 109; tyrischer B. 
113. 122; B. Hermon 
110; B. Peor 110; B. 
sebub 110. 

Baal-Altäre 28. 

Baaljah 109. 

Baalsbilder 216. 

Baalsdienst 74. 105 ff. 
135. 227. 247. 

Baalspropheten 112. 135. 

Baalstempel in Jerusalem 
114. 

Babel 300. 302 ^ 307. 
309. 314. 318. 

Babel und Bibel 45 '). 

Babylonisches in der Pa- 
radiesesgeschichte 176; 
im Scheolglauben 178; 
in der Sintflutsage 
185; im bibl. Schöp- 
fungsbericht 185 ff. 
329; im Gesetz: 360. 

Baitylien 53. 

Bamoth 155 f. 

Bann (cherem) 23 ff. 
78. 123. 

Barfußgehen der Prophe- 
ten 208; in Trauer 9. 
29. 



Barmherzigkeit 167. 239. 

374; B. Gottes 64. 221. 

229 f. 359. 
Baruch 207. 
Basa 133. 
Basar 173. 
Bathseba 162. 
Baum der Erkenntnis 

168; B. des Lebens 

168. 
Bäume, heilige 13 ff. 27 f. 

37. 77. 110. 
Beeljada 17 f. 109. 
Beerseba 16. 110. 
Begräbnis 179. 
Begräbnisstätten 332. 
Behemoth 186 f. 
Beisassen 339. 351. 
Bekehrung 202. 286. 
Bene elohim 100. 299. 

357. 376. 
Bene nebiim 100. 141. 
Benhadad 138. 
Benjamin 25. 
Berggott 155. 
Berg Jahwes 317. 
Berith 23. 51 1 ). 59 ff. 

230. 331 f. 350. 
Berührung des Heiligen 

gefährlich 29. 
Berufung zum Propheten 

193 ff. 202. 204. 
Beschneidung 3. 34 f. 

239. 331 f. ; B. der Her- 
zen 312. 352. 
Beseelung der Menschen 

und Tiere 170 ff. 
Besessenheit 131. 143. 
Besprengen mit Blut 21. 

60. 
Bestattung 179 a ). 
Bestimmung des Men- 
schen 176 f. 
Beth-Cherem 150. 
Bethel 14. 27. 84. 98. 100. 

110. 141. 151. 248. 
Beth elohim 155. 
Bethlehem 267. 
Bethschemesch 53. 224. 
Bilder der Gottheit (in 

vormos. Zeit) 28; B. 

Jahwes 60. 71. 
Bilderdienst 220. 233. 

275. 300. 309. 



E. Kautzsch, Biblische Theologie d. A. T. 



Bildersprache des A. T. 

354. 
Bilderverbot 71. 95. 215. 
Büeam 85. 123 ff. 
Bittopfer 26. 158. 
Blitz und Donner 46; 

Blitze in Seraphim 

verkörpert 102. 
Blut als Sitz des Lebens 

169. 345; Verwendung 

bei Bundschlüssen 

59 8 )f.;beimOpfer21ff. 

56. 157. 343 f.; beim 

Passah 33. 
Blutgenuß 21 f. 167. 169. 

331. 
Blutrache 35 f. 38. 63. 

240. 341. 
Blutschande 163. 288. 
Blutsprengung 343. 346. 
Blutsverwandtschaft 

zwischen Gott und 

Volk 63 f. 
Bocksgestalten 19. 
Boscheth (in Eigennamen 

st. Baal) 18. 109 *). 
Boten Gottes 88. 310. 

357. 
Brachliegen des Landes 

336 f. 
Brandopfer 21. 23. 26 *). 

30 *). 157 f. 236 f. 343 f. 

348 ff. 
Brandopferaltar 233 x ). 

307. 343. 
Brot, heiliges 162. 222 f.; 

ungesäuertes 33. 169. 

337. 
Buhlerei 374. 
Bund Gottes mit Noah 

331; mit Abraham 2. 

23. 331; mit Mose und 

dem Volk 21. 46. 59 ff. 

230. 332; „neuer B." 

(bei Jeremiau. a.) 270f. 

283. 289. 302. 304 f. 
Bundesblut 21. 
Bundesbuch 119. 158 f. 

167. 333. 336. 
Bundesgesetz 60. 
Bundesgnade 347 x ). 
Bundeslade 51 *). 
Bundesopfer 60. 67 f. 
Bundeszeichen 34 f. 331 f. 

25 



386 



Namen- und Sachregister. 



Bürgschaften 373. 
Buße 202. 237. 246.286. 

319. 346. 
Bußpredigt, prophetische 

201. 212. 221. 229. 

251 f. 260. 
Bußpsalmen 353 f. 

Chammath 150. 
Chaos 185. 329. 
Chason (Gesicht) 202. 
Chattath 157 l ). 346. 
Cherem (Bann) 23 ff. 
Chochmah-Literatur 369 

ff. 
Choseh (Seher) 124 ff. 

192. 
Creatio ex nihilo 329. 

Dämonen 7. 19 f. 29 ff. 

33 f. 36 f. 77 ff. 107 *). 

123. 344 f. 347. 
Dagon 63. 
Dan 98. 116. 
Daniel 288. 310. 312. 324. 

340 •). 375. 
Dankbarkeit gegen Gott 

64. 232 f. 282. 286. 343. 
Dankopfer 156«). 157. 

237 l ). 343. 
Darlehen 240. 
David 117. 120. 151. 162. 

164. 230. 245. 
Davidische Dynastie 275. 
Davidssproß 268 f. 307. 
Debora 12. 116. 125. 129. 
Deboraüed 61. 74. 76 f. 

114. 125 f. 
Deckel der Bundeslade 

335. 343. 
Dekalog 66. 69 ff. 95. 168. 

215. 217. 245. 351. 
Demut 164. 235. 237. 

240. 374. 
Denkschrift Esras 308. 
Deuterojesaja 297 ff. 

316 ff. 
Deuteronomist 1. 27 f. 

70. 188. 
Deuterononüum 212. 

216 f. 277 f. 280. 332 f. 

336. 350; seine Stellung 

zum Opfer 233 f.; seine 



Ethik 240 ff.; Liter.: 
188 f. 

Diaspora 370. 

öia&f,xi) 60 l ). 

Dichotomie 170. 180. 

Differenzierung Jahwes 
an verschiedenen Kult- 
stätten 109 f. 

Doeg 117 *). 120. 

Dominialland des Für- 
sten bei Hes. 293. 296. 

Doppelbewußtsein beim 
Propheten 196. 206. 

Dornbusch 108. 

Dothan 139. 

Drachen 186. 

Drohreden, prophetische 
200 f.; gegen fremde 
Völker 262 *). 

Dualismus im Grottesbe- 
griff 176. 184. 310. 347. 
376. 

Ebed Jahweh bei Dtjes 

302 ff. ; Liter. : 297. 

303 *). 
Ebenbild Gottes 330. 
Eden 103. 111. 177. 
Edikt des Kyros 307. 312. 
Edomiter 35. 166. 200 f. 

220. 291. 314. 
Eduth (Zeugnis) 51 »). 
Ehe 38. 184. 240. 374; 

zwischen Gott und 

Volk 274 266. 301; 

Ehen mit heidnischen 

Frauen 308. 
Ehebruch 71. 160. 241. 

311. 374. 
Ehescheidung 241. 
Ehre Gottes 300. 
Ehrfurcht vor Gott 204. 

239. 
Eidopfer 24 *). 69 »). 
Eifersucht Gottes 232. 
Eigenschaften Gottes 

221 ff. 358. 
Eigentumsvolk 231. 
Einweihung eines Hauses 

30 1 ). 
Einzigkeit Gottes 43. 64. 

74 ff. 135. 217 ff. 299 f. 

3Ö9. 356. 382. 
Eiserne Werkzeuge 156. 



Eitelkeit aller Dinge 381. 
Ekstase 124. 131. 133. 136. 

139. 143. 194 ff. 203. 
El „Gottheit" 91 *). 
El schaddaj 332. 
Elah, elon (heil. Tere- 

binthe 13 1 ). 
Eldad 143. 154. 
Eleasar 303 *). 340*). 
Elegik 363. 
Eli 116 f. 120. 122. 
Elia 47. 104. 112 f. 134 ff. 

139. 164. 192. 310. 313. 
Eljakim 199 f. 
Elihureden 375. 379. 
Elilim216. 
Elim (numina) 13 f. 28. 

37. 357. 
Elisa 123. 136 ff. 141 ff. 

152. 192. 
Elkana 119. 

Elohim 13. 17. 98 *). 382. 
Elohist 1. 166. 
Eltern (Ehrfurcht vor 

ihnen) 167. 
Endzeit 324 f. 
Engel 78 f. 82 ff . 99 ff. 

196. 198 x ). 206. 216. 

289. 313 f. 325 f. 330. 

367. 375 f. ; E. des An- 
gesichts 88; E. des 

Bundes 87. 313. 
Engel Jahwes 50 *). 83 ff. 

144. 157. 310. 368. 
Engelfehden 310. 
Engelfürsten 326. 
En Mischpat 69. 
Enosch 47. 

Entblößung (bei Trauer) 
. 10 1 ); (vordem Altar) 

156. 
Enthaltungen 30. 77. 

144 ff. 162. 
Entmannung 34 
Entrücktsein der Prophe- 
ten 194. 
Entsündigung 342. 347; 

E. des Propheten 204; 

des Heiligtums 295. 
Entwicklungsidee (bez. 

des Jahwismus) 65. 
Ephod 61. 74. 96 ff. 

104. 117 f. 165. 161. 

216. 238; E. bad96*). 



Namen- und Sachregister. 



387 



Ephraim 54. 153 f. 247. 
Epikuräismus 380 *). 382. 
Erbsünde 172. 360. 
Erdbeben 314. 
Erhabenheit Gottes 111. 

213. 216. 224 f. 229. 

300. 347 *). 357. 
Erhaltung der Welt durch 

Gott 356. 
Erkenntnis Gottes 234. 

240. 
Erlaßjahr 238. 
Erlöser (Gott) 231. 309. 
Erntefeste 159. 294 f. 

338. 
Eroberung Jerusalems 

314. 
Erpressung 348. 
Erscheinungen Gottes 46. 

83 ff. 110. 
Erstattungsopfer 156 2 ). 
Erstgeburt 337. 339. 342. 
Erstgeburten geopfert 

22 f. 32. 235. 289. 
Erstgeburtsrecht Israels 

230 f. K 
Erstgeburtssegen 164. 
Erstlinge der Feldfrüchte 

159. 233. 342; Vieh-E. 

159. 
Erstlingsbrote 337. 
Erstlingsgarbe 337 f. 
Erwählung Israels durch 

Gott 64. 230 ff. 246. 

285. 299 f. 304. 309. 

332. 360. 
Esau 165. 309. 
Eschatologie 179 *). 292. 

314 ff. 312. 322 ff. 

359 1 ). 369. 
Eschbaal 17. 
Esra 308. 328. 
Ethik des Deut. 240 f.; 

der Propheten 250 f. 

311; des PC 350 ff.; 

der Psalmen 364; der 

Sprüche 373 f. 
Eudämonismus 373 f. 
Evolutionismus 184. 
Ewigkeit Gottes 299. 

358. 
Exil 190. 205. 211. 238. 

263. 265. 257. 259. 

289. 314. 



Familie als Sakralge- 
meinde 30. 32. 

Familiengötter 98. 

Fara- Quelle bei Ana- 
thoth 209 *). 

Fasten 22. 312. 320. 

Faulheit 373. 

Feiertag 337. 

Feindesliebe 167 f. 374. 

Feldfrüchte geopfert 233. 

Feldgeister 19. 

Felsaltar 165. 

Fernsehen 139. 

Fest der ungesäuerten 
Brote 159. 

Feste, vormosaische 31; 
kanaanit. Ursprungs 
68; in der Beurteilung 
der Propheten 238; bei 
Hes. 294; in nachexi- 
lischer Zeit 320; im 
PC 337. 

Festzeiten 158 ff. 

Fetischismus 5. 99. 

Fett (beim Opfer) 21 f. 
37. 119. 157. 349. 

Feuer, als Erscheinungs- 
form Gottes, 90. 

Finsternisse 314. 

Fleisch 170 *). 173; sünd- 
haft 244. 

Fluch 91 1 ). 123. 139. 
166. 

Forderungen Gottes an 
das Volk 233 ff. 

Fortleben nach dem Tode 
246. 

Frau (ihre Kultfähig- 
keit) 147. 

Frauen, heidnische 308. 

Freiheit, sittliche 164. 

Fremde Götter 18 f. 

Fremde Völker (in der 
prophet. Predigt) 200f . 
209. 213. 226. 291. 
302 *). 

Fremdling 165. 167 f. 
240. 351. 

Frevler (ihr Glück) 364 f. 
377 f. 

Friede, in der messian. 
Zeit, 317 ff. 

Friedensopfer 156 2 ). 

Frömmigkeit zur Zeit 



Moses 64 f; in Kanaan 

in vorprophet. Zeit 

154. 162 ff.; bei den 

Schriftpropheten 

233 ff.; im PC 362 ff.; 

in den Psalmen 362 f.; 

in den Sprüchen 373 f. ; 

im Koheleth 381. 
Fruchtbarkeit, messia- 

nische 270. 318. 
Fruchtopfer 21. 157. 233. 
Frühlingsfest 33. 159. 
Fürbitte 42. 128 i 139. 

164 f. 260. 306. 376. 
Fürsorge Gottes 228. 
Fürst (bei Hesek.) 68. 

290. 293 ff. 
Furcht vor Gott 361. 

374 
Furchtbarkeit Gottes 

224 f. 229. 



Gabriel 326. 
Gad 17. 129. 132. 
Ganzopfer 21. 23. 25. 

157. 348. 
Gastfreundschaft 164. 
Gastrecht 38. 
Gebet 126 ff. 134. 139, 

164. 201. 214 229. 

234. 272 *). 296. 365. 

362 f. 
Gebetserhörung 229. 
Gebote, kultische und 

ethische im Dekalog 

69 ff. 
Gebrechlichkeit, physi- 
sche und sittliche, 172 f. 

360. 
Geburtswehen der mes- 

sianischen Zeit 313. 
Gedächtnisblasen 338. 
Gedalja 199. 283. 
Gedankensünden 71 L 
Gegenwart Gottes 52 ff. 

87 f. 92. 155. 215. 

318. 320. 
Gehasi 138 f. 
Geheimsinn heiliger 

Schriften 326. 
Gehorsam gegen Gott 

64. 235 ff. 
Geist Gottes 94 *). 131 L 

25* 



888 



Namen- und Sachregister. 



161 ff. 192. 196. 197. 

206 f. 802. 304. 318. 
Geist des Menschen 

169 *)• 170 *). 171. 

173 f. 381. 
Geist der Prophetie 101. 

136 f. 140. 142 f. 146 f. 
Geister, böse 74 162. 

174 
Geistesausgießung 313. 

320. 
Geistesverleihung 341. 
Geistigkeit Gottes 83 f. 

215. 329. 
Geländer auf dem Dache 

241. 
Geldgeschenke an Pro- 
pheten, Richter und 

Priester 200. 
Gelübde 146. 23a 
Gelübdeopfer 237 *). 
Gemeinde, ihre Betei- 
ligung beim Opfer 349. 
Gemeindepsalmen 366 *). 
Gemeinschaft mit Gott 

177. 356. 369. 363. 
Genesissagen 1. 
Genügsamkeit 374. 
Geräte, heilige 77. 152. 

187. 342. 
Gerechterklärung des 

Menschen 244. 319. 
Gerechtigkeit Gottes 64ff . 

186. 201. 226 f. 262 «). 

369. 366. 378. 380 *). 

382; G. der Menschen 

167. 239. 244 f. 311. 

320. 374; G. vor Gott 

164. 363. 362. 
Gericht Gottes über die 

Völker 88. 219. 367 f.; 

über Jerusalem 89. 

201; jüngstes G. 326. 

381. 
Gerichtsandrohung bei 

den Propheten 201. 
. 211. 261 ff. 
Gerichtstag 310. 313. 
Gerim 361. 
Gerschom 116. 
Gesalbte (Jahwes) 117. 

151. 322. 367. 
Gesang im Tempel 361. 
Geschlechtsleben 30. 38. 



Geschlechts- (Familien*) 

opfer 68. 168. 
Gesetz in der Beurtei- 
lung Jeremias 242; 

im Deuteron. 2411; 

bei den Psalmisten 361. 

366; seine relig. Be- 
deutung 363. 
Gesetzbuch Esras 328. 
Gesetzbuch Hilkias 189. 

277. 280 f. 311. 
Gesetze Moses 39 f. 42. 

66 ff. 
Gesetzeseifer 325. 353. 
Gesetzeserfüllung 353. 

362. 
Gesetzesreligion 293. 320. 

327. 
Gesetzestafeln 61. 65. 
Gesetzgebung am Sinai 

46. 334 
Gesichte 125. 196 f. 202 ff. 
Gestirndienst 80. 82. 231. 

