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fismcrrks |tlbung
t()ri! ©utUtii uitö \\)n |tu|cniiigrn.
Bun
T^ans ^x\\%.
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©cuA unh JScrlag Bort OäEovß THctmct.
1904.
^^^»jyvjM^^MirapitiTOfflWK TaT ■•a'g'jEj^^^^dl
"•^
» » * *^ öü^oiöfli-cifee 107-8. * * * *
(cl5tcu Qa^rcu
3ur ^efdjidjte fetnc§ ^aufeä unb $ofe^, feiner Regierung
iiiib 'lolitif. S3oii 6a«ä f ni^. f rciü 9)i. 7,—.
©eniianitt, 9Bif). SSeUaa«: . . . JJr. 38. tritt feinem IBolti; QlsaJJeiifd)
nä^er, je nje^t U)ii feine ^iftoriter uoii aUcm löeirocrte einet iljn alS
Halbgott fefeniben iicgenbe enttleiheten. 3!arum ift ba§ ft^Ön unb
maun gefdiriebetie, an ^"teteffantem rei^e SBurfi be§ fifintBäbEtget
^rofefforS, bein nid)tä fetner liegt, alä SBetfennung be§ ©tofeen Sur=
ffitften, aufri^tig ju beflriißen niib feine fiettiitc iebernmiin, ber be^
beiitenbe äJianner pfp^olegifc^ ju begreifen fticbt, ju empfehlen.
gd)n 3a()rc btutfd)er Snmpfc
Stfiriftcii jur Ingeöpolittt uoii .^einriit) b. Jrcitfdite,
dritte Muflngc. 2 Sänbc. ®cl)cftct ■»(. 12,—. C^e-
bttiiben in eleganten .^albfran;\banb "iU. 15, — .
fiäluifd)e öeitung: . . . 3:reitf^re§ umfaffeiibet ©cift &at faft aUe
roidjligen Probleme bcä äffenttit^en Sebenö feinfi 3^'* "'if s'" aStenii^
fpicgel aufgefangen unb in glänjenbex SSilberfpiQc^e jutürfgewotfeu
ailg her f prangen) altigfte *13ubtijift unfeiex 3fit fitb er, mie ®en§ unb
©örrcä, in unferct ©eifleägcfc^it^ts fortleben, wenn ctuc^ oon ben
Ißrobtemen, bie unS je^t befc^äftigen, bie le^te Spur oevfdjniunben
fein wirb.
SEÖefer=3eilHn8: ... Xie.^e^^afwe bestf^ Sitnipf e" bteiben ein
SBuc^, bttS feinen '^'la^ in unferer Öiteratut roic in unfeier ®efd)i(^te
bebaupteii unb uoc^ einer fernen 3rfunft 3eugni^ oon einer grofeeii
Spodie unb uon einem ifner genialften Säntpfer geben roiib.
listnarifts |ilkitg
ifyct ^Utn unti i^re |ln|etung(n.
Bon
3Pni& unb ©erlag von ©icorg Bmmicr*
1904.
\>J 2 , l
V
7
34a(t«übcrft(^t
Sette
^htleituttg 1— 9
S)ie ^lufgabe, il^t S^tetcffe unb bie 2ltt il^tet
Söfung.
I. S^r mhnmHt^diiditt öidmatif« 10- 29
S)ie ©c^uljeit. ^ie ©tubien^cit.
n. mmtnit ber ^emüt^Bitbung m^matä» 30— 64
Sßet^ältniS gut SBibel. ©prid^roöttet. S)a§
SßoI!§Iieb.
m. m»matä» ^et^Unx^ m^i »affifii^en mutinm. . . . 65— 96
®ne(i)if(i)e @pra(i)e unb gricdjifc^eS 3IItettum.
Sßertrautl^eit mit bem Sateimfc^en unb Sßot-
liebe bafür. Äenntni§ tömifc^et S)ici^tet.
IV. m»matä^ ^etf^Mtui^ ^ut beutfii^en mtxatnx, U»
fottbctö 5« bctt beutfii^ctt Älafflfettt 97—168
SQotliebe für ba§ S)rama. SBefanntfc^aft mit
Derf(i)iebenen älteren unb jeitgenöfjifd^en
S)ici^tem. 9ltterlei DteminiSacnjen. ©oetl^e.
Sßorliebe für fjauft. ©d^iÄer. @l^a!efpeare§
S)ramen.
V. S3idmatffd ^tti^Mtm^ ^n hen neueten <Bptaüien nnh
Uten Sltctattttctt 149—174
Sfleigung für frembe*@pra(^en unb ©ntlel^nungen
barau§ bi§ aur ©prac^mengerei. fjranjöfifd^
al§ S)ipIomatenfpra(i)e. ©nglifdie ©prad^e
unb Literatur, fjraujöjifd^e (Sprache unb
Siteratur.
— IV —
(Sette
VI. ölSmatifS ^iftorifii^e STitfii^attttitgcti 175—247
^iftorifd^eS Sntercffc. (Sclbftänbißfeit bc§ E)ifto^
rifc^cn Urteilt. SBcrtfc^ätjung bcr ©cfc^ic^te
füt bie ©tjiel^ung bcr Station, lattgemeine
^Infd^auungcn, bcfonbcr§ über bie gefd^ic^t-
lic^e ©tellung ber ^eutfd^en. ©leid^gültigfeit
gegen grie(^if(i)e unb römif(i)e ®efci^i(i)te.
®nglif(i)e ©efc^id^te. g^ran^öfifc^e ®efd^idE)te
ßubroig XIV. 9teDoIution§3eitalter. S)eutfd^e
®ef(i)i(^te. ^reußifd^e ®ef(i)i(^te.
©inleitunö^
SlHejeit geroäl^rt e§ befonberen @enu§ unb erfd^lie^t
gelcgentli^ Icl^rrei^e ©inblirfe in SBorgänge inncr^lb bc§
menfd^lid^en @cifte§leben§, bic ju beobad^ten mix fonft nid^t
leidet ©elegcnl^eit ^ben, tDenn wir einen fd^öpf erif^en @eniu§
burd^ bie einjelnen SKomente begleiten fönnen, bie er in ber
33etätigung feinet tül^nen Söollen^ unb überlegenen Äönnen^
burd^läuft. 3)er ®enuj3 wirb um fo gröjser unb bie SSe^^
lel^rung um fo reid^er fein, je mel^r e§ ftd^ babei um bie
aSenoirflid^ung t)on ©ebanfen Rubelt, weld^e au§ ber vox^
angegangenen ©ntoirflung von (Generationen geroifferma^en
bie ©umme jiel^en unb in Saaten umgefe^t bie ©d^irffale
oon aSöltem unb Staaten auf SJienfd^enalter l^inau^ be::
ftimmen.
3)enn taum nod^ fonft irgenbroo tritt un§ ba§ oor^
nel^mjie unb le^te, ba§ eigentli^e Problem aUe^ gefd^id^t^
li^en @rfennen§ fo fd^arf umriffen, fo beftimmt formuliert
unb gleid^fam greifbar entgegen, ^anbelt e§ fid^ babei bod^
f^lie^lid^ immer um bie grage nad^ bem SBer^ltni§ be§ ©injel?
toiUenS ju bem ©efamtmiHen unb bie nad^ ber SBed^felmirfung,
toeld^e in großen l^iftorifd^en Ärifen ftattfinbet jmif^en bem
unbetou^ten ©treben ber gleid^fam im ^albbuntel oorroärt^
brängenben SWaffen unb bem freien @ntfd^lu§ eines ju großem
l^iftorifd^en ^anbeln berufenen 9Äanne§, ben er fa^t in florer
— 2 —
Sinfid^t in bie gegeBenen SBcrl^ältniffc unb in ber ÜBet^eu^
gung t)on feiner Slotoenbigfeit für beffen aSerroirflid^ung
er in fül^nem Streben fein 3)afein einjufe^en bereit ift unb
bie Gräfte feinet SBolfe^ jur pd^ften Seiftung^fäl^igfeit ju
entfeffeln fein 93ebenfen trägt.
SOBirb babei natürlid^ junad^ft unfer gefd^id^tlid^e§ Qn^
tereffe erroedt einmal burd^ bie 93etrad^tung ber 33ebingungen,
bie, in ber SBergangenl^eit wurjelnb, ein fo folgenreid^e^
SBirfen ermöglid^ten ober gar notroenbig mad^ten, bann burd^
bie @rfenntni§ ber Umftänbe, unter benen e§ fid^ t)olIjog,
mögen fte nun i^m förberlid^ gemorben fein ober fid^ il^m
feinblid^ entgegengeftellt l^aben, unb enbli^ burd^ ben SBer?
fud^, bie geiftigen unb fittUd^en Gräfte aufjuberfen. bie ba?
bei teifö unmiHfürlid^, teite mit mol^lbered^neter Slbft^t in
S^ätigfeit gefegt mürben: fo mirb bod^ ba§ rein menfd^lid^e
^ntereffe an ben l^iftorifd^ bebeutenben ^erfönlid^feiten, um
beren kämpfe unb ©rfolge ober 9lieberlagen e§ fi^ Rubelt,
jugleid^ in un§ ben SBunfd^ erroerfen, au^ bie Slrt re^t ju
erfaffen unb un§ in unmittelbarer Sebenbigfeit ju üergegen^
märtigen, mie in i^rem ^anbeln i^re ^nbioibualitäten, il^re
geiftigen unb fittlid^en ©igentümlid^feiten d^arafteriftif^ jum
2lu§brudf fommen unb auf ben ©ang ber S)inge beftimmenb
einmirten. S)enn aud^ ben SKann, meldten bie SioUe, ju
ber er in ber ©efd^id^te feiner 3^it berufen mar, junäd^ft
ate ben S^räger gemiffer allgemeiner Qbeen vor ben Singen
ber Söelt in ein befonber§ ]^elle§ Sid^t gerüdft l^at, merben
mir bod^ nur bann ganj oerfte^en unb re^t mürbigen fönnen,
menn mir il^n aud^ betrad^ten, gelöft Don bem großen ge^
fd^id^tlid^en ^intergrunbe, oon bem mir i^n fi^ ablieben
ju feigen fonft gemo^nt fmb, unb un§ menigften^ ein unge?
fäl^re^ 93ilb mad^en fönnen t)on bem, ma§ er gemifferma^en
an geiftigem unb fittli^em Slüftseug mitbrachte für bie
Kämpfe, in benen er Dermöge feinet überlegenen (Sinfic^t
feinen gebieteuben ^Bitten unb fein f(^Öpferifcf)e§ fiönneii
jum beften feiner ^fit 9efii)irf)tlicf) evfolgteit^ betätigte.
35enn gerotfi bebarf gerabe, nier oont Sc^itffal ju foU
ifixn ^Sirten berufen ift, neben bem, wa§ haS ftoatämännifcije
ober militärifc^e ^niibeln an befonberet fac^männifc^er ^e--
gabung ober ©rfjulung erforbert, noc^ eineä anbercn reiben
geiftigen SRücf^altä, nuä bem er foroobl jut ©efömpfnng ber
©egner nsie jur Srmutigung ber J^reunbe nnb nid)t jute^t
jur ©tärEung ober Smeueruiig ber eigenen ffvaft jeben
Slugenblid neue SJIittet ^iiifen ober altberoa^rte luieberum
ju §ilfe rufen tann. 9tuf biefen ®(f)Qti fojufagen aHge=
meiner iöilbung, ber in bet §Quptfa^c immer erroorben fein
roirb, e^e femonb eine I}iftorifd) bebeutenbe Sftolte, roeli^er
%xt fie andi fein möge, ju fpielen beginnt, für i^n aber in
ber 3oIge gleii^fom einen eifemen Seftanb auSmoiijt, roirb
er unroiütürlic^ unb in uieten '^aüen unberoußt, mnn !önnte
faft fagen inftiltio, jurflcfgreifen, menn eä gilt, für bie »on
i^m oerttetene ©adje ju roerben, itjr guteä ffiec^t ju be=
gtiinben, iljre Stusfit^rbarfeit bargutun ober bagegen erhobene
Sebenten p roibedegen unb fo bie 'S'^ü^ '^^^^^ 9In|änget
unb 9JorfQinpfer jii reroietfältigen. 3tud) oerme^rt ficE) biefer
©c^a5 fortbauemb bnrt^ ba§ ^uio'i'^fe" neuen geiftigen
6rnietbe§ a^nlic^et 3trt. - @r roirb unifo größer unb mannig-
faltiger fein, je roeitet bie ©ebiete augcinanberliegen, auf
roelc^c fi^ bie 3;ätigEett beä ju gefcl)i(i)tlid) bebeutenbet ffiirf:
famteit 33etufenen in ber (gtfüUung feiner äRiffion ju er=
ftrecten i^at. Dlntürlid) roirb, roa§ ein »ielberoegteS unb net^
f^iebene 9Irbeit§gebiete umfaffenbeS Seben an ©eroinn ber
9lrt nicljt foroo^I feiner fa(^männifi^en al§ feiner aÖgemeinen
SSilbung 5ufü£)tt, fid) nic^t narf] allen Seiten ^in gleidiniäfeig
erftrecten, fonbem in einer 21rt oou firiftaEifationSproje^
_ 4 —
Domcl^mlid^ an fold^e fünfte be§ üorl^anbencn 33efi§e§ ans
fc^en, bie t)on jcl^er befonber^ fcft begrünbet waren unb
mit SBorttebe gepflegt nrnrben. Qnfofem fpiegelt jebe ge;^
fd^id^tli^ bebeutenbe ^erfönlid^feit bie geiftigen SQ3anblungen
il^rer Qeit in fid^ ab unb wieberl^olt oon ben ©tabien, meldte
biefe burd^Iaufen, im fleinen biejenigen, t)on beten @influ§
fte, üielteid^t ol^ne e§ felbft innejumerben, befonber^ ^äufig
ober befonber^ ftarf getroffen mürbe. 3)arau§ erflären fid^
bie aSeränberungen, bie bei mannen gef^id^tlid^ l^eroor^
ragenben Scannern im Saufe ber 3^it in betreff ber allge^
meinen geiftigen 93ejie]^ungen eintreten, auf bie fte, oon ben
eigentUd^ fa^lid^en ober gar te^nifd^en aJlomenten abgefel^en,
in ber aSertretung il^rer Qbeen jurürfgreifen. SJlan fielet
babei, mie ©rmägungen, bie il^nen frül^er befonber^ geläufig
maren unb bie fte bal^er gern immer mieber aufteilten, aU^
mäl^li^ für fte an SBid^tigfeit oerlieren, toie bagegen ©e^
ftd^t^punfte, bie i^nen urfprünglid^ fremb toaren, oon il^nen
fpäterl^in mit entfd^iebener aSorliebe eingenommen unb ^u^
meilen fogar im SBiberfprud^ mit ben fonft oon il^nen oer^
tretenen Slnftd^ten ate bie oorjug^meife ober allein bere^tigten
mit @ifer geltenb gemad^t merben. 3lber aud^ unter fo oer^
änberten Umftänben bleibt für fte jener eifeme 93eftanb
allgemeiner 93ilbung, ben fte im mefentlid^en afö ein in ftd^
abgefd^loffene^ @anje§ bereite beim (Eintritt in i^re auf^
jieigenbe Saufbal^n mie eine 3lu§rüftung mitgebrad^t l^atten^
bie immer oon neuem aufgefud^te Duelle nid^t blojs ber
Slnregung unb ©rfrifd^ung für fte felbft unb i^re greunbe^
fonbem aud^ ba§ feiner Unerfd^öpfbarfeit megen unf^ä^^
bare 3lrfenal für bie 93efd^affung ber 93emei§mittel für
unb miber.
S)iefer ©d^a^ allgemeiner 33ilbung, bie ebenfo unent::
M|itt(]^e mie ben meiften unbemu^te @runblage für Jebe
— 5 —
l^öl^cre beruflt^e ober amtüd^e SBirffamfeit bcr unter bem
@tnflu§ ber oon biefer aiuSgel^enben Slnregungen ober ge^
fieHten neuen Slnforberungen unroiHfürlid^ allmäl^ltd^ erweitert
unb in einzelnen Stid^tungen oertieft toirb, fe^t ft^ in ber
^auptfad^e naturgemäß au§ jroei oerfd^iebenen 93eftanbteilen
jufammen, oon benen ber eine burd^ ba§ SeBen in ^au§
unb O^amilie unb bem burd^ biefe erfd^loffenen größeren Ärei§
meiji ol^ne bewußtem eigene^ ^ittun erlangt, gleid^fam ererbt
toirb, ber anbere im ^inblidE auf bie für fpäter erftrebte
Seben^fteHung unb bie befonberen Slnfprüd^e, meldte biefe
mit ftd^ bringt planmäßig erworben unb im mefentli^en
burd^ bie ©^ule begrünbet in ber g^olge aber burd^ ba§
©tubium unb bie 33eruf§tätigfeit felbft je nad^bem mel^r ober
minber fqjiematifd^ erweitert unb ausgebaut wirb.
©0 gleid^artig aber ber Sel^rgang unferer l^öl^eren
©d^ulen bi§ auf bie antil^umaniftifd^en Sieformen, bie oor
einem Qal^rjel^nt in ^reußen bur^gefül^rt mürben, im aUge^
meinen gemefen fein mag, fo ift bo^ aud^ bereite in ben
älteren ©enerationen Umfang unb Siid^tung ber fd^ließlid^
erlangten allgemeinen S3ilbung für ben einjelnen ni^t feiten
oon Siifäöigfeiten abl^ängig gemefen, ganj abgefel^en oon
bem ©influß, ben befonbere Steigungen ba naturgemäß au^^
üben unb felbji nod^ in fpäten SebenSjal^ren ftarf mirffam
erl^alten. 2lu§ bem geiftigen Qntereffenfreife, ber baburd^
bejiimmt wirb, fann !ein SKeufd^ oöHig l^erau§: bie S^i^-
l^örigfeit ju il^m bebingt feine Sluffaffung oon SJlenfd^en unb
3)ingen, unb bie i^m baburd^ eigen geworbene 3lrt ber 93e5
trad^tung unb be§ Urteite S^it^^^^S^iff^ti unb S^itg^noffen
gegenüber wirb ftd^ immer wieber entfd^eibenb geltenb mad^en,
unb jwar nid^t bloß im altgemeinen, fonbem gelegentlid^
aud^ in ganj fontreten fragen, ^e größer bie Probleme
fmb, beren Söfung ate SJiitarbeiter ju förbern ober gar in
— 6 —
leitenbcr ©teüung t)on fid^ au8 einem rotberftrebenben ®^^
fd^Ied^te aufzunötigen jemanb berufen ift um fo mid^tiger
wirb e§ für baS aSerftänbni§ feiner ^erfönlid^feit unb feineS
^anbelnS fein, in biefe ©eite feines SBefenS einen ©inblirf
ju gewinnen. 3)enn nur bann mirb e§ möglid^ werben bie
in ber golgejeit fo oft oerbunfelten ober mol^I aud^ il^m
felbft aus bem ©ebdd^tniS gefommenen ©runblinien aufju^
berfen unb feftjulegen, meldte bie ©ntmirflung feiner geiftigen
unb fittlid^en ©igenart am frfil^eften unb bal^er für aUe Q^xt
ma^gebenb beftimmt l^aben.
@S fann bal^er faft befremblid^ erfd^einen, ba§ bie ge?
wältige ^erfönlid^feit beS ©d^öpferS ber beutfd^en (Sinl^eit
biSl^er nod^ nid^t t)on biefem ©tanbpunfte auS betrad^tet
morben ift. Qu fo au^erorbentlid^em Umfange bie nod^ fort^
wäl^renb wad^fenbe S3iSmardfIiteratur bereits angefd^moUen
ift fo ift bod^ unfereS SBiffenS ber SBerfud^ nod^ nid^t ge^
mad^t morben, in einem einl^eitlid^ jufammenfaffenben 93ilbe
jur 2lnfd^auung ju bringen, mit meld^em geiftigen JRüf^eug
SBiSmarrf Derfel^en mar, afö er in baS öffentlid^e Seben ein^
trat, um, eigentlid^ ol^ne je bamad^ ju ftreben ober ber?
gleid^en oon fid^ auS ju moUen, burd^ eine eigentümlid^e
SBerfettung ber Umftänbe bie il^m felbft biSl^er unbewußt ge?
bliebenen ®aben ju mirffamfter Entfaltung brad^ten, in einer
Saufbal^n ol^negleid^en ber ©d^öpfer ber beutfd^en ©inl^eit
unb baburd^ ber S3egriinber einer neuen Drbnung in ©uropa
JU werben, ^ebenfalls fann bamad^ ber befonbere ©^arafter
ber allgemeinen SBilbung, bie er ftd^ erwarb, unb bie 2lrt,
wie er fie ftd^ erwarb unb bann unwiUfürlid^ weiter auS-
baute, bie Entfaltung ber au^erorbentlid^en ©oben nid^t be?
einträd^tigt l^aben, benen er feine Erfolge ju oerbanfen l^atte,
— bie unbeirrbare ^larl^eit be§ SBlidfeS, bie il^rer felbft ge?
wiffe ©id^erl^eit beS Urteils unb bie nie oerfagenbe 2ln5
— 7 —
paffunggfätiigfeit, bie aüe gleidjmägig in ben ^tenfl einer
untiesniingbareu SBißeitßtraft geffeHt roaren. SlbgefeEjen Don
biefer gtürflic^en natürlichen 3(u§ftattung Ijat aber au^ her
gro|;e beutfc^e (Staatsmann für bie roelt^iftorifc^e SIrbeit,
ju bet er Bom Srf)irffal berufen mar, eine geroiffe erft er;
iBorbene geiftise Sluäriiftung ]nitgebrad)t. 3^t entiialim er,
roeli^e Sa^e er anc^ immer ju uerfrcten f)aben mochte, einen
S:eil bet für fie geführten 3Baffen. ©ie befähigte i^n p;
gleid), rooä er im Saufe bet Qtü an neuem Äampfgerät
beburfte, f"^ aü§ anberen, aüi\ i^m urfprünglicf) fremben
©ebieten ju befdiaffeu unb, obgleid) er ju feinem ®e--
brause nii^t gefc^ult mar, in 9(ng,riff unb Slbme^r etfoIg=
rei^ ju fügten,
Qm nai^folgeiibeii foU ber SBerfud) gemadjt roerben,
biefe Sude in ber ßenntniä be§ grnfien beutfrf)eu Staat§=
manneS einigermofien au§äufflllen unb fein immer oon neuem
feffetnbeS SBilb burii) bie Einfügung eine§ 3«9^§ äu ergän;
gen, ber bisher nid)t bie gebüt)tenbe S9eact)tung gefunben
^at, obgleid) er für bie nolte ©rCenntniö feines 5Eefen§ oon
fto^er ffiic^tigfeit ift. ®§ ift ein 58erfu^ nnb roitt unb fann
jui^eit nif^t me^v fein al§ ein foIrf)er. ^enn nod) liegt
für bie 33eantmortung ber bamit gefteltten ^i^age baä nötige
SDIatetiol nii^t entfernt »odftänbig cor, ba§ aber, roaS tior=
liegt, ift in feinen eiiijelnen ^eftanbteilen fefir uusleic^ioertig.
®ie rornebmfte Cuetle finb natürlit^ SiSmartJä eigene
Slufeerungen, näc^ft feinen Sätiefen, für bie für bie 3"fi"ift
roolil noi^ eine reefentlidje Sereii^erung ju tjoffen fein bürfte,
Dor altem feine Sieben. 3)en erften Sl^la^ nehmen unter
biefen, nid)t bloß bem Umfange nad), natürlirf) bie politifcljen
Sieben ein. ®od) gehören ^m^iex ebenfogut aud) bie oft
befonberä ergiebigen jroanglofen Sugcnmgen im Steife feiner
amtlichen ober parlomentarifc^en SDiitarbeitet ober in tjeiterer
— 8 —
2:afelrunbe, [oroic gelegentltd^c 3ÄittciIungen t)on ^erfonen,
bie mit tl^m in SBerfil^rung famen unb bicfem ©ebiet ange^
l^örige 2tu§erungen t)on il^m l^örten.
Sluf ©rutib bie[er SDlaterialien wirb burd^ bie Qn^
fammenfteUung ber von SBi^mard gebraud^ten 3itate, 95ilbcr
unb 2lnfpielungen fid^ rocnigften^ ungefähr ein Gberblid ge^
winnen laffen über bie ©ebanfenfreife, meldte il^m bie Der?
trauteften waren unb tjon benen au^jugel^en unb ju benen
jurüdfjufel^ren er bal^er aud^ ba liebte, roo e§ ftd^ um bie
Erörterung beftimmter ©injelfragen l^anbelte, gleid^t)iel met
d^em ©ebiete fte angel^ören mod^ten, bie feine fd^öpferifd^e
S^atigfeit ate ©iplomat, Staatsmann unb ©efe^geber um^:
fa^te. @§ mirb ftd^ babei ergeben, ba§ er gemiffe ©ebanlen?
freife, bie il^m befonber§ lieb ober be[onber§ uertraut maren,
l^dufiger auffud^te ate anbere unb unmittelbarer mit ben
großen praftifd^en 2lufgaben in SBerbinbung fe^te, bie e§
für i^n im Saufe ber Qeit nad^einanber ju löfen galt. (Bo^
meit fi(^ ber @efi(^t§frei§, ben er bel^errfi^t na^ Derfd^ie?
benen ©eiten l^in erftredfen mag: bie eigentüd^en SBurjeln
feinet allgemeinen ®enfen§ liegen bo(^, mie glei(^ l^ier
bemerft fein mag, tief eingefenft in ben 93oben ber l^uma?
niftif(^en 93ilbung, au§ ber aud^ er immer neue geifiige
9ta]^rung jog. S)iefe l^at er fx6) in einem 3Äa§e ju eigen
unb JU einem integriereuben 93efianbteil feiner gangen geifti=:
gen ^nbioibnalität gemad^t, ba§ benen mol^l ju beulen geben
fönnte, meli^e bie !^ifiorif(^ gegebene ©runblage unferer
beutf(^en Kultur furjfu^tig unterfi^ä^en, jum 2:eil bereite
preisgegeben l^aben unb t)ollenb§ ju jerftören uerblenbet be?
ftrebt finb. SBiberlegt e§ ho6) fi^lagenb ba§ lanbläufige
©erebe, bie SeDorjugung be§ flaffif^en 2lltertum§ unb feiner
©prad^en bei ber Ijöl^eren Qugenbbilbung, bereu frül^ere gldn?
jenbe Erfolge niemanb beftreiten fann, beeinträ^tige bie
— 9 —
geifttgc ©ntoidlung be§ l^eranroad^fenben @ef(^Ied^t§, inbem
fte feine gäl^igfeit minbere, fid^ in ber 2lu§enn)elt jured^t?
jufinben, bie unenbüd^e güUe ber il^m ba gebotenen t)er=
fd^iebenartigen @rf(^einungen flar ju erfaffen unb fo ben
im Seben an e§ gefteUten 2lnfprfid^en einigermaßen jn ge^
nfigen. ©erabe im ^inblidf auf biefe f^age, meldte, obgleid^
eine ber brennenbften für bie 3iifiinft unfere^ aSoIfeS, burd)
wiUfürlid^e unb fiberftürjte unb jüm 2^eil einanber miber^
fpred^enbe Steuerungen jurjeit t)iel mel^r Dermirrt afö einer
befriebigenben Söfung entgegengeffil^rt morben ift fann bie
liebet)oHe Sßerfenfung in be§ größten ©eutfd^en no(^ lange
ni6)t erfd^öpfte ©igenart feinem Sßolfe jum ©egen gereid^en.
3)enn fie fe^t e§ in ben ©tanb, t)on bem reid^en @rbe, ba^
er il^m l^interlaffen l^at, ein weitere^ foftbare^ ©tüd ju lieben
unb für fi6) nu^bar ju mai^en: aud^ auf biefem ©ebiete fann
93i§mardE nod^ afö ©rjiel^er mirfen.
I.
2ln bie 2lnfdn8e feiner ©d^ullaufbal^n in bem bamate
berül^mten ^lamannfd^en ^nftitute ju 93erlin l^at SBi^marrf
befanntlid^ nid^t mit angenel^men ©efül^Ien jurüdgebad^t. S)ie
Slnftalt mit il^rer übermäßigen Pflege be§ Qctl^nfi^en 2:eutonen^
tum§ unb ber il^r entfpringenben unjeitgemäßen 9tad^a]^mung
be§ unt)erftanbenen fpartanifd^en Sßorbilbe^ ließ gerabe ba§
Dermiffen, beffen ba§ ®emüt eine§ jartbefaiteten unb lebl^aft
empfinbenben ^inbe§, ba§ bem ©Iternl^aufe unb feiner lieben^
ben Pflege bereite fo frül^ entrüdt mar, vor allem beburft
l^fttte. SBie ein „S^^^t'^^i^^" erfd^ien fie bal^er noc^ in
fpäteren 3<J^^^ti bem 3ögling, ber il^r t)om fed^ften bte jum
jmölften Seben^jal^re anvertraut gemefen mar.^)
Sinem ©rlöften gleid^ mirb er bal^er beglüdft aufge^
atmet l^aben, ate er im ^erbft 1827 in bie freiere unb ge^
funbere Suft be§ 3tiebri(^=9Bit^eIm^g^mnafium§ Derpflanjt
mürbe. @ut vorbereitet unb mol^I begabt fam er bei ber
il^m eigenen fd^neßen gaffung^fraft bort balb in allen gäd^em
erfreulid^ t)ormärt§, unb bereits ju SBeil^nai^ten rfi^mt il^m
ba§ S^iig^i^ befonbere 2lufmerffamfeit nad^ für bie alten
©prad^en, bie ßeftüre beS ©äfar unb beS Doib unb für
1) ©cbanfcn unb ©tinncrungcn I @. 1.
— 11 —
©cfdtic^te Ulli ^eutfi^, iDaI)reiilD fein t)mi|ili(i)er Jleig für
ba§ (5ranäöfifcfie noc^ ganj befontiere Slnertennuitg fonb.
5fleben bem uevbienten ^onnell, einem flaffifc^en '^^itofogen
Bon 9rünblid)er ©elcljrfüiitEeit imb üu§geäeiiä)netein ®(%ul-
mann von roarmfjerjigem SßetftanbniS fiit feine Schüler, in
beffen ^au§ ec fpätet ot§ ^enfioiiär aÜe bic lieienSroürbigen
Seiten fetneä jugcnblid) Reitern unb babet boc^ etnfien 3Befen§
entfaltet ^ot, getiürte pi feinen Se^rem ber ebenfaltä ttl§
^l^äbagoge f)oi^oerbiente fpätere "ißrouinäialfcftulrat Dr. ffienbt,
bet namentlid) biitc^ feinen uottrefftit^en Unterrtd)t in ber
@ef(I)id)te, bem Sateinifc^en unb bem ©riec^ifc^en QUf^
bei biefem Sdiüler juerft bie 9Ieigung enoedt ju ^aben
fi^eint, bie i&m für biefe %ä6)tx aucl) in ber golge eigen
geblieben ift.^)
3m §erbft 1829 ging SiSmarct über auf baä Set=
linifcJje @i)ninaftuni jum ©tauen ifloftet, eine uon altera:
ber biirc^ i()ve Ijo&en v^ilotogifdjen ßeiftungen berühmte
ftalt. 2Benn über feinen 31nfentl)alt bafelbft nac^ ^oi)X--
je^nten geurtcilt roorben ift, er ^abe ju ben ©c^ülern gehört,
bie große Begabung unb eine ftarE ausgeprägte 'Ißerfönlit^Eeit
befi^en unb bod} otin nieniger SSefäliigten überfltlgelt merben,
weif biefe it)re ganjE Jfraff einfe^en, um ben 9Inforberungen
ber ©c^ule ä" genügen, roä^renb fie über ben ä^cng feufsen,
bem fie fid) unterraerfen muffen unb in ben 3'räumen bet
3wfunft (ebcn,^ fo tonnen roir un§ bcmgcgenüber be§ @in=
brurf§ ni^t entfc^fagen, aiS ob mir e§ bo roeniger mit einer
^iftorifiiien Xatfac^e a{§ mit bem SJetfuc^ la tun Ijaben, bei
bem 3Jtange[ einer äunerläffigen in§ einjelne ge^enben über=
lieferung m§ bem Söefen be# fpätet bie SBelt mit feinem
1) Mnnnlen uiib öiftorieit für ben SSeveiii et)emciliger Sd)iilex
beä ifr. äB. (Spmnnrium, ^amax 1896.
2) SJeftf^rift beS ©tauen Älofterä 1885 S. 10.
— 12 —
JRul^me erfüUenben großen 3Äanne§ ungcffil^r bie 2lrt ju
erf^Iie^en, in bcr er fic^ einft auf ber ©d^ulbanf bargefteßt
^ben fönnte. S)cnn wa§ mv au§ ben roenigen nod^ vox^
liegcnben amtlid^en Säuberungen feiner Seigrer, namentlii^
einigen ber il^m auSgefteUten B^ugniffe t)on ©iSmardt al§
©c^filer be^ ©rauen ÄlofterS erfal^ren, lä^t bei il^m nid^t
ba§ ©eringfte bemerfen t)on einem SBerfmfen in gro^e Qn^
funft^träume unb einem baburd^ Derfd^ulbeten 9tad^Iaffen ber
Slnftrengungen unb 3itirfi<*bleiben felbft l^inter minber be^
gabten 3Äitf(^älem. aSielmel^r feigen mir aud^ bereite ben
Änaben unb Jüngling aUejeit ganj bei ber ©ad^e, voU
frifd&er 2:eilna]^me für bie Unterrid^t^gegenftänbe unb babei
t)on einer lebl^aften Steigung, über ba§ t)on ber ©(^ule t)er^
langte 3Äa§ l^inau^ auf eigene ^anb unb auf eigene 2lrt
ftd^ geiftig ju befi^äftigen unb baburd^ bem Sel^rpenfum
neue ©eiten unb bamit au(^ ein ^ö^ereS Qntereffe abju^
geminnen.
2^ro^ einjelner Heiner ©d^manfungen, mie fie natur-
gemä§ bei jebem, aud^ bem au^gejeid^netften ©d^üler eim
treten unb l^ier no(^ buri^ bie befonberen ^u^Iic^en Sßer^
l^ältniffe, namentlich mieber^olte Steifen ber gamilie, üer^
urfai^t morben ju fein fi^einen, l^at Dtto t)on 93i§marrf
offenbar ju benjenigen 3öglingen be§ ©rauen ÄlofterS
gel^ört beren bie Setjrer in bejug fomo^l auf bie fittlid^e
gül^rung mie au(^ auf gleid^md^ige 2lu^bauer, ernfte ©rünb^
lid^feit unb unbeirrbare ©^rüd^feit in ber 2lrbeit ftet§ gemi§
fein lonnten. 9lur ganj üereinjelte 3ÄaIe mirb fein glei§ ate ber
aSerftärfung ober größerer ©lei^mä^igfeit bebürftig bejeid^net.
Slufmerffamfeit unb 2:eilna!^me am Unterrid^t merben ftetS
ni^t bIo§ ate Dorl^anben anerfannt, fonbem me^rfad^ be^
fonberen Sobe§ mert erad^tet. SBie ba§ ja aber fo l^äufig
gef^ie^t f^eint au^ bei 93i§mardt einer au^gefprod^enen
— 13 —
^Begabung unb bcmgcmä^ lebl^aftcn Steigung für bie alten
©prad^en eine ner^Itni^mä^ig geringere SBefdl^igung unb
baraug entfpringenb eine geroiffe ©leid^gültigfeit gegen bie
3Rat]^ematif unb bie 9tatum)iffen[d^aften gegenübergeftanben
ju l^aben. ^m ^erbft 1828 fönnen il^m in ber ^tatur^:
gef(^i(^te nur „einige" t^ortfd^ritte atteftiert werben, roäl^renb
fein glei§ in ber SJlatl^ematif ate „m6)t immer genügenb"
bejei(^net mirb mit ber 93emerfung, ba§ bei regerem Sifer
bie gortfd^ritte meit bebeutenbere gemefen fein mürben. 2lud^
ju @nbe be§ ^oi^xz^ 1829 mirb in bejug auf bie 3Äat]^ematif
bemerft, ber gl^i^ bebürfe größerer Sorgfalt unb %fi-
ftrengung. @§ ift bal^er ganj gcmi§ fein Qu^aU, fonbem
entfprid^t ber fojufagen unmatl^ematifi^en ^Rid^tung feine*
@eifte§, ba§ 93i§marrf and) nod^ in fpäteren 3^it^n, menn
e§ feine ©ebanfen il^m felbft unb anberen red^t Mar ju
mad^en galt, baju niemate auf ba§ matl^ematifc^e ©ebiet
l^inübergriff. ®enn menn er bie ©(Raffung eine* DoUen unb
enbgültigen 2lu§gleic^§ jmifi^en ber fatl^oüfd^en Äirc^e unb
bem ©taate ate eine „unlösbare Quabratur be§ Qixtd^"
bejeid^net/) mirb man ba§ nid^t afö ein eigentlid^ matl^e:^
matifd^eS 93ilb in 2lnfprud^ nel^men bürfen ober gar glauben,
er l^abe gemußt, ba§ bie Unmöglid^feit einer Söfung biefer
2lufgabe injmifd^en miffenfd^aftlid^ ermiefen morben mar.
©anj anber^ lauten S3i§mardf§ ©d^uljeugniffe in ben
fprad^lid^en göi^em. Dbgleid^ er nod^ in l^o^em 2Ilter er:=
f lärt l^at. Satein l^abe er „nid^t gemod^t" ^ unb fic^ bal^er nie
bamit befreunben fönnen,^ l^at er nielmel^r gerabe biefem
Unterri(^t§gegenftanbe augenfd^einlid^ ein ganj befonber§ rege§
3[ntereffe unb ungemöl^nlid^en glei§ jugemanbt. ®em ent*
1) ^olttifdie iRcbcn IX, @. 165.
2) @tauc§ Älofter @. 24.
3) 3lnnalett unb §iftorien a. a. D.
— 14 —
fprid^t e§, ba§ wir il^n fclbft nod^ in fpäten ^aifv^n in
bem ©ebanfenfreijc bcfonber§ ]^eimi[d^ finben, ben il^m im
Änabens unb Jünglingsalter eine eifrige unb t)erftänbni§t)olle
ßeftüre ber auf bcr ©d^ule bel^anbelten römifd^en Älaffifer
erfc^loffen l^atte. @§ gibt tatfäd^lid^ fein ©ebiet, auf ba§
er aud^ in ber $i^e großer parlamentarifd^er Debatten buri^
bie t)on i^m gebraui^ten 3it<^te, Slnfpielungen unb 93ilber
fo i^äufig unb fo roirffam jurüdgreift wie gerabe auf biefe§.
®ie burd^auS l^umaniftifi^e ©runblage feiner ganjen 93ilbung
tritt fd^on barin red^t augenfällig ju Sage. 3)o(^ wirb man
babei auc^ ben Umftanb nic^t au^er JRed^nung laffen bürfen,
ba§ feine (S^mnafialjal^re in ba§ ^^it^^K^^ fielen, mo bie
Ilaffifc^ pl^ilologifd^en ©tubien in ®eutfd^lanb befonberS
billigten unb bal^er aud^ ber betrieb be§ altfprac^lid^en
Unterrid^tS auf ben preu^ifc^en l^ö^eren ©i^ulen getragen
unb gleic^fam geabelt mürbe burc^ ben freien, mal^rl^aft
l^umanen ©eift, ber bie in fo ftoljer Entfaltung begriffene
2lltertumSmiffenfc^aft bamalS überl^aupt fennjeid^nete unb
Seigrer unb ©^üler baoor bemal^rte, in jenes oft bis jur
©eiftlofigfeit formaliftifi^e 2:reiben ju oerfatlen, meld^eS, am
SBort unb am 93uc^ftaben l^ängenb, ol^ne lebenbige gül^lung
bleibt mit ber ^errlic^feit ber 2lntife unb, inbem eS aHs
mäl^lic^ meitl^in bie ^errfc^aft gemann, in oer^ängniSooUer
SBeife bap beigetragen l^at, bei ber l^eute tonangebenben
©eneration juglei^ mit ber Sichtung oor ber flaffifc^en
^^ilologie baS SBerfiänbniS für ben 93ilbungSmert beS 2llter^
tumS JU minbem.
2llS Primaner, äußerte 93iSmardf im Jal^re 1870/)
^be er rec^t gut Sateinifi^ fi^reiben unb fprei^en fönnen,
maS il^m äurjeit mol^l ferner fallen foUte. ©eine 2lngabe
L) «uf^, Sraßcbu^bldttcr I, (B. 230.
Hiiib babutcf) beftätigt, ba§ et bei bet inünblicl)en 9
Prüfung im ^rüMf^Öv 1832 bie i^m uorgelegte» Stagen auä
bet ögqptifi^En, pevfifd)en utib griec^ifc^en (Seft^ic^te tateinifi^
beantroottete. ^) SJoii bem lateinift^en 2(ufi'a5, ben er a\$
eine ber f^riftlit^en ^$rüfung§atbeiten anfertigte, urteilte fetn
Sekret Sonnell „Oratio est lucida ac latina, sed non satis
castigata."^) 9Iid)t btofe bie Seftimmungen, t>ie bmnali
für bie Seftüre ber römifdjen Tutoren auf ben preu^ifdjen
©qmnafien galten, laffen mit ©id)erl)cit Qnuetjmen, bofe
Siämflcd mit biefen eine grünblic^ere Setnnntfc^nft gemad)t
f)Ot, alä fie ber 3)lel)rjal)! bet SeEunbaner unb ^^timaner
f;)ätert)in suteil rourbe ober »ollenbS gar Ijeutigentageg ner=
mittelt ntirb, fonbetn roir begegnen bei tl)m quc^ in ber
golgejeit ben beuttidjen ©puren einet ebenfo auSgebe^nten
mie intenfroen Sefc^öftigung mit benfelbcn. ^aif 9Iu§iöei§
ber ©rf)u[no^rid)ten umfafite bie Seftüre im ©rauen Slofter
1829 bie erften füiifstg Mon ben 33tiefcn EiCeroä, Ouibä
a)letomcirpt)ofen unb ®uttiu§ 9{ufu§, augerbem aber prioatim
©äforä Bellum civile unb BeUum Alcxandrinum nebft be^
©alluft SÖerf über bie Sßerfd)roütung beä Oiatilina. 3Jiit
roeIef)Em ©ifet nic^t blo^, fonbem aui^ mit roelc^em @enu§
ber *ßrimaner ?li§marif ftt^ in einjetne ber antifen ^Jtutoren
»etfentte, bie iljm auf ber Si^ule burc^ treffliche Selfrer
erf^loffen rourbtn, get)t fi^on bora«§ jur ©cnüge ^eroor,
bafe er bie Oben be§ ^oraj jum S^eil mettiftft überfe^te.
SDa tonn e§ benn au(^ nid)t niunbeme^men, roenn tro§ ber
^o^en 9Infptüd)e, bie bamal§ auf biefem GJebicte bei unä
im allgemeinen unb inSbefonberc getabe auf bem ©tauen
filofter an bie Schüler gefletit rourben, in bem i^m erteilten
3tbgnng§jeu9ni§ »om 3. 3(^)ri( 1832 von ©iämarcE nulgefagt
1) ©taueg ftlofter S. 24.
S) ^efctiel, 3)a§ Sßu(^ oom ©tafen saigmoxÄ.S. 86.
— 16 —
wirb, im Sateinifd^en feien feine Äenntniffe gut forool^I int
aSerftdnbniS ber ©d^riftfteUcr rote in ben fd^riftUd^en Übungen.
SBeniger innig unb infolge beffen aud^ nid^t fo bauer^
l^aft unb für il^n in fpäterer Qe\t nid^t fo frud^tbar geftaltete
ftd^ fein Sßerl^ältni^ jum ©riec^ifc^en. Qnt ©egenfa^ ju
bem Sateinifd^en werben feine Äenntniffe ba beim ätbgang
oom (S^mnafium nur ate „jiemlid^ gut" bejeic^net, unb nod^
ju @nbe be§ ^a!^re§ 1892 meinte er einmal, er märe oieU
leicht ein fel^r gro^e^ ®enie gemorben, menn er ben enormen
Slufmanb oon QnteUigenj, ben er ber gried^ifc^en ©rammatif
geopfert l^abe, nü^Ui^eren Slrbeiten gemibmet ^tte.^) 3)oc^
mirb man biefe älu^erung eine§ gemiffen oerfpäteten Unmuts
fi(^erli(^ nur anpfeifen l^aben al§ einen oorübergel^enben
SBiberl^aU be§ abfälligen Urteifö, melc^eS gerabe um jene
3eit ebenfalls auf (Srunb in ber ©d^uljeit gemachter perfön=:
lieber Erfahrungen oon einer anberen ©teÜe autoritatio in
Umlauf gefegt unb jum 2luSgang§punft ber antil^umaniftifd^en
^Reform beS l^öl^eren ©d^ulmefenS in ^reu^en gemad^t morben
mar. ®enn in offenbarem SBiberfprud^ bamit legt ber 211t::
reid^Sfanjler ein anbereS 3Äal gerabe auf bie Kenntnis beS
©ried^ifd^en oielmel^r befonberen SBert meil fie baS Äennen^
lernen ber oon tiefer SBeiSl^eit erffiHten altflafftfd^en gried^i^
f(^en SBerfe ermöglid^e.^
3Äan fönnte e§ faft afö eine frül^jeitige Offenbarung
feines burc^ unb burd^ beutfd^en SBefenS unb mol^l gar als
eine 2lrt oon propl^etifd^em ^inmeiS auf fein fpätereS SBirfen
jum ^eil feines SßolIeS anfeilen, ba§ 93iSmardf fd^on als
©gmnaftaft gerabe bem beutfd^en Unterrii^t eine ganj be^
fonberS lebl^afte Steigung entgegenbrad^te unb in ungemöl^n::
lid^ l^eroorragenben Seiftungen fd^on bamalS ben fünftigen
1) ^e^n, «iSmarrf alS ©r^ic^cr @. 488.
^ 2)e^n 0. 0. O.
— 17 —
OTeifter beg SBortS imb ber %ibex a^nen tiefe, ber aiic^ auf
bie ©ntroidlung feiner 3Jiulter(ptai^e einen weithin nad)-
toitfcnben @influ§ auäguüben berufen mar. Serettä in
einem B^upi^ uon 1827 roitb feine 3(iifmetffamfeit im
3;eutfcf)en befonberl gerühmt, uub ein !^af)v batnac^ raitb
er roegen be§ 33erftänbniffe§ unb ber Sorgfalt belobt, bie
feinen Jleife für biefen (Segenftanb fennjeirf)nen. Sßenn eä
bann Dftetn 1829 oon biefem l)ei§t, et fei „mit 9Inftrengung"
bcroiefen, fo barf mon barau§ oieUeic^t fdjiießen, e§ fei bem
SBietje^njÄ^rigen auf biefem ©ebiete iunäc[)ft nidit aUju leicht
geraorben. SIber bie „Siebe jur ©ac^e", bie i^m roeiter^in
auäbrüiflid) nat^gerü^mt roitb, ^at i^n bie anfänglicfjen
ScEinjierigtciten augenfftjeinlii^ Balb übetniinben loffcn, unb
baö Seutfc^e tft iE|m offenbar ein befouberS liebet Unterric^t§:
gegenftanb unb er feinen Setirem bariu ein befonbetg lieber
Sd)ii£er geworben. Senn auc^ fpäter finben roit bei „über=
alt fid)t6aren (yotlfcl)tiften" bie „im beutfcE)en Stil" ofe
„roo^t bemerft" auäbtücttid) IjerDorgclioben. ®emgemti§
roitb bann aud] fd)lie§l!cf) im SCbgangäseugniä bie „fe^r
erfreuliche ®eroanbtt)cit" befonberä lobenb erroft^nt, bie er
int ®cutfcl}eti beft^e. Jfn roeli^er S'fidjtung fein Stn'^reffe
auf biefem ®c6tetc firf) bamal§ befonberS beroegt nnb auf
roelrfie SIrt er e§ felbfttätig butt^ eine umfaffcube öeftüre
ju befriebigen gefud)t |at, ift bei bem 3)'!angel an Stngaben
barübet jroar nic^t erfcnnbat, 3)od) läßt feine außer;
orbenttidie 93ertraut^eit mit ben beutfi^en Slaffiteni, obenan
mit ©oet^e unb ©filier, mit benen er bie in ber 3ugenb
gewonnene intime gü^lding niemals »erloren bat, bann ober
auc^ mit Uf)Ianb unb ©Ijamiffo, benen fein ©efc^mad, roic
et nod) ju Seginn beä ^aijteä 1891 bcäeiigte, ebenfalls treu
geblieben roor,^ einigermaßen ein Sd)Iuß sieben auf ben
') ®e^n S, 516.
— 18 —
ÄreiS von SBerfen, in beten jum 2:eil immer mieber er=
neute Seftüre er ftc^ ju vertiefen geliebt l^aben wirb.
©igenartig unb l^öc^ft d^arafteriftifd^ für ben fünftigen
2Jlann erfi^eint mäl^renb ber ©(^uljeit 93i^mar(i§ Sßerl^ältni^
ju ben neueren ©prai^en. ©ntjprei^enb bem 93raud^ abeliger
Käufer, für beren ©ö^ne ber Eintritt in bie l^öl^ere SBe^
amtenlaufbal^n, namentüd^ bie biplomatifc^e, bei ber SBal^I
be§ fünftigen S3erufe§ in erfter Sinie fielet, l^atten aud^ bie
©Item SSi^mard^ baffir geforgt, ba§ il^re ©öl^ne oon Qugenb
auf gertigfeit im münblid^en ©ebrauc^e ber franjöfifi^en
©pra^e erlangten. ®aju mar Dtto unb feinem älteren
S3ruber erft ber bamalige Sammergerid^t§referenbariu§ ^a^
gen§, bann ein junger ©enfer ©allot unb enblic^ ein nad^^
matö afö leid^tfertiger ©efell erfannter ^l^ilologe Dr. SBinfeU
mann atö 9Jlentor unb ^au^genoffe beigegeben.^) ®od^
f^eint fi(^ aud^ in biefem gaÖe bie nid^t eben feiten ge=
machte ©rfal^rung mieberl^olt jn ^ben, ba§ jmifd^en folc^en
fprai^funbigen Knaben unb bem Seigrer be§ granjöfifdien
in ber ©c^ule fein befonberS gute§ ©innerftänbni^ l^errfi^t:
infolge ber burc^ frül^e l^äu^lic^e Übung erworbenen ©prac^=
fertigfeit unterfi^ä^t ber eine ben SBert be§ fi^ulmä^igen
S3etriebe§ ber Orammatif ber il^m geläufigen ©prai^e, l^ält
fie für jmedflog unb langweilt fic^ babei, pmal er in biefem
Oegenftanbe feinen 3Jlitfc^ülern weit oorau§ ju fein pflegt,
ber anbere, ber obenein einem folc^en ©d)üler in ber ^err^
f(^aft über bie (Sprache im münbli^en Sßerfel^r jumeilen
nad^ftel^t mirb infolge beffen lei^t unbewußt baju oerleitet,
jenen rei^t empfinben ju laffen, ma§ il^m boc^ noc^ alle§
fel^lt. ®arau§ entfpringt bann nur lei^t ein gemiffer
perfönlic^er ©egenfa^, ber mol^l gar ju bauemben Sleibungen
1) ^cfeftcl a. a. O. 8. 75.
filmet- Unter foldjen Umftiinben fül)lt fit^ ßerabt btr tatcitl^
doQe unb ftrebfante ©djüler nid)t redjt uerftanben ober iiid)t
redjt ficrourbigt unb lebt fidj rool)! gar in bie 3SorfteUuiig
hinein, er werbe abfidjtlic^ imgeteil)t be^anbelt. ©o ging
eä auf bem ©rauen ßlofter ®i§marcE mit bem Se^rer beä
(fraiijöfifc^en, §emi (Jringä. Um fic^ bal)er bei ber 91b:;
gangäprüfung ber, raie ev befürrfitete, unbilligen Seurtetliing
burd) bicfen su entstehen, roarf ftd) 93iämanJ im legten
^afyc feiner ©c^itUaufbaljn mit leibenfc^aftli^em ®ifer auf
bie ©rleniung be§ @nglifd)en, ba er aföbami bie fransöfifcl)e
^tflfungsarbeit burd] eine englif^e ju erfegcn bere^tigt
mar, unb berodltigte bie freiroillig übernommene 9tufgabe in
unglaublidi Eurjer 3eit fo DoUftanbig, ba6 er fdjIie^Uc^ audj
in biefem ©egenftanbe glänsenb beftanb. Sein 2Ibiturienten=
jeugniä begeic^net feine Staffenfeiftungen im ©nglifc^cn, aber
audi bie im ^i^ünäöftfi^en furäroeg alü „fetir gut". 3"
ajlatljematif, @ef[^id)le unb ®eogtapl)ie ö^^tte er e§ blo§
3um „befriebigenb" gebrai^t.
©ei i^e^rem unb SOiitfdjiilem tjinferliefe Dtto uon 33i§-
marrf, aU er Bon bem ©rauen ^lofter fd)ieb, ein guteä
Slnbenfen. 35ev eben fiebäel)uin^rige rourbe entlaffen „mit
ben heften ©egenSroilnfdien unb mit ber Hoffnung, ba§
biefer fähige unb mo^lDorbereitete Silngling mit erneutem
6ifec an feiner fernereu roiffenfdjafttic^en SKuäbilbung orbeiteii
roerbe".'! (äbenfo ^at aud) ber ju fo großen Singen benifene
2[biturient ber 3tnftalt, loeldjc i^m bie gvunblegenbe %i\§-'
rüftung für feine 2aufbal)n gegeben I)atte, in aufridjtiger
33anfborfeit aUeäeit ein treuem @ebäd)fniä bemalirt. ®r:
innerte er fid) aud] einmal unmutig ber plagen, bie it)m
bie fd)n)er abmägbaren geinbciten ber gried)ifd)en ©rammatit
'j ©raiieä Sloftet a. a. D.
— 20 —
bereitet l^atten/) unb erflärte er bann rool^I, gar ni(^t be^
greifen ju fönnen, wie man bie[e§ ©tubium überl^aupt fo
eifrig betreiben fönne,^) fo l^at er bod^ ben unfd^äparen
SBert ber ©qmnaftalbilbung in SBal^rl^eit niemate t)erfannt
unb bal^er gelegentlid^ au^ fein 93ebauem barüber au^?
gefprod^en, ba§ biefelbe ft(^ nic^t auf ber ^ö!^e erl^alten
l^abe, auf ber fie in feiner Qugenb geftanben l^atte. 9lad^
feiner 9Jleinung würbe t)on ben ©d^ülem fpftterl^in weniger
verlangt ^) unb oon bem SBorl^anbenfein einer Gberbürbung
ber ©^üler, bie namentlid^ in nic^t fad^männifd^en Greifen
fo oft bel^auptet roorben ift rooUte er nid^t^ l^aben finben
tonnen. SBo^l rill^me man, urteilte er einmal, ba§ bie
©rjie^ng eine allgemeinere geworben fei, ho6) fei fte nid^t
fo gefunb unb nic^t fo gut, mie in feinen jungen -gal^ren:
feine ©öl^ne l^ätten mel^r ©elegenl^eit gel^abt afö er, etma^
ju lernen, feien aber oom ©qmnafium fel^r unmiffenb
jurüdgefommen (9looember 1887).^) ®ie petdt, mel^e
il^n gegen bie 2lnftalt unb bie Seigrer erfüllte, benen er
feine 93ilbung oerbanfte, l^at er in einer il^n felbft el^renben
SBeife aud^ baburd^ betätigt, ba§ er feine ©öl^ne ben
gleiten SBeg einfi^lagen Iie§, unb baju ber Dbl^ut feines
el^emaligen ^enfionSoaterS 93onneIl^) anoertraute, ber in^^
jmif(^en an bie ©pi^e be§ griebrid^Smerberfd^en @^mnafium§
in SBerlin berufen mar. 3)a§ ifi um fo l^öl^er anpfi^Iagen,
als aud^ 93iSmardf bie glänjenben SttuSftd^ten oollfommen ju
mürbigen oerftanb, bie ber ftaunenSmerte 2luff^mung ber
Ste^nif ftrebfamen jungen ßeuten für ba§ bürgerlid^e g^ort^^
fommen erf(^lo§, ja eS nid^t ungern gefeiten l^aben mürbe,
menn fein jüngerer ©ol^n SBil^elm fid^ einem berartigen
S3erufe gemibmet unb barin 3Jlillionen oerbient l^ätte. S)od^
1) «gl. oben @. 16. ?) ^e^n @. 603. 3) (gbb. @. 488.
4) (Sbb. (5. 488. 5) «gl. @. 11.
— 21 —
mar aiici) ba§ luo^I nur eine ODrüberge^enbe ^(ntoanbluiig:
im ©tnnbe feiner ©eele roar unb blieb 3)iämarii bcn
^umaniftifiijen gunbomenten feiner öilbunfl unroanbelbar
unb bantbar treu tinb teilte tiic^t bie ?(nftd)t fcine§ älteften
unb intimften Jreunbeä, beä ©rafen Sdejanber ffe:)|erling, bc5
legten beutict)freuublid)en Kurotorä ber Uniuerfität SDorpat,
u)eld)er neben „ber Sirene, namentlid) ber fatf)oIiid)en, in
bem lQtein:griec^ifil)en Stammeln unb Bucl)ftabicren, bamit
bie Sernja^te unferer ^fünjlinge tjingenommen roerben",
ba§ größte ^emmniä ber ©ntroidtung be8 meitfdilidjen
©eifteä erCennen ju muffen glaubte, roeil fie in eine ?ßl}Qfe
l)inübertrete, reo eine größere ©eroö^nung an Senboc^tung
ber 3lu|enn)elt erforberlid) fei, al§ man fie au§ blofeer
öüd)Crnöf}rnng geroinnen fönne.') SBenn bei irgenb je:
maiibem, fo ift bie t)ier bel)au?)tete nai^teilige SSirfung ber
^umantftifc^en 93ilbung, bie man bocl) fo lange für jeben
^ötjeren 5}eruf alS unentbehrlich ongefe^en ^at, bei 33i§marcJ
nic!)t ju fpüren gcrocfen. Qm (Segenteil, raeil er roufete,
ujaä er ifjr nerbanfte, ^at er fid) in ber %o\a,e entfd)ieben
ju i^r betannt, mag er aurf) eift in fpäteren ^a^ren fidj
beS ©c^Q^eS rec^t beraubt gcmorben fein, ber iljm in i^r
auf ben Scbengroeg mitgegeben roorben roar.
„3[lä normales ^robutt unfeve§ ftaallii)en Unterri^tä"
uerlie^ er im grü^ja^r 1832 bie S(^ule. 93ou feiner
Stubienjeit in ©öttingen unb Berlin roiffcn mir roenig,
roaS bie Ocft^ic^te feiner iöilbuug in eigentlirf) iniffenfc^oft;
li^et §infid)t aufjutlären geeignet märe. 3Beld) nad)I)ültigen
Sinflug bie in frifc^et CebenSluft genoffenen 93urfd)enjat)re
auf bie Muäbilbung feinet (J^arafterä ausgeübt Ijaben, btaudjt
1) ÖJtaf Sliejaiiber fiepferting. ©in SebenSbilö aiiä SSriefeTi
unb 2n9cbüct)cni jiifftmmeiige[te[It oon fein« locfitei:. fSSertin I'J02)
11, ®. 218.
— 22 —
l^ier nid^t näl^cr erörtert ju toerben. aSielleid^t aber barf
man ein glüdHid^eS ©rbteil, ba§ er Don feinen SSorfal^ren
ntütterli(i)erfeit§, bem au§ ber ©efd^id^te ber beutfclien SÖBiffen^:
fd^aft rü^mlici) befannten ©elel^rtengefd^Ied^t ber SÄendEe,
überfontmen l^atte, barin erblidEen, wenn er aurf) in jener
3eit gelegentlirf) rool^I ein wenig roilben 2lu§toben§ bie er^
l^ebenbe unb läuternbe göl^^ung mit ben l^ö^eren geiftigen
Qntereffen nientafe rerlor, moi^te aud^ bie 2lrt wie er fte
betätigte unb pflegte, mit bem eigentlichen ©egenftanb feiner
©tubien junäd^ft menig gemein l^aben.
©cl)on in (Söttingen trat er namentlid^ einem Greife
bort ftubierenber 2lmerifaner nal^e, non benen ber fpäter afö
Staatsmann unb ©efd^id^tSfd^reiber feinet 5ßaterlanbe§ be^j
rül^mt geworbene SJlotleg il^m bi§ an fein Seben§enbe freunb^^
fd^aftlid^ nerbunben geblieben ift. S)a§ neranlajste il^n jur
g^ortfe^ung ber i^m burd^ fo eigentümlid^e Umftänbe^) be^
fonber§ lieb geworbenen Sefd^fiftigung mit ber englifrf)en
(Sprad^e unb Siteratur. ^tamentlid^ fd^eint er immer mieber
jur Seftüre ©l^afefpeareS jurüdEgefei^rt ju fein. Qn nod^
innigerer ©emeinfd^aft ber allgemein geiftigen 93eftrebungen
l^at er bann mäl^renb ber 93erliner ©tubienjeit mit ®raf
Slleyanber Äegferling geftanben, einem feinen unb oielfeitig
gebilbeten Äopf, ber nid^t blojg im ©ebiete ber befd^reiben^:
ben ^taturmiffenfd^aften al§ g^orfd^er oerbienftooU tätig mar,
fonbern aud^ ftarfe pl^ilofopl^ifd^e Steigungen l^atte unb
namentlirf) mit ben ©rf)riften ^laton§ mol^loertraut mar.
SGBenn SiSmardE fpäter einmal erflärt (Januar 1891), 2)
„burc^ Äant l^abe er fid^ nirf)t oöUig l^inbur^bringen fönnen",
bod^ finbe er fel^r fd^ön, roa§ berfelbe über ba§ SJloralifd^e
fage, „jumal ba§ nom fategorifd^en ^mperatio", fo wirb
1) SBgl. @. 19.
2) t). ^ofd^tnger, S8t§mardf unb bie Parlamentarier II, 170.
man annehmen biirfeii, ba§ er aui^ feine siemlici) auf bet
Oberflädje gebliebene SSefanntfc^aft mit bem gtofeen fitinig§=
berget ^[jilofop^en fieqfetling ju uerbanfen gehabt ^at.
©e^t lodenb fann il)m bie SSefdjaftigung mit Santa fdjniet
geniefibaren SBerEen fc^on be^^alb nic^t erfd)ienen fein, roeil
er, mie et bei betfelben ©elegen^eit freimütig betennt, „om
liebften oifxie ba§ @efül)l be§ STupecatinä" lebte mib bern^
gema§ auc^ über^anpt nie nac^ ©runbfä^cn gelebt bobe,
fonbetn sitgegriffen unb getan, loaö er für gilt ge&allen.
gteilid) fei ifini biefet SJianget an ©runbfa^en oft i]otge=
iDorfen luotben: menn et abet mit QStunbfä^en butd)ä Sebcn
ge^en fülle, Jo fomme it)m bng uor, „aU roenn er buri^
einen engen ^albmeg ge^en unb babei eine lange ©lange
im 3Jtunbe galten müßte".') S)ementfprecf)enb ctftätte er
benn aud) gelegentlid] einmal bie SJloratpIiilofop^ie ft^lec^t:
roeg für einen fcljaten Sobenfa^ beä Eljtiftentuiiiä (15. 9toD.
1849)^ unb außet einigen geroiffermafeen ted^nifdien pbitos
lopI)itd)en 9tueibrücten, bie aber o^ne Slütfftdjt auf bie it)nen
urfptünglid) eigene öebeutung längft atä ©emeingnt in ben
Spracl)fi4af3 atlet ©ebilbeten übetgegangen fmb, finben roit
bei itjnt an Ijier^er get)örigen SBcnbungen unb ©c^lagroörtern
fnft nur folclje gebrautl)t, bie au§ bet formalen Sogit ent^
le^nt ftnb. @t fpric^t luo^l oon bem horror vaeui'') auc^
in ber ©efe^gebung,^) bou einer petitio principii,'') oon ber
»lateria peccans, ") oon bet ratio dubitandi, ') abet aui) uon
bet ©c^tußfolgerung post hoc, propter hoc") unb non etiiia§.
. ') u. ^ofii)iTiBCr, Silnianf u. b. ^arlamcntoiier I, 170.
2) 5Bolttifd)e fflcbeu 1 S. 158.
3) gbb. II ©. 84, VIII S. 226.
i) SBricfe an ©erlnd) S. 263. '>) ^'olttifcf)L' SHeben IX, 425.
") ebb. IV, 382. ') ffibh. VI, 44.
8) ebb. vni, 347, XI, öo.
— 24 —
toa§ gilt omni exceptione maioris^) unb fommt fonft auf
bicf cm ® cbictc au§ mit ben SBenbungcn a priori, ^) circulus
vitiosus^) ober Ditiöfer S^xM,^) hiatus in bcr Slrgu-
mcntation/) non liquet/) tertium non datur'^) unb argu-
mentum e contrario.®) ©agegen fül^rt er ben fategorifc^en
Qmperatit) be§ ^flid^tgeffi^te, n)eld^e§ il^n, fo lange er am
$Ia^e auSjul^arren genötigt ift aud^ feine ©d^ulbigleit ju
tun antreibt, nur einmal in§ ©efed^t.^) SSieUeid^t mar il^m,
ganj abgefel^en von ber geringen Steigung jur ^l^ilofop^ie
unb ber au§gefprod^enen 2lbneigung gegen ©runbfä^e, biefe
SGßenbung, bie Don berufenen unb Unberufenen bei paffenben
unb unpaffenben ©elegenl^eiten o^ne red^te§ 5ßerftänbni§ für
il^ren eigentlid^en (Sinn fo unjo^Uge 9JlaIe gebrandet wirb,
bereits ju abgenu^t, um ftd^ i^rer l^dufiger ju bebienen.
SJleifterl^aft überfe^te er fte in ba§ il^m ujib anberen geläu^
figere unb t)erftänblid^ere ^reujsifd^, afö er balb na^ ber
Übernahme be§ 9Jlinifterium§ ben Ileinmütigen Äönig Sßil^elm
ujd^renb ber g^a^rt Don Jüterbog! nad^ 93erlin, wie er fagt,
bei bem ^ortep6e be§ preujsifd^en DffijierS ju faffen raupte
unb hm jur Slbbanfung ©eneigten babur^ beftimmte auf
feinem Soften au^jul^arren. ^^) 9Benn er nad^ einem ©e?
lenntni^, ba§ er bei ber Sßerbung um bie Seben§gefä^rtin
bereu ftreng fird^Iid^ gefmntem 5ßater gegenüber abplegen
ftd^ gebrungen füllte, ^^) in einer an inneren kämpfen reid^en
^eriobe feiner ©utmidEtung bem (Smft be§ Seben§ unb ber
(Sroigfeit na^e gebrad^t ju fein erltärt ^at burd^ r/^^ilö-
fopl^ien be§ 2lltertum§, unoerftanbene §egelfd^e ©d^riften
I) % m. X, 23. 2) «p. 91. xn, 111. 3) «p. gfi. 11^ 230.
4) «ß. m. VII 171, 172. 5) «p. $H. X 488. 6) ^. SH. VIII 324.
7) % m. X 328, 429. 8) «p. 91. ix 39. ») $. di. IX 110.
10) @cban!en unb ©rinnerungen I <B. 286.
II) Söxiefe an bie «raut unb ©attin @. 2 u. ff.
— 25 —
unb vox aUcm @pinoja§ anf(l)cincnb mat^cmatifd^c Älarl^cit",
fo l^at bfe bamit angcbcutctc Seftürc mit cigcntlid^ p^ilo-
fopl^ifd^en ©tubien bod^ rool^I faum ctoa^ ju tun gel^abt.
aSicImel^r lüar er baju biird^ bic ©frupel unb 3w)etfcl Dcr?
antalst roorbcn, bic i^n bamafö in rctigiöfcr §inftd^t er^
fc^üttcrten unb ©erul^igung über ba§ fud^cn tiejgcn, roa^ bem
ntcnfd^Iid^cn 5ßerftanbe nii^t fa^tid^ ift. 2lud^ wenn et bcr
33raut gelegentlich erjdl^It ^obbe§, „ber materialiftifd^e
®otte§Ieugner", ^abe vor ©efpenfterfurd^t nid^t allein fd^lafen
fönnen, ^) wirb man barau§ nid^t folgern bürf en, er l^abe bie
9Berfe be§ englifd^en ^^ilofop^en ftubiert, fo wenig wie au§
feiner ©efanntfd^aft mit ber 2^rugfd^lu^form be^ ©orite§,
oon bem er meijS/ ba^ ©icero i^n lubricum et periculosum
nennt, auf einfüge ©efd^öftigung mit biefem ©ebiet gefd^loffen
werben barf, mie er ja au^ fälfd^lid^ oon einer ©d^ule ber
©oriten fprid^t: oielmel^r liegt aud^ l^ier nur eine Siemini^cenj
au§ ber formalen Sogit oor.^)
3)lit feinem eigentlid^en g^ad^ftubium, ber JRed^tSmiffens
fd^aft, ^at e§ 93i§mardE nid^t blo§ mä^renb ber flotten
©öttinger ©emefter, fonbern aud^ norf) in 93erlin offenbar
leichter genommen, ate ba§ felbft ^eutigentage§ oon unfern
fünftigen SJlinifterfanbibaten ju gefclie^en pflegt, ©o pietät^
ooU er ber oon il^m befud^ten ©d^ule gebadete, fo gering^
fc^ä^ig urteilte er über bie Unioerfttäten unb bie 3lrt be§
Sel^ren^ unb Sernen^, bie nad^ feinen SSorftellungen ju feiner
3eit bort üblid^ gemefen fein foUte. S)od^ mirb map bei
feinem l^eiteren „So^jie^en" gegen fie nid^t unbeachtet laffen
bürfen, ba§ e§ bei bem beglüdEenben 3iif<itt^^^^f^i^ ^it
feinem ^ugenbfreunbe Äegferling unb bei frö^lid^er %a\d^
runbe erfolgte, mo i^n in ber (Erinnerung an bie mit jenem
1) @bb. @. 59. 2) 9ß gj. ni 17.
— 26 —
verlebten frol^en ^al^rc bc^glid^ aud^ ctroa^ t)on bcm übcr^
mut überfommen mod^te, ber il^n einft erfüllt l^attc. S)enn
er fannte bie Sebeutung unb ba§ SScrbienft ber beutfd^en
Unberfitäten ho6) ju gut, um je im ©rufte bel^aupteu ju
xüoütn, fte „feieu uur ba für bie ^rofefforeu, bie bei eiuem
jiemlid^ fleiueu läd^erli(i)eu gamilienlebeu eiue roiffenfd^aft::
lid^e ©emeiufd^aft bilbeu uub eiueu Sebeu^uuter^alt je^t
l^aben, um i^re Sudler ju fc^reibeu: bie aSortrdge ftub
pure g^orm, mau lerut iu ad^t 2!ageu au§ beu ^efteu, roa§
jum ©yameu uötig ift". 2Iu§ eigener Äeuutui^ ^at Si^mardE
bie^ Urteil über bie SSorlefungeu feiuer 93erliuer Seigrer,
wenn mau uuter folc^en Umftäubeu bie bamatö bort roirfeu^
beu ^rofefforeu überl^aupt al§ fold^e bejeirfiueu fauu, ftrf)ers
lid^ uirf)t gefrf)öpft. ^at er bo(^ eiumal feiuer ©ema^liu,
ate fie bie 93erliuer Uuiuerfttät im 2lubeufeu au bie 3ßit
bie uad^ il^rer 3Jieiuuug il^r ®atte eiuft bariu jugebrarfit
l^atte, gefül^luoU betrad^tete, „gauj roilb" ertlärt, uiemal§
fei er bariu gemefeu, uub greuub Äe^ferliug beftätigte ba§
mit bem 93emerfeu, 93i§mardE ^abe ftd^ roirflii^ iu eiuer
9Bo(^e jum ©yameu präpariert uub e§ beftaubeu, fei aber
bei ber SiüdEIe^r uoc^ gauj roüteub barüber gemefeu, ba§
er fo uiel gelerut l^abe: beuu uad^ bem meifteu, ma^ er ge=
lernt fei et gar uid^t gefragt roorben, l^ätte e§ eigentlid^
alfo gar nid^t nötig gel^abt ft(^ aurf) uur fo oiel ab^
jumül^en. ^)
Sßeber ba§ befd^eibeue 3Jia§ oon juriftifd^er SSorbilbung,
ba§ jum ©intritt iu bie pl^ere SSermaltungSlaufbal^u ge^
forbert rourbe, bie er ftatt ber anfangt iu^ 2luge gefajgten
biplomatifd^eu fd^lie^li^ ermäl^lte, uoc| bie folibe uub breit
funbierte aUgemeiue 93ilbuug, bie er fid^ roä^reub einer mol^l
i) Äet)ferltnö I ©. 547.
angeiDOTibtra Scf)ul5cit etniorbeii I)atte, fint bei Si^mard
unter toiefec fouDCiäneii Sßeradjtung bc§ atabetnifcljen Stu=
bium§ itgenb Sdjaben gelitten. Qn bem ^Efflni^- ^aä il)m
am 30. 3iuni 1836 öbec bae ju 9Ia(i)en beftanbene Sfamen
als Otegierungäteferenbar onägeftellt ift, ^) roirb befunbet, tooß
bie Prüfung, foroeit fte fic^ auf bie allgemeinen aSiffen:
fc^aften, @vied)ifd), Sateinifcf), ^lJf)ilofopl)ie unb @e|iJ)id)te
erftretfte, „rec^t gute Sdjiilftubien" enotefen I)abe: in^be:
fonbere liabe ber Sanbibat „buri^ überfe^ung unb <^itter:
ptetation einiger ©teßen auä be§ Xenoplion Eqtopaebie fo:
roie auä Eicero§ Suc^ de officiis feine S?ertrautl)eit mit ben
alten SpracE)en" geieigt, „aud) bie i^m rorgelcgten p^ilo:
fopI)ifd)en unb ftiporifc^en (fragen buvc^auä befriebigenb"
beoutroortet. 3lan batf leibet mit gutem Orunbc äiueifeln,
ob bei bev t)eute üblidjen 3Irt beä ©^mnafialuntertic^tä unter
Q^nlic^en Umftänbcn md) ein äl)nlid) erfreultct(eö @rgebni§
geraonnen rocrbcn mürbe. 3« bem SJlafee roaren bie ctnften
uiib jugleic^ liebesoll betriebenen bumaniftifdien ©tubien, bie
in ben empfänglidiften unb einbrucEsfo^igften Qugenbiatjren
einen guten S:eil |cine§ ®afein§ QUägemorf)t botten, für
8i§mardg gauäeä 3)enfen beftimmenb geirorben, bag er, beffen
SBirff amfeit in ba§3fitillfi^ eineäflaunensroertenSluffi^roungS
ber 91aturniiffen[i^a|ten unb ber Sei^niE fiel, bet bie öe=
bingungen be§ menfdjli^en ffiafeinö in mand)er ^infi^t uon
©runö mä manbelle, tro^ einficf)t§DoDen SJerftänbniffeö ouc^
bafür an biefer geroig großartigen Seite ber äeitgenÖffi|cf)en
Sntioirflung boc^ niemals in bem 'SRa^i innerlid) teilge=
nommen t)at, bofe er für bie ©eftaltuug unb ben 3(u!ibrüd
feiner @eban!en oon bort£)cr neue Stnregung empfangen unb
bementfpreii)enbe 9luäbrüde unb Silber fid) angeeignet ftätle.
') Siämavifialjrbudi III S. 13.
— 28 —
^old^c fommcn in feinen Sieben unb Briefen nur ganj Der-
einjelt t)or.
Db man bie „Boa constrictor ber 93ureaufratie", Don
t)er er einmal fprid^t, ^) ^ierl^er red^nen f ann, mag freiließ
ebenfo bejroeifeft werben, wie e§ fraglii^ bleibt, ob er ju
t)em ©a^e, ben er bei ber g^ier feinet 80. @eburtötage§
in ber 2lntn)ort auf bie ©lüdEmünfclie ber 9ieftoren ber
t)eutf(l)en Uniuerfttäten au^fprad^:^ „3lu§ Äampf befielet ba§
JSeben in ber ganzen Statur" mirfticl) nur, mie er anbeutet
t)ie ©umme gebogen ^at au§ ben non V)m atö ^orftmann
bei feinen Kulturen gemad^ten ©rfal^rungen ober ob il^m ber
<5a^ be§ gried^ifrf)en ^l^ilofopl^en in ben Dl^ren Hang, ber
ben Ärieg für ben 5ßater aller S)inge erlldrt l^at. Sßol^l
fprid^t er einmal in einem SSergleid^e, wie er bem ©taat§^
manne nal^e genug liegt, ber mit oerfd^iebenen 'ißarteien ju-
fammen ju arbeiten genötigt ift, oon ber „diagonale ber
Gräfte", ^ unb ein anbere§ 9Jlal oon bem callus, ber bei
allen ben S)eutfd^lanb im Saufe ber Qal^rl^unberte befcl)ieben
gemefenen Änod^enbrürf)en, bie man nun ju- feilen oerfud^t
l^abe, bod^ nod^ nid^t foroeit oermad^fen fei, ba^ nid^t SSer^
ftimmungen ober ein S)ru(f parlamentarifd^er 3Wadl^tprobe
unb bergleirf)en ba§ 9ieid^ empfinblic^er treffen foUten afö
ben ^artifularftaat. ^) 2lud^ roünfd^t er einmal, e§ möd^te
ftd^ ein einziger Äopf ober ein 2lusfrf)ul3 finben, ber im=
ftanbe märe alle unfere roirtfi^aftlid^en unb !ommunalen
SSerl^ältniffe mit einem ©lid unb von einer ©teKe au§ ju
befd^auen unb fte wie eine S^labnifd^e S^igur mit einem ©trief)
jured^tjulegen. ^) S)iefelbe 3lnfpielung auf bie narf) iljrem ©nt-
beder ®^labni benannten fgmmetrifd^en g^iguren, bie fid^ auf
einer mit ©anb beftreuten @la§' ober 3WetaKfd^eibe bilben,
1) ^e^n 278. 2) @bb. 528. 3) ^olittf^e Dieben IV 374.
4) (&hb. VI 297. ö) @bb. VIII 246.
— 29 —
wenn man beten SRanb mit einem SSioIinbogen ftreid^t benu^t
er, wenn er im^inbtidt barauf, ba^ jebe l^errf d^f üd^tige SJlinori^
tat Don ber 9leigung erfüllt ift bie il^r gegenüberftel^enbe SWel^r^
l^eit ju fprengen unb ju teilen, einem oppofttioneUen Slbgeorbs
neten nad^fagt, er münfd^e bie je^ige SUlajorität ju jer?
fc^neiben unb ju jerlegen, wie ba§ ber 93ogenfh:id^ mit ber
^emorbringung pl^onetifd^er giguren auf einer beftreuten
@la§fd^eibe tue.^) (Sid^erlid^ aber wirb man barum bod^
nid^t fagen bürfen, 33i§mardE l^abe für fold^e bem ©ebiete ber
9laturmiffenfd^aften unb ber 2:ed^nif ange^örigen S)inge fein
SiUtereffe ober fein aSerftdnbni^ gel^abt. SJielme^r wirb ba§
©egenteil fd^on burd^ bie Slrt ermiefen, mie er afe ©ut^^
l^err oon SSarjin alle l^ierl^er gel^örigen (Srrungenfi^aften ber
3eit nu^bar ju mad^en mujste: aud^ ba bemunberte i^n feia
Sreunb Äegferling afö einen „©d^öpfer".^
1) @bb. XI 31. 2) Äet)ferlinö I 635.
IL
©lemente ber ©emütsbilbung 33i8mard8.
kleben jenem fojufagen eifemen 93eftanbe an altgenteiner
93ilbung, ber (Summe Don Äenntniffen unb 2lnfd^auungen,
mie fie jeber ju einer l^öl^eren (Stellung im bürgerlid^en
Seben beftimmte (Soljn gebilbeter ©Item neben ber be-
fonberen 2lu§rüftung für ben non i^m ju ergreifenben Seruf
mit in ba§ Seben ju neljmen pflegt, um i^n bann unter
beffen n)ed)felnben ©inbrüdfen unb 3lnregungen je nad^
Steigung ober ©erufSpffid^t nad^ biefer ober jener (Seite l|in
ju erweitern ober ju oertiefen, mirb i^m nid^t fomol^l burd^
bie (Srf)ule al§ burrf) bie geiftige 3ltmofp]^äre be§ $aufe§
unb ber ^ömilie eine gemiffe (Summe oon 2lnfrf)auungen
mit auf ben SGBeg gegeben. SSimn fte il^m al^ ein be::
fonberer 93efi^ mol^l meiften^ erft in fpäteren ^aliren rec^t
jum ©emujstfein fommt, fo ift fie borf) für bie ©ntmidflung
feiner ^nbioibualität gleid^ oon 2lnfang an infofem non
^ol^er ©ebeutung, ai§ fie menigften^ ju einem Steile bie
SRid^tung feinet ®emüte§ unb bamit bie 3lrt beftimmt mie
er oon ber (Seite be§ ®efü]^l§ l^er 3Jienfd^en unb ®inge
auffajgt unb baburc^ in feinem S)enfen unb §anbeln nid^t
feiten entfc^eibenb beeinflußt mirb. 93ei Sfldnnern, bie mie
93i^mardf in (Erfüllung eine§ großen l^iftorifd^en 93erufe§
eigentlid^ bauernb oor ber Öffentlid^feit ju leben unb jebe
ibret .^anblimgcn an her E^irfung auf Üefe ju meffen ge^
nötigt fmb, tritt bicfe ©eite bet 3ii^i'''b"it''ät fieiDüIjiiüd)
jitriirf, fc^oii roeil fic iE|r nici)t ben @tnflu§ auf ficf) ein;
räumen fünncn, bem Seute in niinber uerantniortlid)er Stellung
naiiigeben ju fünnen baä @iM Valien. Sd)on bes^alb et:
fi^einen folt^e [jiftorifc^e *(äerfönlirf)[eiten nit^t bloß bcn
SRittebcnben, fonbetn oft aiic^ noc^ ber Betrachtung fpäterer
©enetütionen fo l)äufig geroiffermnfeen gemütSann unb rocrben
leitet überhaupt für unfät)ig gehalten, ein lebhaftes ®efti[)l
in fid) anfEommen ju laffen unb loarni^erjig ju betätigen.
9Iud) oon ^öiömavtf iff nur allju Ijäufig fo geurtetlt morben,
roäljrenb bod) bie neucrbingä befannt geroorbeuen SJriefe
Don i^m, nainentlid) bie an bie ©raut unb (Sattin geri^teten,
Dielmebt gelehrt ^aben, roeld] inniger Enipfinbungcn järt:^
lic^fter Siebe unb [)ingebe«bfter gürforgc biefe^ ftarle ^erj
fä^ig mar oud) in 3^''™/ roo bie grö&ten politifdien Snt;
fc^eibungen mit erbrücfenbcr Sdjmere auf tbm lafteteu.