239. 
Gestirne 314 323. 329. 
Gostirngötter 279 *). 299. 
Gewänder der Priester 29. 
Geweihte 114 143 ff. 160. 
Geweihtsein alles Besit- 
zes an Gott 333. 342 ff. 

350. 
Gewissen 362. 373. 
Gewittergott 46. 88 L 

102. 160. 
Gewitterwolke 102. 
Grewürze 236. 
Gibea 25. 

Gibeon (Höhe) 157. 198. 
Gichon (heil Quelle) 16. 
Gideon 57. 95. 109. 161. 

163. 167. 
Gilgal (heil. Steinkreis) 

14. 36. 141 f. 248. 
Gilgamesch 39. 
Gillulim220. 
Glaube 163 f. 249. 
Gnade Gottes 226 *). 230. 

244. 300. 302. 319. 345. 

348. 359. 362. 
Götter 357. 
Götterberg 104. 
Göttersöhne 357. 
Götzenbilder 96. 98. 215 f. 

220. 



Götzendienst 18. 126. 
128. 160. 206. 223. 233. 
239. 241. 247 f. 279. 
286 f. 300. 309. 325. 
366. 

Gog 292. 

Goldenes Zeitalter 177. 

Gomer bath Diblajim 
256. 

Gomorrha 111. 

Goral (Los) 161. 

Gott der Väter 49. 

Gottesbegriff in 
vormos. Seit 6 ff. ; bei 
Mose 43 ff .; in Kanaan 
74 ff.; bei den vor- 
exil. Schriftpropheten 
212 ff.; bei Hesekiei 
285; bei Deuterojes. 
299 f.; in der nach- 
exiL Prophetie 309 ff.; 
im Buch Daniel 325 f. ; 
im PC 329 ff.; in 
den Psalmen 366 ff.; 
den Sprüchen 373 f.; 
imHiob376;imKohe- 
leth 382. 

Gottesbilder 94 ff. 216. 

Grotteserkenntnis 235. 

Gottesfurcht 164. 174. 
374 377. 

Gotteshaus 115. 165. 

Gotteskindschaft 230 f. 

Gottesname (Verbot des 
Aussprechens) 43 *). 

Gottes Persönlichkeit 50. 
171. 213. 

Gottlose (ihr Glück) 
364 f. 377 f. 

Gräber 11 f. 179 f. 

Griechische Philosophie: 
in denSprüchen(,. Weis- 
heit") 372; im Prediger 
(Lit.) 380. 

Güte Gottes 229 f. 359. 
379. 

Güte der Schöpfung 
329 ff. 

Gußbilder 60. 94 217. 

Haar (Behandlung bei 
Trauer) 6. 9 ; im Kriege 
30; bei den Nasiräern 
144 ff. 



Namen- und Sachregister. 



S8ff 



Haaropfer 148. 
Habakuk 197. 
Hades 178 *) 179«) 182'). 
Häuserbau 149. 
Hagag 32. 
Hagar 166. 
Haggai 306 f. 312 f. 
Halbgötter 100. 
Halljahr 336 f. 339. 
Halluzinationen bei den 

Propheten 196. 
Hammurabi 39. 154. 167. 
Hananja 198. 200. 
Hanna 119. 
Handabhaeken 241. 
Handauflegung 151. 
Handaufstemmung 342. 

344. 
Hand Jahwes 135. 139. 

194 f. 
Hasael 136. 138. 
Haus Davids 322. 
Hausgötter 68. 97 f. 
Haus Jahwes 277. 
Hebe, heilige 333. 335. 
Hebel (Name für Götzen) 

220 f. 
Hebekeule 349. 
Hebeopfer 342. 
Hebron 110. 332. 
Heer des Himmels 74 

78 ff. 248. 279. 314. 
Heerscharen 78 ff. 
Heiden 313 ff. 351. 357. 

359. 364. 368. . 
Heidengötter 217 *). 
Heidenvölker 270. 285. 

2911 302ff. 309. 
Heilige 314 326 f. 358. 

376. 
Heilige Dinge 221 f. 
Heiliger Raum (bei Hes.) 

293 ff. 
Heiliges, im Tempel 335. 

343. 
Heiligkeit Gottes 82. 

221 ff. 229. 284 f. 293. 
299. 336. 342. 346. 
347 *). 

Heiligkeit der Engel 101 ; 
des Kriegslagers 77 i; 
des Tempels 58. 321; 
des Volkes 223 f. 320. 



Heiligkeitsgesetz 223. 

328. 351. 
Heiligtum 334. 
Heiligwerden von Per- 
sonen 222; von Sachen 

29. 
Heilsdankopfer 349. 
Heüsopfer 343 f. 349. 

166«). 168. 
Heilsplan Gottes 213. 

298ff. 306. 
Heilszeit, künftige 89. 
Heimkehr des Volks 89. 

289. 296. 301. 306 f. 

312. 315 f. 322. 
Heldengeschichten im 

Richterbuch 73. 151. 
Heman 129 *). 
Henotheismus 43. 64. 

74 ff. 135. 217. 273. 

357. 
Herbstfest 159. 
Herd Gottes 214 277. 
Heroengräber 12. 
Heroenkult 16. 
Herrlichkeit Gottes 52 f. 

88 f. 122. 206. 214 

286. 301. 310. 318. 

330. 334 f. 
Herrschaft des Menschen 

über die Erde 330. 
Herz 173 f. 
Hesekiel 23. 56. 58. 82. 

194ff.204ff.208.210ff. 

283. 284 ff. 311. 320. 

Liter.: 287; sein Zu- 
kunftsprogramm 292ff . 

328. 333. 362. 
Hethiter 287. 
Heuschrecken 313. 
Hierodulen 160 f. 
Hillulim 169. 
Himmel als Wohnung 

Gottes 111. 214 
Himmel, neuer 323. 
Himmelfahrt Elias 137. 

142. 
Himmelsgott 111. 2141 

217. 218. 366. 
Himmelsheer 74. 78 ff. 

248. 279. 314 
Himmelskönigin 283. 
Himmelsleiter 100. 111. 
Himmelsveste 329. 



Hingabe an Got 350. 

Hinken um den Altar 32* 

Hilkia 117 *). 277. 280 f. 
311. 

Hiob 288. 366. 376 ff. 

HisMa 27 1 61. 132. 
201. 258. 275 t 278. 

Hobab 150. 

Hochmut als Wurzel der 
Sünde 177. 

Hochzeit 34 f. 

Höhendienst 27. 156. 160. 
248. 276 f. 286 f. 

Höhlengrab 179. 

Höhenpriester 118 f. 295. 

Höhentempel 155. 

Hölle (in Babel) 178*). 

Höllenstrafen 292. 323. 

Hörner des Altars 26. 343. 

Hoffnung, messianische 
367. 

Hofprediger 132. 200. 

Hohepriester 58. 147. 
161. 296 f. 322. 335. 
340 f. 343. 347. 367 *). 

Hohepriesterliche Inter- 
zession 305. 

Hophni 116. 119. 

Horeb 47. 51. 61. 108. 
136. 216. 

Hoseal93.216.227.229. 
247. 254 ff. ; seine Stel- 
lung zum Opfer 234 i ; 
Liter.: 188. 

Hüttenfest 338. 

Hulda 281. 

Huld Gottes 230. 235. 

Humanitäres im Gesetz 
107 *). 158. 238. 240. 
336. 351. 

Hydromantie 123. 

„Ich" der Psalmen 355. 

Iddo 129 •). 

Immanuel 264 ff. 

Inaugurationsopfer 158« 

Individualismus 355. 365. 
377. 

Individualpsalmen 356 1 ). 

Inspiration (propheti- 
sche) 140. 142. 195 ff. 
202 ff. 

Intellekt 174 

Ira 117. 



390 



Namen- und Sachregister. 



Isaak 17. 163 l ). 165 f. 

Ischbaal 109. 

Ischboscheth 109 l ). 

Isebel 112 ff. 135. 142. 

Ismael 163. 166. 

Israel (= Jerubbaal) 
109»). 

Israel (= Jakob) 163. 

Israel (nördL Reich) 163f . 
273. 301. 

Ithamar 340 *). 

Jabesch in Güead 25. 

Jahresfeste, die 3, in 
vorprophet. 2^eit 159 ff. 

Jahresopfer 30. 

Jahwe 41. 43 ff. 332. 
382; J. als Himmels- 
gott 111; als Kriegs- 
gott 54. 76 ff.; als 
Stiergott 26; als Volks- 
gott 212 f. 

Jahwebilder 28. 60 1 
94 ff. 115. 215 ff. 233. 
248. 277. 

Jahweheiligtümer 108. 

miox nvr 78 ff. 108. 

Jahwismus, Ursprung u. 

Wesen 62 ff. 
Jahwist 1. 
Jakob 17. 60. 85. 163 ff. 

309. 
Jedo 129 •). 
Jeduthun 129 *). 
Jehoas 121. 

Jehova (j«hd, j&hü) 43 *). 
Jehu 112. 136 ff. 149. 

151. 227. (Seher) 

129*). 133. 
Jenseits 365. 381. 383. 
Jephtha 23. 74. 151. 
Jeremia 197 ff. 207 ff. 

229. 259 ff. 280; seine 

Stellung zum Opfer 

235 f. 280 ff. Liter. : 

188. 193 f. 
Jericho 54 76. 141. 
Jerobeam I. 6. 19. 119. 

133. 163. 208. 216. 275. 
Jerubbaal 17. 109. 
Jerubboscheth 109 *). 
Jeruel 163 *). 
Jerusalem 313 f. 318 ff.; 

das neue bei Hes. 293 f. 
Jerusalemquelle 74. 



Jesaja 132. 197. 199. 

201 ff. 208. 216. 225. 

230. 256 ff. 312; seine 

Stellung zum Opfer 

236. 276. 279; Liter.: 

188. 190. 193. 197. 
Jesaja-Apokalypse 307. 

323. 
Jeschua 307. 
Jesreel 227. 
Jesu Stellung zu Gesetz 

und Propheten 352. 
Jethro 48. 50. 
Joab 163. 
Joas 123. 137. 273. 
Joel 307. 312 f. 
Jojachin 198. 282. 
Jojada 114 121. 275. 
Jojakim 207. 282. 
Jokebed 40. 
Jona 202. 306 f. 317 f. 
Jonadab 149 f. 
Jonathan, Enkel Moses 

116. 119. 
Jonathan, Sohn Sauls 25. 

161. 
Jonier 315. 
Joram 112. 137. 149. 
Josaphat 138. 140. 272 f. ; 

(Tal) 313. 
Joscheba 121 *). 
Joseph 164. 166; sein 

Grab 12. 
Josephiden 54 
Josia 27 i 160. 189. 276. 

277. 281 f. 
Josua 35. 67. 151; sein 

Grab 12; (Hoherprie- 

ster 212 *). 310. 
Jotham 275. 
Juda 273 ff. 301. 
Jugendsünden 362. 

Kabod 88 ff. 205. 286. 
Kalb, goldenes 67. 99. 
Kalil (Ganzopfer) 21. 348. 
Kanaan 331 f. 334. 
Kanaaniter 66. 105. 
Kaphthor 220. 
Kapparah 347 l ). 
Kapporeth 56. 
Karmel 135. 155. 
Kasuistik 363. 
Katalepsie der Prophe- 



ten 195 i 198 *). 206. 
210. 

Kemosch 23. 25 a ). 63. 
74 ff. 110. 112. 154 

Keniter 47 ff. 150. 

Kerubim 55 f. 89. 102 ff. 
204 1 367. 

Kesselwagen im salom. 
Tempel 155. 

Keule vom Mahlopfer 
335. 

Kinderopfer 19. 22 f. 34. 
163«). 209. 235. 248. 
278. 282. 

Kindschaft Israels 230 f. 

Tß3 360 *). 

Klagelieder 364 l ). 

Klageliedvers 208 *). 

Kleiderwechseln (vor der 
Gottheit) 29. 

Kleidung des Hohenprie- 
sters 341. 

Knecht Gottes 200. 230. 
bei Deutero jesaja 302 f. 
Liter. : 297. 303 l ). 

König, theokratischer 
230. 366 ff. 

Königliche Wurde des 
Hohenpriesters 341. 

Königsbücher 188. 

Königsgesetz 244 

Königsgräber 293. 

Königsherrschaft Gottes 
318. 36a 

Königtum 119 f. 126. 
151. 153 *). 238. 374; 
in der Beurteilung der 
Propheten 243 f. 260. 

Kopher 339. 

Kosmogonie 183 ff. 

Kosmopolitismus 370. 

Kreatianismus 172. 

Krieg als Kultushand- 
lung 30. 77. 

Kriege Jahwes 62. 76 f. 

Kriegsdämonen 78 •). 

Kriegsgefangene, weib- 
liche 240. 295. 

Kriegsgott 54 f. 76 ff. 
131. 

Kriegsweihe 146. 

Kriminalrecht 333. 

Kuchen beim Opfer 167. 

Küssen der Bilder 216 l ). 



Namen- und Sachregister. 



391 



Kultfähigkeit 223. 

Knitische Handlungen 
333 f. 

Kultur (ihre reL Würdi- 
gung) 146. 149 f. 

Kultus in der Zeit vor 
den Schriftpropheten 
154 ff. ; nach dem Exil 
311 f. 320. 325. 333. 
349; in den Psalmen 
354. 361. 

Kultuseinheit 334. 

Kultusreform Josias 
281 f. 287. 

Kultusstatten 155. 334. 

Kunst im Kultus 156. 
187. 217. 

xopioc als Gottesname 
43 1 ). 

Kyros 298. 301. 305. 307. 
312. 

Laban 18. 61. 165 f. 
Lachaj roi (heil. Quelle) 

16. 
Lade, heilige 14 f. 41. 

61 ff. 76. 81. 87 f. 102 »). 

115. 117 f. 120. 122. 

224. 275. 320. 343. 347. 

Liter. : 43. 
Läuterungsgericht 254. 

257. 368. 
Läuterungsleiden 379. 
Laien 349. 
Laienpriestertum 147. 

342. 
Lammesopfer 32 1 ). 
Land, heiliges 293 f. 320. 
Langmut Gottes 221. 

226 *). 230. 359. 
Laubhüttenfest 321. 338. 
Lea6. 
Leb („Gesinnung" etc.) 

173 f. 
Leben, sein Sitz 169. 345 ; 

nach dem Tode (in 

Babel 178 2 ). Liter.: 

179 »). 
Lebensgeist 381; — ge- 

nuß382;— ödem 169 *) 

170 f. 173. 180 f.; 

— wasser 168. 
Lebewesen 181. 
Leib 170. 173. 



Leiblichkeit Gottes 60. ' 
82 ff. 90. 213. 330. 

Leiche 181; ihre Beruh- i 
rang verboten 9 f. 144. 
147. 223. 340 f. 

Leichenmahle 10 f. 

Leiden Christi 305 ; L. des 
Frommen 366. 377 ff. 

Lemech 17. 

Lendentuch 96. 

Levi, Leviten 6. 40. 49. 
67. 115 ff. 240. 295. 
320. 336 f. 341 ff. 

Leviratsehe 12. 

Levitenstädte 336 f. 

— weihe 344. 

Levitismus 293. 

Libanon 319. 

Licht (Erschaffung) 329. 

Liebe Gottes 229 ff. 300. 
369. 377. 379; L. zum 
Fremden 64. 234. 239. 
282; zu Gott 64. 234 
239. 282; zum Näch- 
sten 235. 240. 351. 374. 

Lied Moses 233. 

Lilith 19. 

Lischkah 155. 

Literarisches Eigentum 
42. 189 f. 

Liwjathan 186. 357. 376. 

Lobpreis Gottes 237. 

Logos 372. 

Lohnbegriff 246. 375. 

Lokalisierung Gottes im 
Tempel 213 f.; im Him- 
mel 214; in Kanaan 
108 ff. 

Lose, heilige 96 ff. 115. 
122. 164. 161. 

Lot 164. 

Lüge 166. 

Lügengeist in Propheten 
140. 142; 

—propheten 192. 197 ff. 
200. 249 f. 280. 283. 

Lustdirne 248; 

— knaben 249. 

Lyrik 353 ff. 



Machanajim 100. 
Macht Gottes 65. 
Märtyrer 279. 



Magie 20 *). 123 ff. 127 ff. 
135. 139. 

Magog 292. 

Mahlopfer 335. 348 f. 

Makkabäer 366 f.; 
—kriege 309. 336. 

Malach elohim 83 *). 

Malach jahweh 83 ff. 100. 

Maleachi 307 f. 313. 

MalMsedek 367. 

Malkija 150. 

Malsteine, s. Masseben. 

Manasse 22. 27 f. 246. 
260. 276. 279. 

Manenglaube 181 f. 

Mann Gottes 129. 134. 
138. 142. 164 192. 

Manoach 157. 

Mantel des Propheten 
136 f. 

Mantikl23ff.l27ff. 136. 
196. 

Manumissio 344. 

Marduk 185 ff. 

Maße u. Gewichte 294 

Masseben 2. 12. 27. 165. 
217. 238. 276 f.; M. 
Absaloms 13; Jakobs 
14 

Massekhah 94. 

Matthan 114 

Mauern Jerusalems 237. 
308. 313. 318. 

Mazzothfest 31 ff. 154 
159. 338. 

Medad 143. 

Meer der Urzeit 187; 
ehernes M. 187. 

Mehlopfer 343. 

Meineid 311. 348. 

Melekh (Moloch) 17 f. 
23.248. 

Melkart 110. 

Mensch als Krone der 
Schöpfung 329; als 
Ebenbild Gottes 330; 
seine Herrschaft über 
die Erde 330; seine 
Hinfälligkeit 359; sei- 
ne Sündhaftigkeit 360. 

Menschenopfer 22 f. 76. 
235. Liter. : 154 f. 

Menschensohn 326. Li- 
ter.: 312. 



392 



Namen- und Sachregister. 



Meonenim 124 

Mephiboscheth 109 l ) 

Meribaal 17. 109. 109 l ). 

Mesa 23. 25 l ). 63. 75. 

Messias 242 »). 262 M. 
263 ff . 284. 290 f. 296. 
301. 321. 326. 366 ff. 
— hoffnung (in den 
Psalmen) 3661; im 
Koheleth 383. 

Messianische Weissagun- 
gen 190. 261 ff. Liter.: 
263»). 

Messianischer Krieg 312. 

Messian. Zeit 262. 307. 
310. 313 ff. 318 ff. 
366 ff. 392. 

Meteorsteine 14 f. 46. 63. 

Micha 269 ; seine Stellung 
zum Opfer 235. 

Micha ben Jimla 112. 
140. 142. 192 l ). 204. 

Micha (Ephraimit) 113 f. 

Michael 362. 

Midjaniter 40. 47. 166. 

Midrasch 334. 

Milkom 74. 110. 154. 

Minchah 157 f. 

Mirjam 12. 40. 42. 

Mischehen 308. 

Missionsberuf Israels 
302 ff. 351. 360. 

Mittelwesen zwischen 
Gott und Menschen 
215. 325 f. 330. 372. 

Mizpa 126. 199. 283. 

Moab, Moabiter 25 l ). 
35. 63. 74 f. 201. 220. 
226. 291. 314. 

Mondfinsternis 314. 

Mondreligion, arabische 
39. 

Monogamie 184. 

Monojahwismus 212. 

Monolatrie 43. 

Monotheismus 5. 43. 74. 
104. 183 *). 299; zur 
Zeit Moses 43; in vor- 
exilischer Zeit 74 ff.; 
ethischer M. der Pro- 
pheten 64; bei den 
Schriftpropheten 217ff . 
226. 273. 

Mord 36. 330 f. 351. 



Morgenbrandopfer 296. 

325. 349. 
Morgensterne 376. 
Moria 155. 
Mose 1. 34 f. 38 ff. 67. 

123. 125. 129 f. 143. 

151. 218. 230. 260. 332. 
Musik 130. 160. 353. 
Mythen im alten Israel 

175. 
Mythologisches in der 

Schöpfungsgeschichte 

329;imHiob376. 

Naamann 73. 

Nabi, nebiim 129 ff. 138. 

191 ff. 
Naboth 112. 136. 
Naohtgesichte Sacharjas 

196 f. 206. 
Nächstenliebe 235. 240. 

361. 
Naeman 139. 
Name Gottes 74. 86. 

90 ff. 214. 224. 332. 
Namentabus 91 *). 
Nasiräer 30 *). 143 ff. 

243. 342. 
Nathan 132. 154. 162. 
Naturerscheinungen 262. 

314. 323. 356. 
Naturgesetze 228. 356. 

373. 
Naturreligion 273. 
Naturvergötterung 37. 
Nebukadrezar 198. 240. 

325. 
Nechuschthan 51. 
Nehemia 308. 
Nekromantie 248. 
Nephesch 168. 169 *). 

173 f. 180 f. 169 *). 181; 

n. meth 169 *). 181. 
Nethinim (Geschenkte) 

25. 
Neuer Bund 270 ff. 283. 

302. 
Neumond 30 f. 154. 158. 

162. 238. 296. 320. 338. 

349. 
Neuschaffung der Welt 

323. 
Neuvermählte, vom 

Kriege befreit 30 l ). 



Ninive 318. 
Niphlaoth („Wunder") 

228 
Noah*288. 331. 
Nob 117 f. 120. 
Nomadentum 149 f. 
Nordreich 315. 
Notzucht 163. 
Numina loci 13 ff. 27. 

37. 110. 



Obadja 135. 142. 307. 
314. 

Obere des Volks 250. 288. 

Oberpriester 117 *). 121. 
296. 

Obstlese 338. 

Oel beim Opfer 343. 

Oelberg89. 166.314 

Offenbarung Gottes an 
die Patriarchen und 
Mose 332; an Mose 41; 
an Josua 76; an Sa- 
muel 52. 126; an Bi- 
leam 125; an die Pro- 
pheten 195. 197. 202 ff. 
212; in verschiedenen 
Erscheinungsformen 
83 ff. 330. 

Offenbarungsbegriff des 
A. T. 191 *). 382. 

Offenbarungsgegenwart 
Gottes 336. 347. 

Offenbarungsstätte 56. 

Offenbarungszelt 52. 67. 
328. 334. 352. 

Ohola 288. 

Oholiba 288. 

Olah 348. 

Oellibation 14 161 f . 

Opfer 23. 30. 115. 118 t 
148. 166 ft 173. 234 
257. 300. 311. 334; 
0. in der Patriarchen- 
zeit 1. 20 ff. 24. 37 ; im 
Deuteron. 233 i; in 
der Beurteilung der 
der Propheten 234 ff.; 
bei Hesek. 294 f.; im 
PC 343ff.; in den 
Psalmen 364. 361; in 
den Sprüchen 382; 0. 
auf heimischer Erde 



Namen- and Sachregister. 



393 



75; 0. der Erstgeburt 

236. 
Opferblut 164. 
Opfergerste 164. 
Opfergesetze 236. 
Opferherd 214. 
Opfermahl 22. 30. 37. 

156 f. 168. 160. 233. 

240. 248. 317. 349. 
Opferpraxis 26. 29. 68. 
Opferthora 329. 
Opfertiere 24. 344. 
Opfertische 294. 
Opfertod Jesu 346. 
Ophra 95. 108. 110. 
Orakel 2. 30. 67 f. 77. 

96 f. 116. 129. 165. 161. 

O.priester 30. 116; O.- 

stätte 334; O.there- 

binthe 30. 
Osarsiph 41 *). 
Osttor Jerusalems 89; 

0. am Tempel 293. 296. 



Pädagogie, göttliche 176. 

363. 
Fantheismus 171. 214. 

228. 329. 366. 358. 
Parabeln 207. 211 *). 
Paradies 168. 176 f. (in 

Babel) 178 »). 
Partikularismus 316 f. 

332. 368; im Gottesbe- 
griff 213. 
Pashur 200. 
Passah 30 ff. 68. 159. 296. 

337. 
Pathologisches bei den 

Propheten 196 f. 202. 
Patriarchengeschichten 

1. 6. 17. 105. 110. 

129»). 163 ff. 331 f. 

334. 367. 
Patriotismus 128. 
Pentateuchquellen 1. 280. 
Persisches im Auferste- 
hungsglauben 312. 

369 *); im Mythos vom 

Sündenfall 176. 
Persönlichkeit Gottes 

50. 171. 213. 228. 326. 

329. 382; des Menschen 

168 ff. 174 f. 



Personen, heilige 339. 

Pesel 94 f. 

Pessimismus (Koheleth) 
380 ff. 

Pest 33. 63. 101. 278. 

Pfahle, heilige 27 f. 155. 

Pfand 240. 

Pfeilzauber 123. 

Pfingstfest 154 f. 

Pharao 165. Ph. Hophra 
261. 

Pharisäer 353. 

Philister 35. 131. 220. 
291. 314. 

Phönix 376. 

Phönizier 35. 

Phönizische Künstler 
beim Tempelbau 187. 

Phönizisches in der 
Schöpfungsgeschichte 
329. 

Pinchas 116. 118. 122. 

Platonische Ideen in den 
Sprüchen 372. 

Plejadenkult 156. 

Poesie des A. T. (lit.) 
353 f. 

Poetische Formen der 
prophet. Rede 207 f. 

Politik der Propheten 
140. 209. 239. 273. 
Liter.: 251. 

Pollution 223. 

Polydämonismus 16. 27. 
37. 65. 77. 

Polytheismus 16 ff. 367. 

Pompejus 360. 

Prädestination 358. 

Präexistenz des Messias 
267 *). 

Prediger, der 380 ff. 

Priester 115 ff. 144. 147. ' 
154. 205. 224. 272. 
275. 288. 295. 308. 312. 
316. 320. 333. 336. 340 
ff. 360; in vorjahwisti- 
scher Zeit 29; im Deu- 
teron. 241; in der Be- 
urteilung der Prophe- 
ten 243. 260. 

Priestergesetz (P) 1. 68. 
222. 234. 297. 308. 311. 
327 ff. 332 f.; Liter.: 
327 f. 



Priesterkodex, s. Priester- 
gesetz. 

Priesterkönig 367. 

Priesterin 126. 

Priesterstaat 58. 

Priesterstädte 335. 

Priesterstamm 341. 

Priesterstand (zur Zeit 
Moses) 67 f. 

Priestertum, jüdisches u. 
katholisches 340 l ). 

Priesterverbände 119. 

Priesterzellen 294. 

Propheten 67. 122 ff. 146. 
164. 188 ff. 272. 288; 
im Deuteron. 241 f. 

Prophetengenossenschaf- 
ten 140 ff. 193. 

Prophetenjünger 256. 
276 f. 

Prophetenschriften 189ff. 
207. 

Prophetensöhne 256. 

Prophetenspiegel 133. 
134 ^ 

Prophetisches Amt Chri- 
sti 242 l ). 

Prophetische Predigt: ihr 
Inhalt 199 ff. 212 ff.; 
ihre Formen 206 ff. 

Prophetie (Lit. zur älte- 
ren) 114. 

Prophetin 125. 129 8 ), 
130. 288. 

Prophetismus (Lit:) 191 
nebst Anm. 1. 

Prostitution 160. 223 *). 

Prozessionen 361. 

Psalmen 237. 363 ff. 

Psychologie, biblische 
(Lit.) 170 *). 

Psychologische Anschau- 
ungen im vorprophe- 
tischen Israel 168 ff. 

Ptolemäer 324. 367. 

Vhp (EtymoL) 221 *). 
Qadesch (En Mischpat) 

16. 40. 69. 
Qedeschmi, qedeschoth 

160. 223 *). 
Qinah-Vers 208 l ). 
Qir220. 
Qorban 360 l ). 



394 



Namen- und Sachregister. 



Quellen, heilige 13. 16 f. 
21. 37. 

Rabhath Amon 54. 

Rachepsalmen 364. 

Rahab 186. 357. 376. 

Rahel 6. 12. 18; R.- 
stamme 49. 53 •). 

Rama 129 »)• 

Ramoth 140. 

Raserei, heilige 130 f. 
194. 

Rauchopferaltar 56 1 ). 
343. 

Raum, heiliger 334 ff. 

Rechabiten 146. 149 f. 

Redlichkeit 351. 364. 374. 

Rechtsbeugung 288. 

Rechtehändel 167. 241. 
364. 

Rechtsprechen 200. 361; 
durch Mose 69. 

Rechttun 235. 239 f. 

Recht und Gerechtigkeit 
311. 

Regenbogen 331. 

Regenzauber 124 *). 136. 

Regierung der Welt 
durch Gott 356. 376. 
380 *). 

Reich Gottes 304. 

Reichsspaltung 153 f. 

Reigentänze 160. 

Rein und Unrein 223. 
295. 332. 339. 

Reinheit des Volkes 339 f. 
352; sittliche und phy- 
sische im PC 360. 

Reinigkeitsgesetze 161 f. 
339. 

Reinigung 29. 223. 342; 
der Herzen 239; sym- 
bolische R. des Landes 
von Sünde 347. 

Reinigungsakte 331. 339. 
362.^ 

Reinigungsopfer 32 *). 

Rephaim 182. 

Rest des Volkes gerettet 
201. 264. 266. 269. 

Rhabdomantiel23. 247 f. 

Richter 126. 150 f.; die 
6 großen 73. 

Richteramt Gottes 318. 



Richterzeit 68. 73. 107. 
Rinder, 12, am „ehernen 

Meer 44 187. 
Roeh (Seher) 124 ff. 192. 
Ruachl69 1 ). 173 f. 
Rüben 166. 
Ruhegebot 158. 
Rhythmische Form der 

prophet. Rede 207 f. 



Saba 235. 

Sabbath 31. 70. 168. 167. 
238. 286. 296. 312. 
317. 320. 331. 336 f. 
349. Liter.: 164 f. 

Sabbathjahr 168. 336 ff. 

Sabbathiahrwochen 
336 ff. 

Sacharja 196 f. 212. 
306 f. 310. 312 ff. 319. 

Sack als Trauerkleid 9 f. 

Sadduzäer 380 1 ). 

Säulen, am salomoni- 
schen Tempel 27. 

Sakralgemeinschaft 30. 

Sakrament 332. 

Sakramentale Kommu- 
nion 21 ff. 37. 60. 
152. 166. 169. 343. 

Salböl 341. 

Salbung des Hohenprie- 
sters 341; des Königs 
128. 151 ff.; des Pro- 
pheten 138 *); des 
Schilds 30. 

Salomo 75. 120. 132. 161. 
186. 214. 218. 

Salz beim Opfer 343. 

Samaria 28. 112. 216. 
273 f. 

Samaritaner 43 1 ). 308. 

Samgar 17. 

Samuel 67. 78. 116. 
126 ff. 130 f. 133. 144. 
161 ff. 167. 180. 260. 

Sanherib 268 f. 278. 

Sara 17. 163. 166. 

Sarepta 134. 

Sargon 274. 278. 

Sarim 357. 

Satan 310. 319. 376 f. 

Satisfactio vicaria 345 f. 

Sauerteig 294. 338. 



Saul 117. 120. 126 f. 131. 
161 ff. 161.174. 

Schafschur (Fest) 33. 

Schaphan 281 *). 

Schaubrote 21. 77. 157. 

„Schauen 44 des Gottes- 
wortes 202. 

Schaw(Name für Götzen) 
221. 

Schear jaschub 256. 269. 

Schedim 19. 

Scheidebrief 241. 

Scheidung der Guten und 
Bösen nach dem Tode 
323. 

Scheintod 196. 

Schelamim 166 *). 349. 

Scheol 368. 376. 381. 

Schikkuz 220. 

Schlachtopfer 156. 168. 
236 f. 374. 

Schlaf (bei den Prophe- 
ten) 196. 

Schlange, eherne 51. 272. 
277; im Paradies 176; 
im Meer 186. 

Schlangenstein bei Jeru- 
salem 14. 16. 156. 

Schnitzbüder 60. 94 f. 
217. 

Schönheit der Bibel 354. 

Schöpfermacht Gottes 
218. 299. 

Schöpfung der Welt 
durch Gott 46. 183 ff. 
218. 309. 329. 356. 
368. 372. 376. 379; 
Liter.: 168. 

Schöpfung des Menschen 
170. 183 *). 

Schöpfungsberichte 1861 
329. 

Schöpfungssegen 330. 

Schriftgelehrte 370. 

Schriftpropheten 188 ff. 

. 192 0. 

Schriftstellern der Pro- 
pheten 203 ff. 310. 

Schuld (des Volkes) 362. 
373. 378. 

Schuldenerlaß im 7. Jahr 
336 

Schuldopfer 157 *). 306. 
346. 348. 



Namen- und Sachregister. 



395 



Schuldübertragung 844. 

Schulterkleid des Prie- 
sters 95. 

Schatzbedeckung des 
Menschen vor Gott 
347 ^ 

Schutzengel 87. 326 f. 

Schwangerschaft 144. 

Schwur 134. 

Sebachim 166 2 ). 

Sebna 199 f. 

Seele 169 l ). 173. 

Seelenlehre, biblische 
(Lit) 170 *). 

Seelenkult 5. 8 '). 

Seelsorge 119. 

Segen Gottes 374. 377. 

Segen Moses 119. 121. 
164. 

Segnen 119. 123. 167. 
330. 340 *). 344 l ). 

Seher 124 ff. 164. 192. 
200. 

Seirim 19. 

Selbstgerechtigkeit 362. 

Selbstverleugnung 167. 

Selbstverwünschung 
(beim Opfer) 24. 

Seleukiden 324. 

Semaja 200. 

Semikhah 344 f. 

Seraphim 101 f. 216. 226. 

Serubbabel 303 *). 307. 
312. 321. 

Seth 330. 

Sichern 110. 159. 174. 

Siebenzahl 166. 

Silo 52. 64. 80. 108. 
116 ff. 120. 126. 159. 

•Simeon 6. 

Simon Maccabaeus 367 1 ). 

Simson 17. 131. 144 ff. 
Liter.: 114. 