©elbft in ben Qo&ven erbitterten parlamentflrifdjen Sumpfes
unb aufreibenben Stingen^ um bie 3»t«"ft beä SSaterlanbeä,
reo er greunb unb Jeinb raie bie in @vj ge;)an5erte aier=
fürperung eineä ftorren poiitifc^en ^rinjipeä erfdjcincn tonnte,
^t BiSmavd in einem fleinen, gleii^fam gemeinten fflesirEe,
ber fein unb ber ©einen forgfam getjiiteteä Heiligtum blit;b,
ein ibt! felbft erquidenbeS unb beglüdenbeä innigeä ©emütä-
lebcn geführt, bcffen iBof)ltueube ^Jlufeerungen nidit feiten
but^ bü§ nur aHju erttörtidje Slntlingen etncg ftavt elcgifcben
ober tefignierten Sone^ getennscic^nct roerben, nun aber
auc^ roeiteren fireifen Feinen ^meifel baiüber laffen füinien,
roie roarm^eriig unb ber Siebe bebürftig, aber aucb roie be§
@nüeifen§ oon Siebe fä^ig biefer f(|einbQr fo borte unb
nur auf ben Kampf gertd)tete 3Jtann im ©runbe feine§
äßefenä geftimmt loar.
— 32 —
S)al3 er fiä) in einem Seben, rote e§ tl^m befd^ieben
war, biefe föftticlie aWitgtft ber 9ktur unoerfümmert be^^
wahren iinb fie aud^ nod^ na6) bem jäl^en @nbe, ba§ feinem
Sßirfen bereitet mürbe, jum eigenen ©lüdE roie ju bem ber
©einen einbrudE^oolt betätigen fonnte, ift nid^t blo^ einer
ber menf(l)Iic^ fd^önften 3^8^ ^^ ^^^ ^iü>e be§ ^ero§,
fonbern eröffnet überl^aupt erft ben redeten ©inbtidE in fein
SGBefen unb fe^t tjon ba au§ aud^ in feinem roeltgefd^id^tlid^en
^anbeln mand^e^ erft in ba§ redete Sid^t. S)oci^ aud^ bei
il^m l^aben mir e§ babei mit etma§ ju tun, roa§ er nur ju
einem Meinen 2^eil ftd^ felbft ermorben unb bann unbemu^t
atö 3WitteI jur ©rreid^ung beftimmter Qrotde in ftd^ gepflegt
unb au§gebilbet l^at. Jßielmel^r l^atte aud^ 93i^mardE auf
biefem ©ebiete eine gemiffe 3lu§ftattung mitbefommen, meldte,
non ben ©Item ererbt, burd^ bie ©inbrüdfe be^ |)aufe§, ber
g^amilie unb ber greunbfd^aft gefeftigt unb entmidelt, in
ber g^olge gemifferma^en für ben 2^on entfd^eibenb mürbe,
auf ben feine Qnbioibuatitdt geftimmt mar. S)amit rourbe
fie gleid^f am ber ©runbftodf, an ben rermanbte ober ä^tid^
geartete ©inbrüdfe ftd^ anfe^ten, unb bebingte bie SGBirfung
frember in il^rer 3lrt. 2lu§ aUebem ermud^^ unrermerlt
ein in fid^ feftgefügter ©d^a^ non Seben^mei^^eit unb @e^
müt^freubigleit, auf ben er, ol^ne ftd^ beffen im einzelnen
O^alte rec^t bemüht ju merben, unmiKfürlic^ immer roieber
jurüdgriff. @§ mag babei l^ier abgefel^en werben non bem
feinfinnigen unb gefül^I^innigen aSerftänbni§ für bie jum
®emüt be^ SUlenf^en fpred^enben SBorgänge in ber 9latur,
ba^ i^m in l^eroorragenbem 9Jla§e eigen mar, roie j. 93.
feine (Smpfänglid^feit für bie ^oefte be^ näd^tlid^en @i§gang§
auf ber ©tbe ober ber brütenben ©infamfeit ber ungarifd^en
^u^ta offenbart, ©ntfpred^enb ben biefer ©tubie gezogenen
©renjen foU l^ier nur non bem gel^anbett roerben, roa§ ftd^
in ber I)et§en XageäarSeit ^aatSmännifdjen SHiiifienS unb
Srf)flffenä all immer bereites Slüftäeiig biefer Strt bei it)in
ertennen läpt.
O^ne auf bie infereffaiite ^rage nac^ SiämatcEä teligiöfer
©tetlung, bet au^ auf fein politifdjeS §anbeln ein größerer
@inf(u§ jugefrf)rieben äu merben muffen fc^eint, aU mau
junädift anäune^men geneigt mar, an biefet Steüc be§
nö(|eren einjuge^en, botf boi^ barouf t)ingeroiefen roerben,
ba§ bie öefdjäftigung mit ber 93i(iel unb geitnieife ein=
bringltrf)eä ©rübeln über il)rc beutbaren 2Borte in ber @nt=
roicflung feineä ©emätälebeng unb bamit ber Sluägeftoltung
feiner ftttlidjen *pev|iinlid)fctt eine rec^t bebeuteube 9)oIle
gefpielt ^ben. 3)aö ift um fo beni^tenSroertet, at§ er
gerobe in biefer 9tic^tung befonberS nadj^attige Slntegung
im ©Itemfjaufe ntd)t ermatten I)abcn loitt. ^n bem mett:
roürbigen 33riefe, burc^ ben er @nbe Slejember 1846 bei
^errn dou ^uttfamer um bie ^anb feinet Soc^tcr ^otionnt
anfielt, ^) beflagt er felbft, bem elterlidjen §aufe in friibcfter
Sinbtjeit fremb unb nie barin miebcr »ötlig ^eimif(^ ge=
roorben ju fein, unb bebnuert, ba§ auc^ feine ©räiefiung
von Stufang an au5f(^Iie61ii^ auf bie 9tu§bilbung be§ 33ei:-
ftanbeS unb ben frü^jeitigen (Snoerb pcfUiuet ffenntniffe
geriditet geroefen fei. 'Sioif nid)t barin allein fiel)t er ben
(Srunb für bie geringe ?iflege beg religiöfen 3J!oment§ burd)
bie Sltetn. SJIit feinem Sßater mitl er über (Staubenäfa^en
niemals gefprod^en ^ben; beffen ©taube, meint er, fei
roo^t nic^t ber t^rift(irf)e geroefen, ba er fo fe^r auf ©otteS
Siebe unb SSarm^etäigteit oertraut ^abe, bag i^m alleS
onherc ü1§ biefeS Sßertrauen überftüffig etfi^ieuen fei.^ Sfn
betreff bet religiöfen Stellung feiner ÜDlulter erinnert et
') SBiicfe an töraut nnb Süttin S
) ebb. S. 49.
— 34 —
jid^ fpdter nur, ba^ ftc md in ben „©tunben ber Slnbad^f'
gcicfcn unb über feine pant^iftifd^e Süd^tung unb gänjlid^en
Unglauben an Sibel unb K^riftentum oft erfd^rodEen unb
jomig geroefen fei, jur Äird^e aber fei ani) fte nic^t ge=:*
gangen, unb ba fte in fettfantem SBiberfprud^ ju ber i^r
fonft eigenen falten SSerftanbe^flar^eit niel non (Sweben^
borg, ber ©el^erin oon ^reoorft unb 9Jle§merfd^en 2:^eorien,
©c^ubertl^ unb Quftinu^ ferner gel^alten l^abe, fommt er
ju bem (Sd^tu§, „d^riftüd^ in bem @inne, wie wir e§ oer^
ftel^en", fei aud^ il^r ©taube nic^t geroefen. @r felbft aber
backte fd^tie^Iii^ bo(^ nic^t me^r wie jener friefifc^e ^äupt^
ling, ber, wie er ber 93raut erjäl^It, bei ber 2^aufe ben
©eifttic^en gefragt l^aben foU, ob feine SSorfaliren wegen
il^re^ Unglauben^ in ber $Berbammni§ feien, unb auf bie
bejal^enbe 9lntn)ort ben ©mpfang ber 2:aufe ablehnte, weil
er bleiben rooKe, roo fein SSater fei.
SGBä^renb feiner Uninerfität^jeit unb ber näd)ftfoIgenben
.Qal^re fmb 93i§mardf bann nad^ feiner SÄeinung „9tat unb
Seigre anberer bud^ftäblid^ fern geblieben": ber SSater Iie§
il^n nad^ftc^tig geroäl^ren, bie SÄutter tabelte i^n au§ ber
g^eme, wenn er feine ©tubien unb 93eruf§arbeiten oernad^-
läfftgte, „rool^t in ber SÄeinung, ba^ fte ba§ übrige l|öl|erer
gü^rung überlaffen ntüffe".^) 3lnbererfeit^ berid^tet fein
^ugenbfreunb unb ©tubengenoffe ®raf 3lle5anber Äegferling,
raäl^renb be^ genteinfamen 93erliner Scben§ Ratten fte beibe
nic^t blo§ über pl^itofopl^ifc^e Probleme, fonbern aud^ über
religiöfe g^ragen ernfte ©efpräd^e gel^abt.^) Qn biefe 3^it
bürfte roo^I auc^ bie 93efd^äftigung mit ben ^l^ilofop^en
be^ 2Iltertum§, mit ^egel unb ©pinoja gehören, in ber
©i^mardE oergeblid^ 93eru]^igung gefud^t l^aben mill, bie mir
1) «riefe an bie Söraut unb ©attin @. 2.
2) Äet)ferIin0 I, <B. 33.
— 35 —
\m§ aber ftc^erlid^ nid^t fgftematifd^ unb grünblid^ getrieben
benfen bürfen.^) @rft nad^ bem SCobe ber SIKutter roilt er
bann in ber ©infamfeit be§ Äniepl^ofer Seben§ über biefe
3)inge tiefer nad^jubenfen angefangen l^aben, aber burd^ bie
Seftüre ber ©c^riften Don ©trau^, g^euerbad^ unb 93runo
Sauer „nur tiefer in bie ©adtgaffe be§ Qroä^eW* geführt
ujorben fein, ©ntfd^eibenb für biefe (Seite feine§ ©eifte^s
unb @emüt§Ieben§ würbe e§, ba§ er bie Seben^gefdl^rtin
au§ einem Greife pommerfd^er 2lbeföfamilien gewonnen, in
benen feit ©enerationen tiefernfte g^ömmigfeit gepflegt unb
bie «ibet afö te^te OueUe aUer 3ßei§^eit unb ^öifte »ürg^
fd^aft aUe§ grieben^ in finblid^em ©lauben Dcrel^rungSoolI
l^orfigel^alten würbe. @r fd^Io^ firf) biefer 9iid^tung um fo
bereitwilliger an, afö fie i^m burd^ bie geliebte Sraut in
einbrud^tJoUfter Unmittelbarfeit nalie gebracht würbe unb er
überzeugt war, nur burd^ Dorbeljaltlofe Eingabe an fie ber
DoUen ©eelengemeinfc^aft mit ber fd^wärmerifd^ nerel^rten
Seben^gefäl^rtin auf bie S)auer gewijs werben ju fönnen.
2lugenfd^einlid^ l^at Qol^anna non ^uttfamer il^ren SSerlobten
al^balb ju eifrigem unb jeitweife gang fgftematifc^ ge=
triebenem ©ibelftubium Deranla^t, o^ne e§ freilid^ l^inbern
ju fönnen, ba^ ber in il|m gärenbe übermütige weltlid^e
©inn gelegentlid^ aud^ bem Sßort ber ©d^rift gegenüber in
berbem §umor wi^ig jum 3lu§brud^ fam, wie j. 93. in
einem ©d^reiben an Sßagener, in bem er Suft ju l^aben
befennt, ä^nlic^ wie einft ber Äl^alif Omar e§ mit ben
©d^ä^en ber gried^ifd^en Siteratur in Sllejanbria getan l^aben
foU, mit 3lu§na]^me be§ „d^rifüid^en Äoran" alle ©rgebniffe
ber 93urf)brudEerfunft bem Untergange ju wei^en.^)
1) Sööl- ©. 24—25.
2) ^olttif^e «riefe S8i§marde§ 1849—89 («erlin 1889) . @. 36.
— 36 —
3n bem 93tiefn)ed^fel bcr 93rautlcutc aber nal^mcn @r^
örtcrungen übet bic ®eutung bibüfd^ct ©teilen unb bie ®ar^
legung be§ babutd^ angeregten ©ebanfengange^ beträchtlichen
9taum ein. Unter SSejugnal^me auf 1. Äorintl^er Vn aSer§
13 unb 14 („Unb fo ein SDBeib einen ungläubigen 9Jlann
l^at, unb @r Iä§t e^ ftd^ gefallen, bei) il^r ju rool^nen; bie
fc^eibe nic^t üon il^m. ®enn ber ungläubige 9Jlann ift ge=
l^eiligt burd^ ba§ SBeib unb ba§ ungläubige SBeib wirb ge:=
l^eiligt burd^ ben SUlann. @onft wären eure Äinber unrein;
nun aber finb fte l^eilig") l^offt 93i§mard/) obgleich er
fid^ nod^ ate Ungläubiger fül^It, burd^ bie gläubige grau
gebeiligt ju werben. ®abei fd^eint er fogar nerfc^iebene
©rfiärer ber ©teilen ju 9tate gebogen ju ^aben. freimütig
aber weift er bie ©eliebte bei biefer ©etegenl^eit bod^ auc^
barauf ^n, wie wenig SSertrauen in il^ren ©lauben fte unb
il^re ©eftnnungggenoffen nac^ il^rem SBerl&alten gegen Slnber^^^
ben!enbe ju befi^en fc^einen, wäl^renb ber Kl^rift bod^ in allen
Seben^ner^ältniffen ba§ 9teid^ @otte^ ate ba§ mäd^tigere, fteg=
l^afte, jule^t jeben SDBiberftanb überwältigenbe, ba§ ber ginfter^^
ni§ ate ba§ o^nmäd^tige, immer mel^r jufammenftüt^enbe an^
feigen foHe: ftatt beffen widelten fie, meint er, il^ren ©lauben
forgfältig in bie öaumwoUe ber Slbgefc^loffenl^eit, bamit fein
Suf tjug ber SBelt il^n erf alte, f oba§ anbere ftd^ an i^nen üielme^r
ärgern unb fie afö Seute au^fd^reien, bie ftd^ ju l^eilig bünfen
um üon 3öllnem unb bergleid^en berül^rt ju werben. SBenn
jeber fo badete, ber ba§ SSal^re gefunben ju l^aben glaube^
unb niele emfte, aufrichtige, bemütige ©ud^er glaubten e§
bod^ wo anber^ ober in anberer ©eftalt ju finben, fo würbe
nad^ feiner 2lnfid^t ®otte§ fd^öne (£rbe ju einem penfr)t
oanifc^en ^^tt^^S^fä^S^i^ werben, in bem unüberfteiglid^e
i) »riefe an b. »raut u. ©attin @. 18 (7. JJebruar 1847).
— 37 ~
©ifteiöeroäiibe taiifenb unb abertaufenb ejftufine fiuterien Bon
emanbet trennen. SBie \ii\x ü6er i)0§ einft in ^löeifeln rm=
genie SSelttinb bereits iit ber ^eiligen ©d)rift tjeimifcö gc-
roorben ift unb mit loeli^er Sit^er^eit el ftct) auf bem ©ebiete
ber paftoraten SialeEtif beioegt, beiueift bie überrafdicitbe
©ci)[a9fevti9fcit, loomit er in bemjelben ©rief roeiterfiin bie
Äritif, bie er burd] jene SBorte an ber grümmigfeit bet
ft^TOiegereltertic^en jjamilie unb i^reö Sreifeg geübt ^atte,
buTi^ treffenb auSgeroätjtte Sc^riftfteUen a!^ bevei^tigt ju
begrünben roei§. @r beruft fid) auf Körner 14 SßerS 22
(.^aft bu ben ®Iaubcn, fo I)abe ifjn beq bir felbft Dor @ott.
©elig ift, ber fic^ fetbft tein ©eroiffen maijt in bem, ba§
er annimmt.) unb 15, 2 (@ä fteHc fid) aber ein jeglirijet
unter un§ alfo, ba^ er feinem 9iäc^ften gefalle jum (Suten,
jur Säefferung), befonbers auii ouf 1. Sorinttjer 4, 9ierö 5
(Slarum richtet ni(f)t Dor ber Qtit, bi§ ber ßerr fomme,
nielc^er and) roirb an§ i?i^t bringen, roa§ iin ginftern Der=
borgen ift, unb ben 3iat ber ^erf^en offenbaren; aläbann
irirb einem fegtidjen non ©ott Sob roiberfa^ren), 8, 2 (So
aber fu^ jemanb biinfeu lä^t, er roiffe eti»a§, ber roei^ not^
nid)tä, mie er roiffen foü), 9, 20 C33en 3uben bin id) ge=
roorben ol§ ein ^ube, auf ba§ ii^ bie Quben geroinne;
benen, bie unter bem ©efe^ fiiib, bin id) geworben all
unter bem fSefe^, auf bafe id) bie, fo unter bem @efe§ finb,
geroinne) unb 12, 4 u. ff. ((£§ fmb mancf)erlei ®aben, aber
e§ ift Sin ©eift. Unb e§ fmb inand)ertei fflniter unb ®in
.^ert 3C.) foroie enblidj auf 13, 2 (Unb roenn ic^ roeiäfagen
fönnte unb müßte alle ©e^eimniffe unb aus ©rfenntniö, unb
^ütte aßen ©lauben, alfo bag ic^ Serge oerfe^te, unb i\atte
ber Siebe nidjt, fo märe ic^ nichts). Quv ^egrünbung ber
tälnfid)! über bie SBerftätigfeit, bie er ber ©raut in einem
früheren ©riefe entroidelt Ijaben niu§, ift er ein anbereä
— 38 —
3JlaI bereit, biefelbe mit 93ibeIfteBen ju „übetfd^roemmen",
wie namenttid^ @t). SJlattl^äi 25, 34 (S)a wirb benn ber
Äönig fagen ju benen ju feinet Siedeten: Äommt l^et, il^r
^efegneten meinet SSater^, ererbet ba§ Sleid^, ba§ euc^ be:^
reitet ift, t)on Slnbeginti ber SQ3eIt ufro.), 9tömer 2, 6 (SlBet
d^er geben wirb einem jegtid^en nad^ feinen SDBerfen), 2 ^o^
tintl^er 5, 10 (2)enn mir muffen aUe offenbar werben üor
bem Slid^terftul^I ©l^rifti, auf ba§ ein jegtid^er empfange,
nac^bem er getjanbelt l^at bei Seibe^ Seben, e§ feg gut ober
böfe), SRömer 2, 13 (©intemat oor ®ott nid^t bie ba§ @e^
fe^ tjören, geredet finb, fonbem bie ba§ @efe^ tun, werben
geredet fein), 1. ©piftet ^ot|anni§ 3, 7 (Äinblein, taffet eud^
niemanb oerfü^ren. SCBer red^t tut, ber ift geredet, gteid^mie
@r geredet ift) unb unjä^Iigen anbem, obgteid^ er e§ felbft
für unfnid^tbar erftärt mit abgeriffenen @ä^en ber ©d^rift
au§er bem 3^f^wtmenl)ang ju redeten. 9lud^ weift er ba^
rauf l^in, wie oerfd^iebenartiger Slu^tegung aBein fd^on ba^
SQ3ort „©lauben" in fid> felbft fällig fei in bejug fowotjl auf
ba§, wag bie ©d^rift ju glauben befietjlt in jebem einzelnen
Spalte, wo fie ba§ SBort gebrandet: e§ fomme eben jule^t
alteg auf bie 2lu§Iegung an.^) 2)od^ fd^eint QiO^cinna oon
^uttfamer il^m in ber ©rörterung folc^er ^^agen boc^ über=
legen gewefen ju fein: infolge eine§ 9Jleinungsiau§taufd^e§
über ©piftel ^afobi 5, 16 (Sefenne einer bem anbem feine
©ünben; unb betet füreinanber, ba§ i^r gefunb werbet.
2)e§ ©ered^ten @ebet oermag oiel, wenn e§ emftlid^ ift)
be!ennt er, fte l^abe ganj red^t, unb wa§ er baoon gemeint
l^abe, fei „nur fo eine augenblidlid^e fd^iefe Qbee" oon i^m
gewefen.^) Übel bürfte bemnad^ bie öraut Den 35erfuc^ auf^
genommen l^aben, feine — oermutlid^ einmal oon il^r ge=:
1) 35riefe an bie 33raut unb ©attin ©. 19. 2) ^i^^^, ©. 44.
tilgte — 9ieigiing, fid) gelegentlich in einem nid)t eben böfe
gemeinten %lu6)t Snft ju inad)en, burd) bie EtflÖrung ju
ent|d)ultiigen, ev Eönne in bet ©ifael bod) feine ©teUe finben,
iDo es oerboten roäre ben Flamen beä2:eufel§ ju mißbrauchen:
„SJeißt bii eine, fu fage fic mit".^) nberöau;it ging i^m
fein berbev .Junior gelegentlid) aud) bem ^ibelroott gegen:
über burd), foboß ev e§ fc^erjenb traöeftierfe, fo j. S. roenn
er Seopolb nun ©erlnc^ gegenüber tn bcjug auf ben i^m
unbequemen unb unfähigen pteH6ifd)en3Jli[itärbeüDltmäi^tigten
in JyronEfurt 2)kjot; uou iS)ieft einmal brieftii^ äußerte, er
bete morgend unb abenbä: „Domine, libera nos a majore".^)
9Bie fct)nell aber ber einftige greibenfer non bem unbufti=
famen Sifer ongeftedt routbe, ber im ^^utttamerft^en ^aufe
unb ben it)m »erraanblen «üb befrcunbefen pommerf^en
9Ibelöfami(ien ^errfcfjtc, beroeift feine rüdf)altIofe ^iiftimmung
ju bem @infd)reiten tie§ 3)Iagiieburger ßonfiftovinm§ gegen
ben freigemeinblic^en ^rebiger Utjlid): er roüii[d|t ber Se:
t)ürbe ®IM baju, raeiiu fie fid) ju entfdjiebenem Sluftreten
cntfd)(ießen tonne, nur muffe bann aud) cner9ifd}e Sonfequenj
butc^füljren, mag man begonnen \)abe: ^atb^eit ^abe noc^
feiner ©ad)e genügt, ^j
SStad) aUebemift e§ begreifttct), menn auc^ |pätcrt)in 3^ou
Don 33i§marii i^ren ©atten, ber mit Hjt nac^ bem Schrift:
roort (1. 3Jlofi§ 2, 24: S)arum roirb ein äRanu feinen SJater
unb feine SHutter nerlaffen, unb an feinem SSeiie I)an9en,
unb fie werben feqn Sin Steife^) „®in (^leifd)" fein rooEte,*)
in bec gleici)en SRidjtung nocl) ftätfer beeinflußte, inmitten
ber SlnfprüdjE, n)eld)e bie parlamentarifc^e Scitigfeit, biplo^
matifdje 93efc()äftigung, poIitifi^eS SBirten ber uerfc^iebenften
2trt unb ein omi aöebem nic^t ju trennenbe§ ^Üct)ft be;
1) ebb. S. 36 (,7. 5ebv. 1847. ^) SBtiefe an ®etlact) S. 94.
aj. SStiefe an hie SBraiü u. ©attin ©. 37. *) ebb. ®. 43.
— 40 —
TOcgteS roettüd^cS S^tciben an il^n ftetlten, l^at ftc i^n immer
Toieber ju bem ©tubium ber l^eiligen ©d^rift jurüdjufül^ten
gemußt. 2a§ er mit il^r gelegentlich aud^ Sutl^erfd^e ^re^
bigten, wie j. ö. einmal bie über SUlattl^än^ 18, 21 u. ff./)
fo fe^te er bod^ aud^ üon il^r getrennt feine öibelftubien
wenigften^ jeitmeife eifrig fort. 93eftärft mürbe er barin,
mie e§ fd^eint, befonber^ nod^ burd^ bie erften ©inbrüde be§
leeren unb nid^tigen g^anffnrter 2:reiben§. ^m ^inbtid
baranf fd^reibt er jur Qdt ber überftebelung an ben ©i^ be§
öunbe^tageg ber ©d^roiegermutter 16. 3Jlai 1851, er motte
mit ^ol^anna gemeinfam an bem ftarfen ©tabe be§ SDBorteS
©otteg manbeln in biefem toten nnb rud^tofen S^reiben ber
SBelt, beffen 5Jtadft]^eit il^nen in ber nenen ©teßung me^r
ju S^age treten merbe at§ frfil^er.^) ©al^ er bod^ obenein in ber
SBenbung bie mit ber übefrrafc^enben 35erpflanjung in bie
biplomatifd^e Saufbal^n in feinem unb ber ©einen ©d^idfal
eingetreten mar, eine unmittelbare ??ügung ®otte§: au§ feiner
pommerfd^en l^armtofen ©infamfeit auf bie^öl^e be^ Seben^ er^
l^oben, tjatte er ben SDBunfd^, „®ott möge itjre ©eelen äl^nlid^ er::
lieben au§ il^rem S)unfet auf bie tid^ten ^öl^en feiner @nabe. ^)
Unter fold^en Umftänben na^m er gerabe in jener Qzxt bie
93ibelftubien mit erneutem ©ifer auf, jumat bie längere
Seit oon i^m getrennte ©attin, wie e§ fd^eint, einigermaßen
um fein ©eetenl^eil in ber neuen Umgebung beforgt, il^n
oerantaßte, e§ „mit ©gftem" ju treiben, ©in oon biefer
bi^^er gebraud^te^ fteine^ 9leue§ S^eftament begleitete il^n
aud^ auf ben frol^en ^Jal^rten, bie er oon ^Jranffurt au§ in
bie SRl^eintanbe unternahm. 2llter ©erool^nl^eit gemäß aber
oermanbte er aud^ ju biefer Seftüre mit Vorliebe fd)IafIofe
5na^tftunben. 2lm 26. ^uni 1851 f^reiÖt er ber ©attin :
1) «riefe an bie S3xaut u. ©attin ©. 172 (Sfloüemb. 1849).
2) (§:h\>. ©. 280. 3) (§:f^t>, 360.
— 41 —
„Qä) vo'xli ä« Sett flehen unb mit Sapitet 2 ber jineiten
©pijlel ^etri lefcn, id) treibe ba§ je^t mit Sqftcm, unb
roeim id) "^stti auf ©eine ©mpfe^luug au§ ijobe, wiii itf) bie
Ebräei tefen, bie ii^ nocE) gar nitfjt fenne",') noc^bem er
i^t bereitä am 10. ^uni genieftietr „^i\ lefe mir je^t bie
9tÖmer, beut Kapitel 8, ein ©olbtegenbltittc^en »on Sit ift
all 3^'^*)^" ""t^ bariii."'^) ^n ©ocge um ba§ Seben be§
iu ber pommetf{^en §eimat crfraiiften 3:ö^terct)en§ idjtägt
et (30. 9Iuguft 1851) ju feinem S^toft einen ^^falm auf iiitb
trifft auf ben 112., ben er, „reii)t fd)ön" finbet.^ 5ffiie er
iit biefen Singen bamnis lebte unb roebte, lä^t fein 33etid)t an
bie ©ottin über einen SCuSflug erfennen, ben er mit feinem
3Ittad)6, J^üvft S^nar, Slnfang ^uli nac^ SRübeg^eim unter-
nommen unb auf bcm et ben 3(iuber ber Tl)cinifd)en ÜJlonb;
fd)einnad)t genoffen ()atte, inbem er ein Stücl ©trom ^inab:
f^mamm, um bann mit feinem @efä()rten bei „fe^r nettem
SBein" auf bem ^Salfon ju fi^en. „3Jletn Heiner Seftn^
ment", etjä^It er roeitcr mit einem übcrtafdjenben unb ioo[)I
triebt gonj unbeabfiii)tigten ^Jtnflang an eine oft angefufjtte
©teile beö i^m fünft ja nic^t a\i})U fqmpatliifc^en*) großen
fiönigäbetger *p^itofopE)en, „unb ber Sternhimmel brad)tcn
un§ auf i^riftlid)e @efprdd)e, unb id) rüttelte lange an ber
3iDuffeautd)en Süugeub^aftigteit feiner Seele, uljne etroa§
onbereö al§ baß id) it)n jum ©c^roeigen btad)te."") 3)a§
blieb aud) in ber golgejeit fo, 3tm 30. Sluguft 1853
melbet er von SHorbeme^ au§ her ©attin, baä 12, ffapitel
be§ 9tÖmerbtiefe§ t)abe er gelefcn, „äitiat nit^t — mie jene
roo^l enoartet t)aben mod)te — auf bem ^alfon im 2)ionb=
fd)ein, fonbern im ©eegraöbett bei ©türm unb biegen, bie
am 3enfter rötteften". ®t befennt babei redjt Ijaben er;
') «riefe on bie SÖroiit unb ISattin S. 396. ^) ebb. S. 2U0.
3) ebb. ©. 31ß. *j iScrgl. ®. 23. &) ISbb. ©. 299.
- 42 —
meffen ju fönnen, wie glaubenSarm uttb bö§ er fei, unb
bemetft jur Segrünbuttg biefer ftrengen @etbfl!ritif im §in-
blid auf $8er§ 14 unb 20 (©egnet, bie euc^ üerfolgen;
fegnet, uub flud^et nid^t — ©o nun beinen g^einb
l^uugert, fo fpeife il^n; bütftet il^n, fo ttänfe il^n. SBenn
S)u ba§ tuft fo wirft bu feurige Äol^ten auf fein ^aupt
fammeln.): „©peifen rooHte id^ meinen geinb fd^on, wenn
il^n l^ungert, — aber ii^n fegnen, ba§ würbe bod^ fel^r äujser^
1x6) fein, wenn id^§ überhaupt täte! ®ott befferg!"^ 3luc^
fpäter nod^ fanb ftd^ feine fampffrol^e Statur nid^t teidjt ab
mit bem ©ebote be§ ^eilanb^, ba§ beut ©Triften aud^ er^
littenem Unred^t gegenüber ergebene^ ®ulben jur ^flid^t
mad^t. 9lamentlid^ ba meinte er foIdt)e§ nid^t auf ftd^ nel^^
men ju fönnen, mo ii^m ermiefene geinbfd^aft nid^t i^m per^
fönlid^, fonbem ber non il^m vertretenen ©taat^autorität
galt, „^d^ bin ein S^rift, äußerte er am 13. 3Jlärj 1883
in ber S)ebatte über feine SDBeigerung, bie Äonbolenjabreffe,
meldte au§ 9lnlaj3 be§ auf einer Steife in 9Iorbameri!a er=
folgten 2:obe§ be§ r^gto^en Staatsmannes SaS!er" ber ^on=
gre§ ber ^Bereinigten Staaten burd^ ben 93otfd^after ©argent
il^m jur Übermittlung an ben SReid^Stag l^atte jugel^en taffen,
amtlid^ an biefen meiterjubeförbern, im ^inblid auf (Soan^
gelium SUlatt^i 5, 39 (Qd^ aber fage eud^, ba§ i^r nid^t
miberftreben foUt bem Übel; fonbem fo bir jemanb einen
©treid^ gibt auf beinen rechten S3aden, bem biete ben
anbern aud^ bar), aber bod^ als SÄeid^SfaujIer nic^t fo, baj3,
menn id^ eine D^rfeige auf bie eine öadfe be!omme, id^ bie
anbere l^inljalte unb frage, ift bir nid^t bie jmeite gefällig?! "2).
Sbenfo ftimmt er bem „alten Sut^er" oon ganjem ^ergen
bei, menn er in ber ^rebigt über SJlattl^äuS 18 SSerS 21
1) S3xiefe an bie 35xaut unb ©attin ©. 360.
2) ^olitif^e SReben X ©. 26.
- 43 -
u. ff. C^a trat ^^etvuS ju ifim unb fptad): $err, roie oft
inu§ id) beim meinem Söruber, bet an mit gefiinbigt, Dct:
gtitien? Scft§ Renug ficbenmal?), bie et fouft „gnnä vo\i Siebe
unb SJere^rung" ftnbet, am ©ingange aiiHbrürflicf) bemerft,
„nieltlic^e Cbrigteiten foQen nidjt netgeben, maä man Un;
reä)t tnt, fonbetn [trafen". M
@ern unb ncrttaueii^uoU ^at ©iämarcf bem (£infEu§
feiner (Sattin onf biefem ©ebietc nad)gegeben. Smpfnnb
er boc^ gelegentUrf) re(i)t roo^Itätig bcn ©egen, ber iiu
mitten cineö oon aufreibcnbcn fiämpfen erfüllten Seben^
bobutrf) auf fein @emüt unb Don ba au§ gerabe in ben
fr^nierflen S^itm auf feine ganäe geiftige 3)i=ipofitiijn au^=
geübt rourbe. @em neiforgt er ba^et bie geliebte 2eben§:
gefä^ttin mit ber oon i()r geniünfdjten Seftüre biefer Slrt:
famen bot^ bie berufjigenben itnb erl)ebenben SBivhingen
berfclben mittelbar i^m felbft ängite. So beforgt er ^ii=
fang SUörj 1807 ittr neben anberen 9lufltägcn, bie fie il)m
Don gtanffurt au§ gegeben, ^'Pdjten unb Hampelmänner
für bie fiinbet, in Serlin in ber ^efferft^en Sut^^anblung
auä\ bie biö^er erft^ienenen fünf Sänbe ber „58tbelftunben".'-^)
(Sin fleißiger Sitc^gänger aber ift ber im ©ienft beä 93atet:
lanbe§ fuij aufteibenbe Staatsmann tro^ allebem boi^ nit^t
geworben unb beä^alb nou ben frommen in ben ößf'ftl)^'^
^'reifen ftets mit einem geroiffen bebaucrnben 3Hitieib unb
jUKieilen raol)! gor mit einer äirt non 9J[i§trouen angefet)en
morben. 2Iutf) auf biefem ©ebiete gab S8i§marcE nid)t§ auf
bie I)erfömmlicf)e j^orm, fonbetn legte roie übera([ aUeä @e:
iDiö)t auf ba§ ffljefen ber Sac^e. 3Jioi^te er fiel) auif ben
gotte§bienfttii!)en .^anblungen fernsten, buri^ beren ju:;
roeiten bemonftratinen Sefud) anbete in ä^nlidien Stellungen
1) iSiieie Qii bie SBraut unb ©attin ©. 112.
2) ®bb. e. 371.
— 44 —
il^rc Ätrd^Iid^feit vox bcr SBclt unb vox fid^ fetbft roo})U
gefällig betätigen: er voax ftd^ beraubt, mit feinem ©otte
gutjufte^en, unb l^at mie e§ fein foB, in ber ©tiHe ben
SSetfel^t mit i^m in finbtic^em $8ertrauen auf feine 2lrt
eifrig gepflegt. SBäl^renb be§ getbjuge^ gegen granfreid^
fanb man in feinem Quartier auf bem 9tad^ttifd^ am öett bie
„2:äglic^en Sefungen unb Sel^rteyte ber Srübergemeinbe für
1870" unb bie „2:äglic^e ©rquidung für gläubige ©i^riften".^)
3luc^ in ben ©riefen, bie er au§ bem gelbe an bie ©attin
rid^tete, fpiegelt ftd^ feine ftete öefd^äftigung mit ber 93ibel
miber. ,,@ott beffer^, fein 9lrm ift nid^t gleifd^", fd^reibt
er il^r SDBeii^nad^ten 1870 im ^inblidt auf bie unt)erfennbaren
©c^roierigfeiten ber militärifc^en Sage in g^anfreid^, „barauf
traue ic^, menn id^ biefe§ raufte Sßol! gegenüber fel^e. SQ3ir
ftnb aud^ ©ünber, aber bod^ nid^t fo babt)lonifd& unb ni^t
fo tro^ig gegen @ott."^) 9tapoleon DI. gut ju be^anbeln
l^ält er für geboten nid^t blo§ au§ ©rünben ber politifd^en
5Jtü^lid^f eit , fonbem raeil „bie Slad^e @otte§ ift" nad^
9tömer 12, 19 (Släd^et eud^ felber nid^t, meine Siebften,
fonbem gebet Slaum bem 3om; benn e§ ftel^et gef daneben:
bie 9tad^e ift mein, id^ raiH oergelten, fprid^t ber ^err.)^)
3lm 9. ;3anuar 1871 fc^reibt er ber ©attin: „Sag mir
geftern 3lbenb im ^ett ^falm 27 unb f^lief bei SBerS 14
(^arre be§ §errn, fei getroft unb unoerjagt, unb ^arre be§
^erm) getroft ein".**) 3Jlan fie^t, rao er inmitten jener
furd^tbar aufregenben 3^it ^^d^ ftürmifd^ beraegten unb an
geraaltigen ©reigniffen überreid^en 2:agen Sammlung unb
©rljolung fud^te unb für bie am anbem ÜJiorgen feiner
1) S3uf^, Stagebud^blättex I, @. 153.
2) «Briefe an feine ©attin au§ bem ^ege 1870—71. ©. 70.
3) (§ihh, @. 46. 4) @bb. (S. 76.
— 45 —
Öarrenben neuen unget)eut;eit adiforbecungen firaft unb Siat
jii finben gerotg mar.
5Ba§ ein Staatsmann, bet roenigftenS seitroeifc fo ernft-
licl)C unb babei bem ©mnbjuij feineä sSJefeng entfptecf)enb
fo felbftänbige ©ibetftubien getrieben tjatte unb au§ roatirem
^etjengbebürfniä immer roieber ju ber erbaulic^m SeMrc
ber .gjeiligen Schrift jucüdfeferte, bie geroonnene 3}ertrant^cit
mit i(|r mä) bei anberen ©elegenljeiten nnroiUÜirlirf) be--
tätigte, Eann faum überrafd)en. @u roai in bem burri) fie
wmi"(^tiebenen ©ebanfentceife ju fteimift^ unb murseüe mit
ben empfinblic^ftcn unb empfönglic^ften ^afem feines ^erjenS
iu lief in biefem ©oben, alS bafe iljm nidjt aud] bei bet
öebanbtung rein iüeltlicl)ct ^(nßetegen^eiten bort geläufige
*JIu§örüctc unb ^Bilber ^tten in ben 3Jiunb fommen foUen
unb bag er gernbe bei fingen, auf bie er befonberS ^o^en
äBert legte nnb bei beren SJertretung ober iöefämpfung et
geroiffermafien eine ^eilige ^5flici)t ju ciiülten glaubte, bie
großen leitenben (Seftd)lä;puntle unb bie fc^Iagenbften 2(rgu=
mente nidjt ^ätte oon borttiec entneijmen foüen. 2)a^et
fpielen auci) in ben politifcften Sieben aSiämarifä Sfntlängc
an bie SSibel unb S9ejicbungen auf baS Sc^riftroort eine
bebeutenbe iRoUe, unb äronr nirfjt I)lo§ folrfie, reo er biblifd)e
Sßenbungen, bie, meift burd) ben ©ebraud) unb jum (§e=
braud) in ber djarafteriftifc^en SBeife abgefdjliffen, bereitä
p geflügelten ^ffiorten geniorben fmb, auc^ feinerfeitS aU
folt^e benu^t, oieUeic^t o^ne ftd) babei il)ter ^ertunft gleic^
flar ju erinnern unb biefe al§ roitCfameS SJloment geltcnb
mad)en äu moHen, fonbern au^ folc^e, bie et mit bem
9Infpru^ auf 9lnerfennung itjrer befonberen Stutoritot roie
onberc SeroeiSmittel jur Segrünbung feineS StanbpunfteS
in ber partamentarifc^en Debatte roiber bie ©egner inö
©efec^t fü^rt. 3Benn et j. S. gegen i^n gerichtete f^ii^e
— 46 —
93emerfungen be§ Slbgeorbneten ©ugen Sltd^tet afe „S)omen
unb ©ifteln" bejetd^net (1. SJlop 5, 18)/) rocnn er t)on
einem „3«et^ufalem§alter" fprtdit (1. aWoftg, 5, 27),^) be§
„Qofepl^tnifd^en 2:raume§" gebenft (1. SJlop 41)^) unb ein
anbetet 9JlaI ftd^ be§ barin t)orfontmenben Silben von
^t|arao§ fteben fetten Äütjen bebient^) ober wenn er "Stn^-
brüde gebraudjt wie „@aIomo§ Urteil" (1 . ^ön. 3, $8. 16— 28),^)
„Uria§brief (2. ©antueli^ 11, 35. 14)^) unb ba§ 93ilb t)on ben
„tönernen ??ü§en" nerroertet, auf benen (S)aniel 2, $8. 31 — 34)
ber ÄoIo§ rul^t, ben 9tebufabnejar int S^raunt gefeiten ^t,"^)
unb mit öejugna^me auf ©nangelium SJlattl^äi 7, 35. 9 flagt,
feit fed^jetju ;3a^ren muffe er, feine§ Äönig§ erfter 9Jiinifter,
bei bem Sleid^^tag um 93rot betteln unb* erl^alte bod^ nur
©teine, ober menn er gelegentlid^ bie Qai)l ber geflügelten
SQSorte biblifd^en Urfprung§ nermetjrt um ba§ foftbare oon
ber „!onftitutionelten S)elila" nad^ 93ud^ ber 9iid^ter 16,
95. 4 u. ff. :®) — fo mirb man in altebem ebenfo wenig einen
2lppell an bie 2lutorität ber ^eiligen ©d^rift erbliden bürfen,
wie menn er fid^ be§ @leid^niffe§ oom nertorenen @o!^ne
(@t). Sucä 15, 35. 11 u. ff.) bebient^) ober feinen potitifd^en
©egnem oortjält, fte feieten SJlüden unb oerfc^Iudten Äameele
(@t). aWatt^äi 23, 35. 24 1^) ober oom getreuen Äne^t fprid^t
(So. aWatt^äi 25, 35. 21)^1) unb felbft nid^t§ weiter afö ein
fold^er gemefen ju fein beanfprud^t, ba er nic^t um 2)anf
getjanbelt, fonbem nur feine ^flid^t getan l^abe unb mer
ba§ tue, ein treuer Äned^t fei. ©benfate nur al§ öenu^ung
1) ^olittrd^e SReben III, <B. 23. Sßgl. «üd^tnann ©epgelte äöoxte,
21. Uluflage. S3erUn 1903. (5.4.
2) ^olitif^e kleben VII, ©. 57; XI, ©. 356. ^ Q:ht>, X, ©. 470.
4) ebb. VIII, ©. 275. 5) (&ht>. X, ©. 336, 395. 6) (Bht>. IX, ©. 336.
7) ebb. XI, ©. 446. 8) (S^bb. I, @. 246. ») ©bb. I, <B. 116, 117, 118.
" 10) ebb. VIII, @. 339. 11) ®h\>. IX, ©. 113.
— 47 —
gepgctter SDBorte bibttfd^en UrfprungS unb nid^t at§ etgent^
lic^eg bibtifd^eg 3^^^* w)trb e§ ju gelten l^abett, wenn aud^
93i§Tnar(f ftc^ be§ fo t)iet gebrauchten 93ilbe§ bcbient üon
bem öalfen im eigenen 9luge, ben man über ben ©plitter
im aiuge be§ ajlitmenfd^cn überfielt (@t). SSWatt^äi 7, $8. 5)/)
ober be^jenigen t)on bem „alten 3lbam" (SRömer 5, 3S. 14 u. ff.
6, $8. 6; ©pi^efer 4, $8. 22; Äoloffer 3, $8. 9 unb 1. Äorint^er
15, SB. 45),^) ber in unferm ??leifd^e ftede unb au§ bem mir
alle nid^t l^erau^tönnen.^) ^a, bei bem aud^ üon il^m ge^
brandeten Noli me tangere (@i). ^foi^anni^ 20, 58. 17) bürfte
er ftd^ be§ biblifd^en UrfprungS*) biefe§ 2lu§brud§ ebenfo
menig erinnert Ijaben, mie alte bie, bie ftd^ feiner in ben
üerfd^iebenften 93ebeutungen bebienen.
5Jtid^t mefentlid^ anber^ üerl&dlt e§ ftd^ mit folc^en ur::
fprünglid^ biblifd^en SDBenbungen, bie gerabeju afö ©prid^^
Wörter im SUlunbe be§ S8ot!e§ l^eimifd^ geworben ftnb, fo
ba§ man i^re ^er!unft längft oergeffen ^t, mie: „SQ3eJ3
ha§ §erj ooU ift, be§ — ober baoon — gel^t ber SUlunb
über" ((£o. SUlatt^äi 12, $8. 34) 5) unb: „S)er ^rop^et gilt
nic^t§ in feinem «aterlanb" (©o. SUlatt^äi 13, 35. 57).«)
2)a§felbe gilt oon fotd^en Slu^brüden mie: „9luf einen
grünen QvoexQ fommen" (^iob 15, $8. 32)"^) unb: „9lad^bem fo
etma§ an bem grünen ^otj gefd^el^en fonnte ufro." (So. Sucä
23, $8. 31)^ unb oon ber „^ersen^tjärtigfeit" (So. SSWarci 10,
$8. 5),^ beren er fid^ oon feinen ©egnern befd^ulbigt mei^.
1) ^olitif^e $Reben VI, ©. 100; XI, @. 342.
2) Sßgl. ^^tnann a. a. O. @. 81. ^ ^olitifd^e SReben V, ©. 243.
^) SSgl. S3ü^mann a. a. D. @. 78.
5) ^olitif^e dizt>zn VI, ©. 306, 309, 438.
^) ^h\>, IX, ©. 365 u. t). ^ofd)ingex, Ulnfpxad)en be§ 3:üxften
33i§mat(f @. 253.
7) ^olitif^e SReben X, (S. 463. s) (§^hh, X, ©. 114. 9) ©bb. X^ ©. 26.
— 48 --
3lfö cigcntlid^e, b. 1^. beraubte unb abftd^ttid^e öcpg:^
na^mc auf ben i^m au^ in tDeniger bejeid^nenben ©teilen
TOOi^toertrauten SBorttaut ber ©d^rift n)irb man e§ bagegcn
in Slnfptudö nel^men bfirfen, wenn 93i§mard einmal von
bem 3lbgeorbneten Sanier in ©rinnerung an (So. SJlattl^äi 6,
aS. 26, 28 u. 29 ironifd^ bemerft, berfetbe treibe bie ^i^anj^
politif eineg Seft^tofen, ba et ju benjenigen Ferren üon ber
bei ber ®ef e^gebung entfc^eibenben SJlel^r^eit gel^öre, üon benen
bie ©d^rift fage: „©ie fäen nid^t, fte ernten nid^t, fte meben
nid^t, fte fpinnen nic^t unb bod^ ftnb fie gefleibet"/) unb
menn er ®eutfc^tanb at§ in bem 2Jla§e bi^poniert begeid^net
für bie 2lufna]^me ber ©ojialiften, ba§ biefe in i^m ba§
Sanb erfannt Ratten, non bem fte nac^ @t). SUlatt^i 17,
aS. 4 fagen fönnten: „Saffet un§ glitten bauen" /^) ^ierl^er
gehört e§ au^, menn er einmal im ^inblidf auf bie roenig
entgegentommenbe Haltung, meldte bie SUlel^r^ett^parteien
in ben Äommiffton^beratungen ben 9?egierung§t)orlagen gegen^
über einnel^men, l^umoriftifd^ meint, burc^ bie S^eilna-^me an
biefen, bie SBinbti^orft üon il^m geroünfc^t ^be, fel^e er ftd^
bort ungefäi^r ju einer 9tolle nerurteilt, mie fte ^falm 137,
aS. 3 ben ^uben an ben SDBaffern a3abt)lon§ jugeteilt werbe
mit ben SDBorten: „Sieber, ftnge un§ ein Sieb non 3^*^^/
bamit mir un§ an beinem Kummer erfreuen".^) 93itterer
©ruft bagegen ift e§ i^m, menn il^n ba§ Sfinbni^ be^
3entrum§ mit ber g^ortf^ritt^partei an ba§ erinnert, in bem
ftd^ ^erobeg unb $ilatu§ jufammenfanben (@t). Sucä 23,
$8. 12)^) ober wenn er bereite mä^renb feinet ^an!furter Sluf^
enti^alte^ bie ©d^le^roig^^olfteinifd^e grage nad^ Qefaia^ 66,
aS. 24 unb @t). aJlarci 9, aS. 44 ate ben „SBurm" erfannt
1) ^olitif^e kleben VIII, ©. 36. 2) @bb. VII, @. 283.
3) ebb. XI, (S. 340. 4) @bb. XII, ©. 296.
— 49 —
l)alQi\ roiü, bet iiidjt fterben rcitb".') „aBa§ ift 5Bfl^t^cit'?
inödjfe irf) auf biefein ©cbiete mit *)Ji(at«ö fragen", fnc(t ec
im Slntlans an @o. ^otionniä 18, SJ. 38 aiigcftditg ber
Srf)iDierigfeiteii, luelc^c fid) in loivtfd^af flicken fragen einer
fieberen (Srgrünbimg ber roirEIidieii Sage ber klinge ciit=
gegenfteHen.-) ©egen bie 3(rt, roic man tro^ ber uöÜig uer=
änberten Sßer^ttniffe iljni non feiten ber Dppofition in ben
parlamentarifi^en SJebatten immer loieier ba§ Doröiett, roa§
er olä 3J(inifterpcäfibenl vov jroanjig mib me^v O^^""
gefagt [jattc, roe^rt et fid) tjumtiriftifc^ mit bem 3Borte
be§ ^falmiften: „Delicta jiiventutis meae ne uiemiiieris"
(^fatm 24, SB. 7).^) ffiö^renb beä fcf)roeven SouftiEte§, ber
im ©ommer 1863 burdi beä Stoiiprinäen 5"ebrid) aBtt^elm
auf einer SRetfe in Sünnjig erfolgte offene ©rflärung gegen
bie berüdjtigte ^!^tefiorbonnanä jroifdjeu biefem iinb feinem
töniglidjen Sßoter ju entbrennen brotite unb beffen weitere
SSerfdjärfung Doruc^mlii^ hiä 9)linifterl milbe unb tlug be;
gütigenbe aJetmittelung abioanbte, brang 3Ji§mavc£, roie er
fetbft erjä^tt/) in ben aufs ciu^erfte cntrüfteten ffönig, „jeben
@ntfi^Iu§ ab irato ju »evuieiben unb nur bie Staatäröfou
entft^cibenb fein ju laffen", inbem er, ougenft^einlic^ um ben
©inbrurf feiner roo^tootbereiteten 3Bortc ju fteigcni, get(ört
äu l)aben bef)auptete, bo§ fc^on ®eiftlid)e im Sanbe über
2. Samueliä 15, ®. 3 n. 4 (So fprai^ Sbfalom ju ir}m:
Sie^e, beine Sac^e ift rci^t unb fc^tec^t, aber bu ^ft feinen
aSer^ürer com Könige. — Unb 9Ibfalom fprac^: D, luer
fe^et nii^ um Slic^ter im Sonbe, ba^ jebermann ju mir
täme, ber eine Sarf)e unb ©eridjt ^at, baß id) iljm lum
SRet^ten ^ü(fe!) prebigten, alfo ber Sßunfc^ fic^ t)erDorioage,
>) D. qjof(f)iti0er, ainfptQC^en S. 252.
^ spulitift^c Mebeii IX, S. 194. ^) ebb. IX, ©. 138.
*) iSeboiiten unb erinneningen I, ®. 318,
— 50 — -
ben Äconprinjm möglidtft 6aft an be§ SßotetS ©teOe trete«
ju fe^en. ^n Srinuetung an bie SlibelfteGe, von ber man
6einai|e annehmen möi^te, er ^be fie gut ffiotbereitung auf
bie wichtige Unteaebung mit feinem föniglidien §errn nac^s
gelefen, bcang er in biefen: „SJerfa^rcn ©ie fein fäubevlic^
mit bem flnabcn Slbfalom" (2. ©amueÜä 18, Sß. 5 u. 12).
aiuf baSfelbe Sibelmott, ba§ i^m in 9Serbinbung mit natjes
liegenben Erinnerungen au§ ber preugifc^en ®efd)i(^te fi(^
unroiKfürlt^ aufbrängte unb bamalö begreifIid)enDeife einen
befonberä tiefen ©inbrucf 'auf il)n macf)ie, griff er in einem
anbeten allgemeineren ©inn jurücf in ber Stnfpra^e, bie ex
am 12. 3uli 1891 an bie cor i^m etfc^ienenen ©d)üler beS
Sßeimnrifi^cn S?el)rerfEminar§ im ^inbtid auf i^ren tünftigen
S9eruf tjielt: „Scacf)ten Sie immer ba§ biblifc^e Stejept,
fat)ret fein fnnberlic^ mit bem Snaben 2l6falom".0
Sffiie fcE)lagfettig ber bibeifunbige SJei^äfniiälet bie Sorte
ber Sd)rift auc^ o^ne politifc^e Stebenbebeutmig einfach al8
fittlic^e ®ebote ju gebrauchen wu^te, beftimmt be§ SRenfi^en
gefamteä §anbeln ju regeln, jeigt nament(id) bie Stbfertigung,
bie er feinem einftigen ^arteigenoffen ©eiifft Don ^ilfac^
äiiteil roerben lieg, al§ biefer im beginn be§ fiulturtampfeS
ju feinen ^od)EanferüatiDen unb ^o^tirt^lic^en ©egnem übct=
gegangen mar unb mit felbftgefäOiget flberlegen^cit it|m fo»
äufagen inS (Seroiffen ju reben für nötig fanb. dr roamte
i^n vot fo unc^tiftlicf)et Übergebung, inbeni er i^n auf
l^falm 12 SßerS 4 unb 5 l)inmie§, mo e§ Reifet: „^er |»err
wolle auärotten alle §eucf)elei unb bie SingC/ ^i^ ba ftolj
rebet — bie ba fagen: Unfere Qunz« foH über^anb ^aben,
unä gebühret äu reben; nier ift unfer §err?"^ Sldgemcin
moratifierenb meint er einmal, ba§ Siäc^en ©itelfeit, baä an
1) 5Je^ii ®. 489. 2) Sigmat(t>3tQ^rbud] I ©. 87.
I
— 51 —
bem Slngeftauntio erben feine ©efviebigung finbe, tiotte bod)
Qui^ nid)t lauge oor: bcnn aÜ bie (lernen Gitetfeiten feien
nur fi) lange uon 9ieij, a\§ man fie nit^t befi^e; fobalb man
fte erteid]! ^a6e, geUe von ifiiieu ber S;)tutft be§ Sönigl
©alomo, ba§ eä eitel ift imb !eine ix>ai\xe ^Jefriebigung ge;
iDo^re') — eine betannte Sßariatton be§ betanntcn SE^cniaS
$rebiget Salomon 1 33erä 2: „@ä ift alleä gartj eitel, fpvad)
ber ^^Jrebigeic, e§ ift atteä ganj eitel."
greitic^ ift ifim tro§ aÜer Sibelfeftigfeit auci^ auf biefeni
Oebiete getegentti^ einmal ein Irrtum mit iintergeraufen.
3n einem ©efpräi^ mit ^rofeffot von Sluntfi^Ii mai^t et
bie 9ieben§art: „S5ir tinben eine ©eele gerettet" p einem
©pric^roort, luä^renb fie biblifrfien UtfprungS ift unb auf
^efetiel 3 SSerä 19 surücfgetjt, roo tä ^eigt: „So bii aber
ben ©ottlofen roarneft, unb @r fic^ nid)t befet)vet uon feinem
gottlofeu Söefen unb Söege: fo luirb et um feiner ©iinbe
roiUeu fterben; aber bu t)aft beine ©cele errettet. "■■^)
©e^r bea^tenStoert für bie ©ntioirftung uon Si^marrfs
©tcUung jur fojiaten politifdien ©efe^gebung, bev bie Ic^te
^eriobe feineä gro^ortigen 9ßirfenä geioibmet fein foUte,
fmb ft^mi au§ früherer ^ei' gelegentlirfie 3iu^evungeu über
Srfjriftfteüen, roelcf)e biefe§ ©ebiet berühren, äßie ieiti%
i^n, iDenn aud) junäctift nur uorüberge^enb unb auf beftimmfe
äußere 3tntäffc ^in bie SBermtniffe befi^äftigt ^aben, au§
beuen, roa^ man geroöt)nlid) tiiräitieg bie foäiate ^^rage nennt,
^erBorroäi^ft unb »on beven Sefferung bie Söfung berfelben
ab^ngt, foroeit eine folcfje überljaupt möglid) ift, beioeift ein
Schreiben an bie ©raut,") murin er bie fiel) bei i^m regen;
') D. '^Dfc^inger, SSiäitiQiiJ u. b. ^fJatlameiit II IIU. Seftn S. 51ä.
3) 0. ^ßofdimBer, a. a. C- II 124. SSgl. SBücE)inon a. a. O.
a) iBttefe an hie SBtaut unb Sattln S. 3
— 52 —
ben ®en)iffen§biffe über ben 2lufu)anb, ben ein beabftd^tigter
93efu^ bei ber ©eüebten nötig ma^t, baburd^ ju befd^roid^i:
tigen fud^t, ba§ er ben SBorfa^ fa^t, ben 93etra9 ber SReife^
foften in gleid^er ^ö^e and) ben 2lmten jujuroenben. @r
erinnert ftd^ nämli^ an ba^ Söort be§ ^eilanb§ ju bem
reichen iSüngüng ©o. aWatt^i 19 aSer§ 21: „SöiUfi bu
tJoUfommen fein, fo gel^e ^in, t)ertaufe, n)a§ bu l^aft, nnb
gib e^ ben 2lmten", nnb bejeid^net e§ aU „ein fe^r ti^IigeS
2:]^ema", inwieweit er ft^ bere^tigt galten bürfe, n)a§ @ott
feiner SSerwaltung anoertraut l^abe, ju feinem SBergnügen ju
tjerwenben, fo lange e^ Seute gibt, bie t)or 9WangeI unb
3toft frant finb, in feiner näd^ften 9lä^e, beren Letten unb
Äleiber int 58er[a^ ftnb, foba§ fte nid^t ausgeben fönnen um
JU arbeiten.
^n einer gemiffen SBermanbtfd^aft mit benjenigen ©iS^
mardf geläufigen biblif^en Söenbungen unb 2lu§brüdten, bie
f«^ gönj ju geflügelten SGBorten geworben unb ate fold^e in
ben 9Wunb be§ SJolte^ übergegangen ftnb, ba§, wer fte ge^^
brandet, i^rer ^ertunft nur ganj au§na^m§weife nod^ ein::
gebeut ift, ftel^en bie ©prüd^wörter, bie er afö tux^e unb
f^lagenbe ??affung altüberfommener SBolfSwei^^eit ebenfalls
l^od^l^ält unb von benen er wandle, weil fte ber il^m eigenen
2lrt JU benfen unb ju fül^len be[onber§ entfpradien, mit einer
gewiffen SSorliebe gebrauste. ®er auSgefprod^en tjolfötüm^
li^e 3wg/ ber biefem märtifd^en ^unfer im ©runbe feinet
SGBefenS eigen war, offenbart ftd^ barin eben fo fe^r wie ba§
il^m innewol^nenbe feine aSerftänbni§ für bie unwiUtürlidien
^Regungen ber beutfd^en SBolfSfeele.
Db ber 93emerfung: langfam anjufpannen unb fd^neU
JU fahren fei eine d^arafteriftifd^e (Sigentümlid^teit ber SRuffen,^)
i) »riefe an bie »raut u. ®attin @. 436.
— 53 —
ein Sprit^iDott jugrimie liegt, muß iatthigefiefft Mei&m.
über^upt fpielt bie Sejiisna^me auf fold)e lieicictinenbet-
roeife in ^fligmotcts parlamentorifdjen iReben eine größere
SioKe aii in feinen fci^nfllic^en ^Jiwßerungen. %a ä't'Tt er:
„3eber ift fic^ felbft ber 91clcf)fte"') unb in ä^nlid)eni ©inite:
„®a§ ^emb ift uit§ — ober mir — ntt^ev q1§ bet SRocE."-)
„3Bo ^olj ge^uen roirb", bemer!t er „faÜen ©pä^e"'')
ober: „'3äo man ^ncft, ba fallen Spänne".-*) SöefonberS
gern 6ebient er fid) hei ber ©»'örterung fiitaiiäieüer j^tagen
foId)er 'äußeruitgen ber SoIfäioetSteit, bie auf biefem ©ebiete
ja immer befonberS probuttiu geroefen ift. Sie barin iibü^e
turje unb bünbige SIrgumentalion erfrf)ien if)m ganj befnnber^
etnleu(i)tenb unb jiDingenb. So fagt er, „^at ber Sauer
@elb, fo ()at eö bie gan^e SBelt"^) unb „3Ber ben Scannten
auf beni ^Seutel [)at, fjat bie 3JIarf)t."") 3(u^ er meint:
„Ein ©c^elm gibt metir alä er ^at"^) unb „SBo nidjtä ift,
^at ber Saifer fein afJedjt oertoren".") SBie für baä aßolf
ift it)m ebenfaUä „33effereä — ober ba§ *3efte — be^ ©Uten
gcinb".") @r fiel)t bie 5ßorfic()t an ai§ bie Butter ber
S!Sei§I)eit"') unb [)äEt bafiir, probieren gel)c über ftubtcren. ")
Wuc^ foIcf)e üoltätümtic^e ©rfatjrungsfü^e nmdjt er fid) 5u
eigen wie: „SBenä jucft, bei fra^e fict),"^-') ober „Sßer bn§
ffreuj ^at, fegnet fid)".^^) 3tud) be§ „gg gibt niete Sßege,
bie nnti) Mom fül)ren" bebient er fict) gelegentlicf).") „SSog
1) ^oHtifd)e SReben X, S. 481.
^ ®bb. VII!, S. 187. SefWfielte SEovte «igmartfä 22. 3on. 18H.
3) ipotiHff^e 9tebeii \1, B. 36. X. ®. 170.
*) D. ^nff^iiig«, ainfproc^en ©. 153.
=) ^olttifcf)e aiEbfn X, ®. 433. ». *pofd)ing«, aiifpiad)eii @. 283.
8J S[iDUtif4e SReben IV, S. 208, 232. e&ö. X, ©. 25.
8} ebb. XII, ©. 326. B) ebb. X, @. 43. XI, S. 70.
1«) ebb. vm, s. 341. »} ebb. vii, ®. 179.
'^ ebb. VII, s. 299. «) ebb. xn, s. 325. ») ebb. vin, ©. 329.
— 54 —
beine§ 2lmte§ nid^t x% bat)on Ia§ beinen g^ürroi^", fagt
er/) atö e^ bei ber Sfleoifion ber SlJlaigefe^e ben oon i^m
tjertretenen ©tanbpunft ju re^tfettigen gilt t)on bent au§
er bie ben 93ifc^öfen auferlegte SBerpfli^tung jur Slnjeige
t)on il^nen tjorgenommener ^farrererttennungen il^rent Söerte
na^ ma^gebenb ju beurteilen fid^ für feine ^erfon ni^t für
berufen unb befähigt l^ätt. Söeiter finben wir bei il^nt
gelegentlich noc^ folgeube ©pri^roörter gebrandet: „Qtxt
gewonnen, aUe^ gewonnen";^) „^eber ift feinet @tü(ie§
©d^mieb";^) „SGBer juletst ta^t, lac^t ambeften";^) „@age
mir, mit mem bu umgel^ft, unb id^ fage bir, mer bu
bift"^) unb „Söer ftd^ grün mac^t, ben freffen bie
3iegen".^) ®a§ ©prid^mort „Söie e§ in ben Söalb
fd^allt, fo f^aUt e§ l^erauS" pa^t er ben partamentarifd^en
aSerl^ältniffen an, inbem er e^ änbert in „2lu§ ben meiften
Söälbern ruft e§ fo l^erau^, mie man l^ineinfd^reit".'^ ^n
einem ä^nlid^en ©ebanfenfreife bemegt er fi^, menn er im
©ejember 1849 in ber jmeiten preu^ifd^en Kammer bei ber
93eratung be§ ®efe^e§ über bie Slentenbanten unter ^inmei^
auf bie Unjufriebenl^eit, mel^e bie baburd^ l^eroorgerufene
3Jle^rbelaftung ju erzeugen brol^e, feinen politif^en ©egnern
marnenb juruft: „Söer Söinb fät, mirb ©türm ernten"
unb bamit ba§ au§ bem franjöfifd^en entlehnte „Unter
ben ©linben ift ber ©inäugige Äönig" in SSerbinbung
bringt.®)
©erabe biefe il^m attejeU eigen gebliebene SSorliebe für
©prid^mörter un\) fpric^mörtlic^e 9leben§arten gibt ber parla^
mentarifd^en 93erebtfamteit 93i^mar(f§ gelegentlid^ einen h^^
1) ^olitifdie meben XII, @. 243. 2) @bb. IX, ©. 362.
3) @bb. XI, @. 142. 4) ©bb. XI, (S. 381. 5) @bb. XI, 6. 277.
6) SBufd), 3:aöebuci)blätter I, @. 126.
7) ^olitifdie meben IX, @. 38. s) ©bb. I, @. 188.
— 55 —
fonber^ atijiel^enben tjolf^tümlid^en 2ion. @r rounbert fid^
nid^t „über faule Spfel bei SBal^Iangelegen^eiten" ^) unb
„^ngt ber Äa^e bie ©d^eöe an".^ ©inmal freilid) ift
aud^ „fein Satein ju @nbe".^ @r roei^, ba§ „gebrannte
Äinber ba^ Steuer freuen"/) unb tjergleid^t ben Stbgeorb^
neten @ugen Slid^ter, afö bie 2lnna^me einer oon bemfelben
befämpften Sftegierung^oorlage beüorfte^t, mit bem Sol^gerber,
ber feine gelle fortfc^roimmen fielet. ^) 2lud^ plattbeutfd^er
Söenbungen ber 2lrt bebient er ftd^, wie „Söat ni^ roiU
biefen, bat mut liefen", b. f), roa^ fid^ nid^t büdfen roiH,
mu§ au§ bem Söege.^) Söie er aber au^ feine eigenen
großen ©ebanfen gelegentti^ unmiHfürlid^ in fold^e ältere
tjoltstümlid^e g^ormen fleibete, leiert, mag er in einer Sin-
fpradie an eine Deputation au§ ©d^le^mig-^olftein (1. 2lpril
1893) erjä^lt, bei ber Drbnung feiner Rapiere ^be er eine
auf bie ©rmerbung ber ^erjogtümer bejüglic^e plattbeutfc^e
9lieberfd^rift t)on feiner eigenen ^anb gefunben, bie lautete:
„®a malt' ®ott unb folt :3fen".'^) ©in anbermal fagt er:
„SGBir fönnen bem Äüfen, ba§ mir ausgebrütet ^ben, au^
ben ^al§ umbrel^en".®) ®emfelben gemiff ermaßen lanbmirt^
fd^af tlic^en 2lnf d^auungStreiS entnimmt er ©pri^mörter mie :
„Sinem gef^enften @aul fie^t man ni^t in§ SJlaul''^) unb
„@in brat)e§ ^ferb ftirbt in ben ©ielen".^^) ^ier^er fönnte
man aud^ bie 93emerfung rennen, bie er 1845 in einem
SReifeberid^t an ben SSater über bie untermegS empfangenen
©inbrüdfe mac^t: „2)ie Dftpreu^en fagen jmar, eS fei beffer
in ber 9lieberung ju erfaufen, als auf ber ^öl^e ju oer-
1) ^olttifdie kleben V, @. 248. 2) @bb. VIII, ©. 387.
3) @bb. X, @. 437. 4) @bb. V, ©. 320. 5) @bb. XII, @. 120.
6) (gbb. XI, @. 435. 7) üon ^of^inger, 3lnfpraci)en @. 252.
8) jöufcii^ 3:aöebuci)blötter I, @. 143.
») ^oUtif^e kleben VI, @. 376. lO) @bb. VIII, ©. 249.
— 56 —
l^ungem".^) SGBenn er fid^ einmal bei einer Debatte fiber
bie rufftfd^en ^uben unb beren SBerte^r in ben preu^ifd^en
©renjbejirfen [d^erjenb anbeutung§n)eife „auf ba§ befannte
©prid^roort" beruft, ba§ er aber nid^t jitieren mU,^) fo ift
il^m, ber 93üd^mann§ „©eflügette Söorte" ju ftubieren ftd^er^
lid^ feine 3^it gehabt ^at, augenfd^einlid^ ni^t betannt ge^
roefen, ba§ „^auft bu meinen ^uben, fo ^ue id^ beinen
:3uben" nid^t ein ©prid^mort ift, fonbern bie tjerfürjte
SGBiebergabe einer Su^erung au^ einer ©efd^id^te „S)ie
jmei ^oftiKone", bie Qo^ann ^eter ^ebel in bem 1811 er?
fd^ienenen „©d^a^fäftlein be§ rl^einifdben ^au^freunbe§"
feinen Sefem jum beften gibt. ^) ©benfo tjerl^ätt e^ fid) mit
bem „SJlorgen, morgen, nur ni^t l^eute :c.", ba§ er ate
©pri^mort jitiert, ba§ aber au^ ©firiftian Söeife§ (1726
bi§ 1804) ©ebic^t „®er 2luffc^ub" ftammt>) Di e§ ftc^
bei bem oon 93i§mardf gebraud^ten 2lu§brudf „SBertrauen
ift eine jarte ^flanje"^) um ein ©prid^mort ober ein ge^:
flügette^ SGBort l^anbelt ober ob mir e§ mit einem 93i^mardf
eigenen fd^önen 93ilbe ju tun ^aben, mu| ba^ingefteUt
bleiben.
Söie in biefer SSorliebe für ©prid^mörter unb fprid^-
mörtlid^e 9ieben§arten offenbart fid^ SBi^mardfi^ feinei^ aSer=
ftänbni^ für alle§, ma§ bie ©eete feinet 93otfe§ in g^reub
unb Seib bewegt, au^ in bem l^ol^en SGBerte, ben er bem
3Sotföliebe beimaß. @r glaubte beobad^tet ju l^aben, ba§
ber 2)eutfd^e fid^ ber Söirtung be§ Siebet ni^t ju entjiel^en
tjermöge, unb erfannte biefem für bie Slnregung unb ©tär^
fung be§ 9lationaIgefüf|te fd^on be^^alb ^ol^e prattifd^e 93e=
1) SBiSntarrf ^a^rbud) l, @. 7.
2) ^^olitif^e meben III, @. 134. 3) SBü^mann @. 235.
4) ^olitifdie meben X, ©. 111 u. 112. Sögt. SBü^ntann @. 151.
5) ^oUtifdic meben <S. 383.
~ 57 —
beututtg jii, roeil e§, foroie c§ enift loicb, „immer Slntlang
nuä SJaterloitb" nefjme. ') ©al) er in ber 2)IufiE übevljaiipt
„eine treue ©efä^rtiu im Seben",-) fo ift bocf) für bie
^ffege biefet iorten Seite feineä ©emüt^IebenS efteiifo roie
für feine unauägefe^te S9efct)äftigun9 mit ber Sibet ougeiu
fi^einlic^ ber @influ§ ber ©attin entfd^eibenb ftcroefen, roeld)e
bann fpätcr au^ ber Qaijl bet @Et)ilfen be§ fianälerä in
bem mit SRec^t all 3Jieifter gefeierten ^erai von ffeubett
einen überlegenen ®el)ilfen imb Vertreter fanb. ^ofianna
uon ^ßutttamer mar, fo berichtet biefer fompetente Se;
urteiter,-'') für 9Jiufif befonberl begabt unb fpieltc, obgleid)
fie feinen t)Öt)ei:en Untertirf)t genoffen ftatte, oiel auSmenbig:
namentlich rolE§tümIirf)e SJIetobien trug fie mit natürlichem
3tiigbrud Dor. 3lnbetErfcif§ fiatte SiSmard gerabe für baä
SSoIfälieb, bei bem ÜBort unb SJielobie ja befonberä innig
Derroadifen ju fein pflegen, ein fe^r lebhaftes SJerftänbniS
unb gab baf)er bcn if|n bcroegenben Stimmungen gern burcl)
^Ejugnflfime bauauf Slnsbtud. So fct)reibt et am 22. Februar
1847 im ^inblid anf bie ^^iflicijten, bie bei bem beDorfteljeii-
ben ©i^gang auf bec S(be feiner in ber Sigenfi^aft aU
S!eic^^uptmnnn raarten, an bie ©raut: ^eut 91ad(t „Stet)'
ic^ in finftrer aJiitternadjt" unb „3)u fctjidft ein fromm
®ebet jum §ertn root)I für ben i'iebften in ber gern".*)
UnroiKtürlid) tliugt it)m in biefer Situation SßJit^^eim §auffs
DoUäümlidieö Sieb „Solbateuliebe"") in ben O^ren, Sei
bem 2(ufentt)alt in ©aftein 1804/65 quälte i^n, niie fo
mon^en ber bort .Reifung Sut^enben, anfangt bog nnunter:
1) DDii %iofd|ui0er, 9liifptacf|cn S. -2!)4. 2) g^l). ©. 2(iß.
3) D. ScuheU. Surft inib 5iit(tiu SBiämarrf S. 4.
■») »riefe an 6ie Sraut u. ©attin S. 44.
6) %l. ^offmaiin »on SJaöerälefeen, Uiiferc DoltgtümIid)en
Siebev. 7. Sluflage. 9tt. 1074.
— 58 —
brod^enc 2:ofen ber in gcroaltigent galt einl^erftüt^enben unb
mit roilbem ©raufen taru)ärt§ eitenben 2l^e, unb ba erft
meinte er ben tiefen ©inn be§ Siebet „^&d)\m, Ia§ bein
SRaufd^en fein" ganj ju erf äffen/) be§ „fd^önften Siebes "
t)on Söitl^elm aWüKer.^) 9lad^ bem 2lu§fd^eiben von 9ioon§
au§ bem 3Jlinifterium, ju bem biefen feine gefd^mäd^te @t^
funbfieit genötigt l^atte, fd^reibt er bem treubemä^rten SUlit^
*
f ämpf er, mit bem er ftc^ tro^ gelegentli^er Errungen in
allen mid^tigen 3^agen immer gut tjerftanben unb ben er
mie fi^ felbft frei t)on allen perfönlid^en ^ntereffeu, ganj
ber großen ©ad^e be§ SßaterlanbeS l^ingegeben gemußt ^tte,
am 20. 9iot)ember 1873, menn er in ben ©i^ungen be§
9Winifterrate§ ben bisher t)on jenem eingenommenen ©effel
leer fäl^e, jiel^e e§ mel^mütig bur^ feine ©eele: „^d^ ^tt'
einen Äameraben"/) jenes ftimmungSüoUe Sieb Ul^lanbS, ba§
ebenfalls fd^neU jum SßolfSliebe geworben ift>) ®erfelben
©tropl^e bebient er fid^ aber auc^, um baS innige SSerl^ältniS
JU fennjeic^nen, baS für i^n jmifd^en bem Steiter unb feinem
treuen ^ferbe befielet, baS if|m „mie ein ©tüdf von jenem"
erfd^eint.^) 2ltS in ben Sßerl^anblungen über eine @ugen
Stid^terfc^e «Interpellation betreffenb ben ©d^u^ ber beutfd^en
^nbuftrie gegenüber ber neuen ruffifd^en B^ßpölitit bel^auptet
mürbe, er l^abe einmal geäußert, im ganjen Orient ftedte
fein ;3ntereffe, baS fo vkl Söert fei als ber ©rtrag eines
pommerfd^en StitterguteS, erftärte er baS jmar für irrtümlid^,
gab aber boc^ ju, ba§ mie bei allen folc^en Segenben aud^
bei biefer ein ©tüdtd^en SGBal^r^eit „unb a bifferle galfd^l^eit
1) t). Äeubett @. 168.
^ §offntann von fJaUerSleben a. a. D. 9flr. 108.
3) »iSmarrf ^al^rbu^ III, @. 303.
^) §offntann t)on gaUerSicbcn a. a. O. S^lr. 633.
5) «8uf d), 3:a9ebuci)bmtter I, <B. 382.
— 59 —
aUeroeil babei fei"/) inbem er auf bie britte ©ttopl^e be§
aSoIfSliebeg anfpielte „2)ie Söürjburger ©lödeti", m e§ l^ei^t:
,,Unb c bifferle fitab unb e bifferle ^reu
Unb e bifferle 3^alfd|l^eit ift atteroeU babei."
91ad^ bem für feine ^^täne ungünftigen 2lu§fall ber
SReid^StagSroal^Ien im ^erbft 1881 gab er feinen SBeforgniffen
für bie 3ufunft be§ t)on il^nt gefd^affenen 9lei^e§ bei einem
abenblid^en Spaziergange bur^ bie gemunbenen SGBege be§
^axU l^inter feinem ^Berliner ^atai§ 9Wori^ 93ufd^ gegenüber
in einer für biefe ©eite feinet @eifte§leben§ befonber§ ä)a^
ratteriftifd^en Söeife 9tu§bru(f, inbem er erft bie SJlelobie be§
Siebet t)on 2luguft t)on SBinjer: „Söir ^tten gebauet ein
ftattli^e§ $au§", ba§ am 26. Sluguft 1819 bei ber 3tuf'^
töfung ber beutfd^en 93urfd^enfd^aft gefungen mar, t)or fid)
^infummte, nad) einer SGBeite aber oon bem U^Ianbfd^en
®ebid^t „®a§ ©lud üon ©benmi" fprad^ unb bie beutfd^e
aSerfaffung mit jenem jerbre^lid^en ÄriftaU tjerglid^. „®ie
9Welobie ging in feiner ©eele bem @teid^ni§ unb bem barin
liegenben ©ebanfen tJorauS."^) ^m Saufe ber Sßerl^anb^
lungen über ben ©c^u^ ber beutfd^en Sanbmirtfd^aft burd^
ben ©etreibejoU, ben er für notmenbig ertlärte, um ben
93auem faufträftig ju erhalten, bamit er ben jal^lreid^en ^anb^^
mertem auf bem Sanbe ju üerbienen geben fönne, leitet er
(10. gebruar 1885) ben |)inmei§ auf bie SSerfd^iebenartigteit
ber festeren ein burd^ bie SBejugnal^me auf ba§ alte Sieb:
,,@§ ift !ein ^örf^en fo Hein,
©in ^amnterfd^ntieb mu^ barinnen fein."^)
;3in einem 93rief an Seopotb oon ©ertad^^) finbet fid^
aud^ ba§ „aSolt^Ueb" angefül^rt: „@^ finb einmal brei
1) ^olitifdie kleben VI, @. 461.
2) t). ^ofd^inger, SBiSmard unb bie Parlamentarier, III, ©. 69.
3) ^olit. meben, X, @. 464. ^) ^Briefe an ©erla^, <B. 148.
— 60 —
©d^neiber geroefen". Oelegentü^^) bebient ftd^ SBigmard,
frcilid^ nid^t mit bem üblen 9lebenfmne, ben e§ urfprünglid^
^at, aud^ bt^ „Sflnx immer latigfam tjoran", be§ StefrainS
au§ einem 1813 aufgefommenen fpöttifd^en SSoIfölieb auf
bie öfterreid^ifd)e Sanbmel^r, ba§ bann mieber auflebenb
1850 auf bie preu^ifd^e unb 1866 auf ben ba^rifd^en
Sanbfturm angemenbet morben ift.^) ^ält er einmal im
preu^if^en Sanbtage (9. gebruar 1892) bem Slbgeorbneten
SGBinbtl^orft Dor, nac^ ber @eringfd^ät(ung, mit ber er von
ben im parlamentarifd^en Seben Derfaffung^mä^ig bod^ ben
2lu§f^lag gebenben 9Jlaj[oritäten gefproc^en ^abe, fc^eine ber^
felbe trot( be§ auf bie aSerfaffung geleifteten ©ibe^ geneigt ju
fein, gegebenenfaKg im ganjen na^ bem ^riujip ju regieren
,,Unb ber Äönig abfolut,
SBenn er unfern SBiUen tut/'^)
fo glaubte er bamit mo^l ebenfate ein aSolföUeb ju be=
nu^en, ba§ i^m au§ ben preu^ifd^en 5ßerfaffung§fämpfen
ber fünfjiger ^a^re noc^ in ben D^ren Hang, unb mu^te
ni^t, ba^ bie fo vkl angeführten aSer[e au§ ©^amiffoS
1831 entftanbenem „9iac^tmäc^terUebe" flammend) Söie
i^m aurf) im Sllter noc^ bie in ber Qugenb fo oft gelungenen
©tubentenlieber gegenwärtig maren, bemeift er, menn er
eine Stnfprad^e an eine Deputation ber beutf^en ©tubenten^
f^aft bie i^m jur ©rinnerung an ba§ ämanjigiä^rige ©e:^
fielen be^ beutfc^en SReic^e^ am 10. Sluguft 1891 in Äiffingen
einen (£t)ren^umpen überreizte, mit ben Söorten fd^Io^:
„Vivat membrum quodlibet,
Vivant membra quaelibet,
Semper sint in flore."^)
1) n. ^ofdiinger, ^Infpra^en, @. 72.
2) ^offntann non g^aUerSleben a. a. D., 9^t. 708.
3) ^olit. kleben, V, @. 260.
4) SBüdintann a. a. D., 256. &) n. ^pf diinger, ^Infpra^en, @. 171.
61
triiitt ev bei einem Sie^udje in 3Iuge;butg
(26. :3uni 1892) feftlic^ empfangen auf baä SJot)( „Civilatis
et qui illam regit".') STud) bie il)m geläufige utib me^t:
fad) ton i^m ongeroaiibtc ^öeite^intg auf bie befannte %abd
Dom SBünberei;, ben feineä 3J]antc(ä ju berauben Sonne
unb 9Binb einen SBetttampf untcvnet)meii, fönnte l^icdjcr
gete^net roerbeu/-)
Süerbingä luirb e§ bei innTi(t)en von biefen Sesug=
nnf)inen auf «ol[§tflmlid)e gormulievungeu geroiffer öftev§
iDiebertc^renbcr ©ebanfeu unb Slnfc^auungen, niie Sismarrf
fie nainentlidj in feinen S'ieben, bie i^m nii^t eigentli^
leicht Doii ben Sippen floffen, fonbern in fi^roeter ©ebanten:
atbeit geroiff ermaßen ftogiucife ^eruorbtadten, anjuiüenben
liebte, uneiitfdjicbeu gclaffen luecbeii muffen, ob fie bem
iirfprünglit^enSeftanbe feiner in iüngcren Qfl^i^^n erroorbenen
aKgenteinen Silbuug jugere^net merben büvfen ober ob fie
nic^t nielme^r aiä ein unniiOtütlii^er unb si"" ^^'' •'"-
beiou|ter ^leuerroerb auä fpaterct Qeit anjufe^en fmb. 31ber
aud) roenn fie ba§ finb, bleiben fie für bie ifiet jur @r:
örterung ftef)enbe %xao,t iiifofetn feljv tetirrcid), alä fie einen
95eroeiä mel)r geben uon bei frifd)en ®mpfängtid)teit, mit
njeld)er bev grofee Staatsmann bem geiftigen aBellenfdjIag
feiner 3eit entgegenfam imb nid)t Berfd)mÄ^te, aud] baä leife
ßSefrdufel auf ber Dberflarf)e afö roirffame ffraft in ben
5!)ienft bet ron i^m nertretenen ©ad)e jn ftelten. ©o ^at
er mond^eS bejeit^nenbe Sffiott, ba§ in ber münblid)en unb
fdiriftlic^en SJtäfnffion ber 5ffentlid)eii Stugetegen^eiten, fei
eS emft, fei eg fc^erjenb gemeint gcroefen, auffam, gern
auf; unb angenommen unb baburc^ baju beigetragen, bog
eS balb ein geffügetteS tuurbe. 3)ie .gierfunft becartiger
1) D. ^ofdjinger, 3tnfpto^en, S. 208.
^ ^Dlit SReben V, S. 237; XII, ®. 373.
- 62 -
SGBorte ift natürlid^ nur in einjelnen g^äKen mit ©id^er^eit
nachweisbar: wie wir ba§ auc^ nod^ in unfern S^agen fo
^ufig beobad^ten fönnen, taud^en fie auf, niemanb wei^
red^t, roo^er eigentlid^, genießen eine S^it^ötig eine SSer^
breitung, bie mit il^rem geiftigen ^nl^alt jumeiren in gar
feinem SSerl^ältniS fielet, unb tjerfd^minben, nad^bem fie eine
Zeitlang 9Jlobe gemefen fmb, mieber ebenfo fpurloS. SGBe^
niger StuSbrüdte mie „©reifen ©ie bod^ in il^ren eigenen
93ufen"/) „®eIogen nid^t nur mie gebrudtt, fonbern mie
telegraphiert" ,2) „©d^aubernb ^ab' i6)'§ felbft erlebt"/)
beren ^erfunft biSl^er nid^t l^at auSgefpürt werben fönnen,
fomie bie meitüerbreitete SBenbung oon ber „SSerbammtcn"
ober „tjerflud^ten ^fli^t unb ©d^utbigfeit" /) meldte t)on
mand^en, freilid^ nid^t mit ©id^erl^eit, auf g^riebrid) ben
©ro^en jurüdEgefül^rt mirb, mögtid^ermeife aber bereite r>on
biefem a(§ ein gepgelte§ SBort älteren UrfprungS auf:^
genommen mürbe/) ober ba§ ^öl^nifd^e „3^ri^ SSogel ober
ftirb"^) bürften l^ierl^er ju rennen fein, afö etma bie be^^
tannte SGBenbung oon ber „^otitif ber freien §anb",'0 bie
juerft 1859 oon bem bamaligen preu^ifd^en SÄinifter be§
2lu§märtigen, ©rafen ©c^teini^, gebraust morben ift, unb
mefir no^ bie ju au^erorbentli^ weiter SSerbreitung ge::
langte 93ejeid^nung 9lapoIeon§ HI. al§ be§ „^ed^te§ im
europäifd^en Äarpfenteid^",®) bie oon bem ^allenfer ^rofeffor
^einrid^ Seo ^errül^rt. 93ei mand^en biefer Slnfül^rungen,
namentlid^ fold^en, bie bem i^n oorjug^meife befd^äftigenben
©ebanfenfrei^ femer liegen, wirb man annel^men bürfen, ba^
fic 93i§mardE in ben ©inn famen afö unmilltärli^er SBibcr?
I^all ober at§ 9lad^ttang oon unlängft ©elefenem ober ®^^
1) ^olit. meben V, @. 278. 2) @bb. IV, ©. 145. ») @6b. VIII, ©. 41.
4) @bb. IX, ©. 366, 367. ß) SBü^mann a. a. D. ©. 568.
«)^oUt.mcbenXII,(S.295. 7)@bb.II,@.27a 8)@bb.XII/@.456.
- 63 —
Wörtern, niiJ)t feiten roof)! auc^ tiut infolge äroanglofec gefeUigcr
Untermtiing otier munteren ®eplauber§ in angeregter InfeU
runbe. SHit bct 9ieiigiDn bet 3iatuiDöIfer tjat ft(^ ber mit
@ef(^äftcn unb ©ocgeit alter 3lrt überbitrbete SReicJjSEanjlei;
gerai^ ebenfu luenig befc^äftigt loie mit ber 2e()re be§
SJlo^ammeb ober ber 9)Ji)t^ologic ber ^lorbgermonen : bennoc^
fpric^t er') oon bem ©ranntrocin be§ armen SJIanneä all
einem angeblichen „S^abu", b. tj. einem für ^eilig nnb un-
antaftbar erflärlen ©egenftanb ^eibnifclien Hultii§, unb bou
ben unt)eilDollen roittfi^aftlicl)en folgen ber Qberprobuftiou
alö einem nadj manc(}er ßeute 9)leinnng Unabroenbbaren,
einem „Silmet".'^ SBcnn er einmal") Bon ber „ßofi=
ftimme beä ?ßotteigeifte:§" fpric^t, bie ben Urwähler §öbur
»erleife, ba§ er baä eigene 33atertanb erfdjlage, unb roenn
er in bem ©efnmtbegriff „Sofi" bie 9lgitatoren jufammen=
fa|t, welche, mie einft nac^ a31üd)er§ Söort bie bou biefem
all Jeberfui^fet beäeicl)neten Siplomalen burd) üre Sieben
unb ^fitung^irtifel jw oerberben biegen, roa§ bn§ ©t^roert
geroonnen l)at/) fo fjnben mir e§ ba angenfc^einlic^ mit
einem Siai^ttang beä uiäd)tigen ©inbrudfi ju tun, ben bie
^ßjagnerf^en Slibelungen unb nanientlid) ba§ 3l()eingDlb in
allen Steifen ber §aiqjtftobt (lerüDtgebrat^t fjatten.
®er fortfc^reitenben öeEannifdiaff ©uropaä mit ber
eigentümlidien S^Ituv unb StaatSovbnung be§ fraftnoU auf;
ftrebenben jopanifc^en SHeic^eä »erbantt öilmarcE ben gern
gebraucl)ten aSergleit^ geroiffer beutfdier @iurtc[)tungen mit
ber abfonberliii)en Stellung be§ laifun unb beS SfiiEabo in
bem alten ^nfelteidje. (grftercr, ber loeltli^e Snifer, bet
einp eine roeit ^Öt)ere SKadjt befa|i ali bei anbete, bo§ geift^
lii^e 91eic^§ober^aupt, roerbe, fo meint er einmal jc^etjenb,'*)
') ^olit. SReben XI, S. 349. ^) ^bb. X, S. 476.
a) ebb. XI, ©. 85. *) (Ebb. XI, ©. 91. '•} ®bb. VII, S. 37.
- 64 -
immer in ben ^artifularftaaten ftedcn, mäl^renb bie 9teid^§=
miniftericn im ®urd)fd^nitt nur fein mürben „mie jene l^od^-
tjerel^rten oftafiatifd^en ^erfönlid^feiten, bie ein gro^e^ Sin-
feigen äu^erlic^ l^aben, aber feine 3Jlarf)tooIlfommen^eit".
©elängen, fo meint er einmal in bem gleid^en 2:one/) „bie
2lbfid^ten ber liberalen Dppofition in bejug auf bie (Stellung
be^ preu^ifd^en Äönigtum^, fo mürbe au§ lauter SBerefirung
für biefe^ fein ^^räger jule^t, wie frül^er ber geiftlid^e Äaifer
in ^apan, alle ^a\)X^ einmal au einem l^ol^en g^efttage
gejeigt merben, t)on unten, auf einem ®itter gel^enb, fo ba^
man nur feine ©ol^len feigen fann". ®e§felben 93ergleid^§
bebient er fid^ aud^ fpäter nod^:''^) in ben oftaftatifd^en
Säubern, meint er, \)dbe e§ fold^e Derel^rte ^erfonen gegeben,
bie fo ]^od^ maren, ba§ man fie nic^t feigen unb t)on il^nen
nid^t fpre^en burfte; mer ebenfo in ^reu^en vom Sönig
nid^t reben laffen molle unb feiner namentlid^ im SCBal^l-
fampf nid^t ©rmäl^nung tun, ber fc^eine il^m ba§ 93ebürfni§
ju l^aben, bie föniglid^e ©emalt in SSergeffen^eit ju bringen.
2lud^ ^tte er bereits am 5. Slooember 1869 an feinen
bemäl^rten SUlitarbeiter ®elbrüdf, ben ^^räfibenten be§ Äanjler^
amte§ be§ 9iorbbeutfd^en 93unbeS, in bejug auf il^r fünftigei§
SSerl^ältniS gefc^rieben, er benfe fic^, „ba| mit ber 3^it ^^^
Äanjler für innere 93unbe§fa^en eine 2lrt Don 9Witabo unb
ber ^räfibent ber 2:aitun werben mirb".^)
1) ^olit meben IX, @. 229. 2) @bb. XII, <B. 311.
^) ©ebanten unb ©rinncrungen, ^Inl^anQ @. 435.
IIL
33igmard8 SSerl^ältniS jum flaffifd^en Slltertum.
93ci bcr 8tifd)e unb ^eubigfeit be§ ©trebenS, ba§ in
feiner ©ettftätibigfeit über bie ^flid^ten aud) be§ geiDiffen^:
l^aften ©d^üler^ beträd^tU^ ^inau^ging, wie wir fie burd^
ben reid^begabten Dtto von 93i§mardf wä^renb feiner ©^m^s
naftaljeit betätigt gefeiten l^aben, ift e§ nur natürüd^, wenn
gcrabe biejenigen ©egenftänbe, bie int SÄittelpunfte be§ tjon
il^m mit fo lebhafter @mpfängUd)teit aufgenommenen Untere
rid^t§ ftanben, i^m aud) in ber Solgejeit mert blieben, t)on
il^m l^o^ge^alten unb, fomeit bie SBer^ltniffe e§ erlaubten,
gepflegt mürben. 2Iud^ ber gro^e (Staatsmann ^t niemals,
bie l^umaniftifd^e ©ilbung als bie untjerrüdfbare ©runblage
feines ganjen geiftigen SebenS tjerleugnet. ©erabeju erftaun-
lid^ ift eS, ju feigen, mie feft er allejeit barin murjelte,
mie geläufig if|m bie mit unb in il^r gemonnenen Slnfdiau-
ungen blieben, meld^ reid^en ©d^a^ t)on Sefefrüd^ten auS
ben mäl^renb ber ©d^uljal^re ftubierten flafftfd^en Stutoren
er ftetS bereit ^tte unb mie fe^r il^m aud^ im 2llter nod^
ber flare, fnappe unb ftreng fa^lid^e ®eift ber lateinifd^en
©prad^e tjertraut mar. Unfere mobernen ©prac^reiniger
merben ein gemiffeS Unbel^agen faum unterbrüdfen fönnen,
menn fte einmal einigermaßen erfd^öpfenb jufammengefteUt
fe^en, mit melc^er 3^ülle tjon Sntlel^nungen auS bem Satei:^
^ru^, SBiSmarcfS SBilbung. 5
— 66 —
Tiifd^cn namcntlid^ 93i§tnar(i§ Sieben burd^fe^t fmb, xinb
imax nic^t bIo§ eigentlid^en ©itaten, ©entenjen unb ge^
ftfigelten SBotten, fonbem auc^ Sttuöbrüden unb SBenbungen,
für bie entfpred^enbe gute beutfc^e reid^Iid^ jur aSerfügung
geftanben l^ätten, bie alfo bod^ rool^I nad^ feiner SJleinung
ba§, wag er fagen wollte, fürjer unb beutlid^er gaben ober
aber unter ber frentbfpra^lic^en ^ülle eine ©pi^e einiger^:
ma^en üerfd^roinben liefen, bie ba§ jumeift entfpred^enbe
beutfd^e SQ3ort für ben einen ober ben anbern feiner ^örer
l^ätte entl^alten fönnen. Unb bod^ entfprid^t aud^ ba§ nur
ber ftrengen fiogiJ unb bem rüdffid^t^lo^ realiftifd^en 3)enfen
be§ ©c^öpfer^ ber beutfd^en ©inl^eit, ber überall ba§ bem
verfolgten Qw^ä angemeffenfte 9Jlittel gebrandet, ba§ er —
befantlid^ ein au^gefprod^ener ©egner ber lateinifd^en ©d^rift
— fid^ unbebenflid^, \a mit einer gemiffen aSorliebe ber
lateinifd^en ©prad^e bebiente, wenn er barin feinen ®e^
banfen fd^ärfer unb üerftänblid^er unb unter möglid^ftem
2lu§fd^lu§ t)on aJli^beutungen 2lu§brudt geben fonnte. Slu^er^:
bem marcn il^m t)on feiner 93efd^äftigung an bem grünen
2:ifd^ einer preu^ifd^en ^rooinjialregierung, fo Jurj fie ge=
n)efen mar, man^e t)on ben ba üblid^en fanjlei^ unb aften-
ted^nifc^en lateinifd^en g^lo^feln im ©ebäd^tni^ geblieben,
meldte ber Mrje ^Iber anjuroenben aud^ biefer au^gefprod^ene
Oegner alle§ 93ureau!ratifc^en für erlaubt l^ielt.
aSiel weniger innig ate p ber ©prad^e be§ alten Slom§,
bie obenein ja in einigen ben ©taat^mann immer mieber
befd^äftigenben ©ebieten nod^ bi^ in unfere 2^age ein langet
9lad^leben geführt ^t, war SSi^mardö SSerl^ältni^ ju ber
ber Seltenen. SBie e§ fo üielen aud^ p^ilologifd^ begabten
©d^ülern ge^t, blieb i^m ba§ ®e^eimni§ be§ ©ried^ifd^en,
beffen unenblid^er g^ormenreid^tum bie grammatifd^e 2tn=
paffung an bie feinften 9lüancen be§ ©ebanfen^ ermöglid^t
— 67 —
itnb ballet an ba§ jxigcnblid^e aSerftdnbni^ l^ol^e Slnforberungen
ftellt, einigermaßen üerfd^loffen. 3)e§]^alb l^at er t)on bort-
l^er für feine allgemeine 93ilbung nid^t entfernt fo reid^en
©eroinn gejogen mie au§ ber 93ef(^äftigung mit ber ©prad^e
unb ber Literatur ber Slömer, beren geiftiger ©igenart er
fid^ üermanbter fül^len burfte. ©o begegnen mir benn and^
SSejiel^ungen nad^ biefer ©eite l^in bei i^m entfpred^enb feiten.
3lte ein geroiffermaßen logifd^er S^erminu^ ift ^^a-:
^Jox7)vi) anjnfel^en. Sntfpred^enb bem ©inn, in bem e§
juerft 2lriftotele§ gebraucht ^t jur 93ejeid^nung be§ falfd^en
©runbgebanfenö, au§ bem ber falfd^e ©a^ mit 9lotmenbig^
feit folgen mn%^) bebiente ftd^ 93i§mar(i be§ 2lu§bmdt§
irpojTov ^[^söSoc pr 83ejeid^nung von ©runbirrtnm, ©runb^
fel^ler, menn er meint,^) bie Dppofition erJenne ba^felbe
barin, ba§ er nad^ jmeinnbjroanjig Qoijxm nod^ immer
SJlinifter fei, ober menn er auf bie ©c^mierigfeit l^inroeift
bie e§ mad^t, bei einer politifd^en SSermidlung ba§ TrpwTov
tj^söSoc aufjufinben, ba§ l^ei^t ju geigen, mo ber falfd^e SQ3eg,
ber eingefc^lagen ift, fid^ von bem rid^tigen trennt, ber
ftätte eingefd^lagen merben muffen, ©o fpric^t er auc^
einmal^) üon bem irpwTov ^eoho^ ber aJlaigefe^gebung. ®§
liege, meint er, barin, ba§ üerfud^t morben fei t)on feiten
be§ ©taate§ auf ben ^riefter ®influ§ ju üben, benn baburd^
l^abe ftd^ bie 83ureaufratie mit ben firc^lid^en SBorgefe^ten
bi§ jum ^apfte l^inauf in eine ^onfurrenj eingelaffen, bie
ben ganjen Seftrebungen be§ ©taate§ etroa§ Srgerlic^e§,
S8erbitternbe§ gegeben ^be. 33on bemfelben ©tanbpunfte
au§ urteilt er ein anbere§ 9Jlal°) in bejug auf bie t)on
^reu^en 1786—1806 unb von 1842—1862 üerfäumten
1) ^oütifd)e die'ozn X, 14, 22, 23, 60. 2) S8üd)mann 399, 400.
3) ^oUtifd)e Dieben X, 204. ^) (§^hb. XII, 87.
^) @eban!en unb Erinnerungen I, 78.
5*
— 68 —
©elegcnl^citen unb bie aSertcilung bcr aScrantroottlid^feit
bafür, bie 2lu§fd^üttung bcr 2lrd^it)e unb bic 3)cnftt)ürbigi:
!citcn aJlitl^anbelnbcr unb aJlitroiffcnber l^ätten fünfjig bi§
l^unbert Qal^re fpäter bie öffentlid^e SÄeinung in ben ©tcmb
gefegt ffir bie eiujelnen 3Jli§griffe „bie ©abelung auf ben
unrid^tigen SBeg" ju erfennen.
2luf eine Erinnerung an bie griec^ifd^en ©d^ulftubien
greift 93i§ntard jurüdf, wenn er bei 2lu§einanberfe^ung ber
©runbüerfd^iebenl^eit jwifd^en ber fotl^olifd^en ^ird^e, bie
burc^auö auf beut ÄIeru§ berul^e, unb ber eüangeüfd^en,
bereu S^rägerin bie ©emeinbe fei/) mit ber gtage argumen^
tiert: „SQ3a§ l^ei^t benn ixxXTjaia anbere§ ate aSolfeüerfamm^:
lung? n)a§ l^ei^t ixxXTjataCstv? jur aSoIföüerfantmlung reben.
Qä) eHlefiaftijiere in biefem Sttugenblid int alten griec^ifd^en
©inn be§ 3Borte§." 3)en il^m wol^lbefannten ©prud^ am
©ingang jum Stempel be§ SKpollo in 3)elp]^i bagegen fül^rt
er in einer 2lnfprad^e an ben 93agerifd^en SSoIföfd^uIIel^rer::
üerein ju Äiffmgen (11. Sluguft 1893) mo^I mit SRüdfi^t
auf feine be§ ©ried^ifc^en nid^t funbigen ^örer in ber
beutfd^en S^ffung an: „®r!enne bid^ felbft."^
Sebl^after erl^ielt fid^ bei f&x^maxd t)on ber Seftüre
ber gried^ifc^en 3)id^ter l^er bie ©rinnerung an l^eroorragenbe
©eftalten unb ©jenen au§ ber gried^ifd^en ©ötter^^ unb
^elbenfage, jumal biefe \a andj von ben il^m geläufigeren
römifd^en 3)id^tern üielfad^ bel^anbelt ift. ©ingebenf be§
ajlgtl^o^ von Ärono§ ober ©atum, nac^ bem biefer au§
©orge um bie eigene ^errfd^aft feine Äinber oerjel^rt, fpric^t
er T)on ber „©atumifc^en ^olitiJ" feinet ehemaligen Kollegen
3)elbrü(i^) unb meift ben i^m gemad^ten aSorrourf jurüd,
ba§ er bie Äir^engefe^gebung burd^ bie von xf)m vertretene
1) ^olit. Dieben XII, @. 376. 2) o. ^ofd^ingct, 2lnfptad^cn, <B. 291.
3) ^oütifd)e meben VIII, @. 191.
SleDifion tcilroeife retäe^re „roie bet l|eibnifcf)e ©ott ©atutn
feine eigenen Siiibet".^) @iii anbereä 2Kat fpriff)t er non
ber fleinen „^ßanborabitdife", auS ber bog ^Eittu™ rr""^
tei^t§ unb linfä t)in oOe möglichen Übel atiSftreue",-) unb
im SIptil 1887 nennt er ben Stntrag uon §antmerftein
einen „SriSopfel", burd) ben (e^r jut unrechten ^^it bie
3lu§fid)t owf ^erfteßung be§ grieben§ jroifc^en ber Stegierung
einerseits unb ber SJte^r^eit il)rer lat^olifi^en Untertanen
unb ber pöpfttif^en Surie anbeterfeitä in ^rage gefteUt
werbe. ^) ^m 59ero»§tfein be§ uon it|m burcftineffenen eigen:
ortigen @ntroidlungEisange§ let)nt er e§ ab, mit ber auS
bem Raupte Qupitecä entfprungenen 3Jlinerria rergti^en jii
tuetben.*) Sind) ^at er ^ebenfen gegen bie prnttifi^e Stauet):
barfeit oon (Si)ftemen, bie mie jene ©öttin fertig au§ bem
^anpte i^re§ Urljeberg entfpringen.") S)en geioaltigen, bann
aber \o fdinell fläglid) enbenben Knlauf, ben bie preu^ift^e
''liolitif im aJiätä 1848 in ber beutfd)en ^xa^e genommen
l)atte, nennt er naii) ber griei^ifc^en 9Jli)t^e treffcnb einen
„^^oetonifdjen ging".") ©er Sage won 3«fon entlefjnt et
boä ©ilb Don bet Stuäfaat con ®rai^enää^nen, ou§ benen
ge^araifdite 3Jlänner emporrondifen: 3)aS fei 1813 unb
1870 namentlich aucJ) in 3)eutfi:^Ianb gefdjelien, bod) fönne
aud) ^iet nod) immer burc^ ein basroifc^en gemorfeneä
Steint^en bet SJiebea unter ben fo entftanbenen Reiben mit
Seid)tigEeit äraifti^iic^t erjeugt raerben.'-)
3tu[fi fonft greift Si§mat(J in feinen Silbern auf ben
altgtiecf)ifct)en Sagenfreiä jurüif. %xo^ be§ Süiberftrebenä
ber 33oIE§nerttetung Kolonien Eünftti^ inä £eben rufen ju
roolten ntill i^m roie eine „®aiiaibenatbeit" erfi^einen,^)
I) ^olttif^c fflebcn XJI, S. 31ö. 2, %tib. X. ®. Sil.
3) (£bb.XlI,S.39ö. ^)ebli.VII,@.40. 3Jgl.221. 5)®bb.XI,©.52.
4 ebb. I, ©. 47. ') ®6Ö.X], ©.64.205,309. ») ©bb. XI, S. 53.
— 70 —
unb bei ber ©rörterung über ba§ S^abafötnonopol freut er
ftd^ burd^ bie prinäipielt ablel^nenbe Haltung ber Sletd^§tag§'
tne^rl^eit einer „©ifgpl^u^arbeit" überhoben ju fein, bie feinen
Qal^ren unb feiner ©efunbl^eit jwedlo^ allju fd^were^ p^
gemutet ^ben würbe.^) Qn ber 3)urd^fü;^rung ber ©teuere
refornt einfd^lie^Iid^ ber ßoß^^förm erblidt er eine „^erfule^:^
arbeit", roäl^renb über burd^greifenbe gro^e Sieformen im
SJlinifterium ©inl^eit l^erjuftetten il^m gar afö eine fol^e
erfc^einen mill, „für bie eine ganje Kompagnie t)on ^erfu-
leffen nid^t auöreid^enb märe".^) 3)emfelben antiJen ®e^
banfenfreife entlel^nt er ba§ mieberl^olt gebraud^te 93ilb von
bem burd^ $er!ule§ übermunbenen 9Kefen Slntäuö, ber au§
ber aSerü^rung mit bem ©rbboben immer neue Äraft fog
unb fo lange fie il^m blieb, unüberminblid^ mar.^) ©inen
äl^nlid^en ^roje§ mill er 1878 burd^ bie 2luflöfung be§
9teid^§tage§ l^erbeijufül^ren beabfid^tigt l^aben, um bie W)^
georbneten mieber in bie fie von neuem fräftigenbe SSe-
rül^rung mit bem fie mä^lenben SSolfe ju bringen.^) Unb
gen)i§ burfte SSiömard fid^ unter bem 3)rudt ber ungel^euren
Slrbeitölaft, bie il^m von ber ©efd^id^te auferlegt mar,
geroifferma^en al§ einen neuen ^erfule^ fül^len. 3)arau§
erJIärt ftd^ mol^I feine befonbere ©gmpatl^ie für ben Sagen^
!rei§, in beffen -aJlittelpunJt biefer gried^ifd^e ^ero§ fielet,
unb bie SBorliebe, mit ber er gerabe t)on bortl^er ^Silber
unb aSerglei^e entlel^nt. a3ereit§ im (September 1849 fprid^t
er t)on bem „9leffu§gen)anb" ber franjöfifd^en ©taat^lel^re,
ba§ man bem gefunben Körper ^reu§en§ anjiel^en moHe,^)
unb im 9lot)ember eifert er bagegen, ba§ man bie l^eterogenften
3uftänbe auf eine unb biefelbe Sffieife ju löfen üerfud^e, in^
1) ^oUtifd)e Dieben IX, ©. 331. 2) (§^\it^, vi, ©. 303.
3) {§:ht). VI, (S. 21 ; VII, @. 54, 293. ^) ^ht), VII, (5. 293.
'^0 ^hh, I, @. 125.
— 71 —
betn man fie auf ein unb ba^fclbe „^roJuftcöbettc" werfe. ^)
SBie fd^erjenb fommt bie ©rinnerung an bie il^m einft ge^
ftellten ^etJuIifd^en 2lufgaben, bie il^nt eigenen l^erfuUfd^en
Gräfte unb bie fid^ gelegentlid^ in i^nt tegenben l^erfulifd^en
©elüfte junt 2tu§brudf, wenn er im Greife feiner parlas
mentarif^en ©äfte bie Su^erung tut, er ^be feine £uft
mel^r auf eine fd^Ied^te ^afenjagb, baju fei er ju mübe:
wenn e§ aber einen großen unb mdd^tigen ®ber, etwa einen
ergmantl^ifc^en, p erlegen gelte, bann mürbe er fid^ mol^l
nod^ einmal etma§ jumuten.^)
^atte 93i§mard aud^ bie unmittelbare g^ül^lung mit
ber Literatur be§ alten ©ried^enlanb, t)on beren unüergleid^^
lid^em SBert für bie S.ilbung ber aJlenfd^l^eit er tief burd^^
brungen mar,^) begreiflid^erroeife jiemlid^ frül^ verloren unb
badete er gelegentlid^ mol^l gar mit einem geroiffen Unmut
jurüdE an bie Dpfer an 3^it unb Äraft, bie er ber 93emät
tigung ber griec^ifd^en ©rammatif l^atte bringen muffen, fo
l^afteten bod^ nod^ mit frifd^er fiebenbigfeit in feinem ©e^
bfic^tni^ bie ^elbengeftalten au§ ber Qlia^ unb ber Dbqffee.
gteilid^ bemal^rt er auc^ t^nen gegenüber bie Unabl^ängigJeit
ber 2luffaffung unb bie ©elbftänbigfeit be§ Urteifö, bie il^m
frül^jeitig eigen maren unb allejeit für il^n d^arafteriftifd^
blieben, ©d^on auf bem ©qmnafium, bemerft er in einem
93riefe an ©erlad^/) ^be er ein Unbel^agen empfunben
beim Sefen ber ©d^impfreben, meldte t)or bem 93eginn il^rer
kämpfe jmifd^en ben von il^m fonft fo üerel^rten l^omerifd^en
gelben gemed^felt werben. 2ttö ,ben Sttnfang be§ uralten
Äampfe^ um bie SJlad^t jroifd^en Königtum unb ^rieftertum
betrad^tet er origineller SBeife ben ^onflift, in ben ju 2tuli§
1) ^oUtifd^c mebcn I, @. 173.
2) 0. ^ofd^inger, 53i§ntardC unb bie ^arlantentartet I, @. 71.
3) SBgl. @. 16. 4) sßtiefe an ©erlad) @. 55.
— 72 —
vox bcr Slbfal^rt nad^ S^roja Slgamcmnon mit Äold^a§ unb
bcn übrigen ©eifern geriet unb ber il^n feine 2:od^ter !oftete.^)
^m Saufe ber aSer^anblungen über bie Unfallüerfic^erung
meint er fc^et^enb, man l^abe ftc^ nm ben „armen 9Jlann"
geriffen „mie um bie fieid^e be§ ?ßatrofIu§", inbem ^err
£a§!er i^n an bem einen @nbe gefaxt, ^ felbft aber il^n
biefem nac^ SUlöglid^feit p entreißen gefuc^t l^abe.^) aSon
bem gleid^en Greife flaffifc^er Slemini^jenjen au^gel^enb er^^
Hart er, er t)erben!e e§ einer parlamentarifd^en SJlel^rl^eit
nid^t, menn fte in jeber aSorlage ber 93unbe§regierungen,
bie gro^e nationale QkU verfolge, gemiff ermaßen „ein
trojanifc^e^ ^ferb" vermute, in beffen :3nnem eine SJlnjal^l
©erooppneter gegen bie 93urg ber gefamten ©efe^gebung
Ölionö eingeführt merben follte.^) SBenn er ba§ fo ^äufig
gebraud^te 93ilb t)on ©cgila unb ©l^argbbi^ aud^ feinerfeit^
öfter anmenbet/) — er fprid^t fd^on am 24. Dftober 1849
von „ber ©cqtta eine§ mol^ltuenben ©äbelregiment^ unb
ber ®^arqbbi§ ber ;3a!obiner]^errfd^aft, jroifd^en benen bie
preu^ifd^e SSerfaffung mit ^ülfe einer erbüd^en ?ßairie mol^I
am erften glüdlid^ l^inburd^jufegeln l^offen bürfe" — ^) fo
brandet man aUerbingg nid^t anjunel^men, ba§ er ftd^ babei
be§ 3^^ü<J9it^^if^tt^ öuf ben obqffeeifd^en ©agen!rei§ bemüht
geroefen fei. SBol^I aber ift ba§ ber ^aU, menn er ft^
gegen bie aSormürfe SSird^oro^, ba§ er mit ber 9tet)ifion
ber aJlaigefe^e fein eigene^ SBerf mieberum Demid^te, mit
ber aSemerfung t)erteibigt, er treibe burc^au^ ni^t „ba§
©emerbe ber ^enelope", meldte ba§ im Saufe be§ 2^age§
DoHenbete ©emebe nad^t§ roieber l^eimlid^ auflöfte,^) mie er
in äl^nlid^er 2trt fd^on frül^er einmal mit a3ejug auf bie
1) ^olitifdie Dieben \, ©. 384. SBgl. Äe^ferUng II, @. 22.
2) spoat. 9^eben IX, <B. 31. S) Q^^y't^, iv, ©. 337.
4) ebb. X,(S. 436; XII, 236. &) @bb. I, ©. 151. 6) ©bb. XII, ©. 385.
— 73 —
jroedlofe S:ätig!cit ber gtanffurter aSerfammlung fd^ricb,
er müffc artig ju ^aufe ft^en unb „?ßencIope fpielcn".^)
©benfattö l^omerifd^e SRemini^jcnjen liegen vor, romn er
ber „©yiftertj auf ber 93afi§ ber ©partaner" bie im all-
gemeinen bequemere auf ber „a3afi§ ber ^]^äa!en" entgegen?
fe^t/^) mobei er le^tere al§ ©rbteil Heinftaatlid^er aSer?
l^ältniffe in Slnfprud^ nimmt, meldte eine allen fieiftungen
abgeneigte S^rögl^eit erjeugen.
©0 feiert a3i§mardf im Saufe be§ parlamentarifc^en
9tebefampfe§ immer mieber unroillfürlic^ jurüd in ben ©e?
banJenfreig, in bem er fid^ mäl^renb feiner ©d^uljeit burd^
eifrige fieftüre ber l^omerifc^en 3)ic^tungen l^eimifd^ gemad^t
l^atte unb ber bal^er aud^ ol^ne Sttnregung t)on anberer Seite
ganj ungefud^t immer mieber vox feinem geiftigen Sluge
fic^ auftat. SJlit ben Äomöbien be§ 2lriftop^ane§ bagegen
ift er, in bem gried^ifd^en Original roenigftenö, fic^erlic^
nid^t befannt geworben. aSiellei^t l^at er fie in ber meifter^^
l^aften Überfe^ung be§ geiftnollen ;3o]^ann ©uftat) 3)roqfen
!ennen gelernt, obgleid^, menn er einmal t)on „SBolJen?
fufuföl^eim" fprid^t,^) i^m babei miJglid^ermeife auc^ nur
ba§ l^umoriftifd^e ©enrebilb üorf^roebt, ba§ 1859 unter
biefem 2:itel in g^ranffurt am SKain erfd^ien.^)
©e^r niel ergiebiger ift eine 3)urd^fid5t ber 93i§mardfc^en
©riefe, Sieben unb fonfiigen Sinterungen in bejug auf fein
Sßer^ältni^ ju ben flaffifd^en römifd^en Slutoren unb ber
lateinifd^en ©prad^e. ^ft e§ nic^t ebenfo bejeid^nenb für
be§ großen ©taat§manne§ geiftige§ ©runbroefen, mie für
ben ©eift, ber in ber ©prad^e be§ alten 9iom§ jum 2lu§5
brudt fommt, ba§ faum no^ ein anberer beutfd^er Slutor
neuerer Qtxt mirb nac^geroiefen merben fönnen, ber im
1) «riefe an ©erlad^ @. 97. 2) «poIitifd)e Dieben II, ©. 356.
3) ^hb, IX, (S. 238. 4) S8üd)ntann ©. 395.
— 74 —
©xid^cn nad^ einem angemeffenen 2lxi§brud für bie il^m
juftrömenbe %üUt ber @eban!en, um bie il^m augenblidlid^
befonberg mistigen feineren SÄomente ju begeid^nen, fo
^äufig, man möd^te faft fagen, fo gerool^nl^eitömä^ig ftatt
be§ beutfd^en ben lateinifd^en Sttu^brud afe ben treffenberen
unb präjiferen angeroanbt ^ätte? 3)abei l^anbelt e§ fic^
feineöroegg blo§ um SKu^brüde, bie bem ©ebiete be§ ©d^ut
unb Äanjleilatein§ angel^ören, ober um fold^e, bie feil
langer Qtxt ju bem eifemen 93eftanbe unferer miffenfd^aft::
lid^en ^Terminologie gel^ören unb pm 2^eil nod^ al§ ein
Srbteil üon ber ©d^olafti! l^er angefe^en merben bürfen.
Qu bem ©treben nad^ einer 93eftimmt^eit be§ 2tu§brudt§,
bie iebe 9Jli§beutung auöfd^Iie^t, jiel^t 93i§mar(f ben la^
teinifd^en bem beutfd^en aud^ ba Dor, mo ber ©ebrauc^ be§
le^teren bie ©efal^r, bie er üermeiben mill, noc^ !eine§n)eg§
mit fic^ gebrad^t l^aben mürbe. 3)a]^in gel^ören SBorte mie
funditus,^) implicite,^) gradatim,^) obiter,"^) promiscue^)
unb furtim,^) meld^e^ le^te SBort er üielleid^t anroenbet,
meil e§ einen geroiffen 9lebenfinn ^t, ber ftd^ beutfc^ ol^ne
eine gemiffe üerle^enbe ©pi^e gegen feine politifd^en SQ3iber=
fac^er Jaum ptte geben laffen, rotun er ber g^ortf^ritt^^
partei oormirft, fie fei, be§ Äulturfampfe§ fatt, teifö furtim,
teite mit ftiegenben g^al^nen in ba§ fiager be§ 3^^trum§ über^
gegangen, ^ier^er gel^ören femer utiliter,'') nuperrime,®)
novissimum^,) bann femer Sttu^brüde mie ex post/^) ex
nexu/^)in peius/-) in discrimine/^) in natura/*^) in specie/^)
1) ^olitifdie meben IX, <B. 202. 2) @bb. VIII, ©. 351.
3) (§^hb. VIII, @. 60. 4) (§^\i'i^, (g. 494. 5) @()i). XII, ©. 596.
«) ^hh. XII, <B. 316. 7) @bb. X, (S. 102. S) @bb. X, ©. 351.
9) ®ht). XI, <B. 135. 10) (§^\it^, X, @. 32, 308. H) (&ht>, X, @. 400.
12) Q:hh. VI, @. 12. 13) ^ht), VIII, (S. 174. i^) (§:h\>. VIII, @. 153.
15) @bb. VIII, (S. 27, 349.
— 75 —
in concreto/) ex propriis,^) unb ba§ fteuettcd^nifd^e ad
valorem.^) g^emer toerben l^icrl^er ju red^nen fein hiatus,^)
lapsus calami^) unb lapsus linguae^) unb summa dili-
gentia, bie er üerfpred^en fönne,'') unb bie ironifd^e SBen^
bung Don bem „93ebärfni§ ber Siegt erungen diligentiam ju
prdftieren, um i^re aSerantroortlid^feit freijuftetten".®)
3)em ©ebiete be§ eigentlichen ©c^uUatein würben Sffien-
bungen jugeroiefen werben bürfen wie thema probandum^)
unb ad absurdum fül^ren/^) wie benn auc^ bei 93i§ntor(f
gelegentüd^ ber „alte lateinifd^e ©d^ulfo^" figuriert: „Re-
petitio est mater studiorum/^) ebenfo wie ba§ befannte:
„Exceptio firmat regulam".^^) 2lud^ bie g^ormel ber Chrie,
bie el^emate in ben oberen ©qmnafialJIaffen fouiel für beutfc^e
Sttuffä^e üerroertet räurbe, ift il^m bon ba^er noä) geläufig
geblieben: „Cur, quando, quomodo, quibus auxiliis"^^)
ober aud^: „Quid et ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo,
quando ".^^) SJlel^rfad^ fprid^t er von einer terra incognita,^^)
ber man fid^ bei ber Sßorbereitung gefe^geberifc^er ^a^^
regeln gegenüber befinbe. SBeil ber SKuöbrud bei ben
9tömem eine fojufagen ted^nifd^ politifd^e Sebeutung ge^
l^abt unb bal^er be§ üblen 9lebenftnn§ entbel^rt ^t, ben
man in bem entfpred^enben beutfd^en unter Umftänben
möglid^ermeife finben fönnte, bejeid^net er SÄinoritäten al§
leidet novarum rerum cupidae^^) unb fpric^t uon bem ©e^
fd^rei ber rerum novarum cupidi.^'^)
1) ^oIit.9lebenVIII,@.13. 2) @bb. VIII, @. 39. 3) @bb. VIII, @. 26.
4) @bb. IX, @. 35. 5) (iih'ö. VII. @. 268. 6) (Bhh, VI, @. 102, 283.
7) (§^ht>. III, ©. 320. 8) (§:h\>. VII, (S. 384; IX, ©. 424.
9) (^h)), X, @. 350. 10) @bt). VIII, @. 26, 400. H) ®hh, VI, <B. 38.
12) (§iht>, VII, ©. 225. 13) @bb. »riefe an ©crlad^ ©. 296.
1^) @eban!en u. ©rinnerungen, Slnl^anö II, @. 155.
15) ^olit. meben X, ©. 37, 42, 55. i^) Q:bh. X, (5. 412.
17) @eban!en u. ©rinncrungen I, @. 61.
— 76 —
2lttbcte lateinifd^c SQSorte unb Sffienbungcn, für bie e§
ebcnfo gut bcjeic^nenbe bcutfc^e gibt, entlel^nt 93i§tnardf
bem ©ptad^gcbraucä^ ber Äanjleien. @r fprid^t t)on einem
responsum be§ Sleic^§tage§/) Don einer au§ freier ^anb
unb brevi manu nid^t ^erbeijufül^renben @ntf d^eibung, ^)
von einer Sttbweifung a limine,^) von einem ante lineam, —
b. 1^. obenbrein, abgefel^en t)on ben anberen (Steuern — bie
©teuerjal^Ier 93elaftenben^) unb nennt ben 93unbe§Janjler
mit ber Slu^fül^rung eine§ @efe^e§ nod^ in mora befinblic^.^)
Primo loco^) gebrandet er ebenfo mie prima facie'^) im
©inne von „auf ben erften 93li(i" unb entlel^nt ber mifc
tärifd^en ^Terminologie be§ fiebenjel^nten Qal^r^nbert^ bie
SBenbung non „einem ^Beamten, ber von ber prima plana"
iji,^) b. |. jum ©tabe gel^ört unb nid^t, mie jur Q^it ber
geworbenen 2lrmeen bie ©ubaltemoffijiere unb bie ©emeinen,
erft im 83ebarf§f alle jur ©rgänjung be§ üor^anbenen ©tammeö
burd^ SBerbung bef^afft werben mu§. ®d^te§ Äanjleilatein
fmb SBenbungen mie proprio motu,^) ex concluso coUegii/^)
ad separatum/^) meo voto/^) copia vidimata ober copie
figur^e/^) in fidem unb de credulitate/^) 83eric^te ad
Regem ^^) unb nomine Regis^^) fomie ad faciendum.^'^) @ben^
bal^in !önnen aud^ gered^net werben SBenbungen wie mutatis
mutandis/®) rebus sie stantibus/^) expressis verbis-^) unb
1) ^olit. Dieben VIII, ©. 352.
2) (§^h'0. IV, ©. 77. 3) @bb. XI, @. 95. 4) @bt). IX, (5. 394.
5) @bb. IV, ©. 31. 6) ®ht), V, (S. 327.
7) &h. IV, (5. 53, 342, ^olit. »riefe III, ©. 100.
«) ^^olit. mzt>zn X, (S. 419. 9) &t>. JY, ©. 382. lO) (§^ht>, MI, ©. 59.
11) Q^ht), X, (S. 35. 12) Q^ht>, X, (5. 37. i») @bb. X, @. 16.
14) @bb. X, (S. 326. 15) @eban!en unb erinnerungen I, ©. 4.
16) ^olit. Dieben VIII, ©. 290. i7) (§ih\>. X, ©. 267; ^e^n ©. 541.
18) ^olit. Dieben Yh (S. 294. i9) @bb. R, @. 321. 20) @bb. @. 115.
ceteris paribus.^) 33enuanbt mit bem ffan^tcilatetn, in;
fofecii fie loenigftenä ä^ni Seil faen tedinifdjen Stu^brüden
ber 93em)altimfläbef)öi:ticn älterer ^eit lucrben sugejä^Ü
nierben bürfen, er((i)einen ffienbungen mic ipso jure,-) toto
die, beffen et fit^ goiij t)c|oiiber§ t)äufig bebieiit,'') bann
ferner alterum tantuin int Sinne non bQ§ boppeltc,^)
fundns instnictus, °) piibliei juris,") uno actu,") res do-
mestiea,'^) ob causas ci\iles et politicas/') modus vivendi'")
unb in perpetuani rei memoriam.") Snblid) feien t)ier
norf) angefü'^rt bie von i^m ftatt ber entfptei^etiben beiitft^en
gebraudjten Sinäbnide non iiquet^-) nitb luce clarius^^) unb
enb(itf) bie auf baä I)ttmanifttfd)e ^^üalter jurüdge^enbe
gotmet de rebus omnibus et qiübusdam aliis.")
SJlit bem juriftifc^en Stubium I)ot tu Siämnrd, roie
mir Bon i^m felbft miffen, loätirenb feiner ITniDerfitätSseit
nichts nieniser al§ genau genommen unb naif) bem gliiii=
Iid)en 33eftel)en ber Slnöfultatorprüfung, bei ber bemnat^
alierbingä non ben S'anbibaten bama[§ roirflicl) erfcf(tecfenb
roenig oerlnngt morben fein mu|, bunioriftiftl) bem 3irger
barüber Stnsbtuct gegeben, ba§ er in bct einen Söot^e, bie
er ber Sßorbereitung barauf gcroibmet ijatte, uiel ju niel
gelernt, b. (). 5)inge getrieben ^abe, nnd) benen iftn niemanb
fragte, ©igentlid) juriftif^e Oeletirfamfeit ift il)m benn
au^ aüeäeit fremb geblieben, ja er I)Ot eine geroiffe Sinti:
pnt^ie gegen fie unb ii)re Vertreter niemals ganj über=
roinben tonnen. @r meinte gerabeju, it)re bogmatifc^en
1) ¥olit' SHebeii ®. 307. ■) ©bb. X, S. 247; VI, ®. 14.
3) ®bb.]I,®.191;VI, ©.413; VII,©.56;1X,©. 13,329,352,393.
*) ebb. XU, ®. 195. 6) XII, S. 120. fl) ebb. ®. 385.
^ebb. X, ©. 31. 8) ®bl). VII, ®. 171. 9) ebb. XII, ©. 484.
10) ebb. V. ®. 387, 391. ") <gbb. IX, ®. 377. ^ ©bb. VI, S. 176.
'S) ebb.X,S.137. ")ebb.I,®.105;X,301. a3fll.a3flc&manu482.
— 78 —
Steigungen unb bie SSorliebe für 2lu§bilbung eine§ ftreng
logifc^ geglieberten ©qfteni§ l^inberten bie 93eruf§jurifien
l^äufig bem praftifc^en Seben unbefangen entgegenjutreten
unb feinen Slnforberungen ptaftifd^ geregt ju werben, '^x
bie ^eillofe 3^fpi^^^8 ^^^ ^onf(ifte§ jwifc^en Sftegierung
unb 93oIföt)ertretung, ju beut bie eigentlich dou aßen ©eiten
afe fac^Iic^ notroenbig anerfannte unb nad^l^er auc^ fo gldnjenb
bewährte ^eere^reorganifation in ^reu^en ben 2lnla§ gab,
mad^te er befanntlic^ — unb in geroiffer ^infic^t nid^t ganj
mit Unred^t — ben @inf(u§ verantwortlich, ben bie im
2lbgeorbneten^au§ t)er^ältni§mä§ig ftart Dertretenen ^rei^::
rid^ter unb überhaupt ©eruf^juriften auf bie SSerl^anblungen
unb roeiterl^in auf bie Sffial^Iförper ausübten. Sl^nlic^ ^t
er fpäter feinem Äoltegen, bem Äultu^minifter %alt, unb
beffen gelehrten juriftif^en SJlitarbeitem unb Beratern bie
gel^ler ber Äulturtampfgefe^gebung fd^ulb gegeben: ber
93au ber SJlaigefe^e fc^ien i^m fd^üejjlic^ ju fel^r nac^
juriftifc^en 2:]^eorien fonftruiert unb ju menig ben gefd^id^t^
lid^ geworbenen SSerl^ältniffen angepaßt, mit benen afö
gegebenen boc^ nun einmal gerechnet werben muffe. 3)em
entfprec^enb l^at er ftd^ in rein juriftifd^en gtagen eine§
Urtexte aud^ fonft mögüd^ft enthalten unb fte ben g^ac^^
männem überlaffen, bie ba aüein fompetent, bann aber
aud^ t)erantwortIic^ fein foltten. 3)a]^er gel^t ba§, roa§ ftc^
bei i^m an Seweifen t)on juriftifd^er 83ilbung finbet, nid^t
^inau§ über eine 2lnja^l ted^nifd^er Slu^brüdte unb gewiffer,
jum 2:eil ju Slec^t^fprid^wörtern geworbenen ©ä^e unb
^Regeln am bem römifc^en Siedet. ®r fprid^t wo^I de lege
ioronda^'j oon einer lex imperfecta-) unb einer res in-
tc^ra/j ^at no^ eine Sßorftellung oon ber Sebeutung,
1) ^;^olit. meben X, (5. 261. 2) @bb. XII, @. 323.
3) i&bh, VIII, 8. 2G4.
- .79 -
weld^e ba§ römifd^e Siecht bem von jebcr fretnben ^au§5
getoalt unabhängigen pater familias einräumt/) unb fennt
ben 93egrtff be§ peculium^) al§ ben be§ unantaftbaren
@igentum§ foroie ben be§ tempus utile, ^) womit im ©egen^
fa^ ju bem tempus continuum ber 3ßttit:aum begeid^net mirb,
bei beffen 93erec^nung billigerroeife bie 3^itteile nic^t in
Slnfa^ gebracht werben, bie man an ber geric^tlid^en ©eltenb?
mac^ung feinet Sled^tö gel^inbert mar. ®r benu^t in ber
2lrgumentation ben ©egenfa^ jroifd^en cum beneficio in-
ventarii^) unb sine beneficio inventarii^) unb l^ält irgenb
eine facultas substituendi, irgenb eine SJlöglid^feit, fid^
einen aSertreter ju beftellen, für ben Äanjler be§ 9lorb^
beutfd^en 93unbe§ unter allen Umftänben für münfdöen^mert^)
@r l^offt bie bur^ fein ©infd^reiten gegen ben SJlufftanb
2lrabi'Seq§ in Sgqpten gewonnene Stellung werbe ©ngtanb
benfi^en, um al§ negotiorum gestor, b. 1^. afö unbeauftragter,
freiwilliger aSertreter ber europäif^en Qntereffen bie Drb^
nung in ben ägqptifd^en g^inanjen aufred^tjuerl^alten.'^) @r
fprid^t uon einer lis pendens®) unb einem pactum de
contrahendo^) fowie uon einer culpa lata, einer groben
g^al^rläffigfeit, bie bei obligatorifd^en SSerl^ältniffen ben ftraf^
baren dolus nal^eftel^t/^) Erinnerungen au§ ber römifd^en
9ied^t§gefc^icä^te fmb 2lu§brüdte wie capitis deminutio für
bie ©d^mälerung ber bürgerlichen Sled^töf äl^igf eit ^^) unb,
glebae adscriptus für ben an bie ©d^olle ©ebunbenen ^'^)
1) (^b)). VII, (S. 138; IX, (S. 241. 2) @bb. IX, ©. 20, 31.
3) (&ht>. VII, ©. 91, 184, 223. 4) (§ih'0. Ylh ©. 295.
5) Q^h)), VIII, ©. 275. 6) Q:ht>, III, ©. 261.
7) »riefe an ©erlad) ©. 214. &\>. XI, (S. 63.
8) q^rtefe an ©erlad) ©. 371. 9) (§iht). ©. 148.
10) ^olit. Dieben IX, <B. 31. i^ ®bb. III, <B. 238.
12) 0. ^ofdiinger, 5lnfpxad)en, ©. 182.
— 80 —
unb meint, capite census ju fein brüde ben 93ärger.^)
®benba]^in gel^ört e§, wenn et einmal etflätt, merbe ein
l^öl^erer 93eamter jur 3)i§pofition geftettt, fo fei bamit !eine§=
meg^ eine levis nota üerbunben.^) 2luc^ ben S^erminu§
beati possidentes^) mirb man l^ierl^et ted^nen Mnnen, oh
gleid^ fein tömifd^ ted^tüd^er Urfpmng nic^t ftd^er na^^
jumeifen ift.^) ®benfo fielet e§ mit Privilegium odiosum^)
unb societas leonina/) momit im 2lnfd^Iu§ an bie be^
!annte grabet be§ 2lefop uom Söroen unb bem @fel bie
römifd^en Sted^t^gelel^rten einen aSertrag begeid^neten, bei
bem aller ©eminn bem einen 2^eil jufällt, ber anbete
abet allen 9lad^teil auf fid^ ju nel^men ^aU) 2lu§ bem
gleid^en ©ebanfenfteife ftammt bie 2lnn)enbung be§ ©a^e§
„ignorantia legis fc^abet"^) auf biejenigen gtemben, bie
ol^ne Äenntni§ bet bott geltenben ©efe^e in Slu^lanb Det^
feilten, ©igentlid^ fteilid^ tautet et: „juris ignorantiam (im
©egenfa^ jut ignorantia facti) cuique nocere regula est".^)
2lu^ ex bono et aequo ^^) ift tömif d^-ted^tlic^en Utfptungg.
3)utc^au§ geläufig maten 93i§matdE natütlic^ bie dieijtö^
fptid^roöttet, bie aud^ in nid^t jutiftifd^en Steifen gang unb
gäbe ftnb. 93eteit§ bet 93taut gegenübet betuft et fic^ einmal
auf ba§ „fogat in bet atgmöl^nifd^en Quftij geltenbe ©ptid^^
mott: Quivis bonus habetur, donec malus probetur".^^)
Sl^nlid^ üetmettet et gelegentlid^ ba§ „Audiatur et altera
1) ^oUt. kleben VIII, ©. 234.
2) ®hh, VI, (S. 21 ; IX, ©. 158. 3) @t,b. IX, ©. 70.
4) SBgl »üd)ntann a. a. D. @. 391. &) ^olit. Dieben II, ©. 411.
6) (§^bh. I, ©. 110. 7) «üd^mann ©. 382. s) «polit. meben III, <B. 135.
9) S89I. §euntann, SBötterbud^ gu ben Oueöen be§ römtfd^en
9ied^t§, 7. 2lufl., s. V.
10) «poUt. Dieben VIII, (5. 95.
11) »riefe an bie »rant u. ©attin ©. 33.
— 81 —
pars"^) uttb in beutfd^er Raffung ben @a^: „^6i)ltaUn
bürfen nid^t obtrubiert werben",^ fowie begreif lid^erroeife
öfter „Ultra posse nemo obligatur^ ober tenetur"^) unb
„Volenti non fit injuria"^) unb fprid^t aud^ t)Ott einer
„do ut des ^olitif".^) ^ierl^er gel^ört enblid^ ber juriftifd^e
@rfal^rung§fa^ non bem „tertius gaudens" ober ben „tertii
gaudentes duobus litigantibus" '') nnb ba§ ciceronianifd^e
„Summum jus summa injuria".®)
SQBenn er fid^ aber einmal auf ba§ „qui tacet, consentire
videtur" bemft,^) fo n)irb er ro6i)l faum gewn^t l^aben,
ba§ e§ auf bie Stutorität ^apft öonifaj^ Vm. jnrüdEge^t/o)
unb nielleid^t l^at er aud^ mit bem ©ebraud^ be§ 2tu§brudE§
advocatus diaboli^^) nur unmiffentlid^ ba§ ©ebiet be§ fanoni::
fd^en 9ied^te§ betreten. 3)iefem entlel^nt er ben junfid^ft im un^^
eigentlid^en ©inn gebraud^ten 2tu§brudE non einer 2tppeHation
a male informato ad melius informandum (nämlid^ papam),^^
ben er bann im öeginn be§ Äultur!ampfe§ aud^ in feiner
mörtüd^en Söebeutung anjumenben 2tnla§ ^atte. ®iefer l^at
begreiflid^ermeife feinen ©prad^fd^a^ an fojufagen ted^nifd^en
2tu§brüdEen be§ Äird^enred^t§ aud^ fonft bereid^ert, wie j. 93.
tolerari posse/^ ba§ er auc^ in übertragenem ©inn jur
öejeid^nung ber 2lnfid^t gebrandet meldte bie Haltung be§
2tu§Ianb§ gegenüber ber neu gefd^affenen SJlad^t ©eutfd^^
1) ^olit. meben VII, ©. 65. 2) (^f^t^, i (g. 141.
3) @bb. II, @. 31; IV, @. 253. ^) @bb. VII, @. 18.
5) ®bb. XI, (5. 214.
«) ®bb. X, @. 292, 295, 296, 413. ^%l S8ürf)ttiann ©. 618, 19.
7) ^olit. fReben XII, ©. 78, 84, 399.
8) ^olit. fReben I, @. 30. ^gl. Cicero de officüs I, <5. 10.
9) ^olit. fReben VI, ©. 159. lO) «8ürf)ttiann @. 480.
11) ^olit. fReben VI, ©. 202. 1^) ®bb. I, ©. 166; VI, ©. 400.
13) @bb. VIII, @. 292; XI, @. 420; XII, ©. 29, 420.
$ru^^ SBtSmardiS SBtIbung. 6
— 82 —
lanbS befttmmt/) unb ad audiendum verbum (nämlid^ be§
^apfte§) feitcnS ber nad^ 9lom befd^iebcnen ^rälaten, mit
bencn er fid^ üergleid^t infolge be§ an il^n gerid^teten SBer^
langend, ben SBer^nblungen ber SReid^^tag^fornmiffionen bei=
iVLVDO^mxir) ^n äl^nlid^ übertragenem ©inne brandet er
bie Söejeid^nung „ex cathedra ergangen" oon einer ol^ne
bie fiebere Orunblage auSreid^enber ©rfal^rungen oom grünen
%i\6) au§ getroffenen öeftimmnng, roeld^e bnrd^ bie nad^träg^
lid^ gemad^ten ©rfa^mngen forrigiert wirb, nnb roenbet ba§
2lttribnt „in partibus infidelium" an anf einen Diplomaten,
ber nid^t in eigentlid^ offijietter gorm beglaubigt ift unb
beffen ©rllärungen für feine ^Regierungen bal^er nid^t ol^ne
weitere^ oerbinblic^ fmb.^
übrigens ^tte 93i§mardE fd^on längft, namentlid^ im
(Segenfa^ ju bem SRunbfd^auer ber Äreujjeitung, SubmigS
oon ©ertad^, bem 93ruber be§ ©enerate, meld^er au§ feinen
allen ^od^Iird^Iid^en eigenen ©^mpatl^ien für bie fat^olifd^e
Äird^e lein ^el^I mad^te, in ber „ecclesia militans" einen
„unjroeifel^aften f^einb" gefeiten, „ber ^reu^en bis auf bie
©yiftenj felbft als fe^erifd^en SJlipraud^ befämpfe"/) unb
fie als fotd^eu bem ©eneral gegenüber in einem leibenfd^aft^
Kd^en @rgu§ feiner gut proteftantifd^en unb gut preu^ifd^en
Überjeugung mit unbarm^erjigen SSBorten gefennjeid^net.^)
^äl^renb beS ÄuIturfampfeS gebrandet er ^ufig SBenbungen,
bie jur 3^it ^^^ oatifanifd^en ^onjilS unb beS Kampfes
um bie SSerlünbigung ber päpftlid^en Unfel^lbarleit roeitl^in
in 2tufnat)me famen, aud^ in einem anberen als bem
il^nen eigenttid^ innerool^nenben tl^eologifd^en ober fird^en^
1) ©ebanfen unb ©rinnerungen II, ©. 176.
2) ^olxt fReben X, ©. 415. ^%l oben @. 48.
3) @bb. VII, @. 260.
4) «riefe an ©erlarf) ©. 108. ^) @bb. ©. 122.
— 83 -
red^tlid^en ©inne. @r fprid^t in politifd^cn Singen t)on
einem „sacrificum intellectus" ^) unb erllärt gegenüber bem
ablel^nenben SBotum be§ 9leic^§tag§ auf eine non ü)m vertretene
aSorlage nid^t ol^ne Qronie „laudabiliter me subjicio".'^)
SÖSenn er jur ßeit, ba ber Äulturfampf am l^eftigften
entbrannte, bem ©rafen örül^I mit fc^neibenber ©d^ärfe
norl^ält, bie jefuitifc^en Seigren gipfelten in bem ©a^e:
„Tyrannum occidere licet",^) fo barf baju baran erinnert
werben, ba§ biefer ©a^ bereite im Qal^re 1407 nad^ ber
©rmorbiing be§ ^erjogS Submig t)on Orleans, beren no=
torifd^er Urheber, fein perfönlid^er unb politifd^er ©egner
Qoljann t)on 93urgunb, eben um biefer S^at mitten t)on ben
^arifem al§ ^Befreier gefeiert mürbe, t)on bem franjöfifd^en
©eiftlid^en <3ean ^etit aufgeftettt, auSfül^rlic^ begrünbet unb
am 8. 3Äärj 1408 in feierlid^er SBerfammlung t)or ben
®ro§en be^ franjöfifd^en 9leid^e§ ©erteibigt morben ift, aud^
auf bem Äonftanjer Äonjil umftdnblid^e SBerl^anblungen t)er^
anlaßt I|at. 2tn bie 2luflöfung ber ©efettfd^aft Qefu burc^
^apft ®Iemen§ XIV. im ^oi)xz 1773 fnüpft ber von 93ig^
mardf gebraud^te ©a^ an: „Sint, ut sunt, aut non sint"/)
mit bem befanntlid^ ber bamalige Drben^general jebe Sleform
be§ Drben§ äurüdfgeroiefen l^aben fott.
3)e§ großen beutfd^en ©taat§manne§ SBorliebe für bie
fd^arfe 2tu§prägung be§ ®ebanfen§ im lateinifd^en 2Iu§brudf
unb ber reid^e Söefi^ an SBenbungen ber 2lrt, ben er fid^
auf ber ©d^ule ermorben unb bann von ©erfd^iebenen ©eiten
l^er bauemb t)ermet)rt l^atte, offenbaren fid^ aud^ in bem
l^äufigen ©ebraud^ lateinifd^er SÖSörter unb SSBenbungen, bie
feinem befonberen SSBiffen^gebiete eigentümlid^ jugel^ören unb
afö ed^te geflügelte SQBorte unter ben oerfd^iebenften Um^
1) ^olit dizhm XII, @. 344, 396. 2) @bb. XI, @. 92.
3) @bb. VI, <B. 265. 4) @bb. V, @. 233.
6*
— 84 —
ftänben angewanbt werben Wnnen. @inb ntand^e von i^neit
über^upt nid^t fidler auf eine beftimmte Duette äurücfju^
fül^ren ober in ber Erinnerung an äl^nlid^e, bie er einft
gelefen unb gehört l^atte ober bie il^m fonft äufättig auf^
geflogen waren, oielleid^t oon i^m felbft erft in bem SCugen^
bltd, voo er fte brandete, mit glücflic^em Xatt formuliert
TOorben, fo geben bod^ gerabe fie namentlich feinen Sieben
gelegentlich ein ganj befonbereS ©epräge unb laffen un§
ftet§ oon neuem erfennen, wie er oon ber l^umaniftifd^en
©runblage feinet 3)enfen§ nid^t Io§!ommen fonnte, ja nid^t
lo^fommen wottte, oielmel^r mit einer 2lrt oon SSel^agen
immer mieber barauf jurildfgriff. @r fprid^t oon ber „iners
moles" berer, bie aud^ mit Sexten unb ©d^ieben jum
aWittun bei ber Sleform ber SReid^Sfinaujen nid^t ju
bewegen fmb, obgleid^ fie babei ju l^elfen berufen mären/)
meint fc^erjenb, feiner mirtfd^aftlic^en 93eftrebungen wegen
müßten i^n bie ©ojialbemofraten eigentlid^ al§ ein membrum
praecipuum anfe^en,^ bel^auptet, ber Sanbwirt fei ba^
corpus vile, an bem bie Ferren ©täbter experimentieren
ju bilrfen glauben/) unb erinnert ftd^, wie il^m afö juriftifc^em
9leuling, ate ganj grünem 2tu§fuItator, oon einem unfäl^igen
Siate bie erften ©jperimente in ber Slid^terrotte in ®^e-
fc^eibung^fad^en gleic^fam wie in corpore vili ju machen
ttberlaffen worben fei/) 2tud^ (Serlad^ gegenüber gebrandet
er bie befannte SQBenbung: „Fiat experimentum in corpore
vili"/) aSon einer il^m unbelannt gebliebenen SSerfttgung,
bie SBinbtl^orftS ©pürfmn in bem „SSerorbnung^blatt für
©Ifa^^Sot^ringen" glüdlid^ aufgeftöbert l^atte unb i^m in
ber Debatte überrafd^enb oorl^ielt/) fprid^t er ate einem
1) @bb. VII, ©. 30. 2) X, ©. 131. 3) @bb. X, ©. 485.
^) ®eban!en unb ©rinnerungen I, @. 6.
^) Söriefe an ©erlarf) ©. 13. «) ^olit. fReben VI, @. 30.
— 85 —
^novnm repertum". 5Wad^ breiunbjroanjigia^riger ©rfal^rung
unb „re bene gesta" meint er ein nta^gebenbeS Urteil be^
anfprud^en ju Wnnen barüber, wie üiele 93eamte ju einer
orbentlid^en ©efd^äft^fül^rung unentbel^rlid^ fmb.^) SBielmel^r
afö ba§ neue 9leic^ fd^eint il^m infolge be§ ©onbergefül^fö
ber beutfd^en ©tämme ben ®eutfc^en ba§ ^artifularftaats^
benjuJBtfein „in succum et sanguinem" übergegangen ju fein.^)
®ie il^m oielfad^ nad^gefagte SBerbinbung mit f^erbinanb
Saffatte oerlad^t er afö eine jeber tatfäc^Iid^en öegrünbung
entbel^renbe ©rfinbung „in usum einfältiger Seute".^) 8Ba§
er 1867 non bem @inf(u§ ber polnifd^en (Seiftlid^feit auf
bie SBal^Ien in ©rfal^rung gebrad^t l^at, teid^t l^in, um ^^ex
nngue leonem ju erfennen".^) SBon einem glttdf liefen Qn^
faU fomo^I mie non einem gteunbfd^aft^bienft fprid^t er
lateinifd^ ate einem cusus pro amico.^) @r meint, in ber
^olitit muffe man ftet§ mit ber vis major rec^nen^) unb
unterfd^eibet einen locus minoris resistentiae, ber ebenfalls
in öetrad^t gejogen werben müffe.'^) Qn befonberS emfter
©tunbe, mäl^renb be§ ^onflifteS mit bem Äronprinjen,
mamt er feinen mäd^tig erregten Äönig einbringlid^ oor
jebem @ntfd^Iu§ ab irato/) mie er aud^ mei^, ba§ in
fold^er ©timmung auf ^erauSforberungen gegebene 2Int=
morten ben 2:on ber parlamentarifd^en Debatte ju vergiften
geeignet fmb.^) 3Jlit bem furor teutonicus, ber nad^ feinen
93eobac^tungen aud^ in ben 93eratungen be§ Sleid^StagS fid^
1) ^oUtifd^e Dieben X, ©. 328.
2) ®bb. VI, ©. 297. «0l. Söüd^ttiann, @. 422.
3) ^olxt. meben VII, @. 256. ^) @bb. III, ©. 201.
5) ®bb. VIII, @. 336; XI, ©. 252.
®) ©ebanfen unb ©rinnerungen I, ©. 61.
7) r>. ^ofdiinger, 5lnfprad^en, ©. 170. ^) 33ö(. ©. 49.
«) ^olit. meben VII, ©. 147.
— 86 —
gelegcntlid^ betätigt, obgleid) er ba nid^t am ^la^ unb oft
red^t unbequem ift l^offt er, merbe fein g^einb tDagen e§
aufjunel^men.^)
SleminiSjenjen an feine einfüge lateinifd^e Seitüre ftnb
bann neben bem lanbläufigen „primus inter pares"^) bie
2luffd^iebung einer ©ad^e „ad kalendas graecas",^) ber
„deus ex machina"/) ber Jupiter tonans^) unb ba§ ciceronia^:
nifd^e „otium cum deginitate",^) fowie ba§ taciteifd^e sine
ira et studio.'^) ^ierl^er wären femer ju red^nen %x^^
brüdfe wie ba§ auf Sit)iu§ jurüdfgel^enbe periculum in mora,^
pretium äff ectionis, ^) unb wenn ej: fprid^t uon bem punctum
saliens/^) uon einer curia posterior^^) unb einem argu-
mentum ad hominem.^^ @r gebrandet SQBenbungen wie
per fas et nefas/^) bona fide^^) unb tabula rasa^^) unb
fprid^t uon ber salus publica, bereu @efe^ it)n bel^errfd^e.^^)
öefd^Iüffen be§ 9leid^§tag§ gegenüber, mögen fte feinen
aSorlagen juftimmenb au§faUen ober fie ablel^nen, ift er
ad utrumque paratus^^) unb will gewiffe 3)inge cum grano
salis bejubelt fe^en.^^) 5BBenn er fid^ be§ oon ber römifd^en
^urie fo oft gebraud^ten „non possumus" bebient,^^) l^at
er gewi§ oon feiner möglid^en Verleitung oon einem bibüfd^en
1) ^olit. fReben XII, ©. 472. SBgt. o. ^ofrf)xn0er, 3lnfprarf)ett
191 u. S)ei)n 291.
2) ^olit. fReben III, @. 251.
3) @bb. I, ©. 212; VI, (5. 20, 315; XI, @. 169.
^) (§ihh. VII, (S. 379. 5) ©ebanfen unb ©rinnerurtöen I, <5. 67.
6) ^olxt. 9^eben X, @. 248. 7) (gbb. VI, @. 132; IX, ©. 37.
«) IV, @. 164. W' S3üd|ttiantt @. 452. 9) ®bb. VIII, <B. 110.
10) @bb. IV, @. 26, 272. H) @bb. XII, @. 87.
12) @bb. VII, @. 250; VIII, ©. 33. i») ®bb. ©. 1, 180.
1^) ®bb. IV, <B. 7. 15) ®bb. I, ©. 157; II, ©. 30, 35.
16) ®bb. VIII, ©. 328; IX, ©. 168. i7) @bb. X, @. 408.
18) ®bb. X, ©. 82. 19) @bb. ©. 302.
9[ii§bniii (9(pofieIsefi^icf)te (4, 33. 20) feine ffctintniä. ©benfo
roitb il)m haä nielgeStou^te „viribus unitis",') roeIcf)Eä
fiaifev granj 3ofepI) uon Cfterreirf) burd) bie „Slüerftöc^fte
©ntfc^Iiefeung" nom 12. gefiniat 1848 q1§ ^Ißatole für bie
3iitunft feiner Staaten nulgatt, feinem erfteit ^otfommen
nat^ pieKeic^t iamn gegemoartig geraefen fein, aiudj luirb
man sroeifeln bürfen, ob bet fpäter&in oon il)m in ben
foäialpolitifc^en Debatten oft angemanbte 9tii§briiii non bet
„mieera pleba contribuens""'} loirfltcf) auf bie bafür an=
genommene ungatifd)e Queüe äurürfgefit'') ober nid]t ütel=
inel)r mit feinen Iiorasifdicn (ärinnetungen in Sßerbinbung
ju bringen ift.^}
Seljr gro§ ift bie Qai)i bet ©entengen, ©prid)HJörfer
unb fptii^roöttlit^en ^ieben^arten in lateinifi^et ©pra(i^e
unb römifc^en Utfprnngö, benen roic in Säiämardä Seben
begegnen. 3)ie ©d)IagfertigEeit, bie er in i^rem ©ebraui^e
beroetft, unb bie 3(rt, icie et iftnen im ^luffe bet 9tebe
ge(egenttid) eine befonbere 'rßebeutung unterlegt, bie von ber
geroö^nlic^ bamit oetbnnbenen abrocic^t, (egen 3™9iii§ ab
ton ber au6erorbentIid}en ©ic^er^eit, mit ber er andj biefeS
Oebiet be^ertfc^te, foroeit e§ »on bem gerabe be^anbetten
©egenftanb entfernt f,u fein fdjeint. ^i^eilid) roirb il)m bie
§er!unft biefer fo mirffam »errocnbetcn Sdjlagroorte im
Stugenblide i^teä ©ebtauctieS nur auSna^mäioeife gegen=
inartig geraefen fein: für geroö£)nlti^ greift er babei in
glürfli^er Sinp^^oüifation in ben reid)en ©d)a^ ber ge:;
ffügelten Sffiotte, raeldieu ba§ beutfdje fßolt in ber non i^m
burt^meffenen langen Sdjutung burd) ba§ tömifdje @eifteä=
leben auä beffen ®enfmä(ern entnommen unb fic^ ju eigen
gemocht ^at. So bejeit^net aud) et einen möglidjerraeife
1) ^olit. SReben IV, ©. 210. ^ ®bb. VI, S. 271.
3) SBüc^raann ®. 492. *) SßflL §otaj Satiren I, «, Kl.
— 88 —
brol^enben 3)lontent briitgenbfter Oefal^r mit „Hannibal ante
portas"^) in ber üblid^ geworbenen unrid^tigen gorm ftatl
ad portas,^ unb boS l^artnädige Söel^arren bei einer 2Infid^t
unb beren immer erneute^ SBorbringen anc^ bei unpaffenben
©elegenl^eiten burd^ ba§ fatonifd^e „ceterum censeo".^)
2ll§ ^einrid^ oon ©agern bie 3)arlegnng feiner abweid^enben
|)oIitifd^en 2tnfid^ten mit geringfd^ä^igem ©d^meigen beant^
mortete unb e§ für unter feiner 833ürbe ju l^alten fc^ien,
fic^ auf eine 3)i§fuffion barüber einjulaffen, erfc^ien er 93i§^
mardE noc^ in ber ©rinnerung mie eine SBerförperung be§
„Roma locuta est".^) 3)a§ bie§ oft gebraud^te ©d^Iagroort
auf ben Äirc^enoater 2tuguftinu§ jurfidfgel^t^) bürfte i^m
babei freiließ nid^t gegenwärtig geroefen fein. 3)en Äaifer
f^erbinanb 1. (1550—1564) jugefd^riebenen SÖSa^Ifpruc^ :
„Fiat justitia et pereat mundus"^) oariiert er in einer
bitteren ^riti! ber bie öffentlid^e SBBol^Ifal^rt fd^äbigenben
politifc^en SSerbiffenl^eit ber Parteien ironifd^ in ben 9luf:
„Vivat fractio, pereat mundus".'') 3)a§ befannte „variatio
delectat®) (rid^tiger varietas delectat), mie römifd^e 2lutoren
ein aSBort be§ @uripibe§ gefaxt ^aben, gebraucht er ge^
legentlic^ aud^ in ber freien beutfd^en Oberfe^ung: „Slb^
med^flung ift bie ©eele be§ Seben^".^) 3)a§ befannte „bis
dat, qui cito dat"^^) menbet er fo an, ba§ er fagt: „qui
non cito dat", ber fd^öbigt unfere gange aSolföwol^Ifa^rt in
l^ol^em Orabe.^^) 3)a§ unferm „©c^ufter bleib bei beinem
1) ^olit. fReben XII, @. 212. 2) $8ürf)ttiann ©. 419.
3) ^olit. fReben IV, @. 255
^) ©ebanfen unb ©rinnerungen I, @. 67. ^) ^ürf)ttiann ©. 476.
6) ®bb. @. 562. 7) spolit. fReben X, @. 133.
8) @bb. X, @. 484.
9) «riefe an bie Söraut u. ©atttn @. 436. Sögl. «8ürf)ttiann ©. 390.
^0) ^olit. Dieben V, @. 108. n) (§ihh. VIII, @. 32.
— 89 —
Seiften" entfprec^enbe lateinifc^e „ne sutor ultra crepidam" ^)
jitiert aud^ er mit bem unrid^tigen, aber allgemein üblichen
ultra ftatt supra.^) ^äufig begegnen mir bei i^m he^
greiflid^ermeife ber SWal^nung „principiis obsta"^) t)on
mel(^er bie meiften, bie fid^ il^rer bebienen, fo menig mie
er fid^ erinnern merben, ba§ fie urfprünglid^ von Dt)ib in
bejug auf bie Siebe gebrandet morben ift bie fic^ nur in
il^ren 2lnfängen erfolgreid^ beMmpfen laffe.*) SBBieberl^olt
gibt er feinen politifd^en (Segnem fd^ulb, im Kampfe gegen
i^n nac^ ber Siegel ju ^anbeln: „Calmuniare audacter,
semper aliquid haeret".^) 3)en ©ojialiften mad^t er pm
aSormurf, ben befi^enben Älaffen gegenüber ©erfül^ren jte
nad^ bem ©runbfa^ : „Divide et impera",^) ber Submig XI.
t)on granfreid^ (1463—1483) ben roiberfpenftigen ®ro§en
feinet Sanbe^ gegenüber geleitet l^aben foU.'^) Qu biefelbe
©ruppe 93i§mardE geläufiger lateinifd^er ©entenjen gepren
nod^ „de mortuis nil nisi bene";®) „vox populi, vox
Dei"^) unb ba§ boc^ mo^l ftd^er auf c^riftlid^en Urfprung
jurücfjufüljrenbe „mors janua vitae".^^) 2lud^ „nomina
sunt odiosa" gel^ört ^ierl^er.^^) Seopolb t)on ©erlad^ gegen^
über beruft er fxd^ einmal auf ben feiner ^erlunft nad^
nic^t nad^mei^baren ©runbfa^ „quod ab initio vitiosum,
lapsu temporis convalescere nequit".^'^) ©elegentlid^ nimmt
er aud^ öegug auf ba§ angeblid^ t)on ^aifer Sotl^ar I.
1) ^olit. Dieben XII, <B. 320. 2) «öüd^mann @. 497, 98.
3) ^olit. Dieben III, ©. 390; IV, @. 117; V, <5. 300.
4) «üd^mann ©. 454.
5) ^oUt. Dieben VIII, <B. 116; X, @. 355. «riefe an ®erla^
©. 111.
6) ^olit. Dieben XI, (5. 31. 7) «öüd^mann @. 519.
8) ^olit. Dieben X, <B. 15, 22. 9) @bb. I, @. 130.
10) @bb. IV, (S. 326. 11) @bb. VIII, @. 256.
12) Söxiefe an ®erla^ @. 327.
— 90 —
(795 — 855) ftammenbe SDBort: „Tempora mutantur, nos et
mutamur in illis".^) 2)em Slbgcorbnetcn Slidert mad^t er
einmal in ber S)ebatte ben aSorrourf, ju feiner Oberrafd^ung
ftel^e er auf bem öoben be§ „si fecisti, nega".^) 9ta4
bem ©prud^ „fata trahunt", ben er in „officium trahit"
variiert verlangt er in betreff ber ^eranjie-^ung ju ben
Seiftungen für bie aSoIföfc^uIe eine flare gefe^Iid^e ^Regelung,
roeld^e bie aSerteilung ber Saften unabl^ängig mad^t von
ber größeren unb geringeren 93ittigfeit be^ jebe^mafigen
Äultu^ntinifter^,^) ber burd^ feinen 2tmt§eifer bod^ leidet ju
Ungered^tigfeiten verleitet werben fönne. ^n ba§ ,,@ebenl^
bud^ be§ Krieges 1870—71 unb bie 9lufrid^tung be§ beutfd^en
9leid^e§" (9tümberg, ©olbau 1873) jeid^nete er ben ©prud^
ein: „Fert unda nee regitur*'^)
2tuc^ lateinifd^e ©prüd^e nid^t röntifd^en Urfprung§
mac^t er fic^ mit üielem ©lüdE ju eigen, mie 5. 93. bie ^n^
fd^rift, meldte bie alten franjöfifd^en ©efd^ü^e trugen: „Nee
pluribus impar"^) unb: „Vexilla regis prodeunt", ba§
angeblid^ auf polnifd^en 93raud^ jurüdEgel^t.^) SDBäl^renb er
einft im 93eginn ber ftaat^männifd^en Saufbal^n, bie fic^
ungefud^t vox il^m auftat unb in bie er ol^ne grojse ©r?
Wartungen unb ol^ne eigentlid^en S^rgeij eintrat, Seopolb
t)on ©erlad^ gegenüber offen befannte, er fei nid^t ein leiben?
fd^aftlidf)er2ln]^änger ber3)et)ife „aliis serviendo consumor",'^)
burfte er fpäter mit 9led^t oon fid^ fagen „patriae inserviendo
consumor".®)
1) ^olit. Sieben VI, @. 70 ; XII, ©. 334. «gl. «ürf)ttiann @. 556.
2) ^oUt. fReben X, ©. 269.
3) @bb. XII, ©. 325. 4) «öigmarcf 3ai)rbud^ III, @. 394.
5) V. ^ofd^inger, ^olit. «Hnfprad^en ©. 323.
6) ^olit. meben IV, ©. 116; XI, @. 433.
7) Söriefe an ®erla^ <5. 41. s) ?poat. meben VIII, @. 250.
— 91 —
SBirb e§ bei ber 2)ie^räat)[ bet f)tcr iufanimensefteUtcu
lateiitilc^cn 3itate, mie fie fid) iminentüd) in feinen 3}eben
ftnben, äroeifell)aft bleiben, ob SiämatcE, iiibem er fie
gebrani^te, fid) i^rer ^ctfunft itnb beä Sufamntenliangeg
beraubt mar, in ben fie eigentlirfj geböten, Ijat er uielmeljc
roo^l bie meiften geroiffetmaBen olä Formeln ober Sigleii
benutzt, bie feinem ©ebanten befonber§ treffenb unb mx-
ftänbtic^er 3iu§brurf gaben, afö er ba§ oiigenblictlid) in
fetner SJhittecfpradje geEonnt Ijätte, fo roar it)m bod) and)
noc^ au§ bet Seftiire ber rÖmifd)en ®id)ter auf bec (B(^ule
manche ©teile fo feft im ©ebäi^tniä geblieben, ba§ fie i!)m
im 5euer ber Siebe ungefud)t auf bie Sippen lam, nament:
li^ natürtii^, loo el fid) um füld)e fianbette, bie überhaupt
bäuftg angefüt)rt roerben unb ju geflögelten SSorten ge=
roorben finb. Sä entfpridjt ber @rünbli(^feit, mit ber er
ftd) einft mit ben Sidjtungen be§ §otaj befc^Öftigt ^at,^)
ba§ er babei befonberS ^ufig gerabe auf biefe äurütJgreift.
So rebet er non bem ..profannm vul^us" (Oben III, 1, 1),-)
jitiert ,.post equitera sedet atra cura" (Oben HI, 1, 40),'')
nennt feinen fioHegen, ben j^nanäminifter, einen ,.\Tr tenax
propositi" (Oben IE, 3, !),■•) bellogt ben „civiura ardor
prava jubentinm" (Oben III. 3, 2)/') unb finbet fic^ mit
ber Slbk^nung einer Sßorlage be^ 9iei^§tage§ gebulbig ab,
inbem er fie nic^t fo tragifd) nimmt, al§ ..si fractus
illabatur orbis" (Oben 1!I, 3, 7).") 5E)ie ^Blamage, roeldje
na{^ feiner Sluffaffung ber gortf^rittgpartei in i()ren ^ox-
^erfagungen unb in i[)rer patriotifdjen Haltung begegnet ift,
fi^offt für iE|n tein 9iabiergummi fort, fie ift ,.aere percnnius"
1) ©bI. @. 15. 3) qjotit. SKeben lÜ, ©. 370.
3) ebb. VII, s. 419. *) ebb. xii, s. 301.
») Ebb. V, @. 330; X, ©. 270. «) ®bb. X,
— 92 —
(Oben m, 30, 1).^) 2)ic ^errfd^aft ber SRebner in ftaafc
lid^en unb ftäbtifc^en 2tngclcgcnl^citen berul^t nac^ feiner
2tnftc^t weniger in il^rem SSermögen, bie ^örer ju über?
jeugen, afe in ber ©c^eu biefer, fid^, inbem fie ben 3Jlunb
bagegen auftun, einer öffentlichen 3^^ß^tn)eifung burd^ fie
au^jufe^en: fie fd^weigen „metuentes verbera linguae, n)ie
e§ im ^oraj ^ei§t" (Oben in, 12, 23).2) Slad^ bem aSor^
gange be§ römifc^en S)id^ter§ fprid^t er non bemjenigen,
ber im ©d^meijse feine§ 2tngefid^te§ paterna rura bearbeitet
(Spoben 2, 1),^) eifert aud^ auf politifd^em ©ebiete gegen
ba§ ©d^mören „in verba magistri" (©pifteln I, 1, 14)'^)
unb fennt eine Älaffe t)on Seuteh, bie nur „fruges consumere
nati" (©pifteln I, 1, 27) ju fein fd^einen.^) @benfaU§ au§
^oraj entlel^nt er „vestigia terrent" (Spifteln I, 1, 74)^)
foroie: „peccatur intra muros et extra" (Spifteln I, 2, 16).'^)
Sine öefferung be§ l^eftigen %om§, ber, mie er flagt, burd^ ba§
3entrum unb namentlid^ ben 2Ibgeorbneten t)on ©d^orlemer in
ben parlamentarifd^en Debatten jur ^errfd^aft gebrad^t morben
ift, magt er nid^t ju l^offen im ^inblidE auf ba§ ^oragifc^e
„naturam furca expellas" (Spifteln I, 10, 24),®) voo e§ bann
weiter l^ei^t „tarnen usque recurret". 3)en gleid^en ®e^
banfen brüdtt er ein anbere^ 3Äal^) etma^ mobifijiert beutfd^
au§ mit ben SDBorten: „2)ie Suft änbert bie 2tnfic^ten, bie
SJleinungen, aud^ bie Seibenfd^aften nid^t", in (Erinnerung
an ba^ SSBort be§ ^oraj: „Caelum, non animum mutant,
qui trans mare curmnt" (@pifte(n 1, 11, 29). 2)a§ ^orajifd^e
1) ^olxt. 9^eben X, ©. 126. 2) @bb. IX, @. 55.
3) @bb. VIII, (S. 19.
4) @bb. VII, (5. 143; IX, ©. 139; XI, ©. 104.
ö) @bb. V, @. 308; IX, ©. 77, 231; X, @, 370.
6) @bb. X, (5. 275. 7) @bb. VIII, @. 337; X, @. 207.
8) @bb. VII, (S. 148. 9) ^hh. VI, ©. 170.