Sinai 40. 46 ff. 63 «). 76. 
90. 99. 108. 111. 214. 
230. 309. 334. 353. 
367. 

Sinaibund 332. 

Sintflut 186. 330 ff. 

SittlicheF orderungen des 
Deut. 240 f.; der Pro- 
pheten 260 f. ; des PC 
360 ff.; im Heiligkeits- 
gesetz 351; in den 



Psalmen 361 f. 364; 
in den Sprüchen 373 f.; 
im Hiob 376. 

Sittlichkeit in vormos. 
Zeit 38; zur Zeit Moses 
68 f.; im vorprophet. 
Israel 162; bei den 
Propheten 240. 260 f. ; 
in nachexil. Zeit 311; 
in den Psalmen 361 f. 
364. Vgl. auch „Sitt- 
liche Forderungen". 

Sklaven 30. 98. 167 f. 
238. 240. 295. 320. 332. 
339. 361. 

Sodom 111. 166. 226. 251. 

Sohnesrechte Israels 230. 

Sonnendienst 286. 

Sonnenfinsternis 314. 

Soziale Zustände zur Zeit 
Moses 68 f. ; im vorpro- 
phet. Israel 167; bei 
den Propheten (Liter.) 
261; im PC (Liter.) 
333 *). 

Speise, unreine 223. 238. 

Speisedarbietung an die 
Gottheit 21. 157. 343. 

Speiseverbote 6 f. 

Speisopfer 237. 296. 312. 
343. 349. 

Sphinxe 104 *). 

Sproß Davids 268 f. 307. 
321. 

„Spruch Jahwes" 197. 
310. 

Sprüche 371 ff. 

Staatsschreiber 121. 

Staatsverfassung der Ju- 
den 333 *). 

Stämme, die 12: 27. 335. 
341. 

Stammesgötter 68. 98. 

Steine, heilige 13 f. 27. 
37. 63 *). 

Steinigung 25. 241. 

Steinmesser 35. 

Stellvertretendes Leiden 
304 f. 

Sterne 76. 82. 231. 239. 
357. 

Stierbüder 6. 26. 94 f. 
98. 215 f. 

Stierdienst 272. 



Stiftshütte 334. 
Strafandrohungen der 

Propheten 190. 
Strafe für Sünde 311. 
Strafgerechtigkeit Gottes 

225. 
Strafleiden 302. 306. 378. 
Strafrecht, mosaisches 

333 *). 
Strafvollzug am Opfer 

346. 
Strafwein 248. 
Streicheln der Gottesbil- 
der 94. 216 *). 
Sühne 244. 319. 339. 

344 ff. 347 l ). 352. 
Sühnemittel 347. 353. 
Sühnetage 295. 
Sühnopfer 30. 32. 66. 158. 

224. 236. 343. 346 ff. 
Sünde 38. 166. 162. 164. 

172 f. 176 f. 244 f. 261. 

286. 300. 373. 377 f. 

S. wider den heiligen 

Geist 249 f. 
Sündenbekenntnis 325. 

262. 374. 
Sündenbock 344. 347. 

352. 
Sündenfall, erster 168. 

176 f. 330. 
Sündenvergebung 57. 

132. 162. 172. 244 f. 

257. 319. 345. 347 *). 

363. 362. 
Sündhaftigkeit des Men- 
schen 172. 244. 378. 
Sündopfer 148. 157 *). 

168. 237. 294. 343 f. 

346 f. 
Sündopferfleisch SU 1 ). 
Sunamitin 139. 
Symbole 239. 331. 333 f. 

341. 346 f. 361. 
Symbolische Handlungen 

bei den Propheten 

208 ff. 212. 319. 
Synkretismus zwischen 

Jahwe und Baal in Ka- 
naan 107 ff. 128. 135. 

247 f. 273. 

OUV^XT) 60 *). 

Svrien 317. 



396 



Namen- und Sachregister. 



Tabu 25. 91 »). 
Tal Josaphat 313. 
Tätowierung 141. 
Tag Jahwes 219. 263 f. 

313 f. 
Tamariske bei Bethel 

110. 
Tanit (karth. Göttin) 

87 1 ). 
Tanz, kultischer 160. 

Tartarus innerhalb der 

Unterwelt 179. 
Tasche des Priesters mit 

den heil. Losen 95 ff. 
Tatsünden 71 f. 
Taufe, verglichen mit der 

Beschneidung 332. 
Taumelbecher Jeremias 

220. 
Tell-el-Amarna-Brief e 28. 

162. 185. 
Tempel 214. 293. 320. 

334. 361; T. Salomos 

27. 108t 233 1 );274f.; 

T. als Wohnung Got- 
tes 93. 
Tempelbau 307. 311f. 321. 
Tempelberg 293. 296. 

320. 
Tempelgaben 121. 
Tempelgefäße 198. 
Tempelmusik 361. 
Tempelquelle 294. 296. 

320. 
Tempelweihe 157. 233 *). 

244. 
Tempelweihrede Salo- 
mos 214. 
Terebinthen als heil. 

Bäume 13 ff. 
Thabor 165. 
Thachpanches 209. 
Thamar 163. 
Thamid 349. 
Thammus 286. 
Thehom 186. 
Theodicee 365. 
Theokratie 57 f. 182. 

199 ff. 214. 329. 331. 

360 ff. 
Theophanieen 204 f. 330. 

356. 
Theraphim 18. 28. 97 1 

155. 161. 216. 235. 238. 



Therumah 3336. 

Thoeboth 220. 

Thopheth 209. 

Thorah242f.360 1 );Th.- 
Erteilen der Priester 
119. 122. 200. 202. 

Thron Jahwes 63»). 
102*). 104. 204. 213 ff. 
320. 

Tiamat 186 ff. 

Tiere 330. 379. 381; Er- 
schaffung 183 f. ; barm- 
herzig zu behandeln 
240. 374; Unterschied 
vom Menschen 171. 

Tierkreisbilder 187 *). 

Tischgebet 157. 

Titus 360. 

Tod 177. 312. 323. 369. 

Todesengel 376. 

Todesstrafe 241. 311. 342. 

Tore des Tempels 66. 

Totemismus 5 ff. 37. 

Totenbeschwörung 4. 124 
178. 179 *). 180. 182. 
279. 

Totenerweckungl34. 139. 

Totengebeine Hesekiels 
205. 

Totengeister 7 f. 13. 37. 
178. 179 *) u. «). 

Totenklage 201. 

Totenkult 5. 

Totenreich 323. 

„Totenseele" 181. 

Totschlag 36. 240. 341. 

Tradition,mündliche363. 

Traduzianismu8 172. 

Trankopfer 26. 312. 343. 
349. 

Transzendenz Gottes 329. 

Träume 7. 84. 100 f. 125. 
178. 180. 

Trauerbrot 10. 

Trauergebräuche 4 f. 8 ff . 
22. 211. 

Treue Gottes 226. 230. 
369. 

Trichotomie 170. 173. 
174 *). 

Tritojesaja 298 *). 307 f. 
313. 

Trostsprüche der Pro- 
pheten 190. 211. 



Typisch messianische 

Psalmen 366. 
Tyrus 113. 291. 

Uebel (sein Ursprung) 

177. 
Uebereilungssünden 348. 
Ueberweltlichkeit Gottes 

82. 218. 309 f. 
Umdeutung alter Bräu- 
che 3. 
Unbeschnittene 295. 331. 
Ungehorsam gegen Gott 

177. 236. 
Ungerechtigkeit in der 

Welt 382. 
Unglücksengel 358. 
Unheilsweissagungen der 

Propheten 190. 198. 
Universalismus des Got- 
tesbegriffs bei den Pro- 
pheten 201. 
Unnahbarkeit Gottes 224. 

229. 
Unreiner Geist 310. 347. 
Unreine Speise 144. 146. 

210. 223. 238. 
Unreine Tiere 6 f. 
Unreinheit 38. 161 f. 173. 

223 f. 331. 335. 347. 

361. 363. 
Unsittlichkeit 71. 160. 
Unsterblichkeit 171. 177. 

183. 246. 369 *). 360. 

368 f. 376. 381. 
Untergötter 299. 357. 
Unterwelt 178 ff. 292. 
Unveränderlichkeit Got* 

tes299. 
Unvorsätzliche Vergehen 

3461352. 
Unwissentliche Sünden 

346. 348. 362. 
Unwandelbarkeit Gottes 

368. 
Unzucht 160. 224 248. 

260.287. 
Urdeuteronomium 189. 
Urgeschichte, biblische 1. 

168. 
Uria (Prophet) 192 l ). 

243. 
Urim und Thummim 95. 

112. 156. 161. 



Namen- und Sachregister. 



397 



TJrmeer (myth.) 187. 329. 
Urständ des Menschen 

330 f. Urzeit 177. 
TJssa 63. 
TJssia 275. 
Utilitarismus 373 f. 



Taterschaft Gottes 230 1 ). 

231. 309. 359. 
Vegetabilische Nahrung 

331. 
Verantwortlichkeit des 

Menschen 164. 
Verbrüderungen 169: 
Verdienst (der Werke) 

vor Gott 362. 
Verfassungsentwurf He- 

sekiels 292 ff. 328. 333. 

352. 
Verfluchung 123. 
Verführung einer Verlob- 
ten 241. 
Vergänglichkeit 173. 
Vergeltungslehre bei den 

Propheten 246 f. 286. 

311; in den Psalmen 

362. 364 ff.; in den 

Sprüchen 376; im Hiob 

377 ff. 
Volksbuch von Hiob 375. 
Vergebung der Sünden 

132. 162. 172. 346. 353. 
Verheißungen (bei den 

Propheten) 190. 211. 

232. 
Verhüllen des Hauptes 

vor Gott 29. 
Verleiblichung Gottes 

82 ff 
Vernunft 195 *). 
Versammlung, heilige 

338. 
Verpflichtung auf das Ge- 
setz 332. 
Verschnittene 317. 
Versöhnungstag, großer 

20. 336. 337 f. 343. 

346 f. 352. 
Verstockung des Volks 

193. 201. 256. 
Vertrauen zu Gott 239 f. 

249. 363. 
Verunreinigung, leviti- 



sche 223. 339 f. ; durch 

Leichen 144. 147 f. 
Verzückung 143. 194. 
Vieherstlinge 169. 
Visionen 46. 101. 139 f. 

193 ff. 202 ff. 310. 
Völkerfriede 317. 
Völlerei 248. 287. 
Volk Gottes 332. 
Volksfremde 166. 332. 
Volksgenossen 165. 361. 
Volksgötter HO. 183 *). 

201. 213. 367. 
Volksgott (Jahwe) 249. 

309. 
Volksreligion 229. 298. 
Volkszählung 339. 
Vollkommenheit Gottes 

224. 226. 358; V. der 

Schöpfung 330 ff. 
Vorhang im Tempel 343. 
Vorhaut 35; des Herzens 

239. 
Vorhersehen der Zukunft 

124. 242. 300. 
Vorhof im Tempel 157. 

335. 
Vormosaische Religion 

Israels 1 ff. 
Vorsätzliche Sünden 

347 f. 

Wächter, himmlische 

313. 325. 
Waffenweihe 30. 
Wahnsinn 174. 
Wahrhaftigkeit 364; W. 

Gottes 226. 
Wahrsagerei 20 *). 123 f. 

192. 242. 247 f. 279. 
Wahrzeichen 125. 
Waisen 235. 240. 250. 

257. 311. 359. 
Walfischmythen 306. 
Walkerquelle 16. 
Waschungen 29. 223. 
Wasserlibationen 26. 
Wassertiere 186. 
Webebrust 349. 
Webeopfer 342. 349 *). 
Wehen der Endzeit 313. 
Weib 173. 184. 241. 374. 
Weihen 77. 223. 331. 

335 f. 341 f. 



Weihrauch 236. 343. 
Weihung (der Feinde an 

die Gottheit) 24. 78. 
Wein (beim Opfer) 26. 

343. 
Weinbau 26. 
Weinlese 159. 338. 
Weinverbot 144 ff. 
Weisheit 369 ff. 380 *); 

W. Gottes 201. 239. 

258. 329. 358. 363. 

378 f. 382. 
Weissagung, messiani- 

sche 190. 
Weltanschauung 183 ff. 
Weltbild, antikes 168. 

183 ff. 
Weltlauf, sein Widersinn 

(im Koh.) 382. 
Weltherrschaft Israels 

268. 290. 326; W. des 

Messias 322. 366. 
Weltordnung 372. 
Weltregierung, göttliche 

380 *). 
Weltreiche, vier 324 
Weltreligion 298 f. 
Weltschöpfung 183 ff. 

372. 376; Liter.: 168. 
Werkdienst 248. 
Wettermacher 124 x ). 
Widderopfer 163 «). 
Wiederheirat einer Ge- 
schiedenen 241. 
Witwen 235. 240. 250. 

257. 311. 359. 
Wochenfest 159. 295. 297. 

337 f. 
Wohnung Gottes 75. 105. 

177. 277. 301. 356. 
Wolke (in Verbindung 

mit der Erscheinung 

Gottes) 88 ff. 102. 204. 

318. 330. 
Wolkenbeschauer 124 x ). 
Wortsünden 71. 
Wort Gottes 134. 138 f. 

142. 197. 202. 207. 

329 f. 356. 
Wortspiele bei den Pro- 
pheten 207. 216. 
Würgengel 101. 
Wüste (als Wohnung einer 

Gottheit) 46. 150. 347. 



398 



Namen- und Sachregister. 



Wüstendämon 347. 
Wüstenzug des Volkes 

232.234. 
Wunder 184 f. 139. 224. 

228; W. der Schöpfung 

379. 
Wurzelsproß Isais 322. 



Zadok, Zadokiten 117 f. 

132 *). 161. 295. 340. 
Zauberei 123 ff. 131. 137. 

248. 279. 311. 
Zebaoth 54 f. 78 ff. 
p-tf und Derivate 226 x ). 
npnx 297. 
Zedekia (König) 240. 288. 



! Zedekia ben Kenaana 

142. 
Zehnstammereich 153 f. 
Zehnte 234. 238. 240. 343. 
Zeichen des Bundes 331 f. 
Zeichen (Wunder) 228. 
Zeichendeuterei 242. 
Zeiten, heilige 337 ff. 
Zelt, heiliges 52. 54 56 1 ). 

87. 108. 334 
Zentralheiligtum 156. 
Zephanja 280. 
Zeremonialgesetz 333 1 ). 

361. 
Zerreißen der Kleider 49. 
Zerstörung Jerusalems 

202. 206. 283. 289. 



Zeugnisleiden 377. 

Zeugung 172. 

Ziel der Menschheit 175. 

Zinsnehmen 240. 

Zion 214 237. 277. 30L 
310. 317 ff. 356. 368. 

Zippora 34 f. 40. 

Zivilrecht 333. 

Zorn Gottes 26. 76 f. 88. 
93 1 ). 107. 230. 237. 
300. 302. 325. 346. 
347 l ). 353. 361. 377. 

Zukost beim Opfer 343. 

Zukunftshoffnungen 309. 
312 ff. 3801 

nix (Fels) als Gottes- 
name 227 *). 



399 



Genesis 1 2 169 V). 186. 

329. aoff. 171. 186. 
27 ff. 329 ff. 356. 

2 f. 176 f. 3 31. 331. 
4 ff. 47. 183 ff. 7 

170 f. 173. 181. 
10-14 176 '). 19 f. 

171 f. 

3 lff. 176 f. sff. 50. 

83. 111. 19 170. 24 

103 f. 

4 3 ff. 2. 157. u 23 ff. 
33. 35. w ff. 17. 

5 s 330. 

6 1-4 100. 173. n ff. 
331. 

8 i 169 *). 20 2. 157. 
2i 172. 

9 s ff. 331. 351. e 36. 

330. 12 ff. 331. 

11 6. 7 111. 

12 e ff. 2. 14. 110. 13 
165. 17 165. 

13 7 ff. 164. 18 2. 15. 
110. 

14 7 16. 13 15. 18 ff. 

367. 

15 e 164. 9 ff. 23. 59. 
17 59. 

16 e 166. 7 ff. 84. 13 
29. u 16. 

17 lff. 23. 331. 10 ff. 
35. 332. 22 330. 

18 lff. 15. 50. 83. 
100. 164. lo-iö 
100 '). 227. 

19 l ff. 100. 164. 15 
100. 24 83. 111. 

20 2 165. 7 129*). 9 f. 
38. 166. 12 163. 166. 
17 165. 

21 u f. 166. 17 ff. 



SteUenregister. 

83 a ). 84 f. 111. 29 ff. 
16. 83 15. 110. 

22 i ff. 22 f. 163 f. 
9 2. 26. n 84. 111. 

12 164. 14 155. 16—18 

111. 16 224. 

23 i ff. 382. 3 ff. 11. 

24 3 111. 7 86 >). 100. 
111. 40 86 *)• 100. 

25 8 179 8 ). 9 11. 22 f. 
2. 30. 

26 7 165. 9 f. 166. 26 
2. 110. 

27 12 166. 

28 n ff. 14. 12 83 8 ). 
100 f. 111. 17 f. 27. 
111. 151. 18 ff. 2. 
14. 