„Quidquid dclirant reges, plcctuntur Achivi'' (Satiren II,
2, 13) inenbet et in feinem legten 3:eil auc^ an auf bie
Slai^teile, rodele tem bentfc(|en 33oIte aü§ bei Sltileljnung
ber Sßortagra bev 9teicf)§tegierung butc^ ben Sieit^sitas er:=
n)Q(^fcn.M
Stuc^ flu^ bet ©efdjnftigung mit ^BergiUusi fmb non
feinet S^utjeit ^et SSi^matd Stellen au§ beffcn SBetfen
in ©rinnetung geblieben, bie foitft nid)t gerabe ju ben
geflügelten Söorten getjüten. 3luf bie tielen fd)roeten bireften
unb inbiteften Sßonoürfe äu antmotten, bie, roie et fagt, bet
SIbgeotbnete ®itgen Süi^tct gegen fein ganjeä Sßotleben ju
ergeben einmal fiic gut fanb, erflätt et nii^t bie ^eit unb
ni(^t ben Sltem m ^aben, inbem er eine befannte ©teile
aus be§ römifc^en ^oeten §ittengebi(^ten (gelogen 1, 16)
obänbett in ,.Deus nobis liaec otia non fecit"."^) 33a§
betannte „Latet anguis in herba" (gelogen 3, 93) fö^tt
auc^ et mit bem ©etmaniSmuä sub berba an.^) ^n einem
S5riefe an ©erloc^*) gebraust er ba§ ^.Arcadea ambo" au§
einem SSergilift^en ^irtengebic^te (gelogen 7, 4). SBenn er
baS betannte bto^enbc ,.Quoa ogo" (Sleneiä 1, 135), mit
bem 3ieptun bie tofenben 3Binbe beft^roic^tigt, gelegentlid)
aniuenbet,^) tann er ba§ mo^l auc^ roie mit jebem anbeni
geflügelten 9Bort tun, oline fid) bet betteffenben Stelle bei
SSergit in i^rem äwffinmenl^ange ju erinnern, ebenfo roie
bei bem fo ^äufig aTigefül)tten „Diseite moniti",") in ba§
et ben oft jitierten Sßergilifc^en SßerS: „Discite justiciam
moniti et non temnere divos" (5!tenei§ I, 620) gufammenj
iiet)t. 9lud) fonft finben fid) bei i^m aSergilif^e SfteminiS:
'] fnlit iRehen IIl, S. 136; X, S. &3, 303.
^ e6b. X], S. 93. 5) ebb. X. S. 202; XI, S. 254.
*) SBriefe an &nlttd) S. 301. s) ^olit. fReben VII, S. 102, 267.
«) ©bb, \TI, S. 268.
— 94 -
jenjen. 2Iu§ ber ©inleitung jur 2tenei§ j. 93. tDenbct er
ba§ befannte „Quantae molis erat Romanam condere
gentem" (2tenei§ I, 33) an auf bie SJlül^e, bie i^n bic
©rl^altung guter SSegiel^ungeu jum 2tu§Iaube tDäl^renb ber
25 Qal^re feiueS aWinifteriunt^ gefoftet -^at, uub wirft ein-
mal bem gteil^erm t)on ^ertling bei einer 2lnfpielung auf
ältere SSorgänge ba§ SDBort be§ 2tettea§ an bie Äart^gifd^e
Königin ein: „Infandum renovare dolorem" (Slenei^ü, 1).^)
S8ei ben SSerl^anblungen über bie @int)erleibung be§ von
Öfterreid^ ^reu^en ilbertaffenen Sauenburg benu^t er gegen^
über ben üerbäd^tigenben öebenfen be§ 2lbgeorbneten aSird^ow
ba§ t)on bem römifd^en 3)id^ter bem fc^arffid^tigen Saofoon
in ben SÄunb gelegte „timeo Danaos" (2tenei§ n, 49) ju
ber öemerfung, ber Ä'önig t)on ^reujsen unb feine SUlinifter
feien feine S)anai.^) ©egen benfelben 2lbgeorbneten, ber
il^n mit feiner ^olitif afö glei(^fam bem 93öfen verfallen
barfteüte unb il^m öorl^erfagte, t)on biefem merbe er nun
niemate mieber lo^fommen fönnen, fud^t er ben ©tanbpunft
ju bem er fid^ in ber aSertretung ^reuj3en§ in ber ©c^Ie^roig::
^olfteinfd^en 3^age burd^ bie Dppofition ber ^ammermel^r^
l^eit genötigt gefe-^en l^abe (21. :3[anuar 1864), flar ju mad^en
burd^ bie 93erufung auf ba§ 5BBort SSergifö: „Flectere si
nequeo superos, Acheranta movebo" (2lenei§ Vn, 312).^)
aSBenn 93i§mardf gelegentlid^ aud^ Sefanntfd^aft mit
ben Satiren be§ ^uoenal ©errät fö mirb man barau§ mol^I
faum fd^IieJBen bürfen, er ^be biefe gelefen, jumal e§ fic^
babei um bie Slnfül^rung non ©teÜen l^anbelt, bie fo
burd^au§ ju geflügelten SBorten geworben ftnb, ba§ fie il^m
auc^ ol^ne bie unmittelbare Seftüre biefe§ auf ben ©deuten
f(^on bamatg nid^t gelefenen 3)id^ter§ befannt unb geläufig
1) r>, ^ofd^inger, SöiSmarcf u. bie Parlamentarier I, @. 318.
2) ^olxt. fReben IV, @. 6 ; VI, <B. 377. 3) @bb. II, ©. 261.
— 95 —
geworben fein fönnen. 3)a§ wirb namentlid^ anjunel^men
fein t)on bem l^äufig benu^ten: „Sic volo, sie jubeo, sit
pro ratione voluntas" (Quöenal, ©atiren VI, 233), weld^e^
anä) er mit bem ungenaue stat für sit anfül^rt.^) ©benfo
wirb e§ fic^ mit ber befannten fprid^roörtUd^en Sleben^art
üerl^alten t)on bem unangenel^men grünblid^en SD3ieberauf=:
wärmen alten ^6t)U im ©inne eine§ immer erneuten 3Sor=
bringeng alter abgetaner ©efd^id^ten,^) weld^e, ganj, DoltS^
tümtic^ geworben, bod^ auf einen glüdlid^en 2tu§bru(f Quoenafö
jurücfge^t.^) (Gegenüber ben ^e^ereien ber 3^^trum§preffe,
weld^e burd^ ftet§ erneute klagen über ben ^ulturfampf
biefen bod^ immer nur l^eftiger ju entflammen beftrebt fei,
oerweift er afö auf „ein alte§ abgebraud^te^ ©leid^ni^" auf
ben juüenalifd^en 95er§: „Quis tulerit Gracchos de seditione
querentes" (Satiren 11, 24).^)
Sl^nlid^ werben fid^ einige anbere Söejugnal^men auf
üielbenu^te Sd^Iagwörter au§ anberen römif^en 2lutoren
erflären, beren ^enntni^ Söi^mardt fid^ faum an ber Duette
erworben -^aben bürfte unb oon benen man balier jweifetn
mag, ob er il^re ^erfunft überl^aupt gefannt t)at. ^mxmx^
))m geigen aud^ fte, wie ganj er in ber 2)enfweife be§
fiaffifd^en SRömertumig l^eimifd^ unb wie geläufig it)m beffen
2lu§brudf§weife war. 93ei bem ©ebraud^e be§ 93ilbe§ oon
bem 2:ropfen, ber ben ©tein W^lt,^) I|at er fid^erlid^ baoon
nid^t bie alte lateinifd^e f^affung gelaunt, bie bem 95erfe
eine§ gried^ifd^en S)id^ter§ gegeben ift, unb oon il^rem SBor^
lommen bei Doib (ex Ponte IV, 10, 5)^) feine Äenntni^
1) Sörtefe an ©erlad^ (S. 14. ^^olit. kleben I, ©. 187; II, ©.
302; IX, @. 363; XII, <B. 307.
2) @bb. X, 123. 3) Söü^niann a. a. O. ©. 468, 69.
4) ^olit. kleben XI, ©. 287. &) @bb. IX, <B. 189.
6) «ürf)tnann <B. 392.
— 96 —
gcl^abt. S^nli^ tuirb c§ tuol^I bcftcttt fein mit ber fo Diel
angeführten ©entenj au§ ^ropex^: (©arm. n, 10, 7) „In
magnis voluisse sat est", bie er au^ in magnum voluisse
änbert,^) mie mit bem Doibif^en (SWetamorpl^ofen I, 7)
„rudis indigestaque moles"^ unb mit bem au§ einer
Slefopif^en gabel ftammenben „Hie Rhodus, hie salta".^)
aSon ben römif^en Äomöbienbi^tem fennt 93i^mard ^Iautii§
ate ben aSerfaffer be§ Miles gloriosus^) unb benu^t au§
beffen Poenulus (I, 2), ben er fidler au^ ni^t gelefen l^at,
ba§ geflügelte SBort „operam et oleum perdidi".^) 3)a§
gleite SJerl^ältniS maltet mol^I ob, menn er bie au§ be§
S^erenj 2lnbria (ü, 1) l^errül^renbe SBenbung fi^ aneignet:
„Interim fit aliqnid".^)
1) ^oUt. Sieben, VIII @. 403; X, @. 64. ^ »tiefe an ©erlad^.
3) [RoUt. Sieben X, @. 266. ^) »riefe an ©crlad^ @. 172;
«Polit. SRcben XII, @. 192.
5) ^olit. SRcbcn X, @. 383. «) @bb. IX, @. 362; X, ©. 460.
IV.
S3i8marrf8 SSerpItntS jur beutfd^en Stteratur,
befonberS ju ben beutfd^en Älaffifern.
Qn bcr aJlorgcnfrül^e be§ 9. SWiärj 1888 l^attc Äaifer
SQäill^clm fein reid^gefcgnetcS Scben gef^toffen. ajlittag§
erfd^ien g^firft 93i§mard im 9leid^§tag, ben nad^ 93eenbigung
feiner Slrbeiten ju fd^Iiej^en il^n feinet geliebten ^errn te^te,
bereite mit jittember ^anb untet^eid^nete Drbre bet)olt=
mdd^tigt ^tte, nm, bi§ in bie 2:iefe feinet gemaltigen
9Q3efen§ tdoxi ©d^merj erfd^üttert, ben aSertretem be§ beutfd^en
aSoIfe^ amtlid^ t)on bem SJerlufte aJiitteitung ju mad^en,
ber ba§ SSatertanb mit bem Eingang be§ (5meuerer§ ber
beutfd^en Äaifermürbe getroffen l^atte. @r tjerjid^tete barauf,
t)on ber amtlid^en ©teile au§, auf ber er ba ftanb, ben
perfönlid^en ©effil^ten Slu^brudE ju geben, mit meldten i^n
ba§ ^infd^eiben feinet ^erm erffillte: e§ fei, meinte er,
baju um fo weniger ein 93ebürfni§, at§ bie Smpfinbungen,
bie i^n bewegten, in bem ^erjen eine§ jeben ®eutfc^en
lebten.^) 9Ba§ in il^m tJorging, menn er an biefem 2^age
auf ben ä^it^^wm t)on meljr atö einem SSiertetjal^r^nbert
jurüdEblidte, ben er afö erfter Berater neben bem ^eim^:
gegangenen geftanben l^atte, unb ftd^ tjergegenmörtigte, ma§
1) ^olit. SRebcn XII, @. 479, 80.
— 98 —
er, Don bcffen nie t)erfagenbem SSertrauen getragen, mit
i^m gemeinfam l^atte fd^affen fönnen, wirb man fi^ f^mer^
li^ Doltfommen tjergegenmärtigen fönnen: angefid^t^ ber
befonberen Umftänbe, unter benen biefer erfte 2:^ronme^feI
im beutfd^en Sleic^e erfolgte, unb ber büfteren SBoIfen, bie
glei^ bie näd^fte ä^ft^^ft bebedten, l^ätte i^n, fo möd^te
man meinen, beinal^e ba§ bange ©efül^I anmanbeln fönnen,
ate feien nun aud^ bie biSl^er fo unerfd^ütterlid^ fd^einenben
©runbtagnn feinet eigenen @ein§ in§ SBanfen gefommen
unb t)on weiteren folgenfd^meren (Srfd^fitterungen bebrol^t.
Slber aud^ in jenen ©tunben be§ tiefften @d^merje§ fe^te
er aUtß ^erfönlid^e l^intenan unb gel^örte ganj unb oor^
be!^attIo§ bem S)ienfte be§ 9SaterIanbe§, ba§ gerabe je^t
feiner bemäl^rten ^raft bringenber benn je beburfte. S)em
gab er, mie bamafö gtaubmürbig berid^tet mürbe, bei ber
^Begegnung mit bem ©rafen 3Jlottfe, ju bem er feit ben
2^agen t)on aSerfaiUe^ in feinem befonber^ freunbtid^en SSer^
]^filtni§ mel^r ftanb, in ber t^m eigenen treffenben SBeife
Slu^brud burd^ ein QUat au§ ©d^iUerS „S)ie ^iccotomini"
(I. Slft, 4. ©jene):
„^c§ 2)icnftc§ immer glctd^ geftcUtc Ul^r
§(llt mtd^ nod) aufrcd)t/'
§at er baburd^ biefe§ SBort be§ S)id^ter§, ba§ nad^
bem 3iif^wtmen!^ang, in bem e§ tjorfommt, eine befonbere
SBebeutung bod^ faum beanfpruc^en fann, ju einem ge^
ftügelten gemai^t, ba e§ nun für alte 3^it ^it ^i^^^
groJBen gefc^id^tlid^en SJloment tjerbunben aud^ bei fpäteren
©enerationen fortleben mirb, fo l^at er gteii^jeitig ju ber
Äenntni§ ber SJlomente, bie oon ber ©eite feiner allgemeinen
SBilbung l^er in ©tunben befonberer (Srregung i^m felbft
unbemu^t bei i^m auf ^erj unb ®eift beftimmenb ein^
mirften, baburd^ einen lel^rreid^en Seitrag geliefert, baj3 er
— 99 —
bie fein ;3ttncre§ burd^roogctibeu ©efü^Ie getabc bamafö in
einer SBeife jum 2Iu§brud ju bringen Dermod^te, welche
jeigt, wie ^eimifc^ er in ber flaffif^en Siteratnr feines
aSoIfeS war nnb wie beren ^auptroerfe il^m roirflid^ in
5teif^ unb 93tut übergegangen waren.
S)a§ wirb freilid^ benjenigen faum überrafd^en, ber
biefer ©eite in bem ®eifte§Ieben be§ @iniger§ S)entfc^Ianb§
einmal genauer nad^gegangen ift, jumal wenn er wei§,
einen wie breiten 9laum bie ©ef^äftigung mit ben beutfd^en
Älafftfem bei il^m nic^t bIo§ in ber ©d^utjeit eingenommen
^at, fonbem wie er auc^ nod^ bi§ in fein fpäteS 2IIter tro^
ber Saft ber ©efd^dfte immer wieber ju il^r jurüdgefel^rt
ift. bereits bem ©reijel^njiä^rigen würbe (SBeil^nad^ten 1828)
nad^gerü^mt, fein glei§ im S)eutfd^en jeuge oon SSerftänbigfeit
unb ©orgfatt, bann (Dftem 1829), er fei mit 2lnftrengung
bewiefen unb befonberS im beutfd^en @tit feien feine S^rt^
fd^ritte wol^t bewerft. (Sin anbereS SJlat wirb il^m bejeugt,
ber puSüd^e g^tei^ in ben beutfd^en 2Irbeiten laffe Siebe
jur ©ac^e erfennen, unb bemgemä^ fonnte il^m benn auc^
fd^tte^Uc^ beim 2Ibgange jur Unioerfität gerabe in biefem
Unterric^tSgegenftanbe „eine fel^r erfreulii^e ©ewanbt^eit"
juerfannt werben.
©c^on ba§ fe^t bei einem Jüngling in bem bamafö
t)on 93i§mardE erreichten 2Kter unb bei ber il^m eigenen
©elbftänbigfeit be§ ©trebenS eine umfaffenbe unb grünblid^e
S3elefen^eit in ben il^m burd^ bie ©c^ule vermittelten SBerfen
unferer Ätafftfer DorauS, t)on wo au§ fein ;3^tereffe fid)
bann leidet aud^ ben beften ber neu auffommenben jeit^
genöffifd^en Slutoren juwenben fonnte. S)emgemä§ l^at '^i^^
raaxd felbft einmal auSbrüdtlid^ erfldrt:^) „Slud^ für ©oetl^eS
V, ^of^inger, Sttfd)9cfprdd)C I, @. 172.
— 100 —
©cbic^te l^abe xä) Don ^ugenb an md ©c^tDärmerei gel^abt . . .
awä) ©c^iUer, U^tanb, ©l^amiffo ift mein ©cfd^mad treu
geblieben." ®o^ fd)liej3t ba§ ni^t au§, ba§ er in feiner
©turm^ unb S)rangperiobe, wo er nai} einem tjerroegenen
SBort, ba§ i^m t)on feinen ©egnern aud) in fpäteren S^agen
nodE) oft Dorge^atten roorben ift, bie großen ©täbte t)om
©rbboben tjertitgt ju feigen roünfd^te, au(^ geroiffen SRid^-
tungen ber jeitgenöffifd)en ßiteratur gegenüber in ©tunben
be§ Unmuts äl^nlid^ rabifale ©elfifte in ftc^ aufzeigen füllte
unb mit ber il^m eigenen überftüt^ten Dffenl^erjigfeit au^-
fprad^, mie fie nad^ einer befannten, l^iftorifd^ aber un^
begrünbeten Überlieferung ben Ä^alifen Dmar jur SSemid^-
tung ber in Slleyanbria aufgel^äuften 93üc^erfc^ä^e tjeranla^t
l^aben foUen. @r glaubte fein anbereS aJiittel finben ju
fönnen, um ben politifd^ entfittlid^enben SBirfungen erfolge:
reid^ entgegenzutreten, bie nad^ feiner Slnfic^t bat)on aug-
gingen, ©o fd)reibt er am 6. ^uni 1850 im ^inblidE auf
bie Unfäl^igfeit ber Beamten jur erfolgreichen übermad^ung
ber treffe :^) „^6) fann nid^t leugnen, ba§ mir einige ^l^alif
Dmarfd^e ©elüfte beiwohnen, nid^t nur jur 3^^pörung ber
93ü^er auj^er bem d^riftlid^en „Äoran", fonbem aud) jur
aSemid^tung ber aJiittel, neue ju erzeugen; bie 93uc^brudEer-
fünft ift be§ 2Intid^rift§ au§erlefene§ Slüftjeug, mel^r afö
ba§ ©d^ie^puloer, meld)e§, nac^bem e§ . . . jum ©turje ber
natürlichen politifc^en Drbnung beigetragen, je^t mel^r ben
S^arafter einer l^eilfamen 2lt^enei gegen bie oon il^m felbft
l^eroorgerufenen Übel annimmt." 2Bie fo mand^e i^m ba^
mafö entfal^rene Su^erung barf man aud^ biefe, jumal fte
^Ib fd^erjenb getan ift, nid^t ju emft nel^men. 9tiemafö
l^at 93i§marcf oerfannt, meldte ^ülle ber 2Inregung unb
i) ^olit. 95ncfc 95t§niarrf§ 1849—1889 @. 6.
beä @enuffe§ für @eift unb ^erj er bet SJefdjäftigung in
erfter ßiiiie mit unferen ftlafftfem, bann ober gelegentlid)
Qu^ mit neu befannt luerbciiben jüngcrai 5)ici)tetn jii oev:
banEen ^atte.
Sine au^gefprot^ene SJorliete jog i^n babei jum eniften
®tama, Bornel)mIic^ jum Stauerfpiel. @r begrüßt eö alg
einen gortf^ritt in il)rer GmpfängHd)feit unb im 3Serftänbniä
fßr bie *$oefie, al§ Qo^anna unn ^nttfamet, roä^renb fie
frü£)er unfdiutbige 5tiiI)Iing§liebet a\§ „bie 3)i(i)tung ber
Sinbl)eit unb ber ^iBöIfjalirigfeit, Serdjen unb Sämmet"
beDorjugl ^atte, anfing, nn traurigen 3)ic[)tungen me^r
faden ju finben, unb bemerkt jur (SrHätung bicfer Um^
roanblung, bie er al§ gönj natürlid) unb erfrculid) begeii^net
„3:ief in ber menf[^Iid)en 91atur, ic^ niödjte fagen, in bet
unberou^ten ®tEenntni§ beä itbifi^en ®Ienb§ unb 3[oniiiier§
unb ber unftaren, aber mädjtigen ©e^nfuc^t nac^ befferen,
ebleren 3"ft4ni™ 'ifg* eä roo^I, ba§ bei nic^t ganj Ieii^t=
fertigen oberflä^Iidien aJienff^en ba§ ^eraorbrec^en ber
^enriffen^eit, ber ?lid)tigtcit, be§ ©c^merjeä, bie unfer
^iefige§ Seben befierrfc^en, niel)r Stntlang finbet aU eine
Serül)rnng ber minber mächtigen Elemente, roe[t()e bie leidjt
roelfenbe ©lume ungetrübter §eiterleit, beven ^eimifd)er
^oben nur bie ftinb^eit ift, in nn§ norübergeljenb t)erDDr=
treiben. Q^bet an Sierftanb unb ^crj gcbilbete SJienfi^
roirb Don altem, voa$ Sranerfpiel in öü^ne nnb 9BirHid)feit
ift, auf eine SÖeife ergriffen unb beroegt, bie ba§ Ob^Iten=
unb Suftfpietartige in ber ooHfommenften %0Tm nie erreit^en
tonn. Stuf bem öoben ber ^eiterfeit (im f)öl)em Sinn)
unb 3"fnebenbeit erljabcn ju fein, gibt ben Segriff bet
3Jiajeftät beg ©öttlidjen, ba§ ber 3)lenfi^ nur in felteueii
beüorjugten Qdtm unb ßSeftatten fdjroad) roiberftra^tt. S)a§
irbif^ .Smponierenbe unb Srgreifenbe, ma§ mit nienfci)Ii(^en
— 102 —
aJiitteln für gcroöl^nüd^ bargefteltt roerbcn fann, fielet immer
in SSermanbtfd^aft mit bem gefallenen ©ngel, ber fd^ön ift
aber ol^ne ^rieben, gro§ in feinen planen unb Slnfirengungen,
aber ol^ne ©elingen, ftolj unb traurig. S)arum fann ba§,
n)a§ e§ auj^erl^alb be§ ®ebiete§ ber ^Religion für un§ ©r^
greifenbeg gibt, nid^t l^eiter unb jufrieben fein, fonbem un§ ftet§
nur afö SGBegmeifer bal^in bienen, mo mir gerieben finben."^)
können ©egriff iinb SBefen be§ S:ragifd^en, fetbft
menn man annimmt, ber ©d^reiber biefer fd^önen SBorte
l^abe ©df)iller§ 2lbl^anbtungen „über ba§ ©r^abene" unb
„über ben ©runb be§ 9Sergnügen§ an tragifc^en ®egen:=
ftänben" gelaunt, treffenber unb babei menfd^lid^ ergreifenber
jur 2lnfd^auung gebrad^t werben? S)a§ gewaltig ;3mpulftt)e,
ba§ feinem SBefen auc^ auf biefem ©ebiete eigen mar, l^at
93i§mardE felbft einmal fraftt)olt bejeid^net, menn er in
einem ©efpräd^ mit feinem gteunbe Äegferling ben @in^
brudE, ben ba§ S^ragifd^e auf i^n mad^te, „ganj milb" mit
ben SBorten fd)ilberte: „^a, g^urd^t unb SUiitleib empfinbe
id^ fo fe^r, ba§ id^ im 2:]^eater gleid^ ben 93öfemid)t an
bem ^afe Wegen möd)te."^ 2Iu§ biefer für i^n l^öd^ft
^arafteriftifc^en @emüt§bi§pofttion anä) poetifc^en Sinbrüden
gegenüber erflärt e§ ftd), ba§ nad) feiner eigenen Slngabe^)
t)on ben ©oetl^efc^en SGßerfen ©lanigo, ©tella unb bie
SBal^lnermanbtfd^aften il^m unfqmpatl^ifd) maren megen il^rer
fd^laffen gelben, mdl^renb er ben i^an^i „dou ber gangen
profanen Literatur" afö feine „93ibel" bejeid^net unb bem^
gemft^ immer mieber ju lefen nid^t mübe mürbe unb jum
guten Steile mörtlid^ gegenmärtig ^atte. @ine fo fidlere
^errfd^aft aber über ben ©d^a^ oon ©enteujen, ben nament^:
lid^ @oet^e§ unb ©d)iller§ S)id^tungen bergen, mie fte in
1) 95ricf c an bie S5raut u. ©attin @. 34, 35.
2) ^e^fcrling I, @. 553. 3) d. ^ofd)ingcr, Sttfd)gefpräd^e I, @. 172.
— 103 —
feinen immer treffenben unb oft überrafd^enben 3itaten fid^
offenbart, ^ätte 93i^marcf tro§ ber in ber ^fus^nb ge^;
monnenen aSertrautl^eit bamit ni^t bi§ in fein fpäte§ 2llter
behaupten fSnnen, menn er nid^t immer mieber ju biefer
Seftfire jnrüdgefel^rt märe nnb feine fnopp gemeffenen di\x\)t^
jeiten jum 2:eil i^r gemibmet l^ätte. 3)iefer ©emol^nl^eit
tjerbanfte er bie ©id^erl^eit mit ber er in ber parlamen^
tarifc^en Debatte unjutreffenbe ober ungenaue Zitate aföbalb
riditig fteltte, mie j. 93. einmal (26. Slpril 1869) bem 2lb^
georbneten ©üntl^er gegenüber, meld^er bie oon bem S3unbe§5
fanjier gebraud^te ©telte au§ ber „^fw^Sf^^xu oon Drtean§" :
,,SBäd)ft mir ein ^omfelb auf ber flad^en §anb?"
lauten laffen moUte:
„fS&&d^\t mir ein Ärieg^l^ecr auf ber flad^en §anb?"
S)a bemerfte er: „^äf l^abe jmar fetten 3^it nieine flaffifd^en
SRemini^jenjen aufjufrifd^en, aber xä) glaube, baj3 ber ^err
aSorrebner bod^ unfern groj^en S)id^ter fo l^at fc^reiben
laffen, mie e§ il^m in feine potitifd^e 2luffaffung oielleidfjt
beffer pa^t. 93i§ auf meiteren 93emei§ bel^aupte id^ re^t
ju jitieren, menn ic^ fage:
„SBö^ft mir ein ^omfelb auf ber flad)en §anb?
^ann id) 3lrmeen au§ ber @rbe ftampfen?"
Unb 93i§mard l^atte red^t, mod^te il^m aud^ ber Keine
^tum begegnen, ba§ er bie beiben SSerfe in ber 9lei^en:=
folge umfteUte.^) SBann er ju ben Älaffifem jurüdtfe^rte,
ergibt ftd) au§ ber 3Jlitteilung feinet gteunbeg Äegferling,
nod^ 1890 in 9Sarjin l^abe ber 2lltreic^§fanjler fd^laflofe
9läc^te burc^ il^re Seftüre gefärjt.
Sluffallcn fönnte e§, ba§ bagegen ©i^mardf^ Äenntni§
oon ber beutfd^en Siteratur ber älteren Q^xt augenfdieintid^
1) ^oUt. Sieben IV, @. 208, 211—12.
— 104 —
fel^r befd^ränft voax. ®od) wirb ftd^ ba§ xo6i)l au§ ben
aSorfd^riften erflären, bie in feiner ;3iiS^^^ ^^ ^^^f^ ^i^-
ftd)t für ben ©gmnaftalunterrid^t maj^gebenb waren, ©o
pnbet ftd) auf bie großen aSoIföepen be§ beutf^en 3Jlittefc
alters bei i^m nirgenbS eine Sejugnal^me. aSielleid^t freilid^
roirfte baju afö ein allgemeine^ pfgd^otogifc^eS 3Jloment mit
baj3 feine gefamte Senfmeife ber JRomantif be§ 3Jlittetatter§
fid) eigentlid^ ablel^nenb entgegenftellt, fo fel^r biefe in
ber 3^it^ ^o er jung mar, bei nielen feiner @tanbe§^
genoffen ©innen unb S)enfen gefangen genommen l^atte.
S)er „9libelungen" unb ber „@ubrun", fomie ber 3Jlinne^
fdnger gebeult er nirgenb§, aud^ be§ ftreitbaren SBattl^er oon
ber aSogetmeibe nid)t beffen SDid^tungen il^m mäl^renb be§
Äulturfampfe§ nal^e genug gelegen unb mand^en guten ®e^
banfen geboten l^ätten. @r fennt erft ba§ ber 9leformation§^
seit angel^örige „9larrenfd^iff" be§ ©ebaftian 93rant. 2luf
biefe§ nal^m er 93ejug in ber berül^mten SRebe über bie
©infü^rung ber 3^^^^^^ (15- 9lonember 1849), an bereu
mirfung^ooHem ©d^tu§ er in ber für i^n allejeit d^arafterifti^
fd^en ^rt bie Hoffnung au^fprad^, bei ber nun ju er::
martenben greigebung jebeg ^ultu§ merbe er e§ nod^ erleben,
baj3 „ba§ 9larrenfd^iff ber 3ßit ^^ ^^wt Reifen ber c^riftlid^en
Äird^e fc^eitere".^) 2lfe il^m biefe SBorte bann im beginn
be§ Äulturfampfe^ non feinem el^emaligen ®efmuung§genoffen
Submig oon ©erlad^ (17. ®ejember 1873) unter bem lauten
S3eifaa be§ 3entrum§ ate Slrgument für bie 2lu§fi^t§lofigfeit
ber jle^t oon i^m oerfolgten ^ird^enpolitif norgel^alten mürben
mit ber Unterfd^iebung, er \)ab^ bamate non bem ^^elfen
ber römifd^en ^irc^e gefprod^en, mie^ er ba§ mit ftürmifdEier
©ntrüftung jurüdE,^) inbem er e§ ate eine gerabeju miber^
1) ^oltt. Dieben I, ©. 155, 155 ff.
2) @bb. VI, (5. 130.
— 105 —
finnige ber Slnnal^me bloj^ftetttc, er ate et)angelifd)er ®f)rift
fottte im Qal^re 1849 bie fat^oUfd)e Äird^e, wie fie burc^
ba§ aSatifanifd^e Äonjil umgeftaltet fei, afö ben gete be?
trad^tet l^aben, ber unter alten ©türmen feftftel^en mürbe:
bie Slnfül^rung paffe atfo gar nid^t auf bie gegenmärtige
Sage. SGßenn er bann aber fortful^r, mie bamalS, fo moÜe
er aud^ je^t au§ ^öftid^feit fic^ einer meiteren Suj^erung
barüber entl^atten, mer benn nac^ feiner 2lnfid)t in bem
„glüdE^aften" ©df)iff, ba§ er allerbingg 9larrenfc^iff genannt
^abe, l^eutjutage ft^e unb an bem greifen ber et)angelifd^en
Äird^e fd^eitem fönne, fo liej^en i^n feine (Erinnerungen
au§ ber älteren beutfd)en Siteraturgef(^id^te infofem im
©tid^, atö er — Dielleid^t freiließ nur um bie beleibigenbe
©pi^e etma§ abjuftumpfen, bie für ba§ fatl^olifd^e ©mpfinben
in bem 2lugbrudf „9larrenfd^iff" liegen fonnte, ben ©d^ein
annal^m, al§ ob er 1849 oielme^r auf ba§ befannte ©ebid^t
be§ ;3oiann gif^art „S)a§ glüdt^afte ©^iff oon 3üric^"
^abe anfpielen moKen. 3)a§ mar natürlid^ nid^t ber gall
gemefen: eine fol^e ©ejiel^ung l^dtte an ber fo mirfung§=
ooKen ©teile in jener frül^eren Siebe gar feinen ©inn gel^abt.
S)od^ ift aud) bei mand^en oon ben 2Infpielungen auf
9Ber!e ber älteren beutf^en Literatur, bie fid^ in feinen
Sieben unb ©riefen finben, nid^t ju entfd^eiben, ob bie be:=
treffenben ©teilen 93i§mardf au§ eigener Seftüre befannt
ober ol^ne Äenntni§ il^rer ^erfunft ate geflügelte SGßorte im
@ebäd^tni§ geblieben fmb. SGßenn er j. 93. feinem greunbe
Äeqferling bei bem Sefud^e in SSarjin im ©ommer 1871
angefid^tS ber ©orgen, bie il^m ber neue 93efi^ bereitete,
flagte, e§ gel^e i^m mie bem „luftigen ©eifenfieber/) mirb
barau§ ni^t ju folgern fein, er ^abe bie ^agebornfd^e @r^
1) Äegferling I, @. 635.
— 106 —
jäl^lunfl t)on ;3o]^ann bcm ©eifcnficber, bcr ha übrigen^ afö
„munter" bcjeid^net roirb/) erft unlängft ober überhaupt je
felbft gelefen. Sbenfo Derl^ält e§ fxä), wenn er (24. gebruar
1870) in bejug auf ba§ aSer^ältnfe ©übbeutf^IanbS jum
9lorbbeutfd^en 93unbe unb beffen Dberl^aupt an ben ^lorb^^
beutfdien SReid^Stag bie 2lufforberung rid^tet: „©enteren ©ie
bod) einen 21ugenblicf frol^, roa^ Ql^nen bef^ieben, unb be^
gel^ren ©ie nid^t w<x§ @ie nid^t ^aben", wobei il^m ber
ä8er§ au§ ©eiterte Sieb „^i^fri^i^ß^'^ßit ^"it feinem 3uftanbe"
oorf d^mebte :
„(Sememe, n)a§ bir @ott befd)ieben,
(Sntbel^re gern, n)a§ bu nid^t l^aft,
@tn jeber ©tanb l^at feinen gerieben,
@tn ieber ©tanb l^at feine Saft." 2)
SBenn er aber feine geliebte ©d^mefter SWalmine in einem
93riefe nom 7. 2lpril 1845^) anrebet: „2:euerfte ©reufa",
fo liegt ba ftd^erlid^ nid^t eine Erinnerung oor ah bie il^m
au§ aSirgifö 2lenei§ befannte ©attin be§ trojanifd^en gelben,
fonbem man mirb annel^men bürfen, ba§ er unlängft .Sllogg
93Iumauer§ „SSirgite 2lenei§ traneftiert" gelefen l^at, wo
(S3ud^ n, ©tropl^e 54) 2lenea§ feine nermij^te ©attin ruft:
„©reufa! — @d)a^!tnb! — [RabcnDiel^ ! —
aSo l^at bi^ benn ber 2:eufel?"4)
©benfo mirb, ba S3i§mardt bie Dben ÄIopftodE^ nad&mei^lic^
auf bem ©qmnaftum unter ^rofeffor ^einftuS' Seitung ge^
lefen l^at/) eine bamafe erworbene ©rinnerung an beffen
„gtül^lingSfeier" oorliegen, menn er (16. 2IpriI 1875) in
bejug auf bie SBal^I be§ ^apfte§ burc^ Prälaten, bie ber
aJiel^rja^l nad^ «Italiener ober boc^ mel^r ate jur ^älfte
italienifiert fmb unb bal^er mit bem beutfdien SReidie unb
1) S5ü^ntann a. a. D. @. 142. 2) @{,b. ©. 147. 3) ^efefiel 111.
^) S5ü^mann @. 202. ^) @raue§ ^lofter @. 15.
— 107 —
bcm Äönigreid^ ^rcu^en fcl^r roenig ju tun l^aben, bilbüd^
bemerft, biefctben fallen bei allem, n)a§ auf ber armen
märfifd^en ©anbfd^olle gefc^iel^t nad^ ben SBorten be§ S)id^ter§
„faum mie ber S^ropfen am @imer bem Djean" tn§ ©emid^t
3)enn e§ l^ei^t bei Ätopftod:
„"ifhö^t in ben Dscan ber SBelten aUe
S5HII td^ mid^ ftürjen! fd)n)cben ntd^t,
SBo bie crfteu ©rfd^affenen, bie ^ubeld^öre ber ©öl^ne bc§ fitd^tS,
3lnbcten, tief anbeten! unb in ©ntjürfung uergel^n!
9^r nm ben 2:ropfen am ®imer.
Um bie @rbe nur, roiK id) fd^roeben unb anbeten!
^atteUtja! ^aUeluja! 2)er 2:ropfen am ®imer
Äann au§ ber §anb be§ SlKmdd^tigen aud^."
©egcn bie unfrudf)tbare Äritif, meld)e bie Dppofttion im
SReid^Stage an ben SSorlagen be§ 93unbe§rat§ ju üben liebt
ol^ne fagen* ju fönnen, mie bie ©ac^e beffer p mad)en märe,
meift er mieberl^olt auf Seffmg l^in, ber, obgleich „ber 3Jleifter
aßer Äritifer", e§ bod^ nie unternommen l^aben mürbe,
einen Saofoon ju mad^en.^) Sin anbere^ aJlaP) nimmt er
mit ben SBorten „5Da§ ®elb ift ja ba§ SBenigfte" ©ejug
auf SefftngS ^tatl^an, wo e§ im neunten 2luftritt be§ jmeiten
2lu^uge§ l^eiJBt:
„®elb ^in, ®elb ^er!
2)a§ ift ba§ SBenigfte."
aSon älteren S)id^tem gibt il^m ©ürger mit bem ht-
fannten „Sa§ bid^ nom Sinfen nid^t umgarnen", eine gerabe
parlamentarifd^en SSerl^ältniffen gegenüber ebenfo na^eliegenbe
mie mirffame Slnfpielung an bie ^anb.^) Dl^ne fjrage ift
bie öallabe „S)er milbe <$^äger" feinem ©d^üler einer mittleren
1) ^olit. sieben X. @.48; XI, ©.472. 2) (gj,b. XII, ©. 194.
3) @bb. IX, @. 80. t). ^ofd)inger, S5i§mar(f u. bie ^arlamen^
tarier II, @. 59.
— 108 —
©gmnaftalflaffc in jener Qdt unbefannt geblieben. SWinber
wal^rfdieinlid^ ift btefe 2lnna!^me in betreff ber befannten
©dlidfafötragöbie ©ottfrieb Slbolf aWfinnerS (1774—1829)
„3)ie ©d^ulb", welche, juerft 1813 aufgefül^rt unb 1816
im S)rud erfd^ienen, jener ©eneration wo^I nur nod^ au§
ben barüber. umlaufenben ©pöttereien befannt war. ©o
bebtent fid^ and) 93i§mard be§ bortl^er ftammenben:
„®t!Iaret mir, ®raf Derinbur,
2)tefen 3n)iefpaU bcr 9'latur",
inbem er e§ auf SBinbtl^orftö unb ber Sleic^gtag^me^rl^eit
n)iberfpruci^§t)one§ SSerl^alten anwenbet/) unb jroar in ber
im 95oIf§munbe jufammengejogenen g^ff^ng, meldie ba§ ge::
flügelte SBort fennjeic^net.^) S)a§ er ba§ Dielberufene ®rama
aber au^ einmal gelefen })abe, ift barum nic^t au^gefd^loffen.
®enn er ging mit feiner Seftüre gelegentlich obfonberlid^e
•SBege.
;3nmitten ber l^ei^en politifc^en kämpfe be§ Qal^re§
1850 fud^te er ©rl^olung unb ©rl^eiterung in ^offmann^
(geft. 1822) „Äater SUiurr" unb eilte SBagener am 3. ^uni
ate eine Don i^m mit ^ubel begrüßte Sefefrud^t einen ©a^
mitzuteilen, ber il^m megen ber ungefud)ten braftifd^en ©e^
jiel^ung auf bie 2:age§politif unb i^re ©rö^en miltfommen
mar. „S)ie größten ^l^ilofopl^en gelten mir (im Äa^en^
Jammer nämlid^) nid^t ^ö^er afe bie Sumpenpuppen foge^
nannten ^anfemänner"/"^)
Qn einer anberen SRic^tung fc^eint fein ^ntereffe an
ber jeitgenöffifc^en Siteratur burd^ bie ©attin beeinflußt ju
fein, bie romantifd^e Steigungen ^egte. ^m S^rül^jal^r 1851
Derfprid)t er i^r ©id^enborf ju fd^enfen, ben er felbft nid^t
1) ^olit. «Reben XI, @. 109. 2) «öü^mann @. 250.
^ S5i§ntarrf=3a^rbu^ I, @. 11.
— 109 —
ju ternien geftelit, unb ift ^inter^er, als ba§ Surf) bei i^m
eingegangen, Ijüt^ft crftaunt bariibet, ba§ ber SJIann noc^
lebe unb jroar in Lettin im Äabettentorpä bei feinem
©diroiegerfDtjne, ber bort Sekret ober Offisier fei. %a^
biefer S)irf)ter obenein ©e^eimet SRegieningSrat ift, loerbc,
fo Ijofft er, ber Segeifleruug ber ©attin füv feine 3BccEe
nii^t Slbbnid) tun.') 9tucf) ben 1S49 erfcl)ienenen unb bann
immer loieber aufgelegten „Slmarantft" oon Oitax Bon SiebiDi^
befotgt er berfelben auf lEjren SBunfii)-) unb inac^t i^r bie
®rftlinglatbeiten be§ eben ju 3(nfel)en gelangenben Öfter;
tei(l)erä 2(balbert nou Stifter junt ©cfdjent.") SJielleic^t
erijielt er oon biefer ©eite a\iii bie erfte Slntegung äu ge=
legentlirfier öefii)Äftigun9 mit Senau, beffen Sichtungen feine
grunbgefunbe Statur begteiflic^enBeife feinen teerten Oefi^maif
obgeroinnen fonnte: 5Daä ©ebicfct „3)er Qnbifferentift" be:;
äeii^net er aU „ein troft(ofe§ Sieb".-")
■ ©ijric^t et im 9!eic^§tag gelegentlich") »on einer biefen
erfüUenben „Sefüri^tiing auä alter Qeit, »on ber ii^ nid)t
ioei§, ma§ fie bebeuten foU", fo fpiett er bamit naturlid)
an auf §eine§ „ßotele:)", bie gerabeju jum 93olfälieb ge=
roorben ift unb bal)er con Dielen auc^ für ein fotc^eg
gehalten loirb: et Ijat fie geroi^ oft genug fingen Ijören,
namentlicfi auf ben non ^rantfurt aus unternommenen
frö^tic^en 3il)einfa^rten. 9luä anberen ©rünben intereffiertc
i^n beäfelben S)i^ter§ böfeä ßieb auf ben beutft^en Sunb
„D Sunb, bu ^unb, bu bift nii^t gefunb." Qn einet 9trt uon
@atgent)umor ^ö^nt er im ^inbticf auf bie 3uf'änbe am
SunbeStage einmal, boSfelbe nierbe bemnäc^ft burct) eins
1) !8iiefc an bie Staut u. ®attiu S. 250, 254. -■) ©bb. ®. 250.
3) ®bö. 262. 9Ba§ mne mit bem Ba genaiinleii „2rip" flE=
meint fein?
*) ffibb. ®. 72. '') ipolit. Sieben V, S. 79.
— 110 —
ftimmigen 93unbe§tag§befd^tu§ jum beutfdien ^tationatUeb
erl^oben werben.^)
ajlit einer ©ntrüftung, bie x\)n el^rt, fprid^t er fx6) ge^
legenttid^ au§ über ben tiad^tetligen (SinfluJB getuiffer seit^
genöfftfc^er S)ici^tungen, welche burd^ ben Äultu§ frember
9lationalitäten einem alten (Srbfel^Ier ber S)eutfd^en jum
©c^aben ber SSolföerjiel^ung SSorfi^ub leifte. ©d^on ba§
©entüt be§ Änaben ^atte e§ empört ba§ auf ber ©d^ule
in ber ©ingftunbe fomol^l ^Iaten§ ^olenlieber mie bie
3Jlarfeittaife gefungen mürbe. S^ntid^ beurteilt er aud^ ba§
Sieb, ba§ in bem f einer jeit Diel gegebenen Sieberfpiel
^arl non §oltei§ „S)er alte gelbl^err" (1826) jur SSerl^err^
lid^ung ber polnifd^en Slufftänbifc^en gefungen mürbe, „2)entft
bu baran, mein tapferer Sangienfa", fomie ba§ eben bort
norfommenbe: „^orbere niemanb mein ©d^idtfal ju l^ören"^
— beiläufig bemerft, bie 9tad^bilbung eine§ franjöftfd^en
Siebet non (Smile Sebrauy.^) S)a]^in red^net er femer bie
„9täd^tlic^e ^eerfc^au" non ;3ö^nn ß^riftopl^ non 3^bli^ —
er nennt fie „S)ie mittemäd^tige ^arabe" — fomie bie
^oeften be§ gteil^erm t)on ©aubg, mie j. 93. „93ertranb§
2lbf(^ieb"^) unb „anbere S)id^tungen jur a8er^errlid)ung
9lapoleon§ L, ber bie S)eutfc^en rec^t grünblid) gel^auen
l^atte, mofür fte i^m eine S)anfbarfeit bemiefen, bie ic^ burd^
fein j0ologifd^e§ 93eimort d^arafterifieren mag,"^) 2Iud^ bie
aSertreter ber l^eute tebenben älteren ©eneration, bie ein
3Jlenfd^enalter jünger ift, ate 93i§mardE mar, merben ftc^
nid^t ol^ne 93efremben erinnern, mie gerabe bie ^ier gefenn?
1) ^olit. 95riefe 95i§marrf§ 1849—1889 I, @. 40.
2) ^oat. «Reben XI, @. 416.
3) ^gl. ^offntann t). fJaKerSleben, Unfere t)ol!§tüniltd^en ßieber
SRr. 185. (5. 41.
4) ^oltt. Dieben XI, @. 416. S) @bb, XI, @. 416.
— 111 —
•
jei^neten Si^tungen au§gefpro^en itnbeutfd^er Sii^tung in
il^rcr .Sugenb beliebte ^arabeftüde waren für bie 3)eflamier=
Übungen, bie bantate einen wefentli^en S^eil be§ beutfd^en
Unterrid^tö an§juntad^en pflegten.
3)ie ©ntroidtlung ber poütifd^en Sid^tung, bie ju STn?
fang ber üierjiger :3a]^re in 3)eutfd^Ianb fo üppig in§ Ärant
\ä)o% wirb Si^mard, fo lä^t ft^ annel^men, weniger au§
äftl^etifd^em ate politifd^em :3ntereffe in il^ren ^aupterf^ei-
nungen ©erfolgt ^ab^n. ©rroäl^nt wirb t)on il^m freilid^
nur^) ba§ „befannte ©ebid^t t)on ^erroegl^", wo biefer in
etn)a§ gejwnngenent Sieint auf SJJeleager fagt: „93ept'
un§ vor bem 3ören, beinern ©d^roager". STu^brüdlid^ be^
merft er, er ^be ba^felbe feinergeit gelefen. ©emeint ift
bie vierte ©tropl^e be§ ®ebid^te§ „STn ben Äönig t)on
^reu^en" au§ ben „©ebid^ten eine§ Sebenbigen", roo g^riebrid)
9Q8il^em IV. jugerufen wirb, er möge bie beutfd^e Qugenb,
bie Äantpf unb S^at begel^re, mit bem ©d^mert in ber ^anb
au§ ben ©täbten in§ Sager fül^ren,
/,9öo fjeinbe finb.
^ie i^dn\>e fomnten mit bem SBinb:
S3ef)üf un§ t)or bem fjranfenünb
Unb t)or bem 3^ren, beinem ©d^roager."
3)a§ er aber aud^ unpolitif^en neueren 3)id^tungen gelegent^
li^ eine freie ©tunbe jumanbte unb anfpred^enbe ©teüen
baraug feftl^ielt, bemeift ein Qxtat an^ bem „Senlfprud^"
ÄarlStredfu^^ (1779—1844), na^ bem au^ i^m ba§ Seben
ni^t mel^r leben^mert erfd^einen mürbe, fönnte er nic^t
mel^r mit jenem „an @ott unb beff^re 3^fiinft glauben".
2lnber§ nod^ geftaltete ft^ Si§mard§ Sßerl^ältni^ ju
bem patriotifd^en 2luff^mung, ben unter bem @influ§ feiner
i) ^olit. ^eben XI, (5. 123.
— 112 —
©rfolge bie bcutfd^c ©id^titng mit bem ©rfte^en be§ neuen
9ieid^e§ nal^m. SDlit il^ren ^robuften ftd^ eingel^enb ju
befc^äftigen ift il^m begreifltd^erroeife nur in Dereinjelten
g^dlten ntßglid^ geworben. Um fo l^öl^er fd^ä^te er fie nad^
il)ren SBirfungen jur ©r^Itung unb ©tärfung be§ beutfd^en
91ationaIfinne§ afe ein mertnolte^ g^erment ber beutfd^en
@inl)eit. ©o erflärt er D^far t)on Siebmi^ in bem Sanf^
fd^reiben für bie überfenbung feinet 1871 erfd^ienenen
patriotifd^en ®ebid^te§ „S)a§ Sieb nom neuen beutf^en Sieid^"^
jebe^ ed^te Sid^termort in 9torb unb ©üb gleid^ erflingenb
förbere bag Slationalgefü^I be§ beutf^en Sßolfe^.^) Se§^
mb begleitete er, ber plattbeutf^en ©prad^e t)on .^ugenb
auf mäd^tig, au^ bie S)id^tungen 3^ri^ Sieuter^ mit be^
fonberer S^eilnal^me, unb ate ber Sinter, ber in jungen
3al)ren für bie ^beale, bie nac^l^er 93i§mard auf einem
anberen SBege glorreid^ nermirfUd^t l^at, lange Q^it ein
fd^mere§ 3Äartgrium getragen l^atte, im ©ommer 1866 il)m
feine SBerfe überfanbte, fonnte er in bem Sanffd^reiben
ol^ne Übertreibung erflären: „STfö alte ^it^eunbe ^be i^ bie
©^ar il)rer Äinber begrübt unb fie alte miHfommen ge^
l^ei^en, bie in frifd^en unb l^eimatli^ vertrauten klängen non
unfereg aSo«e§ C>ß^äf^tag Äunbe geben" (17. ©ept. 1866).2>
STud^ aSictor non ©^effete originelle ^oeften ^ai^n i^m
I)eitere ©tunben bereitet. S)a§ er fid^ überraf^enbe Sßen-
bungen barau§ nerftänbni^DoU ju gelegentlid^em ©ebraud^
angeeignet I)at, leiert bie mirffame 2lrt, mie er (28. 9tot).
1891), auf ben Sanf be§ aSolfe§ »ergibt leiftenb, ber
liberalen Dppofition, bie il^m Sieaftion, 2lbfoluti§mu§, $au§^
meiertum unb bergleid^en na^fage, fpottenb üorl^ält: „Sa
fel^lt blo§ nod^ bie gemöl^nlid^e Sitanei bal^inter: 3»unfer
1) von Äcubett ©. 478, 79.
2) «ßolit. «riefe 1849—1889 I, ©. 191.
— 113 —
unb ^Pfaffen, ©rbuntertönigteit, ^agbfro^ben unb roaä ber=
gleichen me^r ift, Eurj unb gut, bie gonjen foffifeii Übetteffe
bet — tdj möchte fagen — CiaSformation, um mit ©i^effele
@ebici)tEii ju fptetl)en, beä beutfdien SiteroIigmuS unb be§
beutfcfjcn ^^iUftectumg in fleinen Stäbten" — eine %n--
fpielung auf „3)er 3i^tlt!)ofaurns" in ©cl)effel§ „Oaubeamuä".
SKSenn au^ ben ©ebic^teu Gtjamiffoä unb Ul)lanb§, mit
benen ^Siämattt fid) nadj feiner eigenen Slngabe in jungen
^a^ren ebenfaltö befdjäftigt l)at unb für bie et fid) aud)
fpätev @efd)ntarf ben)at)rt I)oben ratU,') 3Infü^mngeu feiten
flnb, fo roirb fic^ boS inof)! nn§ beren (äigenort ettlitven:
überroiegenb epifd), minbec gebantcnteti^ unb nt(i)t fo fctjnrf
ausgeprägt in bet (5^orm boten fie aud) einem fo guten
©ebödjtnis, roie er e§ befa^, nid)t fo riet Slnfnüpfungen
unb ©elegenfieit, barnuf jurürfpfommen. Qm Saufe bet
Debatte über bie Beibehaltung ber Jobegftrafe, bie in bem
Sntttiurfe eineä ©trafgefe^budieä für ben 9)orbbeiitfcI)en Sunb
DorgefeI)en loar, nntini er (1. SJlärj 1878) auf ben ©d)Iii§
Don EI)amif|o§ ®ebid)t „%k ®iftmifd)erin" Sesug:
„3(fc btidE ftau unb feft oom 9)abi;nfteiii
öi'ä Slicüjtä I) in ein", —
nur roer bnriiber mit ftc^ einig fei, baf; biefem 2eben fein
anbere§ folge, lönne bem SScrbrecfjer, ber „feften Slicfä oom
Siabenpein in baä 9iid)tä ^ineinfieljt", ni^t jumuten, al§
©efangener ba§ ^^oäp^oregjieren be§ ®e^irn§ unter ben
Entbehrungen einer QvUt nod) eine ^^itlong fortjufc^cn.^)
®tn anbetet 5RaI fpiett et bei einet ^Interpellation in
©Qc^en ber SJIunsgefe^gebung e6enfal(§ auf ein S^miffofd)eö
©ebic^t an: et bemertt nämlicf), bur^ bie äut Unzeit et;
folgte anfrage, bte ben Staat^ftebit ber Üffentliii)teit gegen:
') Siflt. ©. 100. ') *$oIil. fflebm iV, S. 32G, 21.
— 114 —
über fd^äbigcn fönne, fe^e man bic 3Äinifter einigermaßen
in bie Sage, „mie ein fel^r pbfd^e^ ®^amiffofd^e§ ©ebid^t von
bem Semberger ^nben fagt, ber bem ©teinmurf eine§
©tubenten au^mid^: ber jertrümmerte eine Scheibe unb
ber ;3ube mürbe engelhaften, bie ©d^eibe ju bejal)len, benn
l^ätte er ftd^ nid)t gebüdt, fo märe bie ©d^eibe nic^t i^x-^
trümmert morben.^) @r meint ba§ ©ebid^t „2lbba (Sloff
Sacjefa". Sei ber 2lu§einanberfe^ung mit ber national^
liberalen Partei im ©ommer 1884 f(^reibt er bie ©^nlb
an ber fiöfung ber aften S^rennbfd^aft biefer ju, lengnet
aber, baß fie baju eigentlid^ ®runb ge^bt I)abe. 2lber,
fagt er,^ „e§ ift ein afte§ ®^amiffofd^e§ ©ebid^t, ba§ l^eißt:
lieben, lieben immerbar? id^ meiß nid^t, mie e§ meiter l^eißt:
aber — e§ mürbe ben Ferren langmeilig; fie moüten mit
au§ ber ©d^üffel effen, unb barüber fonnten mir un^ nid)t
tjerftänbigen". Siefe £efefrud)t an§ ber ^ugenbjeit fnüpft
an bie fünfte ©tropl^e in ®^amiffo§ „Sebemo^I" an, mo
e§ l^eißt:
„^ann fam ber §erbft, ber SBinter gar;
^ie ©d^roalbc 30g, nad^ altem ^raud^,
Unb: lieben? — lieben immerbar?
@§ rourbe !aU unb fror un§ aucf)."
aSon Uljlanbfd^en ©ebid^ten ftreift natürlich aud^ Si§^
mard gelegentlid^ ba^ t)on bem im Ägff^äufer fd^lafenben
Äaif er griebrid), ate er in ©rf urt unter großer .g^eiterf eit
unb 33raüo auf ber Siedeten eine Siebe mit ber berben
93emerfung f^loß, menn bie SSerfammlung ju ©rfurt (ba§
Uniongparlament), mie e^ nadt) einer alten S^ronif ein einft
ebenbafelbft t)on Äönig Submig geliaftener 9iei^§tag getan
I)aben foUe, ber unerträglid^en ©d^inberei ber ^vn^^veä^^t
1) ^olit. Stieben VIII, ©. 117.
2) ^olit Sieben X, @. 120.
— 115 —
unb 3iingenbre|rf)er ein ©nbe mad^en würbe, bann tüoöe er
glauben, „ba§ bie Siaben nom Ä^ff^öufer nertrieben unb
ba§ ber %a% ber beutfd)en (5inl)eit nal^e l^erbeigefommen
ift".^) Slu^erbem bejiel^t er fid^ nod^ in befonber§ eigentünt::
lieber SBeife au6) auf U^lanb^ „Olücf t)on ©ben^tt^.^)
STud^ fonft aber begleitete Si^mard burd^ feine vkU
bewegte unb Derf^iebenartige 2;ätigfeit nod^ manrf)e poetifd^e
(Erinnerung, o^ne ba§ er ju fagen Dermod^t l^ätte, wann
unb n)o er fte ft^ ju eigen gemalt. Slnflänge ber Slrt,
bie etwa in feinen Sieben t)orI)anben fmb, mögen fid^ freilid^
lei^t beut Slid be^jenigen entjiel^en, ber mit ber jum guten
2:eil nergeffenen poetifrf)en Siteratur jener .Qfal^re nid^t au§
einem befonberen 2lnla§ eingel^enbe 93efanntf(^aft gemad)t
l^at. Sßenn er in einem Srief an bie 93raut nom 17. g^ebruar
1847 ben Demuttlid) au§ einem -Don il)r gelefenen 2lutor
ber romantifdtien 9iid)tung in einem ©abreiben an il)n an^
gefül^rten ©a^: „Streue ift ba§ %^ntx felber, meldtieö ben
Äem ber ®yiftenj emig belebt unb erl)ält", f eine§meg§ fd^ön
finbet, fonbem im ©egenteil für eine jener „nebligen, f^meb::
lid^en ^^rafen" erflärt, „bei benen e§ fdimer ift, fid) eine
beftimmte aSorftellung in mad^en unb bie nid^t feiten Söfe^
mirfen, menn fte namentlich non g^rauen, bie al§ SJläbd^en
ba§ Seben faft nur burd) bie Srille ber S)i^ter gefd^aut
l^aben, au^ ber ^oefte ate SJla^ftab in bie SÖBirflid^feit
übertragen werben,"^) fo ift biefe Äritif für il|n mieber
l^öd^ft bejeid^nenb unb lä^t erfennen, mie ber i^m eigene
realiftifd^e Quo^ au^ auf fein SBer^ltniS jur fd^önen Siteratur
beftimmenb einmirfte. Unflar bleibt, worauf er anfpielt,
wenn er um biefelbe Qnt (1. g^bruar 1847) ber Sraut
t)on ©^ön^ufen au§ fd^reibt,^) „mit be§ Sräutigam^ 83e=:
1) ^olit. ^i^t>^n l (5. 232. ^) @bb. IX, @. 112. fß^l ©. 59.
3) ^Briefe an bie SJraut unb ©attin ©. 34. ^) (Bhh. ©. 10.
8*
— ne-
igen" l^abe er ftd^ S^f^S^/ ^^^ ^^^^ tücrbe er balb ni^t
mel)r einfam fein. 3)ann ift il^m „irgenbroo" ein SBerg im
@ebäc^tni§ geblieben: „2lu§ galfc^, Sift, Srug unb ©itelfeit
fpinnt bie Statur mit anwerft jarten gäbd^en ein g^Iatter^
bing, — man nennt e§ — SJläbd^en", ben er fid) natürlid^
beeilt „für au^gejeidinet Iügenl)aft" ju erflären. 83ei ber
58erl)anblung über bie SBirfungen, mel^e bie 2lufnal)me
S8aben§ in ben 91orbbeutfd)en 33unb t)orau§fid)tIid^ auf Saben
unb SÖBürttemberg üben fönne (24. Februar 1868), bemerft
er, ^) in bejug auf ©übbeutfd^lanb merbe ber 93unb aföbalb
jagen fönnen, „mit meinem SJlantel vox bem Sßinbe f^ü^'
iä) hiä)"., eine SRemini^jenj an 93um§' „D \&^^ iä) auf
ber ^aibe bort", t)on bem man wirb nermuten bürfen, e§
fei in ber Äompofition t)on SJlenbefefo^n non ben mufifalifd^en
intimen feinet ^aufe§ gelegentli^ ju ©el^ör gebrad^t morben.
S)enn natürlidf) maren Si^mard^ SBejie^ngen ju biefer
©eite in bem geiftigen Seben feiner 3^it ^i^t au§frf)Iie§Iid^
auf gelegentüd^e flü(i)tige ©inblide in bie neuere fd)öne
Siteratur gegrünbet. ©in begeifterter SBerel^rer namentlidf)
be§ S^rauerfpiete,^ märe er auc^ nod) in fpäteren :3a]^ren
gern in^ S^l^eater gegangen, fd)eute aber ba§ läftige 2luf^
feigen, ba§ fein @rfd)einen gemalt unb ba§ il^m burd^ bie
bamit nerbunbenen Störungen ba§ SBergnügen nerborben
^aben mürbe. 3)al|er fmb e§ mol^l au§ frül^eren Qzitm
ftammenbe ©rinnerungen, benen mir auf biefem ©ebiete bei
i^m begegnen. @ine§ befannten SÖBorte§ au§ bem erften 2l!t
be§ greifc^ü^: „©laubft bu, biefer mier fei bir gefienft?"
bebient er fiä)^) bei bem marnenben ^inmei§ auf bie STrt,
mie bie Ferren non ber äu^erften Sinfen in g^ranffurt,
beren Stimmen man bur^ ein üermerflid^e^ SJlarften unb
1) ^olitifd^e «Reben IV, @. 311.
2) «Bcrsl. <B. 102. 3) «ßolitifd^e «Reben I, ©. 91.
— 117 —
S^eilf^en mit ^rinjipien in bcr Äaiferfragc erfauft I)at,
bemnäd^ft von bem neuen Äaifer angeftd^t^ be§ Sieid^^abletjg
al§ fio^n entfpre^enbe 3w8^Pänbniffe politif^er Slatur
forbetn werben, ^m ^inblid auf bie unentfrf)iebene ^olitif
^reu^eng im grü^jal^r 1859, bie i^n Derftimmt — „SBir
bleiben Xxzxb^oli, auf unfetn eigenen ©emäffern planlos
uml^ergeblafen t)on fremben SOBinben; unb ma§ für ruppige
äßinbe, übelried)enbe!" — fa^t er fein Urteil ber ©attin
gegenüber DoU bittern ©pott^ in ben ©a^ jufammen: ,,2öir
lieben bie Seporelloroüe unb Cfterreid) bie be§ S)on ^uan". ^)
SBäl)renb ber 9ieife na^ Oaftein beflagt er fid) (19. :3uli
1863), auf jeber Station merbe er mie ein ^^apanefe an^
gegafft unb mit bem ^nfognito unb feinen Slnnelimlid^feiten
fei e§ üorbei, bi^ er „bermaleinft mie %xa 2)iat)olo nerfd^oUen
fein merbe".^) ^n befonber^ ftnnnoHer 3Irt nermertet er in
einem ©efpräd^ mit bem englifrf)en ©efanbten ©ir ©bmarb
9Jlalet anä) fonft gelegentlidf) bei il^m anllingenbe Söagner?
SRemini^cenjen, inbem er non bem eben Heimgegangenen
Äaifer griebrid) EH. fagt,^), et l|abe jenen 91imbu§ um fi^
gel)abt, „mit bem mir ju umfleiben pflegen bie mgtl^ifi^en
gelben au§ bunfler SBergangenlieit, au^ ber Szxt ber Oötter^
bämmerung", unb bann fortfährt: „3^reunblirf)feit, Äraft unb
3Äut maren in il^m gemifd)t mie in ben gelben, au^ beren
2zhen un§ biefe @igenfd)aften ate einjige @rbfd)aften über^^
fommen fmb. ©ein Zoh mar mie ber Eingang Äönig
2lrt!Hur§ ober ber 2lbfd)ieb SoI|engrin§".
3)od^ aud^ leid^tere äBare oerfrfimäl^te 33i§mard ge^
legentlid) nid^t auf biefem ©ebiete. @r eignet ftrf) au^ bem
oiet gegebenen „g^eft ber ^anbmerfer" oon Slngelg ba§
1) «riefe an bie «taut unb ©attin, (S. 419.
2) Q^ht>. ©. 524. 3) ^e^n ©. 132.
— 118 —
befannte „barum feine g^einbfdiaft'm^t!" l^umorDolt an/)
unb au§ 9iüber§ alter 3öuberpoffe „3)er artefifc^e 93runnen"
ba§ befannte: „SJleine SJlittel erlauben mir ba^", inbem er
e§ f(i)erjenb in bie Slegatiüe roenbet.^) SJlit ben allerneneften
®eifte§probuften auf biefem ©ebiete aber jeigt er fid^ üer^^
traut, wenn er gar^) au§ ber juerft 1858 gegebenen ^offe
3)at)ib Äalifrf)§ „S)er gebilbete ^au§fne(i)t", in ber wdl^renb
ber Äonf(ift§jeit auf feine Soften mand^er berbe poütifd^e
SBi^ gemad)t würbe, fic^ I)eiter ba§ Sßort aneignet: „@o ein
SBi^^en 3^ranjöftfd), ba^ ift bod) gar ju fd^ön". ^n biefelbe
Kategorie fann man au(^ bie 2lnfü!^rung be§ einft vkU
gebrausten 2öorte§ red)nen: „©ol^n, ba l^aft bu meinen
©peer",^) meld)e^ g^riebrirf) Seopolb t)on ©tolberg in bem
„Sieb eine§ alten fd^mäbifd^en 9iitter§ an feinen ©oI)n"
ben greifen gelben fagen Id^t, beffen alteräfd^mad^em Slrm
bie bi§]^er gefül^rte Sßaffe ju ferner mirb.^) 9lirf)t naä)^
mei^bar, tjermutli^ aber ebenfalls au§ einem einft t)iel ge^
gebenen 2:]^eaterftüd^) ift bie ©entenj: „S)e§ 9Jienfrf)en SÖBilte
ift fein ^immelreid^", beren er ftd^ in einem 93riefe an grau
t)on Slrnim bebient in bejug auf ben SBunfd^ feiner ©attin
ein DpaII)erj al§ ^atefd^mud ju befi^en.'O
Qn feinem ber älteren ober jeitgenöfftfd)en 3)idf)ter aber
I)at 93i§mard in einem fo engen 9SerI)äItni^ geftanben mie
JU unfern beiben großen Älafftfern, beren jeber il^m für
gemiffe ©eiten feinet ®eifte^= unb ®efül)feleben§ reid^e unb
1) ^olitifd^e Stieben VII, ©. 250, IX 330, 359. Sögl. m^^
mann, (S. 264.
2) ^olitifd^e Stieben IV, ©. 257. Sögl. 93üd)mann, @. 284.
3) ^olitifd)e Stieben XII, ©. 320.
4) ebb. IX, ©. 31. 5) SBgi. «öüd^ntann ©. 197.
6) ^öl. jebocf) aud) <sanbcrg 3itatenIeji!on ©. 691.
7) ^efefiet @. 213.
— 119 —
nadil^altigc Slnregung bot unb bal)er crmöglidite, wa^ i^n
bewegte, burd) ein treffenbe^ 3)i(i)tern)ort fraftüoH unb Qt^
meinüerftänbUd^ jum STit^brud ju bringen. @§ ift pf^diologifd^
ro6t)l begreifli^ unb juglei^ lel^rreic^, ba§ er fi^ von äßerfen
wie „Slamgo" unb „©tella" nnb von ben „^a^lvzxmanhU
fd^aften" wegen ber ©d^n)äd)Iid)feit ber (S^araftere il^rer
gelben el^er abgefto^en fül)lte, rodl^renb er ben „Sauft"
gerabeju ber Sibel an bie ©eite fteüte unb immer roieber
jur ^anb na^m. 2lud^ ©oet^efd^e ©ebid^te l^at er nod^ im
I)oI)en 2Kter nad^t§ im Sett gelefen. ^) 2lu^ einem Sinter?
geniu§ gegenüber nerji^tete er nid)t auf bie Äritif, fonbern
malerte ftd^ wie überall bie 3^reil)eit be^ eigenen Urteitö.
3u ben blinben aSerel^rern be§ großen Sid^ter^, bie über^
l^aupt alle§, ma^ au§ beffen 3^eber gefloffen ift, ate mit
einer befonberen äBeiI)e umgeben bel)anbeln unb ju einem
©tüd nationalen ^eiligtum^ mad)en wollen, ol^ne bamit bodf)
bie S^atfad^e au§ ber SBelt fd^affen ju fönnen, ba§ bie Qat)l
ber in weiten Greifen wirflid^ gefannten unb auf ^erj unb
©emüt unfereg 9Solfe§ no^ einmirfenben Sßerfe ©oetl^e^ im
Saufe ber 3^it immer fleiner geworben ift unb nod) bauemb
jufammenfd^miljt, — ju biefen überfd^menglid^en SSere^rern
be§ ©d)öpfer§ be§ oon i^m bemunberten g^auft ^t Si^mard
nidf)t gel^ört, nielmelir ^at er aud^ l^ier ben 9Jlut ber eigenen
9Jleinung gel^abt unb ol^ne 9iüdfirf)t auf bie möglid)e @nt^
rüftung unb ba^ entfette ©rftaunen jener ©emeinbe fi^
gelegentlid^ bal^in au^gefprodtien: „SBon ©oetl^e fdtienfe id)
Qlinen brei aSiertel."^ S)a§ Hingt freili^ für man^e^ D^x
wie eine Äe^erei, unb borf) wirb aud^ biefe§ 33i§mardfd^e
3G3ort nur ben tatfäd^lid^ gegebenen SBerl)ättniffen gered)t.
SBoüte man nämlid^ jufammenredinen, ma^ oon ber SJlaffe
1). Refill ©. 516.
2) «uf^, Stageburfiblätter II, ©. 28, 29.
— 120 —
ber ©oetl^efdien S)i(i)tun9en in bem geiftigen fieben itnfere§
aSoIfe^ anä) l^eute no^ tüirflid^ eine SioUe fpielt unb nic^t
bIo§ in bem engen Greife ber ®oetI)et)ere]^rer gefannt unb
gefrf)ä^t wirb, fo mürbe ba§ nod) lange nid^t einmal ben
vierten S^eil ber ®oetI)efd)en S)irf)tungen aulmad)en.
3)iefe§ SBeri^ältni^, in bem ba^ beutfc^e SBoIf l^eute taU
fäd)Iid) ju feinem größten Sid^ter fte^t, mieberl^olt fi^ in
bem, ba§ Si^mard ju bemfelben gel)abt I)at. 9Son ben
@oetI)efd^en @ebid)ten fpielt er Seopolb von ©erlad) gegen^
über auf ben „ß^uberlel^rling" an mit ber 93emerfung, er
fürd^te, ba§ man mie am 22. 9Jlärj 1848, mo man bo^
bie SJlöglid^feit baju ge^bt l^ätte, ftd) nid^t merbe entfrf)lie§en
fönnen ju fagen: „Sefen, feib gemefen".^) 2lu§ „(Sd)äfer^
Älagelieb" menbet er bemfelben Äorrefponbenten gegenüber
ben SBer^ an: „^d) bin l^eruntergefommen unb mei^ bod^
felber nid^t mie'' in bitterem ©pott an auf bie fortfrf)reitenbe
©inbu^e, bie ^reu^en feit 1815 an feiner ©eltung in ©uropa
erlitten l^at.^) 9Jlit bemfelben Qitat fennjeidtinet er im
9iot)ember 1881 ben Siüdgang be§ nationalen ©inne§ unb
ber nationalen Dpferfreubigteit feit (5rrid)tung be§ 9ieid^e§,
inbem er ^injufügt: „äBa§ ba§ ©dtimert xm^ 2)eutfd^en ge^
monnen l^at, mirb burd) bie treffe unb bie 2;ribüne mieber
üerborben".^) SBon au^ ©oetl^e ftammenben geflügelten
äBorten fel)lt bei il^m meber ba§ „fül)l bi§ an^ ^erj l)inan"
au§ bem ^ifd^er^) nod^ ba^ „93ift bu nid^t miliig, fo braud^'
i^ ©emalt" au§ bem „Srlfönig",^) unb au^ bie ber „93e^
l^erjigung" entftammenbe SUlal^nung: „Qeber fel^e, mie er§
treibe, jeber fel^e, mo er bleibe" l)at er ftd^ p eigen gemad^t.^)
1) S3riefe an ©erlad^, ©. 140. 2) @bb. ©. 316.
3) ^olitifd^e «Reben IX, ©. 124.
4) @bb. IV, ©. 229; VIII, ©. 148. ^) Qiht>, X, (g. 58.
6) ^h\>, IX, ©. 16.
— 121 —
S)a§ SBi^mard ben „®ö^ von SBcrlid^ingen" aud^ in
fpäteren ^^^i^cn "noc^ gelefen ^t, beroeift bic äßieber^olung
be§ SBorte^, ba§ ber S)td)ter feinem gelben in ber 19. ©jene
be§ 3. 2lfte§ in ben 9Jiunb legt! „Sin brauet SReiter unb
ein rerf)ter SRegen mangeln nie eine§ ^fabe§"^) nnb ber
berben 2lbfertigung, bie ber Siitter mit ber eifemen ^anb
bem il&m bie 2l^t üerfünbenben ^aiferlic^en SRat juteil werben
lä^t: „Strügeft bu ni^t ba§ ©benbilb be^ Äaifer^" nfm.^)
2lucf) ben „2;affo" l^at er gelegentlirf) mieber burd^gebldttert.
Qu einem Srief an Oerlad) menbet er ba§ bekannte „man
merft bie 3lbfid)t nnb man mirb nerftimmt" (11. 2lft, 1. ©jene)
an anf ^ren^en^ aSer^Itni^ jn ben übrigen 93unbe§ftaaten:
mit biefen mie mit Dfterrei^ mürbe ^reu^en nad^ feiner
9lnfid)t beffer au^fommen, menn e§ fid^ im ganjen IüI)Ier
nnb freier ju i'^nen fteltte, o!|ne feine preu^ifd^e nnb egoiftifd)e
^olitif mit bem räubigen Hermelin bentfd^en ^atrioti^mu^
aufjupn^en (25. ^lonember 1853).^ Qm aJlai 1886 erllärte
er bei ben SBer'^anblnngen über bie Sieoifton ber Äultur^
fampfgefe^gebung in (Erinnerung an be§ 2lnlonio äBort
I. Srtt, 4. ©jene:
„®enn raetd^er ^(uge fönb* im S8ati!an
m(i)t feinen 9Jietftet?''
Sluc^ er beftreite nid^t biefen ©d^idfal ju l^aben, fei
jubem gar nid^t beftrebt gemefen, e^ um jeben ^rei§ non
fid) abjumenben : fein Qkl fei nur, auf einem ©ebiete feinen
aJieifter nidt)t ju finben, auf bem ber gürforge für ba§ äBo^I be§
eigenen SBaterlanbe^/) — mobei man in ben legten SÖSorten
üielleid^t eine (Erinnerung erbliden barf an be§ ^eftor @r^
1) ^olit «Reben. IX, (g. 360.
2) t). ^ofd^inger, 3lnfpra(f)en, ©. 239.
3) S3riefe an ©erlad^, ©. 105.
4) ^olitifd^e ^eben XII, ©. 117.
— 122 - ^
ftäruiig bei .jöomer: „din 3Ea^rjeid)en mir gilt, bem SSateti
lanbe jit biestm".
©emöfe feiner auägef pro ebenen 95orIiebe für biefeg. 1
®oeft)ef^E aBert, iceldie un§ baö fojiifageu fauftif^e
Slemcnt roibetfpiegelt, baä fid) — immentUd) roa^renb feiner
©tiirm= unb ©cargjeit — gelegcntlid) in i^m regte, I)at
StömarcE ben gauft — e§ ^aiibelt fiä) habet begcdfltc^eri
roeife nur um ben erften Seil — beforbers gut getanut unb j
au§ ber JüKe gebanfentiefet Sprücfie, bie et batbietet, niete I
gebraucl)t uiib eiuäelue bauen, bie i^m befonberä äufogten,
fogar oft raicbec^ott. ©ein ^ntereffe für biefe Sichtung
betätigte er aud) babutd), ba^ et im Sreife ber mit feiner
gamilie um ben Seetifdj DCtfammelten ^ausifreunbe fi(^
gern mit bem @oet£)ef[irfd)er ©uftan non Soeper über beffen
©tubicn übet ben ^auft unterhielt.') Sic er frütiäeitig
mit bem ^fauft oerttaut mau unb immer roiebet ju i^m
jurürffe^rte, beroeift Qujjerbem auc^ bie Satfac^c, baß 9lns
füf)ritngen qu§ i^m nnb 3tn[pietiingen auf i£)n fid) faft gleic^s
mä^ig burt^ alt bie langen 3a^re feinet öffcntlid)en 3Birfen§
bei i^m fiuben, niä^renb man &ei bcncn aug anbereu Stutoren
äuroeilen roo^I ben Ginbrurf geroinnt, all ob fie i^m etft
burd) befunbere 3tn[äffe, cieüeidjt bie beliebte nädjtlt^e
Settüre, roieber iu Erinnerung gebracht unb bann nur fo
lange gegenroättig geblieben feien, biä fie burd) anbete ftäitere
Sinbtflrfe ä^nlic^er 9ltt abgelöft rourben.
SIercitä in einem S3rief an ©etlac^ (26. Sionembet 1851)^) i
roenbet er beä %a.u^t SBort in ber ©tubieräimmerfjene ;
„äöemi aii§ äiem fc^recflid)eu ©eroül)le
Sin fflp betmtiiler Ion mic^ ,iog"
fdterjenb an auf bie angenehme Unterbreijung, bie i^m.
1) ö. Äeubetl, S. 193. =) Briefe nii ©eirla^, ®. 11.
— 123 —
bem el)emate bobenlo^ faulen Sanbjunfer, in bem il^m neuen
Seben be§ galerien be§ S)ienfte§ ,M^ Oebrült ber unnü^eften
beiben Äinber ber SÖBelt bereitet". @benfaߧ ©erla^ 9^9^^'
über gebrandet er (20. Qf^nuar 1854)^) be§ SJlepl^iftopl^ele^
SBort sunt ^erm über g^auft (^rolog im $immel):
„grütroal^r! er bicnt (Sud) auf bcfonbere SBeifc"
t)on bem SRunbfdiauer ber Äreujjeitung, bem 93ruber be§
©enerate. ^n ber ÄonfIift§äeit rid^tet er e§ (22. ;3anuar
1864) gegen ben ©rafen ©dimerin, ^), inbem er il^m babei
famt feiner Partei ein @nbe t)orau§fagt, mie e§ Dr. gauft
genommen — „im erften S^eil nämlirf)." ^m 91ot)ember 1885
aber fd^ränft er burdf) ben gleid)en Sn\aii ba§ Sob ber tjolt^
ftänbigen 9ieid)lfteunblirf)feit ein, ba§ er eben tronifd) bem
STbgeorbneten Sßiubtl^orft erteilt l^at.^) S^nlici) gebrau(i)t
er ju t)erfrf)iebenen 3^it^^ in Derfd)iebenem ©inn aud) be§
9Jlep]^iftop!|eIe§ Sßort am @rf)lu§ be§ ^roIog§ im ^immel:
,,33on 3ett 5U 3eit fef) id) ben eilten gern
Unb pte ttiid^ mit il^m gu bred^en." '
©inmal (8. g^ebruar 1872) menbet er e§ an auf ben
3entrum§fä!^rer9ieid^enfperger^) unb fpätertjariiert (18.9Jiärj
1875) auf bieQefuiten; er i)abt, meint er, in feinem Seben
bie 3^reunbfd)aft mand^e§ ^efuiten genoffen unb fei aud^
je^t no^ nid^t ganj oI)ne 3^üI)Iung mit il^nen, menn er au^
noc^ nidt)t fo meit ge!|en motte ju fagen: „SB^n Q^xt ju Qzit
fel^e idt) bie 2llten gern". Sl^nlid^ fagt er bei ber 93efämpfung
ber 2lrt, mie SBinbtl^orft in bie ruljigfte unb fad^lid)fte ®i§^
fuffton unnötigermeife tjerbittembe ^erfönlic^feiten ju bringen
liebe, mieberum in bejug auf biefen (10. Januar 1858):
1) «tiefe an ©erlad^, ©. 124.
2) ^olitifdie Stieben II, (S. 274.
3) @bb. XI, (g. 278. ^) &hh, V, (g. 251.
— 124 —
„SBon 3^it i^ 3^'t l^ör^ i^ il^n gern unb l^üle mi^ mit
il)m ju brcd^en".
2ln feine SBraut fd^reibt er (4. aJlärj 1847) i): S)a fi^e
id) ganj gemütlid) unb fd)reibe, nnangemelbet Ilopft man;
,,D Stob! id^ fenn^^, ba§ ift , ba^ biefe pHe ber
@eftd)te (?) ber trodne @rf)Ieid^er ftören mu^" unb gibt fo
burd) ein glü(ilid)e§ 3itat au§ ber erften ©jene be§ g^auft
ben Unmut über einen unbequemen SBefudf) braftifd)en 2lu§'
brud. 2lu§ bem „©pajiergang vox bem S^or" benu^t er
bie jum gepgelten SBort geworbene SÖSenbung:
,,2Benn leinten tief in ber 2:ür!ei
%iz S8öl!er aufeinanberfd^Iagen"
um au^jubrüden, mie Iäd)erlid^ il)m bie 3iiw^utiing ber
,,®ermania" erfrf)eint, f\ä) in bie S)eutfd)Ianb ni^t§ an^
getienben SÖSirren auf ber 93alfan^Ibinfel eiujumifciien, be§^
^alb nad^ Bulgarien ju laufen unb bort bie ^änbel ju
furf)en, bie man anberroeitig nid)t l^aben Mnne. ^n einer
2lnfprad^e oermeift er feine §örer, bamit fie feine weiteren
©fpeltorationen oon x^m befürrf)ten, auf bie fieftüre be^
g^auft, ©pa^iergangfjene.^ 2lu§ bem ©efpräd^e g^auft^ mit
bem trodenen ©rf)Iei^er äBagner eignet er fi^ ba§ 3G3ort
an: „2Bie mir e§ benn jule^t fo I)errli^ meit gebrad^t/'
^m ©inne g^auft^ fpielt er e§ ooH bitterer Ironie au§ gegen
bie 3lnfid)t SBinbtl^orft^, ®eutfd)Ianb Derbanfe feine glänjenbe
©teßung bem ^nftinft ber Station, ^) mie er frül)er einmal
(4. Slooember 1852) gemiffe ©d)mäd)en be§ öfterreid^ifd^en
9Jlinifter§ 2;i)un ©erla^ gegenüber nirf)t beffer fd^ilbem ju
!önnen meinte, ate inbem er i^m etma§ von bem ß^arafter
1) «riefe an bie «raut unb ©attin, ©. 59, 60.
2) t). ^ofc^inger, ^Infptad^cn ©. 125.
3) ^olitif^c ^eben XI, ©. 106.
— 125 —
nad^fagte, ben im g^auft bie alte ÜJlart^a in ber Untcrrebung
mit 9Jlep]^ifto il^rem tjerftorbenen ©atten beilegt.^)
©ine gemiffe SBorliebe mirb bei Si^mard für bittere
äBorte be§ 9Jlep]^iftop!^eIe^ erfennbar: offenbar ift e§ il^re
fd^neibenbe Ironie, bie il)n anmutet unb bereu er fid^
ate mirifamer SBaffe gerabe gegen poütifd^e SBiberfad)er
bebient. äBie SffJepl^ifto bem ©d^üler erflärt (4. ©jene):
„^6) bin be§ troduen S^on§ nun fatt", milt er eine äl|nlirf)e
2lnftd^t au§ einer Siebe SBinbt^orft§ entnommen ^ben, ber
mieber einmal ba§ 93ebürfni§ fü^Ie, „mit großen untere
ftridienen äBorten ju fpred)en" (3. 2)ej. 1884).^) SÖBieber^
l^olt fäüt il^m in ber parlamentarifd^en Debatte, mo fo uiel
mit unflaren ©d^Iagmörten operiert ju merben pflege, ba§
äBort ein:
,,^entt eben roo S3egriffc fcl^Ien,
®a fteHt ein SBort jur redeten 3ett fid^ ein",
(gauft I, 4, ©tubierjimmer), fo gegenüber ber oon aJliquel
in§ ©efed^t geführten „SBoIf^poIitif" (24. Februar 1870)-^
gegenüber ben Übertreibungen, mit y^^nm t)on feiten ber
fortgefd^rittenen greiftnnigen il)m ein ^au^meiertum unb bie
Übung einer S)iftatur angebid)tet mürben (28. 3lov. 1881),^)
unb bann audf) ber 2lrt, mie ber 2lbgeorbnete Siidert einmal
bie Soften naä) ^rojenten au§gered)net miffen moüte, meld)e
bie oerf^iebenen 3lrten oon 93ebürfniffen im ^au§^It be§
f leinen aJlanne^ erf orbern (16. 3^ebr. 1885).^) SDIit bemfelben
3itat befämpft er au^ (24. Qan. 1887) ben agitatorif^en
©ebrau^ be§ 9Borte§ Sieaftion.^ S)ann fd^neibet er mieber
bei einem feiner partamentarifdE)en ©mpfänge ein il^m ju^
1) S3riefc an ©crlad^, @. 44.
2) ^olit. ^eben X, ©. 299. 3) @bb. IV, ©. 319.
4) ©bb. IX, (5. 118. 5) (Bhh. XL, <B. 29. 6) @bb. XII, ©. 294.
— 126 —
gemutetes poÜtifc^eS ©efprfii^ ab burc^ ba§ befannte: „(Bin
garftig Sieb! ^fui! ©in politifd) Sieb" au§ ber ©jene in
2luerbad^§ ÄeHer.^) @ben biefe fd^roebt i^nt t)or, wenn er
fpottenb be§ neuaufge!ontmenen ©d^lagroorteig gebenft bie
fojialbemofcatijd^e Sieoolution werbe „fi^ ganj ^errlid^ offem
baren".^ S)od) t)erjid)tet er barauf, ben t)oHen SBortlaut ber
©teile anjufül^ren, baSJlepl^iftopl^ele^ be!anntli(^ jug^auft fagt:
„&xh nur erft ad)t, bie Söeftialität
SBirb fid) gar ^errlid^ offenbaren."
9ted)t au§ bent ^erjen gefprod^en war 93i§mardE feinem ganjen
9latureH nad) be§ aJ?ep^i[top]^eIe§ SBort ju bem ©(^üler:
„@rau, teurer g^reunb, ift aUe ^^eorie
Unb grün be§ Seben§ golbner Sßaunt."
Qn ber biplomatifc^en 2^ätig!eit fanb er fogar bie S^l^eorie
no(^ grauer atö im gemö^nlid^en Seben (9. ®ejbr. 1866).^)
^n bemfelben Silbe bringt er bie SDleinung jum Slu^brud,
e§ fei unmögli(^ eine bestimmte ©d^ablone aufjufteHen für
bie jwedmfi^igfte ©inrid^tung ber SSermaltung ber Sieic^g-
finanjen (5. 3Jlärj 1878)/) unb mit einem gemiffen ©tolj
rü^mt er fid^ (28. 9lot). 1881), aud) in ber Sanbroirtfd^aft
im g^abrifmefen unb in fi^nüd^en pra!tifd^en ®ingen ^abe
er feine Erfahrungen nad^ bem SBort be§ ®id^ter§ unter
bem golbenen Saum be§ Seben§ gefammelt.^) ®er x)on i^m
beftrittenen SBe^auptung, ben QoU beja^le ber Äonfument,
beren SBertreter bafür eine güUe non 2lrgumenten norju^
bringen pflegen, fe^t er wieber^olt 3^auft§ 2lu§fprud^ ent=
gegen (I, 11. ©jene, ©tra^e):
„Ser 9led^t behalten mü unb ^at nur eine S^n^^f
«e^ält§ geroi^.ß)
1) D. ^ofd^inger, S8i§ntard unb bie Parlamentarier I, @. 162.
2) ^olit. meben X, ©. 112. 3) @bb. IV, ©. 69. .
*) ebb. VII, ©. 178. 5) (^hh. IX, ©. 133. ß) &h\>. VIII, @. 385.
— 127 —
3Jlit i^nt fennjeid^net er au(^ bie ablcl^nenbe Haltung ber
©egner ju feinen Sieformplänen al§ fad^lid^ unbered^tigt.^)
®en %hiä), mit bem ^ßi^ft i^ f^'^^^ aSergroeiflnng alle§,
maS il^m einft teuer geroefen unb mag er für erftreben^mert
gel^alten, ate trügerif(^ unb nid)tig x)on fid) ftö^t unb ate
£od= unb Oaufelmerf t)erbammt, ba§ bie ©eele umfpannt
unb mit 93lenb^ unb ©(^meic^elfräften in biefe S^rauerl^ö^Ie
bannen miH, t)ergleid)t er bem Programme ber fojialbemo^
fratifd^en ^artei.^) ®ie barin t)orfommenbe SBenbung
„5^wd) ber ^o^en ajleinung,
Somit ber 9Jlenfd) fid) felbft betrügt",
mar i^m a\xä) fonft geläufig.^) ®ie ©rfolge ber ©ojiat
bemo!raten erHart er fid) menigften§ ju einem 2^eil pfqd)o^
logifd) barau§, baj3/ menn man einem 9Jlenf(^en t)on geringer
Söilbung ben ©lauben an @ott, bie 9ln^nglid)feit an ba§
SSaterlanb unb ba§ ©efü^l für bie g^amilie genommen l^abe,
e§ nid^t attju fd^roer fei, il^n bal^in ju führen, ba§ er mit
3^auft fprid^t:
^^^'tuc^ fei ber Hoffnung, fjluc^ bem ©lauben
Unb 3^lud) Dor aUem ber ©ebulb!"
2)ie befannte Slufjäl^lung all ber eblen Dualitäten, bie auf
feinen @^renf(^eitel ^ufen ju laffen, be§ Sömen 3Jlut, be§
^irfd^e§ ©dt)nellig!eit ufm., SiJlepl^ifto ben gauft rät, fid^
mit einem ^oeten ju affojiieren, nimmt 93i§mardE einmal
jum 9lu§gang§punft, um barjutun, mie, ba niemalig ade
SSoHtommen^eiten in einem Äörper gleidt)mä§ig vereinigt
fein fönnen, bei mani^em reid^begabten 3Jlanne namentlidt)
bie 93erebfamfeit gegen ben SBerftanb in gefäl^rlid^er äBeife
übermiege: bal^er oermiffe man bei fe^r berebten Seuten
1) ^olit. [Heben VIII, ©. 138, 228.
2) @bb. XI, @. 397. 3) (gbb. IV, @. 191; VI, ©. 202.
— 128 —
wie bcm 9lbgcorbneten ©ugen Siid)tcr, juroeilcn lül^le 93e^
fonnenl^eit unb filtere ©rroägutig.^)
9ludf) an fid^ nid^t eben t)ieljagenbe ober bcbentenbe
SBorte unb SBenbungen au§ bent S^uft, bie fid^ i^nt ate
t)oHenbeten Äcnner ber S)id)tung in mand)en ©ituationen
junt 2tii§brudE für \aä)lx6) eigentüd) unroefcntüci^e S)inge
ungefud)t barbieten, gebraucht 93i§mard gelegentli(^ mit
grojser oratorijc^er äBir!ung, fo j. 93., wenn er bie SBorte
be^ ®ire!tor§ au§ bem SSorjpiel im S^l^eater:
„^er 2öorte fmb genug geroedifelt,
i2a^t mxdj aud) enblid) 2:aten fe^n",
bem Stbgeorbneten oon ^ennig gegenüber nid^t ate bie
3^ormeI gelten laffen miH, nad^ ber man im 9iorbbeutfd^en
Sunbe^rate t)erfa^ren muffe, inbem man ftatt junädfift
burd) grünblid)e (Erörterung einen 9lu§glei(^ jmifd^en ben ein^
anber gegenüberfte^enben 9lnfid^ten ju erftreben, fofort fagte
„Stimmen mir ab, SQSorte fmb genug geroed^felt": benn bann
mürbe man ©efa^r laufen, ^reu^en felbft in großen nationalen
Slngelegenl^eiten majoriftert ju fe^en.^) ©in anbere§ SJlal
(10. Januar 1885) frf)liej3t er bei ber SSerl^anblung über bie
beutf(^en ©rmerbungen an ber SBeftfüfte 9lfri!a§ feine lange
unb einbringlid^e Siebe jugunften ber SBorlage mit ber an
biefelbe ©teile an!lingenben SWal^nung: „SBorte fmb über
biefe S^^^age genug geroed^felt, laffen ©ie un§ je^t bie 2:at
einer Slbftimmung fe^en".^) 9J?it braftifd)em ©ffeft vtx^
menbet er me^rfarf) ba§ SBort be§ 3Jlep]^ifto, afö i^n ^auft
burd^ feine 93efd^mörung§formel ai\§ ber ^üHe be§ ^ubeB
^erau^nötigt, „SBoju berSärm"?^) ®en Äonferoatioen ruft
er bei ber Beratung be§ @efe^e§ über bie 2llter§= unb
^nnalibität§oerfirf)erung (18. SKai 1889), mobei er fie mit
1) ^olit. mthm IX, ©. 56. 2) (^\^t^, IV, ©. 169. '
3) (Bh\>. X, ©. 430. *) @bb. III, ©. 25; IX, @. 348.
— 129 —
ber Dppofttion gcmeinjame ©ad)e mad^en fielet bebaucrnb
„ben ©pru(^ bc§ ®t(^tet§" ju, ba§ SQSort, mit bem ®rct(^en
gauft t)or feinem ^öttifd)en ®efä!^rten marnt:
„@§ tut mir lang fc^on roel^,
S)a^ id) birf) in bcr ©efettf^aft fe^^".i)
Qm ^inblid auf bie SQSirlungen einer Interpellation, meldie
ber Slbgeorbnete ©ugen Stifter über bie t)on ber Sieid^g^
regierung beabfid^tigten SiJla^nal^men jum ©d)u^ ber beutfdf)en
:3ntereffen gegenüber ber neuen rufftf(^en 3ottpolitif einge-
brad)t unb bie ber Slbgeorbnete ^änel vertreten ^atk, er^
flärt er bie beiben Ferren in (Erinnerung an bie befannte
©rflärung, bie 9Kep^ifto bem ??auft in betreff feinet in fid^
miberfprurf)!§t)oHen 83erufe§ gibt, umgefel^rt „für einen S^eil
ber Äraft, bie ftet§ ba§ @ute miU unb ftet§ ba§ SBöfe
fc^afft.2) SIuc^ be§ ajlep^ifto aOäort: „Slttmiffenb bin ic^
nid^t, bodf) ift mir t)iel bemüht" gebrandet er me^rfarf).
©inmal l^ält er SBinbt^orft gegenüber bie oon i^m üor^
gebradf)te ungefähre ©dt)ä^ung be§ 9Sermögen§ ber ^efuiten
in ^reu^en afö bod^ mo^l jutreff enb aufredet mit ben äBorten :
,,^6) fann ja aHmiffenb nid)t fein, bod^ ift mir oiel berouj3t,
mie jener fagt",^ unb fpäter (13. Januar 1887) empfiel^lt
er bemfelben 9iebner, ber befannt l^atte, nid^t red^t ju
miffen, ma§ benn eigentlich in bem öfterreid^ifd^en SünbniS^
vertrag ftel^e unb mag überl^aupt nod^ barin ftel^en fönne,
„fi(^ mit bem alten Ooetl^efd^en ©prud^ ju beruhigen, ba§
il^m jmar fel^r vkl bemüht fei, e§ aber bod^ einiget geben
muffe, ma§ er nid)t mei^".^) 2lud) be§ g^auft 3^rage an
ben 9Jlep]^iftop]^ele§: „SQ3a§ miltft bu armer Seufel geben?"
t)ermenbet er mieberl^olt fe^r mirffam, fo in bejug auf bie
il^m ol^ne Orunb na(J)gefagte SSerbinbung mit Saffalte, bem^
1) ^olit. «Reben XII, ©. 628. 2) @bb. VI, ©. 466.
3) @bb. VI, ©. 257. 4) (gbb. XII, ©. 275.
$ruö, 53t8marcf8 Jötlbung. 9
— 130 —
gegenüber für il^tt, ben 9Jiinifter, t)on polttifd^en 95er]^anb:=
lungen nid^t !^abe bie Siebe fein fönnen/) ba er fid^ borf)
in betreff jene^ ^be fagen muffen: „3Ba^ fannft bu armer
2:enfel geben?", mä^renb er feinerfeitö in feiner (Stellung
i^m bod) nid^t§ l^abe geben fönnen. 3Jlit ber gleid)en
grage — unb jmar in berfelben ungenauen t^^ffii^^S —
tritt er ben Seftrebungen entgegen, bie, mie er meint,
barauf au^gel^en, bie Slutorität be§ preu^if^en ^önigtum§
in politifd)en 3^ragen in ben 2tugen be§ monard)ifc^ gefmnten
aSoIfeg burd^ planmäßigem Seifeitefd^ieben aUmäl^Iid^ ju min^
bern.^ 91a^ bem aSorbilb be§ SJlepl^iftopl^elem, meld^er
einen ^errn, ber ail bie t)on S^auft begel^rten @igenfd)aften
in fic^ vereinigen mürbe, „^errn SKifrofo^mu^" nennen
möchte, mürbe er biefen Flamen bem x)on il^m erfel^nten
Stu^fc^uß beizulegen bereit fein, ber imftanbe märe, alle
unfere mirtfrf)aftlirf)en unb fommunalen SSerl^ältniffe mit
einem 93lid von einer ©teile au§ ju befc^auen unb ju be-
!^errfdf)en unb fie mie eine ®l)labnifd)e 3^igur mit einem
©trid^ 8ured)tjulegen.^) S)ie 83emer!ung be§ 2lbgeorbneten
93amberger, nid^t bie Sanbmirtfd)aft allein fei notleibenb, ruft
i^m unmillfürli(^ ba^ SQSort au§ bem g^auft in§ @ebä(^tni§ :
„©ie ift bie @rfte nidf)t — @ie merben miffen — mo ba§
fte'^t — bie jugrunbe ge^t nämlid)."^) 2ln Sioon fd^reibt
er einmal mißmutig über bie teilmeife Umgeftaltung be§
3Jlinifterium§ : „®er 9teft Dom alten ©tamm, ber bleibt, ift
faul; id) mill nid^t ju i^m fagen: „^einrid), mir graut x)or
bir" (20. giooember ISTS).'"^) ^Jtoc^ im grü^ja^r 1894
gebraud)t ber 2lltreirf)§fanäler in ber 2lnfprad^e an eine
Deputation von S)amen au§ 93aben, Reffen unb ber ^falj
1) ^olit. meben VII, @. 257.
2) @bb. IX, ©. 238. 3) @bb. VIII, ©. 246. SBqI. oben ©. 28.
4) ebb. X, ©. 477. 5) S8i§ntarde Sa()rbud) III, <B. 302.
— 131 —
fd^erj^aft ben 2lu§brudE „ba§ eroig SQ3eibltd)c", bie cinjige
Erinnerung au§ bent jroeiten 2:eil be^g %CiU% bie fi(^ bei
il^m finbet, an bie berühmten ©d)lu§n)orte be§ t)on il^nt afe
„profane Sibel" gepriefenen ®id)tern)erfö.
9iid)t fo innig vertraut wie mit bem @oet^efd)en %an%
ber feiner geiftigen Eigenart ganj befonber§ jufagte unb
il^nt ba^er l^äufig bie 9KögIi(^feit bot, waS ilftn bei ntäd)tiger
©ebanfenarbeit in @mft unb ©c^erj bewegte, ftatt mit feinen
eigenen mit ben il^m bann t)on felbft auf bie Sippen tretenben
SQBorten be§ ©ic^ter^g au^jubrüden, finben wir 83i§mardE
mit ben SQSerfen ©d^iHer^. 2lu(^ ftnb bie ©teilen, bie i^m
namentlid^ au§ ben @(^illerfrf)en ®ramen megen i^re§ @e^
banfeninl^alt^ ^Begleiterinnen burd^ ba§ Seben mürben, ent-
fpred^enb bem fo ganj anber§ gearteten @eniu§ ber ©d^itler-
fd^en ®id^tung mefentlic^ anberer Statur, atö wa§ x^m au§
©oetl^e immer gegenwärtig mar. ^atte er offenbar fd^on
in jungen :3a]^ren aud^ ©(^iller^ S)ramen vxd gelefen, fo
l^aben fie il^m frf)liej5li(^ in ber unfreimilligen 9JJuJ3e ju
^iebrirf)§ru]^ gelegentlid^ bie fd^laflofen 9tdd)te gefürjt.
S)a!§ beobarf)tete fein S^reunb Äegferling im ©ommer 1890
namentlid^ in betreff ber „^Räuber", au§ benen er bann
befonber§ frappierenbe ©teilen ju jitieren liebte,^) unb er
felbft bejeugt bie Sefc^äftigung mit biefem ®irf)ter nod) ju
2tnfang be§ ^al^reS 1891.^) ^^m galt ©dritter, mie er
(24. 3Jiai 1870) mdl^renb ber Beratung beig beutfd^en ©trafst
gefe^bud^e^ in ber ^^batte über bie SBeftrafung be§ gürften^
morbe^ mit bem S^obe gelegentlidf) bemerfte, oorjug§meife
afö SBertreter ber mobernen ^been, auf ben firf) narf) feiner
SiJleinung bal^er aurf) bie Siberalen befonber§ gern beriefen.
1) ^e^ferling II, @. 589.
2) S)e^n ©. 516.
— 132 —
ol^ne ba§ er fcinerfeitg biefe Stnfd^auutig l^fittc afö jutreffenb
anerfennen fönnen.^)
Db man bei 93i§tnard in ben feinfinnigen 93emerfungen,
bie er in einem ©riefe an feine Sraut über ba§ ©r^abene
nnb ba^ 2^ragifrf)e unb ben ©runb be§ aSergnügenS baran
gemacht Ijat/-) einen 91ad)flang ber gelegentlichen 93efd^äftigung
aud) mit ben betreffenben 2tb]^anblnngen be§ ^^ilofop'^en
unb 2lft^etifer§ ©d)iUer p fe^en l^aben mirb, muj3 bal^tn^
geftedt bleiben. 2lnbererfeit§ ift e§ erfldrlid), ba^ ber ftarf
realiftifc^e Q\i% feinet SGBefen^ Si^mard an ben ^od)tönenben
^^rafen ber @d)iUerfrf)eu ©ebid^te meniger ©efatten finben
lk% ®a^er fmb (Erinnerungen an biefe bei il^m niel feltener
al§ fo(d)e au^ ben S)ramen. ©d^on in einer Siebe in ber
jmeiten Kammer be§ preu^ifc^en Sanbtag§ (15. Slot). 1849)
bejeid)net er ironifd^ bie ^^rafe atö ben fc^önften ©d)mud
einer fonftitutionellen SSerf affung, bem „@rf)Ieier vox bem Silbe
non @ai§" nergleidibar.^) 2lu§ bem ©ebid^t „Siefignation"
fü^rt er mieber^olt an:
„9öa§ man üon ber SJlinute au^gefd^Iagen,
SBringt feine ©roigfeit gurüd",
mobei er, mie ba§ bei ber fo unjäl^üge 3JiaIe angefül^rten
©teile meiften§ gefd^ieljt, ungenau ftatt „x)on ber 3Jlinute"
fagt, „t)om 2lugenblide".'*) ©in anbere§ 3Jlal umf(^reibt
er ba§ geflügelte SQSort frei: „©reifen mir be§^lb ju nad^
bem, roa^ un§ geboten mirb. S)a§ ©lud, roa^ man in ber
einen ©tunbe au§fd)lägt, feljrt oft in ©roigfeit nid)t mieber".^)
2luc^ fdierjenb jitiert er ©d)iller gelegentli(^. Sioon gegen^
über, bem leiber non i'^m getrennten treuen ©efdl^rten,®)
!lagt er mit einem SQSort au§ bem „Xan6)ex", ba§ er aud^
1) ^^olit. meben IV, ©. 379. 2) sßgt. @. loi.
y) ^oUt. hieben I, ©. 156. ^) (S:hh. III, ©. 212; IV, ©. 374.
ö) ^h\>. III, <B. 472. 6) «gl. ©. 58.
— 133 —
fonft &\)X[lx6) anroenbct/) unter ben i^m gebliebenen ÄoUegen
im ajlinifteriunt fontnte er ftd) t)or wie bie „einjig fül^lenbe
Sruft" (20. 9tot). 1873).2) SDie Slrt raie ba§ SÄbgeorbneten^
^avi§ bie @ntfd)eibüng über wichtige SRegierung^oorlagen
x)erjögerte, \o ba§ fte erft furj vox ©(^Iu§ ber ©effton an
ba§ ^erren^u^ fommen unb biefe^ um bie il)m gebül^renbe
praftijd)e ^Beteiligung an ber preu^ifc^cn ^olitif gebrad^t
mirb, erfc^eint il^m gelegentUd^ mie eine SSariation be§
©d^iUerjd^en 5ßerfe§, bie ungefähr lauten mürbe, „menn ba§
fiafter fatt ift, je^t fid^ bie S:ugenb ju %i\6)".^) ®r bejie^t
fid) auf bie ©d)iUerjd^e ^arobie „©^afefpeare§ @d)atten",
bie be!annt(id) fd^tte^t:
„2öenn fid) ba§ Safter erbrid)t,
@e^t fid) bie 2:u0enb gu %x\ä)",
©tolj jeigt er nad^ bem ©injug in ba§ neu ^ergerid^tete
Steic^gfanjlerpalaiig ben ®amen, bie auf einer feiner parla=
mentarifdt)en ©oireen erfc^einen, „aUe§, ma§ i^m untere
tänig"^) — eine (Erinnerung an ben „SRing be§ ^ol^frate^".
^arobierenb gebrandet er bei ben SSerl^anblungen über ba§
SBranntmeinmonopol (26. 3Jiärj 1886) eine ©teile au§ bem
„§anbfd)u^", inbem er meint: „(Sefä'^rüd) ift e§ be^ljalb,
ben ©df)anfmirt ju reijen",^) benn mittelbar fann biefer
huxä) bie bei i^m t)erfe^renben (Säfte ftar! auf bie 2tbge^
orbnetenmal^len einroir!en. 2tu§ bem fentenjenreidtien „Sieb
t)on ber ©lodfe" menbet er in ä'^ntirfier SQSeife (Serlad)
gegenüber (27. Slpril 1855) ba§ SBort an: „SÖSe^e, menn
fie lo^gelaffen, ein^ertritt auf ber eigenen ©pur ufm.", auf
1) «ufd), 3:aöebud)bmtter I, ©. 41.
2) «igmardt ^[a^rburf) III, ©. 302.
3) V. ^ofd)ingcr, SBi^mard m\\) bie Parlamentarier III, ©. 109.
4) (^hh. I, ©. 119. 5) ^olit. me\>^n XI, ©. 349.
— 134 —
feine eigene „2^intenergie§ung", b. 1^. einen übermäj3ig lang
geratenen SBrief.^) ©benfo überträgt er bie SSerfe:
„2)enn mit bc§ ©efc^ideS aJläc^ten
3ft !ein ero^ger 33unb ^u flechten"
auf ba§ aSermtniig ber ^öfe Don Stuttgart unb 9Jlünd)en
ju ^reu^en (21. ©ejember 1855), 2) unb gebrandet biefelben
(28. 9tox)entber 1885) in freierer t^^ffung beut 3^^t^^wt
gegenüber, inbent er mit Setrübniig gelernt p ^aben erfldrt,
,,baj3 ein 93unb mit bem ^errn nid)t ju fled^ten ift" o^ne
bie ©jriftenj ber preu^ifi^en 3Jlonarci^ie aufjugeben.^)
©eläufiger afö bie ©ebid^te maren Si^mardf bie ®ramen
©d)itter§, von benen i^m nad) ber ^äufigfeit ber Slnfü^rungen
barau§ bie „Siduber" unb „SQSaHenftein" befonber^g lieb gemefen
iu fein fd^einen. Qn betreff ber „Siäuber", bie er nod) nad^
feinem ©turje in ber unfreimilligen 3Jlu^e t)on g^iebric^^rul^
mäl^renb fd^laflofer 9täd|te mit SSergnügen t)orna^m, teilte
er nic^t bie 93efürd)tung, bie angefid)t§ ber fojialiftifd)en
Slgitation ängftlidf)e ©emüter liegten, bie barin t)erfünbeten
^been feien im Äem be§ beutfd)en 5ßolfe§ Don ben 2lrbeitern
bereite x)ollftdnbig aufgenommen (9. Dftober 1878).^) %x6)
\)at er nodf) fpdter einmal (4. ^^bruar 1881)^) in Erinnerung
an bie 3. ©jene be§ 11. 2lft§ be§ S)rama§ „in ben böl^mifdien
SQSälbern, mo Äarl SUJoor fid^ mit ber redeten ^anb an
einen ©ic^enaft binbet, fo baj3 er ganj mel^rloS ift unb ein
Äinb i^n ummerfen fann", bem preu^ifdt)en fianbtag erfldrt,
bie ^Regierung moUe fid^ i^m gegenüber fo binben, „mie
jener feine ^anb bem ^riefter gegenüber an ben Qw^x%
banb'', fo baj3 fie in 3^fitnft mit neuen Sinnal^men nichts
anbere^ tun fönne al§ ©teuern erlaffen.^) ©in SQSort au§
1) «tiefe an ©erlarf) ©. 219. 2) @t)b. ©. 268.
3) ^olit. kleben XI, @. 290. ^) @bb. VII, ©. 287.
^) ebb, VIII, ©, 241, 6) (&h\>. VIII, (S, 241,
— 135 —
bet 1. ©jene be^g 11. 2lft§ fdiroebt i^m t)or, wenn er be-
bauemb fonftaticrt, t§ fei unmöglid^, fid) über ein „83i§
l^ier^er utib mdf)t weiter" mit bem ^apfte ober mit einer
bauemben inlänbifd^en aSertretung be§ Äat^oIijiSmu^ burd^
eine 2lrt t)on preujgifd^em Äonforbat ju t)er[tdnbigen (3. Xt-
jember 1884).^) @benfaü§ ein „Si§ l^ierl^er unb nid^t
weiter" mitt er ber fortfd^reitenben ^olonifierung be§ ge:;
meinen 9Kanne§ in ^reu§en§ öftlid^en ^rooinjen entgegen:^
[teilen burd^ ben ©efe^entmurf jugunften beutfd^er Stnftebe^
lungen in jenen ©ebieten (15. 2tpril 1886).^) SBielleid^t
^anbelt e§ fid& babei jebod^ um ben Oebraud^ eine§ geflügelten
aD3orte§, ba§ au§ bem 93ud^e ^iob 38, 95. 11 ftammt.^
2ln§ bem „gie^fo" lag 93i§mardf mie fo fielen bie oft
gebraud^te SÖSenbung 2lft in, ©jene 4 na^e oon bem S!Jlo!^ren,
ber feine @d)ulbigfeit getan l^at unb ge^en fann.^) aSer:=
mutlid^ gel^t autf) bie Slnregung ju bem 2lu§brudf, „in ber
2lu§übung i^rer ^flidt)t merbe bie föniglid^e ^Regierung über
juriftif^e ^mirngfäben nid)t ftolpern" (30. Januar 1869),^)
jurüdf auf ben von ©(^iüer im 3^ie§fo 3Ift ü, ©jene 5 ge:=
brandeten „über äwirn^f oben ftolpern". Slud^ bie an fentenjiö::
fen ©teilen reid^fte Qi^fl^^bbid^tung ©c^iller^ „S)on ®arlo§"
l)at 93i§mardf§ ßit^tenfd^a^ oerme^ren Reifen, ©elbft in
einem amttid)en Serid^t au^ granffurt (Slooember 1851)
lö^t er ben gro^beutfd^e ©d^roärmereien entmidfelnben öftere
reid^ifd)en ^räftbialgefanbten ©rafen $^!^un fpredf)en „mie
^ofa"^) unb in einem oertrauten ©d^reiben an ©erladt)
(19. S)ejember 1852) meint er, bie SR^einbunb^gelüfte ber
3Jlittelftaaten mürben am mirffamften befämpft werben burd^
1) ^olit. SReben X, ©. 291.
2) @bb. XII, ©. 104. 3) «8üd)mann <B. 30.
4) «riefe an ©erlad) ©. 157. ^) ^oUt. SReben IV, @. 123.
6) ^oUt «riefe 1849—1869 I, ©. 22,
— 136 —
beti ©ebanfen, ^reuJBcn Wntie baburd^ bal^in gcbrai^t werben;
einmal ju granfreid^ jn fagen „n)a§ beine Sägern fönnen,
fann and) Äarl, unb Äarl fann mel^r"/) nadigebilbet bem
SBorte be§ fpanifd)en :3nfanten an feinen 5ßater, Slft 11,
©jene 2:
3a§ S^re 3Wba leiften,
®a§ !ann aud) ^arl, unb ^arl !ann ntel^r."
9Jlit benjelben SQSorten verlangt er gegenüber bem t)on
mand^en 2lbgeorbneten unb namentlid^ fia^fer erhobenen
2tnfprud^ über alle§ fidler unb fompetent urteilen ju fönnen,
ba§ man i^m minbeften^ bie gleidt)e 93efä^igung juerfenne:
„Sollte idf) ni(^t ba§ aud^ fönnen, mag ber ^err Slbgeorb?
nete fiagfer fann? ^ä) ^Ite mirf) ni(^t für begabter ate
ben S)urc^jd)nitt ber 3Jlenfdf)en, aber au(^ nic^t für un^
begabter, xä) glaube, voa^ eure 9llba fönnen, ba§ fann aud^
Äarl, nid[)t me^r" (28. 91onember ISSl).^) ®a§ fo unjd^lige
9Jiale gebrauchte SQSort non bem „2lrm in 9lrm fein ^al^r^
Ijunbert in bie @d)ranfen forbem" (S)on ®arlo§, L 2lft,
9. ©jene) mirb x)on i^m mel^rfadt) t)ermenbet,^) gelegentlid^
in ber ungenauen S^ff^^Ö n^^^"^ i^ ^^^^^ ^it Öfterreid)
fein Qa'^rl^unbert in bie ©df)ranfen ju forbem" — er fpridf)t
t)on ber burrf) ben ^rimfrieg veranlagten ^rip — mürbe für
^reu^en im ^inblidf auf öfterreidf)§ geringe militdrifdt)e
fieiftunggfä'^igfeit feine fleine 2lufgabe fein.^) ©benfo roenig
feljlt bei i'^m ba§ befannte „Qn feinet 91id)t§ burrf)bo^renbem
©efü^l" aug SDon ©arlo^, Slft n, ©jene 1 (t)ergleid|e Slft H,
©jene 5).^)
5Sl)nlid^ mie biefe aud^ fonft oft gebraud^ten Slemini^-
jenjen au^ „S)on ®arlo§" fmb 93i§mardf entfpredf)enbe ge^
1) «riefe an ©erlac^ ©. 116. 2) ^olit. SReben IX, ©. 132.
3) @bb. IV, ©. 171; IX, ©.157. ^) «riefe an ©erlac^ ©. 130.
5) ^olit. Sieben I, ©. 301; XII, @. 294.
— 137 —
pgelte SQSorte aud^ au§ SBaUenftein gegenwärtig. „&§
roäd^ft ber 3Jlenfd^ mit feinen gröj3em Sroed^n", fagt et
von ber el^emaligen graftion 9ieirf)en§perger (3. ®ejember
1884): inbem fie fid^ jum S^^t^i^^ au^geroad^fen ^abe, fei
aud^ bie Qat)i ber von i^r Derfolgten Qmtd^ entfpred^enb
geroad^fen.^) 2tu(^ bie SQBenbung t)on „©eoatter ©d^neiber
unb ^anbfd^ul^ntad^er" au§ „SEBaUenftein^ Säger" fel^lt nidtit/'^)
2lu§ ber Äapujinerprebigt eignet er firf) in freier Umgeftaltung
bie 3Jla]^nung an: „Content! estote!"
„Seien voix jufrieben mit bem Äommi^rote — ba§
mir felbft banen" (9. «Januar 1885).^) Sefonber^g fqmpatl^ifdf)
fül^lte fidt) feine fampffrol^e unb tatenluftige Statur burd^
ba§ „Sleiterlieb" berül^rt. SQSäl^renb ber ®eidf)ma(^t bei
einem @i§gang ber @Ibe fpielen il^m bie @i§f(^oIlen, fo
fdt)reibt er ber 93raut am 22. 3^ebruar 1847, ben ^appen^
Reimer ajlarfrf) jum Siuf unb ber ©l^or ber berittenen
93auem fingt „?frifrf) auf Äameraben": er bebauert nur,
M^ bie Älö^e e§ nid|t mirflidt) tun".^) ®a§ von ber
93raut befonber§ gerühmte @ebid)t „Oh do not look so
bright and bless'd" finbet er jmar red^t pbfd^, aber bod^
mie faft alle ^^oefte „nid)t geeignet, auf§ eigene Seben über^
tragen ju merben unb feine own little perversities bamit
ju bebeden" : @r er!lärt e§ für ein feige§ Sieb, bem er ben
aSer§ be§ Sieiterlieb§ gegenüberftellt „Unb fe^et il^r nid)t
ba§ Seben ein, nie mirb eud^ ba§ Seben genommen fein"
(7. ajlärj 1848).f'>) Qu beginn be^ Qa^re^ 1870 «agt er,
er l^abe im 2lnl)ören ber x)on ben ©egnern ber 2^obe§ftrafe
gegen biefelbe t)orgebrad^ten ©rünbe ba§ Oefül^l gel^abt, ba§
1) ^olit. meben X, ©. 304.
2) «riefe an ©erlad) ©. 263. 3) ^olit. SHeben X, ©. 380.
*) S3riefe an bie SBraut unb ©attin ©. 41. Sßgl. oben <S. 57.
5) «riefe an bie «raut unb ©attin ©. 67.
— 138 -
SBort be§ ®id^ter§: „Unb fe^ct iliv nii^t ba§ Seben ein n\m."
unb ba§ anbete SQBort, ba§ „ba§ Seben ber ©üter l^ödifteig
nid^t ift" — er jitiert ben ©d^lu§ ber 93raut von 3Jieffma —
in S)entjrf)lanb in eine nterfwürbige SSergeffenl^eit geraten,
in einen ^uft t)on falfd^er (Sentimentalität begraben raorben
feien (1. 3Jlärj 1870)^) — eine 93eobad)tnng, roeld^e wenige
ajlonate fpäter burd^ bie beutf(^en ^eere afö t)öHig unju^
treffenb erroiefen roorben ift. 2tnrf) fonft jeigt f\6) 93i§mardE
mit SQBattenftein mol^l vertraut. S)ie 2tnfang§n)orte ber
„^iccolomini" benn^t er ju ber SQBenbung: „S)ie autonomen
SBünjdie fommen fpät, aber fte fommen" (21. SJlära 1879).2)
aSon ftd) felbft berirf)tet er in (Erinnerung an ben SQSiberftanb,
ben bie „Partei ber ©enerale" 1866 ber t)on i^m befür^
morteten SeroiUigung eine§ glimpflid^en griebeng an Öfter?
reid^ entgegengefe^t l^atte, man l^abe il^n bamal§ „Dueften-
berg im Säger" genannt (23. aJiärj 1887).^) ©egenüber
ber tenbenjiöfen ©ntftettung, bie SQSinbt^orft ftd^ mit einem
oon il^m in bejug auf bie ^oten unb i^r aSerl)ältni§ ju
^reu§en gebraud^ten 2tu§brude erlaubt ^atte, fragt er, ob
benn ber Unterfdt)ieb be^ SQBortlautS bem fd^arfen ^ubicium
biefe§ Slbgeorbneten entgangen fei ober ob etma^ vorliege,
„mag an bie befannte Siebengart an bem SQ3aIlenfteinfdf)en
©aftma^I @rf)illerg erinnert: oor Jifdt) lag man eg anberg"
(29. Januar 1886).^) ^a^ SQBort aug bem Siebe S^eüag
in ben ^iccolomini, 2lft III, ©jene 7 „Qäj ^abe gelebt unb
geliebet" bejiel^t er fdf)erjenb auf ben SBed^fel, ben im Saufe
einer adfitje^njäl^rigen SD^iniftertätig!eit fein SSerl^ältnig ju
ben t)erfrf)iebenen Parteien erfahren l^abe (8. 3Jiai 1880).^)
1) ^olit. SReben IV, ©. 327. 2) ©^b. VII, ©. 412.
3) @bb. XII, ©. 337. 4) (gbb. XII, @. 456.
5) Q^hh. VIII, ®. 190,
— 139 —
9lu§ „SÖSaHenftein^ Xo\)" enblid) variiert et bcn ht^
fannten SluSfpru^ 2l!t ü, ©jene 2:
„Seicht beietnanber lool^nen bic ®cban!cn,
S)od) l^art im [Raunte flogen ftd) bie ©ac^en"
ba§ eine SJlal, inbem er t)on bem praftifd^en ©ebiet urteilt,
ba§ ftrf) ba im Siaume bie ®inge l^art aneinanber fto^eti,
n)ä!^renb bie ©ebanfen ben 3iifö^w^ß^fto§ Ieid)t überfliegen
(19. Januar 1882)/) unb ba^ anbere 9Kal, inbem er bie
bem 2lnjd)ein nad^ leidet realifierbaren ©ebanfen, bie im
Äopfe beieinanber mol^nen, ben fünfunbjmanjig ^Regierungen
entgegenje^t, bie firf) im Slaume fto^en (22. 9lot)ember 1875).^)
2luf biefelbe ©teile, bereu SQBa^rl^eit er gerabe ate ©taat^^
mann fo oft ju erfal^ren ^atte, fpielt er an, menn er beim
»lüdEblidE auf bie ^olitif ^reu^en^ unter griebrid^ SBil^elmlV.
bemerft, au§ ben ftd^ freujenben Seftrebungen unb Gräften,
t)on benen bie oberen 3c^^taufenb getragen unb geleitet
werben, feien ju mannigfaltig, al§ ba§ bie ^Regierungen barau§
für i^r aSer^lten eine 9lid)tfd)nur entnehmen fönnten, „fo
lange nid)t bie ©oangelien ber Siebner unb ©d)riftfteller
oermöge be§ @lauben§, ben fie bei ben 3Jlaffen finben, bie
materiellen Gräfte, bie fxä) Ijart im Siaume fto^en, jur
aSerfügung ^aben".^) Qu einem ©d^reiben be§ Äronprinjen
g^riebridti SÖSil^elm an§ ber 3eit be§ Äonflift^, ben beffen
befannte S)anjiger Siebe oeranla^t Ijatte, morin biefer feine
fd^meren 83eben!en gegen bie mit ber ^reJ3orbonnanj t)om
1. ^uni 1863 eingeleitete innere ^olitif barlegte, fügte er
unter anberen fpi^en fritifd^en 93emerfungen audf) bie ©teile
au§ aOSaUenftein^ Stob, ü. Slft, 2. ©jene: „Seid^t — fo
1) ^olit. meben IX, ©. 214.
2) @bb. VI, ©. 302.
^) ©ebanfen unb ©rinnerungen I, ©. 61.
— 140 —
jitiert er falfd) [tatt „fd^neU" — fertig ift bie ^ugenb mit
bem aOäort" (2. ^uli 1863).i)
S)er ©attin gegenüber ^offt er einmal fdierjenb nod^ red)t^
jeitig eine ©ntfd^ulbigung auSfinbig ju mad^en (21. Dftober
1850), menn er einer unbequemen ©inlabung jur ^agb nad)
Se^Iingen fiä) entjie'^en miH unb märe e§ nur: „S)er Sorb
lä^t fid) entfd)ulbigen, er ift ju ©d^iff nad^ g^ranfreii^"^ —
bie @d)lu^roorte ber SJlaria ©tuart.
93ei ber 93emegung in geroiffen anberen ©ebanfenfreifen
finbet 93i§mardf für feine Stimmung ni(^t feiten befonber§
entfpred)enben 2lu§brudf in befannten ©teilen au§ „SQBil^elm
2^ell" unb ber „Jungfrau x)on Drlean^". gür ben S^ell
geftanb er übrigen^ fd^on al^ Änabe feine befonbere ©qm-
pat^ie ge^bt ju Ijaben, einmal meil ber ^elb auf feinen
©ol^n gefd)offen unb bann, meil er ©ejsler auf meud)lerifd^e
SQBeife getötet l^abe. ytaä) feinen Segriffen, äußert er fid^
barüber gelegentli(^ im Greife feiner 2:ifrf)genoffen,^) märe
e§ natürlid^er unb nobler gemefen, menn Seil ftatt auf ben
;3ungen abjubrüdEen, ben boc^ anä) ber befte ©d^ü^e ftatt
be§ 2lpfel§ l^ätte treffen tonnen, lieber gleirf) auf ben Sanb=
t)ogt gefd^offen ^ätte,^ ba§ märe geredf)ter 3orn über eine
graufame 3umutung gemefen: ®a§ SSerfteden unb Stuf lauern
gefalle i^m nidf)t, ba§ paffe nirf)t für ^elDen. ®od^ l^at
il^n baö nirf)t gel^inbert, aud^ auig biefem SQBer! ©d^iHer^
ii|n ftarf berül^renbe SQBorte fid^ ju eigen ju mad)en. S)ie
Srinnerung an ben fogenannten 93rubertrieg t)on 1866 ^abe,
bemer!t er am 13. SJlärj 188ö,^) ba§ ©efül^l ber nationalen
©in^eit 1870 nid)t mel^r geftört: al§ „ein einig (ridf)tig
1) @eban!en unb ©rinnerungen, ^In^ang II, ©. 352.
2) «riefe an bie 33raut u. ©attin ©. 209.
3) «8uf4 SCagebuc^blätter I, @. 325.
4) ^oIitifrf)e ^eben XI, @. 84.
— 141 —
\)^x^t c§ einjig) Sßolf t)on 93rübcrn" l^abe ®eutf(^Ianb fic^
ben 2Ingriffen be§ 3lu§Ianb.§ cntgcgcngcftettt, fagt er mit
Scjug auf bie be!annte ©teüe XeU, 11. 3lft, 2. ©jene,
©d^erjenb bcnu^t er bicfclbe (23. Tl&xi 1878), afe er bie
©d^roierigfeiten fd^ilbert, roeld^e fid^ ber t)on il^nt bereite
1862 geraünfd^ten ©rri^tung eine§ befonberen ©ifenbal^n'
tttinifteriumS entgegengeftellt l^ätten. deiner feiner Kollegen
l^abe etit)a§ dou feinem Slcffort einbüßen moUen, unb man
l^abe barau§ geroifferma^en eine Äabinettsifrage ober ©^ren^
fad^e gemacht, fo ba§ e§ gel^ei^en l^abe: mir motten un§
nic^t trennen, fonbem ein einig 3Jlinifterium oon 93rübem
bleiben.^) ^atte er bie befannte aSerfammlung ju ^cppen^
l^eim (10. Dftober 1847) mol^I in ©rinnerung an XeU einft
ein „fonftitutionette§ Slüttli" genannt,^) fo beseid^nct er ben
9leid^§tag§befci^Iu§, ber bie ^[ufl^ebung be^ ©fpatriierung^^
gefe^e^ verlangte (3. ©ejember 1884), al§ eine 3lrt oon
©e^Ierfc^en §ut, ben bie SJJel^rl^eit oor bem 93unbc§rat
aufrid^te, bamit er il^n gril^e.^) 93ei bem 3^rieben§fd^Iu§
mit 9lom mitt er, be§ fc^Iic^Iid^en 2Iu§gang§ no^ ungeroi^,
in ben bafür feftgefe^ten 3^ormen junäd^ft nur ba§ @efä§
feigen, in meld^e§ bie 3lu§fül^renben je nac^ il^rer Stimmung
unb nad^ bem 3Jla§e gegenfeitigen Sßertrauen^ „9JiiId^ ber
frommen ®enfung§art" ober „gärcnb ®rad^engift" ju fütten
in ber Sage fein merben.^) 3lu§ bem SJlonoIog be§ XeU
(2lft IV, ©jene 3) benu^t er jur Seantroortung ber an i^n
gerid^teten g^rage, ob er aud^ bei fünftigen SReifen roieber
burd^ 93erlin fommen merbe, launig ba§ „@§ fül^rt fein anbercr
aOBeg nad^ ^ü^na^t" (6. 3luguft 1892).^) ®a§ nad^ 1866
ba§ aaSort be§ fterbenben 3ltting^aufen (IV. Slft, ©jene 2):
1) ^olit. [Reben VII, ©. 212.
2) @bb. I, (5. 246. 3) (gbb. X, ©. 284. ^) ©bb. XII, (5. 110.
^) V. ^ofc^inger, 2lnfprac^en, @. 245.
— 142 —
,,Unb tteue§ SeBen blül^t au§ ben SRuincn" an bcm SBSelfifci^en
Söniggl^aufe, obglcid^ e§ im ^intereffe einc§ bauembcn
griebctt§ ju wünf^en geroefcn wäre, burd^ beffen eigene
©d^ulb nid^t l^at Derroirflid^t werben !önnen, bebauert er
lebl^aft (13. g^ebruar 1869).^) ' 3u9unften ber Seibel^altung
ber 2^obe§ftrafe für ben g^ürftenmorb ober ben SSerfud^ baju
t)eru)enbet er in ber Siebe t)ont 24. 3Jlai 1870 wirffamft
bie ©jene (V. ^tt, 2. ©jene), in roeld^er ber ®id^ter burd^
bie ©inffil^nmg ^ol^ann^ t)on ©d^roaben int ©egenfa^ ju
feiner blutigen 2:at bie %^U§ in ba§ redete Sid^t fe^t.^
aSon ber „:3ungfrau non Orleans" fällt il^m, rool^l
infolge eine§ geroiffen enttäufd^enben @inbrudf§, ben er wie
fo oiele h^i il^rer Sluffül^rung gelegentlid^ baburd^ empfangen
l^aben mod^te, ba§ ba§ ^erfonal jur ®arftellung ber SUlaffen^^
auf jüge feiten au^reid^t unb man bal^er bief elben Seute mieber^
l^olt über bie S3ü^ne f^reiten lä§t, „ber J^riümpl^jug"
ein — er meint ben feftlid^en 2lufjug bei ber Srönung
Sartö Vn. — ate t^eatralifd^e§ ©eitenftüdf ju ber 3lrt,
mie ber 2lbgeorbnete Siid^ter immer bie gleichen 3lrgumente
oon neuem oorfül^rt. „®a l^abe id^", fagt er, „immer ba§
©efül^l, mie bei einer SSorftellung ber „-Jungfrau oon
Orleans", mo einem ber enblofe J^riumpl^jug im 3lnfang
überrafc^t, bi§ man beim britten aSorbeimarfd^ merft: mein
©Ott, ba§ fmb ja bief elben Seute" (29. 3lpril 1881)^).
gteilid^ läuft auc^ il^m in ber ^i^e ber Debatte ^ier unb ba
ein Irrtum unter, fo menn er (26. 9lpril 1869) jmar mit
©d^ilter rid^tig fragt: ,,S33äd^ft mir ein Äomfelb in ber
flachen ^anb"?^), ein anbermal aber bem 2lbgeorbneten
aOBinbtl^orft, ber urfprünglid^ ein großer ©eneral ol^ne 2lrmee
1) qjolitifdöe Sieben IV, ©. 140. 2) @bb. ly, ©. 370.
3) @bb. IX, @. 51; XI. (5. 379. ^) ©bb. IV, @. 208.
— 143 —
gcwefen fei, nad^riH^mt, e§ fei biefem gelungen „rote SlöaUen^
ftein eine 3lrmee au§ ber @rbe ju ftampfen^ um ftd^ bamit
ju umgeben" (9. g^ebruar 1872).^) @r meint natürlid^ bie
be!annte ©teile au§ ber :3ungfrau t)on Orleans (I. 2lft,
©jene 3):
„Äann xä) ^Itmecn au§ ber ($rbe ftampfen?
S03d(^ft mir ein Äomfelb auf ber f[ad)en §anb?"
über bie er gelegentlid^ einmal aud^ mit bem 2Ibgeorbneten
©üntl^er, ber fte gang abfonberlid^ umgeftaltet l^atte, eine
längere (Erörterung gel^abt l^at.^) Sßon ber frieblid^en Sföen^
bung ber ®inge im Orient meint er, man !önne barauf bie
aOBorte ^ol^annag in bem 9Jlonolog ju 3lnfang be§ IV. 2lft§,
1. ©jene anmenben: „®ie Sßaffen rul^n, be§ Äriege§ ©türme
fcbmeigen" (19. Februar 1878).«) Sßie grünblic^ er ftc^
gelegentlid^ aud^ mit einjelnen beutbaren ©teilen ber t)on
il^m Diel gelefenen ®id^ter befd^äftigte unb mie er fie bann
von ber gemöl^nlid^en Sluffaffung abmeid^enb mo^l aud^ in
eigentümlicher Sßeife ju beuten t)erfud^te, leiert ein ©efpräd^
über ben ©inn ber uom ®id^ter bem fterbenben 2:albot in
ben 9Jlunb gelegten SBorte: „SJlit ber ©umml^eit fämpfen
©Otter felbft »ergebend", ^laä) feiner 2lnfid^t ift ba§felbe
immer mi^uerftanben, roeil man ba§ „mit ber ©umml^eit"
gleid^fe^t mit „gegen bie ©umml^eit". „2lber ba§ ift falfd^.
9Jlit ber S)umml^eit, menn fie auf unferer ©eite ftel^t,
fämpft man umfonft. 9lid^t contra, fonbem cum, ba§ gibt
einen t)iel beffem ©inn".^) ®en Sßorjug ber Originalität
mirb man biefer (Srflärung nic^t abftreiten, ob fie ba§
Siid^tige trifft, werben man^e jroeifeln.
1) ^olit. fReben V, ©. 256. 2) «ßgt. ©. 103.
3) ^olit. [Reben VII, S. 279.
4) «i^martf ^a^rbud^ VI, ©. 326.
— 144 —
2luc^ 93i§mard§ Sßerl^ältni^ ju ©l^afefpeare mag ^ier
gleid^ erörtert werben, obgleid^ er beffen ®id^tungen jumetft
englifc^ gelefen ^at unb anä) t)telfad^ in cnglifd^er ©prad^e
anfül^rt. S)a§ er gelegentlid^ aber aud^ ju ber ©einleget
J^ietffci^en Oberfe^ung griff, gel^t fd^on barau§ l^erDor, ba§
er fid^ auf bie 2lutorität ©i^Iegefö ate eine§ 3Jleifter§ ber
beutfd^en ©prad^e beruft, um au§ beffen ©prad^gebraud^
fogar t)erfaffung§red^tlid^e ^Folgerungen l^erjuleiten. Sßie
@oetl^e§ S^auft l^at er bem großen englifd^en ®ramatifer
namentlich in jüngeren ;3a^ren augenfd^einlid^ t)iel 3^it
geroibmet unb il^n gemeinfd^aftlid^ mit feinen greunben
grünblid^ ftubiert. S3ereit^ in ©öttingen Ia§ er i^n mit feinen
amerüanifd^en ©tubiengenoffen englifc^.^) 9lod^ au§ fpäterer
3eit — t)ieneid^t au§ bem Qai)xe 1836 — liegt ein eng^
lifd^er ©rief t)on il^m t)or, morin er „Slftlg" um ©arleil^ung
Don „SRid^arb m." unb „§amlet" bittet unb au§ „aJlacbet^"
jitiert „that than we meet again in thunder, lightning
or in rain", ftd^ jugleid^ aber megen feinet f^led^ten
©nglifd^ entfd^ulbigt.'^) ©päter ^tte ba§ ©l^epaar 93i§^
mardf mit ben üerfd^roägerten t)on S3lanfenburg§ reget
mäßige ©]^a!efpeare=3lbenbe.^)
@emä§ feiner au§gefprod^enen aSorliebe für ba§ J^rauer-
fpiel ^at Si^mard an^ ben Suftfpielen ©l^a!efpeare§ weniger
mit in^ Seben genommen al§ au§ ben J^ragöbien unb
^iftorien. Sßon jenen mirb nur ber „©ommernad^t^traum"
p[üc^tig Don il^m geftreift, menn er (25. 9tot)ember 1853)
an ©erlad^ fd^erjenb fd^reibt: „®ie guten Cfterreic^er fmb
mie ber Sßeber Q^tU^ im ©ommernad^t^traum. @ie l^aben
im Orient il^r Äreuj ju tragen, moUen in ;3talien bie
1) fiens, S3i§tnar(f ©. 23.
2) S8i§mard=3a^rbud) I, @. 3—4. 3) t,. ^cubett (5. 17.
— 145 —
gro^e Slotte fpielcn unb in ©eutfd^Ianb aud^ ben „Söraen"
tttad^en".^) S)cutfci^lattb§ Semül^ungett, in S^anfrcid^ bie
SReüand^eibecn enbü^ ju berul^igen, erfc^eint i^m fd^lic^:;
lic^ afe „Love's labour lost", al§ Derlorene Siebe^mül^
nad^ bem 2:ttel ber befannten ©l^afefpearefc^en Äomöbte
(11. Januar 1887).2)
aSon ben ^erfonen ber ^iftorien war i^nt begreif Ud^er^
weife ber §ei§fporn ^ercg befonber§ ftimpatl^ifd^ : fül^ltc
er fi^ x})m bod^ feinem eigenen Slöefen nac^ in ntand^ent
3uge innerlid^ t)em)anbt. Gegenüber ber Steigung be§
^arlament§, ber SRegiernng au§ fleinen 2lnläffen gro^e
©d^raierigleiten jn bereiten, erflärte er einmal gerabeju,
aud^ o^ne fünftUd^ nerüö^ gemacht ju fein, !önnc er ba
bod^ fe'^r leidet in eine ©timmnng fommen, bie er ben
Slbgeorbneten nid^t beffer befc^reiben fönne, ate inbem er
il^nen cmpfel^Ie, in einer ber erften ©jenen non ^einrid^ IV.
nad^jnlefen — e§ l^anbelt fid^ um ben erften 2:eil, 2l!t I,
©jene 3 — , ma§ ba §einric^ ^crct) für einen ©inbrudf
l^at, afe ber bort befagte Äammerl^err fommt, i^m bie
©efangenen abforbert unb i^m, ber munb unb !ampfe§mfibe
ift, eine längere SSorlefung über ©c^u^roaffen unb innere
aSerle^ungen ^cllt. S)ann fül^rt er ben 3lnfang ber ©teile
englifd^ an unb f^lie^t unter lebhaftem 93rat)o: „©o um
gefä^r wie ^erct) ift mir ju 9Jiutl^e, wenn i^ über S)inge,
für bie id^ gelitten unb gefämpft l^abe, bie id^ beffer fennen
mu§, fold^e SReben ^öre" (29. Smärj 1867).3) 93ei bem
Sefen be^ Sa^ferf^en 3lntrage§, e§ foUe ben nationalen
93eftrebungen ber ^Regierung unb be§ aSolfe^ in S3aben eine
befonbere Slnerfennung au^gefprod^en unb meiterl^in ber
möglic^ft balbige 2lnfc^lu§ Saben^ an ben 5Rorbbeutfd^en
1) ^Briefe an ©erla* ©. 104.
2) ^olit. [Reben XII, ©. 209. 3) ©bb. III, @. 259.
ipru^, 93i§morcf3 »Übung. 10
— 146 —
93unb at§ roünfci^cn^raert bcjetd^net werben (24. gebruar
1870), meint er, feinen Url^ebern fei wo^I jn 3Jlutc gewefen
„wie ©ftafefpeare ben ^ei^fpom ^erct) fd^ilbert, ber, nad^^
bem er ein l^db S)u^enb ©d^otten umgebrad^t l^at, über
ba§ langweilige Seben flagt: @§ paffiert eben nid^tö, e§
mn§ etwag Seben hineingebracht werben". i) 2ln^ bem
britten J^eil non ^einrid^ IV. verwertet er ganj eigentüm^
lid^ bie 1. ©jene be§ 11. 2lfte§, „wo in einem ©efprdd^ ber
beiben ©ruber ©bnarb unb Slid^arb bie begriffe SReid^ unb
^erjogtnm afe ganj entfd^iebene ©egenfä^e unb einanber
au^fc^Iie^enb gegenübergeftellt werben". 2luf bie 3lutorität
©d^Iegel^ l^in, ber boc^ gewi§ ein genauer Kenner unb
Dorfid^tiger 93enu^er ber einjelnen SÖSorte gewefen fei, mad^t
er ba^ geltenb gegen bie ©inwenbungen, bie t)on feiten ber
Dppofition auf ©runb be§ 2lrtifete ber jpreu^ifd^en SSer^
faffung gegen bie ©innerleibung be§ ^erjogtum^ Sauenburg
afö eine^ fremben 9teid^e§ erl^oben würben (3. g^ebruar
1866).^) 9lu§ Siid^arb HI. gebrandet er brieflich gegen
©erlad^ bie befannten 2lnfang§worte:
,,9^utt warb ber SQSinter unfere§ SD^t^üergnügcng
©lorreid^er ©omtner burd) bie ©onne g)or!§",
inbem er fie englifd^ entfpred^enb umgeftaltet in bejug auf
bie bem 9Jiinifter 93ernftorff wieber leu^tenbe ©onne ber
föniglid^en ©nabe (7. Dftober 1855): the winter of his
discontent made glorious summer by the sun of Royality.^)
2luf bie Sßorte be^ 3Jiarf 3lnton im „^uliug ©äfar" in
ber Seid^enrebe (HI. Slft, ©jene 2):
,,^ettn ^tutu§ tft ein ehrenwerter SD^ann,
^a§ finb fle äße, äße ehrenwert!"
^) ^olit. fReben IV, ©. 314.
2) @bb. III, ©. 16, 17. Sögt, oben @. 144.
3) «Briefe an ©erla^ ©. 249.
— 147 —
fpielt er an, wenn er aud^ bie Slnge^örigen ber beiben
großen ^arteten, bie e§ nad^ feiner 3Jleinung in 3iifwnft
allein nod^ geben wirb, alle ate „achtbare" Seute bejeid^net.^)
9Jlit bent Sßiener Kabinett, äußert er ate feine überjeugung
©erlac^ gegenüber (25. 9tot)ember 1853), würbe ^ren^en
weiter fommen, wenn e§ Q)m offen unb el^rlid^ feine Söiei:;
nung fagte, ftatt ba§ fxä) beibe gegenfeitig ^l^rafen ntad^en
,,n)ie bie 9Jiacbet^in bem Äönig S)uncan".^) @benfaQ§ auf
eine ©teüe au§ „9Jlacbetl^" fpielt er an, wenn er angeftd^tö
ber ben gerieben bebro^enben ^annoDerfd^en unb furl^efftfc^en
2lgitation e§ ate bie Slufgabe ber Siegierung eine§ großen
Sanbe^ l^inftettt, bie 2lugen offen p l^aben unb wad^ ju
fein, mit bem 93emerfen: „®er f^Iaftrunfene Jämmerling
be§ Äönig§ ®uncan fal^ ben S)oIc^ be^ 9Jlacbetl^ aud^ nid^t"
(30. Januar 1869).^)
SBeitauö qm oertrauteften aber Don allen ©l^afefpeare^
fd^en ®ramen mar 93i§mardf ber gebanfenreic^e ,,^amlet".
Slnflänge an il^n finben ftc^ befonber^ ^ufig. Qm ^inbtid
auf bie l^eftige ^olemif, meldte bie Äunbe oon feiner beoor^
ftel^enben (Ernennung jum 93unbe§tag§gefanbten in ber treffe
oeranta^t l^atte, eignet er ftd^ in einem 93riefe an @erla^
^amlet§ SÖSort an (22. Quni 1851): „S)a§ aUe^ ift o^ne
3meifel fel^r mal^r, unb id^ felbft glaube feftiglic^ baran,
aber iä) ^Ite e§ nid^t für fd^ön, e§ fo gebrurftju feigen". ^)
©in ©(^reiben an benfelben (3. g^ebruar 1854) fd^tie^t er
mit ben SÖBorten, ber ©mpfänger möge mie ^amlet Dpl^elia
gegenüber jmeifeln, ob „the stars are fire", „aber nid^t
an feiner aufrid^tigen Siebe". ^) 2)ann roieber nennt er eine
©ntfc^lie^ung be§ £anbtage§ „oon be§ @ebanfen§ 93täffe
1) ^oIittfd)e meben VI, @. 256. 2) «gtiefe an ©erlad» ©. 105.
3) ^oIttifd)c Sieben VI, ©. 124. ^) «riefe an ©erlad) ©. 3.
5) ebb. (5. 128.
10*
— 148 —
angelränfelt"^) unb Bejcid^net c§ al§ einen Sßorjug ber
franjöfifc^en unb ber englifd^en g^inanjen, ba§ fie ni^t
„TDon ber 93Iäffe be^ tl^eoretifd^en @ebanfen§ angefränfelt"
jeten.2) Bulgarien ift i^m (13. Januar 1887) „^efuba",^)
unb er glaubt nic^t rote ^amlet, ba§ ber 2:ob ein enblofer,
traumlofer ©^laf fei (1. SKärs 1878).^) ®em SRebafteur
ber 9torbbeutfd^en 2IIIgenteinen 3^itung, 93ra§, lä§t er ein::
mal empfel^Ien, er foüe bo^ ben weifen ©prud^ t)on ^amlet
nad^lefen, roonac^ e§ gut fei, bie 2:atfa^e p glauben, ba§
alte Seute in ben ©c^enfeln fd^raad^ fmb.^) 9lo^ bei ber
2lbfaffung ber „©ebanfen unb ©rinnerungen"^) gemal^nt
i^n ber lange eigenl^änbige ©rief be§ Äaifer§ t)on SRu^lanb,
worin biefer „weit au^gefponnen unb mit me^r S)eflamation
al§ in feiner g^eber lag — fobajs man alfo annehmen
mu^t^ er l^abe babei unter frembem @influ§ gel^anbett —
Äönig SÖSif^elm 1863 ein 93ünbni§ antrug, um gleid^jeitig
beiberfeit^ mit ben Sßeftmäd^ten unb mit Ofterreid^ ab-
jured^nen, an ^amlet§ SEßort:
„Wether 't is nobler in the mind, to suffer
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take arms against a sea of troubles,
And by opposing end them?"
1) ^olitifdöe SReben VII, (5. 213.
2) ebb. VIII, @. 238. 3) ebb. XII, (5. 182. 183.
• 4) @bb. IV, (S. 327. 5) X,. ^eubeU ©. 325.
^) ©ebanfen unb erittuerungen II, ©. 62 — 63.
V.
S3i§marc!§ SSerl^ältniS 511 ben neueren ©prad^en
unb tl^ren ßiteraturen.
Sßar e§ üomcl^mlid^ bie fd^öne unb treffenbe S^affung
eine§ anäj il^n crfüttenben ober gelegentlich in il^m auf^^
fteigenben @eban!en§ ober bie ©rinnerung an il^m feit ber
;3ugenb vertraute ober fpäter geläufig geworbene ©id^ter^
roorte, bie 93i^niard »eranla^te unb in ben ©taub fe^te,
feine Sieben unb t)ertraulicf)en 93riefe mit Dieterlei £efe=
früd^ten au§ ben beutfd^en ®id^tem ju fd^mürfen unb fo
für ^örer unb Sefer reijDoIIer ju geftalten, rodl^renb bie
au^erorbentlid^ ^ufige 93enu^ung lateinifc^er SÖSorte unb
SBcnbungen ber üerfd^iebenartigften ^erfunft au§ feiner
aSorliebe für bie ftrenge ©ad^tid^feit unb treffenbe Sürje
ber ©prad^e be§ alten diom entfprungen fein bürfte, wirb
man bie überrafd^enbe .^äufigfeit be§ @ebraud^§ nid^t bIo§
t)on ©d^Iagmörtem, fentenjenartigen ^l^rafen unb ganjen
©ä^en, fonbern aud^ einjelnen Sffiörtem unb 9ieben§arten
au§ ben mobernen fremben ©prad^en, roo gute beutfd^e
3lu§brädfe reic^lid^ jur SBerfügung ftel^en, rool^I auf anbere
©rünbe jurüdfjufül^ren l^aben.
3unäd^ft ift baran feftju^alten, ba§ 93i§mardE nad^ ber
fprad^Ii^en ©eite l^in befonber§ rei^ t)eranlagt mar, wie
— 150 —
ba§ fid^ fd^on auf ber ©d^ule gejcigt ^atte burd^ feine
geiftungen in ben alten ©prad^en unb bie 3lrt, wie er fxä),
wenn aud^ junäd^ft au§ einem befonbcren, nid^t eigentlich
in ber ©ad^e liegenben 31nla§ nebenbei in !urjer Qtxt be§
©nglifd^en bemächtigte. SOSä^renb er aber ftd^ bemüht mar,
in ben alten Sprachen ba§ ^iti^i^öment feiner allgemeinen
Silbung ermorben ju l^aben, l^at er auf bie 93e^errfd^ung
ber mobernen ©prad^en einen äl^nlid^ ibeeHen SBert nid^t
gelegt, fonbem barin me^r blog eine 2lu§rüftung für ba§
praftifd^e Seben gefeiten, bie fx6) naö) ber für feine ©tanbeg:^
genoffen ma^gebenben ©itte unb im ^inblidf auf ben i^m
burd^ feine ^erfunft Dorausifid^ttid^ angeraiefenen 93eruf ge=
mifferma^en t)on felbft t)erftanb. SSon :3ugenb auf burc^
bie ©emö^nung in ^au§ unb gamilie |)err ber franjöftfd^en
©prad^e im münblid^en unb fd^riftlid^en ©ebraud^ unb
bauemb beftrebt, fid^ aud^ in ber ^errfd^aft über basi au§
eigener Äraft erworbene ©nglifd^ ju befeftigen, ^at er,
beffen rei^ veranlagter ©eift anfangt nid^t blo§ be§ rechten
mürbigen ©egenftanb^ ber 93efd^äftigung, fonbem auc^ ber
feine Gräfte rec^t ju bi§äiplinieren geeigneten ©d^ulung ent-
beerte, mie e^ fd^eint, ein befonberejg SBergniigen empfunben,
auf biefem ©ebiete eine 3lrt oon ©gmnaftit ju treiben, in-
bem er nid^t feiten auc^ bem gemö^nlid^ften ©ebanten einen
frembfprac^lid^en Slu^brurf gab. Sßenn man il^m babei
folgt, ^t man bie ©mpfinbung, afö ob er bei biefem Um-
fic^raerfen mit englifc^en unb franjöfifc^en Srorfen unb ber
®urd^fe^ung feiner 93riefe, auc^ ber rairflic^e ^erjen^ergüffe
ent^altenben, mit bem munberlic^ften ©prad)engemifc^ nur —
junäc^ft ju feinem eigenen aSergnügen unb in einem ge-
miffen übermütigen ©efü^l feinet ^önnen§ — jeigen miß,
mie i^m alt ba§ feine ©d^raierigfeit mad^t unb er fprac^lid^
fojufagen in allen ©ätteln geredet ift, ^ebenfall? wirb
— 161 —
man bie ungeroö^nlici^e ©prad^mcngerei, bie feine Sieben
aud^ nod^ auf ber ^öl^e feinet SBtr!en§ Jennjeid^net unb
il^nen ein eigenartige^, unferen mobernen ©prad^reinigern
ro6i)i roentg jufagenbe§ ©epräge t)crlei^t, nic^t jurürfgefül^rt
werben bürfen auf feinen biplomatifd^en 93eruf. SSielmel^r
befc^dftigte fid^ ber junge 93i§mard aud^ nod^ mit anberen
Sprachen atö ber baju junäd^ft nötigen franjöfifd^en unb
ber englifd^en, au§ i^m angeborenem ©prad^ftnn unb megen
ber 93efriebigung, meldte i^m bie öberminbung ber bamit
Derbunbenen unb für anbere oft nid^t leidet p bemältigenben
©d^roierigfeiten bereitete, ©o l^atte er bereite mäl^renb
ber berliner ©tubienjeit, mo er mit feinem 3^reunbe ®raf
Sltefanber ^egferling ©nglifd^ trieb unb fid^ beffen jur
Übung aud^ im Sßerfel^r mit i^m bebiente/) t)on biefem ftd^
lettifd^e SßoIföUeber beibringen laffen. 3lud^ ba§ ^olnifc^e
mar il^m nic^t fremb geblieben.^) Sluf einer Steife burd^
Ungarn 1852 l^atte er ftd^ fd^neU felbft oon biefer ©prad^e,
bie bcm ©prad^gefül^I be§ ®eutfc^en fo ganj befonberg
miberftrebt, eine Slnjal^I unentbel^rlid^er 3lu§brüde fc^nell
angeeignet.^) SÖSäl^renb be§ längeren 2lufent]^alt§ in SRu^^
lanb ift il^m bann aud^ ba§ nid^t minber fd^mierige Slufftfd^
einigermaßen geläufig geworben.^)
^n befonberer Sßeife betätigt er feine Sßorliebe für
berartige abfeit^ liegenbe frembfprad^Ud^e ©tubien baburd^,
ba§ er fie ber 93raut nal^elegt unb biefe jur J^eilna^me
baran unb p ä^nlid^en 93eftrebungen ju geminnen fuc^t.
1) ^e^ferling I, ©. 33; II, ©. 461.
2) ^olitifdöe Dieben XI, (5. 311. «riefe an bie «raut u. ©attin
6. 69, 70.
3) «Briefe an bie S3raut u. ©attin @. 346 ff.
^) Äe^fexUnQ I, @. 556.
— 152 —
©intnal teilt er il^r ba§ SSaterunfer italienifd^ mit/) um
i^r einen 93üd ju eröffnen in ben ®eift ber ©prad^e ®ante^,
bie il^r bi^l^er mol^I fremb ober bod^ nur menig geläufig
gemefen mar. 9tici^t feiten gebrandet er in ben Briefen an
fie aud^ itatienifd^e Äofemorte mie angela mia u. a. m.-)
3lber aud^ in emften ®ingen bebient er ftd^ be§ il^m fonft
meniger bequem liegenben ^talienifd^en, fo j. S. menn er
JU ben il^m vorgelegten amttid^en 93erid^ten über feine 3Jliffion
na^ Slöien 1852 in bejug auf eine il^m bamad^ angeblid^
gemalte 9Jlitteilung am Sianbe bemerft: „non mi ricordo".^)
®aj5 er fid^ aber burd^ eigene^ ©tubium mit einem ober
bem anbern ber großen italienifd^en S)icf)ter genauer befannt
gemad^t ^ätte, mirb nirgenb^ offenbar. Slöer feine geiftige
©igenart einigermaßen erfaßt l^at, mirb ba§ faum oer^
munberlidl) finben. 9lur in ber 2lnfprad^e an bie 95ertreter
be§ ®efamtau§f^uffe^ be§ Sßerbanbe^ alter Sorp^ftubenten
(27. 2lpril 1895) erflärt er ben befannten italienifc^en ©prud^
„Nessun maggiore dolore" 2C. — e§ ift befanntlid^ ein
berül^mter SSer^ au§ S)ante§ göttlicher Somöbie^) — für
einen Irrtum, t)ielme]^r blidfc er gern rüdroärt^.^) S33ie er
gelegentlid^ aud^ mit feinen frembfprac^lid^en Siebl^abereien
über ben oon folc^en gemöl^nlid^ eingehaltenen ^rei§ ^inau§=
ftrebte, jeigt bie SUlitteilung einer il^m jugegangenen l^oltänbi:^
fd^en 2:obe§anjeige an feine 93raut, ber er einen ungefäl^ren
Segriff oon ber ©pracf)e ber 5lieberlänber beibringen möchte,
inbem er il^r bie für ben S)eutfc^en nid^t o^nc meitere^
üerftdnblic^en Sßorte überfe^t.^) Sßor allem aber bezeugen
biefe Siebl^aberei unb bie greube an ber in il^rer Pflege
1) ^Briefe an bie SBxaut u. ©attin (5. 41. 2) ©bb. @. 7.
3) ©ebanfen u. ©rttttterungen, ^Inl^ang II, @. 90.
*) Snferno V, ©. 121. S) 5)e^n ©. 623.
6) Sörtefe an bie SBxaut unb (Sattin @. 23,
— 153 —
geübten ©eifte^ggmnaftif bie lebenfprül^enbett unb au§ ber
2:iefe eines beglürften ^erjen§ ftrömenben 93riefe an bie
S3raut. ©erabe in i^nen gefällt er fic^ in einer juroeilen
faft fomifd^ roirfenben ©prad^mengerei, wenn er j. 93. am
7. 3Jlärj 1847 ein fd^on reid^lic^ mit franjöfifd^en unb eng=
lifd^en ©ä^en burd^jogeneS ©d^reiben mit ber 93emerfung
fd^Iie^t bie ©eliebte möge barauS entnel^men: „ch' lo ti
voglio, ben' assai. that I love you, que je t'adore, mon
ange" unb ben näd^ften ©rief anfängt mit ben polnifd^en
©c^meid^elroorten „Czarna kotko, mila duszo*'.^)
^üx ba§ aSermtniS 93i§marrf§ ju ben neueren ©prad^cn
ift aud^ bie 2:atfad^e bejeid^nenb, ba§ er, mie man au§
feinem ©d^roeigen barüber mirb entnel^men bürfen, auf il^re
Kenntnis unb auf bie Sefd^äftigung mit il^nen befonberen
S33ert nid^t gelegt l^at. Offenbar l^iett er fie nid^t entfernt
in bem 9Jla§e für eine Duette ptierer attgemeiner Silbung
mie bie alten ©prad^en. SSielme^r maren fie il^m nur ein
unentbe^rlid^eS ^anbmerfSjeug jur 9lu§übung feinet ftaat^::
männifd^en unb inSbefonbere biplomatifd^en 93erufe§: um
beffentmitten junäd^ft l^ielt er il^re Se^errfd^ung unb fidlere
^anbl^abung für geboten unb lie§ fxäj angelegen fein, fie
ju ermerben unb ju behaupten, ©ie maren i^m nur 3Jlvttel
jum Qxütd, unb e§ lam i^m bal^er aucf) bei ber Scftüre
mo^l weniger auf ben ^n^lt aU barauf an, ba§ er fid^
burd^ fie im ©ebraud^e ber in fortbauernber ©ntroirflung
begriffenen unb fic^ unauSgefe^t manbelnben ©prad^e bef eftigte.
3n ben entfd^eibcnben 2:agen be§ Qal^reS 1866, mo^l benen
ber l^ö^ften ©pannung, bie er burd^lebt l^at, mo e§ fic^
für il^n, um mit bem il^m fo vertrauten §amlet p reben,
um ©ein ober 9lid^tfein l^anbelte, bittet er (2. ^uli 1866)
i) «riefe an bie »raut mt> ©attin S. 69.
— 154 —
Don ©itfd^itt au§ bie ©attin, il^m irgcnb einen franjöfif^cn
SRoman jum Sefen ju fd^irfen, „aber nnr einen auf einmal".^)
aSorl^er ^atte er auf einer Steife nad^ ©fibfranfreid^ at§
einjige^ 93ud^ bie ©ebic^te Sgron^ mit fid^ gefül^rt.^) ©erabc^
JU aU einen 3^e!^Ier feiner SSorgänger in ber Seitung bcr
au^ujärtigen Slngelegen^eiten ^reu§en§ fal^ er e§ an, ba§
fie benjenigen 3lfpiranten für ben biplomatifd^en S)ienft bie
jufättig Äenntni§ frember ©prad^en, namentli^ ber franjöfi-
f^en befa^en, ben erhobenen 3lnfpriid^en gemä§ leidet eine
gen)iffe93et)orjugung einräumten, obgleich biefe Ferren barauf:=
!^in ber oberen Seitung nod^ anfprud^§t)oUer entgegentraten
unb mel^r jur Äritif neigten al§ anbere. „©prad^fenntniffe,
mie aud^ Dberieüner fie befi^en, bilbeten bei un§ leidet bie
Unterlage be§ eigenen ©lauben^ an ben S3eruf jur Diplomatie,
namentUd^ fo lange unfere gefanbtfd^aftlid^en 93erid^te, be-
fonber§ bie ad Regem, franjöftfc^ fein mußten, mie e§ bie
nid^t immer befolgte, aber bi§ ic^ 9Jlinifter mürbe amtlid^
in Äraft fte^enbe SBorfd^rift mar." ®arau§ erflärt e§ ftd^
il^m, ba§ oon ben älteren preu^if^en ©efanbten mand^e,
obgleid^ fte oon ber ^olitif nic^t§ nerftanben, bod^ megen
il^rer ©id^er^eit im 3^anjöfifd^en in bie l^öd^ften ©teÜen
einrüdften, obgleid^ fie aföbann aud^ in i^ren Sendeten
natürlid^ nur ba§ fagten, roa^ fie franjöfifd^ jur Sßerfägung
^tten. S33enn nun aber gar ein ©efanbter aud^ feine
^rioatbriefe an ben SJlinifter franjöfifc^ fd^rieb, fo empfal^l
er fid^ baburd^ al§ befonber§ berufen jur Diplomatie, mod^te
er politifd^ aud^ afö urteil§lo§ befannt fein.^) @rft burd^
93i§marrf felbft ift 1862 in bem aSerfe^r ber preu^ifd^en
Diplomaten mit il^rem Könige unb il^rem SJlinifter ba§
Deutfd^e al§ 3lmt§fprac^e eingefül^rt morben. ^mmerl^in
1) ebb. (5. 672. 2) @bb. ©. 508.
3) @ebatt!en unb (Srinnerungen I, @, 4.
— 155 —
crflärt bie ©d^ule, bie er ba burd^gemad^t ^atte unb unter
beren 3w^^9 ^^ ^^^ ^on ^eter§burg au§ nad^ 93erlin l^at
franjöftfd^ berid^ten muffen, ba§ er t)on bem il^m babur^
geläufig geworbenen ®iplomatenfranjöftfd^ auc^ fpäter nod^
fo üiel bel^alten ^tte unb burcf) beffen Slnroenbung feinen
fc^riftlid^en unb münblid^en 3lu§brudE nid^t feiten eine gang
eigentümlid^e g^ärbung ju üerleil^en raupte.
^erföntid^er fojufagen unb innerlid^er ftanb Si^marrf
pm ©nglifd^en. gär biefe§ l^atte x})m fd^on bie ungeroö^n^
lic^e Slrt, wie er ftd^ feiner bemäd^tigt l^atte/) auf bie S)auer
eine begreiflid^e SSorliebe eingeflößt, ©ie !onnte ber @eift
be§ energifcf)en Qbiom§, ba§ feinem ®enfen unb feiner
3lu§brurf§n)eife burd^ fad^Iid^e Äürje befonber§ entfprad^,
nur nod^ fteigem. ^n ba§ ©nglifd^e verfällt er bal^er be^
fonber§ in ben ©riefen an bie feinem ^erjen am ndc^ften
©te^enben: e§ ift, ate ob er mand^eS, ma§ il^n bemegt, in
bem fraftootten unb gebrungenen (Sngtifdö, ba§ t)on aQem
für ben auSjubrürfenben ©ebanfen entbel^rlid^en 93eimerf
abfielt, treffenber unb einbrurfSnotter ju fagen fidler ift afö
in feiner 9Jlutterfprad^e. ©ben l^eimgefel^rt, miber ©rmarten
ju einer Sanbme^rübung eingejogen, fd^reibt er (1844) feiner
©^mefter SJlalmine: „®u fie^ft how men of merit are
sought after the undeserver may 2C.^) Sfflaffenl^aft finben
ftd^ englifcf)e SOBenbungen unb ganje englifd^e ©ä^e nament=
lid^ in ben ©riefen an feine 93raut, aud^ mo in ber ©ac^e
ein 9lnla§ jum ©ebraud^ ber fremben ©prad^e burc^au^
nid^t liegt.^) ©benfo ift in feine Sieben infolgebeffen t)iel
@nglifd^e§ übergegangen, unb jmar nid^t bloß in glätten,
roo e§ fid^ um bie Slnfü^rung geroiffermaßen ted^nifc^er cng^
lif^er Slu^brürfe au§ bem ©ebiete be§ 9ie^t§, ber ^otiti!
1) %I. oben (5. 19. ^ §efeüel ©. 107.
3) S8rtefc an bie ©raut unb ©attin @. 8, 11, 17, 22 k.
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unb ber Äoloniafocmialtung l^anbclt. Scopolb t)on ©erlad^
gegenüber erfldrt er (19. ®ejember 1857) mit bejug auf
Su^erungen, bie beffen 93ruber Subioig in ber Äreujjeitung
getan, er leibe nid^t an ber 3^itfran!]^eit ber love of
approbation, fonbem fei gewappnet ober blaftert gegen
3lner!ennung t)on befreunbeter ©eite, rool^I aber fei er
empfftnglid^ für bie au§ bem SKunbe eine§ refpeftablen
@egner§: überl^aupt faffe er bie ©unft be§ ^ofe§ unb ber
aJlenfd^en, mit benen er in 93erü]^rung fomme, mel^r auf
t)on bem ©tanbpunfte antl^ropologifd^er 91aturfunbe.^) 3)a§
au§ Olmx ©olbfmitl^g Äomöbie „the good natured man"
ftammenbe 3Gßort „measures not men", ba§ in ©nglanb
ein in ber Erbitterung be§ ^artei!ampfe§ t)iel gebraud^teg
politifd^eg ©(^lagmort geworben mar,^) fid^t er ate unju=
treffenb an: nad^ feiner Slnftd^t mürbe e§ rid^tiger umgefel^rt
„men, not measures" ju lauten ^abm (7. SKürj 1872).^
SJlit ber englifd^en ^Regierung l^atte er ben el^emaligen Äönig
®eorg V. oon ^annooer für „bound of honour", für burd^
ba§ ©ebot ber ©l^re an ben Slbfinbung^oertrag gebunben
gel^alten/) ben er bann burd) Sßerfud^e jur ^nfurgierung
§annooer§ brad^. 2)en urfprünglid^en ©inn be§ beutfdf)en
„Äned)t" ju erläutern t)ergleid^t er e§ mit bem t)ermanbten
englifd)en knight, 9iitter,^) unb bebient fid^ für bie t)on ben
SJIeiftern gegen Slrbeit^einfteKungen ergriffenen 3lbme]^rma§=
regeln ber 3lu§fperrung be§ englifd^en Lock out.^) 9JIe!^r=
fad) bejeid^net er mit einem aud^ fonft in ®eutfd^Ianb oft
gebraud^ten Stu^brud ^öflid^feit burd) fair play unb burd^
„nid^t fair play" ba§ ©egenteil baoon.'') ®ie gauj beft^^
1) «riefe an ©erlad^ (5. 108. 2) «Büd^mann @. 350.
3) ^oltt. meben, V, (5. 307. ^) @bb. IV, @. 105; VII, @. 9.
5) @bb. VII, (S. 276. 6) @bb. VII, (5. 276.