29 26 38. 

30 37 ff. 166 *). 

31 4 ff. 166. 11 83 a ). 
84. 13 110. 151. w 
33. 97. so ff. 18. 97. 

46 27. 61 f. 27. 64 

60. 

32 2 83 8 ). 3 79. 100. 
n 164. 26 ff. 85. 30 
91 l ). 3i 29. 

33 20 2. 110. 

34 7 38. 68. 22 ff. 35. 

35 2 29. 4 15. 7 2. 14. 
100. 8 12. 15. 18 
330. 14. 20 2. 19 ff. 
12. 29 11. 179 3 ). 

37 22 ff. 166. 28 ff. 166. 
36 178. 180. 

38 8 ff. 12. 12 f. 33. 
40 15 166. 

42 38 178. 

43 u 164. 

44 5 123. 15 123. 29 
178. 3i 178. 



47 29 f. 11. 

48 n 164. 15 f. 164. 
16 85. 

497l20.29ff.ll. 179 8 ). 
50 10 ff. 11. 20 164. 

26 12. 
Exodus 2 10 40. 

3 2 85. 4 ff. 29. 85. 
6 ff. 49. 85. 18 ff. 
43 ff. 48 f. 332. is 
46. 49. 

4 2 ff. 123. 5 49. H ff. 
67. 22 230. 24 ff. 34. 

27 48. 

5 i ff. 67. 3 31 f. 46. 
49. 

6 2 ff. 48. 332. 

7 4 79. 8 ff. 123. 16 
31. 49. 20 123. 26 
31. 

8 22 31. 

9 i 49. 13 49. 23 123. 

10 3 49. 9 31. 

12 i ff. 337. n 31. 17 
79. 21 ff. 31. 27 31. 

38 61. 41 79. 

13 i 339. 12 ff. 339. 
19 12. 

14 16 123. w 83 *). 85. 

15 11 218. 224. 

16 10 330. 

17 5 123. 8 ff. 123. 

12 ff. 67. u ff. 62. 

18 off. 48 f. 12 156 *). 

13 ff. 69. 

19 6 224. 10 29. 15 
30. n_i9 46. 21 29. 

20 69. 4 f. 50. 95. ö f. 
232. 245 f. 377. 7 
44. 91 »). 18 46. 22 
214. 24 ff. 26. 93. 
156. 



400 



Stellenregister. 



21 2 ff. 339. e 30. 98. 
16 167. 17 167. so 
167. 26 f. 167. 

22 7 f. 98. 20 167. 

24 ff. 167. 27 98. 28 

289. 

23 i f. 167. 4 ff. 167. 
o 167. 10 ff. 158. 
336. uff. 94«). 159. 
w 157. 20 ff. 86. 93. 

24 27. 

24 4 ff. 2. 21. 27. 29. 
60 f. 67 f. 156 «). 8 
59 8 ). 9 ff. 60 f. 10 
204. 16 f. 90. 17 330. 

25—31 328. 334. 

25 7 95. 10 ff. 52. w ff. 
51').56. 18 ff. 102»). 
103. 21 f. 56. 22 335. 

26 i 103. 3i 103. 

27 s 26. 

28 2 ff. 174. 341. 4 ff. 
95. e ff. 97. so 161. 

43 29 

29 21 341. 37 222. 38 ff. 
349. 7 341. M 148. 

30 uff. 339. 26 ff. 152. 
29 222. so 341. 

31 13 ff. 332. 

32 i ff. 67. 99. 6 33. 
160. n 216 *). 29 67. 
121. 84 86. 

33 2 ff. 86 ff. 5 f. 52. 
7 ff. 52. 67. 334. n 
67. 18 89. 20 29. 
94»). 

34 6 230. 18 27 f. u 
232. 14-26 69. 17 
50. 95. 18 ff. 159. 
w 32. 20 94 2 ). 21 

158. 23 f. 94 »). 26 

159 '). 29 330. 
35-40 328. 334. 
40 16 341. 34 f. 90. 
Leviticus 1—7 329. 

1 4 344. 6 343. u 343. 

2 i 181. 

3 lff. 349. 2 343 f. 8 
344. 13 344. 

4 f. 346. 3 341. 4 344. 
5 341. 6 f. 343. 7 26. 
n f. 148. 15 344. 16 f. 
341. 343. 20 345. 
347 1 ). 21 148. 24 344. 

25 343. 26 345. 347 »). 



29 344. 31 345 35. 

345. 
52 181. uff. 346. 16 ff. 

346. soff. 346. 348. 

6 4 29. 18 f. 344. 23 
148. 

7 n ff. 349. 18 181. 29 ff. 
349. 

8 io f. 152. 12 341. 

9 6 90. 23 f. 90. 

10 i ff. 328. 9 148. 
11—15 339. 352. 

11 4ff. 7. 44f. 223. 
14 63 347. 

16 335. 2 56. 8 ff. 20. 

347. uff. 56. 343. 
16 ff. 346 f. 352. 21 f. 
20. 344. 23 29. 

17—26 328. 

17 7 19. u 169. 345. 

18 16 12. 

19 2 223. 6 ff. 351. 9 ff. 
107. 351. 13 ff. 351. 
16 351. 18 f. 351. 
21 ff. 351. 23 ff. 107. 
27 f. 351. 28 9. 169»). 
82 ff. 351. 36 f. 351. 

20 t f. 223. 21 12. 

21 lff. 340. 2 147. ö 
9. io 341. n 181 »). 

12 341. 23 

22 4 169 «). 

23 3 337 f. 
9 ff 337. io ff. 33. 21 
337. 25 337. 30 337. 

24 u 344 ')• 

25 2ff. 336. ö 144. 11 
144. 13 336. 23 337. 
29 ff. 337. 39 ff. 339. 
44 ff. 351. 55 339. 

26 i 27. 

27 28 ff. 26. 
Numeri 1 53 335. 

2 80. 

3 6 ff. 342. 40 ff. 342. 

4 15 342. 

5 u 174. 

6 2.8 147 f. 4 144 l ). 

6 181. 9-12 148. 11 
147. 13-21 148. 23 ff. 

340 ')• 27 92. 340 M- 

7 89 54 2 ). 56. 103 *). 

8 6 ff. 342. 10 ff. 342. 
344. 21 342. 

9 15 ff. 330. 



340. 

7 f. 337. 



10 33 52. 35 52. 54 *). 

11 4 61. 17 125. 143. 
23 227. 26 ff. 125. 
143. 

12 6 125. 7f. 230. 

14 10 90. 21 f. 89. 4« ff. 
52. 54. 

15 22 ff. 347. so f. 347. 
32 ff. 328. 

16 19 90. 22 171. so 
178. 33 178. 

17 3 222. 7 90. 330. 
16 ff. 123. 

18 7 335 *). 12 342. u 
339. 20 f. 336. 21 ff. 
343. 

19 u f. 9. 

20 1 12. 6 90. 7 ff. 123. 
16 86 >). 100. 

21 2 24. 8 f. 51. 101. 
u 62. 77. 29 63. 

22 6 123. 8 125. 18 ff. 
125. 22-35 85. 310. 

32 310. 86 125. 38 

125. 

23 lff. 125. 13 ff. 125. 
19 215. 21 153. 27 ff. 
125. 

24 if. 125. 3 f. 125. 
16 f. 125. 

26 62 336. 

27 16 171. 18 ff. 151. 
344 »)• 21 161. 23 
344 »J. . 

28 f. 349 «). 9 ff. 349. 
3 ff. 349. 

31 7 ff. 25. 17 f. 25. 
35 335. 22 ff. 36. 25 
341. 
Denteronom. 2 34 f. 25. 

3 6 f. 25. 24 218. 

4 8 241. 16 ff. 216. 19 
239. 299. 357. 20 
231. 24 232. 28 221 

35 218. 36 214. 37 

88. 229. 231. 41 36. 

5 69. 8 50. 95. 9 232. 

11 91 *)• ia ff 158 
238. 21 89. 

6 4 217. 6 239. 15 232. 

7 5 27 f. 6 223. 231. 
7 f. 229.231.9 218. 

12 ff. 229. 245. 

8 12 250. 15 101. 

9 4ff. 231. 



Stellenregister. 



401 



lOiff. 51.»11. 8 119. 
u 214. 218. 16 229. 
231. 16 239. 17 218. 
18 f. 229 240. 

11 18 ff. 245. 

12 i ff. 239. 281 *). 
334. s 27 f. 217. 

5 ff. 233. 28 169. 96 f. 

233. 3i 22. 

13 2 ff. 239. 13 ff. 239. 
16 ff. 25. 

14 if. 223. 231. s ff. 
7. 21 223. 22 ff. 238. 
343. 38 f. 238 240. 2» 
240. 

15 i ff. 238. 336. 12 ff. 
238. 281. 339. w 
229. 17 98. 

16 lff. 32. 238. öf. 
338. 9 33. 159. 16 
94 *). 21 28. 22 27. 
217. 

17^2 ff. 239. 9 241. 12 

241. uff. 244. 18 
282. 

18 lff. 241. 6 f. 118. 
10 ff. 20. 124 *). u ff. 

242. 10 125. 242 *)• 
18 67. 242 *). 282. 
20 242 »). 21 f. 242. 

19 2 ff. 240. 17 ff. 241. 

20 2 ff. 241. 6-7 30. 

6 107. 18 ff. 25. 16 ff. 

25. 

21 5 241. 7 ff. 279. 
10 ff. 240. 16 ff. 240. 
w ff. 241. 

22 1 ff. 240. 8 241. 
13 ff. 241. 20 f. 241. 
22 ff. 241. 28 f. 241. 

23 6 229. 10-16 30. 77. 
16 f. 240. 18 f. 160. 
243.19 161. 20 f. 240. 
22 f. 238. 

24 iff. 241. 6 240. 8f. 
241. 10 ff. 240. uf. 
240. 16 246. 17 ff. 
240. 19 ff. 107. 

25 6 ff. 12. 11 f. 241. 

26 iff. 233. s f. 241. 
6 ff. 234. 12 ff. 238. 

13 ff. 234. 14 10 f. 15 

214. 

27 i5ff. 216. 241. 19 
240. 



28 1 ff. 245. 36 220. 64 
220. 

29 16 220. 19 232. 

30 1 ff. 245. 3 ff. 262. 
6 239. 11 ff. 241. 

31 11 94*). 26 51. 55. 

32 4 227 '). 6 231. 7 

125. 267 »). 8 ff. 233. 
299.357 1 ). isff.125. 
16 227 '). 17 19. 18 
227 0- so f. 227 l ). 
36 162. 37 227 »). 60 
179 *). 

33 2 f. 47. 100. 108. 

4 125. 7 154. 237. sff. 
121 f. 161. 272. 16 
108. 

34 9 344 >)• 10 41. 67. 
125. 

Josua 1 8 241. 

2 11 214. 

3 sff. 115. 5 30 *)• 11 
80. 13 80. 

4 2 ff. 14. off. 115. 
20 ff. 14. 

5 2 ff. 35. 13 76. 79. 
101. 14 80. 15 29. 

6 76. 6 ff. 54. 115. 17 
24. 80. 21 24. 24 24. 
78. 

7 lff. 12 26 25. llff. 28 

78. 26 25 '). 

8 2 25. 18 123. 24 ff. 
24. 26 123. 

9 23 25. 

10 11 76. 28 24. 

11 14 25. 

19 iff. 161. 

20 335. 

23 9 f. 232. 

24 2 18. u f. 18. 19 
224. 232. 26 14. 30 
12. 32 12. 

Richter 1 6 105. ie 150. 

2 1. 4 85. 10 179 *). 
uff. 107. 110. 

3 7 110. 10 151. 31 17. 

4 4f. 125 6 15. öff. 

126. 7 125. 11 150. 
12 125. 

5 76. 2 30. 4 108. 309. 

5 47. e 17. 7 116. 
9 76 l ). 20 76. 23 81. 
84. 24 150. 

6 11 ff. 15. 85. ie ff. 



E. Eautzicb, Biblische Theologie d. A. T. 



157. 20 26. 24 108. 
110. 26 ff .28. 109 l ). 

32 17. 34 151. 

7 1 109 l ). 

8 22 f. 75. 153. 26 f. 
95 f. 27 96 *). 108. 

29 109 *). 82 12. 86 

109 *). 

9 1 ff. 73. 109 >). 6 14. 
11 76. 20 91*). 28 
174. 27 159. 37 15. 

67 91 l ). 

10 2 12 6 12. 6 110. 

11 24 74. 29 151. 30 f. 

23. 86 23 

12 7 10 12 16 12. 

13 3 ff. 85. 145. 4 ff. 
144 ff. 6 30. 7 144 f. 

8 91 »). 13 f. 145. 14 

144 *). 19 f. 26.157. 

23 157 26 145. 

14 1 ff. 146. 6 145. 
8 f. 146. 10 12 17 145. 

19 131. 145. 

15 uff. 131. 145. 17 ff. 
144 f. 

16 31 12. 
17—21 73. 

17 1 ff. 91 *). 3 f. 95. 
6 95 1 ). 96 f. 7 ff. 
119 f. 10 115. 

18 1 ff. 105. u ff. 97. 
116. 17 f. 97. 19 115. 

20 97. 30 f. 95. 116. 

19 29 24. 59 3 ). 

20 26 22. 48 25. 

21 loff. 25. ioff. 159f. 
I. Samuel 1 1 ff . 54. 

188. 3 80 f. 116. 

159. 4 ff. 156. 8 ff. 
116. 9 ff. 119.272») 

11 81. 126. 144. 13 

160. 26 ff. 119. 126. 

2 2 227 >). n-26 188. 

12 ff. 116. 118 f. 
157. ie ff. 95. 116. 
119. 126. 22 ff. 119. 
122. 27 ff. 96. 116 f. 

33 117. 36 f. 117 f. 

3 iff. 116. 126. 188. 
3 52. u 158. ie 122. 

4 54. 3 ff. 51 f. 54. 
81. 102*). 116.118. 
11 51. 117. 13 122. 

26 



402 



Stellenregister. 



17 51. w ff. 51. 122. 
22 51. 53. 88. 

5 i ff. 53. 117. 9 ff. 
53. 

6 8 157 *). h 26. 16 

118. 19 f. 53. 224. 

7 i. 117. s ff. 126. e 
22. 26. 8 ff. 30. 126. 
158. 

8 l ff. 126. 153. 188. 
e ff. 57. 250 »). 

9 6 ff. 134. 200. 9 
126. 132. 192. 11 
126. 12 ff. 126 155 ff. 
16 f. 58. 128. 133. 
153. 18 f 126. 20 
127 f. 22 155. 

9—10 16 127 f. 

10 i 151. s ff. 128. 
6 ff. 130. 143. 152. 
155. 10 f. 130. uff. 
128. l? ff. 57. 126. 
153. 188. 26 ff. 127. 

11 6 152. 7 24. 59 8 ). 
16 156 8 ). 

12 lff. 57. 126 153. 
e 42. 8 42. 17 ff. 127. 

22 231. 28 ff. 127. 

13 8 ff. 126 f. 9 30 l ). 

119. 158. 12 30. 
216 >). 

14 2 15. 8 96. 117 f. 
e 227. 18 96. 118. 
24 26. 32 f. 157. 169. 
33 ff. 26. 36 f. 161. 

41 161. 45 25. 

15 i ff. 126. 188. 3 ff. 
24. 6 150. 8 ff. 24. 
10 ff. 127. 22 f. 235. 

23 98. 29 215. 32 f. 

78. 128. 35 129 *). 

16 lff. 129 ^ 152 >). 
13 151. 152 *). u 
152. 174. 

17 45 80. 

18 17 62. 

19 13 97 f. 16 97 f. isff. 

129 f. 19 ff. 143. 

20 5 ff. 30. 158. 26 
162. 223. 24 ff. 158. 
29 12. 

21 2 ff. 117. 120. 4 ff. 
77. 5 ff. 157. 162. 
222. 6 30. 7 157. 8 
162 2 ). 10 96. 118. 



22 5 129. 6 15. uff. 
120. 16 118. 17 117 *)• 
18 ff. 25. 117 f. 120. 

28 a 96. 118. 9 96. 
118. 120. 

25 u ff. 33. 28 62. 

26 9 151. u 151. 19 
18. 75. 158. 28 151. 

28 3 ff. 179 >). 6 161. 

13 13. u 180. 

29 9 86. 101. 
80 7 96. 118. 
31 13 11. 15. 22. 

II. Samuel 1 12 11. 21 
30. 

2 4 151. 8 ff. 109 >). 

3 27 ff. 163. 36 11.22. 

4 4 109 l ). 

5 16 18. 109 »). 20 77. 
81. 109. 24 77. 81. 

6 1 ff. 53. 55. 81 
102»). 6 160. 18 119. 

14 95. 17 f. 54. 81. 
119. 

7 1 ff. 54. 132. 244. 
6 54. 14 230. 265. 

8 17 f 117 2 ). 120. 
9—20 74. 

9 6 ff. 109 J ). 

11 11 30. 21 109 J ). 

12 1 132. 14 162. 16 
22. 17 11. 26 132. 