7) @bb. X, (S. 187, 353, 366,
— 157
lofen 2Irbeiter, bie nid)t§ ^aben jurücEtegcn tßrtten unb
beten ©iiironnbenrng ba()er in Stnterita nidjt erroüiif(i)t ift,
nennt er, roie t§ bort iiblid) ift, fdjlerfjirocg „paupers".^)
33« Unieliebttjeit her beutfr^en ^ejEic^niingeii für bie ^ütjeten
Klaffen beS ein^eimifdien 2(be[ä, j. ®. Sieic^ägraf, fe^t et
neben bent englift^en Soxts, „vor bem man nid)t blog in
Snglanb, fonbem nud) in 3)eiitf^lanb ben |>ut abäiefjt",
unb bem fiionifc^en unb italienifd)cn ®uca, „bec etrooS
SfotifdjeS unb beä^atb für ben ®cutfd)cn Slnjieljenbcs tjat",
ben franjöfifc^en SnatquiS, ber bodj „ein geroiffeä f)iftorifrf)eg
flavour tion Koccoco unb ^^ii^^it" ^abe, fo ba§ man i^n
paffieren laffe unb fid) nii^t ärgere, mit i^m ju nerteliren
(26. aHiörj 1886).^) %üv i^n fäüt ein 3;eil ber SWaigefe^e „in
baS ®ebiet beffen — et finbet augeubücEiic^ im Seutfr^en
feinen paffenben 3(u§bruc£ bafüv — , maS ber (ängtänber eine
wild goose chase nennt, eine ^''S'' ^intet roilben ©önfen
JU ^ferbe, eine Qagb, bie nie jum ^kk füfirt" (12. SIpril
1886).^) @r fennt bie ©nglänbet al§ ©egner non t'oreign
influence (7. 3tpttl 1888}*) unb erinnert ben Sfteidjgtag an
bie ups and düwns in ber @efi^id|te ber ^ollänbifdten
Äolonien.'^) Sind) in feinen Sßemoiren fpti^t et oon ben
sympatiiizers, bie nad) bem 3:ilfiter gtieben in atttpteufeen
obet ben beutfd)cn S^änbetn ju ^ren^en geilten glitten,
abtt nid}t imftanbe geroefen fein mürben, feine ©r^ebuug
ju bewirten.'*)
Söenig finbet fid) bagegen bei SiSmord ton engliff^en
©prid)roöttem obet fprit^roottä^nlii^en 3(u§brü(ieu: man
fietjt, er tennt bie englifdie Spradje bod) nur au§ ifiret
1) ebb. X, S. 344, 354. =) ©bb. ©. 344. ») föbb. Xil,
*) SBu(^, 2aflebucf)blättei; III, ©. 329.
5) ^olilift^e ffleben XII, S.ööl.
^ @ebanEen unb @tinneninQen I, @. 290.
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Siteratur unb l^at nicmafe unter unb mit bem cnglifd^cn
SßoHe gelebt. 2)a§ bie ^Regierung bei bem ©d)ulauffi(^t§:=
gefe^ [x6) mit bem gerittgften 3Jla§ be§ aGßättfd^en§merten
begnügt unb eben nur fooiel geforbert l^at afö für fte ganj
unentbel^rlid^ ift, um burd^jufommen, brildt er au§ burd^
ba§ englifd^e ©prid^mort „to make both ends meet", b. 1^.
e§ reiche eben nur, um bie beiben ©nben gerabe nod^ ^n^
fammenjubringen (13. g^ebruar 1872).^) aGßenn er in ber
Debatte ftd^ gelegentlid^ ftarfer 3lu§brü(Je bebient jur Äenn=
jeid^nung ber ©egner ber t)on il^m vertretenen 9legierung§=
vorlagen, fo bittet er „ba§ immer unter bem 93enefij be§
englifc^en ©prid)n)ort§ ju a!jeptieren present persons all-
ways excepted, b. 1^. bie Slnmefenben ftnb in jebem '^aü
bavon aufgenommen, mie bie Unteroffijiere von ben Ferren
greimimgen fagen" (12. g^ebruar 1885).2)
SUlit ber englifd^en Siteratur, von ber il^m in jungen
<3a^ren menigften^ ein gemiffer 2:eil mol^Ioertraut gemefen,
fd^eint er in fpäteren -^al^ren biefe enge g^ül^lung einiger^
ma^en verloren p ^ben. 91amentlid^ tritt bie il^m el^e^^
mal§ eigene SSorliebe für 93^ron§ ®id^tungen, bie er ebenfo
mie bie für 2:]^oma§ SlJIoore auc^ ber 93raut einzuflößen
gefud^t ^tte,^) fpäter bei t^m nid^t mel^r l^ervor. 3)amafö
l^atte feine englifd^e Seftüre ftd^ auf bie SQBerfe be§ un=
glücWidjen ©Ratterten (1752—1770) erftredt, „ber in feinem
ad)tje]^nten -^^al^re in Äummer unb ©lenb, man meiß nid^t,
ob vor junger ober an ®ift ftarb".^) Sßon ben ®irf)tungen
Xijoxaa^ 9JIoore§ ^at i^m „the veiled Prophet", ber ver^
fd^leierte ^rop^et, einen ganj befonber§ ftarfen ©inbrucJ
1) ^:poattfd^e kleben V, «5. 283. 2) @bb. X, @. 502.
3) «riefe an bie «taut unb ©attin (5.12, 19, 73. Sögl.
(S. 67 u. 77.
4) Q^h\>. @. 40.
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9cmad)t: fte bcl^anbcft bic ©cfdjid^te von bcm ^^ropl^etcn
aJIofana t)on ©^orafan, bcffen SJlad^t über feine jünger
unb ©laubigen baburd^ bebingt war, ba§ er fein abfd^rerfenb
^^Ii(f)e§ 3lntli^ von i^en nid^t feigen lie§ unb bal^er ftet§
t)erf(^Ieiert trug, ba, wer e§ erblirfte, beut ^^ii^er feiner
^erfönlid^Ieit atebalb entjogen war. 3Jiit il^m liebt er e§
bie ©ojialbemolratie p t)ergleid^en/) obgleid^, wie auf ber
^anb liegt, ba§ 93itb ben 2:atfarf)en gegenüber wenig p=
treffenb erfdieint. aGßenn er 93uln)er§ be!annte§ aGBort von
ben 3)eutfd^en afö bem „Sßolfe ber (®id^ter unb) 3)en!er"2)
gebrandet, ^) fo fann biefe§ il^m bei feiner au^erorbentlid^en
aSerbreitung rool^l aud) o^ne bie Seftüre be§ JRomane^ ©rneft
3Jialtrat)er§ befannt geworben fein. SSon ben SBerfen ©cott§
finben wir il^n gelegentlid^ mit bem „Ätofter" nad) feiner
Slrt jur 9iarf)tjeit lefenb befd^äftigt.^) Slud^ !tingt il^m ju^
meilen norf) ein§ von ben englifd^en Siebern im Dl^r, bie
er in jüngeren ^al^ren gel^ört, ol^ne ba§ er ftd^ befmnen
!onnte, burd) men unb unter meldten Umftänben er e§
fennen gelernt l^at. ©o fragt er (23. <$^uni 1852) mäl^renb
feiner ungarifd^en Steife t)on Ofen au§ bei ber ©attin an:
„3Bo l^abe id) benn ba§ Sieb l^er, mag mir l^eut ben ganjen
2^ag im ©inne liegt? over the blue mountain, over the
white sea-foam come thou beloved one, come to thy
lonely home!"^) 3)a§ Siedet ber ©nglänber, p fingen
„Britannia rules the waves" lä^t er ate biSl^er mol^l?
begrünbet gelten unb begreift ba^er aud^ il^r ©rftaunen
über bie maritimen 93eftrebungen, bie 2)eutfd)lanb plö^lic^
betätigt (10. Januar 1885).^) SBon feinem ©tubienfreunbe
1) ^oatifd)e meben VII, <B. 279; X, <B. 122, 245; XI. <B. 397.
2) «üd^inann (5. 355. 3) «poKtifdie «Heben I, (S. 161.
4) Söriefe an bie «taut u. ©attin <B. 205. s) @bb. <B. 343.
6) ^olitifd^e meben X, 412.
— 160 —
3)lotIcq l^at er cinft ein alte§ amcrifanifd^cS Sieb gelernt
„In good old colonial times, when we lived under a king"
unb gebraudit e§, um bie patriar^alifd^e 3^it ^^^ europät^
fd)en ^olitif in ber @po^e ber l^eiligen SlUianj ju fenn=
jei^nen.^)
Qu ä^nlid^en SSeobad^tungen gibt ein einl^eitlid^er Ober^^
blid über ben ©ebraud^ ©elegenl^eit ben 93i§mar(i t)on ber
franjöfifd^en ©pra^e, franjöftfd^en SQBenbungen, franjöftfc^en
©prid^roörtern unb geflügelten SQBorten unb ben 9temini§=
jenjen au§ ber Sefd^äftigung mit ber franjöftfd^en Siteratur
8U ma^en liebt. @§ f^eint il^m ein fel^r leb^afte^ ©efül^l
innegemol^nt ju l^aben für bie eigenartige ©rajie, meldte
bie franjöfifd^e ©prad^e in mand^er ^inft^t au^jeid^net,
unb für ben feinen ©fprit, ber fid^ gerabe l^ier at§ il^r
befonberer SSorjug offenbart. Sä^t fid^ bod^ auf franjöftfd^
mandje^ fein unb fojufagen nedEifd^ au^brürfen, mag in
beutfd^en SQBorten gegeben berb ober mol^l gar plump er-
frf)eint. ©eine barau^ erflärlid^e Steigung, fid^ in biefer
Slrt au^l^ilf^meife be§ granjöfifdien ju bebienen, mürbe
baburd^ nod^ gefteigert, ba§ feine amtlid^e ©tellung i^n
jal^relang nötigte, fxd^ ber ®iplomatenfprad^e aU ber eigent=
lirf)en Umgangg= unb 2)ienftfprad)e'^) ju. bebienen, unb barin
trat aud^, al§ er ju einer leitenben europäifd^en ©teUung
aufgeftiegen mar, fomeit e§ ftd^ um ben SSerfel^r mit fremben
©taat^männem ^anbelte, eine mefentlirf)e 3tnberung natürlich
nid^t ein.
SQBieberum ftnb e§ l^ier namentlid^ bie löftlid^en ^erjen^^
ergüffe an bie fünftige Seben§gefäl)rtin, in benen fid^ biefe
@igentümlid)feit feiner Slu^brud^meife befonber^ betätigt unb
benen fie mie einft für bie Empfängerin, fo norf) l^eute für ben
Qih\>. XII, @. 457. 2) $ßQ[. @. 154.
— 161 —
Sefer einen ganj eigenartigen Steij Derlei^t. Unroillfürlic^
nimmt ber Siebenbe ba feine S^ffiic^t p bem fd^miegfameren
unb beweglicheren S^ranjöftfd^, wenn bie l^ärtere unb raul^ere
SJlutterfprac^e il^m nic^t gleid^ Slu^brüde barbietet, bie, n)a§
er fagen will, entfpred^enb fein unb gleirf)fam fd^meid^elnb
geben. SBieberl^olt uerfid^ert er ^o^anna von ^uttfamer,
er liebe fie sans phrase/) unb überfd^üttet fie erfinbung^?
reid) mit allen möglichen Äofenamen: ma tres-chere, mon
adoree Jeanneton,^) Jeanne la noire, enfant ch6rie des
deserts 2C.^) ober Jeanne la sage^) ober nerft fie afö
Jeanne la möchante.^) 3)ann ftid^t er in bem brieflid^en
Oeptauber mit ber 93raut franjöftfd^e aGßenbungen in 2Jlenge
ein, fo ba§ man jumeilen beinal^e ben ©inbrurf empfängt,
atö ^abe er bie fünftige £eben§gefä^rtin, bie oon ben
neueren ©prarf)en junäd^ft nur mit ber englifc^en rec^t t)er^
traut gemefen p fein fd^eint, auf biefe SGBeife unt)ermerft
Deranlaffen moUen, ftc^ aud^ mit bem g^ranjöftfc^en ein=:
gel)enb ju befd^äftigen. Qm ,^inbli(i auf feine beoorftel^enbe
©mennung für ben granffurter Soften legt er i^x freunbti^
nal^e, bie in ber biplomatifd^en ©efellfc^aft unentbel^rlirfie
größere ®eläufig!eit barin ftd^ rerf)tjeitig anjueignen. Slber
auc^ in feinen Sieben bebient er ftc^ gern franjöfifrf)er SBorte
unb SQBenbungen, unb jmar nid^t blo§ fo allgemein rezipierter
Slu^brüde mie k tout prix,^) fait accompli,") ä fonds
perdu,®) non valeurs,^) fonbern auc^, mo bie ©rfe^ung ber
oorl^anbenen unb ben gemoUten ©inn burd^au^ rirf)tig be^
jei^nenben beutfd^en 2lu§brörfe burd^ bie frembfpra^lid^en
ate unnötig erfd^einen fann. 3)a§ ift j. 93. ber g^all, menn
i) Briefe an bie SBraut unb ©attin <B. 43 u. öfter.
2) ®bb. (S. 11. 3) ebb. (5. 23. 4) ebb. @. 54. ^) @bb. (5. 74.
«) $oIitifd)e meben IX, ©. 351. 7) (^^^^p, x, ©. 189.
«) @bb. VIII, ©. 244; XI, (5. 81. «) @bb. X, ©.121. ^
«pruö, 93t§marcf§ ÖUbunß. 11
— 162 —
er einmal mit gteuben fonftatiert, ber 2:on ber Sßerl^anb::
lungen im preu^ifd^en Sanbtage fei ein t)iel rul^igerer ge^
morben, afö nad^ ben 6chantillons t)on 1863 ftd^ l^dtte
ermatten laffen/) ober mcnn er meint, unmöglid^ fönne
S)eutfci^Ianb auf bie 3)auer jugemutet merben „allein bie
dupe einer el^rlid^en Oberjeugung ju fein", ba e§ bi^l^er
burc^ bie meitgeöffneten 2^ore feiner ©inful^r bie 2lblagerung§=^
ftätte aller Gberprobuftion beg 2lu§lanbe§ geworben fei,^)
nnb ein anbere^ 9Kal ermartet, ber 93auer merbe fid^ fclilie^^
lid^ !lar merben, ba^ er bie dupe unb ber Slmbo^ fo t)iel
^di)x^ gemefen fei, unb bann merbe man ba§ au§ feinem
Äopf nid^t mieber l^erau^friegen.^) ®urc^ ben l^äufigen
©ebraud^ bei ben mirtfc^afti^politifdien Debatten ift bag
„laisser faire laisser aller" ^) ooHenb^ jum geftügelten SBort
gemorben. SSon bem au^märtigen SUlinifter fann man nad^
feiner 2lnfxd^t nid^t verlangen, ba^ er mit ber aSolföoer^
tretung über alle fd^mebenben g^ragen „carte sur table"
fpiele, alfo aH feine ^^läne, ben innerften SBinfel feines
^erjenS offen barlcge.^) ©tatt be§ guten beutfd^en „in
eine 3w^^8^I^9^ oerfe^en" fagt er mo^l „en demeure
fe^en",^) mie ftatt „bei gefd^loffenen Spüren" ober „mit
SluSfc^lu^ ber Offentlic^feit" „ä hüls clos".'^) S^nlic^
mie l^ier eines 2lu5brudS auS bem franjöfxfc^en ®erirf)tSc:
oerfal^ren bebient er fid^ beS auS ber 2:erf)nif ber Äupfer^:
fted^er befannten avant la lettre in bejug auf Sieben, bie
über eine 3^rage geilten merben, beoor eine biefe jur
©rörterung fteUenbe SSorlage eingebracht ift,^) unb um^
frfireibt unfer „etmaS bu^ftäblid^ ober mörtlid^ nel^men"
1) ^olit. meben XI, ©. 431. 2) @bb. VIII, (S. 28.
3) ^ht>. X, (5. 492. 4) (g. 204. ^) (§)h\>. X, «5. 190.
ß) (&hh. VIII, ©. 114; XII, @. 255, 299. 7) @bb. XII, @. 572.
^) ®bb. XII, ©. 22.
— 163 —
burd^ „c§ nel^men au pied de la lettre".^) Sl^nlid^ fptid^t
er einmal üon einer dömangealson, b. 1^. einem ©elüft
jum Äriegfü^ren.^)
SOBeniger befremblic^ ift e§ natürlich, 93t§mar(i fid^
gemiffer fosufagen te^nifd^er franjöfifd^er 2tu§brü(ie bebiencn
ju feigen, jumal xoo ein allgemein rezipierter beutfd^er 3lu§5
brurf fel^It. ©0 fprid^t er von einem sujet mixte,^) b. 1^.
einem eigentlid^ pgleid) jmei Stationen angel^örigen SUlann:
afö folrf)en nimmt er Submig Samberger in 2tnfprud^, um
ju ermeifen, biefer fei bod^ mol^l weniger jum SBertreter ber
beutfd^en Station berufen ate er felbft.^) @r fprid^t non
repris de justice, etma „rüdEfäUigen Sßerbred^em",^) bie beS^
^Ib unter polijeili^er Slufftd^t ftel^en. 3lngefid^t§ unmirffam
gebliebener Seftimmungen ber aWaigefe^e bemerft er, aud^
in g^ranfreid^ l^abe ber bort boc^ befonber^ üblid^e appel
comme d'abus, bie Berufung an bie ©taat^autorität gegen
ben 3Jii§brau^ ber geiftlid^en 2tmt§geroalt tatfdc^lid^ feinen
©rfolg gel^abt. Slnfpielenb auf bie fubtile Unterfd)eibung^)
jmifd^en regner unb gouverner, bie S^l^ierg in bie befannte
formet gebracht l^at „Le roi regne et ne gouverne pas",*^)
erllärt er e§ für eine Segenbe, menn man ba§ gleid^e afö
ba§ ©rgebni^ ber ftaat^red^tlid^en (SntmidElung ?ßreuj5en§
barftelle.®) 3)ie Partei, ber einft ber Stbgeorbnete Sa^fer
angel^örte, l^atte nad^ il^m il^re ©fiftenjunterlage urfprünglid^
nur in ber gemeinfamen 2tbneigung gegen il^n, ben Sleid^S^
fanjlcr unb bie non i^m vertretene faiferti^e ^olitif gel^abt:
„une haine commune, mie man in g^ranlreid) fagt, mar
1) ?oUtifd)e «Reben IX, @. 420. ^ @bb. Vi, @. 344.
3) ebb. IX, <B. 418. 4) @bb. IX, <B. 418, 429.
5) ebb. V, @. 58. «) ebb. XII, (S. 87, 88.
X ') 33üd)mann @. 544.
8) ^olitifi^e diüttn IX, (S. 225.
11*
— 164 —
ba§ einjigc pofitiüe Sinbemittel".^) ©benfo ruft er ber
Steid^^tag^mel^rl^cit beren Unbercc^enbarfcit in jebem eittjclnen
^att er beflagt, no^ im ^al^re 1887 ju: „üne haine
commune vous unit",^) unb fommt barauf mit beutfd^en
aGBorten nod^ einmal jurüd, inbem er ba^ 3itf<itt^wien9e!^en
be§ 3^^t^ttt§ unb ber gortfc^ritt^partei au§ biefem gemein^
famen §a§ erüärt, einem §a§, ber i^n baran erinnert,
mie ^erobe§ unb ^^Jilcitug fid) jufammenfanben.^) @r fprid^t
gelegentlich t)on einer „question de dignitö"/) t)on feinem
©emiffen afe feinem „for Interieur"/) t)on einer raison
d'etre, einer Sered^tigung in§ Seben ju treten, einer fable
convenue,^) einer douce violonce,'^) einem feu sacre de
la revanche, bem l^eiligen Steuer ber Siad^e, ba§ in 3tan!=j
reid^ planmäßig genäl^rt merbe,®) unb umfd)reibt unfer
beutfd^e^ „Streiten um be§ Äaifer§ 93art" mit ben ^^anjofen
burd^ querelle allemande.^) 3)a§ er ftc^ be§ Slu^brud^
bete noire — afe eine fold^e, b. 1^. al§ fd^ulb an ber
t^inberung be§ t)om Sßolfe angeblid^ ©emünf^ten, mirb, be^
^uptet er, gemölinlid^ bie ^Regierung bargeftellt — bebient/^)
fann weniger überrafrf)en, al§ menn er ba§ 3)eutfd^e „^d^
gebe bie ©ad^e verloren" ober „^ä^ Dergid^te auf il)re
®urd^fü^rung" miebergibt bur^ ba§ ed^t franjöfifd^e unb
bafjer bod^ nid^t fo allgemein fidler nerftänblid^e „J'en ai
fait mon deuil".^^) 3)em ®eutfd)en fagt er nad^, er fei
immer bereit, „bände ä part ju machen" unb lebl^aft gegen
1) ^oat. meben X, @. 14. 2) @(,b. XII, ©. 229.
3) Q^hh, XII, (5. 296. (SßgL oben ©. 48.)
^) (&h\>. VII, @. 426. 5) @bb. VIII, ©. 174; X, @. 259.
6) ebb. X, (5. 33. 7) @bb. III, @. 237.
8) @bb. XII, (5. 188, 189, 190.
9) ebb. I, (S. 290. ^olittfd^e ^Briefe 1849—89 I, 125.
10) ^olitifd^e kleben XI, <B. 207. H) @bb. IX, @. 360.
— 165 —
ben spartet ju nel^mcn, bcr nid^t biefctbcn Änöpfe an bcr
Uniform trägt unb bem SBaterlanbe auf eine anbete SBeife
ju bienen glaubt afö er felbft.^) S)a§ moralifd^e ©ere^tig^
feit^gefül^I ber ©teuerj^al^Ier ^It er einmal für eine „flehe
de consolation", eine fleine ©ntfc^äbigung ober 2lbfci^Iag§=
jal^Iung/^) SBenbungen mie „sans peur et sans reproche",^)
ober „pour les beaux yeux de TAutriche et de la diöte"/)
bie er im vertrauten 93riefmeci^fel gebrandet, mürben ebenfo
mie bie SOBenbung oon ber „patte de fer, gant de velours",
ju beutfd^: „@ö^ !^at ba§ (Sifen, mir l^aben ben ©ammet",
bie er im 3luguft 1891 in ba§ ©tammbuc^ ber 93erlirf)ingen=
bürg fd^rieb/) aud^ non einem meiteren Äreife fixerer oer-
ftanben morben fein afö fo ed^t franjöfifrfie 3lu§brü(ie mie
„avec un rire jaune"^) ober „rompus au mutier" für
au^gebiente ©olbaten, bie militärifd^ noc^ nic^t^ oerlernt
l^aben,*^) ober lächeurs de leurs compatriotes, momit er
Siegierungen bejeid^net, bie il^re Sanb^Ieute im 3lu§Ianbe,
menn fte ba falfd^ fpeluliert ^aben, il^rem ©d^idEfal über=
laffen,®) ober menn er oon bem saigner ä blanc fprid^t,
bem 2tberla§ bi^ jur 931utleere, ben bie gtanjofen namentlid^
1807 an ^reu^en vorgenommen ^ben, um ü)m bie ©r-
l^olung unb Sammlung neuer Gräfte unmöglich ju mad^en.^)
S^nlic^ ift e§ mit ber Slnfpielung auf bie franjöfifd)e
9ieben§art „c'est un mauvais coucheur", um aujubeuten,
ba^, mie mir fagen, mit jemanb nic^t gut Äirfd^en effen fei.^^)
1) ^oUt. «Reben IX, @. 416. 2) ©^b. X, ©. 161.
3) «Briefe an bie Söraut unb ©attin <B. 70.
4) «Politifd^e ^Briefe 1849— 89 I, ©. 62. Sögl. «poUtifd^e «Reben
VII, (5. 94.
5) ^el)n (S. 530. ß) «poIitifd)e «Reben XI, (5. 107.
7) @bb. XII, (5. 469. 8) @bb. XII, ©. 584.
9) ebb. XII, <B. 194. 10) @bb. VIII, ©. 279.
— 166 —
2lbfci^Iägige Stntoortcn t)on feiten ber römifd^en Äutie, anä)
wenn fie nod^ fo fel^r mit tteben^roürbigen SRebengarten
t)erbrämt waren, blieben i^m bod^ immer l^öflid^e fins de
non recevoir.^) ©inen dürften ju bejeid^nen, ber be§
®Iauben§ lebt f^ine Untertanen glürflid^ ju mad^en unb
aUeg in befriebigenbem ©eleife ju erl^alten, ^änge allein
t)on feinem SBiUen ab, bebient er ftd^ be§ bafür bei ben
^ranjofen üblid^en 3lu§bru(i§ bon prince.^) :3m ^inblirf
auf bie feinblid^e Haltung, meldte bie SRe^rl^eit ber ^iolU^^
Vertretung bamal§ gegen ba§ SUlinifterium einnal^tn, be^
jeid^net er mit einem feemännifd^en S3ilbe ben Ärieg von
1866 al§ gefül^rt contre vent et maröe.^) ®ie Sßermenbung
ber ben ©injelftaaten übermiefenen 9ieid^§gelber foll in§
Seben treten nur „au für et ä mesure", mie bie SReid^S^
gelber eingel^en.^) Qn bepg auf ben ^a% ben im Saufe
feiner SUiiniftertätigfeit ber Steil^e nad^ aHe ?fraftionen gegen
i^n betätigt l^aben, meint er, ba§ fei l^erumgegangen „ä tour
de röle".^) :3emanben für eine Überzeugung gewinnen
motten, ju ber er fi^ tatfäd)lid^ fd^on befennt, nennt er
mit ben g^aujofen prgcher ä un converti, einem 93e!e^rten
prebigen.^) ^n einem 93riefe au^ ^eter^burg !lagt er
bem SJlinifter t)on ©^leini^ gegenüber einmal, t)on feinen
biplomatif^en Äottegen, bie ben leitenben 2Jlinifter g^ürften
®ortfd^a!om nur feiten ju feigen befämen, mürben an il^n,
meil er mel^r mit bemfelben t)erfe]^re, bie inbi^freteften gtagen
„ä brüle-pourpoint", b. ^. au§ näd)fter 9iä]^e gefteUt.'^) ^m
©efpräd) mit bem 9ieid)§tag§abgeorbneten S^reil^errn von ^^ert^
1) ^oltt. «Reben X, ©. 295.
2) ebb. XI, (5. 187. 3) ebb. XII, @. 318.
4) ebb. VIII, @. 242. 5) @t,b. VIII, ©. 145.
6) (§:h^. VIII, ©. 55. . .
7) ®eban!en unb ®rinnerun9en, 3In^ang II, @. 296.
— 167 —
Ung bcflntiüortet ex eine SJüttcilung beSielben mit ber i5'-'i96:
„A qui le dites-TOus" i' ^
2lui4 für franäöftfdie Sprittjinürtet iinb fptic^rooctälin:
Ii(i)e SRebeiiSQvten jetgt et ä^nli^e 33otIiebe. @r faßt „Qni
s'excuse, s 'aeeuse"/'^) „les extrSmes se touchent, mais ila
Be ne briaent pas" unb bejeic^net biefen 5mn geflügelten
SBott geroorbeiien Sa^ SfiercierS, ber einen ju ben »er;
f^iebenften ^^eiten in uerfc^iebenec SBeifc fonnulierten @e=
banfcn Quä|ptid)t,'') al§ eine „jenet franjöfifdien 3teben§=
orten, beren anfci)eiitenbe SSndjftabenroatjt^eit bie innere
Unmo^r^eit bedt unb bie Don ßeuten etfunben roerben, roeldie
bie J^olgen i^ter eigenen ©tftlec^tigteit gern einem not^
roenbigen 91nturge|c5 aufbürbcn", unb bcmetft bann roeitev :
„33er SJorberfa^ ift loafjr, fie bcvü^en fid}, aber fie gc^Üten
auc^ jufamnien raie 3:inte auf meifeeg ^^Japiet, mie ba§
ftarre ©iegel auf baä n)eid)c SBni^ä. ©[eicbavHge Sfjaraf:
tere flogen fidj <ib ober langmeilcn fid), benn bei i^nen
trifft Scfe auf ©cfc unb Surfe auf Üticfe, oljne fic^ anfd)Iie^en
ober einanber buvdjbringen ju fonnen, roäljrenb bei ungleid):
artigen jeber ben anbetn erganst, erregt unb bisher ftumme
©niten in i^m anf(t)Iägt. Äraei Ijarte Steine mahlen nid)t
pfammen, jroei meiere aiid) nic^t, unb bei aJIenfc^en mn§
ber eine meid) fein, loo ber anbete ^art ift, menn fie gut
sufammen maf)(en foUen"'') — eine Semerfung, bie roeber
neu, nod) in biefer Slttgemcin^eit ri^tig ift, bie aber Don
feinem 9iad)benten aud) über pfi)d)ologift^e ^l^robleme S^H-
ni§ ablegt, ^ud) ba§ gut beutfd)e: „®aä Seffere ift ber
t^einb beä ®utcu" gibt er franjöfifd): „Le mieux est
') D. 'JJofd)ine«, iöiämaiii unb bie ^avl amen tarier I, ©. 315.
■) ^JJoIitifd)e fflebeit VII, S. 300. ") SBü^inonn @. 319.
^) töricfe an Sic aSraiit unb Sottin S. G5. Sßgt. Iflolit. SReben
— 168 —
Tennemi du bien".^) @r mi% „noblesse oblige", unb mad^t
e§ ate ein roid^ttgc^ politif(^e§ SKomcnt gcitcnb.-) 3)a§ be^
fannte „apres nos le deluge" bejcid^net er afe ein „ton^
ftitutionelleig ©pri^roort", von bem et roünfd^t bie preu^ifd^e
ginanjoerroaltung möge e§ niemafe jur SRic^tfd^nur nel^men.^)
3)en ©ebanfen, ba§ fleroiffe gröjgere 3^^^^ föflK^ ti^t
erreicht roetben fönnen, ol^ne i^nen Heinere ju opfern, brüdt
er burd^ ba§ franjöfifd^e ©prid^roort au^: „Pour faire une
Omelette 11 faut casser des ceufs"'^) ober aud^: „On ne
peut pas faire une Omelette sans casser des oeufs^.^)
3)a§ beutfd^e „^eber ift fid^ felbft ber 5nä^fte"^ gibt er
au^ in ber franjöfifdjen 5orm : „toute charite bien ordonnee
commence par soi-meme"^) unb fagt: „toute verite n"est
pas bonne k dire".^ ©elegentlid^ beruft er fid^ aud^
auf „qui trop embrasse 2C.", Iä§t aber ben ©^lu§ fort
„mal ötreint", mit bem 93emerfen, er moBe feine fremben
Zitate mad^en, inbem er ben ©ebanfen beutfd^ gibt: „äBer
fid^ ju oiel oomimmt, läuft ©efal^r, gar nic^t^ ju erreichen".
3)en ©emeinpla^, ben er im Saufe ber oon il^m burd^^
gefo^tenen parlamentarifd^en 3)ebatten nur allju ^ufig in
Erinnerung ju bringen 2lnla§ ^tte, bajg tabeln leichter ift
al§ beffer madjen,^) formuliert er nad^mafö furj in ba§
fraujöftfc^e „la critique est aisee".^^) 9to(^ im^^al^re 1871
oerteibigt er ftd^ mit begreiflid^er Sebl^afttgfeit gegen ben
Sßerfud^, im Slnfd^lu^ an eine in bie SGBelt gefd^Ieuberte
1) ^Briefe an bie SBraut unb ©attin ©. 47.-
2) ^olitifi^e meben VIII, ©. 37; X, @. 341.
3) ebb. I, ©. 199. Sßgl. VIII, ©. 280. ^) ©bb. VI, ©. 36.
5) t). ^ofi^inger, 3tnfprad)en, @. 153. 6) Sögt, oben 8. 53.
7) ^olitifd^e [Reben I, @. 281.
8) 0. Äeubett @. 325. «ßolitifd^e [Reben X, «5. 140.
^) ^gL oben @. 107. i^) ©ebanfen unb (Erinnerungen II, @. 6.
— 169 —
unbegrüiibete sBeljauptiiiift btä ©lafen Sdiiuevin^j it)m 011=
jubic^ten, er ^abe fi^ emft öffentlich ju bem ©a^e beEaiiitt:
,.la force prirae le droit", „@eronlt ge^t tot ^tedit".*-^)
öm ©inflang mit bem 2(u§fpruc£), ben ein fvanjörifft)et
©tootämami not etioa jiDanätg Qa^ren getan ^abc: „C'eat
la legalit^, ijui nous tue" nimmt et e§ al§ Stecht eineö im
Stonb ber Slotiue^r um fein ©afcin fämpfenben Staates
in 3tii[pru{^, fid) in gerotffen 3tugertbli(ten übet ben iöui^:
ftaben be^ ©efe^eg ^inmegjufetien. ") Sfn atnleljuung an
bag Sott, baä ftanjöfifc^e ^olitifet uon iftrem Sanbe
gebtnudjt fiaben, fpridjt üud) er »on ..le je« de noe
institutions"*) unb uatiicrt in bejug auf bie ^ieigung feinet
politifc^en (Segnet für aÜcä unb febeä it)n nerantroottlii^
ju mac!)en, ba§ beEannte „clierchez la femme" in „cherchez
le e'.ianeelier".") Unfer DoItätüuiIirf)e§ „offene lüren ein=
reimen" gibt er ftanäöfifd) burd) enfoiicer dos portes
O'.ivertes,*') ^at aber au^etbem einen retten SÖorrot Don
ipeiififi^ ftauiöfifd)en 9leben§ütten imb SSi^ioorten gur^anb.
Sßon be§ 3Ibgeotbneten iiubroig Sambetger geronnbter
®iaiettif, bie fic^ burt^au^ in ben (formen bet guten @e=
fellfc^aft ^alte, raä^teub il)te untet bcm n)oI)ltuenben SJinntel
bet Sanftmut unb leibenföjaftlofen ®prad)e abgefeuerten
Pfeile um fo fefter fi^en, fi^etjt er: „le diable n'y perd
rien".') Um ben berbeten beutfrfjen 3tuäbrutf su oevmeiben,
begeidinct er ba§ 33erfa^ten betet, bie ibn auf bem Sßege
„objettiüer SGcrleumbung" befdjulbigen, er £)abe fid) bintec
bie SBerantroortung beö Eaifcrlid)en 91amen§ äutüdgejogen,
atä eine SaEtiE, auf bie ber Sptud) paffe: ,.ä corsaire
eorsaire et tlemi", auf einen Spi^buben anbetttjalb.^) "fitin:
1) «ei- *olitttd)E muten II, ©. 87. ^ «bb. V, S. 15.
») ebb. XI, ©. 463. *) ebb. IX, ©. 157. B) ebb. x, ©. 437.
B) ebb. X, s. 22. 7) ebb. IX, s. 433. «) ebb. vi, ©. 43.
— 170 —
lid^ gcbraud^t er jur SBcjcidinung be§ beutfd^cn „3)a§ tft
!^in tüie l^cr", ba^ ^et§t, c§ ^anbclt ftd^ bIo§ um bcn
SBortftrett unb nid^t um fad^Iid^e Unterfd^tcbe, bie franjöfifd^e
SRebcuSart: „C'est bonnet blanc et blanc bonnet", beten
©tun er Deranfci^aultd^t burd^ bie SSemerfuug, ebenfo gut mie
t)on einem fd^u)arjen Xud^xod fönne man von einem SRocJ
au§ fd^marjem %n6i fprec^en.^) ®aj5 er einen il^m ju ftarf
erfd^einenben 2tugbrurf — 9ieirf)gfeinbe — geftiffentlici^ t)er^
mieben l^abe, motiviert er mit bem franjöfifd^en „cela
aurait 6t6 plus fort que moi",^) unb beruft ftd^ bei biefer
©etegenl^eit gegenüber einer fpi^en 93emer!ung 9öinbt!^orft§
über franjöfif^e Siebengarten von Diplomaten, mit ber
augenfrf)einlici^ eine befonbere ©igentümtic^feit feiner nici^t§
weniger ate juriftifd^en Siebemeife getroffen werben foKte, auf
bie S^atfad^e, ba§ in bem amtlirf)en SSerfelir ber preu^ifd^en
Diplomatie erft burc^ i^n bie beutfc^e ©prad^e ju il^rem
Siecht gefommen fei. aGßenn er erfiärt, einem ^riefter, ber
beim Eintritt in ben geiftlid^en ©tanb bod^ ganj genau
gemußt ^abe, mag feiner wartete, nad^l^er aber gegen i^m
miberfal^renbe Unannel^mlid^feiten bie weltliche 93el^örbe um
©d^u^ anrufe, !önne er nur fagen: „Tu Tas volu",^) fo
eignet er fid^ mo^l aud^ ba nur ein au^erorbentlid^ weit
verbreitetet geffügelteg SQBort an, ol^ne feiner ^erfunft au§
ajioliere eingeben! p fein.^) 3luf bie befannte 9teben§art,
mel^e bie ^anjofen jur Sejeid^nung einer weit rädhoärtg
liegenben Q^it gebraurf)en „au temps oü Berthe filait",
fpielt er an mit bem 2lu§brurf, bie QtiUn, wo 93erta
fpann, feien nid^t me^r.^) SBieber^oIt gebrandet er fd^erjenb
in bejug auf bie ®efd^irflid^!eit feiner ©egner in ber ©nt^
1) ^olit. diztzn VIII, @. 137, 2) @bb. XI, «S. 279.
3) @bb. XII, @. 8ß. 4) SBüd^mann <B. 312.
^) ^^Jolit. «Reben IV, @. 378, 79.
— 171 —
Geltung feinet 3lupecungen, iiigleicl) ober auij im Sinne
einet Söaraimg baä Söott, ba§ ber fransöfifdje Sacf)be(fer
im galten gefagt i)ahen. fuU: ^(^a va bien, pourvu que ija
diire"',M eignet ficft abet quc^ ein ge^ügelteä SSort aüer=
mobernfien Urfptunflä an, inbem et bem SISunfcI} feinev
©egnet, il)n balb äurürftreten ju fe^cn, baä HSort be§
SHiarfc^aUä SOtac 9Jia^on entgegenflellt : „J'y suis et j'y
reste".'^)
@egenütiet btefer ^^ülte non 9tnfpielmigen auf uoltS;
tömlidje franiöfifdje Wuäbrüöe unb ber (jäufigen 2lmoenbung
franjöfif(^ev äßorte unb 9ieben§atten nud) ba, rao gleid):
roettige beutfcl)e jut 33etfiigung ffanben, fann auf bcn erften
5BU(f bic »ert)ättni§mä§ige ©eltenljeit eigentlit^ litetarifdjet
31nfvtelungcn burd) Sejugnaljnie auf SJerEe berühmter ftans
jöfifdiet Slutoren übetrafc^en. ®od) erflätt fie fic^ roo^I
einfad) flenug barauS, ba§ öismard bie franjöfifdie Sprache
bereite in jungen ^iiftren alä eine lebenbige, butd) ben
©cbraud) in ^au^ unb ganülie unb im ^ctte^r tennen
gelernt t)atte unb bann alä 3!)ipIomat mit il)r noUenbä roie
mit einet sioeitcn SJlutterfprac^e oertraut geworben mar,
ot)ne jur (Stgäitiung unb 9tuffrifd)ung feiner fienntniffe unb
jut ©eniinnung baucmbet §ertfd)aft über baä ftembe Qbiom
ju umfänglidjer Settiire feine ^uflu^t nel)mtn ju müfjen,
roie er ba§ bei bem i^m juuärfjft me^r onä SSüdjcrn befonnt
geroorbenen Snglifc^ getan l)atte. 3Bo^I noc^ au§ ber
Sinb^eit loat if)m bie %ahil fiafontaineä »on ben beiben
Stbüofatcn in Stinnetung geblieben.^) 3(ud) beantiöortele
er, roie et fid) rflfimt, alä fteUaettteienber Sßorfi^enbet be§
Sunbeätag§, hie übevreidjung feiner ?legtaubigung burd)
ben neuen franjöfifc^en ©efanbtcn, ben et babei en grande
') 'lJo[tt. giebcii X, S. 202, 23ä.
") ebb. VIII, S.249. 3) Sbi. I, S. 23!».
— 172 —
tenue empfing, mit einer, roie er meinte, „fel^r jierlid^en im
©tile 83offuet§ gel^altenen 2lnfprad^e".^) 2lu§ 93otteau jitiert
er afe „franjöftfd^e^ ©prid^mort" ba^ befannte „J'appelle
un Chat un chat", freitid^ ol^ne ba§ bann folgenbe „et
Rolle un fripon".^) äöieberl^olt fpielt er an auf 93ottaire§
Sftoman ©anbibe, beffen roeltfrember ^elb in feiner Unfd&ulb
atteg für t)ortrefftt^ beftettt ^ätt,^) unb erfinbet im 2lnfd^Iu§
baran ben 2lu§bru(f, „canbibe Unfd^utb".^) SSon Slouffeau
!ennt er ben Contrat social^) ob bIo§ t)om ^Brenfagen
ober au§ eigenem ©tubium, mu§ bal^ingefteQt bleiben. Sßon
mobemen franjöfifd^en S)id^tern fd^eint il^m 936ranger be^
fonberg jugefagt ju ^ben, mod^te er aud^ an einzelnen
feiner lodferen Sieber Slnfto^ nel^men. 2lte abfd^recfenbe§
83eifpiel für bie 2lrt, „roie ein gtanjofe bie griebloftgfeit
be§ irbifd^en 2)afein^ auffaffe", teilt er feiner 93raut beffen
©ebid^t mit:
„Mes maux sont des tristes exemples
Du pouvoir des dieux d'ici-bas"
oermenbet aber in bemfetben ©riefe ju ber ©etiebten ^rei§
feinen aSer§:
„Tout son charme est dans sa gräce,
Jamals rien ne rembarrasse,
Elle est bonne, et quand eile rit,
Ma Jeannette a de l'esprit".^)
aSon be^felben S)id^ter§ ß^anfon§ liebte er feinet föftlid^en
$umor§ unb feiner feinen ©atire roegen befonber§ ben
„Roi dTvetot". 3Jlit il^m oergleid^t er ©ertad^ gegenüber
fd^erjenb ftd^ felbft, inbem er afö fteKoertretenber 93or:=
1) «riefe an ©erlad^ ©. 55. 2) ^olit. meben VI, ©. 43.
3) (§^ht>, VIII, <B. 364; IX, ©. 411. 4) (&hh. XII, ©. 120.
5) ebb. IX, ©. 233.
6) «riefe an bie «raut u. ©attin @. 39, 40.
— 173 —
fi^cnber be§ 93unbe§tag§ t)on fid^ fagt: „^d^ regiere 2)eutfd^=
lanb comme le roi d'Yvetot".
Se levant tard, se couchant tot,
Dormant fort bien sans gloire".^)
9tod^ im ^al^re 1881 meint er fd^erjenb, ein Sleffortminifter
Knne fid^ eng auf ben i^m junäd^ft angemiefenen 2lmt§frei§
befd^ränfen, für ben leitenben 3Jlinifter eine§ grojgen ©taate§
aber fei ba§ unmöglid^: t)on einer eng auf ba§ Sleffort
befd^ränften 2luffaffung muffe ein fold^er ftd^ uielmel^r frei
mad^en ober „bie bequeme Seben^meife be§ befannten Äönig§
t)on ^netot annel^men, frül^ ju 93ett gelten unb fpät auf^
ftel^en, dormir fort bien sans gloire, roie e§ im S^eyte
l^ei^t".^) 2luf einer feiner parlamentarifd^en (Soireen, roo
ber ^aifer anmefenb mar unb burd^ feine lebl^afte Unter::
^Itung ben 2lufbrud^ ber ©dfte ungerofil^nlid^ oerjögerte,
meinte ber Sleid^^fanjler unter $inroei§ barauf, bajg er
bod^ nid^t ba§ Qüä)m jum 2Iufbrud^ geben !önne: „le roi
s'amuse", anfpielenb auf ba§ befannte ©cribefd^e 2)rama.^)
Qn bejug auf bie langjäl^rige ©egnerfd^aft Sa§fer§, für ben
er tro^ mand^er mit il^m au^gefod^tenen gelobe bod^ eine
gemiffe perfönlid^e Sßorliebe ju empfinben befannte, beruft
er fid^ auf ein alte§ franjöfifd^e^ Sieb, morin e§ l^ei^t:
„On se rappelle avec plaisir les coups de poing qu'on
s'est donnes" (8. 2lprit 1879).^) 2luf ft^ f^^ft, ber na^eju
brei^ig ;3a]^re ben ^ampf für bie beutfd^e ©inl^eit gefül^rt
l^abe, menbet er in ber feit ad^tje^ ^al^ren oon il^m be=
fleibeten leitenben ©teQung ba§ SBort an, ba§ er unlängft
mäl^renb einer fd^taflofen 9iad^t bei einem franjöfifd^en
^iftorüer getefen ^ah^ über einen (Staatsmann, bem man
1) «riefe an ©crlad^ ©. 31. 2) ^oüt. «Heben VIII, ©. 263.
3) V. ^ofd)inger, 93i§marrf u. b. ^arlantcntaricr I, ©. 224.
4) ^olit. meben VIII, ©. 34.
— 174 —
tnel^r Sßerbtcnft sufd^ricb, afö er für fid^ in 2Infprud^
ncl^mett fönne: „II devait succomber au poids des haines
inassouvies qui s'accumulent sur la tßte de tout ministre
qui reste trop longtemps au pouvoir — "^) eine ©teKe,
bereu ^erhtnft fid^ bi^l^er nod^ nid^t nad^roeifen Ue§. SSon
bem ^rinjregentett unb feinem bamaligen 3Jlinifter be§
Slugroärtigen von ©d^Ieini^, l^inter bem ber @inf[u§ ber
^rinjeffm 2Iugufta ftanb, bemerft er fd^erjenb megen il^rer
Steigung, angeblid^ au§ Eingebung an 2)eutfd^Ianb, 1859
bem S)rängen ber fiffentlid^en 3Jleinung roeid^enb für Öftere
reid^ mit ben äöaffen gegen g^ranfreid^ einjutreten, fte
l^ätten an bie 93ered^tigung ber 9teben§art geglaubt: „n y a
quelqu'un, qui a plus d'esprit que Monsieur de Talleyrand,
c'est tout le monde" — ^ eine 2Infid^t ju ber 93i§mardE
fid^ niemafö befannt l^at unb ber entgegenjul^anbeln für
tl^n nid^t feiten bie erfte 93ebingung mar für ba§ ©elingen
ber il^n befd^äftigenben ©ntmürfe.
1) ^olit. di^t>^n VIII, ©. 189.
2) ©ebanfen unb ©rinnctungen I, @. 282.
VI.
iHömarcf? ^iftorift^e Slufdjauuiigen.
9lu§ einem ^einblütigen Sunfer, ben bie uon iljni ju=
nietlen geffiffentlic^ gereiften ©egner Ietbenf(^aftlii^ (jagten
unb felbft feine Sparteigcnoffen gelegenttitf) nij^t ofine aSer;
lounbemng unb Sorge betrachteten, ift SiSmard: auf bem
3Bege einer in i^rer Slrt einjigen ©ntroiiilung al§ Schöpfet ber
beutfi^eu (Sinf)eit ju einem non feinem SßoHe mit begeifterier
ffiantborfeit Meteljrten 9lational^ero§ geroorbcn. Söer bie
Bon i^nt burcf)meffene 33af)n aufmerffam unb ntit uerftänbni^^
roHer Ieilnat)me uerfotgt wnb bann bie 91rt, niie er mit
feinen größeren Qmeden inut^ä, unb bie ©rfolge, bie er
eigentlid) boift int SBiberfprurft mit feinen 9(nfängen ge=
Kann, an bcn geftl)id)tlicl)en aSorausfe^ungen mißt, benen
fie junäd)ft roeniger entfprungen alä abgetnngen ju fein
fc^einen, ber i»irb fcljon babei j'u ber ®rtenntniä fommen,
baß biefer SÜann mit einem unoergleidjlii^en f)iftorifcf)en
S8Iiif begabt gemefen fein, einbringenbeS ^iftoiifrf)e§ Sier:
ftänbniä unb ein fic^er treffenbeg ^iftorifc^eä Urteil befeffen
^aben muffe. äJon ben ^«itereigniffen, bie für boä 3)er=
ftänbniä ber ©egenmart unb it)rer S(nfprüc^e roidjtig roaren,
^Qt er »iele fo ganj anberä gcfe^en unb beurteilt atä bie
äJtitlebenben, ^at aber fii)lie|[licf) bie meiften oon i^nen fie
— 176 —
ebenfo feigen geleiert, inbem er auf @runb bct von il^m
üertrctenen 2luffaffung ©rfolgc getoann, bie aud^ ber Qn^
Derfid^tlid^ftc faunt ju l^offen geroagt ^tte. 2)icfe Un=
ab^ngigfeit unb Originalität in ber Sluffaffung aQbefannter
gefd^id^tlid^er SSorgänge, biefe§ ©inbringen in ba§ t)on Dielen
t)erfannte Sßefen ber gefd^ic^ttid^en ©ntroicftung feinet SSoIfe^
unb bie barau§ entfpringenbe ©ic^erl^eit erft in ber @in=
fd^ä^ung unb bann iu ber SSerroenbung ber burd^ fte jur
SSerfügung gefteQten geiftigen unb fttttic^en Gräfte ftnb
aber füglid^ unbenfbar ol^ne ausgebreitete unb grünbtid^e ge=
fd^id^tti^e ^enntniffe. 2)oc^ l^at 93iSntardf aud^ auf biefem @e=
biete baS geiftige Sftüftjeug, ba§ er nad^mafö im 2)ienft ber
nationalen ©a^e mit DoHenbeter SJieifterfc^aft l^anbl^abte,
nic^t auf bem äöege metl^obifd^er ©tubien unb planmäßiger
aSerfoIgung beftimmter ©rfenntniSjiele ftd^ ju eigen gemalt.
%xoi^ be§ auSgefprod^en l^umaniftifc^en @^arafter§, ber feine
allgemeine 93ilbung i^ren (Srunbtagen nad^ fenngeid^nete^
^t er, unbeirrt burd^ ©d^ultrabitionen unb unab^ngig
t)on ^arteibogmen, bie ftotje ©elbftänbigfeit ber Sluffaffung
unb bie nüd^terne Älarl^eit be§ 93lidf§, bie er ftd^ gegenüber
bem mirren 2)urd^einanber ber politifc^en, roirtfd^afttid^en
unb gefellfd^aftlic^en ©trömungen feiner 3^it bemal^rt unb
oft mit einer geroiffen Stüdfft^tStoftgfeit betätigt l^at, aud^
ber SSergangenl^eit gegenüber ungeminbert erl^alten. S)arin
rourjelte ju einem Steile feine Öberlegenl^eit fomol^t 3Jlit=
ftrebenben mie Sßiberfac^ern gegenüber, barauS entfprang
feine unoergleic^lid^e g^äl^igfeit, auS ber 93ergangen]^eit bie
für bie 2Iufgabe ber (Segenmart gebotenen Folgerungen ju
jiel^en. SSielfac^ freilid^ fal^ er bie eigenttid^ treibenben unb
auSfd^laggebenben 3Jlomente ber 9Sergangen^eit in anberen
als bie bisher tonangebenben ^iftorifer unb 5ßolitifer ju
tun pflegten.
— 177 —
bereits auf bcm ©ijmnafmm, fo roirb itnä beticf)tet,')
nerriet Si§marct eine merfioürbige Süortiebe für ^iftorifc^e
©tubien, befoTiberä im ©ebicte bcr Dotertanbift^eTi, ber
btanbenbutgifc^:preu6ifd)en unb ber beutfdjen ©efc^ic^te.
Süoc^ fctieint biefe Sleigung erft in ben oberen Staffeii ers
xoadit ju fein: beim eine ber felteiicn SluSftenungen, bie
fic^ in feinen ©c^uljeugniffen finben, befagt im §erbft 1829,
in ber ®efil)iii)te finbe er inioeilen bie ©rünbliditeit ber
Sfepelition rerniiffen laffen unb bal)er nur unfti^ere 5Drt=
fc^ritte gemacht. Seim Sl&gnng jur Uniuerfitot bagegen
roitb i^m bejeugt, et ^übe fic^ in bev ®efcl)iii)te be§ Siittet;
altera unb ber neueren 3^'^- befonberS Dom @nbe ber
fireujjüge bi§ 311m Snbe beä o^tje^nten 3at)r^iinbcrtä,
^etDorgetan.") ©ementfpredjenb ^ci§t e§ benn auct) in bem
Seugniä über feine ^priifung ol§ SRegieningäreferenbar in
Malten (Quni 1836), bie ^rßfungänrbeit t)abe eine gute
Orunbtage ftaat§roirtfi^nft(ic[)ec unb gefct|icl)tlid)er Henntniffe
etwiefen.'') Sann I)ot er augenft^einlii^ bie 3Hu§e, roelcbe
i^ni bie (Sinfamfeit von finiepfjof unb fpäter uon ©cfjön:
f)Qufen geroötirte, sunt guten 2;eil auf bie Settüre oon
[(iftotifdjen Sßerfen nerroenbet,*) leibet o^ne ba^ mir ju
fagen »erniöc^teu, roeli^e 9Iutoren i^n bamall befonbet§
gefeffelt unb ba^et aud) für bie gotgejeit am na(^l)altigften
angeregt ^aben. 2Juä einer gclegentlii^en brieflit^en ^(uße-
rung in bejug auf ®nil)evroünfii)e bet ©ottin entncl)men
roir nur, ba^ in ber @i^ünf)ttufener Sibliot^et mehrere
5Serte über englifdje @efi^id)te BOtöanben maren.'') Stber
aud) ältere f)iftorifd)e SSüc^er, feie einen roiffenfdjaftlii^en
5Sert Eaum noc^ beanfpru^en tonnten, ^ot Säilmatd ba-
1) ^efefid 86. =) ©taueä fi!o(tet S. 24.
8) !8iSnmTct.3Ql)fburf) III, S. 11. <) ffeubed S. 12.
B) Briefe an bie ifltaut imb ®attin ®. 256.
qjrim, iBi«niarrte ailBunB. IZ
— 178 —
mafö nid^t üerfd^mäl^t. 2lfö im ©rfurter ^Parlamente ber
jum ^räftbenten gemäl^Ite ?ßrofeffor ©buarb ©imfon au§
^finig^berg in ber SRebe, mit ber am 25. 3Jlärä 1850 fein
2lmt antrat, barauf anfpielte, ba§ in berfelben altel^rmürbigen
©tabt, mo man tage, um gemeinfd^aftlic^ mit bem anbem
gleid^bered^tigten politifd^en Äötper — bem ©taatenl^aufe —
unb ben Derbünbeten ^Regierungen bie maleren 93ebürfniffe
ber 9iation ju befriebigen, vox ungefäl^r einem ;3a]^rtaufenb
ein mit bem 93einamen be§ S)eutfd^en gefd^mücfter Äfinig
beutfd^e 3Jlänner t)erfammelt l^abe, bamit fte il^m in ber
Siegelung ber öffentlid^en 3^Pä^^^ S^^ SeiU ftänben —
gemeint mar ber 852 oon Subroig bem S)eutfd^en bort
geliattene SReid^^tag — ba roie§ er mit überrafd^enber
©d^Iagfertigfeit ba§ Unjutreffenbe biefer l^iftorifd^en SleminiS:^
jenj nad^, inbem er fid^ auf bie alte ®^ronif t)on (Spangen^
berg (geftorben 1604) g^ol. 93 berief, mo jiemlid^ mörtlid^
JU lefen ftel^e, „bajg ber Äönig Subroig nid^t einen 9teid^§5
tag, fonbem nur einen Sanbtag in ©rfurt gel^alten l^abe,
unb jmar um ber ©d^inberei ber g^ürfpred^er unb ^i^^S^ii-
brefd^er ein @nbe ju mad^en, beren Unmefen bamatö in
S)eutfd^Ianb unerträglid^ gemefen fei".^)
SB3a§ er fo an fid^ fetbft erfal^ren unb jum ^eil feinet
aSoÜe^ im größten 3Jla§ftab bemäl^rt \jatU, inbem er ba§
il^m burd^ bie ©efd^id^te erfd^Ioffene 95erftänbni§ für bie
©ntmidftung ber 9SöKer unb in^befonbere feinet beutfd^en
aSoIfe^ in ber politifd^en 2lrbeit ber ©egenmart mirffamft
Dermertete, ba§ münfd^te 93i§mardf, um feine ©rfolge red^t
ju fid^ern, möglid^ft jum ©emeingut aller S)eutfd^en gemad^t
JU feigen. S)enn er mar burd^au^ baoon überjeugt, eine
gebei^lic^e äöirffamfeit für bai öffentliche äöo^l !nüpfe fic^
Sßgl. oben ©. 78.
— 179 —
roefcntlic^ an bie lebenbtge ©rteniitniä hE§ gefdjidjtlic^en
©ntroirflungSgangeä unfereä aSaterlanbe^.M ^n^er ba^te
er fe^r ^oct) ddii bet nationalen Siit^tigfeit be^ @efcl)irf)t§:
untertid)!^, ber ganj befonbetä baju beiintragen berufen ift,
bie I)ernnniad|fenbe Generation für bie Söfnng ber üjv ge;
fteHten Stufgaben uor^ubereiten unb ju befäljigcn. SBenn er
on ber Siefonn be§ ()Öl)eren @d)uIiDefen§, roie fie feit 1892
in ^veugen butd)gefüt)rt rourbe, nic^t unmittelbor eine
öffentliche ^ritit geübt ^at, fo tonn eö tanm einem ^aieifel
unterliegen, bafi er, ein ©egner ber babei Dor^errfcf)enben
antil)umüniftitci]en SJtiditimg, aud) mit bem ©eifte nid)t ein=
oerftanben mar, raetcfier babei uon i5taat§ luegen im ©e^
|c^icl)t§Jinterrid)t luv ^errfd)aft gebradjt ronrbe bur(^ bie
ftarte ^öetonung bei einfeitig preu^ifcljen ©tanbpunfteä unb
bie ptannmßige ©lorifijierung feiner äJertreter. S!ie fo
mandje won benen, nieldje bie fc^äblidien Slöirfungen eine§
betarligen @efd)id)tlnuterxid)tä für bie ^ufunft richtig mär;
bigten unb bofjer nor bem (Sinfenfcn in eine fo Derf)ängni§=
Dolte önfin niarnten, jo ^at bamals nud) ber 9IItreic^§:
fanjler feinen able^nenben ©tanbpnnft biefer ^ieuening
gegenüber, bie äugleid) ben Siefpett oor ber Sefd)ii^te alä
ber berufenen ^iiterin ber Sßnljrbeit nu§ ben 9tugen fe^te,
ebenfo beutlid) loie treffenb ju erEenncn gegeben, inbein er
auf bie unf)eilDoUen 23irEimgen binroieS, roeldje bie lang:
anbauembe ^errfc^aft eben biefer 9Jietf)obe auf ben Slational;
tl)ara£ter ber ^tQiijofen ausgeübt ^abe. ^n einer Stnfprac^e
an bie SOlitglieber bei bo^erift^en ©olfSfi^iiIlefirerDereineS,
bet i^n (11. atuguft 1893} in tiffmgen Ijulbigenb begrüßte,
führte er ben Oebanfen: 9Ser bie ©c^ule ^t, Ijat bie
3utunft, befonberS in biefer SRidjtung genauer nu§, inbem
1) 0. *}.iofd)iugcr, WSnmvd u. bk ^adamentariEi; I, i
— 180 —
er Dor bem Seifpiel ^anfreid^^ warnte. „8BeI(^en 6raflu§
bie @(^ule auf ben nationalen @^ar(^er ju äben Dermag,
jagte er, bafür gibt un§ granfreit^ ein Scifpiel
^ie fonft l^od^gebilbete 9lation mxh unS nid^t jum nienigften
ju einem unbequemen 9lad^6ar bur(^ ben 6influ§ i^rer
©d^ule, meiere ben (£^aut)ini§mu§, bie nationale ©itelfeit,
bie Unmiffenl^eit in ©eogropl^ie unb ®ef(^i(^te anberer
aSölfer gro^jiel^t. ©eit SUapoIeon I. ift in^befonbere ber
franjöfifd^e ©efd^id^tSunterrid^t eine gro^e ©efd^id^t^falfd^ung,
bie nid^t ol^ne fd^äbigenben ©influ^ bleiben fann. 2lu§
biefen 2^atfa^en, mie mir fie in ^anfreid^ beobachten, foQte
man Slnla^ nel^men, nad^ ben SBorten ,@rfenne bid^ felbff
bie minber glüdftid^en ©igenfd^aften unferer Station burd^
bie ©d^ule ju befämpfen. 2lufgabe ber ©d^ule ift e§ j. 93.,
ben frül^eren^ang unferer Sanb^teute ju ©onberoerbinbungen,
meldte oon bem 9iationaIgeban!en ableiteten, entgegenjutreten.
@in 93tidE auf jiebe alte Äarte oor 1800 mit ben oieten
SReid^Sbörfem, Sfteid^Sftäbten, SReid^Sfläftem jeigt, mol^in biefe
Steigung jum 3^^^^^^ i>^S ©anjen fül^rte; jeber moQte
oon bem 2RanteI ber faiferlid^en Station einen 3^e^en fid^
aneignen, ©d^on für bie ©d^ule ift e§ eine banfbare 2luf:=
gäbe, auf bie geftigfeit be§ (Sefä^fö, ba^ mir aQe S)eutfd^e
fmb, einjumirfen".^)
Slber nid^t ber ©d^ule allein, auc^ ber ©efd^id^t^miffen^:
fd^aft roeift 93i§mardf einen bebeutenben Slnteit ju an ber
©rjiel^ung ber Station jur Erfüllung il^reS l^iftorifc^en ^^^^
rufeS. S)en (Srunb für oiele oon ben SRi^oerftdnbniffen,
an benen ba§ potitifd^e Seben ber (Segenmart franft, finbet
er in ber mangetl^aften Äenntni§ ber SSergangenl^eit, in ber
bod) bie SSorauäfe^ungen für biefe liegen. @r fielet in ber
i) 0. ^ofd)in0er, 2lttfprad)en @. 291, 92.
— 181 —
®efd)icl)tc namentlici) audj eine Sekretin fuv ben StaatS;
mann, beffen Scitigteitägebiet, bie ^jjolitit, er freitid) nidit
mit beit '^rofefforeii für eine SBiffenf^oft gelten Iä§t, foit^
bern — non feinem Stonbpuntte auS geroi^ mit Siecht —
atä ffunft in atnfpruc^ nimnit.^) Qn^befonbere flärt nacti
feinet 3(uffQf|ung bie @efrf)ii^te f^iätereE ©enerationen übev
bie früher Derftiumten ©elegen^eiten auf, wie fie nat^
feinem Urteil namentlich in ben Sagten 1778—1806 iinb
1842—1862 in ber ©ef(^i^te ^JJreu^enä eine fo gro^c ffiolle
gefpiett ^aben. ®tfl bie 3In§fd)üttung bet Slrrfiiöe unb bie
SDentioürbigteiten 9)litl)anbelnber «nb SRitKiiffenber Ratten
fünfsig big ^unbert Qa^xe fpäter bie öffentlii^e SJieinung
in ben ©tanb gefegt, für bie einjelnen 9)Ii§griffe haä r.pmzoj
t}-EüSr);, bie (Sabetung nnf ben nntici)tigen SBeg-) ju ettennen
unb batnac^ bo§ 9)Ia^ ber Seranttuortlii^teit roenigftenä
na^ttnglic^ richtig s« oerteilen.") SJemgemäg ^at SBiSmatcf
benn an(^, roie betannt, baä 23etftänbni§ für bie Don if|m
getragene grogc potitifc^e Slftion ^^Jreu§en§ roeiteren greifen
ju erfc^Iie^en gefugt, inbem er bie baju geeigneten Stften:
ftütie au§ ben biäfiet ängftlic^ geljüteten ^ftenftüden üeriiffent=
tiefen Iie§. @ä genügt an bie ^ßubtifafion «on "^ofiiiingei'S
„^reufeen am Sunbeätage" p erinnern, roeldje baö Slätfel
bet beutfd)en ^oliti! 58igmot(f§ mit einem Sdjlage löfte,
inbem fie au§ feinen amtlichen 33eric^ten unb uertraulic^en
95riefen ben übertafdtenbcn Seroeig führte, baß bie göfung
ber beutfc^en grage in einem ber @l)re unb ber 3Rad)t
^ren§en§ entf^rerfjenben ©tnne nom Seginne feiner j^ranf;
furter StÖtigEeit au ba§ Qkl feine§ ^ei^eften ©trebens;
geniefen mar. ^n ä^n[i(^em ©inu tjat er fpäter 9J!a;
Se^mannä großeä Slftenroerf „^reußen unb bie tat^olifcöe
i) 'iiolit. iReben X, S. 48. =) «gl. oben
3) (Sebotilen u. ®rinneningeii 1, ©. 277, 78.
— 182 —
Äird^e" Deranlajst «tn bcn 3^itS^^offen bie genauere Äennt^
m§ uttb bie richtige 83eurteilun9 ber gefd^id^tlid^en 3Jlomente
ju emtöglid^en, bie jur Q^it be§ Äulturfampfe§ dou 93ebeutung
tourben. S)iefe praftifc^ potitifd^e äöirffamfeit ber ©e^
fd^id^töforfd^ung für ©egenroart unb 3^ht^ft $reu^en§ t)ott
äur ©eltung fontmen ju laffen, roar feine 2lbfid^t afö er
einen SJiann oon bem roiffenfc^aftlid^en unb politifd^en SBer^
bienft ^einric^ üon ©qbel§ an bie ©pi^e ber ©taat§ard^it)e
berief, ^n il)rem ^wt^i^^ff^ würbe er ba§ ©e^eimni^,
roelc^eg bie 2Ird^ioe becfte, nod^ weiter gelüftet l^aben, atö
e^ in ber 3^oIge tatfäc^Iid^ gefd^el^en ift benn er meinte,
roie er in einem 93riefe an ^ einrieb t)on 2:reitfd^fe erüarte/)
baj3 irgenb etroa^ ju Derbergen, t)on bem 3^itpiii^W^ ein
fein ©runb mel^r Dor^anben fei, mo bie an ben betreffenben
©reigniffen beteiligten ^erföntid^feiten au§ bem Seben ge=
fc^ieben fmb. S)od^ fa'ö er fid^ in ber S)urd^fü]^rung biefe§
^rinjip^ gelegentlid^ gel^inbert burd^ bie Sftüdffid^ten, bie auf
Äönig äöil^elm§ ©efü^Ie unb namentli^ feine ünbli^e 5ßietät
gegen ba^ Slnbenfen feinet üon einem red^t unl^iftorifd^en
©torienfd^ein umgebenen aSater§ genommen werben mußten.
9lid^t blo^ im Qntereffe ber fünftigen ^olitif 5ßreu§en§,
fonbem aud^ um feinen eigenen 2lnteit an ben unter Äönig
unb Äaifer äöitl^etm erfolgten großen ©ntfd^eibungen rid^tig
bargeftetlt ju fe^en, l^offt S3i^mardf, bie Slrd^ioe mürben
fpäterl^in oorbel^altlo^ geöffnet merben. Q^^befonbere tut
er ba^ einmal au§ 2Inta§ be§ 93ünbni§t)ertrage§, ben jur
3eit be§ polnifc^en 2lufftanbe§ unb be§ oon Öfterreid^
infjenierten beutfd^en 3=ürftentage§ Äaifer Sllejanber oon
9tu§Ianb feinem föniglid^en D^eim mad^te, um biefem bie
TOebermerfung ber Dppofttion im Innern unb bie gleid^^
1) ©d^icmann, §einrid^ o. 3:reitfd)fe§ ßel^r- unb Sßanbcrjal^rc
©. 244.
— 183 —
jeitigc Söfung ber beutfd^cn S^age im preu^ifd^en @inn
burd) ba§ @cn)altntittel eine§ . gemcinfd^afttid^cn Ärtege§
gegen £i[terreid^ unb granfreid^ ju ermßglid^en: nur fo
werbe bie 9iation bie SJlotbe roal^rl^eitögemä^ fennen lernen
unb unbefangen raürbigen, bie il^n beftintmt l^ätten, feinem
^erm bie ä^blel^nung biefe§ 2lntrage§ ju empfel^Ien. ^n
ber bamafe über il^n gefommenen tiefen SSerftimmung !ann
er babei bie mi^trauifd^e ©orge nid^t unterbrücfen, e§ fönnte
bie, roie er bel^auptet, bereite angeregte 3^törung ber
S)ofumente, bie non feiner politif^en S^ätigfeit 3^iiS^^^
geben, injmifc^en bereite roirflid^ Dottjogen fein.^) 2luf ber
anberen ©eite mad^t er aber auc^ fein ^el^I barau§, ba§
er mit ben il^m jur SSerfügung ftel^enben l^iftorifd^en ^ennt^
niffen gelegentlid^ infofern einigermaßen roitlfürlid^ nerfal^re,
afö er bei i^rer (Seltenbmac^ung um be§ augenbtidflid^ er^
ftrebten befonberen 3w)edfe§ roitlen rl^etorifd^e ©eftc^t^punfte
malten taffe, bie Starben ftdrfer auftrage unb bie au§ ben
©reigniffen gejogenen Äonfequenjen mel^r neratlgemeinere,
ate ftreng genommen bered^tigt fei, — fo j. 93. roenn er ben
©a^ aufftellt unb gegen Sßinbtl^orftg ©inmenbungen gefd^idft
oerteibigt, 5ßreu§en ^be feine neuen 5ßrooinjen immer beffer
bezaubert afe bie alten, fo bajg biefe in i^nen bie oerjogenen
©d^o^inber ber ^Regierung gefeiten ^tten, bie auf il^re
Soften au^gejeid^net unb belohnt mürben.^)
©in fo au^gefprod^ener Steatpolitifer mie 93i§mardf l)at
fid^ bie fojufagen pl^ilofop^ifc^e ©rfaffung unb S)urd^bringung
be§ @efamtoerIaufe§ ber gefd^ic^tlid^en ©ntmidflung ber
3Jlenfd^]^eit begreiflid^ermeife niemals angelegen fein taffen.
SSol^t aber ift auc^ il^m mieber^olt ba§ große 5ßrobIem un^
mittelbar nal^egetreten, roeld^e^ oortiegt in ber S^rage nad^
1) ©ebanfen u. Erinnerungen II, ©. 67.
2) ^oltt. hieben III, <B. 444.
— 184 —
bem SSer^dltniS be§ ehtielnen gef c^id^tlic^ ^anbelnben SRenf c^eit
ju ber ©efamtl^eit ber gefd^i(^tli(^cn ©retgniffc, unter beten
(Sinfbt^ er ^anbelt unb auf bie er niieberum burt^ fem
^anbetn ennoirft. @§ ift boc^ fe^ merhourbig, ba§ gerabe
er, ber SÄann mit bem gewaltigen SBilten unb einer an
beff en Serroirflid^ung ju fe^enben unpergleic^Ii^en firaftfüUe,
Don beffen ^anbeln man jumeilen ben CSnbrudE empfangt,
afö ob er bie ©reigniffe im ©egenfa^ ju ber bisl^er t)on
il^nen verfolgten Stiftung einen anbeten S03eg einjufd^Iagen
oermod^t l^dtte, fid^ im ©egenteil ber Unmogli^feit burc^aug
bemüht gemefen ift, auf ben ®ang ber S)inge beftimmenb
einjumirfen. 9lürf^aItIo§ befennt er, ba§ feine Seiftungen in
biefer ^inftd^t mefentli^ fiberfd^atjt mürben, unb crflart
freimütig oielmel^r feinerfeit^ oon ben ©reigniffen getragen
morben p fein : @ef d^id^te f önne aud^ er nid^t mad^en, f elbft
nid^t in ©emeinfc^aft mit ber Sßott^oertretung, obgleid^ fie
beibe in biefer SSereinigung fo ftarf feien, ba§ fte einer
äöelt in SBaffen trogen fönnten. 9iad^ il^m bleibt ber @e^
fd^id^te gegenüber bem 3Jlenfd^en eben nid^t§ übrig, ate ab-
jumarten, ba^ fte ftd^ ooQjiel^e (16. 2lpril 1869).^) @in
anbere§ 9JlaI (21. 2lpril 1887) oeranfd^auüd^t er fein SSer^
mtni§ ju ben großen ©reigniffen, bei benen er eine leitenbe
©tetlung eingenommen, burd^ ein 83ilb: „S)ie ganje SBelt::
gefc^id^te lä^t fid^ über^upt nid^t mad^en: auf il^rem ©trom
fann man ein ©taat^fd^iff fteuem, wenn man forgfältig
auf ben Äompa§ ber salus publica btidtt unb biefe rid^tig
JU beurteilen roei§".^ 93ollenb§ feft ftel^t e§ natflrüd^ für
il^n, ba§ aud^ ber gefd^idttefte SRebner mit fopl^iftifd^en
2)cbuftionen ba§ ©efd^e^ene nid^t ungefd^el^en mad^en, bie
äöeltgefd^ic^te nid^t umfto^en fann: „2)ie ©efd^ic^te lä^t
^olit. meben IV, ©. 192. 2) @bb. XII, @. 380.
— 185 —
fid) eben nic^t rüdinärtS reformieren, ba§ fmb gefrfietieiie
Sad)En" (9. aJlai 1884).i)
3)iefer reaÜftifc^e Q\xt^ ber aui^ feine ^iftotifrf)e Stuf::
faffung fennjeirf)net, Ijat ©täiiiarrf jebod) nic^t getiinberf,
QUO ber SBetraditung gvoger ^eittäume unb bem ein^eitIicE)en
überblicE über bie ©ntraidlung ganjer Sßültergruiipen ge=
iniffe ollgemeine ©ti^e ju abftro^ieten unb geroiffe öfter
iDieberfet)renbe geft^ic^tlii^e Srfi^einungen nuf eine 3[rt von
©efe^ jurücfäufül)ren. ©o meint er in betreff beä 9Jer-
fjöltniffeä smifi^cn ©evmanen unb Slonianen, beibe a'ölfer^
familien uertreten in i^ren ©tgentiimlidjfeiten bie @igen=
fct)aften ber beiben @ef[^le(l)ter unb feien babur^ aucl) in
il)ret gefct)i(i)ttic^en Saufba^n beftimmt roorben. „@ä ift",
fagt er einma(,-| „unter ben 33ätfem roie in ber 9iatur,
bie einen finb männiicf), bie anbeten roeibtic^, bie ©er;
manen finb fo fet)r männlid), ba§ fie für fic^ allein
gerabeäu iinregierbar finb. Qeber lebt naii) feiner ©igen:
ort, racnn fte aber jufammengefaßt fmb, bann finb fie
roie ein Strom, ber aüeä cor f\i) nieberroirft, nnroiber:
pel)li^. aSeiblid) bagegen fmb bie ©tanen unb bie Selten,
©ie bringen e§ äu niditg auä fti^, fte fmb nic^t jeugungä;
fo^ig. 33ie Sluffen fönnen nirfjtä mad)en o&ne bie 5)eutf(^en,
aut^ bie Selten fmb nic(|tö al§ eine »affine 9{üffe. ©rft
alä bie ©ermanen binjutraten, erft burd) bie 9)lifd)ung
entftanben ftaatlid)e Sßölfer." 3)a§ fil^rt er bann roeiter
butc^ auc^ in bejug auf bie @ngltlnber unb ©panier unb
ft^lie^li^ erf^eint iljm non biefem ©tanbpimfte auä bie
franjäfifdie KeDolution al§ bie enblidje fiegreidje ©r^ebung
tie§ Seltenluni^ gegen bü§ ©ermanen tum.-') Gbcnfo uertritt
1) SßoUt. SHeben S, S. 12G.
s) 0. ^ofdjinger, tSiämortf ii. bie ißarlamentarieT II, ®. 121, 122.
3) iBufc^ lagebu^blätter II, ®. llö.
— 186 —
er entfc^iebctt ba§ Siedet ber Sroberung afö einc^ in ber
©efd^ic^te befonbcr^ Toic^tigen unb fruchtbaren ftaatöbilbenben
^rinjtp§. ^m ^inbüd auf bie Sreigniffe oon 1866 unb
bereu abfällige Beurteilung uon geroiffer ©eite fragt er in
vertrautem ^rei§: „aQSoburc^ fmb benn bie beftel^enben
Staaten entftanben? ®oc^ nid^t burd^ ©rbfc^aft, ©c^enfung
ober Äauf."^
S)iefe ganje Slid^tung feinet l^iftorifd^en S)enfen§ unb
bie frül^jeitige bauembe SSerbiubung berfelben mit einer
oielbemegten unb mannigfaltigen ftaat^männifc^en ^rajrfg
erflären e§, ba§ öi^mardE für bie ®efd^id^te be§ griec^ifd^en
unb römifc^en Slltertum^ eigentlich lein Qntereffe l^atte, er
ba uielmel^r nur gelegentlid^ einige fünfte in§ 9luge fa^te,
bie i^m burd^ umlaufenbe ©d^lagmörter in Srinnerung ge-
bracf)t mürben ober aud^ ju il^n befd^äftigenben SSorgängen
parallelen boten. Slucf) madE)t er felbft lein ^el^l barau§,
ba§ bie au§gefprocf)en freil^eitlidlie Slid^tung, meldte gerabe
bie gemein'^in mit 3Sorliebe bejubelten SUlomente au§ ber
©efc^id^te ber ©ried^en unb Siömer namentlid^ ber Qugenb
mert macf)t, il^n uielmel^r abgeftojgen l^atte, ba fie feine am
geborenen preujgifd^ monard^ifd^en ©efül^le oerle^te. „SJieine
gefcf)i^tlid^en ©gmpatl^ien, befennt er, blieben auf feiten ber
Autorität, ^armobiu^ unb 2lriftogiton fomol^l mie örutu§
maren für mein linblid^e^ Sied^t^gefü'^l SSerbred^er unb S^ell
ein Siebell unb SJlörber. ^eber beutfdE)e S^ürft, ber vox
bem S)rei^igjä]^rigen Kriege bem ^aifer miberftrebte, ärgerte
mi^, t)om großen Äurfürften an aber mar icf) parteiifd^
genug, antifaiferlid^ ju urteilen unb natürlid^ ju finben,
ba§ ber ©iebenjäl^rige ^rieg ft^ vorbereitete" .^) Slud^ ba§
fünftlid[)e ©partanertum, unter bem er in jungen ^al^ren in
1) V. ^cubca <B. 330.
2) @eban!en unb ©rinnerunöen I, (5. 1.
bct ^piQmnniifrfjeii Svjic^imgäanftalt ju leiben l)atte/) mitb
i^m Don bem ontifen ©taot unb [einer Sntrotrftuiig eine
gilnftiflere Sluffüffung iiid)t itahen Detmitteln !önnen.
©0 faf| et beim rooljt in bem, roaö fid) cor bem 91uf=
bmd) bet ©riechen nadj 2!roja in 3tuU§ abfpiette, eine ber
erfleii Betätigungen beä uralten ©tteiteö um bie 3Jlad)t
jroifdjen Äönig; unb ^rieftertuni, ber bann nnmentlid) im
SRittelattet baä beut[cl)e 3ieic^ jerfe^t unb unfteilooHe Spa[=
tungen in t^m »eranla^t ^at^j 3i ^^r "on i^m ^cftig
betämpften 3)liet§fteuei: erbtidte er eine ^erabbcildung ber
Stabtbenio^ner „in ein ©efü^l be§ |ieloti§inuä burcl) eine
lofale Übermacht".'') ®ie ^iftion feiner liberalen ©egner,
unter bem Siolfe, für bnl bie ©efe^e gegeben roetben, fei
bie ^Regierung nid)t mit begriffen, roeift er jurücE atä einem
„Oftrajismuä", bem er fic^ nid)t «ntetroerfen fönne.*j Sluä
bet ®efc^i(^te beä ^i^ei^eitsEompfeli ber ©riechen gegen bie
Sßerfer f^roebt i()m bie ©tjäljlung »ot, roie König 2)ariu§,
na(^bem fein §eet bei SJloratÖDn gefc^lagen luar, fifi) an
bie ^flicf)t ber 2>etge(t»ng bafüt täglid) burd) bcn ffluf
eineä ©ftfluen etinnetn liefe: „■t)etr, gebenfe bet 31lbener",
unb meint mit SJejiig barouf, einet fold)en aJJalfnung be;
bütfe c§ bei feinen J^nntfuttcr ÄoUcgen, bem ÜDiajot unb
©tabttommanbanten ®ieft, freilief) nici)t, ba bie)er oljnetjin
tein il)m angeblich jugefügteä Unred)t oergeffe.'') Sefanut
unb in bem legten S^eit oft angefütjrt ift fein aiergleid) be§
flodpreu^ifc^en ©eifteS mit bem 33ucep()ni«ö, ben nur ein
Slleronber bänbigen fömie: oerfudie mon bemfelben bte mit
i^m unoereinbare aierfaffung aufjuänitngen, fo merbe man
„in tl)m einen '-Öucepl)alKä finben, bet ben geroolinten SReitet
') S8al. 6. 10.
^) ^o[iL Keieii V, ©.384; VI, ©.231. ^ (Sbb. IX, S. 46.
*) ffibö. VI, S. 103. ^) »Tiefe m (Serloi^ ©. 70. Sgl. @. 39.
— 188 —
uttb ^crm mit mutiger greube trägt, bcn unberufenen
©onntagSreiter aber mitfamt feiner fd^margsrot^golbenen
3äumung auf ben ©anb fe^t" (15. ^ä^ 1850).^) S)em-
felben Ärei§ altl^iftorifd^er 9lemini§jenjen entlel^nt er ben
oft gebrauchten SBergleid^ ber nur burd^ ba§ ©c^mert lösbaren
beutfd^en 3^age mit bem gorbifd^en Änoten, ben ber grojse
ajlafebonierfönig bure^^ieb.^) mu er fte^ über bie SBelt^
t)ergeffenl^eit politifierenber ©elel^rter luftig mad^en, bie in^
mitten be§ ©türmet gewaltiger ©reigniffe unbefümmert um
biefe in il^ren fiiebl^abereien cer^rren, fo ruft er gern ba§
93ilb „jeneg fterbenben ^rofeffor^ oon ©grafu§" in bie
Srinnerung jurfid, ber, in matl^ematifd^e 93ered^nungen
verloren, nid^t merfte, ba§ bie mit ben oon il^m fonftruierten
SJlafd^inen certeibigte ©tabt bereite genommen mar, unb
ben einbred^enben römifdE)en ©ieger mit ber SJlal^nung an-
ging, er möge bod^ bie oon il^m in ben ©anb gegeid^neten
Figuren nid^t jertreten.^
9Hd^t naiver mar 93i§mardE§ SBerl^ältni^ jur römifd^en
©efd^id^te, obgleid^ er für bie ©prad^e ber SRömer eine
gemiffe 3SorIiebe liegte unb bie meltgefd^ic^tlic^e 93ebeutung
be§ römif^en ©taat§mefen§ il^m gelegentli^ f^on burd^ ba§
fortleben be§ römifd^en 9le^t§ mirffam vermittelt mürbe.
SÖBol^I fd^mebt il^m ba§ ftolje „Civis Romanus sum" vor
ate eine ®eoife, bie aud^ in betreff ber ©eltimg be§ beutfd^en
91amen§ in ber Sßelt p üermirflid^en münfd^en§mert fei,*)
aber feiner au§gefproc^en monarc^ifc^en S)en!meife miber-
ftrebt ba§ repubülanifd^e SiiSmertum, jumal mo e§ fid^ t^m,
bem ©egner binbenber ©runbfä^e,^) ftreng an fold^e ge=
1) ^olit. di^'O^n I. <B. 239.
2) (Sbb. IX, (5. 113; XI, ©. 84; XII, ©. 177. 2)e^n ©. 505.
3) ^olit. dia'O^n I, ©. 244; II, (5. 273; V, «5. 181.
4) @bb. X, (g. 171. 5) Sßgl. (5. 23.
— 189 —
bunbeit uiib ftolj bomiif ietflt: fo fpottet ev über bie
„Katone bcr Stepubtit" fo gut roie übet bie bet Cppofition.^)
SOlit 3iom t)at bie ©egenroart für i^n nici)t5 gemein. Sie
©c^itelllebigfeit unb Sßerge^ticl)Eeit ju Eennjeicijiien, roel(^e
bcm niobetnen SJienfi^en felbft bie größten (äreigniffe fi^on
naä) Eiitjer 3eit alö abgetan iinb taum norf) ber SSeati^tung
roett etfd)einen lägt, bemcrft er einmal, voaS 1866 @ro§eS
gefi^e&en, roerbe fc^on nad) roenigen SHonoten alä „alt^
rümif^e ®efi^ict)te" bel)aiibelt, auf bie eg ni[t)t metjr an-
fonime.') 5Demnad) wirb man ein be(oiibereä ,3ntete[le
füc bicfe bei i^m aUerbings nic^t rorauäfe^en bürfen, mag
er auc^ gelegentlid) neben fflrf]lirf)e 9)}omente barauä, bie i^m
in ber ©tinnemng geblieben [tnb, alä r^etorifi^en 3isiat
ober it)rer fiüräe roegen beJonberS brauchbare Jövniel on;
roenbcn. Sinen au§ SJerfe^en unbatiert gebliebenen Srief
£eopoIb Don @erlacli§ nennt er fd)ei^enb gef^rieben sine
die et consulc,^) unb bie befaiinte %otmel, burd) bie ber
römi|cf)e ©enat in 3[ugenblicfen ber ©efa^t ben fi'onfuln
befonbere ©orgfait für bal öffentlid)e SBo^l einpfnl)t unb
äuglei^ genjiffe aufeerorbentlic^e SßoUntacljten erteilte, formt
er im §inblid auf ben Sinflug be§ ©eueratobjutanten
5on ©erlad) biefem gegenüber um in ^Caveant adjutores
geuerales, ne quid detrimenti capiat respublica".'') &§
^anbelt fic^ um feine ©otge, ju beginn beä ÄrimEriegeä
'^reufeen burd) Öfterreii^ ju einem Der^ängniäDoUen ©umritte
Derleitet ju fe^eit. 3ene gonnel roenbet er aber auc^ an
auf bie *13flid)t ber netbünbeten SJlegierungen, inneren SBirren
entgegenjntreten, roeld)e bie gefunbe läntraictlung beä Stetiges
gefö^rben fünnteu.") S^nlic^ fprid)t er oon bein „curulifct)cn
1) ebb. Vir, s. 300; xii, ©. aai. ^ ebb. iv, s. 37.
3) SBriefe mi ®ei:Iai^ S. 194. *) (Sbb. ®. 194.
B) »polü. SBeben XJ, ®. 446.
— 190 —
©cffel", bcn ber jutn Stbgcorbneten gcraäl^Ite Beamte aud^
feinem 3Sorgefe^ten gegenüber einjunel^men glaubt/) unb
bejeid^net ben S^eil be§ beutfc^en ^eere§, ber au§ bent
beften SUlenfd^enmaterial, au§ ben ^amilienoätern gebilbet
werben foH, afö „eine 9lmiee t)on 2:riariem", entfprec^enb
ben au§ ben älteften Seuten gebilbeten 9lefert)en ber römifd^en
^eere^organifation, bie nur im äujgerften 9totfaIt in§ ®t^
fed^t gefül^rt mürben.^) ^rgenb eine allgemeine l^iftorifd^e
2lnfd^auung l^at er ber ©ef^ic^te be§ römifc^en ©taate§
nid^t abgemonnen, burd^ bereu Slnmenbung auf anbere 3^it^n
unb 3Sölfer er ba§ aQ3efentlirf)e in bereu SntmidElung ftd^ unb
anberen burdE) ben 3Sergleid^ bamit fiarjumad^en gefud^t
l^atte. 9tur ^iftorifrf)e Slnefboten l^at er uon bortl^er ent-
nommen. ^n ber Slntmort auf bie ©lüdraünfd^e einer
©d^le§n)ig'§olfteinfrf)en 2lborbnung ju feinem ad^tgigfien
©eburtötag (1. 9lpril 1895) cergleid^t er bie ©rmerbung
ber Srbl^erjogtümer burrf) ^reujgen mit bem Siaub ber
©abinerinnen burd^ bie Stömer, unternommen nid^t ate
aSergemaltigung, fonbern au§ Siebe jum Sieid^e, ju Sanb
unb Seuten.^) ®e§felben 93ilbe§ l^atte er fic^ bereite frül^er
gegenüber ^erjog ©ruft 11. uon Äoburg bebient, um biefem
flarjumad^en, baj3 bie fünftige Drbnung be§ 3Ser{|ältniffe§
jmifrfien ^reu^en unb ben übrigen beutfc^en Staaten boc^
nur auf bem SÖBege menigfteng teilmeifer SSergemaltigung
JU erreid^en fein merbe. S)a cergleid^t er ben öau be§
fünftigen 9leirf)e§ mit bem 9iom§, ba§ aud^ nid^t in einem
2:age aufgefül^rt fei: „^d^ glaube, baj3 aud^ bem germanifd^en
Siom ber 3ufunft einige ©emalttat an ben ©abinern ni^t
1) ^olit. ^eben IX, ©. 75; X, (5. 257.
2) (S^ht). XII, (5. 468.
3) t). ^ofdiinger, 2lnfpracf)en. <5. 252.
— 191 —
ecfpart bleiben roicb."') ®in anbermal beflceitet cv tiie
Stit^tigfett be§ Sßcrgteic[)§ ä^ift^^" ^^^ bceiniatigeii Siotlage
beä ©efe^entrourfeä übet bie nnfaÜDerfid^eriing imb bem
©i^icEfal, ba§ bte 9tömer bei ber ©rroetbutig ber ©ibqllinifd)en
S9Üt^er erfuljren, fie jd)Iie6li(^ für bie jule^t allein übrig
gebliebenen brei ytoÜen ben ^rei§ ^ai^kn mußten, bet Qn=
fänglid) für aEIe neun geforbett inav.-) ©benfo warnt er
ben Sieic^ätag, mit ber drroerbimg Santoa^ nii^t ju jögern,
bi§ riietlei(f)t fpäter einmal jemanb „biefcn britten Seil ber
@ibi)ttinifc^en Sucher" ^eiitfc^Ianb Don neuem anbieten
roürbe.'') Qn ber SonpütSjeit treibt iftn bie ftd) immer
me^r einbürgernbe (eibige ©eroo^nljeit ber Cppoptiön ben
politifc^cn @egenfn5 auf ba§ perfönlid|e ©ebiet hinüber;
äuffjielen, äunt ^inroeiä auf bie Sonfequenäen, bte ftd) batauä
f(%lie§ticl) ergeben mtifeten. „SBoüen ©ie ben politifii)en
©treit äwifdien un§ auf bem SBege ber ^oratier unb Suriatier
erlebigen?" ■*) ®ie befonnte ^abel ron ber SRebedion ber
©lieber gegen ben SJiagen, bitrc^ bie 2)leneniuä Slgrippa bie
auf ben Iieiligen SSerg au§geroonberten ^lebejer jur SRüd;
fel)r in bie Stabt netmoc^t ^aben foü, ^at aucb er fict)
nit^t entgel)en taffen, um ba§ 93erf)ältnt§ be§ SHeic^eä ju
ben ©injelftaaten, nameiittid) in bejug auf bie (^ino^äfn ä»
oetanf^aulidjen.") ®ie bebenttic^en Umtriebe eingelner oon
ben be^Joffcbierten Sütften unb bte Jöi^berung, bie fte in
geroiffen Streifen it)rer ehemaligen Untertanen fanbeii, uer=
onla^te i^n ju ber bitteren ^Bemerfitng: „Sie ©oriolane
finb in 3)entfcf)Ianb nit^t feiten, eä fef|lt i^nen nur an ben
SSoIäfetn, unb roenn fte bie Sßolsifet fänben, mürben fie fic^ .
^) Ottolar Üoreiij, fiaifer 5ffiUl|eliii unS bie SBegiiiiibmig be§
beutfi^en 91ei^eö ©. 102.
■•') ItDtit. iHcben X, S. 47. S) Ebb. XI, ©. 54, 71.
*) ebb. n, ®. 373. 5) ebb. vm, ©. laa.
— 192 —
balb bcmaSfieren; nur bcn legten t)erföl^nenbcn Stbfc^IuJB
©oriolang roürben alte gtaucn Äaffefe unb 2)eutfd^Ianb§
bann nid^t tmftanbe fein l^erbeijufül^ren".^) Site er jum
Sxotd ber ©injiel^ung ber beutfd^en ©efanbtfd^aft beim
römifc^en ©tul^Ie bie ©treid^ung ber bafür ausgeworfenen
©tatSpofition beantragt begeid^net er ba§ als eine aJla^regel
be§ politifd^en StnftanbS, bie felbftoerftänblid^ fei, fo lange
ba§ ^aupt ber fatl^olifd^en ^onfeffion 2Infprfld^e erl^ebe,
beren Surd^fül^rung für jebeS georbnete ©taatöroefen abfolut
unerträglich fei, ba jeber ©taat, ber ftc^ bem unterwerfen
wollte, unter ein „caubinifd^eS -^^d^" gelten unb feine eigene
©elbftänbigfeit ju abbijieren genötigt fein würbe.^) ®en
au§ ber Qext ber fmfenben Slepublif ftamntenben 2lu§bru(f
homines novi im ©inne oon „ Smporf ömmlingen", bie au§
politifd^ biSl^er unbefannten Familien afe bie ©rften ju
l^o^en Smtem gelangen, menbet 93iSmar(f an auf bie jur
SUlitmirfung bei Snqueten mirtfc^aftlid^er Statur berufenen
SJlänner: ba werbe man e§ immer mit fold^en ju tun l^aben,
bie auc^ ben 93ewei§ fül^ren wollen, wie fac^funbig fte fmb.^
SRom§ aSerfaH l^at na^ feiner Stuftest gleid^en Schritt ge=:
l^alten mit bem aSerfaH feiner Striftofratie/) ^iftorifd^ bod^
nur bebingt jutreffenb entfpringt biefe 2luffaffung bei il^m
aud^ me^r au§ bem il^m oon §au§ au§ eigenen ftarr
ariftofratifd^en ®enfen unb war jugleid^ gewifferma^en ein
politifc^e^ @lauben§befenntni§. ®ie fortfd^reitenbe Qtx^
fplitterung ber großen politifd^en Parteien burd^ bie 93it
bung immer neuer graftionen, an beren ©pi^e ajlänner,
bie bort nid^t jur ©eltung fommen fonnten, eine fte ht^
friebigenbe Stolle fpielen fönnen, gemalt iljn an ba§ ©äfar
1) «polit. ^eben IV, ©. 130.
2) (S^ht). VI, (g. 231. Sßgl. II, (5. 267. 3) (§^}y^, ix, (g. 194.
•*) ^ht). l ©. 146.
— 193 —
jugcfd^riebene 3Q3ort, er Toöüe lieber in ©orfinium ber ©rfte
ate in 9lom ber 3tt'^itß fein.^) Stud^ fpäter nod^ erfd^eint
il^m biefe Su^erung, oon ber er injroifc^en erfal^ren, ba§
fte von ^lutard^ überliefert, aber für apofrgpl^ geilten
werbe, atö ein ed^t beutfd^er ©ebanfe, ha nur p oiele oon
ben im Bffentlid^en Seben ftel^enben Seutfd^en fo benfen
unb ba§ S)örfc^en fud^en, unb wenn fie e§ geogropl^ifd^
nic^t finben fönnen, bie gtaftionen refp. Unterfraftionen
ober Äoterien, roo fte bie ©rften fein fönnen.^) Unjäl^Iige
5!JlaIe roieberl^olt ift fein jum geflügelten S03ort geworbener
9lu^bru(f oon ben „catilinarifd^en ©yiftenjen", beren e§ im
Sanbe eine ganje aJlenge gebe unb bie ein groJ3e§ ;3ntereffe
an Ummäljungen l^aben.^)
Oberl^aupt mirb man bei ber 93eurteilung oon 93i§'
maxd§ l^iftorifc^em ^ntereffenfreife nid^t au^er ac^t laffen
bürfen, baj3 er bie SBergangenl^eit im altgemeinen unb
namentlid^ bie Sntmidlung frember 3SöIfer unb Staaten
bod^ eigentlid^ auSfd^Iie^üd^ von bem beutfd^en ©tanbpunfte
au§ betrachtete, b. }). in erfter Sinie biejenigen SUlomente
lebl^after erfaßte unb fi^ l^iftorifd^ flarjumad^en fud^te,
au§ benen für il^n jum 3Serftänbni§ ber beutfd^en unb be^
fonber§ ber preujgifd^en ©efd^id^te etmaS ju gewinnen mar
unb fo aud^ ba§ ifjm immer afö Ie^te§ 3i^t t)orfc^mebenbe
richtige politifd^e ^anbeln SSorteil jiel^en fonnte. ©al^er
^t il^n bie franjöfifd^e ©efd^id^te in ben fo gearteten
^erioben lebl^aft angejogen, mä^renb er tro^ feiner 3Sorliebe
für bie englifc^e (Sprache unb Siteratur ber englifd^en ©e^
frf)id^te im gangen fremb geblieben ift. aSieüeirfit barf man
bieg im ^inblidE auf bie Sigenart biefe^ merfmürbigen
1) ^olit. hieben IX, @. 431.
-) @eban!en u. ©rinnerunöen II, @. 21.
3) ^olit. Dieben II, ©. 29. Sögl. «ücf)mann ©. 601.
^ruö^ »tSmardS »tlbung. 13
— 194 —
©eifteS TüenigftenS ju einem 2:eile jurücffül^ren, auf eine
unbewußte Dppofition gegen bie l^iftorifd^-politifd^en S^l^eorien
ber Siberalen, roeld^e in ber englifd^en SBerfaffung tro^ i^reig
einzigartigen allmählichen ©ntftel^en^ unb i^re§ baburd^ be^^
bingten fpegififd^ englijd^en 9Befen§ ba§ 3Sorbilb feierten,
burc^ beffen Kopierung in ^reu^en am einfad^ften bie oon
tl^nen gemünfd^te Drbnung l^ergefteHt werben fönnte. S)a§
befannte Sob, roeld^e^ einft g^riebrid^ aQSill^elm IV. gerabe
in biefer ^inftc^t bem englifd^en SBolfe l^ulbigenb bargebrad^t
l^atte, inbem er i^m eine ©rbmei^l^eit ol^negleid^en nac^^
rül^mte, l^at 93i§mardf nur f el^r bebingung^meif e unb mit mefent^
lid^en Sinfd^ränfungen gelten laffen. ^n feiner politifd^en
©türm:: unb S)rangperiobe fteQt er einmal ber SntmidElung
^reu^en^, mo griebrid^ Sßil^elm L bie ©ouüeränität comme
un rocher de bronze etablierte, ben von ©nglanb gegangenen
3Q3eg entgegen ate einen jmar glüdElirf)eren, meil e§ feinen
SRic^elieu ge^bt l^abe, ber bie ^öpfe abfrf)lug, in benen bie
©rbmei^l^eit fonbergleid^en mol^nte, unb fieljt ben ©l^arafter
ber englifd^en Sieoolution in ber g^reilieit. S)iefe S^atfad^e
fommt nac^ feiner 5!Jleinung aud^ nod^ in ber ©egenmart
pm 2lu§brudE in bem felbftbemujgten, aber gefellfd^aftli^
befd^eibenen 9luf treten be^ englifd^en Slrbeiter^.^) (Später
jebod^ meint er, jene erblirf)e SÖBei^^eit fei eigentlid^ nur be^
tätigt in Snglanb^ au^märtiger ^olitü, bie einen Iriegerifrf)en
Äonflift mit 2)eutfc^lanb üoHfommen au^f^liejge.^ 3Wan mag
bal^er jmeifeln, ob bie üerfrf)iebenen englifd^en ©efd^id^ten, bie
in ber 93ibliot^ef ju ©d^önl^aufen oor^nben maren,^ t)on il^m
fo eifrig ftubiert raorben fmb mie mol^l anbere, namentlid^
franjöfifrfie ®efrf)i^t§n)erfe, bie er fo gut mie bie beutfc^en
Älaffifer gelegentUrf) in frf)laflofen Staaten oomal^m.^)
1) ^olit. diz'özn h <B. 147. -') ®bb. X, 8. 428.
3) SßQl. oben 8. 177. ^) ^olit. «Reben VIII, <B. 189.
— 19B —
SJle^t al§ nad] fadjli^en ober polittfd)cn aJioinenteti
richtet ficf) bat)« fein ^ntereffe für eittjetne Sßorgänge au§
ber englifd)en ©efc^ic^te nad) petfönlii^en. 5f" iem fci)ottifd)en
9lQtiDnaII)eItien JRobert ^ruce fa^ et ein nQd)aI)nien§n)ertE§
SBotbilb: ron i^m, ber burdj bie Seobacfitunfl einet ©pinne,
bie tro^ lüicberfeolten ^eruiiterfatleiiä immer oon neuem 511
bem erfttebten 3ist empotäutlimmen anfing unb eä fo
ft^Iiefelirfj etreidite, ju nu^böuernber ©e^arrlic^feit ange:
trieben ju fein bevidjtete, inoUte er gelernt ^aben, „raaä er
für rec^t unb feinem Sßatertanbe für nü^lii^ f)iett, aud)
bei ben übelften 3[fpeften nidjt aufsugeben".') 31uä be=
fonberen ©rünben übten auf i^n bie ''}ierfünlid)leiten Honig
fiflriä 1. unb feines 3Jlinifter§ ©trafforb eine ftarfe 2In=
äie^ungSfraft. Sffiußte er bud), ba§ ju beginn feine§ ÜRu
nifteriumS gerotffe Seute biird) ben niarnenben §inroeiä auf
beibcr b(utige§ dnbe planmäßig auf fiönig 2Bi[|eIm ein;
äuroirfen fud)ten, um i^n jiir ÜJlnc^giebigteit gegen bie
oppofitionelte aj(e{)rbeit ber SiolfeBertretung ju beftimmen,
„Sari I.," fo urteilte er, „roirb immer eine oomefjmc ^iftorifc^e
©rf^cinung bleiben im (Segenfa^ ju ßubroig XVI. »on
S^ranfreii^, bet lebte imb ftarb in einer fc^roäc^lic^en @e;
mütäoerfoffnng unb fein guteö ©ilb in bec ©efdjidjte madjt".
®uri^ bie braftifd)e 9Iu§füf)rung biefe§ (SegenfatieS tjat er
feinen Eöniglic^en ^erm, ben jene ©inflüffe eben in feinen
früheren ®ntfd)tiiffen roanfenb gemacht Ratten, roä^renb bet
benEntürbigen ^ai)xt oon Jüterbog nad] Berlin mieber auf-
gettd)tet unb jum Sttis^arren ermutigt, inbem et ba§ in
jener trüben ©tunbe uon bemfetben bcfürt^tete blutige @nbe
für fie beibe aU ein fel^t anftänbigeä unb il)rer roürbigeg
^infteöte.^) 3tud] fpäter noi^ km er gelegentlich auf bie
1) %*olit. SRebeii MIT, S. 148, 49.
^> ©Ebcmfen unb (Svinnerungen J, ®. 285.
— 196 —
parallele jurüd, bie man in ber Äonfltf§icit jioifd^en il^m
unb ©trafforb gejogen ^tte.^)
aSon ber eigenartigen ©ntoirflung @nglanb§ auf roirfe
fd^aftlid^em unb poHtifd^em ©ebiete l^atte ftd^ 93i§ntar(f aber
bennod^ eine lebl^afte Slnfd^auung erworben; nur roid^ er
aud^ ba oon ben lanbläufigen SSorfteKungen unb Urteilen
in mand^er ^inftd^t beträc^tlid^ ab. ®a^ ©nglanb bermalen
®eutfc^Ianb roirtfc^aftlid^ fo weit überlegen fei, war für
i^n nid^t blo^ bie ^?oIge feine§ SReid^tunt^ an ^ol^Ie unb
6ifen, bie ba nebeneinanber liegen: uielmel^r fal^ er barin
eine natürlid^e Äonfequenj be§ SBorfprung^ t)on ntel^reren
^a^rl^unberten, ben e§ mit feiner Kultur oor ©eutfd^Ianb
Dorau§ l^at. 2tu§ ben oorliegenben 3^ugniffen meint er, in
ber ^auptfad^e geu)i§ mit Siedet ermeffen p fönnen, ba§
fd^on jur ß^it ©l^afefpeareS, alfo jiemlic^ vov breil^unbert
<3a^ren, in ©nglanb eine Sßol^I^abenl^eit, ein Äulturjuftanb
unb ein 3Jla^ von beHetriftifd^er öilbung gel^errfd^t l^abe,
üon bem mir pr gleichen Qdi meit entfernt maren.^) ©id^
über bie SJlomente auSjufprec^en, bie il^m in ber ©eftaltung
unb ^^eftlegung ber englifd^en SSerfaffung afö bie eigentlid^
entfd^eibenben erfd^ienen, gab il^m mieber^olt namentlich bie
'^^olemif ermünfd^te- ©elegenl^eit, in ber er bie immer erneute
g^örberung ber g^ortfd^ritt^partei nad^ SntmidEIung „maleren
fonftitutioneHen Seben§" in ^reujgen ju befämpfen l^atte.
2öa§ man barunter gemöl^nlid^ cerftel^e, fo legt er fein
Urteil einmal l^iftorifc^ unb politifd^ au^fül^rlid^ bar, ent^
beirre ber monard^ifd^en ©runblage unb berul^e eigentlid^
ganj auf bem „fingen 3Q3ort", meld^e§ bie englifd^e 9lrifto=i
fratie narf) ber großen Sieoolution, um i^re ^errfd^aft ju
befeftigen, erfunben l^at, „the king can do no wrong":
1) ^olit. «Reben IX, «5. 240; XII, <B. 318. 2) @bb. XI, (S, 197.
— 197 —
iSenn roenn bet ÄÖnig Eein Unrecht tun tann, fo fann er
noc^ feiner aJieinung ü&etf)aupt nic|t§ tun, er ift munbtot
geinad)t u«b I)erabgeniürbigt p einet SßJaffe, meiere bie
englifcEje Sttiftotratie jur ©r^aftung i^ter §errfc^aft ju il)rec
ffletfügung behält. Set englifc^e 3tbet ^at, boS iji nadj
feiner 3lnft(^t bet ©inn jenel ©ageS, ben .Sönig geroiffev:
ma^en fequeftiett, um feine Seste^ungen jum 33ct! in feiner
©eroalt ju f)aben, fic nicE)t ju ftatf unb mächtig roerben in
laffen, fi)^ möglt^ft jniifct)en Äünig unb Sßolt ju fi^ieben
unb über feine Unfetfc^tift p btgponieren, bie burc^an^
unentbetirlic^ ift, roeil ba§ englifi^e 93o!f otyxe fie aud) notf)
^eutigentageä einem 9legieningsbefel|( gel)ord)eit ju muffen
nic^t glauben mürbe.') S)ennoi^ erfdjeint i^m SEilljetm
Don Dranien als! ein fe^r ftarfer ffönig, ber bie SBütbe
bet SRonarc^ie aud) gegenüber ber feftgefc^Ioffenen 3Hel)tt)eit
bei Parlaments erfolgreid) oettrat. ^m Oegenfa^ ju ber
leibigen 3«1plitt6™iig ^er beutfc^cn SßoItäDettretung in aUe
möglid)en grattionen unb ^foftiönc^en, bie er fo oft beflagt,
leitet er ouä ber feftgefügten ®int)eit beä groß angelegten
engliff^en ^ßarteiroefenS Erfolge ^er, roie fie bott bie beiben
*ßitt ober Sanning unb felbft noc^ $atmetfton unb ''JSeel
erlangt ^aben.^)
3iön einjclnen ©reigniffen au§ ber neueren @efd)i(^te
©nglanbä berührt Si§matr£ gelegentlitf) ber burrf) bie loelfift^en
Umtriebe nötig geioorbenen 31ufl)e&ung bc§ mit bem el)e=
maligen König non ^annoret gefdjloffenen ^bfinbungäner:
traget unb ber Sefcblagnafime be§ roelfifd)en §au§Dermögen§
im Saufe ber 39eratungen bet betreffenben §erren^u§=
tommiffion bie ©c^larf)t bei EuUoben (27. Sfprit 1746), burrt)
bie ber SReftaurationgoerfud) bet Stuarts neteitclt routbe.
i) ^olit. Sieben IX, ©. 147. ^) G6b. IX, ©. 244.
— 198 —
um bie ©roJBtnut bcr preu^ifei^en SRcgicrung gegenüber bent
bepoffebierten ^annooeraner in ba§ rechte ßtd^t ju fe^en.
ajHt bitterer ^onie erflärt er, er l^abe nid^t geprt, ba§ bie
aSorfal^ren Äönig @eorg§ V., nad^bent fie bie (Stuarts t)om
2:i^ron ©nglanbS oertrieben ^tten, il^nen burd^ ©taatögelber
bie SJlittel geliefert l^ätten, ber föniglid^en Stmtee bort jum
Kampfe entgegen jutreten.^) Um bie ©d^mierigfeiten ju er^
läutern, bie fid^ ber fofortigen unb rabifalen Stufl^ebung
ber ©flat)erei in ben beutfd^en Kolonien, mie fie oon
liberaler Seite geforbert mürbe, entgegenfteüten, unb bar^s
jutun, ba§ e§ ba eine§ langfamen unb uorfic^tigen SBor^
gel^enS bebürfe, moKte man bie mirtfd^aftlid^en SBer^Itniffe
jener ©ebiete vor ©d^äbigung bemal^ren, erinnert er treffenb
baran, mie lange Qtxt e§ gebauert ^be, bi§ bie gleid^e
gorberung in ©nglanb in bejug auf beffen Kolonien burd^::
gebrungen fei: obgleich bie ©ac^e bereits im Stnfang be§
a^tjel^nten ^al^rl^unbertS, juerft 1727 jur ©prad^e gebrad^t
mürbe, fei bod^ erft im ^al^r 1789 burd^ SlBilliam SBilberforce
ber f örmlid^e Slntrag auf UnterbrfidEung be§ britif d^en ©f lauen^^
l^anbefö im Parlamente eingebrad^t morben, um erft nad^
faft jmanjigjiäl^rigen kämpfen am 23. gebruar 1807 ange^
nommen ju merben.^)
Sluf ©nglanbS SBer^ItniS ju ^reu^en unb ©eutfd^-
lanb, mie e§ fid^ namentüd^ feit ber aJlitte beS ad^tjel^nten
:3a^rl^unbert§ entmidfelt l^at, ift 93i§mardf nur feiten ju
fpred^en getommen. 2)a§ fönnte auffaüen, müßten mir
nid^t, baj3 intime oermanbtfc^aftlid^e öejiel^ungen jmifd^en
bem englifd^en unb bem berliner §ofe, beren @inf{u§ er
oft ftörenb empfunben unb afö bie Oueüe aud^ politifd^
]^inberüdE)er Sieibungen beflagt l^at, il^m gerabe ba eine
1) ^olit. ^ebcn IV, ©. 136. 2) ©bb. XII, ©. 537.
— 199 —
äiitücttjaltung auferlegten, bie itin nötigte, feine ronbce 9{n=
firf)t roenigftenä öffentlich unauägef protzen äu laffen. ^m
oerttauten Sreife äupette et fic^ unumrounben: Sngtanb
^at ^teufeeit, erElfttt er 1866 einmal, »om Siebenjäl)ngen
fltiege b\§ sum aSienet grieben ausgebeutet unö beein:
ttäc^tigt.') ^a§ Preußen unb ffieutfc^tonb jur 3eit be§
ftonäörifdien firiegcä non ©nglanb erfuhren, ift bekanntlich
nitf|t geeignet geroefen, \l\m eine Snberung biefeg Urteils
über bie gefi^idjtltiije ©ntroidluiig t^reä Sßer^nltniffeä nat|e=
julegen.
ajie^r olä mit ber ®efci)id)te Sugtanbä gaben bie <Si^
eigniffe SiömarcE 9tnla^, fid) mit ber granfreidiS ju be-
fc^äftigen, mag biefe 58efi^ciftigung, obgefe^en non ber ge=
legentlii^en SeEtürc eineg franjöfifi^en t)iftori|ct|en aBerleä roie
j. S. 2aine§. „Les origines de la France contemporainc",-')
jumeift nur barin beftanben ^aben, ba§ er über ben inneren
Sufaramen^ang ber iljrcm äußeren SJerlauf na^ il)m rao))U
betannten ©reigntffen geroiffermaßen fpetulierte. SBcnn für
i^ fianbelte e§ ftd) babei Dorne()mtic^ um bie SrEennlniS
be§ franjÖfifii)en ißotfä(^arafter§ unb bie ©ntioicEIung be3
SBcr^ältniffeä jroifc^en ben beibeii ^lac^bantationen, sumat
für beffen tunftige ©eftattung ber Stieg uon 1870—71
ganj neue Söebingungen gefi)affen Ijafte unb jioar folcf)e,
bie bem bisherigen I)iftorifd)en SJertauf äunäcf)ft burc^aiiS
roiberfpradjen. ^^n interefftert ba^er begreifitdjerroeife be;
fonberä bog ^^italter ßubroigS XIV. unb bann baä ber
Stenolution unb ber 9fecoIutionäEriegc, bie beiben *perioben,
100 bie franjöfifdjEn ©toberungsgetüfte fid) am vüdficl)t§:
lofeften unb erfolgreidjften nament(id) gerabe auf Äoften
3)entfi^Ianb§ betätigt ^aben. ®a^ biefe freilii^ äderen
') 0. SeuöeU S. 226. ") *prilit SHelien IX. ©. :
— 200 —
Urfprung§ roaren, übcrfal^ auc^ er nid^t. „S)aS ^nfrage^
jieüen bcr beutfd^cn ©renje, bcmerft er am 11. Januar
1887/) ^t angefangen, wenn mx e§ rein im l^iftorifd^en,
|)ragmatifc^en ^wf^tt^wt^^^ng auffaffen moüen, mit ber
Sßegnal^me ber brei 93i§tfimer 9Jle^, S^oul unb SBerbun"
(burd^ ^einrid^ n. 1552 auf ®runb beig mit 9Jlori^ vori
©ad^fen unb feinen 9Jlitt)erfd^u)orenen gefd^Ioffenen SSer^
traget). Äaum eine ©eneration l^abe feitbem in Seutfd^Ianb
gelebt bie nid^t genötigt gemefen märe, ben Segen gegen
gtanlreic^ ju jiel^en. ®aj3 bie Spod^e be§ ®renjfampfe§
mit ber franjöfifc^en Station auc^ je^t nod^ nid^t enbgültig
abgefd^Ioffen fein merbe, vermutet er auf ©runb be§ ganjen
franjöftfd^en ®^arafter§ unb ber ©renjoerl^ältniffe.-) Ober^^
l^aupt ^It er ba§ grieben^merf jmifc^en ^anfreid^ unb
©eutfd^Ianb für fd^mer, meil e§ fid^ babei um einen lang^
mierigen l^iftorifd^en ^rojejg in ber SUlitte jmifd^en beiben
ßänbem l^anbelt, bie 3i^^it"S ^^^ ©renge, bie nad^ feiner
Stuffaffung uon bem 3^itpunft an jmeifeH^aft unb ftreitig
gemorben ift, mo granfreid^ feine voUt innere ©inigfeit unb
föniglid^e 3Wad^t, ein abgefc^Ioffene§ Königtum erreicht l^atte.
S^rifft er bamit xooi)l aud^ nid^t ganj ba§ Slid^tige, fo ift
bie Semerfung bod^ infofem lel^rreid^, afe fie einen t)on
ben ©rünben erfennen Id^t, um berentmillen ®eutfc^Ianb im
:3ntereffe feiner eigenen Stulpe in granfreid^ bie gortbauer
ber Stepublif jeber monarc^if^en Sieftauration oorjujiel^en
l^aben bürfte.
aSon biefem ©tanbpunfte au§ intereffiert 93i§mardE
begreiflirf)ermeife befonber^ bie Segrünbung ber abfoluten
3Jionarc^ie Submig^ XIV. ^l^re UJorbereitung burd^ Slid^elieu
unb SUlajarin, fo lel^rreid^ fie in politifc^er ^infic^t ift, l^at
1) ^olit. ^eben XII, @. 185. 2) (§^\^\^, xil, @. 185.
— 201 —
i^n aüertings nic^t befd)äfti9t. 3?e§ großen ffarbindg ge:
bentt et nur auS 9(nla& bet SInetbote, roouac^ berfelbe et--
tlärt ^abm foU, aut^ ben unfdjulbigften, e^tborften 2JIenfcf)en
roolte er on ben (Salgen bringen, roenn man if)ni brei 3^ilcn
nun feinci ^anb gefi^rieben netfc^affe:^) er roiC bamit bie
unberect)tigte unb gefölirlii^e 9Irt Eeitn^etcf)ne«, roie man itin
felbft fo oft auf ftii^ete, in ben ^arlamcntäberid)ten gc:
brurft Dorliegenbe Su^erungen, bie bod) unter ganj anbeten
5ßet^ä(tniffen getan roaten, feftpuageln oetfut^tc. SBot)[ aber
fteEt er SRidielteu unb Süasarin ben fiti^lic^en SBütben;
ttägetn feinet ^cit entgegen, weil fie, obgleid) Sarbindtc, bie
Stetste i^re§ ftönigä gegen bte 9Infptü(^e bet tiSmifc^en Äutie
enetgifd) uetfQc£)ten tiaben.^) Studi mnc^t er fein |5ef)[ batauä,
ba§ et ben 9Ibfolutiämu§ in unfeten niobemen ^eif^n i'l'"=
^aupt für unmöglid) Ejätt, ingbefonbere jenen unfontrollier:
baren 3(bfoIuti^mu§, roie il)n üubroig XIV. juerft in ©jene
gefet)t: namentlid) beutfc^en Untertanen gegenübet etflätt er
biefen für unhaltbar. Sefeftigt roat et in biefer Uberjeugung,
raie et angibt, noct) bnti^ ©pejinlftubien in ben §ofgefc^id)ten
unb fritifd)e i8eobacl)titngm, bie er am §ofe be§ perföntidj
Bon if)m geliebten unb oetef)tten Sönig§ ^i^iebtic^ 3Bt^eIm§ IV.
jur 3"t SRanteuffelä fjatte anfteüen tonnen.^) ®en leibigen
äuftanb gegenfeitigen äJiigtrauen^ jroifc^en Sleutfc^tanb unb
t^onfreid), ben au§ bet 3Bett ju fi^affen et fi^ narf) beni
^rieben eifrig unb nii^t oI)ne ©rfolg bemilt)te, beflagt et
al§ eine Bon Subraig XIV. ^er batietenbe unnatütlid)e (äin=
rid)tuug:*) ju einet banemben aber fei fie geroorben bitrd)
bie au^ in ber ^olgeäeit ununterbrochenen Sebto^ungen
3)eut|"t^lanb§ son feiten ^tantteti^ä.")
1) ^olit. SHehett X, ©. 487. ^ ®bb. V, S. 343.
8) ©cbonfen i^ ffirinnenmgeu I, S. 16. *) ^olit. fflehen X, S, 216.
^) n. ^ßof^inget, aEnfviatfien, ©. 296.
— 202 —
2)enfclbcn ©ebanfen, ber Subwig XIV. ate bic SBcr^:
fötperung unerfättlid^er ©roberungSluft barftellt, entwtdclte
er in bcm befonnten Stunbfd^rcibcn, ba§ er am 18. ^\xlx 1870
über ben franjöfifd^en 5^teben§brud^ erlief unb ben 3lften5
ftüden etnt)erleibte, bie am 20. ^ulx bem 9ietd^§tage be§
Slorbbeutfd^en 93unbe§ über ben biplomatifd^en SBerfel^r be§
3lu§iöärti9en 3lmte§ mit ben fremben SWegierungen in bem
fd^mebenben beuifd^-franjöfifd^en ©treit üorgelegt mürben.
®a erflärte er, alte non ben franjöfifd^en 9Jliniftem an^
geführten ©rünbe für bie Unnermeiblid^feit be§ Äriege§ jer^^
fielen in nid^t§ unb erf d^ienen abfolut au§ ber Suft gegriffen :
e§ bleibe bal^er nur bie traurige Slotmenbigleit, bie maleren
SWotioe in ben fd^ted^teften unb feit einem l^atben ^fö^^^i^nbert
üon ben SBößem unb SWegierungen ber jinilifierten SlBelt
gebranbmarften S^rabitionen Submig§ XIV. unb be§ erften
Äaiferreid^^ ju fud^en.^) ^n überrafd^enber SBSeife begegnet
93i§mardE fid^ ba mit ber Sluffaffung, bie einige SWonate
fpäter Seopolb non Sianfe in ber il^m eigenen fd^arf epi^
grammatifd^en SBSeife jum 3lu§brudE gebrad^t l^at. <3m
SBinter 1870—71 traf ber gro^e beutfd^e ^iftorifer in
SBien, mo er ard^inatifd^en ©tubien oblag, mit bem il^m
oon frül^er l^er perfönlid^ befannten ^^m^ jufammen, ber
im 3luftrag ber Stegierung ber nationalen SBerteibigung bie
^öfe ber neutraten Oro^mäd^te befud^te, um menigften^
bereu moralifd^e Qnteroention jugunften §ranfreid^§ ju oer^
anlaffen. 2luf J;^ier§' entrüftete 3^rage, gegen men benn
2)eutfd^lanb, nad^bem ber S^ag oon ©eban ben an bem S?riege
©d)ulbigen l^inmeggefegt l^abe, eigentlid^ nod^ weiter fämpfe,
antwortete SWanfe f d^lagf ertig : „SRun, gegen ßubmig XIV."
2)er gro^e beutfd^e Staatsmann unb ber gro^e beutfd^e
L) ^olit. Sieben IV, <B. 426.
jpiftoriter irofcn alfo ^iev in einer grunblegenben 9efd)id)t=
liefen ^Jtuffaffung äufammen.
9iai^ einet anbeten Seite freiließ fc^eint Biäntarcf bcr
aibfolutiämuä Suirotg^ XIV., fo fef)t et Don feinen nn^eiU
noUen SSitfungen aiid) auf iic innere ©ntroiiflung 5vant-
reict)§ überzeugt ift, bod) bereit! tot sroei Qa^f^unberten
auf bem tid)tigcn Sßege gcmefen ju fein unb be§[)alb xioif
betinolen nadja^mcngroert, näntlid) bntt^ ba§ Don ßotbert
eingeführte wnb feitbem im roefentIi(i}En bi§ anf ben heutigen
Sog beibehaltene 3J}erEantilfi)ftem mit feinen Sclju^jöHen.
2)enn nadj feinet 3[nfid)t, bie freilid) von bei anbeten Seite
aüejeit fjeftig beftritten rootben ift, roerben bie babiirc^ enl:
roicfetten inbtretten Steuern »on ber ^euiilfetung roeniger
läftig empfunben atä bie bireften, auf benen im ©egenfa^
SU ^rantteirf) nnb Snglanb bie ^'nanjen ber beutfdien
Staaten unb namentlich ^ßreu^enS beru[)en.^) SBä^renb
anbete bieä oon i^m befünnortetc Sr)ftein oI§ eine au§:
ftungernbe Ätanfljeit »crroerfen, fütjtt er bie SßSo^[^abent)eit
gtonftei^S barauf jurüd unb etClärt e§ auä ifim, ba§
biefeä 2anb tro^ ber ungcljeuren SßeriDfiftungen, bie eä in;
folge ton Stiegen unb innetcn SReDolutionen ettitten ^at, fii^
bereite jut 3eit beä Siebenfältigen Sriege§ eine§ nationalen
aBo^lftaiibeä etfreut (jabe, bet nai^ manntet 3}ieinung ben
(SnglanbS übertraf. 3luc^ I)ebt et eS im äuffinmenöange
biefet Bolfgniirtft^afttic^en (ärürtetungen aU einen ^iftotif^:
poUtifd) bead)tcn§n)erten Qu% ^emor, ba^ bet bcutfc^e 9ieic^S=
tag oon bet ^Serufung eine§ S}irtfii)aft§rate§, ber bie Det=
biinbeten iHegierungen bei bet Sßorberettung ber geplanten
rairtfdjaftlidjen unb finanziellen Sieformen untetftü^en füllte,
eine SJtinbetung feinet Slutorität bcforgte, loäljtenb fein
. ') ^Dlit. SHeben VllI, S. 33ß.
— 204 —
franjöfifd^c§ Parlament fo fleinmfitig gcwefcn fei, fid^ t)or
bem franjöfifd^cn SBSirtfd^aftörate ju ffird^tcn. g^eilid^ gibt
er JU, bem refomteifrigen 3Äinifter einer abfoluten aWonard^ie
wie S^urgot fönne eine fold^e Äörperfd^aft gelegentlid^ un^
bequem werben. Unb bod^ ^be gerabe 2!urgot feinerjeit
bat)or gemamt, allein bie ©pejialintereffenten ju fragen,
weil, menn man fie l^öre, bie ©ad^e bod^ fd^Iie^Iid^ barauf
]^inau§Iaufe, ba§ jeber für fid^ ba§ 3ÄonopoI t)erlange.
^äufig menben fid^ 93i§mardE§ l^iftorifd^^polittfd^e SBe^:
trad^tungen ju ber franjöfifd^en Sieoolution. 3)enn aud^
für il^n fül^rten bie legten SBurgeln ber mobemen (SnU
roidEIung immer ju il^r jurüdt. SBon ber engl^erjigen 93e^
fangen^eit il^r gegenüber, bie feit ber SRe^auration bie
aJlel^rjal^I feiner ©tanbe§genoffen be^errfd^te, finben mir bei
il^m feine ©pur. ;3n einem merfmürbigen 93riefe an Seopolb
üon ©erlad^ t)om 30. 3Jlai 1857^) feigen mir il^n jur W)-
mel^r be§ aSorrourf§, er fei feinen politifd^en ^rinjipien
untreu geworben unb moBe mit ber unter allen Umftänben
ju befämpfenben 9iet)oIution paftieren, in oöHiger Unbe^
fangenl^eit unb in großen Qü^m oielmel^r bie l^iftorifd^e
3lnfd^auung oertreten, aud^ bie 9iet)oIution fei nid^t bIo§
eine tatfdd^Iid^ gegebene, fonbem aud^ unter Umftänben
unoermeiblid^e unb ba^er bered^tigte gorm ber ©ntmidtlung
im ßeben merbenber Stationen, ©eine Darlegungen gemal^nen
im mefentlid^en an ba§ SSSort 2)a]^Imann§, ber bie Steootution
al§ bie ©ntmidflung be§ einftürjenben §aufe§ begeid^net l^at.
2)er unbeirrbare SRealpolitifer fragt: „SBSie oiele ©yiftenjen
gibt e§ nod^ in ber l^eutigen poUtifd^en SSSelt, bie nid^t in
reoolutiondrem ©oben murjeln?" 2)a§ tun ©panien, ^ortu^
gal, ÖrafiUen, alte amerifanifd^en Siepublifen, 93elgien,
S3nefe an ©erlarf) ©. 326 u. ff., befonb. @. 328 u. 29.
— 205 —
^oUonb, bie Sc^roeiä, ©riei^enlanb, ®rf)njelicit unb baä
üorf) ^eute in ber ßlorious Revolution von lö88 fu^enbe
Snglanb : felbft bet betmalige 3ttftaiii' ©eutfc^tonbä beruhe
EeineiäiBegä butc^roeg auf legitimen SHet^tStiteln, unb im
eigenen ftaatlidjen ficben Eänne auc^ ^reu^en ber Senu^ung
reDoIutionäter Unteclngen nicfjt entgetjen. ^ementfprec^enb
^abe eU auc^ bereite 1785 gegenüber ben SJeteinigten Staaten
Don SJorbometifa unb neuerbingä bent jum Sefuc^ in ©ertin
etfcf)ienenen König non Portugal gejubelt, unb bie geptnnte
aSetfc^ioagetung mit ben SSeinabotle uon ©i^roeben fei boc^
nur QU jufälligen ^inbemiffen gefc^eitert. 5ßa^er fei eä au6],
tonftatiert S3igmar(J weiter, not ber fraiiäöfifil)en fficDolution
fe[bft bem djriftlic^ften unb geroiffen^afteften ©taatSmanu
nic^t eingefallen, fein gefamte^ poUtif(i)eä Streben, fein 5Ber=
batten sur öufeeren roie jur inneren ?ßolitif bem ^rinjiije
beö „Kämpfet gegen bie Sienolution" unterjuorbnen unb
bie Sesie^ungen feineä Sonbeä ju anberen Staaten lebigtit^
an biefem ^robietftein 3u prüfen. Seines ebenfo f)0(^;
tonfematinen loie frommen Äovrefponbenten 2lbfiJ)eu oor
einem ^if^mmenge^en ^'teu§en§ mit Slapoleon HI-, bem
gefrönten 91erolutionnt, roie er eä empfal)!, ^at er burc^
biefe 3[rgumcnte fretlid) nid)t überrounben. 'Hüctj bie tteffeu-
bcn SemerCungen, bie er nieitert)in ü&er Utfpnmg unb SBefen
bet franjöfifc^en Sieuolution mad)t, bürftcn benfelben faum
onberä ben!en gelehrt ^aben. ©anmc^ ift bie ^Qniilie Öona^
porte a[§ foli^e für bie Slerotution boc^ nictjt üetantroottli^
ju madjen: jie ^at fte nic^t in bie 3Belt gebtadjt, nietme^t ^at
ber etfte Slapoleon, nac^bem er fie mit ©rfolg für feinen
S^tgeij benu^t, fie betäinpft, freilii^ mit falfdjen ÜRitteln unb
be§l)alb ottne bauembe SBirtung. ^n ber (Erörterung biefer
grage, bie i^ oon bem alten i^eunbe fd)lie61ic^ gonj
trennen follte, ergebt SBiSmarrf fi^ roeiter^in ju einer großen
— 206 —
unb fül^ncn l^iftorifd&en Slnfd^auung, weld^e ben unberfal^
l^ijiorifd^en 3iiftinxmcn^ang bcr für bic ©ntroidlung bcr
ajlenfd^l^eit cigentlid^ enlfd^eibenben ©pod^en einbrudE§t)oII
jur ©cltung bringt. „2)ie 3tct)oIution/' fagt ex, „iji üiel
älter ate bie 93onapartc§ unb üicI breiter in ber ©runblage
ate granfreid^. SBSenn man i^r einen irbifd^en Urfprung
anroeifen mü — (ein ©a^, nad^ bem er fie aud^ für
©d^idtung @otte§ l^ält) — fo wäre aud^ ber nid^t in grant
reid^, fonbem el^er in ©nglanb ju fud^en, wenn nid^t nod^
früher in 2)eutfd^lanb ober in 9iom, je nad^bem man bie
3lu§n)üd^fe ber Sieformation ober bie ber römifd^en S?ird^e
unb bie ©infü^rung be§ römifd^en 9ied^t§ in bie germanifd^e
SBSett afö fd^utbig anfeilen mill."
Qnbem er bann bie ©efd^id^te t^anfreid^§ roäl^renb
ber legten SWenfd^enatter oor ber Sleoolution überfliegt
fommt er ju bem in ben @ertad)fd)en Greifen aud^ bamate
nod^ beftrittenen ©a^: „2)a§ $au§ Sourbon l^at mel^r für
bie SReooIution getan al§ alle 93onaparten, aud^ menn man
il^m ^l^ilipp @galit6 nid^t jur Saft fd^reibt". Sunt 93e^
meife fül^rt er an bie ©infül^rung be§ 2lbfoluti§mu§ unter
Submig XIV. — er bejeid^net bei biefer ©elegen^eit jeben
3lbfoluti§mu§ ate ein frud^tbare§ gelb für bie ©aat ber
SReoolution — , bie Unroürbigfeiten ber SWegentfd^aft unb
Submigg XV. unb bie ©d^mäd^e ßubmig§ XVI./) ber am
14. ©eptember 1791 bei ber 3lnna]&me ber SBerfaffung bie
SReoolution afe beenbigt proHamierte.-) Slamentlid^ be§
le^tgenannten ©d^mäd^e mad^t er oerantmortlid^ für ben
unl^eilooUen @ang, ben bie 2)inge in granfreid^ genommen.
®enn il^r gegenüber fonnten bie Oironbiften mit il^ren Sßer^
f affunggplänen burd^jubringen ^offen, bereu Sßermirf tid^ung —
L) «gl. (S. 195. 2) jgnefe an (Serla^ ©. 329.
— 207 —
Si^mard eignet fid^ ba ba§ Urteil unb bie SBSorte üon Staine^)
an — au§ bem S?önig eine 3lrt üon ®]^renpräfibenten ber
SRepublif gemad^t l^aben würbe, bem bie Sßolföoertretung bie
burd^ ^errfd^enbe Partei, b. ^. bie ©ironbiften felbft, einen
aSolljie]^ung§au§fd^u§ jur ©eite fteltte.^) SBSenn er in einer
fotd^en Drbnung ba§ ^beal ber fonftitutionellen Sßerfaffung
ju feigen glaubt, ba§ bie liberale Dppofition aud^ in ^reu^en
ju üemjirftidien roünfd^e, fo ge^t er mit einer fold^en 'Sße^
fd^ulbigung in ber §i^e be§ Äampfe§ freitid^ ju meit, l^at
aber auf ber anberen ©eite red^t, menn er aud^ ben Ur^
fprung ber parlamentarifd^en Seroegung ber ©egenroart
auf bie franjöfifd^e Sieöolution in ben neunjiger .^a^ren
be§ ad^tjel^nten Qal^rl^unbert^ jurüdEfü^rt, meil man bamafe
angefangen l^abe, bie Siubimente ber fonftitutionellen ^ftt^
gierung au^juarbeiten unb babei in mij3t)erftanbener 2Inalogie
mit ber ^iftorifd^ ]^erau§gemad^fenen ^arlamentSoerfaffung
6nglanb§ auf eine S^rennung t)on ©jefutioe unl) Segi§latit)e
ausgegangen fei.^)
Sejeid^nenb für 93i§mardE§ 2luffaffung ber franjöfifd^en
9Jeoolution ift aud^, baj3 er in il^r einen auSgefprod^en
antigermanif^en Qvlq l^errfd^enb finbet. @r betrad^tet fie
gerabeju afö bie Sliebermerfung be§ germanifd^en @lement§
burd^ meld^eS ba§ an fid^ unprobuttit)e teltifd^e erft be-
frud)tet unb leiftungSfd^ig gemad^t morben fei. 2)a§ le^tereö
l^infort ba§ übergemid^t bef)auptet ^be, erflärt i^m bie
Sereitroilligfeit ber graujofen, ftd^ ber ©emalt ju untere
werfen/) ^l^r d^arafteriftifd^eS ©epräge erlauft bie franjöfifd^e
9iet)olution babei für il^n oor allem burd^ ba§ ©treben nad^
©leid^l^eit mäl^renb e§ fid^ in ber englifd^en um bie ©e^
minnung ber greil^eit ge^anbelt l^abe.^) 2)iefe englifd^e
1) S89I. ©. 199. 2) ^olit. meben IX, (5. 226. 3) @bb. X, ©. 56.
^) ®ei)n S. 204. '^) «gl. ©. 185.
— 208 —
greil^cit erfd^eint il^m getragen von bem ntännlid^en ©elbft^
berou^tfein, ba§ feinen eigenen SSSert ftolj genug ffil^It uni
anbete in einer l^öl^eren Stellung fiber fid^ bulben ju fönnen.
®ie franjöfifd^e Steilheit bagegen nennt er einmal „bie
d^imärifd^e S^oc^ter be§ 9leibe§ unb ber ^abfud^t, roeld^er
biefe reic^ begabte Station feit 60 ^a\)xm burd^ 93Iut
unb Slbemji^ nad^gejagt, ol^ne fie erreid^en ju fönnen"
(24. Dftober 1849).^)
Sine fo eigenartige 2Infd^auung ber franjöfifd^en 9ie=
oolution non 1789 bebingt eine entfpred^enb eigenartige
Beurteilung aud^ ber burd^ fie roeiterl^in l^erbeigefä^rten @r^
eigniffe. 9lur mad^t fid^ babei roieberum 93i§mardf§ Unbe^
fangenl^eit unb fein SBol^IrooHen gegenüber bem franjöftfd^en
aSoIfe unb feinem Slationald^arafter bemerlbar. ®r erfennt
an, ba^ bie erften franjöftfd^en Kriege im Qdi)t 1792 non
einer potitifc^en <3bee getragen gemefen feien, beftreitet aber
bie bei ben g^anjofen l^errfd^enbe SBorfteHung, biefelbe ^ätte
fid^ über bie ganje SlBelt oerbreitet. ^Sw^nterl^in fielet er in
ben bemegenben <3been, meldte bie franjöfifd^en gal^nen
bamate in bie Slad^barlanbe brad^ten, bem Äampf gegen bie
3Äonard^ie, gegen ©eiftlid^feit unb Slbel unb für ben britten
©tanb, mächtige geiftige §ebel, bie ben ©ieg ber granjofen
erleid^terten. Sßorbe^Itto^ erfennt er bie S^apferfeit unb
ba§ ^iationalgefü^I an, meldte bie granjofen bamafö fo
gut mie früher im fpanifd^en ®rbfotgefrieg unb bann aui^
1814 bewährt ^ben.^) gür bie ungered^ten ©roberungS^
friege, mit benen fie namenttid^ 2)eutfd^Ianb l^eimgefu^t,
mac^t er weniger ba§ gemeinhin oon ber g^amilie 93onapartc
genannte ©gftem oerantroorttid^ ate bie bem franjöfifd^en
^iationatd^arafter au§ ©elbftfud^t fd^meid^etnbe eypanftoe
1) ^olit. «Reben I, ©. 147.
2) (Sebanfen u. ©ttnnerungen II, (5. 52.
^^DÜtiE bet atten a)Ionard)ie feil fiubmig XIV. uiib meint,
au^ loenn 3]apoIeon I. al§ ©o^n Ciibmigä XVI. geßoren
njäte, lüütbe ©eutfcljtanb bod) frfjioettid) SRulie »ot i^m
geljabt ^ben.^) ®eii fd)lie§lit^en ÜtiiSgong 3tapoleon§ I.,
beffen ©t^öpfiiug er a(§ eine große berounbert, leitet er
barou§ üb, ba§ et auf feine friegerifdjen ©tfolge poc^enb
mit aUen Staaten .giänbet anfing, ftatf ben ^rieben ju er^
galten: fein 33evl)üngut§ fei gcroefen, ba§ er bie etfte Sugenb
be§ Staatsmannes, bie loeife 3JIä6tgung nadj ben größten
Erfolgen ben anberen SßÜlfem gegenüber nit^t geübt unb
Suropa in einen Svieg nai^ bem anberen oenoirfelt ^abe.^)
iro^bem muß nac^ it)m bte Smpfinblic^feit bcr granjofen
in besug auf bie ©r^ltung i^tec auf fo fragroürbige 3Beife
oergrößerten tercttotiolen ©efi^ftanbö gelegentlid) ai§ ein
ÜJloment Bon betrcidjtlidjer polttif^et ^irtfamfeit fjod) an;
gefdilagen roetben. 33aß ein fo unbebentenber ^la^ roie
^üningen, iaS Subroig XIV. 1G80 burc^ Sauf erroorben
nnb ju einet ftatten ^eftung ausgebaut ^atte, 1815 bnrd)
®täI)etiDg Qo[)ann nat^ ber Kapitulation entfeftigt ronrbe
unb na^ ben 33eftimmungen be§ arociten ^^arifet gtieben§
nid)t rotebet ^ergefteUt roetben burfte, erfdjeint i^m bomac^
faft mel)r geeignet jur Erregung fronäöfifti)et ßeibenfdjoften
benu^t ä" iDerben al§ bet Sßerluft irgenb eines S^ertitoriumS,
ben 5ranfteid) fonft dou feinen frütjeren Eroberungen ba:
mal§ S" erleibcn IjatteJ')
SJon beni äioeiten ^$orifer ^rieben bis ju ber großen,
nnc^ feiner SReinung aber noc^ nid|t enbgültigen MuSein:
anberfe^ung jniifd)en granfreid) unb S)eutf(^lanb 1870 unb
71 ^at bie franiiSfifd)e ©efc^idjte, meil iljr Sc^raerpuntt in
ij D. ipofcfiinfler, ''IJieii&cit am aSunheätnfle IV, S. 277,
^) V. 9|3ofd)inaer, SiBnintct mib bie 'JiaTlamenltitiet II, S. 3r)7.
») ^olit. SiEbcn V, S. 55.
«ruB. »ISmortta öilliiiiia. 14
— 210 —
bcr inneren ©ntroidlung lag, für SöiSmard offenbar fein
befonbereö ^ntereffe gel^abt. 2Iuf biefe 3^it nimmt er in
feinen l^iftorifc^^politifd^en 93etrad^tungen nur feiten ©ejug.
Sin ber ®^arte ßubmigö XVin. — er nennt fie im ^in^^
btid auf ben @inf(u§, ben fie auf bie gefamte ©ntmidtung
be§ fonftitutionellen SS3efen§ gel^abt l^at, „bie fonftitutioneHe
Uroerfaffung — l^at er befonber§ auöjufe^en, ba^ aud^ nac^
il^r bie ©ntfd^eibung innerl^alb be§ 9Jiinifterrate§ nad^
©timmenmel^rl^eit gefd^al^, mie aud^ in anberen Staaten,
roa§ er meber für geredit nod^ für oernünftig l^alten fann. ^)
Slud^ bie au^märtige ^olitif granfreid^g biefer Qext fommt
für i^n l^iftorifd^ nid^t in 93etrad^t, ba fie für bie ©egen^^
wart o^ne praftifd^en SSSert ift ^öd^ften§ baj3 er fid^ einmal
bei Erörterung ber ^otenfrage ber l^armtofen Seftrebungen
erinnert, bie g^ranlreid^ unter Soui§ ^l^itipp im 2lu§lanb
jugunften ber ^olen entmidEett l^at.^
Slud^ im ©ebiet ber beutfd^en ©efd^id^te fmb eigenttid^e
l^iftorifd^e ©tubien ober aud^ nur eine planmäßige ßeftüre
ber in jenen ^al^ren neu erfd^ienenen bebeutenben SBSerfe bei
93i§mardE nid^t erfennbar. SBenn man aber meiß, mie maffen^
^ft er gelefen, unb fielet, mie oertraut er auc^ mit bem
©ange ber älteren beutfd^en ©efd^id^te ift, — ma§ freitid^
nid^t au§fd^tiej3t, baj3 il^m ba getegentli(^ ein Irrtum mit
unterläuft — , fo mirb man annehmen muffen, er l^abe fid^
aud^ mit biefem ©ebiete auf bie il^m eigene 3lrt oertraut
gemad^t, roie fie in ben il^n umgebenben Sßer^ältniffen nun
einmal begrünbet lag. @§ mar im gangen bie eine§ Sluto^
bibaften, jumat e§ i^m aud^ l^ier weniger auf mal^IIofe
Äenntni^ alter möglid^en ungleid^mertigen J^atfad^en an^
fommen fonnte al§ auf bie Oeminnung eine§ @inbtidE§ in
1) @bb. I, ©. 319. 2) ebb. XI, ©.432.
— 211 —
ba§ SlBcfcn bcr ©ntwidlung fcine§ SßoIfe§ unb tn§befonbere
auf bie @rfenntm§ berjenigcn SJlomcnte bartn, roeld^e für
©rfaffung unb Söfung ber feiner Qext gefteHten 2lufgaben
wid^tig unb nü^Iid^ werben fonnten. 93ead^ten§u)ert ift e§
babei im ^inblid auf fein eigene^ gefd^id^tüd^e^ SBSirfen, ba§
wir bei il^nt nirgenb§ eine ©pur finben üon ber in ber
SWomantif rourjelnben Sluffaffung be§ beutfd^en 3JlittelaIter§,
wie fie bie nteiften feiner ©tanbe^:: unb ®efinnung§genoffen
in ben üiergiger unb fünf jiger ^a^ren erfüllte. K^riftlid^ ger::
ntanifd^e ^l^antaftereien ^ben il^m, fo fel^r aud^ er fid^ von ge-
roiffen ©eiten be§ mittetalterli^en beutfd^en ©taatS- unb ©efell?
fd)aft§Ieben§ angejogen füllte, allezeit fem gelegen, unb eine
unüberbrüdEbare Äluft trennte i^n Don ber 2)enfn)eife ^ebrid^
SBil]^elm§ IV. unb be§ i^n umgebenben Äreife§ unflarer
©d^roärmer für bie .^errlid^feit be§ alten 9ieid^e§. 2)er
nüd^tem realpolitifdie Qn^, ber il^n ate ©taat^mann !enn^
jeid^net, bebingt unb beftimntt auc^ feine 3luffaffung ber
beutfd^en ©efd^id^te unb lä^t i^n über bie großen SJlänner
unb bie großen Saaten ber SBorjeit gelegentlid^ anber§ urteilen,
afö fonft bamate in feinen Greifen üblid^ mar.
©ntfd^eibenb in biefer ^inftd^t mar fd^on fein ftolje§
proteftantifd^e§ Seroujgtfein. ^a^rjel^nte cor bem Äultur^
fampfe erfannte er in bem römifd)en ^apfttum unb bcr von
\f)m al§ abfolute SWonard^ie be^errfd^ten S?ird^e — „Fetal
c'est moi" fagt ber ^apft nad^ einer gelegentlid^en 93emerfung
t)on i^m „mit @up^emi§mu§" ^) — bie Sßertörperung eine§
namentlich ^reujgen unt)erfö^nlid^ feinblid^en ^rinjipö unb
bebauerte er, ba§ bie SBorfämpfer ber ^od^fird^lid^en SRid^tung
in ber preuj^ifd^en Sanbe^fird^e i^re innere SBermanbtfd^aft
mit bem Äat]^oliji§mu§ burd^ offene^ Slu^fpred^en il^rer
^olit. meben VI, @. 670.
14'
— 212 —
©gmpatl^ien bafür jum Stadtteil ber et)angettfd^cn ©ad^e
ebcnfo wie ber ©ad^e be§ preu§ifci)en ©taate§ unflug he^
tätigten.^) ®arin fa^ er einen fd^weren g^el^Ier unb eine
ernfte ©efal^r. ?iid^t erft nad^ bem t)atifanifd^en Äonjil hz^
[tritt er bem $apft „bie ®igenfd^aft eine§ ?iad^foIger§ $etri,
ber aud^ nid^t unfel^Ibar gewefen fei, fonbem geffinbigt unb
feine ©ünben bereut l^abe". „S^otge id^ bem ^apft," erflärte
er nad^matö,^) „gel^t für mid^ bie ©eligfeit üerloren, ber
^apft l^at fie für mid^ nic^t." ®r fpöttelt getegenttid^
(22. ajlai 1869) über bie befannte ©age von ber S^ettung
9iom§ t)or ben Sorben 2lttila§ burd^ bie fiegreid^e 93erebt5
f amf eit $apft £eo§ I. ^ Sßon 3tom§ unt)erf öl^nlid^er geinb-
fc^aft gegen ^reu^en ift er fo überjeugt ba§ er nid^t baran
jmeifelt e§ merbe jebeö gro^e UnglüdE, ba§ biefen ©taat
trifft rüdfftc^t§to§ au^junu^en eilen. SBSäre ber franjöfifd^e
@roberung§frieg 1870 erfolgreid^ gewefen, fo würbe man
nad^ feiner 2lnftd^t aud^ auf fird^üd^em ©ebiete in ®eutfc^j:
lanb von ben „getis Dei per Francos" ju et^äl^len gel^abt
l^aben, ben Saaten @otte§ burdf) bie grangofen, wie ber @e^
lehrte 93onga§ ba§ SBSerf nannte, worin er bie Duellen jur
Oefd^id^te ber Äreujjüge unb ber fraujöfifd^en ©roj^taten
gegen bie Ungläubigen juerft l^erauögab. Sßon äl^nlid^en
©ntroürfen ber fatl^olifc^en SWeaftion für ben %aü be§ ©iege§
über ^reu^en, in bem fie ben ^roteftanti§mu§ nieberjumerfen
backte, miß er au§ ber S^xt oon Dtmü^ unb oor bem Ärieg
mit Öfterreid^ oon 1866 Äenntni§ erl^alten l^aben.^) Söe^
fonbere 93erounberung für bie ©ro^taten ber SJreujfal^rer
fprid)t nid^t au§ biefem Sßergleid)e. 2)aju ftimmt e§, ba^ f&i^^
mavd oom ^§lam auc^ in ber Oegentoart noc^ eine günjiige
aSorftellung l^at: er rül^mt feine gute 3JloraI, lobt feinen
1) »riefe an ©erlarf) ©. 154. 2) ^oIiüfrf)e SReben VI, O. 263.
3) @bb. IV, <B. 256. 4) @5b. V, @. 385.
— 213 —
ÄuUu§ als einfndi unb nic^t foftfpielig unb meint fogat, bie
©rjie^iig ber moliainebflnif^en ^ugenb fei in uietein beffei
als bie bet djriftfii^en. \) 33emgemä§ befi^t er auc^ eiit:
fd^iebene ©qmpot^ien für bieS^ürfen: et erftntt fie für bie
einjigeu ©entlemen im Orient, roä|venb oKe übrigen bortigen
33oH§ftänime moratifc^ mef)r ober rocniger CErtomnien unb
politifc^ unäUBcrläffig feien. -I
^llur bei ganj befonberen ©etegenfieiten fte^t oud) er
ein StücE beutfc^en SHittelalterä einmal in bem tomantifi^cn
©c^immer, ber fonft in feiner ^ugenb für bie meiften 39e--
troctitet barüber auSgegoffen lag, fo all er im ^uni 1851
im 3JIonbenfi^ein von Siübeä^eim big nai^ bem SOIäufeturm
bei Singen fdjroamm, „roo ber böfe $iifrf)of umtam".")
©oiift ift er aud) bereits jenen Alteren ^eikn gegenüber be:
fttebt, au§ ben ©injettatfadjen baä ju entnefjmen, roaä für
ba§ bentfrf)e SioIKleben nnb feine ©ntniidlung in ber golge
mafegebenb mürbe. |)iett et bie ®ermanen boc^ uon je^er
für berufen ä" großen ©ingen, infofem er in i^nen im
©egenfa^ ä" Gelten unb ©(nuen ba§ fd)öpferifd)e, bc=
frud}tenbc, männliche ''^^rinjip oettörpert fa^.^J Slafür roeift
et unter anberem auf bie MoEe f|in, roetd)e bie ©oten iii
Spanien, bie Sangobarben in'Oberitolien unb bie SBaräger
in Sufelanb gefpielt ^ben.") S)er ©tteit ber ©ele^rten
über bie Crtlicf)Eeit ber 5Baru§fcttQd|t, für bie ba§ äJoIE an
bem Seutübnrger SBalbe feft^ält, ^at bat)er für ifjn (ein
Qntereffe, roo^t aber bie iOiotiDe, roeldje bie (är^ebung ber
(Sermniien gegen bie btot)enbe j^i^emb^errfrfjaft »erontafeten.
@r finbct fie oot aEem in ber Erbitterung über "baS Sin;
bringen be§ römifc^en aSefenS in baS (jamilienleben unb
') o. ^ofdiiiifler, aSi^ntatit u. b. '(iar (amentarier 11, ©. 363.
2) SlElin, ©. 116. 3) ijlolit. iöriefe aigmattfS 1849—89 I, ©. 18.
*) Sögt. ®. 185. f') SÖufcl), ^iigcbucf) blattet 11, S. 118.
— 214 —
be§ römif d^en SRcd^tö in bie privaten Sßer^ttniffe. ^) ganben
hoä) nad^ feiner Sluffaffung fd^on bie Siömer ju il^tem @r=
ftaunen bei ben 2)eutfd^en „ein uraltem Siedet, toovon fte
faßten: ^erfomnten vacant". 2)iefem germanifd^en Urteilt
fe^t er ba§ nod^ nid^t au^gebitbete unb ba^er ftreitige §er=
fommen bejügttd^ ber beutfd^en Sieid^Süerfaffung entgegen.^
aOScnn 93i§mardf wieberl^olt auf bie ©tellung ber fränfi::
fd)en ^au^meier im ^^it^^ter ber 9Jleron)inger eingel^en
mu^te, fo war biefe l^iftorifd^e (Erinnerung nid^t burd^ il^n
]^ert)orgerufen, fonbem burd^ eine ^erau§forberung ©ugen
9iid^ter§, ber bel^auptet l^atte, ba§ in 93i§mardE üerförperte
©qftem road^fe fid^ allmä^tid^ p einem „©qftem be§ ^an^^
meiertum^" au§, t)on bem man münfd^en möd^te, bie ^ol^en^
äoHern liefen e§ nid^t auf fommen. ^ S^f otge beff en fprid^t
ber 9ieid^§fanjler, ber jene 9lu§erung irrtümlid^ auf ^^l^eobor
SJlommfen jurüdffül^rte unb be^l^alb bebauerte, baj3 ein fo
angefe^ener ®efd^id^t§fdf)reiber über bie Sßertiefung in jmei?
taufenb Qalire rüdEmärt§ Uegenbe SeiUn ben 93IidE für bie
fonnenbefd^ienene ©egenmart fid^ fo ganj ^abe trüben laffen,
oon fonftitutioneller ^au^meierei^) ober audf) oon minifterieller
^au^meierei^), freilid^ o^ne fid^ auf bie eigenartige ©nt^
midEelung jene§ ^ol^en fränfifd^en 9ieid^§amte§ einjulaffen^
bie il^m in il^ren ©injel^eiten fügtid^ nid^t befannt gemefen
fein bürfte. ^mn aud^ an biefem S^eit ber beutfd^en ©e-
fd^ic^te nimmt er nur infomeit ^f^tereffe, al§ barau^ allge^
meine 2lnfc^auungen unb praftifc^e Se^ren für 2)eutfc^Ianb§
aSerl^atten in ber ©egenmart ju gewinnen ftnb. 2)ie kämpfe
ber 9legierung§organe mit ber ^re^agitation ber ^e^fapläne
erfdieint i^m afe eine nü^tidf)e Sßorübung für ben mit großen
1) t). ^ofd)tnger, 3lnfprad)en @. 274.
2) ^oUt. Sieben VIII, <B. 327. 3) @bb. IX, ©. 118, 131, 161.
4) (§iht). IX, ©. 226. 5) (5t,b. XI, (5. 229, 236.
— 215 —
gcfc^gcbcrifc^cn ajlittcln ju fü^rcnben Äutturfampf, unb er
finbet, ba^ bcr ©taat baburd^ naä) bicfer ©cite \)xn an
©efd^toffcnl^eit au^erorbenttid^ gewonnen l^abe. 3Ätt bem
93eifptet aber, ba§ er jur ©rläuterung anfül^rt begel^t er
einen l^iftorifc^en ^rrtunt, wenn er fagt ä^nüd^ l^abe ber=:
einft ^einrid) ber SBogelfteller gel^anbett, inbem er, el^e er
bie Ungarn am £ec^ f ^tug, feine angebttd^ von bem friegeri-
fd^en ©inn ber Sßorfal^ren abgefallenen ©ad^fen jel^n Qal^re
lang burd^ alterl^anb ©efed^te übte unb bann erft gegen ben
gefä^rlid^ften geinb fül^rte. 6r benft an bie ©Iat)enfämpfe
|)einrid^§ I. mä^renb be§ ben Ungarn abgefauften SBaffen==
ftillftanb§, meldte bie ©d^ute ber ©ad^fen mürben für ben
S?ampf ju ^ferb, oermec^fett bann aber be§ erften ©ac^fen^
fönigg Ungamfieg bei SWiate an ber Unftrut mit feinet 9lad^^
folgert S^riump^ in ber ©d)Iad^t auf bem Sed^felbe.^)
Qn bem 93ilbe ber groj^en fäd^fifd^en unb ' falifd^en 3^it
fe^rt er aud^ fonft gern jurüdf. ©ie erfd^eint il^m mit gutem
©runbe afö bie ber l^öd^ften nationalen S?raftentfaltung be§
beutfdien 93otfe§ im SBIittelatter, jumal er in bem Königtum
jener ^eriobe ben ftarf ausgeprägten nationalen 3wg leb^ft
empfinbet, ber bann in ber S^tge jum ©d^aben 2)eutfd^Ianb§
in bemfelben ajlaj^e immer me^r beeinträd^tigt mürbe, mie bie
auf Italien gerid^tete Äaiferpolitif übermog. Sin ben ^enenfer
^iftorifer Dttofar Sorenj fd)rieb er barüber am 7. Slooember
1889: „2)a§ gefamte beutfd^e Königtum greift bis oor Äarl
ben ©roj^en jurüdf; naäfytx mirb e§ burc^ ben Äaiferbegriff
ooUftänbig au^gef d^toff en. ^n Slad^en f anb id^ ein alte§ Sieb :
Urbs Aquensis,
Urbs Regalis,
Regni sedes principalis,
Prima Regum curia —
1) ^olit. meben VI, (S. 255.
— 216 —
olfo föniglid^c Slcfibenj, ba§ voax aber vooi)l cor Äarfe be§
©ro^en SRomfal^rt unb Äaiferlrönung." ^) 9lte eine ber
Domcl^mften Urfad^cn für bie roieberl^olte ®cfä!^rbung ber
nationalen @efd^Ioffen!^eit 2)eutfd^Ianb§ in jener großen 3^it
erfd^eint il^m — er benft augenfd^einlid^ an bie ©ürgerfriege
unter Dtto L — „ba§ überwiegen ber ^arteileibenfd^aft
gegen ba§ allgemeine 9tationalgeffi!^l unb gegen bie Siebe
jum ©efamtoaterlanb, mag man barin nun ®goi§mu§ ober
Unabl^ängigleit feigen." ^n ber ganjen beutfd^en ©efd^id^te,
oon ben rebeEifd^en ^erjögen ber erften Äaiferjeiten bi§ auf
bie unjäl^ligen reid^^unmittelbaren Sanbe^'^erren, 9lei^§=^
ftäbte ufn). ^at, fo fagt er, biefe ©inne^rid^tung il^re ©e-
tätigung gefunben unb bie ©d^roäd^e unb SGBel^rlofigfeit be§
SReid^e^ oerfd^ulbet.^)
2)ie entfd^eibenbe Ärift§ lag au^ nad^ feiner 3tuffaffung
in ber Slegierung ^einrid^§ IV., oon bem er finbet wegen
ber ü)xn burd^ bie Umftänbe aufgenötigten Haltung merbe
er ungered^t !^art beurteilt. 3)enn nad)bem ba§ Sieid^ feit
ben farolingifd^en unb fäd^fifd^en Äaifern unb nod^ unter
^einrid^ HI. in I^öd^fter aJlad^tfüEe bageftanben l^abe, !^abe
bie furje Sdt ber SJlinberjäl^rigfeit biefe§ Äönig^ l^inge-
reid^t, um ben bem beutfd^en ©emüte innemol^nenben jentri-
fugalen (Elementen eine fold^e ©tärfe ju fd^affen, ba§ biefer
Äönig genötigt mürbe, mit einem feiner ©egner gerieben ju
mad^en, um gegen ben anbem freie ^anb ju belommen.
Eigenartig unb nid^t ganj im ©inllang mit ber I^errfd^enben
gefd^id^tli^en SKuffaffung legt er ftc^ bie ©rmägungen iu^
red^t, bie ^einrid^ IV. nad^ ©attoffa filierten. „®r untere
marf fid^ bem ^apfte ate bem bebeutenbften geinbe, nid^t
etroa au^ ^ird^lid^feit, au§ 6^riftlid^!eit — in i^m ftedfte
1) D. fiorenj, ^aifer 9öili)elm :c. ©. 617.
2) ©ebanfen unb (Erinnerungen II, ©. 21.
— 217 —
boä 3ermoni)(f)e ^Jtrianerbtut, unb bie ^rt, roie er \\ä) he:
natjin, nac^bem er nu^ bem Sann getan mar, gibt barübev
roUftänbige SIarI)eit — , abec er itiQt politif^ in bev "SloU
roenbigfett eine bcr %'arteien, ber reii^§feinblicf)en 'Parteien,
bie im ifteif^e il)m gegenüberftanb, ju Merfü^nen. ^ätte er
fic^ gebeult uor ben @ro§en beä SHeic^eä, Dor beu bamaligen
SiUungen ober Söelfen , . . ober ben partifu(ari^fd)en 91ieber=
foc^fen, id) meine bie ptattbcutfdjen allen ©ac^fen, ^üe er
fic^ cor benen gebeugt, bann mürbe ber Slang, ben ber
91ome Sanoffa in ben beutfd)en Sleminisäenjen ^at, oielleic^t
$oräbutg ober SJiainj ober einen anbeten Flamen tragen"
{12. ^uni 1882).!)
aJian fie^t aus biefen ^Darlegungen, butc^ bie ber
5ieic^§fanjter bie ntd)t uon il)m »etfc^ulbete Sflotraenbigfeit
einer Sßerftäubigung mit ber römif^en Kurie erroeifcn rooUte,
bog et in ßeinri^g IV. ©ang nad) Sanoffa — roie ba§
ja auä) ^eute bie ^iftori)d)e Söiffcnfc^aft tut — ni(^t eine
übereilte ^Demütigung be§ Staateä Bor bet Striae erbtirfte,
fonbern tiielmel)r einen SMft politifcf)er Stug^eit, bie oon
jroei Übeln bo^ geringere roü^Ite unb fid) bie SJlöglii^feit
offen ^ictt, ba§ augeublidlid) preisgegebene in einet günfti:
geren 3"fi'"ft nielleii^t jurüdjugeroinnen. Sin biefer 3luf;
faffwng muß auc^ fein ifjm fo unjä^lige Sflate norgeljalteneä
SJort „nad) Kanoffa getjen roir nid)t"-) gcmeffen roerben,
loemi man feinen ©inii richtig erfaffen roiß. 2)ennnoi^
loenbet 33i§marrf iaä Sd)Eagioort Gauoffa gelcgentiid)
au^ in bem Sinne an, in bem bie Dolf^tümlicf)e SiorfteUung
fi^ bie bortigen 5ßotgänge jU beuten pflegt. So fpric^t er
S. S8. oon einem nic^t tleritaten, fonbern liberalen G^anoffo'^),
1) ^Plit SRebtn IX, S. 361, 62.
^ ebb. V, S. 338, XII, e. Ö3, 449. atgl. VIII, S. iJI.
— 218 —
unb erflärt einmal fogar, ein bemüttgcnbereS ©anoffa a\§
ba§, bcm er felbft r)on bem 9leid^§tage in ber ©teuerfrage
au^gefe^t fei, gebe e§ für feinen ^errn, ben Äönig Toon
^reu^en, nid^t: feit 16 ^al^ren muffe fein erfter SDlinifter
bettelnb an ber 2^üre ftel^en unb merbe mit Steinen ftatt
95rot unb mit l^ö^nifd^en ^l^rafen'abgemiefen.^)
2)ie S^it ber fä^fifd^en unb fränlifd^en Äaifer erfd^eint
il^m aud^ infofem al§ bie ber glänjenbften SJiad^tentfaltung
3)eutfd^Ianb§, afe biefe jule^t Ferren in ©d^le^mig^^olftein
gemefen feien.^) 2)en 3tnteil, ben in ber ?5oIge namentlid^
ba§ §au§ ber SBelfen burd^ feine faiferfeinblid^e Haltung
an bem 3wfammenfturä biefer SJlad^t gel^abt !^at, rief ü)xn
begreiflid^ermeife immer Don neuem bie 9loEe in§ @ebäd^tni§
jurüdE, meldte beren 9tad^fommen in ber großen beutfd^en
Ärifi^ TDon 1866 fpielten, mag er aud^ bem legenben^ften
^arteiruf „§ie SBaibüngen, ^ie SBelf!" gelegentlid^ ben
aftueüeren „§ie Sleid^^tag, I^ie Sanbtag!" an bie ©eite
ftellen. ©ö gel^ört ju feiner ^oliti! in ber 93elämpfung ber
SQBelfen feiner Qzit, ba§ er fte gelegentlid^ ate ba§ $au§ ®fte
unb bamit ate eigentlid^ unbeutfd^er 3tbftammung bejeid^net.
S^atfäd^Iid^ leiten bie in 93aqem unb ©ad^fen jur I^erjog^
liefen SBürbe aufgeftiegenen SGBelfen i^re Slblunft ja auc^
^er von bem 1097 Derftorbenen aJlarfgrafen 3tijo Don @fte.
©benfo bejeic^net er ba^ bepoffebierte I^efftfd^e Äurfürftenl^aug
afö ba^ non 93rabant, meil e§ auf ^erjog ^einrid^ L
non 93rabant (geftorben 1235) jurüdgel^t, beffen ©o^
^einrid^ IL ftd^ mit ©opl^ie, ber 2:od^ter be§ Sanbgrafen
Subroig von 2^!^üringen, uermäl^Ite unb burd^ feinen ©o!^n
^einric^ ba^ Äinb nad^ bem 3tu§fterben ber männlid^en Sinie
be!§ S^üringifd^en ^aufe§ ber ©tammcater ber fpäteren
i)^oIit. meben XI, ©.381.
2) t). ^ofd)inger, iUnfprad)en ©. 260.
— 219 —
Äurffirften t)on Reffen würbe. ^) ®inc parallele ju bcm
3ufammettgc]^cn bc§ Q^nixnm§ unb bcr SGBelfen unter aSBinbt^
l^orft al§ i|rem gemeinfamett g^ül^rer finbet ©i^mard bereite
im jTDölften ^al^rl^unbert in bem 95ünbni§ ber römifd^en
Äurie mit ben SBelfen, unter meld^ le^teren er babei aUe§
begriffen feigen miU, mag antigl^ibeUinifd^, ma§ ein ©egner
ber SReid^geinl^eit ou§ meltlid^en ©rünben unb ^artifulari§:=
mvi§ mar. ©o fmb bie 95ejie!^ungen, bie politifd^en ^n^^
timitäten jmifd^en SRom unb ben SBelfen in biefem ermeiterten
©inn für i^n fel^r alte: fte beftanben nad^ feiner 3tuffaffung,
bie im eingelnen freiließ l^iftorifc^ nid^t beftimmt ermei^bar
ift, nor fe^gl^unbert «Salären, al^ ^einrid^ be§ Züvotn "S&tu
gerung jum Qn^ nad^ Italien g^riebric^ I. bie 9iieberlage
burd^ bie Sombarben bei Segnano eintrug unb er infolge:^
beffen mit ^apft Stieyanber EI. in SBenebig gtieben mad^en
mu^te.^) ©egenmart unb SBergangenl^eit DerJniipfen fid^ für
bie l^iftorifc^e 93etrad^tung§meife Si^mardEg !^ier aud^ info::
fern, afö er ber ajleinung ift, ba§ 3ißl i^^^ melfifd^en ^olitif
fei 1866 für ben g^aü eineg ©iege§ über ^reu^en fein anbere§
gemefen afö bie ^erfteEung be§ Sieid^e§ §einric^§ be§ Sömeu
in ber DoUen 3tu§be]^nung be§ nieberfäd^fifd^en Stammet
menigfteng auf ber linfen ©eite ber @lbe (13. g^ebruar 1869).^)
2lud^ bei ber 93efämpfung ber Dppofttion gegen bie
ben bepoffebierten g^ürften bemiüigten ©ntfd^äbigung^nerträge
greift er auf biefe 2)inge jurüdE unb Dermeilt namentlich
bei bem SBerfal^ren griebrid^g I. gegen ^einrid^ ben Sömen.
3)er ^be ben ^erjog jmar ©ad^fen§ entfe^t, aber il^n nid^t
in ©nglanb Derfommen laffen unb jugefe!^en, moDon er
leben mürbe, fonbem i^m feine 3tUobien gelaffen, bie non
feinem 3Sater burd^ ^eirat ermorbenen ©üter ber 9iorb:;
1) ^oIitifd)c mcben IV, @. 125.