13 12 38. 68. 13 163. 

23 ff. 33. 

14 e ff. 36. 17 86. 20 
86. 

15 7 f. 110. 12 156 2 ). 

24 54 117 2 ). 118. 
26 f. 164. 29 117 f. 
30 29. 

16 11 f. 164. 

18 18 13. 

19 22 151. 28 86. 

20 25 f. 117. 120. 

21 lff. 36. sff. 26. 8 
109 *)• 10 1 79 8 ). 12 ff. 
179 3 ). 

22 3 227 *). 32 227 *). 
47 227 *). 

23 3 227 *j. 15 ff. 26. 

24 1 376. 11 ff. 129. 
132. 16 86. 101. 22ff. 
158. 

I. Könige 1—11 74. 
1 9 14. 16. 10 132 *). 



uff. 132. 34 132 l ). 

38 16. 39 151. 45 

132 *). 60 f. 26. 

2 5 80. 10 179 l ). 26 
118«). 120. 27 117. 

28 26. 

3 4 119. 157. 8 231. 

4 2-6 117. 120. 

5 12 371 *). 

6 23 ff. 103. 29. 32. 35 
103 

7 15 ff. 27. 23 ff. 187. 

29. 86. 103. 

8 2 159. 8 f. 118 ^ 
4 55. 6 ff. 55. 103. 
9 51. 11 89. 12 55. 
14 119. 22 214. 23 

218. 27 30 32 34 38 
44 214. 46 244. 48 

214. 63 231. 60 218. 
64 157. 233 *)• «5 
159. 

10 9 229. 

11 lff. 75. 5 220. 7 
75. 156. 12 f. 245. 

14 310. 23 310. 29 

133. so f. 208. 34 
245. 

12 27 275. 28 f. 6. 99. 
sill9. 32 155.159»). 

13 83 119. 

14 2 f. 133. 200. io 
162. 15 28. 18 133. 
23 27 f. 156. 24 160. 

15 4 245. 12 160. 13 
28. 29 133. 

16 ls 221. soff. 112. 
33 28. 

17 i 134. 14 134 138f. 
17 ff. 134. 138 f. 2if. 
169. 24 134. 

18 2 ff. 135. 4 112. 
141. 7 ff. 134 f. 13 

141. io ff. 112. 135. 

142. 22 134. 26 32. 

27 135. 30 113. 34 f. 
135. 36 134. 38 f. 

135. 40 112 »)• « ff- 

135. 46 135. 139. 

19 2 112. 6 ff. 86 100. 

136. 7 86. 8 ff. 47. 
108. 13 29. u ff 
112 f. 136. 16 138.18 
109 »). 112. 216 x ). 
io f. 136. 138 *). 



Stellenregister. 



403 



20 13 f. Ulf. 22 184. 
141. 28 155. 28 134. 

142. 85 141 f. 88 141. 
89 ff. 142. 41141. 42 

142. 

21 17 ff. 136. m 162. 

26 220. 27ff. 112. 

22 6 ff. 141 f. «ff. 112. 
272. 8 ff. 140. u 142. 
208. w 79. 101. 204. 

22 f. 141. 24 142. 47 

160. 
IL Könige 1 8 85. 9 f. 

134 »). 18 134 »). 16 
85. 

2 8 6 7 141 f. 8 136. 

9 ff. 137. 12 115. 

137. 18 f. 136. 16 
141. w 134. 142. 
19 ff. 139. 28 f. 91 *)• 
138 ff. 

3 u ff. 138. 13 f. 137. 
16 ff. 139. 27 23. 75. 

4 i 141. 2 ff. 138 f. 18 

138. 16 139. 23 158. 
32 ff. 138 f. 88ff. 139. 
141. 48 139. 

5 3 138. 8 138. 10 139. 
13 138. 16 138. 17 75. 
26 f. 139 f. 

6 i ff. 141. 6 139. 12 
138 f. 16 ff. 79. 101. 

139. 20 139. 21 ff. 
115. 138. 32 137 ff. 

7 if. 139. 

8 4 138. 7 ff. 138. 12 ff. 
136. 139. 19 245. 

9 i ff. 136. 138. 140. 
143. 151. 6 151. 8 
162. n 143. 

10 i8 f. 149. 227. 18 

112. 21. 23 113. 80 

227. 

11 i275. 8 121 1 ). * ff. 
121. off. 117. 18 114. 

12 6 ff. 117. 7 ff. 121. 

10 27. 17 157 l ). 

13 6 247. 6 28. u ff. 
115. 133. 137. 16 ff. 
123. 138. 

14 9 273. 19 ff. 275. 
26 f. 162. 247. 

15 37 219. 

16 8 22. 

17 6 28*. 7 ff. 247. io 



27 f. is 220. 16 221. 

17 22. 21 ff. 99. 24 ff. 

274. 29 155. 82 155. 

18 4 27 f. 51. 276 f. 
M ff. 278. 

19 16 102*). 218. 8i 
232. 86 87. 

21 8 ff. 28. 276. 279. 
6 279 *). 6 22. 7 28. 

28 f. 275. 

22 f. 277. 

22 4 ff. 117, 12 ff. 281. 

23 iff. 281. 4ff. 28. 
281. 6 28. 7 249. 8 
156. io ff. 22. 248. 

12 279 *). is 75 1 ). 
220. 277. H 27. 16 
156. iol55. 24 97 f. 
220. 248. 26 f. 93. 
250. 

24 2 ff. 245. 250. 
Jesaja 1 2 208 >). 219. 

231 f. 8 249. 4 225. 

249. 11 ff. 235. 248. 
272. 12 94. io ff. 240. 
257. 18 f. 245. 21 f. 
245. 23 240. 24 227 *). 
26 ff. 201. 257. 26 
245. 262. 29 248. 

2 2-4 270 l ). 307. 

317f.320.6ff.208 1 ). 
248 f. 8 216. 10 219. 
uff. 253. 18 216. 
19 219. 20 216. 248. 
21 219. 

3 1 ff. 257. 8 f. 251. 
uff. 250. io ff. 250. 
24 f. 257. 

4 i257. 2ff.307.319f. 
321 >)• ß 318. 

5 1 ff. 207. 249. 5 f. 
257. 9 202. 10 257. 

13 257. 14 246. 16 
82. 225. 19 249. 20 

250. 23 250. 24 ff. 
82. 257. 26 219. 

6 1 ff. 82. 89. 101 ff. 
213. 243. 3 225. 6 
244. 6 f. 102. 244. 
off. 197. 201. 256. 
11 ff. 257. 259. 18 
269. 

7 1 ff. 206. 4 239. 9 
239. 257. 11 199. 
228. 246. 14 264 ff. 



268. 17 154. 274. 
is ff. 257. 

8 1 ff. 117. 243. s 
129*). 6 ff. 257. 8 
265 1 9 f. 266. 307. 
315. 11 194. 243. 
i2f. 239. 16 ff. 243. 

276. is 214. 256. 

277. 19 182. 248. 
21 f. 257. 

9 iff. 266 f. 321. 6 
232. 

10 iff. 240. 250. 4257. 

6 ff. 200. 219. 10 f. 
216. 16 ff. 219. io ff. 
240. 258. 20 ff. 225. 
307. 24 ff. 219. 240. 
258 f. 88 f. 240. 258. 

11 iff. 174. 266 f. 
321. off. 267. 270. 
10 ff. 266. 307. 315. 
319. 322. 18 315. 
14 f. 816. 

12 1 ff. 307. 319. 

13 1 ff. 208 *). 254. 
306 f. 314. o ff. 313. 
10 314. 13 314. 21 
19. 

14 if. 316. 1-23 306 f. 
4 ff. 208 *). 9 ff. 179. 
182. 323. 24 ff. 219. 
258. 32 214. 

15 1 ff. 208 *). 

17 3 ff. 247. 4 ff. 240. 
257. 7 225. 8 28. 
216. 10 227 »). 12 ff. 
219. 258. 

18 8 ff. 219. f. 258. 

7 270. 307. 319. 

19 1 102. 216. 218. 
2 220. 3 216. 4 220. 
14 174. 220. 18 ff. 
270 »). 307. 19 27. 
317. 26 818. 

20 if. 243. 2ff. 29. 
208. 3 230. f. 208. 

21 1-10 306 f. off. 
198 '). 

22 1 ff. 208 *). 259. 4 
243. 8 ff. 249. 11 ff. 
249. 14 202. 16 ff. 
199 f. 

23 9 220. 11 220. i6_ie 
307. 819. 

24—27 307. 323. 

26* 



404 



Stellenregister. 



24 lff. 315. 18 ff. 314. 
2i f. 79. 310. 326 l ). 
ss 318. 

25 e f. 317. 8 323. 369. 

26 4 227 l ). w 323. 
326. 369. 

27 e 319. »28. 12 f. 
315. 

28 lff. 247. 7 f. 160. 

248. 2 ff. 249. 12 
240. 18 f. 259. 16 
246. 249. 16 214. 

257. 277. 17 ff. 246. 
259. 23 ff. 106. 207. 
24 ff. 258. 

29 i 214. 238. 259. 

277. 5 307. 316. 7 f. 
307. 316. w 174. 
192. is 248. 15 f. 
229. 249. 259. i7_24 
307. 318. 320. 

30 lff. 231. 249.259. 

278. 7 186 l ). 8 243. 
9 231. 249. 10 192. 
is f. 257. is 240. 16 

249. 17 257. is ff. 
66. 226. 307. 22 97. 
23 ff. 319. 26 314. 
27 46. 93. 307. 316. 
29 227 »). 

31 i ff. 249. 259. 278. 
3 173. 215. 4 214. 
5-9 214. 216. 277. 
307. 

32 f. 307. lf 322. 9 ff. 
259. 15 ff. 320. 

33 3 f. 316. 5 f. 320. 
12 315. 20 319. 22 
318. 23 316. 24 319. 

34 f. 306 f. 4 314. 5 ff. 
314. 8 ff. 314. u 
19. 16 310. 

35 i ff. 315. 

37 16 218. 22 ff. 208 *). 

258. 36 f. 87. 258. 

38 i 201. 17 245. is f. 
182 

39 3 ff. 132. 

40 2 300. s 301. 6 
301. 12 299. is ff. 
299. is ff. 300. w 
94. 22 ff. 299. 26 
299. 27 301. 28 ff. 
299. 29 ff. 302. 

41 iff. 302. 305. 4 



299. 8 f. 300. 302. 
10 ff. 301. H 300. 

16 f. 302 l ). w 300. 

17 ff. 301. 2i ff. 300. 
25 ff. 300. 29 300. 

42 i ff. 297. 303 f. 2 ff. 
305. 5 299. 6 305. 
8 300. 9 300. 10 ff. 
301. 16 301. 19 302. 
24 f. 300. 

43 2 301. 3 f. 300. 
6 ff. 301. 6 231. 10 
299 f. 302. 13 299. 
H 300. 16 ff. 301. 
22 ff. 300. 

44 i f. 302. s ff. 302. 
6 299. 7 f. 300. 8 
227 l ). 299. 9 ff. 94. 

300. 21 302. 22 f. 

301. 24 299. 26 ff. 

300. 28 301. 

45 iff. 301. 4 302. 6f. 
299. 9 299. u 231. 

12 299. is 301. u 
299. 17 302. is 299. 

21 800. 22 ff. 304. 

46 3 300. 6 ff. 300. 
10 f. 300 f. 

47 i ff. 208 *). 302 l ). 

6 300. 

48 i 4 sff. u 300. is 
299. M ff. 300 f. 20 

302. 21 301. 

49 l ff. 297. 303 f. 6 f. 

301. 304. 8 305. lof. 

13 u f. 18 ff. 301. 

22 f. 302 l ). 316. 

50 i 300. 4 ff. 303 f. 
e 305. 

51 6 306. 323. 9 186. 
17 300. 19 300. 22 f. 
302 l ). 

52 7 f. 208 »). 301. 10 

302. 12 301. 13 ff. 

303. 305. 

53 iff. 303 f. 

54 i ff. 301. 5 ff. 301. 

7 ff. 13 17 302. 

55 sff. 301. 12 301. 
w f. 300. 

56 iff. 311 f. 317. 7 
317. 9 ff. 311. 

57 iff. 208 '). sff. 
309. 



58 iff. 311. sff. 812. 

6 ff. 311. 13 312. 

59 2 ff. 311. 9 313. u 
89. 21 320. 

60 lf. 89. s 317. 4 
316. 6 f. 319. 7 319. 
9 f. 316. 11 319. 14 
316. is ff. 319. 17 ff, 
208 0. is ff. 318. ffl 
320. 

61 i 318. 6 f. 316. 

62 6 f. 313. 

63 i ff. 315. 9 88. u 
42. 16 231. 309. 

64 7 231. 309. 

65 17 323. 20 319. 22 f. 
319. 26 319. 

66 1 ff. 308. is f. 89. 

19 ff. 316. 21 320. 22 
323. 24 321. 323. 

Jeremia 1 5 193 219. 

7 194. 9 ff. 197. 11 
203 f. is 203 f. 16 
216. 248. 

2 2 ff. 232. 6 ff. 220. 

248. 8 250. 11 220. 

27 27. 

3 1 ff. 247. 4 231. 
14-18 54»). 56. 307. 
315. 320. 19 230 f. 

20 ff. 248. 

4 1 220. 4 239. 19 243. 

5 iff. 251. s 260. 12 

249. 22 187. 24 218. 
si 249 f. 

6 4 30. 13 250 f. 20 
235. 28 251. 

7 1 ff. 260. 4 ff. 249. 
280. sff. 240. sff. 
249. 280. 12 ff. 117. 
16 260. 17 ff. 248. 

21 ff. 68. 236. 25 230. 
242. so f. 23. 220. 
248 

8 2 248. 8 242. 18 ff. 
221. 243. 

9 iff. 251. 10 260 iß 
260. 20 f. 208 *). 23 
243. 

10 1-I6 307. 309. 9 
97. 10 318. i*f- 
218 '). 25 315. 

11 iff. 281. 2 ff. 242. 
13 248. 14 260. is ff. 
249. 



Stellenregister. 



405 



12 1 ff. 243. 248. 3 
24 8 ). e 249. uff. 
270 >}. 

13 i ff. 208 f. 4 ff. 
209 *). 9 250. w 260. 

28 244. 251. 27 247. 

14 u 260. 12 260. uf. 
249. 18 260. 22 218. 
221. 

15 i 42. 129. 260. 4 
245. 8 f. 208 *). 10 
249. iö 243. 249. i? 
194. 

16 7 11. 13 260. 18-21 

220. 307. 318. 

17 2 28. 4 260. 6 ff. 
239. 9 244. 10 229. 

19-27 307.312. 21 ff. 

238. 26 312. 

18 i ff. 202. s ff. 260. 
8 370. iö 221. 16 260. 

18 ff. 202. 249. 369. 
23 244 

19 i ff. 209. 260. 6 
22 f. 248. 8 260. 13 
248. 

20 i ff. 282. 3 ff. 200. 
e 243. 7 ff. 194. 243. 
249. 

21 3 ff. 200. 7 243. 

22 i ff. 200. 3 240. 5 
224. 7 30. 13 ff. 200. 

19 179 8 ). 

23 i ff. 250. 290. 4 
269. 5 ff. 268. 321. 
7 ff. 261. 9 ff. 250. 
iö ff. 249. 21 250. 24 
214. 228. 25 ff. 250. 

29 242. soff. 250. 

24 lff. 261. 6 ff. 261. 
10 260. 

25 4 242. 6 216. 9 260. 
u 260. iö ff. 220. 18 
260. soff. 315. 

26 i ff. 282. 2 f. 260. 
3 201. 5 242. 6 260. 

20 ff. 192 »). 

27 iff. 209. 2 ff. 240. 
6 218. 6 219. 9 f. 
249. 12 ff. 200. 240. 
uff. 249. 

28 iff. 198. 249. 283. 

10 209. 13 ff. 200. 

209. 219. 16 f. 243. 
29 i ff. 283. 8 f. 249. 



16-20 307. 18 260. 
w 242. 21 ff. 249. 
24 ff. 200. 3i f. 249. 

30 3 261. 10 f. 307. 
315. 16 ff. 261. 

31 iff. 261. 2 ff. 229. 
247. 5 261. 9 231. 
261. io-i4 307. 319. 
16 ff. 247. 18 ff. 261. 
27 261. 29 f. 245. 
286. 3i ff. 270 f. 283. 

36 187. 38-40 307. 

318 

32 6 ff. 209.240.17-23 
307. 309. 24 209. 27 
228. 30 216. 35 23. 

37 ff. 261. 

33 u-26 307. 321. 
16 268. 320. 17 269. 
18 320. 21 320. 26 
218 *). 

34 12 ff. 281. 18 f. 24. 
59. 

35 iff. 149f. 

36 i ff. 207. 19 282. 

21 ff. 282. 25 282. 32 

207. 

37 3 ff. 261. 

38 2 f. 240. 4 ff. 283. 
n ff. 240. uff. 200. 

42 i ff. 199. 10 ff. 240. 

43 8 ff. 209. 