2) @bb. X, (5. 292. 3) @bb. IV, @. 138.
— 220 —
I^eimer, ber ©upplinburger unb ber ©iüunger, einen 95eft^,
ber ba§ $au§ ber SBelfen mäd^tig genug lk% um fpäter
in bie SSer^Itniffe mit 9tad^brucf einjugreifen, ba er bie
©ebiete von Süneburg, ©öttingen, ®ruben!^agen unb bie
^arjbiftrifte be§ ledigen ^erjogtum^ ©raunf^meig umfaßte
(1. gebruar 1868).^) SWit um fo größerem ©tolj meift er
barauf l^in, ba§ vermöge ber ©^u^:= unb 2:ru^Derträge mit
ben fübbeutfd^en Staaten, alfo nod^ vox ®rrid^tung be§
9leid^e§, Äönig SBil^elm Don ^reu^en afe ^aupt be§ 9torb^
bunbe^ aud^ in ©fibbeutfd^lanb ein ©tücf faiferlid^er ©emalt
befi^e, mie e§ feit fünfl^unbert Qol^ren feinem beutfd^en
Äaifer jugeftanben l^abe: er ne!^me eine ©teUung ein, wie
einft Äaifer ^Rotbart fte gel^abt l^abe, menn fein ©d^mert
gerabe ftegreid^ mar, nid^t aber Dertrag^mä^ig unb aüge^
mein anerfannt (24. gebruar 1870).^ ©I^emafö \)att^ il^n
au§ biefer Sdt ber beutfd^en 9Sergangen!^eit me!^r ate ba§
mäd^tig maltenbe Äaifertum ber mäd^tige 9leid^§abel mit
feinem glänjenben ©efolge angejogen: au§ feiner Slilte
I^atte er ein Slrgument entnommen gegen bie SDlinberung
ber 9lbeföDorred^te burc^ bie preu^ifd^e SSerfaffung, mie er
aud^ ben SSerfall 9lom§ ^hergeleitet von bem SSerfall feiner
Striftolratie^) unb bie »lüte ber beutf(^en ©täbte im SKittet
alter melfen ftel^t von bem Slugenblide an, mo bie patrijifd^en
©efd^Ied^ter bem 3tnbringen ber Qün^^ unterlagen, burd^
meldte bie ^anbmerfer namentlid^ in SübedE nod^ mäl^renb
be^ aWittelalter^ ju SKad^t gelangten.^) 3tfe »eifpiele für
bie Seiftung^fäl^igfeit Don Slriftofratien fül^rt er im Qn^
fammen^nge bamit SBenebig, ©enua unb ^oüanb an. 2)en
Äeim für bie ^altloftgfeit ber 3wftänbe fämtlid^er Staaten
be§ europäifd^en Ä'ontinent§ finbet er in ber Qzit, mo bie
1) ^olit 9teben III, ©. 420. 2) (§^\^\^, iv, ©. 314, 15.
3) «ßgl. (S. 192. 4) t). ^ofc^ingcr @. 257.
— 221 —
iibeviDiegenbe (VÜvffeninaii)t bcn unabööiigigcn WkI iinter=
btütfte unb, Mjie er ein anbere§ Mal bemetft, mit §ütfe
be§ ©^ießputrerö, neben ber 33ud)bvucferfunft beä Stntt:
(^riffä augertejenen fRüftseugS, bte natürliche poÜtifc^e Crb=
nung ju goU brad)te/) — „eine Sftic^tnng, roelc^e fit^ in
^ßreußen in bem Stuäfpruc^ l^iebri^ 95i[^elm§ I. »erfürperte:
3c^ etabliere bie ©ouDeränifät conime im rocher de bronze"
(24. Dftober 1849).-)
überhaupt intereffiert 93i§mard bie innere ©ntroicElung
be§ alten 3ieic|e§ boc^ eigentlit^ nur infofem, oI§ baburc^
ber @rab feiner ®in[ieit ober fein fortf^reitenber 3frfaö "nb
infolgebeffen feine ii)ed)felnbe (Stellung in bem curopäifdien
©taotenfijftem bebingt mar. ©rflrerfte fit^ bie alte beutftfje
fiaiferf)errfc^aft bes t)eiligen tömifc^en 9ieic^e§ non ber
Slorbfee biä na^ 2tpulien, fo ba| ttieoretifd], roenn aucf)
nit^t immer tatfäi^tid), aud) Stalten baju gehörte, fo be(fte
fie fict) noc^ ber Slnöfonbentng non ©allien^ be§ heutigen
granfreit^, ungefäl)r mit bem 3)reibunbe ber fpäteren ,i3eit,
|o ba^ fic^ 'baä geroaltige ®ebtet oon ganj SÄitteleuropa,
na^bem e§ butc^ Si^idfatgfügungen unb niete Kämpfe ge=
trennt unU jerriffen roar, fc^Iicglic^ raieberum äu|ammen=
gefunben I)at, eine 2:at(act)e, in ber ber Slltreidjatanäler ben
S8eroei§ fieljt für ba§ 5ßort)anbenfein oou imponberabien
aSevbänben unb SSejte^ungen jniifi^en biefen ganjen großen
ßänbermaffen.") SE)ie SEuflöfung biefe§ märf)tigen 9ieii^e§
bet SJiitte, ba§ einft unter ber allen „onfprucI)§DoUen Soifet:
^ertfi^aft ber 9Iac^folger fiarlä be§ ©rogen" befd]loffen
geinefen ift unb ©eutfc^lanb bie größte 3Iu§fic^t ju öffnen
f(^ien, ein einiget Steitft ju bleiben, ift nacl) feiner 3Infiii)t
Dor allem ^erbeigefüfjrt burc^ „einen geroiffen überfdiUB an
1) 9!gl. oben S. tW.
3j 3)e!)u ©. 191.
-) ^olit. SHebcn I, ®. l 4ti, 47.
— 222 —
bem ©cfül^I männlid^er ©clbftdnbigfeit weld^cr in 2)cutfd^:=
lanb ben eittjelnen, bie ©cmeinbe, ben Stamm t)eranla§t
ft^ rm\)x auf bic eigenen Gräfte ju oerlaffen afö auf bie
ber ©efamtl^eit.^) ^n^befonbere mad^t er bafür ben SlbfaQ
ber SBelfen unb ben ©ieg ber Ultramontanen Derantroortlid^.
9Jlit bem Untergang ber ^ol^enftaufen begann für
2)eutfci^Ianb eine fed^^I^unbertjäl^rige Seibenggefd^id^te, in
ber e§ @rfa!^rungen gemad^t ^t, weld^e bie beutfd^en Sle^
gierungen fx6) ebenfo ju ^ergen genommen })abm mie bie
Seigren, bie au§ ben oerfel^Iten ©inigung^oerfud^en ju gtanf^
fürt unb ©rfurt gebogen merben mu^ten.^) ©etrad^tet ^x^^
maxd ba§ oielgefd^oltene Siaubrittertum jur S^it be§ Qnter^
regnum§ aU ba§ augenfäUigfte ©qmptom für bie 3^^^^i^^8
be§ 9leid^e§, fo nimmt er e§ bod^ oorjug^meife in 3tnfprud^
ate eine Solge be§ unglüdlid^en 3tu§gang§, ber bie beutfd^e
©efd^id^te im SDlittetalter erfüUenben Äämpfe jmifd^en Äaifem
unb köpften. 2)iefe, „älter al§ bie ©rfd^etnung unfere§
@rlöfer§ in biefer SBelt" unb bereite entbrannt in bem Äon^
flifte jmifd^en 2lgamemnon unb Äald^i§ in 2luli§,^) fanben
il^ren 9lbfd^Iu§ erft, al§ ber le^te SSertreter be§ erlauchten
fd^mäbifd^en Äaiferftamme§ auf bem ©d^affot ftarb unter
bem 93eil eine§ mit bem ^apfte oerbünbeten fraujöfifd^en
gröberer^ (10. ^ä^ 1873).^) Qft »i^marde aud^ unbe^
fangen genug, bei einer Beratung be§ @trafgefepud^e§ für
ben 9lorbbeutfc^en 95unb, mo namentlid^ bie 2:obe§firafe
für gürftenmorb ber ©egenftanb "heftiger ^ehatttn mürbe, ^)
bem ^faljgrafen Dtto oon SEBitteßbad^, unter beffen ©d^mert
am 21. ^uni 1208 ber gute Äönig ^^ilipp oon ©c^maben
jum aSerberben be§ Sieid^§ fein Seben gelaffen ^at, fel^r
1) ^oltt. meben III, @. 163, 64. 2) (§^^i^^ ni, ©. 164, 193.
3) «gl ©. 187. 4) ^olit. mebcn V, @. 384.
5) S89I. <B. 148.
— 223 —
Diele SDlilberungggrünbe juäuerfennen,^) fo I^ielt er bod^
anbcrcrfeitö bie feiner realpolitifd^en 3tuffaffung ber beutfd^en
©efd^id^te entfpred^ettbe aSorfteüung feft, ber ganjen ©ouDeräni^
tat ber beutfd^en dürften fe!^Ie, ftrettg genommen, jebe
red^tlid^e unb moralifd^e ©runbtage, ba fte auf bem SBege
ber ©roberung gegen Äaifer unb SRei^ entftanben fei.^)
2)en gleid^en ©tanbpunJt nimmt er aud^ ber ©efd^id^te
ber ^Reformation gegenüber ein. ^})xz fird^lid^e Seite l^at
für xf)n fein befonbere§ ^ntereffe, unb bie in il^r mirffamen
politifd^en, gefeUfd^aftlid^en unb mirtfd^aftlid^en SJlomente
fd^eint er nid^t !^od^ angefd^Iagen ju l^aben. 93ejeid^nenb
bafür ift e^, ba§ er bie Sieformierten wenn nid^t gerabe
für Sieaftionäre, fo bod^ für Keine S^qrannen erJIärt unb
unter ^inmei^ auf ©afoin, ©emet unb Sutl^er meint, jeber
^aftor l^abe ein Heiner ^apft fein moUen.^) Slud^ l^egt er
bie aSorftellung, felbft in ben großen ©jjeffen be§ SBauem^
friege^, mo bie ooUe ^errfd^aft ber gewalttätigen unb un^
gebilbeten SBegel^rlid^feit jum 3)urd^brud^ fam, fei ba§ ©igen^
tum ber Siitter unangegriffen geblieben (9. DJtober 1878).^)
aJlit Äarl V. f^mpatl^iftert er, meil unter il^m 3)eutfd^Ianb
fid^ eine§ @rabe§ politifd^er @in!^eit unb einer 3tutorität in
ber Diplomatie erfreut ^be, mie feit ben ^ol^enftaufen in
feiner ^eriobe feiner ®efc^id^te.°) Um fo I^öl^er red^net er
bem ^ab^burger bie SJlilbe an, bie er nad^ ber ©d^Iad^t
bei 3Jlü!^Iberg gegen ^urfürft Qo^nn griebrid^ oon ©ad^fen
bemieg, inbem er i^m bie ©ebiete ber fpäteren l^erjogüd^
fäd^fifd^en Käufer Iie§, ba§ burd^ feinen Slbfall oermirfte
Äurfürftentum alfo um biefe mertooEen Sanbfd^aften Der-
fürjte. 3m ©egenfa^ baju gebenft er au^ 3tnla§ be§ be^
1) ^olit. meben IV, ©. 379. 2) t,. ^eubeU @. 330.
3) «ufd), Sta9cbud)blätter I, ©. 78. 4) ^olit. iReben VII, @. 277.
5) (Bbt>. l, @. 128.
— 224 —
reitroiEigen 2lnfc^Iuffe§ von aJicdlenburg an ^reu^en 1866
ber ^etjöge älbolf grtebrid^ von ©d^roerin unb ^ol^ann
3tlbrcd^t von ©üftrott), bic x\)x^n 93unb mit Äönig @!^rtftian IV.
von 3)äncmarf mit ber Sleid^^a^t unb ber SSerjagung t)on
Sanb unb Scutcn bü^en, bic Äaifcr g^erbinanb n. bem ^erjog
von gtieblanb ate 9lcid^§le!^en t)erlic!^.^) 2lu§ jener traurigen
3eit erwäl^nt er ferner bie 2:eilung be§ Sieid^§tage§ bei ber
^Beratung bie Sleligion betreffenber 2lngelegen!^eiten burc^
bie itio in partes^) unb bie ©ilbung eine§ befonberen
corpus Evangelicorum.^) @ine ber SGBirfungen be§ 2)rei§ig::
jäl^rigen Äriege§, burd^ ben 2)eutfci^Ianb mel^r al§ irgenb
eine anbere Station jurüdgeroorfen ift, fielet er barin, ba§
e§ in feiner roirtfd^aftlid^en unb geiftigen Kultur namentlid)
weit I^inter ©nglanb jurüdblieb.^)
93eftritt 93i§mar(f mit gutem ©runb bie 93e^uptung,
in ben 3^iten ber SReaftion unb be§ Äonflifte^ l^ätten allein
bie aJiänner auf ber liberalen Seite unb jmar im SBiber^
fprud^ mit ben 2)t)naftien ben beutfd^en ©ebanfen lebenbig
erhalten, unb fe^te er beren oermeintlid^en, jebenfalfö un^
gefäl^rlid^en ©ro^taten mit geredeten ©tolje entgegen, n)a§
er felbft bafür gemagt, ate er 1862 bem Stufe feinet Äönig^
folgte unb auf einem fd^einbar verlorenen Soften au^l^arrte,
tro^ be§ üblen ©d^irffate — „e§ gingen bie Sieben^arten
oon ©trafforb unb ^olignac" — ^) ba§ feiner im g^aU be§
9Jli§lingen§ wartete, fo ift er bod^ unbefangen genug, an:=
juerfennen, ba§ anbere für ben nationalen ©ebanfen voixh
1x6) gelitten I^öben: „aJlan brandet nur an bie 93urfd^enfd^aft
ju beulen", oon ber er fpäter fagte, fte I^abe „eine aSoral^nung
1) ^olit. meben IV, @. 224.
2) @bb. X, ©. 32. fSQl V. ^ofc^inger, 2lnfprad)en 8. 70.
3) @bb. X, @. 291. 4) @bb. XI, ©. 137.
5) «ßgl. (5. 195.
— 2-25 —
gehabt, bod) 5u früt)"^) unb an einige, bic in irvtitmlid)ei;
Stuffoffung ber aJiittel, wei! i^nen ba§ SJerftünbniä für bie
VoMfctje Situation fel)Ite, anftatt ju |"ucl)en eine t)inrei^enbe
airmee in $ieutfcl)Ianb j" fdjaFf^n, hk\sS ^Büttel in i^rer
f^töadjeii 3auft unb auf ber öarrifabe fugten {14, Quni
1882).-) 3(n roeli^e ©nltung begeifterter Seutc et babei
badjte, ergibt fic^ au§ einer anbeten gelegentlidien Sußening,
reo er alä folc^e ©unb, ©topä, Dätar 33e(fet unb Süiib,
bein er fogar eine „SRömerfeele" nat^rfi^mte, augbrütflic^
nennt.")
SJnliitlid) nimmt in ben tjiftorifc^en SRürfbtirfen unb
ben boran ge!nüpften politifc^cn S9etrad)tungen 33igmQVcfg
bie ®ef(^i^te ^reu^enä einen be(onbersi breiten unb öen)or=
ragenben ^lats ein. ®a^ er fid) aber mit bcm einen ober
bem anbeten aud) nur ber loidjtigften 3lbfrf)mtte anbetS
al§ bui^ gelegenttidte Seftüre, bie roeber (ilanmäfeig au§:
gen]ät)lt no^ fijftematijdj betrieben rontbe, einge^enbet be-
fi^iSftigt Ijfltte, roirb Ijier ebenfaltä mcf)t ev!ennbar. 3(uc^
nennt er oon ben epod)emQd)enben 95erten über preu^ifc^e
@efrf)i(^te, bie in feinet ^^it erfc^iencn, fein3 on§btücf(i(^
q[§ i^m betannf ober gor »on it)m benn^t, 91ur einmal
etioü^nt et ein ^iftorifd)e§ jffierf berart qI§ i^m burd) eigene
l^ettüre befannt. 3Iu§ SßerfaiQeä f(^reibt et am 21. 5ianuar
1871 ber ©attin: „Sc^err gelefen, ift bud) ein »erlogener
©eifetfnff".*) @ä ^anbelt fi{^ angenfc^einlid) um bie 18ö8
bi§ 1870 erfdjienene „Äomöbie ber ffieltgef^ic^tc" (2. 9(uf=
[Qge 1872). {^m atigemeinen teilten feine pofitiucn Kennt-
nifje ni^t ^innu§ über bie aOerbing^ gute ©runbloge, bie
■^ ^olit. SHeben IX. S. 422. ^ sgiifd) Sagcbu^blSttct ®. 141.
*) Siämatclä »riefe qh feine ©atlin quo bem Srieg 1S7Ü bi3
1871 S. 79.
— 226 —
er ftd^ ban! einem guten Unterri^t auf ber ©d^ule ju eigen
gemad^t \)attt unb wie e§ befonbere Slntäffe unb ba§ burd^
fte erroerfte befonbere Qntereff e mit fid^ brad^ten, fojufagen nad^
93ebarf balb in biefer, bdb in jener Slid^tung ergänzte unb
ausbaute. 3)a!^er liegt au^ l^ier ber Sieij, ben bie Sluf-
berfung unb SSerfoIgung feinet ®eban!engange§ barbietet
Domel^mlid^ barin, ju feigen, mie er bie ©ireigniffe unb Qu^
ftänbe ber SBer gangen!^ eit mit ben Strömungen unb 3tuf^
gaben feiner Qtxt in SSerbinbung fe^t, bie einen an ben
anbem mi^t ober erJIärt unb fo feinem ftarfen realpolitifd^en
SBoUen unb können bienftbar mad^t. Si^mard })at nid^t
JU ben ©taat^männem gel^ört, bie au§ ber ©efd^id^te nid^t§
gelernt. !^aben, üielme'^r ging er aud^ bei feinen ©yfürfen
in bie preu^ifd^e ©efd^ic^te mit ber oon x\)m angemanbten,
gemiff ermaßen fomparatinen SJletl^obe gerabeju barauf au§,
^reu^en oor bem ©d^idEfal Cfterreid^^ ju bemal^ren. ©al^
er bod^ beffen 95er!^ängni§ in bem gemol^nl^eit^mä^igen SSer^
fäumen ber ftd^ bietenben günftigen ©elegenl^eiten, ba§ er
bem unl^eifooüen @influ§ ber 93eid^tt)äter auf bie ©taat§=
leitung jufd^rieb. 2)abei mad^t ftd^ aud^ !^ier feine ftarf
ausgeprägte :3nbit)ibualität geltenb in bem 9iad^brurf, ben
er auf bie l^iftorifd^e SGBirfung gemiffer perfönlid^er ©e^
jiel^ungen legt. @o fielet er eine fpejififd^ reid^Sbeutfd^e
©igentümlid^feit in bem SBorroiegen ber bqnaftifd^en Sln'^äng^
lid^feit unb in ber Unentbe^rlid^feit einer 3)gnaftie für ba§
3ufammen!^alten eines beftimmten ©rud^teilS ber Station
unter bem 5Ramen einer fold^en, mäl^renb bod^ bie befonberen
^Rationalitäten, bie ftc^ auf ber 93afiS beS bqnaftif^en ga^^
milienbefi^eS in 3)eutfc^lanb gebitbet l^aben, in ben meiften
gälten l^eterogene 93eftanbteile in fid^ begreifen, bereu Qn^
fammengel^örigfeit meber auf ber @leid^!^eit be§ ©tamme§,
nod^ auf ber ©leid^^eit ber gefc^id^tlid^en ©ntmidflung berul^t
— 227 —
fottbcm au^fd^Iie^Iid^ auf bcr ^^atfad^e ber in Dtcten g^äCen
anfcd^tbaren ©rraerbung burd^ ein 3^ürften!^au§ na6) bem
Siedet be§ ©tärfercn ober bc§ crbred^tlid^cn 3tnfall§ Demtöge
ber 3Sem)anbtfd^aft, ber ©rboerbrübcrung ober ber bei SGBal^t
fapitulationen oon bem Jaiferlid^en §ofe erlangten 3tnn)arfc
fc^aft. ^n biefem Quqz be§ beutf(^en SBefen^ erblirft er
ein für bie nationale Sntroidlung 2)eutf(^tanb^ fel^r voiä)-^
tige§ aJloment, mit bem bauemb gered^net werben muffe,
©ein angeborener partifulariftifd^er 2^rieb lä^t ben 2)eut=
fd^en fid^ in einem großen 95erbanbe, einem ftarlen ©angen
nur bann red^t mol^l füllen, menn biefe§ i^m ba§ 93e;^agen
in bem eigenen Greife nid^t ftört, in bem er ftd^ junäd^ft
I^äu^Iid^ einrid^tet. ©o ift er einerfeit^ eine ©runblage ber
©c^mä^e, anbererfeit^ ber 93lüte 3)eutfd^lanb§, meld^e^ bem
!^ier entfpringenben Sleid^tum an Keinen 3JlitteIpunften eine
S3itbung unb einen SGBo^tftanb ber einjelnen Steile t)erban!t,
mie er in jentraliftifd^ organifterten ©taaten feiten ift, mo
bie ^rooinjen gegen ba^ allgemeine ^^^ti^wi um ^al^r^^
l^unberte im JRüdfftanb bleiben.^) 2lud^ in ber ©efd^id^te
^reu§en§ !^at, fo fül^rt er au^, biefer beutfd^e 2:rieb nad^
©onberung in engeren aSerbänben, ber in ben 3)gnaftien
ben ^un!t fanb, mo er feine ÄriftaEe anfe^te, eine bebeu:^
tenbe $Rolle gefpielt. @r ftellt bie turbranbenburgifc^e
Sgnaftie in biefer ^infid^t in eine Sinie mit ber bagerifd^en,
melfifd^en unb anberen. ©agt er bod^ gerabeju: „^d^ -mürbe
gegen ba§ branbenburgifd^e ^ürftenl^au^ feine SGBaffen gel^abt
!^aben, menn id^ i^m gegenüber mein beutfd^ei^ 5Rational^
gefül^l burd^ 93rud^ unb 2lufle!^nung !^ätte betätigen muffen;
bie gefd^id^tlid^e ^räbeftination lag aber fo, ba§ meine l^öfi^
fd^en S^alente ^inreid^ten um ben Äönig unb bamit fd^lie^lid^
^olitifc^c mebcn IV. ©. 188, 189.
15*
— 228 —
fein ^eer ber beutfd^en ©a^e ju gewinnen, ^ä) l^abe
gegen ben preu^tfd^en ^artifulari^mu^ Dielleid^t nod^ fd^rote^
tigere kämpfe burd^pfül^ren ge^bt atö gegen ben ber
übrigen beutfd^en Staaten unb S)qnaftien, unb mein ange=
borene§ SBerl^ältni^ ju Äaifer SQBitl^elm I. l^at mir biefe
kämpfe erfd^roert".^)
3)ie ftarJe ©etönung be^ lanbfci^aftlid^en ©I^arafter^,
raeld^er ber beutfd^en ©efd^id^te infolgebeffen eigen ift,
beeinflußt aud^ 93i^mardf^ 3luffaffung ber preußifd^en @z^
fd^ic^te. gür il^n ift unb bleibt bie 3J?arf ber Äem ber
aJlonard^ie.^) @o ftarf fein preu§ifd^e§ unb fein beutfd^e^
©effil^I ift, e§ rourjelt bod^ in ber befonberen Siebe, bie
il^n junäc^ft eng an feine märtifd^^äd^fifd^^ ^eimat feffelt.
,,^6) bin in ber ^rouins ©ad^fen geboren", riü^mt er ftd^
bei ber Überreid^ung be§ ©l^renbürgerbriefe^ wn 3Jlagbe:j
burg,^) „unb bin mit ©tbmaffer getauft. 3Jleine SBorfal^ren
fmb felbft 3J?agbeburger gemefen, fte ^ben eine Äurie in
ajlagbeburg befeffen." 2lt§ 3Jtärfer erinnert er ftd^ aud^
gern be^ SBol^ImoUen^, ba^ bie baqrifd^e 2)gnaftie p ber
3eit, mo fie bort regierte, mäl^renb mel^r ate einer ©ene^:
ration feinen SBorfal^ren betätigt !^abe. Slud^ !^at er belannt^
lid^ nid^t üerfäumt, al^ e^ fi^ um bie entfd^eibenbe 3lnre5
gung jur ©rrid^tung be^ beutfd^en Äaifertum§ I^anbelte,
biefei^ l^iftorifd^e SJioment gegenüber einem 3J?onard^en oon
ber ftarf bqnaftifc^en 3)enfn)eife ^önig Submigg n. von Sägern
in ebenfo feiner mie mirtfamer SBeife geltenb ju mad^en.^)
2lber feine felbfttofe aSafallentreue gegen ba^ angeftammte
^au^ ber ^ol^enjollem unb bie begeifterte Eingabe an
feinen geliebten Äönig mad^en i^n bod^ nid^t blinb gegen
1) ©ebanicn unb (Erinnerungen I. (S. 293 hx§ 295.
2) V. ¥ofd)tnöer, 5lnfprad)en ©. 34. 3) ®bb. @. 35.
^) ©ebanlen unb (Srinncrungen II, @. 118.
— 229 —
geroiffc g^cl^lcr, bic aud^ naä) feiner l^iftorifd^en Kenntnis
im ©efd^ted^t ber ^ol^enjoUem erblid^ ju fein fd^einen, in§5
befonbere bie Unbanfbarleit gegen geteiftete Sienfte, von
ber ja felbft ^einrid^ von 2:reitf d^f e ^) nur g^riebrid^ ben
©ro^en — unb jroar biefen mit Unred^t^) — unb ^aifer
SBill^etm freifpred^en ju fönnen meint, ©etegentlid^ fteUt
er fogar bie ^ol^ensoüem in biefer ^inftd^t ben ^ab§-
bürgern fd^arf gegenüber: „3)ie ^ab^burger/' fagt er, „maren
bantbdr für geleiftete 2)ienfte unb befd^enlten i^re Seute
reid^Iid^. 93ei un^ mar ba§ anber^. S)a mad^te man fie
Hein, ba na!^m man bem, ber gro^e ©üter befa§, ma§ er
l^atte".^ @r badete xooi)l an ba^ ©d^idtfal eine§ @ber!^arb
Don S)anfetmann. ^at er feine ©eobad^tungen bod^ nad^-
!^er innerl^alb ber burd^ bie gegebenen neuen SBerl^ältniffe
Dorgefd^riebenen ©renken an fid^ fetbft atö jutreffenb er^
fal^ren muffen.
2)ie ©elbftänbigfeit feinet l^iftorifd^en Urteil gegen^
über ben in ber tanbläufigen ©c^ultrabition I^errfd^enben
aSorfteßungen bemeift er übrigen^ aud^, menn er, gilt ü)m
aud^ bie 3Jlarf ate ber eigentlid^e Äern ber 3J?onard^ie,
bod^ aud^ bie 93ebeutung !^ö!^er anfd^Iägt, ate fonft im aU^
gemeinen üblid^ ift, bie ba§ el^emalige Drben^Ianb, ba§
nad^matige ^erjogtum unb fpdtere Äönigreid^ ^reu^en im
engeren ©inn, für bie SntmidEIung be§ ®efamtftaate§ ju
beanfprud^en ^at, ber naä) il^m benannt ift. 93efonber§ im
Äampf gegen ba§ ^olentum fommt er mieberl^ott auf bie
ältere ©efd^id^te biefe^ Sanbe^teite jurürf, Id^t aber begreife
lic^ermeife gerabe auf biefem jiemlid^ entlegenen ©ebiet bie
©id^erl^eit ber ^enntniffe t)ermiffen, beren e§ ju red^t fd^la-
1) S)eutfd)c ®efd^id)tc V, @. 385.
2) ^ru^, ^reu^tfd)e @efd^id)te III, @. 109.
3) «ufd), ^agcbud^blclttet n, @. 44.
— 230 —
genber SGßibcrIegung ber polnifd&en unb ber latl^olifd^en
3lnfprfi(hc gerabe !^ier beburft I^ätte. ^n ber Slntoort auf
eine l^ulbigettbe Slnfprad^e Don ben SBerool^nem ber ^roDinj
SBeftpreu^en begeid^net er (23. September 1894) i) ^reu^en,
von bem bie ^olen ben ©lauben Derbreiten, e§ fei einft
ganj Don t^nen beDöIfert unb ein 2:eil i^re§ SReid^e§ geraefen
unb nur burd^ ba^ „mörberif^e ©d^roert be§ beutfd^en
Drben§" l^ingeopfert unb Dernid^tet roorben, t)ielme!^r afe
ben §ort beutfd^er Kultur unb fpejieU SGBeftpreu^en am
redeten SGBeid^felufer nimmt er babei in Slnfprud^ afe ein
beutfd^eg Sanb, ba§ bie ^olen bei ber ©roberung t)ermüftet
unb eigentlid^ me!^r burd^ ©elb afö SQBaffengemalt gewonnen
l^atten, ba fie ben aufrül^rerifd^en ©ölbnern be§ Drben^ bie
9Äarienburg abkauften, bie ©tabt aJlarienburg aber er:=
ftürmten unb ben tapferen 93ürgermeifter 93Iume für bie
2:reue gegen feinen red^tmä^igen ^erm unter bem 93eit be§
^enfer§ bilden liefen. @r mad^t geltenb, mie bie ^olen
aud^ fpäter nod^ in il)ren Kriegen mit ©darneben ba§ Sanb
öftlid^ t)on ber SQBeid^fel unbarml)eriig üermüfteten unb auf
ben ©ranbftätten 9tationaIpoIen au^fe^ten, $eerforp§, Slegi^
menter mit Offizieren unb aJlannfd^aften. 5Rid^t ganj Kar
fmb x\)m bagegen bie 9lnfänge ber ^errfd^aft be§ beutfd^en
Drben§ in ^reu^en, menn er meint, ^erjog Äonrab t)on
9Wafot)ien ^abe ben Slittern, al§ er fte gegen bie I^eibnifd^en
^^reu^en ju ^ilfe rief, einen Keinen bamafe polnifd^en
Jianbe^teil, ba^ 2)obriner Sanb, ju eigen gegeben.^) aSiel-
mel^r mar bie 93urg 2)obrin innerl^alb be^ ®ebiete§, ba§
ber ^erjog vor ber Drben^berufung bem um bie aJliffton
unter ben ^reu§en nerbienten 93ifd^of S^riftian v^tlx^^^n
^tte, ber ©i^ eine§ 5Ritterorben§, ben ©l^riftian nad^ bem
1) V. ^ofd)möer, 3Infprad)cn @. 42, 43.
2) ^olttif^c mcben III, @. 204.
— 231 —
SBörbilb be§ fiDlänbifd^en ©d^roertbrüberorben^ jur 93etämp::
fung ber Reiben errid^tete, ber aber balb barnad^ bereu
übermad^t erlag. ®er beutfd^e Drben bagegen erl^ielt ju?
näd^ft nur einen S^eil be§ Äulmer Sanbe^ jugleid^ mit ber
3lnn)artfd^aft auf bie ©ebiete, bie er uon bort au§ weiter
erobern würbe, ©inroenbungen tiefen fid^ aud^ eriieben
gegen bie ©arfteßung, bie Si^mardf gelegentlid^ oon ber
dnoerbung be§ linf§ oon ber SCBeid^fel gelegenen 2:eile§
t)on SCBeftpreu^en, ^ommereQen^, burd^ ben beutfd^en Drben
gibt, inbem er fte burd^ bie „red^tmä^igften JBerträge" gefd^e^
l^en fein lä^t.^) ®enn ba§ tann man l^öd^ften^ oon bem
fd^lie^Ud^en 3Iu§gang ber SSermidElung gelten laffen, bie
fid^ burd^ eine ganje SReil^e oon <9a]^ren l^ingog, mäl^renb
in il^ren früiieren ©tabien ba§ rudtftd^t^Iofe aJlad^tftreben
be§ Drben§ ftd^ in feiner geroalttätigen ^olitit offenbarte.
SBenn 93i§mard ben Sßerluft SCBeftpreu^en^ an ^olen, ba§
ftd^ be§ Sanbe§ felbft nad^ bem ©ieg Ui S^annenberg 1410
ni^t l^atte bemäd^tigen fönnen, ber „bamaligen preu^ifd^en
gortfd^ritt^partei", ben ©täbten unb Sanbftänben, fd^ulb
gibt, bie ftc^ mit bem fianbe^feinb in JBerbinbung festen, 2)
fo begegnet er fic^ barin im roefentttd^en mit ber 2luffaffung
§einric^ oon S^reitfd^fei^, ber jene für ganj 2)eutfc^lanb fo
oeri)ängni§ooUe territoriale ©inbu^e mel^r ate bem SSerfaQ
be§ DrbenS bem 3Ibfatt feiner oerbtenbeten Untertanen ju^
fd^reibt.^) 3lu§ ber troftlofen Qeit, bie bem unglüdlid^en
ä^age oon S^annenberg folgte, fennt er, burd^ mieberl^olten
2luf entiialt in ber ^rooinj auc^ mit ben bort l^errfd^enben
fiofaltrabitionen befannt, ben „Stu^rieg", mo „bie ftreiten=
ben Parteien ftd^ gang in bem großen SBBalbe oerloren, ber
1) ^olütf^e meben III, @. 205.
2) (^ht). III, @. 205.
3) §. t). ^rettf^fe, ^iftorif^e unb politif^e ^luffd^e, @. 82 ff.
— 232 —
ftd^ Don 93üton) hxS tief nad^ ^oten l^inetn erftredt".^)
SBirfungSDoH i)ebt er jum 93en)ei§ für bie 93unbe§genoffen=
fcä^aft be§ ^oIentum§ mit ber tatl^oUfc^en SReaftion gelegent^
lic^ einen anbeten ^unft an^ ber „©pegialgefd^id^te von
SBeftpreu^en" l^eroor, ba§ fogenannte 2:^omer 93Iutbab
pom 7. ©ejember 1724, „wo bie polnifd^en ^errfd^er e§
ben S)eutfd^en mit blutiger ©d^rift bemiefen l^aben, mie
fte nationale ©onberbeftrebungen ju be^nbeln entfd^Ioffen
maren".^) S)amal§ mürben nämlid^ megen Unrul^en ber
proteftantifd^en 93epölferung S^l^om^ auf 93efe]^I ber polni^
fc^en ^Regierung ber 93ürgermeifter ^ol^ann ©ottfrieb SRö^ner
unb neun 93ürger l^ingerid^tet.
2Iu§ ber älteren preu^ifd^en ©efd^id^te interefftert 33i§=
marf natürlid^ befonber^ bie 2lu§bilbung ber ©runblagen, bie
ben ©taut ber ^ol^eujoQern fpäter Domeiimlid^ tragen foQten.
Slud^ babei tritt ba§ einfüge Drben§Ianb unb ^erjogtum bebeut-
fam ]^ert)or, infofem auf ber bort geroonnenen ©ouoerdnität
bie fpätere Oro^mad^ti^fteHung junäc^ft berul^te. 2Iud^ nad^
93i§mardf§ 2luffaffung l^at ben ©runb bagu ber ©ro^e ^ur-
fürft auf bem ©d^Iad^tfelbe an ber 93rüdfe bei SBarfd^au
(28 bi§ 30. Öuli 1656) gelegt.^) ©o ^oc^ er bie «erbienfte
anfd^Iägt bie ftd^ ber preu^ifd^e 3Ibet, ber oon jenem erften
Kampfe bi§ unter bie aJlauern oon Staftatt auf aßen ©d^Iad^t:^
felbem bie SCBurjeln preu^ifd^cr g^reil^eit reid^lid^ mit feinem
93Iut getränft l^abe, anfd^tägt im ^inblidf namcntli^ auf
feine 3Iufopferung in bem ßampf um ^reu^en^ S)afein
mätjrenb be^ ©iebenjäl^rigen ^riege§, fo finbet er e§ bod^ nur
redt)t unb bißig, ba^ ber ©ro^e ßurfürft bei ben Straftaten oon
fiabiau (10. 9looember 1656) unb SBe^Iau (9. ©eptember 1657)
nid^t erft moju er nad^ bem Sanbe^braud^ oerpflid^tet get=
i)löüf^, STagebu^blätter @. 147. 2) ^olitifd^e SHeben, V, @. 14.
^ ^oUtifdie «Reben I, @. 151.
roefen roöte, bie StÖnbe be§ ^lersogtumä berufen uub iftre
^uftimmung ju ben getroffeiten Söerehifiarungen eingeholt
^at: Qiic^ bcr gcgeiiroärtisen SRegiening fei c§ im S)range
ber (Sreigniffe ni^t möglid) geroefett ben Sanbtag ju berufen
unb reeponsa pnidentum über (5c^IeäiDig:;.^pIftein ju er=
bitten (8. gebtuar 1866). i) Sfnbererfeitä mißt et ber
S(i)Ia(|t bei (ve^rbetlin befonbere 33ebentung bei, roeil fie
bie beutfc^e Unabf)äitgtgfeit Ijetbeiäufü^ren geI)oIfen ^abe,
roenn auc^ nii^t uollftäubig, fo boc^ uorberettenb (18. ,3uni
1893). "^j Sefonberä I)0(^ fd)lägt er bie Moniolen 93Erfu(^e
bei ©roßen fiiirfütften an. „S!Bir ^ben fc^on einmal," fogt
er in ber Solonialbebatte com 10. Januar 1885, in ber
et ben Sfiongel nn dnt^ufiagmuä für bie non i^m eingeleitete
Äolonialpotitif bei ben ®eutfcE)cn beflagt, ") „an ber flfritani=
fct)en ii'iifte jur tutbranbenbwrgifi^en ^^ieit 91nfiebclungen
ge^bt — in ber ^^it ber ©amafc^en unb ^erücCen finb
fie aufgegeben unb oetfouft roorben."
ä>on ben iireußifdien i?önigen fc^Q^t er ^ricbrid) 3BiI=
I)e[m I. nuntentlid) wegen feine§ ^ault)älterifcf)en ©^ftemä
unb fjötte nit^tä bagegcn, rocnn nuc^ noct) l)eutigcntage§
befonbetä in bcjug auf Staatäbautcn botnad) getjanbclt
unb unnötiger £ujuä uermiebcn roütbe {14. Quni 1882).*)
©einen ^eifnlt Rnbct aurf) bal fjanbeläpolitifdjc Sijftem
biefeg „großen ^auluaterä feinesi ßanbel" : bie mit ber
altpreu^ifc^en ^^ioHgefctiidite nid)t betannten 9ieiiJ|tng§abge=
orbnetcn erinnert er barnn, roie viel biefem Könige cbcnfo
mie feinem großen ©o^n baran gelegen tjabe, „reid)e fieute
in§ Sanb i\x jie^en, im Sanbe ä" erhalten, reidje Seute jn
madjen" (13. 3Jlärj 188ö}.') Um bie @efal)ren ju oeran:
1) ^Dlitifc^e suchen III, ®. 21, 22.
^ 0. ^Df^iiißer, Mnfprac^ett, S. 269. 3) ^^^oi^t. mebm X, @. 396.
*) *&bi. X, S. 397. 5) ebb. SI, S. 80.
— 234 —
fdiaulid^en, roetd^e eine aHju gro^e 93erebfam!eit ber görbe-
rung ber redeten @rfennttti§ bei ben ^örem gelegentUd^
bereiten fann, beruft er f\ä) (29. 2IpriI 1881) auf bie
befannte Slnefbote Don bemfelben ^önig, „ber gwei 3IbD0'
faten l^intereinanber l^örte unb l^inter jeber 2Iu§fü]^rung
aufrief: ber ^erl \)at red^t! unb bann fo in 3ötn geriet
gegen bie SCBirfung ber 93erebfamfeit ba^ nad^ ber bamali-
gen ntonard^ifd^en SBerfaffung beibe Stebner vermöge ber
Übertreibung il^rer @abe, ju überjeugen, in fel^r üble Sage
gefontmen fmb".^) 2)ent ©rafen 3Inbraffi) gegenüber fpielt
er in einem 93riefe (18. S)ejember 1879) auf bie Untere
fd^rift an, bie g^riebrid^ SCßitl^elm I. unter bie Ölbilber fe^te,
mit bereu 2lnfertigung er fid^ bie dou ©ic^lfd^merjen geftör:=
ten ©tunben ju fürjen liebte: „In tormentis pinxi".^)
Öfter fetjren 93i§mard§ ©ebanfen ju ber ©efd^id^te be§
großen ßönig§ jurüdf. ©inb, wie er ftd^ einmal au§brüdft,
bie Könige Don ^^reu^en niemals porjug^roeife Könige ber
Steid^en geroefen/) fo wirb in feinen ^[ugen bod^ gerabe
g^riebridt) U. ganj befonber^ burd^ ba§ SBort ^araf?
terifiert, ba§ er fd^on ate ^ronpriuj fagte: „Quand je serai
roi, je serai un roi des gueux", momit er fid^ ben ©c^u^
ber 3Irmut vorgenommen t)abe, ein Programm, nad^ bem
bie preu^ifd^en Könige aurf) in ber g^olgejeit gel^anbelt l^aben,
ba an il^rem 2:]^ron immer ba^jenige fieiben 3wflud^t unb
©el^ör gefunben, „meld^e^ entftanb in Sagen, mo ba§ ge^
fd^riebene @efe^ in SBiberfprud^ geriet mit bem natürlid^en
aJlenfd^enred^t". Snm 93elege fül^rt er an bie ©mangipation
ber Seibeigenen, bie ©d^affung eine§ blü^enben 93auemftanbe§
unb ba§ frü^e betätigte ©treben nad^ SSerbefferung ber Sage
1) @bb. IX, ©. 57. 2) $8i§ttiarde^3^a^rbu^ I, @. 126.
3) fSi^maxd^ gepgelte SBorte.
— 235 —
ber 9lrbeiter (15. geBruar 1865). ^) @r fielet barin nur bie
natürlid^e ^onfequenj be§ Don bem großen ^önig profIa=
nticrten @runbfa^c§, ba§ er ber erfte Wiener be§ ©taateS
fein rooHe.''^) 2lnbererfeit§ ift e§ bie auswärtige ^olitif
gtiebrid^S, in ber er Dielfad^ parallelen ju ben ^txt)&\U
niffen feiner ß^it finbet. @r befennt, nacä^ bem gerieben Don
1871 bie Sage fo beforglid^ gefunben ju l^aben, ba§ er
barauf gefaxt geroefen fei, nad^ bem erften franjöfifd^en
^rieg fofort einen jroeiten fütjren ju muffen, mie griebrid^
nac^ bem erften fd^lefifd^en ßrieg einen jroeiten filieren mu^te
(26. ^uni 1884).'^) 2tuc^ ^ält er e§ nid)t für auSgefc^loffen,
ba§ bie SBorfel^ung i^rerfeitö e§ für nü^lid^ finben fönne,
„ben beutfd^en Patriotismus nod^ einem geuer europäifd^er
Koalitionen größerer benad^barter anti^beutfd^er Stationen,
nod^ einem l^ärtenben unb einem läutemben geuer auSju^
fe^en", S)eutf^lanb alfo in bie Sage gebradt)t werbe, ebenfo
mie griebrid^ ber ©ro^e nad^ bem erften unb gmeiten
fd^lefifd^en Krieg fid^ nod^ gegen ©taatenfoalitionen ju oer^
teibigen (28. «Januar 1886).^) S)enn er beforgt, bie Kaunitsfd^e
^olitif fönne unter Umftänben roieber aufleben (14. ^uni
1882).^) ©inen fold^en Kampf glüdflid^ ju befleißen aud^
ol^ne ©eminn im ^rieben, l^ält er für el^renooQ, gerabe wie
ber ^ubertuSburger griebe ein etjrenooUer mar, „wenn er
aud^ nur bie ooHe 2lbroet)r beS auf ^reu^en gerid^teten 3In=
griffS beftätigte" (21. Stpril 1887). ß) ®a^ griebric^ folc^eS
möglid^ geworben, oerbanfte er feinem SSerbienft um bie
2lrmee, in ber bie Dffijiere auS geworbenen Slbenteurem
aller fiänber gute ^reu^en ju fd^affen gewußt l^ätten
1) ^olit. Dieben II, @. 317. Sögl. IX, @. 205, 218.
2) (&hh. IX, @. 231. S89I. X, @. 44.
3) (§ihb. X,. @. 214. 4) @bb. XI, @. 446.
5) &hb, IX, @. 398. 6) (§^bt>. XII, ©. .379.
— 236 —
(11. 9Kärj 1851).^) SBenn man il^m bei ber Sefämpfung
ber aJlel^rforberungcn im ^ntereffe be§ biplomatifd^en S)ienfte§
ba§ oft angefül^rte SBort g^riebrid^S entgegenl^ielt ber feinem
bie aJlittel jur 2lnfd^affung eine§ SBageng erBittenben @e^
fanbten in ©nglanb befolgten l^abe, ju gu^ ju gelten, aber
ju fagen, e§ ftünben 100000 SÄann l^inter il^m, b. 1^. bei
ber militärifd^en aJlacä^t ^reu^en§ bebürften feine SSertreter
im 9lu§Ianbe feiner befonberS foftfpieligen SRepräfentation,
fo üe^ er be§ ^önig§ angeblid^e Su^erung groar afö ftolj
gelten, bat aber, fie ein für allemal ju @rabe ju tragen,
benn e§ fei il^m frfimer glanblid^, ba§ ein fo geiftooQer ^err
im ©rnft eine Su^erung getan l^aben foHte, bie mit bem
guten @efd)marf fo menig in ©intlang ju bringen fei, in
jebem galle aber mel^r al§ in bem ©inne ber auswärtigen
^olitit in bem feinet g^inanjminifterS getl^an morben fein
muffe, ber it)m fet)r am ^ergen lag. greilid^ befennt er,
in feiner ;3ugenb fid^ ebenfalls an ber oft gel^örten 2lneIbote
gefreut ju l^aben, aßerbingS nur fo lange er nid^t au§:=
märtiger SJlinifter mar.^) 2ll§ befonberS epod^emad^enb unb
entfd^eibenb für "ißreu^enS fpdtere SBeltfteQung erfc^eint
93i!§mardf oon ben politifc^en Saaten be§ alternben ÄönigS,
ba§ er juerft oon aßen europäifrf)en g^ürften ber jungen
Stepublif ber ^Bereinigten Staaten oon 9lorbamerita nät)er
trat : f eitbem feien bie guten 93e8iel^ungen jmifd^en ^reu^en
unb 3Imeri!a ein preu§ifdt)e§ drbteil geblieben unb aud^ auf
ba§ beutf^e 5Reii fibergegangen (13. SJlärj 1884).^) ®e§
Königs befannteS SBort: „©ajetten bfirfen ni^t geniert
werben" — befanntlidt) in ben erften S^agen feiner ^Regierung
in einem ©d^reiben beS ÄabinettminifterS ©rafen ^obemilS
1) ^oUttf^e Dieben I, (5. 337.
2) (&hh. III, @. 142, 336, V, @. 160, 167, G8.
3) ®bb. X, @. 12.
— 237 —
on einen SlmtSgenoffen afö SBiQen§meinung be§ ÄönigS au§=^
füiirlid^er bal^in funbgegeben, ba§ ©agetten, wenn fte
intereffant fein foUten, nid^t geniert werben müßten ^) —
roünfd^t 93i§mard roenigften^ audj für bie offijiöfen Sldtter
in ©eltung gefegt ju feigen. Slmtlid^ eignet er fid^ aud^ be§
großen Äönig§ SBort an, in ^reu^en tonne jebermann nad^
feiner ^apon feiig werben (2. g^ebruor 1870),^) raobei er
inbetreff be§ ©inne§ biefe^ 2lu§fprud^§ ben Qrrtum aH ber
Unjäl^ligen teilt, bie it)n anpfütiren lieben, inbem er il^n
ganj allgemein auf uneingefd^räntte @lauben§freit)eit beutet,
roäl^renb er urfprünglid^ nur ©d)u^ ber ©eraiffen^freil^eit
verlangte für bie ©lieber einer 9teligion§genoffenfd^aft gegen
3n)ang Don feiten il^rer ©eiftlid^feit. SBirffam ftellte er
^riebrid^ ü., ber mit ber tattjolifd^en Äird^e in g^eben
lebte, bem mit il^r erbittert ^abernben ^ofef n. entgegen.^)
Sogar ben 9tu^en ber ^efuiten l^abe ber Äönig ebenfo mie
Äat^arina n. Don Stu^lanb nid^t Derfannt>) ©el^r l^od^
fd^ä^t 93i§mard aud^ ^iebrid^^ SBBirtfc^aft^politit: unter
il)m ^t ^reu^en einen l^ol^en ©d^u^joH getiabt.^) dr
rül^mt be§ Äönig^ unermüblid^e ©orge für bie Qnbuftrie,
burd^ roeld^e bie Sage ber lanbroirtfd^aftlid^en ^roDinjen ge-
l^oben fei, mdl^renb ber moberne ^eitianbel fte l^erunter^
gebrad^t ^be. ®amate l^abe jebe tleine ©tabt in ^ommem,
^ofen unb SBBeftpreu^en eine gro^e SCBoUen^ unb ä^ud^inbuftrie
gel^abt, Don ber je^t nur bürftige SRefte beftel^en (14. ^uni
1882).^) ©einen 93eifall finbet femer bie Slrt, wie ber
Äönig feine großen tolonifatorifrf)en Untemel^mungen burd^
^mmebiatfommifftonen fül^ren lie§: ba§ gleid^e SJerfal^ren
empfiel^lt er namentlid^ jur ©id^erung be§ S)eutfd^tum§ in
1) «üd)mann @. 567. ^) v. ^of^inger, 2lnfprad)en @. 13.
3) ^olit. meben V, @. 381. ^) (&bt>. XI, ©. 275.
£>) (§i\)\). IX, (5. 427. 6) Qibt). IX, ©. 387.
— 238 —
^ofen (28. ^uni 1886) i) ©o urteilt er fc^Iie^Iic^ über ba§
©efamtergebniS biefer ^Regierung unb il^r SSerl^ältniS ju ben
folgenben: „^iebrid^ ber ©ro^e l^interlie^ ein reid^eS @rbe
Don 3Iutorität unb Don ©lauben an bie preu^ifd^e ^olitit
unb Tla6)t ©eine @rben fonnten, wie l^eute ber neue ^ur§
Don ber ©rbfcä^aft be§ alten, groei «Sal^rjel^nte l^inburd^ bapon
jeiiren, ol^ne ftd^ über bie ©d^raäd^en unb «Irrtümer il^rer
©pigonenroirtfd^aft flar ju werben: nod^ in bie ©d^Iad^t bei
;3ena l^inein trugen fte ftd^ mit ber Oberfc^ä^ung be§ eigenen
miütärifd^en unb politifd^en Äönnen§."^
S)ementfpred^enb urteilt 93i§mard abfällig über bie
^olitit ber 9tad^folger be§ großen Äönig§, obgleid^ g^ebrid^
aSBill^elm ü. nad^ feiner 3Jleinung „nid^t übel geroefen wäre,
luenn er nid^t burd^ bie SBeiber erroeid^t roorben roäre".^)
9tad^ feiner 3Iuffaffung lag näntlid^ 1786 für "ißreu^en ba^
ftdrfere ^ntereffe nod^ nid^t auf beutfd^=nationalem ©ebiete,
fonbern in bem ©ebanten polnifc^er territorialer ©rraer-
bungen, unb bi§ in ben Ärieg Don 1792 t)inein entfprang
ba^ 3Jli^t)er^ltni§ jroifd^en ^reu^en unb Dfterreic^ weniger
au§ ber beutfd^en ate ber polnifd^en ^iiüalität beiber SJläd^te.
®emgemä§ ^be fid^ ber preu^ifd^e ©taat benn aud^ neue
polnifd^e Untertanen mit gleid^er, menn nid^t größerer 93ereit'
milligfeit mie beutfc^e angeeignet, menn e§ zhtn nur Untere
tauen maren. S)at)er bejmeifelt er e§ benn aud^, ba§ bei
ber bamaligen Sage nad^ SJla^gabe ber 3lnftd^ten unb ^?ät)igs
feiten ber in Setrad^t fommenben ^erfönlid^feiten in SBien
unb ^eter^burg ber preu^ifd^en ^olitif roirflid^ bie SKöglid^:^
feit geboten geroefen märe, nü^lidt)ere SCBege einjufd^lagen
al!§ ben be§ veto gegen bie Drientpolitif feiner beiben oft:;
1) ^otit. m^h^n XI, @. 444.
2) ©ebanfen unb (Srinnerungen I, @. 278.
3) «uf^, Staöebuc^blätter II, @. 572.
— 239 —
lid^en 9iaci^bam, wie e§ burd^ bie ÄouDention Don SReid^en^
bac^ (27. äuli 1790) gef^a^. ©r tann fi^ be§ @inbrurf§
nid^t erroeiiren, biefeS veto fei ein 2lft unfrud^tbaren ©elbft^
gefül^tö geroefen nad^ 2lrt be§ fraitjöfifd^en prestige, in
roeld^em bie t)on ^iebrid^ bem ©ro^en geerbte 3Iutorität
jraedloS verpufft würbe, o^ne ba§ ^reu^en einen anbern
SBorteil von biefer Äraftleiftung gel^abt l^ätte atö ben einer
befriebigten ©itelfeit über Betätigung feiner gro^mdd^tlid^en
Stellung ben beiben Äaifermäd^ten gegenüber.^)
Site eine feftgefd^loffene lebenbige dintieit, bie in ton^
tinuierlid^er S^Ifl^ unmittelbar in bie ©egenroart au^münbet
unb bie unerlä^lid^e SSorau^fe^ung bilbet für ba§ ^anbeln
in biefer, begreift 93i§mard bie ©ntroidlung $reu§en§ feit
ber Äataftropl^e, bie 1806 unb 7 ben gribericianifd^en ©taat
jertrümmerte. 2lllerbing§ waren i^m bie Sebeutung jene^
Derl^ängni^poHen ^at)re§ unb fein fd^lie^lid^ bod^ fegen§=
reid^er dinflu^ auf bie ©ntroidlung ^reu§en§ unb S)eutfc^=
lanb§ permtni^mä^ig fpät flar geworben. @r befannte
felbft gelegentlid^,^) erft in reiferen Satiren eingefetien ju
l^aben, „weld^en 9ting in ber ^ette ber göttlid^en SSorfel^ung
für bie ©ntroidtlung unfere§ beutfd^en SSaterlanbS bie ©c^lad^t
bei Qena gebilbet l^at". 2lud^ madt)t er für ba§ Unglüd,
ba§ bamate ^reu^en an ben 9tanb be§ 2lbgrunb^ bradt)te,
nid^t bie 2lrmee allein Derantwortlid^, wenn er aud^ einmal
meint, Sllter^fd^wäd^e unb SSerblüfftl^eit l^ö^erer Dffijiere
l^ätten l^ingereid^t, bie an fid^ au^gejeid^nete 2lrmee 5riebridt)§
be§ ©ro^en ju bemoralifteren^) — er üergleid^t bamit bie
äl^nlid^e SBirfung, weldt)e bie Haltung einiger l^ö^erer Dffijiere
1849/50 auf bie ^effifd^en 2:ruppen ausgeübt l^abe. ^n§^
1) ©ebanfen nnb Erinnerungen I, @. 271.
2) x). ^ofd^inger, 3lnfpracf)en, @. 235.
3) ^olit. hieben I, @. 332.
— 240 —
befonbere fielet er ben ^el^Ier bartn, ba^ bie in ber ©d^ule
be§ großen Äönig§ gebübeten ©eneralc nicä^t bereit waren
jur Obernal^me eigener aSerantwortlid^feit bei fel^Ienber
S)erfung burc^ jroeifeUofe Qnftruftion. „SBBir jüd^teten
fc^on bamal^/' fagt er, „ba§ Dffijier^material bi§ jum SRe^
giment^fommanbeur in einer JBoHtommenl^eit wie fein anberer
©taat, aber barüber l^inau^ war ba§ eingeborene preu^ifcä^e
93lut nid^t ntel^r frucä^tbar an Segabungen wie jur 3^^*
griebrid^^ be§ ©ro^en felbft. Unfere erfolgreid^en g^elbl^erren,
93lüd^er, ©neifenau, aJloltfe, ©oben, waren feine preu^ifd^en
Urprobufte, ebenforaenig im ^i^il^i^^ft^ Stein, ^arbenberg,
3JJo^ unb ©rolmann."^) Quin minbeften bie gleid^e ©c^ulb
wie ber 2lmtee mi^t er ber t)erfnöc^erten 93ureaufratie jener
3eit bei, bie 1807 bem franjöftfd^en ©iegeSjuge ebenfo bie
aBege ebnete, wie fte 1848 Dor ben 93arrifaben })alÜo§ p^
fammenbrad^. ^) ©o fet)r er bei bem JRüdblidE auf bie
rettenbe Steformjeit bie ©manjipation ber Sauern, bie ftd^
an bie Flamen ©tein, ^arbenberg unb griebrid^ SCBit^elm in.
fnüpf t, ate eine emig benfroürbige 2:at anerf ennt ^) unb p::
gibt, „bie bem Sauernftanb bamal§ Derfd^affte freie ©teHung
i)abe i^m ermöglid^t ju profperieren unb ftarf unb unab^
l^ängig ju werben,^) fo l^at er bod^ ba§ Vorurteil eigentlich
nie gang übermunben, ba§ bie SKel^rl^eit feiner ©tanbe^?
genoffen gegen bie ©tein^^arbenbergfd^e ©efe^gebung liegte,
unb fd^rieb biefer aud^ fpäter nod^ infofem eine auflöfenbe
SCBirfung ju, afö ein großer ä^eil ber preu^ifd^en Sureaufratie,
t)on bem erfüllt, roa^ er „©el^eimrat^liberali^mu^" nennt,
aßju fet)r jur Sliüettierung unb ^^i^tralifterung geneigt ge^:
1) ©ebanfen unb Erinnerungen I, ©. 5.
2) t).^ofd)inger, 2lnfprad)en, @. 286.
») ^olit. meben IX, @. 206.
4) @bb. IX, @. 205.
— 241 —
roefen fei.^) SSon biefem ©efid^tSpunfte au§ Bel^auptetc er
fogar geiftreid^, ate e§ gilt, fieopolb Don ©erlad^ baDon ju
fiberjeugen, ba§ erneute fraitjöfifd^e ^aifertum fei bod^ nii^t
einfad^ eine erneute SSerförperung ber SRenoIution, ba§ ber
93onaparti§mu§ in ^reu^en älter fei al§ Sonaparte, nur
fei bie ntilbere beutfd^e g^ornt, in ber er ba urfprünglid^
gel^errfc^t, abgeftreift, ate er fid^ in ©eftalt ber au§ bem
föniglid^ roeftfälifd^en 93ulletin überfe^ten ^arbenbergfd^en
©efe^gebung in mel^r franjöftfd^er gomt introbujierte.^)
^u^ in 93i§mard§ Stuffaffung ber ^eil^eitSfriege finbet
ftd^ mand^e^ ©igentfimüd^e. Dl^ne gö^f^iJ^S ^ä^t ^^^ ^^
ein glüdfUd^er Qnftinft au§ einer unbefangenen 3Iuffaffung
ber aSerl^ältniffe bereite im roefentlidtien rid^tig erfennen, roa^
im ©egenfa^ ju ber umlaufenben irrigen SJleinung bie
SBiffenfd^aft erft in unferen ^agen burd^ ardtiinalifd^e ©tubien
ote l^iftorifd^ erliefen l^at. SCBenn j. 93. fieopolb t)on ©er::
lad^ il^m bemerft ^tte, wie foloffal 9tu^Ianb§ SJlad^t nad^
bem (Sieg non 1812 geroac^fen fei, fo mad^t er bemgegen^
über mit SRed^t geltenb, ba§ fei tatfäd^lid^ bod^ nur ber %aU
geroefen burd^ ben SCBegfaQ ber gegnerifd^en 2lrmee unb burc^
ben ^wmad^^ ber äu^erften ^raftanftrengung ^reu^enS.^)
Sroax unterf^ä^t er nid^t ba§ JBerbienft, ba§ ftd^ Stu^lanb
bamoIS um ^reu^en erworben ^at: beffen ^erfteHung auf
bem alten ^u^e fei mefentU^ bem SCBol^IrooHen ^aifer
Slleyanber^ I. jujufd^reiben gemefen, ber ebenfo gut an ber
polnifd^en ©renje umfel^ren unb ^rieben fd^Iie^en ober
^reu^en fpäter faßen (äffen fonnte>) S)iefe 1813 gemad^te
©rfal^rung lä^t au^ il^m bie 2lnle^nung an Stu^Ianb in
ber folgenben Qtxt nod^ al§ bie fidt)erfte erf d^einen. ^) 3lber
1) ^otitif^e hieben I, (5. 135. ^ ^Briefe an ©erlad), @. 13.
3) @bb. @. 254. 4) ^olitif^e meben I, @. 458.
5) (^hh. VII, ©. 458. ©ebaufen unb ©tinnerunßen I, @. 290.
g}ru|), aSidmartfd astlbung. 16
— 242 —
er gibt ju, ba§ bie infolgebeffen Begrünbete gantiüettDet:!
binbung be§ preu^ifd^en Äönig§^aufe§ mit bem ruffifd^en
3areni)aufe gelegentlid^ an6) na^teilig auf ^reu^en^ ^oliti!
Sflu^lanb gegenüber eingeroirft l^abe.^) S)a^ er bie einft
t)ielfad^ au^gefprod^ene aJleinung, bie ^reu^en wären 1813
in ben Ärieg gejogen, um eine SBerfaffung ju erlangen, a(§
auf einer Segenbe rul^enb bejeicä^net,^) nerftetjt ftd^ non felbft
unb trifft auc^ l^iftorifd^ ba^ Stid^tige. S)en oft angeführten
SBunfd^, bie geber möge nidt)t nerberben, roa^ ba§ ©d^roert
gemonnen, ber glaubroürbiger Überlieferung nad^ üon Studier
in einem S^oafte nad^ ber ©d^lad^t bei SBaterloo in ber
fjorm au§gefprod^en ift: „SJlögen bie gebern ber Diplomaten
nidt)t oerberben, mag ba§ SSoIt mit fo großen Slnftrengungen
errungen", nimmt er im ©egenfa^ ju ben „altpreu^ifd^en"
DueQen, auf meldte, bie ©ad^e ebenfo barfteßenb, nad^ feiner
SJleinung ber Stbgeorbnete ^Rid^ter jurüdfgegangen fein fott,
Dielme^r für ©neifenau in Stnfprurf): „2lber ba§ ift einerlei.
Slüd^er nannte ja ©neifenau feinen ^opf."^)
SCBiebertjoIt fommt Si^mardf aud^ auf bie 93etrad^tung
ber SBorgänge jurüdf, meldte für bie 3Ibgrenjung ber 1815
^reu^en pgeroiefenen el^emal^ potnifd&en SanbeSteile ent:=
fd^ieben mürben unb il^re ftaat^rec^tlid^e Stellung bebingten.
S)a§ ^al^r 1815 l^at bem preu^ifd^en Staate, fo fül^rt er
im Januar 1886 au§,^) im Dften eine ©renje gefd^affen,
l^inter bie er unter feinen Umftänbeti jurüdfgel^en fann, ba
er ifjrer bebarf jur 33erbinbung feiner ^rooiujen, jur JBer^
binbung jroifdt)en 93re§lau unb Äönig^berg, ju feinem a3er=
fel^r^leben foroo^l mie ju feiner JBerteibigung unb feiner
(Sid^erfjeit. S)ie ©d^roierigfeit ber baburd^ gefd)affenen
(Situation fei 1815 nid^t erfannt morben, meil man auf bie
1) (§:h\>. l @. 274. 2) (§^^\^, i (g. 18.
3) ^olit. hieben XI, @. 91. *) @bb. XI, @. 410, 11.
— 243 —
©timmuttg ber ®xnm6t)nn weniger ©eroid^t legte al§ auf
bie ber Staatsmänner, ^arbenberg unb ber erfte Dber=
präftbent ber ^roüinj ^ofen von 3erboni tjätten — le^terer
DteHeid^t wenigfienS jum S^eil beftimmt bur^ bie SRüdtftd^t
auf feine großen ©üter im el^emaligen ©ubpreu^en, bie nun
enbgültig Don ^reu^en getrennt mürben — unter bem ©in::
brucE ber Doraufgegangenen SBerl^anblungen geftanben, burd^
bie ^reu^en no^ grö^erei^ po(nifrf)e§ ®ebiet ju erwerben
geftrebt l^ätte. künftige JBergrö^erungen nad^ biefer Seite
l^in ju erleid^tem unb bei ber polnifd^en 93et)ölferung ber
jum ^önigreid^ ^olen gefd^lagenen fianbeSteile für ^reu^en
^ropaganba ju mad^en, fei aud^ bie 2lbftd^t ber ©prad^e
gemefen, bie ^arbenberg griebrid^ SQ3il^eIm HI. bei ber
93efi^nat)me r>on ^ofen feinen neuen Untertanen gegen=
über i)abe führen laffen. S)odf) l^abe bie betreffenbe
^roflamation nur bie ©runbfä^e bargelegt, nad^ benen
ber ^önig regieren, unb bie 2lbftd^ten entmidfelt, bie er ba^:
burd^ junäd^ft erreid^en moHte, von einem SBertrage aber,
wie bie ^olen be^upten, ober gar t)on ber Übernahme
einer a3erpflidt)tung, bie bamatS funbgegebenen ©runbfä^e
niemals ju änbern, wie aud^ immer bie polnifd^en Unter?
tauen ftd^ benetjmen fönnen, ift babei, mie er treffenb be-
merft, nid^t bie ^iebe gemefen.^)
SCBeit entfernt bleibt SiSmard von bem fo Dielen feiner
urfprünglid^en ^arteigenoffen geläufigen ^ultuS ber l^eiligen
3lllianj als beS Dornetjmften ^orteS ber Drbnung in ©uropa
unb il^rer ©rl^altung in ben einjelnen Staaten. SBBie man
no^ je^t für fie fd^märmen fann, begreift er nid^t, „nad^?
bem ft^ in ber letjten Qzxt jur ©Dibenj l^erauSgeftettt l^at,
ba^ fte nid^tS mel^r als eine ruffifd^e aWaufefatte mar unb
1) (§ih\). XI, @. 414, 457, 459.
16^
— 244 -
ba§ Slbjefttoum „l^eilig" nur nod^ afö ein unpaffenber
©c^erj erfc^ien".^) ®ic fouüeräncn Äleinftaaten ©eutjd^::
Ianb§ erfennt er, fo l^oc^ er SSerbienft unb Sebeutung ber
©qnaftien in mand^er ^infid^t anfd^ldgt,^) irgenbweld^c
l^iftorif d^e 93ere(3^tigung natürlid^ nid^t p : fte fmb fouperän
Don be§ 9ti)einbunb§ unb ber 93unbe§afte ©naben, unb
be^l^atb fann ftd^ ii)r ^artifulari§mu§ aud^ nid^t auf bie
S)auer gegen ben ©trom ber Q^xt Italien. SBie er über
bie Äartebaber 93efd)lüffe urteilte, Id^t bie ©ntfd^iebenl^eit
erfcnnen, womit er bie 3JJögIid^feit ä^nlid^er SJla^nal^men
burd^ ben 93unbe§rat be§ 9^orbbeutfd)en 93unbe§ für au§::
gefdf)loffen erflärt, fo lange er auf feinem Soften fei.^)
^n bem ®ienfte, ben ^reu^en 1829 SRu^lanb burd^
bie SBermittelung be§ griebeng Don 2lbrianopel geleiftet l^at,
oi)ne bafür irgenb einen ©egenbienft ju oerlangen, obgleid^
bie unfreunbüd^en SKad^enf^aften, bie furg oor^er gmifd^en
^aifer 9lifoIau§ unb Äönig Äarl X. Don ??ranfreid^ ftatt^^
gefunben l^atten, bem 93erliner Kabinett ni^t unbefannt
waren, erfd^eint i^m atö eine oon ben üblen g^olgen ber
©emütlid^feit ber fürftlid^cn gömilienbegiel^ungen, bie in ber
SRegel in ^reu^en ftarf genug mar, um bie rufftfd^en
(Sünben ju becEen.^) S)urd^ bie ©reigniffe Don 1830 unb
1848 erad^tet er bie ©rgebniffe be§ SCBiener ÄongreffeS unb
be§ gmeimaligen @inmarfrf)e§ in ^ari§ ate t)emid^tet.^)
§atte er fid^ einft entrüftet bagegen au§gefprod^en, ba^ ba§
granffurter Parlament aße 3Jlittel aufgeroanbt, um ^reu^en
in S)eutfd^lanb bie SRoHe aufjubrängen, bie iSarbinien in
Italien gefpielt l^at, e§ nad^ feiner 3JJeinung bal^in ju
1) t). ^ofd)inger, Söigmarcf u. bie Parlamentarier I, @. 110.
2) «ößl. @. 227. 3) ^otit. hieben IV, (5. 19.
4) ©ebanfen unb ©rinnerungen I, <B, 273.
5) t). ^ofd^inger, 3lnfprad^en @. 297,
— 245 —
Bringen, wo ©arto 9Kberto vox ber ©d^Iad^t bei 9topara
war, n)o il^m ber ©ieg ben Untergang ber 3Jlonard^ie.
feine 9lieberlage fd^intpfUd^en gerieben bringen mu^te/) fo
mag it)m fpäter rodf)! in ber ©tiHe ber ©ebanfe aufgeftiegen
fein, ba§ ber Don il^m fo entfd^ieben porl^orregjierte 9Ser^
gleid^ ^reu^en^ at§ be^ (Staate^ ber beutfd)en 3^fit^ft ^it
©arbinien al§ bem ber ^i^twnft Italiens l^iftorifd^ unb
politifd^ bod^ red^t treffenb roar. ©e^r abfällig urteilt er in
einem 93rief an feine ©c^roefter, grau von Slrnim (17. ^a^
nuar 1862), über bie unldngft erfd^ienenen 2^agebürf)er
aSaml^agen^, fann aber bod^ ben Slufwanb oon fittlid^er
©ntrüftung nid^t begreifen, mit bem man fte Derbammt.
aSielme^r erfennt er au^brüdlid^ il^ren tjiftorifd^en SCBert an,
ba 1836—1845 „gerabe fo gemein gerebet mürbe unb nod^
fdf)limmer": fte feien alfo au§ bem fieben. „JBarnl^agen ift
eitel unb bo^l^aft, mer ift ba§ nid^t? @§ fommt nur barauf
an, mie ba§ Seben bie Statur be§ einen ober be§ anberen
reift, mit SBBurmftic^en, mit ©onne ober mit naffem SCBetter,
bitter, fü§ ober faul".^)
Qu ben ^üd^ten, Don benen l^ier bie 9iebe ift unb
beren fd^lie^lid^e 93efd^affen]^eit von SBinb unb SCBetter unb
ben fie etma l^eimfud^enben :3nfeften ab^ngt, l^at jebenfaQg
93i§marcE felbft nid^t getjört. SCBer ftd) einigermaßen in
ba§ Sßefen biefe§ großen S)eutfd^en l^ineinempfunben unb
tjineingebad^t l^at, ber mirb ftd^ ber JBorfteHung nid^t ent=
fd^lagen fönnen, baß biefe femgefunbe Äraftnatur mit bem
tief in il^r begrünbet liegenben ibealen S^rieb feinem JBater^
lanbe unter ben uielfad^ medtifelnben inneren unb äußeren
aSerl^ältniffen bo^ ftet§ bie benfbar befte ©tcHung unb ba§
größte erreid^bare ©lüdf ju gewinnen, t)on bergleid^en ©in^
^olit «Reben I, 6. 91. ^ S)e^tt @. 530.
— 246 —
flüffen vi)ot)l t)orübcrgc]^cnb unbequem berührt unb in bet
aOBeiterentfaltung momentan aufgellten, aber niemate jur
aSerfümmetung ober jum aSerfommen l^abe t)erurteilt werben
fönnen.
Si^mardt mit SSarn^agen ju t)ergleid^en liegt junäci^ft
freiließ fein Slnla^ vor, ^n gemiffer SSBeife aber prot)05iert
ber erftere e§ bod^, inbem er ber abfälligen ^Beurteilung
be§ unermüblid^en 2^agebu(^fd^reiber§ unb bem gegen il^n
erl^obenen aSormurf ber ©itelfeit unb ber So^l^eit baburd^
einigermaßen ben ©tad^el nimmt, baß er mit biefen @igen^
fd^aften eigentlid^ jeben aJlenfd^en bel^aftet fein läßt — ein
3ug jener 93efd^eiben^eit xmb jeneS ernften (Strebend nad^
©elbfterfenntni^ unb eigener moralifd^er ßäuterung, bie an
i^m auc^ fonft nid^t feiten mo^ltuenb ju S^age treten, ©elbft
auf ber ^öl^e feiner meltl^iftorifd^en ©rfolge finbet fid^ bei
il^m feine ©pur von ©itelfeit ober aud^ nur oon ©tolj auf
ba§ oon il^m aSoHfül^rte. ©ein ßebenlang ift er feinen @eg^
nern ein offener, oft leibenfd^aftlid^er SBiberfad^er gemefen,
!^at aber barau§ aud^ niemals ein ^el^l gemad^t, fonbem
gerabe in biefer ^infid^t ftet§ mit rüdl^altlofer, oft t)er-
blüffenber Dffenl^eit g^arbe befannt. 2lm menigften aber
mar er eitel auf bie meit über bie näd^ften Slnfprüc^e be§
93erufe§ ^inau§ge!^enbe geiftige 2lu§rüftung, bie er ftd^ in
einer in ber ^ugenb breit unb feft begrünbeten unb bann
im ßeben abfirf)t§lo§, aber unermüblirf) unb erfolgreich ge=:
pflegten allgemeinen 93ilbung erworben ^tte unb bie er
unbewußt jeben 2lugenblid in ben 3)ienft ber gerabe ju
t)ertretenben befonberen ©ad^e ju fteßen uerftanb. ©erabe
gegenüber bem gefpreijten Silbung^ftolj eine§ SSaml^agen
berül^rt bie§ befonberi ft)mpat!^ifd^. 3)er frül^ au§ ber ge^^
l^offten Saufbal^n l^erau^gefd^leuberte Diplomat parabiert
gemiffermaßen mit feiner umf änglid^en, aber aud^ . n^it be^
— 247 —
fliffener ©elbftgefäßigleit gepflegten 93ilbung, obgleich er
niemate ©elegenl^eit erl^ielt, fte in ber potitifd^en ^rajtg
im 3)ienfte feinet aSaterIanbe§ nü^lid^ ju t)em)erten. (So
bietet er 9Jlit= unb 9lad^lebenben nur aüju oft ba§ fragroürbige
©(^aufpiel eine^ geiftreid^en, aber groeciloS oerpufften t?euer^
werfe, dagegen fel^lte e§ bem großen Siealpolitifer, ber
ol^ne tl^eoretifd^e SBorbilbung in einer riefenl^aften ^rafi^
jum ©taat^manne, ja man fönne fagen jum ©taat^fünftter
geworben ift, auc^ bei ber 93e!^anb(ung ber fd^roierigften,
ber aßerrealften, ja ber materießften Slngelegenl^eiten t)er^
möge be§ reichen (Sd^a^e§, ben er oon Qugenb auf in ©eift
unb ^erjen barg, niemals an einem SEBort, einer SQBenbung,
einem 3it^t ober an einer Siemini^jenj an ein Sid^termort,
niemafe an ber 93ejie!^ung auf einen ©prud^ ber SSoIfe^:
meiSl^eit ober eine gefrf)irf)tlid^e 2^atfac^e ober ^erfön(irf)feit,
um bie ©ebanfen feiner ^örer afebalb mit ber ganjen
reid^en güKe be§ l^iftorifrf) gemorbenen ®eifte§leben§ feinet
a3olfe§ unmittelbar in lebenbige Sö^Iwng ju bringen unb
t)on ba au§ mirffam an ben ibealen ©inn ber Seutfd^en
JU appellieren.
©0 erfd^eint er, feft murjelnb in bem ©eift be§
Ilafftfc^en 9lltertum§, oertraut mit feinet SSolfe^ ßiebem
unb ©prid^mörtern unb ^eimifc^ in ben unfterblic^en SBerfen
feiner Ätafftfer, babei aber auc^ empfänglid^ für alle^, ma^
ba§ ©eifte^teben ber mobernen Äulturoölfer für ba§ beutfd^e
3)enfen <3ntereffante§ unb SGBertooUe^ l^eruorgebrac^t ^t,
auc^ auf biefem ©ebiete al§ eine SSerförperung ber beften
©igenfd^aften ber S)eutfd^en unb ^t gejeigt, ba^ ba§ SSolf
ber 3)id^ter unb S)enfer neben feinen altbemä^rten friegerifc^en
S^ugenben auc^ ju großen potitifc^en ©rf)öpfungen 93eruf unb
gö^igfeit I)at. SJiöge er in biefer ^infic^t nid^t ber einjige
S)eutfd^e bleiben!
* *■ )^ * ^ülsoiaftraßc IU7-S. * ^ * «
©ruft ajlorite Stntbt
CHn fiebciieibilb jn Briefen, ^iiad) uiiifctirniftcit uiib g^s
brudtcu OriginfllCH ^craiiggcgcbcn nou .^ctttrid) ^JOtet^uer
unb 3iolJctt ÖtcrbS. ©tieftet m.7,~-. Öcliuiibcn in
.gfllbfmiii läJt. 8,75.
ScipäifleT Sägeblatt: . , . 33ie aufeerotbcntlitt) rocrtooUe Samiiilunß
Don asriefen läfet in iaS 5H!eihen imb ©rflarleii bietfä ebleit 9)atet!anbS'
(rEimbeä, in feine Manblungen unb erfatitungen tiefere ®inl)ticEc tun,
alä bieg big je^t felbft an bet ^onb ber «ingeljenbflen «ebenSbefi^reibunfl
niBalic^ eemefen uitie. . . . ßein guter $eutfd|e<: loirb btc illietauS
^eilige älibeit oE)tie inneren @eii)inn, o^ne gio^e liSefriebigung aai ber
§anb legen.
öol)teäbei:id)te für neuere beutfc^e aitetatui:gefd)id)te: ®ie
©ammtiuig ift tt)ron])logifi^ georbnet unö nai^ grofeen '£e&enäab=
f^nitten jettegt . . . dwiraüeiiftifd) ift eigentliii) jebe Heile, unb eine
Steube ju ttfen jebet 58iief. Süt bie politifc^e unb bte Hultutgefii)ic^te
a;eutfd)Ia«bsl oon 1757—1860 . . .,'füt bie 0Ef(^id)le be§ beutf^en
Briefes ift biefer 6ct|ag unentbel|tlic^, bi« ^auptfacbe aber bleibt bot^
bog „Sebenäbilb", ber prächtige mite felbfl, beffcn ailter nodj glühte roie
greife nber SB ein.
©raf Sdejanber Jitciijcrling
@in ^cbeltSttlb ouä feinen Briefen unb 2:agebit(fiern jit>
fnnimcngcftcUt uon feiner "Xoäfttx 3«iftnH geleite Uon
Saulie von btr ^ffen. ä ^Mnit mit 2 lißortiiiK unb
5 gibbilbnnflen. Öelieftet 9H. 20,—. Öebiuiben in 2 ele=
flante Jpalbfrauätöube 3)1. 24,—.
,(Stn fterxlii^eä 9?nA" neunt tS natfi bera Sefen beS 5Dlnnnfft;iptg bet
befte fiennet ber bn»tfd)cu @efd)id)te. — Sllesonbcr @raf Sepfetling,
in QiÜzmoi^t mib ^ersenäfreunb !8i§mavrfä, gcliÜTt einer ©enerotion
(ui, beten te^te ^rtreter bereits E)tngegangen flnb unb beren ^enfeii
uiü> Streben bera gegenroärtigen ©ef^Ia^t (Sefdjii^te gemorben ift.
Unter ben erlaubten ßleiftem biefer gtefeen 3«« wirb aber beui ©rufen
Keqferling ein @qrenplag gef1d)ert bleiben.
* * * * l'ü^oroftraße 107-8. » * , «
unter ,^aijcr i)Nfo(ouy 1.
'j.'[)it ^^toliot <ed)icutniiii. $anti 1: Mntfcr '^ic^mibcr I.
iin» öie (Srflciiiiifie fein« Seiiciisarbcit. (yc^cftet ISl. 14, — .
SdjiinUcH m. lÜ,— .
5>taiiffitrtet 3eituiig: (Sin giDft unB racit niifielegies 2ä«(, boä
ol)ne ^lo"!«' qIö «'"^ wcfentlit^i: Seteidicvung Wr Scfdjidjie «uplanbä
in bei; «ften öftlf'^ *'f^ 19, ija^t^nnbetiai QiiiiEfcijcii lutrben tann.
Söerliner 3:ageb[atl: Wlan tonn eä o^ne nöertrel&una auäfptechen,
bap biefeni Sd)ietnann((i)En Su(^e unter ben jeil9eiiBfrifi|en ®efii)i(^tS=
nietten ein fein tjolter ^Uag eingeräumt metbeii mu&. ^ebenfaßS ael)5rt
bat! '-9u(^ ju ben aniegenbften gef(i|id|tli(^eu ^Betten, bic in ben le^en
^n^ren Ben nebilbelen Sefent bargeboten »utben. §ett S(^ienionn
täuuit gtiinblic^ mit oHen ben SBorurteUen auf, bic nod) inimet mit
bejug auf aUeEanber im Sdjwange ge^en. ®t ift ein unETbittlidiet
91id)ier, ober er ifi aud) ein fd)atf bcobaii^tenbei ^IJf^djologe , unb fo
gelaugt er benu mit foigfältiger SSeuutiung aüer literorifiien 6irfä=
QueUen nnb neuen, sorget unbefannt gebliebenen or^ioarifc^eR ^oiu=
nienten unb gtnubioiivbigen 9iiifjei<^nun9eu ooii ^itioatleuten in ^eroor^
tagenben SteHuiigeu ju einer G&aralterbarfleUuug SlleEanbers, bie iu
beu Qnmbjügen non ber (anbiäufigeit gar fel)r abioeictit.
Scutfdjlonb unb Sic ßro^c ^olitif
anno 1901.' 1902. 1903
i*on SI|cobor Stfiicutanu. Sebec SaitB brofi^iert
m. 6,—. eStbuubeit m. 7,—.
llireufeifAe ^afirbü^er Sb. 108, 6.2: S« ^^« ^etcorragctibpen
piiblVjifiifi^en Ueiflungen uiiferer .^tii, Ben glöiijenben üluöna^meii, ge>
bfiten jmeifediiS bie Sd)iemauitft^en Ubetfid)täattitet. ^^f^"""^"?^*"!
oilben fte nunmehr eine gauj eigenartige gleidijiettiße ©efdjii^täfi^teiliuiig.
Sä ift rein müglit^ft farblofer objefiiDec ©ejai^tSfalenber unb eS tp
aud) feine fottlaufenbe @rjü^[ung, fonbein ein SJtittelbing, eine SpiegeluitQ
ber Sreigiiiffe, roie fie nacheiuanber eingetreten f'"». i" siner fe^t
(enntniöreidien irab nrteilä fähigen 9inbioibua£itüt non beftimmter fcQarf
muttietter Senbeuj.
aJ/3ST£ OOS onOO
f S3 BR K>\Sll '
DD aiB.PT
Stantord
3 6105 037 949 034
DATE DUE 1
STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES
STANFORD, CALIFORNIA 94305-6004