44 8 ff. 216. 17 ff. 248. 
46—49 307. 314. 

46 27 f. 315. 

49 7 ff. 314. 

50 f. 307. 314. 4 315. 

51 20 ff. 309. 34 187. 

36 187. 42 187. 

Hesekiel 1 i ff. 194. 
203 f. 3 194. 4 ff. 
197. 6 ff. 103 f. 22 
104. 26 ff. 89 f. 104. 

204. 285. 

2 3 ff. 194. 197. 286. 
5 286. 8 ff. 205. 

3 12 89. 103. u f. 
194 ff. 17 ff. 197. 
286. 22 ff. 89. 194. 

205. 26 f. 196. 

4 i ff. 210. 289. 4 ff. 
210. 9 ff. 210. 289. 
16 f. 289. 

5 iff. 210. 289. 6 ff. 



286. n 287. uff. 
289. 

6 4 ff. 287. 13 287. 

7 20 287. 

8 i ff. 194. 196. 205. 
286. 4 89. 12 285. 

9 s 89. 104. 4 ff. 289. 
8 ff. 288. 

10 2 289. 4 89. 104. 
7. 12 103 f. 18 f. 89. 
104. 

11 6 195. 13 288. 17 ff. 
289. 19 290. 22 f. 89. 
26 196. 

12 iff. 211. 3 ff. 289. 

17ff. 211. 

13 iff. 288. 17 ff. 288. 

14 u ff. 288. 375. 20 
375. 21 ff. 289. 

16 1 ff. 273. 3 ff. 287 f. 
4 ff 285. 5 ff. 64 l ). 
18 97. 20 f. 22. 289. 
26 ff. 288. 46 ff. 288. 
60 ff. 289. 

17 1 ff. 207. 11 ff. 288. 

22 ff. 290. 

18 2 ff. 245. 286. 6 ff. 
285. 20 286. 31 290 l ). 

23 202 286. 

19 1 ff. 208 *). 

20 7 f. 18. 287 *). 24 
18. 26 ff. 23. 289. 
31 22. 40 f. 292. 

21 6 ff. 288 f. 23 ff. 289. 
26 97 f. 32 290. 

22 6 ff. 285. 288. 10 f. 
26 27 f. 288. 

23 1 ff. 273. 287 f. 3 
287 f. 8 287 f. 11 
288. uff. 288. 21 
288. 37 ff. 22. 39 289. 

24 3 ff. 211 Vis ff. 
211. 

25 3 7 f. uf. 15 17 291. 

26 2 291. 

27 s 291. 

29 3 ff. 187. 291. iö 
285 *). 

30 2 f. 291. 

32 2 ff. 187. 23 179. 
292. 323. 

33 11 286. 22 194. 27ff. 
289. 

34 iff. 288.290. 11 ff. 



406 



StellenregiBter. 



290. 13 ff. 289. 28 f. 
290 f. 24 ff. 290. 

85 1 ff. 291. 4 918 16 

285. 
85 8 ff. 289. ao ff. 285. 
*26f. 290. ssff. 289. 

87 lff. 194. 205.289. 
uff. 323. 16 ff. 273. 
315. 19 ff. 211. »ff. 

291. 26 289. 292. 28 
292. 

88 f. 302 »). 814. 316. 
M f. 292. 

89 7 292. 26 ff. 289. 29 
289. 

40—48 42. 58. 196. 
205 f. 284. 291 ff. 
328. 

40 1 194. 2 293. s f. 
206. 89 ff. 294. 46 
295. 

41 18 ff. 103. 

42 18 f. 294. 

43 2 ff. 89. 285. 7 285. 

293. 12 293. 16 26. 
18 ff. 294. 20 26. 

44 1 293. 3 296. 6 ff. 
21. 287. 295. 9 ff. 
205. 10 ff. 295. 16 ff. 
21. 118. 17 ff. 295. 
297. 19 29. 20 144. 

45 lff. 293.8 296. 9 ff. 

294. 13 ff. 296. 17 ff. 
296. 349. 18 ff. 294 f. 
2iff. 295. 349. 25 159. 

46 1 ff. 294. 296. 18 
296. 

47 1 ff. 294. 320. 12 
294. 22 294. 

48 8 ff. 293. 19 294. 
86 294. 

Hosea 1 2 193. 247. 4 
227. 255. 

2 1-8 307. 318. 2 315. 
322. 4 ff. 247. 7 ff. 
106. 247. 11 ff. 255. 

18 238. 16 110. 16 ff. 

255 f. 17 f. 18. 109 >). 
i9 110. 20 270. 23 f. 
270. 

3 1 229. 256. 4 27. 96. 
98. 216. 238. 6 807. 

4 1 ff. 250. 4 ff. 250. 
12 247. 18 f. 160. 
248. 



5 6 248. 8f. 255. 13 

249. 
6 243. 6 234. 374. 

7 11 249. 

8 4 ff. 2i6. 250. 9 f. 

249. 11 248. 12 243. 
18 255. 

9 s 288. 255. 4 10. 6 

255. 7 f. 249. 9 250 0. 
16 250 , ). 

10 1 248. 6 216. 8 255. 
9 250 >). 12 255. 18 
249. 

11 1 229. 231. 2 110. 
8 f. 232. 6 255. 9 

215. 224. 255. 

12 2 249. 4 f. 85. 215 >)• 
14 42. 67. 

18 2 216. 4 217. 10 f. 

250. 12 255. 14 179. 
14 2 ff. 255. 307. 4 

216. 249. 5 ff. 255. 

6 ff. 319. 

Joel 1 9 312. 18 312. 

16 313. 16 312. 

2 lf. 313. io314. 18 f. 
312. 

3 lff. 313. 320. 8 f. 
314. 310. 

4 lff. 313 f. 10 314. 

17 318. 18 319. 19 
314. 20 319. 

Arnos 1 1 207. 2 214. 

8 219. 226. 262 *). 

9 219. 226. 11 ff. 
219. 226. 314. 13 
219. 226. 

2 1 ff. 201. 220. 226. 
4 216»). 254. 6 f. 
250. 7 160. 224. 8 
248. 9 f. 232. 11 
129 »). 146 f. 193. 
243. 12 249. 14 ff. 
253. 16 253. 

3 2 231. 246. 253. 7 
193. 8 194. 11 253. 

4 1 250. 2 f. 224. 253. 
4 f. 248. off. 253. 

7 218. 

5 1 201. 253. 2 f. 
208 *). 8 253. 4 201. 
239. 254. 6 253. 6. 
201.239. 8 f. 218 >). 
13 218 l ). 14 f. 254. 
16 201. 240. 16 f. 



253. 18 ff. 253. 21 
162. 234. 22 156 «). 
272. 26 18. 68. 26 
287 *). 27 253. 

6 4ff. 250. 7 253. 8 
250. 9 f. 253. 10 
91 >). 13 250. H 253. 

7 1 ff. 203 f. 253. 4 
208. 7 ff. 203 f. 253. 
9 253. 11 253. 12 
192. 14 192 f. 17 253. 

8 1 203. 8 91 *). 253. 
158. 238. 10 253. 
18 253. 14 216. 

9 1 ff. 203 f. 253. 2 
246. 8 186. 4 253. 

6 f. 218 O. 7 220. 
8 ff. 252. 307. 11 
322. 12 316. 13 319. 
16 319. 

Obadja 10 f. 200. 307. 

314. 16 ff. 314. 18 

315. 19 ff. 316. 
Micha 1 2 f. 214. s ff. 

46. 219. 6 f. 259. 

8 243. 10 ff. 208. 

2 2 250. o 249. 11 249. 
12 315. 13 322. 

3 1 ff. 250. 5 30. 249. 

7 192. 8 243. 11 200. 
249 f. 12 259. 

4 lff. 270 >)• 307. 817. 
320. 4 319. 6-8 307. 
off. 259. 10 ff. 190 f. 

11 ff. 302 *). 307. 

316. 18 25. H 259. 

5 1 ff. 267. 321. 9 249. 

12 27. 13 28. 

6 4 f. 42. 232. o ff. 22. 
235. 240. 

7 lff. 251. 279. 4 250. 
6 f. 251. 7-20 307. 

9 f. 315. 11 318. 13 
315. 10 316. 18 ff. 

245. 319. 
Nahum 1 2 232. 3 ff. 46. 

219. 14 95. 
3 6 ff. 219. 
Habakuk 1 12 f. 219. 
225. 

2 lff. 198. 243. 4ff. 

246. 262 *). 14 89. 
16 219. 18 f. 220. 

3 lff. 307. 3ff. 46f. 
108. 809. 18 367. 



Stellenregister. 



407 



Zephanja 1 sf. 248. e 
280. 7 ff. 254. 12 
280. 15 254. 18 232. 

2 1-3 314. 4_i5 307. 
314. 

3 4 250. 8 232. 9 317. 
n ff. 270. 14-ao 307. 

15 318. 20 318. 
Haggai 1 5 ff. 311 f. 

2 e 307. 313. 7 319. 

12 222. uff. 311. 
20 ff. 807. 313. 23 
321. 

Sacharja 1 7 ff. 206. 
8 ff. 203. 206. 313. 

11 ff. 87. uff. 310. 

13 ff. 206. 15 315. 

2 iff. 203. 206. 315. 

5 ff. 318. 7 87. loff. 
206. 14 318. 15 316. 

16 f. 318. 

3 1 ff. 87. 310. 319. 
376. 8 268 l ). 307. 
321. 

4 1 196. 206. 9 212 l ). 

14 322 

6 iff. 315. 8 206. 10 ff. 
212. 321. 12 268 J ). 

307. 14 212 »). 

7 9f. 311. 

5 3 318. 4 319. 5 318. 
9ff. 311 f. ief. 311. 
18 ff. 320. 20 ff. 317. 

9 iff. 314. 8 318. of. 
322. 11 ff. 315. 

10 2 97 f. 5ff. 315. 
8 ff. 315. 

12 2 ff. 316. 8 87.322. 
10 320. 322. 

13 2 ff. 310. 

14 iff. 314. 6 f. 314. 
8 320. 9 217 a ). 318. 
10 320. 12 ff. 316. 
16 ff. 321. 

Maleachi 1 2 f. 5 309. 

6 f. 231. 308. 11. 14 
309. 

2 ö ff. 312. 10 ff. 231. 

308. 17 308. 

3 1 87. 310. 2 ff. 308. 
313. 311. sff.308. 

12 319. 14 f. 308. 19 ff. 
313. 23 f. 310. 313. 

Psalmen 1 2 352. 361. 
5 368. 



2 7 230. 8 f. 322. 366 f. 

3 4 ff. 368. 

5 5 ff. 359. 8 361. i2f. 
363. 

6 6 182. 359. 

7 7 ff. 368. 10 358. 12 
359. 

8 4 ff. 356. 359. 6 ff. 
356. 

9 8 359. 

11 4 356. 7 359. 

14 2 356. 7 367. 

15 1 ff. 364. 

16 2 362. 5 363. 8 f. 
363. 10 f. 181. 369. 

17 1 ff. 362. 16 369. 

18 8 ff. 46. 357. 11 
102. 21 ff. 362. 32 
356. 

19 2 ff. 89. 356. 8 ff. 
352. 361. 13 362. 

20 2 92. 3 356. 4 361. 
7 356. 

21 10 88. 

22 7 ff. 361. 28 ff. 368. 

23 1 ff. 365. 4 363. 

24 1 f. 356. 3 f. 364. 
7 ff. 10 55 81 f. 

25 7 362. 

26 8 361. 

27 1 363. 4 361. 

28 8 367. 

29 1 357. 3 ff. 356. 

30 4 181. 10 182. 359. 

31 6 369. 

32 1 f. 362. 

33 5 359, 6 356. 359. 
7 187. 9 356. 12 231. 
360. 14 f. 356. 16 f. 
359. 

34 8 87. 358. 19 362. 
13 ff. 364. 

35 5 f. 87. 358. 

36 5 359. 8 359. 10 
362. 

37 25 365. 

38 19 362. 

39 1 ff. 365. 5 ff. 359. 
13 f. 360. 

40 5 186. 7 236 f. 361. 

41 11 364. 

42 2 f. 363. 

43 3 f. 361. 

44 6 92. 10 ff. 79. 362. 



18 ff. 362. 20 187. 22 
358. 

46 7 356. 9 ff. 356. 

47 2 ff. 356. 368. 5 
231. 9 f. 367. 

49 359 »). 365. w 181. 
369. 

50 2 356. 8 ff. 237. 

361. 16 ff. 364. 

51 3 ff. 362. 7 172. 
360. 12 362. 18 ff. 
237. 361. 19 362. 

54 3 92. 8 f. 93. 361. 
58 2 357. 11 364. 

62 10 359. 

63 2 363. 

65 5 361. 6 ff. 356. 8 
187. 10 ff. 356. 

66 iff. 368. 7 356. 13 ff. 
361. 

67 3 ff. 368. 

68 6 230 *)• 359. 9 47. 
108. 17 356. 18 357. 
30 ff. 368. 33 368. 

69 31 f. 237. 361. 

72 4 f. 366. 8 366. 9 ff. 
368. 12 ff. 366 f. 17 
366. 19 89. 

73 359 2 ). 365. 25 f. 
363. 

74 2 360. 13 f. 186. 
357. 16 f. 356. 

77 15 ff. 361. 18 ff. 46. 

78 4 361. uff. 361. 49 
358 

80 2 102 2 ). 17 88. 
82 1 357. e f. 357. 8 

356. 
84 2 ff. 361. io367. 11 

361. 

86 8 357. p 368. 13 
181. 15 359. 

87 4 186. 

88 6 182. 11 ff. 182. 
359. 

89 7 f.' 357 f. 10 f. 186. 
357. 21 151. 27 230. 
39 367. 49 181. 359. 
52 367. 

90 1 f. 358. 4 358. 8 

362. 10 359. 12 359. 

91 1 ff. 363. 11 f. 358. 

92 2ff. 363. 6 358. 13 ff. 
365. 

93 lf. 367. 



408 



Stellenregister. 



94 iff. 368. 17 181. 

95 8 857. 4 356. 

96 4 357. 7 ff. 368. 18 
368. 

97 iff. 867 f. 2ff. 46. 
7 357. 9 357. 

98 4 368. 9 368. 

99 i ff. 102 *). 867. e 
42. 

101 i ff. 364. 368. 

102 w 368. 23 368. 26 ff. 
358 

103 3 ff. 362. 7 42. 8 ff. 
359. 362. 18 ff. 359. 
19 356. 20 f. 79*). 
357 

104 2 ff. 102.356. e f. 
187. 13 ff. 356. 24 
358. 26 186. 27 ff. 
356. 29 f. 171. 

105 8 361. 15 129 2 ). 
367. 26 42. 

106 7 ff. 361. 16 42. 23 
42. 37 19. 

109 7 ff. 364. 

110 i ff. 367. 

111 9 361. 

112 iff. 365. 

113 4 356. 

115 i ff. 363. 8 358. 
4 ff. 356. 17 182. 359. 

116 18 f. 361. 

117 i 368. 

118 6 ff. 363. 10-12 92. 

119 352. 9 36 133 362. 

121 i ff. 363. 

122 iff. 361. 
124 8 92. 

127 lf. 363. 

128 i f. 365. 

129 8 92. 

130 i ff. 362. 

131 lf. 363. 

132 17 f. 366. 

135 4 231. 360. 5 357. 
e 358. 

137 7 ff. 364. 

138 i 357. 4 f. 368. 

139 iff. 358. 7 ff. 182. 
358. 15 ff. 358. 

141 2 361. 

143 2 362. 6 363. 

144 4 359. 

145 15 f. 356. isf. 363. 

146 3 f. 359. 9 359. 



147 8 f. 356. 

148 2 79 *). 357. 3 ff. 
856. 11 368. 

149 6 ff. 368. 
Sprüche 1—9 371. 

1 l 371 l ). 4 870. 6 
3&9. 7 374. 20 f. 372. 
29 374. 

2 i ff. 370. 374. 2i f. 
375. 

3 i 370. 6 374. 9 f. 
378 f. 12 374. 27 ff. 
874. 

4 i 370. 10 370. 373. 

5 iö ff. 873. 

6 i ff. 873. 6 ff. 373. 

28 374. 24 ff. 374. 29 

373. 82 ff. 373. 

7 i ff. 374. 

8 i ff. 372. 22 ff. 187. 
372 f. 

9 iff. 372. io374. 13 ff. 
372. 

10 iff. 371. 12 374. 22 

374. 26 375. 

11 21 375. 3i 375. 

12 4 374. 10 374. 

13 9 375. u 369. 21 f. 
375. 

14 11 375. 31 374. 34 
374. 

15 11 182. 374. 16 f. 
374 

16 8 f. 19 38 374. 

17 3 374. 6 374. 18 
373. 

18 10 92. 374. i2 374. 

19 17 374. 

20 1 373. 9 374. 16 
373. 22 374. 

21 1 374. 3 374. 17 
373. 31 374. 

22 4 373. 17 369. 26 f. 
373. 

23 u 181. 20 f. 373. 

29 ff. 373. 

24 12 374. 17 ff. 373. 
20 375. 29 374. 

25 21 f. 374. 
28 8 13 26 374. 

30 8 374. 15 19. 

31 10 ff. 374. 30 374. 
Hiob 1 2 375 l ). 6 ff. 

100. 310. 376. 8 
377. 



2 1 ff. 100. 376. 3 377. 

3 1 ff. 377. 8 186. 376. 

4 17 378. 18 376. 

5 1 376. 

7 9 f. 376. 12 187. 

9 5 ff. 378. 13 186. 
376. 22 ff. 378. 

10 si f. 876. 
12 ls ff. 378. 

14 1 178. 4 171. 378. 
10 ff. 377. 20 f. 182. 
377. 

15 U171.378.16 376. 

16 18 ff. 378 22 377. 
19 4 378. 26 ff. 376 ff. 
21 7 ff. 378. 19 ff. 182. 

378. 26 377. 

24 1 ff. 378. 

25 4 ff. 171. 

26 5 ff. 378. 6 182. 12 f. 
186. 376. 14 378 

28 iff. 373. 23 ff. 373. 

29 1 ff. 378. 12 ff. 376. 
18 376. 

30 1 ff. 378. 23 377. 

31 iff. 376.378. 35 ff. 
378. 

33 22 f. 376. 

34 u f. 171. 

38 1 ff. 376. 378 f. 7 
100. 376. 8 ff. 187. 
39 ff. 379. 

39 1 ff. 379. 

40 4 f. 379. 15 ff. 187. 
25 ff. 186. 

42 3 ff. 379. 6 877. 
7 ff. 375 *). 
Klagelieder 1 354 1 ). & 

8 14 18 362. 21 f. 

362. 364. 

2 354 *). lf. 14 17 aif. 
361. 

3 354 l ). 21 ff. 361. 
39 ff. 362. 64 ff. 364. 

4 354 »). 6 362. 11 361. 
13 361. 16 88. 21 f. 
364. 

5 354 >). 7 362. w 362. 
Prediger l4ff. 381. 9 f. 

381. 12 ff. 380 l ) f. 
18 380 *)f. 

2 iff. 381. uff. 381. 
24 382. 

3 11 ff 382. 14 382. 
16 380 *). 382. 19 ff. 



Stellenregister. 



409 



381. 21 381. 22 382. 

4 iff. 380 >)• 382. 17 
381. 

5 7 ff/ 380 l ). 17 382. 
6sff. 380 »)f. 

7 i ff . 380 *). u ff. 

380 l ). 16 381. w 

380 l ). 28 380 ') f. 
8i380 1 ).ioff.380 1 )i\ 

u 380 ») f. iö 382. 

17 382. 

9 2 f. 381. 4 ff. 381. 
7 ff. 382. 10 182. 
381. 17 f. 380 »)• 

10 12 380 »). 

11 s 382. 

12 7 381. 9 ff. 381. n 
370. 18 f. 381. 

Daniel 1 8 ff. 324. 

2 324. 44 326. 

3 22 ff. 324. 26 325. 

4 10 ff. 325. 21 325 f. 
soff. 324. 

5 so- 324. 

6 23 325. 26 324. 

7 324. 9 ff. 325 f. isf. 
326. iö ff. 325. 2i f. 
326. 27 326. 

8 11 13 f. 16 ff. iö 325. 
26 324. 



4 ff. 325. 21 ff. 325. 
24 ff. 324. 

10 ff. 324. 4 ff. 325 f. 
18 325 f. 357. 21 326. 

11 8i 325. 36 ff. 324 f. 

12 i 326. 2 323. 326. 
369. 4 324. ö ff. 325. 
9 324. 11 f. 325. 18 
327. 20 326. 

Esra 3 2 ff. 307. 

4 6 ff. 308. 23 308. 
• 7 6 341. 12 21 26 328. 

8 2 340 l ). 
Nehemia 1 3 ff . 308. 

2 12 ff. 308. 

3 1 ff. 308. 14 150. 

8 iff. 308.328. 18 328. 

13 4 ff. 309. 

I. Chron. 2 66 150. 
3 8 109 *). 

8 33 f. 109 *). 

9 39 f. 109 l ). 

10 12 15. 

12 6 109. 

13 6 81 

14 7 109 ')• 
18 16 117 *). 
21 1 376. 

24 6 117 a ). 3i 117 2 ). 

25 129 *). 

II. Chron. 7 1 89. 



9 29 129 a ). 

11 16 19. 

12 16 129 8 ). 

13 8 98. 22 129 *). 
19 2 129 2 ). 

22 11 121 *). 

28 3 278. 

29 so 129 2 ). 
33 4 93. 

35 16 129 a ). 
Apokryphen. 
Weisheit 2 24 f. 376. 
II. Makkabäer 2 6 ff. 
56 '). 

6 18 ff. 303 *). 
Henoch 22 1 178. 

Neues Testament. 
Matth. 5 44 f. 364. 12 

81 f 250. 
Joh. 1 1-8372. 4i 262 *). 

4 24 215. 26 262 *). 
Acta 7 22 40. 

17 28 174. 
Römer 1 23 99. 

4 iff. 164. 6 ff, 362. 

11 4 109 *). 
I. Petri 2 22 ff. 305. 
Hebräer 6 4 ff. 250. 

10 26 f. 250. 
Apoc. 12 iff. 185. 



E. Kautssch, Biblische Theologie d. A. T. 



410 



Achelis, J. 353. 
Aeberhard 99 1 ). 
Alexander XII. 
Arnold 43. 
Anbert 179 *). 

Bacher 328. 

Bade 212. 

Bäntsch 5. 43. 69 1 ). 

202. 261. XIII. 
Bäthgen 16 »). 217 »). 

XII. 
Bahr 188. 353. 
Baldensperger 324 1 ). 
Baudissm 115. 217 '). 

2&1 *). 
Baur, P. 230 >)• 
Beck 170 *). 
Beer 33. 179 *). 182 l ). 

355. 
Benkenstein 370 l ). 
Bennett XII. 
Bennewitz 154 f. 251. 
Benzinger 327. XIIL 
Bertheau 312. 
Bertholet 179 *). 292 l ). 

303 *). 312.328. 344 l ). 

351 *). XII. 
Bewer 43. 
Beyrich 284. 
Bezold XIIL 
Böhmer 74. 153. XIIL 
Böklen 369 >). 
Böttcher 179*). 
Bohn 327. 
Borchert 80. 
Bousset 324 *). 
Bouwman 226 *). 
Brandt XV. 
Briggs 263 *). 
Brögelmann 114. 
Bruston 251. 



Autorenregister. 

Bück! ey XL 
Budde43.47»).48.53*). 

153.191. 208 0-279 l ). 

303. 375. XII. XIV. 
Büchler 8 l ). 
Buhl 198 *). 333 >)• 

Caldesaigues 229 *). 
Caspari 328. XIV. 
Caus8e 312. 
Cave 347 »). 
Charles 179*). 182 '). 

359 *). 369 1 \ 
Cheyne 264. 298 '). 327. 

355. 369 >). 370 »). 

xn. 

Coblenz 355. 

Cook 5 *). 

Cornill 69 >)• 123. 188. 

191. 272. 
Couard 53 * 2 ). 365 *). 
Cramer 297. 
Curtiss 1. 20. 



Dalman 226 '). 
Darmesteter 191 '). 
Davidson 263 '). 370 '). 

XII. 
Davies 20 1 ). 124. 
Delitzsch, Franz 80. 

170 »). 263 >). 
Delitzsch, Friedr. 45 '). 

66. 184 1 ). 329 1 ). XIIL 
Dibelius 43. 
Diekmann 261. 
Dietterich 371. 
Dillmann XII. 
Döller 40. 
Duff XII. 
Duhm, B. 114. 191 *). 

198 0. 209 '). 242»). 



268 »). 270 *). 298 *). 
303 *). 306. 355. 375. 
Duhm, H. 74. 

Eerdmans 66. 71 f. 154. 

248 »). 
Eichhorn 298. 
Eisler 168. 
Elhorst 74. XV. 
Engelkemper 5. 327. 
Engert 168. 355 *). 
Erbt 74. 188. 276 *). 

327. 
Ersch u. Gruber XL 
Ewald 44. 78*). 86. 

212 *). 355. 

Fairnweathers 324 *). 
Fehrle XIV. 
Feldmann 297. 
Fernere 20 *). 
Feuchtwang XV. 
Fiebig 312. 
Fischer 39. 
Flinders-Petrie XIV. 
Förster 154. 333 *). 
Foote 96 1 ). 
Fränkel 327. 
Frankh 114. 
Frazer 5 1 ). 
Frey 8 l ). 179 *). 
Friedländer 371. 
Fries 281 *). 
Füllkrug 303 *). 

v. Gall 88 *). 155 *). 
Gautier 149. 191. 209 *). 
Gerson 380. 
Giesebrecht 62 *). 81 »). 

90 1 ). 91 1 ). 92 f. 191 *). 

266 l ). 270 *). 303 *). 

XII f. 



Autorenregister. 



411 



Glassberg 34 1 ). 
Goethe 69. 
Goldschmidt 327. 
Goldstein 104. 
Greßmann 105. 114. 

168. 298 l ). 312. 358. 

XIII f. 
Grimme 39. 155. XV. 
Gmber XII. 
Grüneisen 8 *). 179 »). 
Gunkel 34 *). 43. 104. 

163*). 183 *)• 184 >). 

187 *). 329 »). 352 ^ 
Guthe 188. 266 *). XIIL 

Hackmann 263 »). 264. 

Haller 38. 

Haupt, P. 43. 350 *). 

380. 
Heckenbach XIV. 
Hehn 155. XIIL 
Hengstenberg 263 '). 
Herder 79 *). 
Herrmann 284. 327. 

XV. 
Hinneberg XU. 
Hitzig 263 '). 
v. Hofmann 263 1 ). 
Holtzmann, 0. 43. 
Holzinger 33. 
Hommel XIIL 
Houtsma XL 
Huhn 263 l ). 
Hunnius 43. 
Hummelauer 154. 
Hupfeld 355. 
Hurner 191. 

Jacobs 5 *). 
Jakob 74. 237 '). 
Jampel 39. 
Jensen 39. XIIL 
Jeremia8, A. 5. 155. 

178 f). XIIL 
Jeremias, Fr. XL 
Jeremias, J. 39. 
Josephus 57 f. 
Jülicher XIIL 

Kaatz 191. 
Eamphausen 22 *). 
Karge 57. Xffl. 
Kautzsch, E. 79 ')• 81 »). 

168. 226 *)• 353. 
Kautzsch, K. 375 *). 



Kayser XII. 
Kegel XIV. 
Kircher XTV. 
Kirchner 57. 230. 
Kirkpatrick 191 0- 
Kittel 155. 187 »). 284. 

303 *). XH ff. 
Kleinert 251. 380. 
Klostermann 80. . 
Kluge 327. 
Kneucker 263 '). 
Knobel 122. 
Köberle 170 *). 229 *). 

327. 375. XII. XIV. 
König, E. 50»).66. 114. 

191. 217 *). 251. 312. 

354 375. XIII ff. 
Koppel 375. 
Köhler 328. 
Kohn 34 *). 
Kosters83 8 ).99 1 ).102 1 ). 

187 *). 
Krätzschmar 53 2 ). 59. 

83 '). 123. 141. 
Kristensen XV. 
Küchler 230. XIV. 
Kühn Xu. 
Kuenen69 1 ). 122.191 1 ). 

217 1 ). 298. XI. 
Kurtz 191. 

Lafargue 34 1 ). 
Lagarde 46. 262 l ). 
Lagrange 312. XL 
Lange XI. 
Laue 303 *). 
Laur 191. 
Leeuwen XIV. 
Lehmann XL 
Lehmann-Haupt XIII. 
Leimdörfer 355 *). 
Leitner 191 *). 
Levy 5 1 ). 
Ley 208 »). 303 l ). 
Lichtenhan 188. 
Littmann 298 J ). 
Lods 5. 
Löhr IS 1 ) 2 ). 371. 375. 

XIII f. 
Loisy XIII f. 
Lotz 1. 53 2 ). 
Lueken 326 2 ). 
Luther, B. XHI. 

Mader 155. 



Mäcklenburg 74. 297. 
Mahler 155. 
Margoliouth 367 *). 
Marr 168. 
Marti 5. 68. 69 l ). 188. 

256 *). 303 l ). 306. 

XHf. XV. 
Martin 226 »). 
Matthes 5. 8 *). 66. 114. 

162 1 \ 179 2 ). 237 J ). 

344 l ). 
Meinhold 1. 53 8 ). 154f. 

266 *). 269 *). 371. 
Meissner 69 1 ). 
Meltzer 191. 
Menzies 70 1 ). 
Merx XV. 
Meusel 5. 372. 
Meyer 40. XHI. 
Möller 261. 
Mommert 154. 
Montefiore 3 1 ). 
Moore 17. 
Müller, D. H. 284. 
Müller, K. XIV. 

Nestle XIV. 
Neuwirth XV. 
Nikel 1. 5. 57. 102 *). 
Nielsen 39. 
Niese 57. 
Nilsson XIV. 
Nösgen XIV. 
Nowack 188. 263 *). 306. 
333 *). XHI. 

Oehler XH. 
Oestreicher XV. 
Oettli 202. XIIL 
Olshausen 355. 
Oort 154. 

v. Orelli 263 *). 297. XL 
Ottley XH. 

Pahncke XII. 
Peisker 105. 
Perles XIV. 
Petersen 102 *). 
Pfeiffer 372 l ). 
Piepenbring 3 *). 73 *). 

155 % XII. 
Ploß 34 l ). 
Procksch 247 »). 251. 

Rademacher 306. 



412 



Autorenregister. 



Reichel 53*). 
Reiner 40. 
Reitzenstein 84 *). 
Remondino 34 *). 
Reuß 355. XI f. 
Riedel 82 1 ). 60»). 198 '). 
Riehm 263»). XII. 
Ritschi, A. 347 »). 
Rosenzweig 380. 
Rothstein 74. 114. 188. 

827. XUIf. 
Roy 297. 355 *). 
Rudelbach 80 1 ). 

Salkinowitz 380. 
Saussaye XI. 
Sahuda 162»). 
Sayce 43. XV. 
Schäfer 32. 
Schall 833 »). 
Schian 803 l ). 
Schiller, Fr. 41 »). 
Schlottmann XII. 
Schmidt, P. 369 l ). 
Schmidt, H. 306. 312. 
Schmitz XV. 
Schmoller 347 l ). 
Schneider 39. XIV. 
Schrader 79 1 ). 
Schröter 221 *). 
Schulte 261. 
Schultz XI. 
Schuurmans-Stek- 

hoven 355 J ). 
Schwally 8 1 ). 24 1 )»). 

25 1 ). 80 l ). 53 1 ). 66. 

78 8 ). 97 1 ). 107»). 123. 

145. 168. 179»). 181 '). 



Schwartzkopff 191 »). 

Scott XV. 

Seilin 62 *). 262. 272 »)• 

808 l ). 355 •). 380. 

XII if. 
Seyring 58*). 73 1 ). 
Siegfried 380. 
Smend 286 »). 855 l ). 

XII. 
Smith, W. R. 3 *). 5 »)• 

20 *) 124.145.162*). 

191 *). 276. 286 »)• 
StadeS 1 ). 46 f. 54. 67 *). 

69 1 ). 176 '). 179*). 

183 *). 198 l ). 270 l ). 

367 *). XU f. 
Stärk 43. 69'). 114. 

181 >)• 188. 251. 827. 

354. 
Stahn, H. 114. 
Stanton 263 1 ). 
Stave 369 *). 
Stengel 154. 
Sternberg 230. 
Steuernagel 188. 
Stocks XII. 
Stosch 191. 
Strunk 327. 
Stucken 39. XIII. 
Stube 3 1 ). 
Sudhaus 154. 

Tappenbeck 191. 
Thenius 118. 
Tiele 327. XI. 
Torge 20. XIV. 
Toy 20 1 ). 32 l ). 73 1 ). 
Traband 66. 



Triebs 102 '). 

Valeton 59. 243 1 ). XL 

Van der Veen 20 1 ). 

Vatke XL 

Völter 1. 

Volck 312. 

Volz 32 8 ). 40. 263 »V, 

324 1 ). 344 *). XIV f. 
Vuilleumier 81 *). 

Walther 812. 
Weinel 151 f. 
Wellhausen 3 1 ). 8 1 ). 

46. 78»). 118. Xm. 
Wendland 849 *). 
Wendt 170 l ). 
Westphal 40. 74. 105. 

170 *). 
Windisch 812. 
Wiegand 227 »). 
Wiener 251. 
Wildeboer 62 *)• 72. 
Wilcken 191. 
Winckler 152. 154. Xm. 
Wintherbotham XV. 
Wörner 170 l ). 
Wünsche 168. 354. 
Wurster 147. 

Zapletal 5 1 ). 114. 380. 
Zillessen 297. 
Zimmern 39. 184 *). 
Zschokke 370 l ). 
Zurhellen-Pfleiderer 
105. 



YB 2I6C7 



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