\ N 1 82 von
Ho Nenrich be, em Me
Otto von Semminden
JR
Wie N,
Bey Sebaſtian Hartl, in der Singer⸗
ſtraſſe.
1783.
Bißthum m Biſchoff
Einleitung.
Die chriſtliche Kirche bleibt ihres
erhabenen Zwecks ohngeachtet, ſo
lange ihre Mitglieder Menſchen ſind,
dem Einfluß derſelben im Aeußerli⸗
chen unterworfen; ſo gelangten ei⸗
nige Mitglieder, als ſolche, zu ei⸗
ner Art weltlicher Macht, und fo
veranlaßte mancher Regenten und
Kirchenvorſteher perſoͤnlicher Cha⸗
rakter allerley Mißbraͤuche und Ver⸗
letzung wechſelsweiſer Rechte.
A2 Dieſe
iv Einleitung.
Dieſe Mißbraͤuche dem Weſen
der Religion zuſchreiben, iſt thoͤ⸗
richt, ſo wie es ungerecht iſt, laͤngſt
geſchehene Sachen den gegenwaͤrti⸗
gen Kirchenobern zur Laſt zu legen.
Ueberhaupt veranlaßt beym
großen Haufen der Mangel an Un⸗
terricht, daß den Kirchenobern An⸗
ſpruͤche aufgebuͤrdet werden, die fie
nicht mehr machen, vielmehr ta⸗
deln; ſo ſchrieb Pius II. an Karl
VII. in Frankreich: „ Liebſter Sohn,
„nur um dieſes bitten wir dich in⸗
„ ſtaͤndig, glaube nicht allzeit den
„Lehrern des apoſtoliſchen Stuhls,
„und ſchreibe viel ihren Leiden⸗
— 5 ſchaften a.)
) Pius II. Epiſt. 374.
Einleitung. V
So werden auch dem Staate
Eingriffe in die Kirche Schuld ge⸗
geben, wenn er eine Macht uͤbt, die
zu ſeinem Weſen gehoͤrt, und wozu
von den itzt billiger denkenden Kir⸗
chenobern das Befugniß gar nicht
mehr bezweifelt wird. Die meiſten
wiſſen nur aus der Geſchichte und
Erfahrung, daß der Staat dieſes
oder jenes Recht einſt nicht uͤbte;
glauben daher, daß er's verlohren
habe, und bedenken nicht, daß, wie
der Kardinal Baronius ) ſagt, die
Rechte der Wahrheit weiter, als
Verjaͤhrung reichen; daß ſie gegen
die Verjaͤhrung noch ſo vieler Jahr⸗
hunderte unverletzt beſtehen, und
auch von einer unzaͤhligen Menge
ö A3 von
*) Card, Baron. Annal., X. n.51.
vo Einleitung.
von Zeugen weder widerlegt, noch
erſchuͤttert werden können.
Darum alſo ſey dieſe Abhand⸗
lung über Bißthum und Biſchoff
herausgegeben, damit man gewiſ⸗
ſe Dinge nicht als Neuerungen an⸗
fehe, die ſchon fo lange, als die Staa⸗
ten ſelbſt beſtehen; fie für Eingrif⸗
fe in das Weſen der Religion hal⸗
te: auf daß man ſich nicht irre ma⸗
chen laſſe durch Schriftſteller, wel⸗
che im Geiſte der finſtern Jahrhun⸗
derte ſchreiben, und, ohne beruffen
zu ſeyn, auf Koſten ihres Vater⸗
landes einem fremden Hofe dienen
wollen, der, mit dem wahren Gei⸗
ſte der Religion beſeelt, ihre Wohl⸗
dienerey verachten muß. |
Nach
Einleitung. vII
Nach einigen vorlaͤuſigen Grund⸗
ſaͤzen werden wir die Befugniſſe
und Pflichten des Staats in Ab⸗
ſicht der Bißthuͤmer und der Bi⸗
ſchoͤffe prüfen. Das Recht und die
Ausuͤbung deſſelben wird dabey der
doppelte Geſichtspunkt ſeyn; und
ſo wie uͤber Ausuͤbung uns die gleich⸗
zeitige Geſchichte belehren wird, ſo
ſollen beym Recht uns heil. Schrift,
Kirchenvater, und in ihrer Ermang⸗
lung die Gruͤnde der Vernunſt, die
Geſetze der Natur leiten.
Wohl uns, daß wir nicht mehr
in Zeiten leben, wo man Staat
und Kirche im Zwiſte ſah, beiden
faſt nicht zugleich dienen konnte.
Wenn man itzt mit der Fackel der
Wahrheit Gegenſtaͤnde dieſer Art
A4 beleuch⸗
vi Einleitung.
leuchtet: ſo kann man das troͤſten⸗
de Bewußtſeyn haben, zugleich dem
Staate und der Kirche zu dienen,
weil man von jenem den Schein un⸗
erlaubter Eingriffe entfernet, in⸗
dem man dieſe gegen den Verdacht
eitler Anſpruͤche ſchuͤtzet.
Vorlaͤu⸗
FA Wk ME
Vorlaͤufige Grundſaͤtze.
Won man nicht aus langer Erfah⸗
rung wuͤßte, wie man durch Wort⸗
ſtreite und ſophiſtiſche Diſtinetionen koͤn⸗
ne irregefuͤhrt werden: ſo muͤßte man
aͤußerſt erſtaunen, daß es je hat politi⸗
ſche und gelehrte Streitigkeiten uͤber die
ſogenannten beeden Maͤchte (weltliche
und geiſtliche) geben koͤnnen.
Man hat Vergleichungen zwiſchen
ganz verſchiedenartigen Dingen machen
wollen, hat Grenzen zu beſtimmen geſucht,
wo der verſchiedenen Natur nach keine
ſeyn koͤnnen, und die Sache dadurch im⸗
mer mehr verwirrt. Wer ſuchte je die
Grenzen zwiſchen Seele und Koͤrper; zwi⸗
ſchen Willen und Handlungen? Und doch
iſt es mit jener Unternehmung gleich.
A 5 Die
10 oo
Die geiftliche Obrigkeit hat gar kei⸗
ne Macht, das Wort im eigentlichen
Verſtande genommen. Was iſt Macht?
das Vermögen, Etwas zu bewerkſtelligen
oder zu verhindern. Nun aber muß
die Kirche auf den Geiſt des Menſchen
wirken; das heißt auf ſeinen Willen:
wer aber kann zwingen den Geiſt des
Menſchen? Wer kann gebieten ſeinem⸗
Willen? Und koͤnnte es irgend eine Macht,
wo bliebe Freyheit? Und ohne freyem
Willen, was iſt Religion? was Kir-
che?
Man ſieht von ſelbſt die Folgen, wel⸗
che daraus entſtuͤnden, raͤumte man der
Kirche eine Macht auf den innern Men-
ſchen ein: der aͤußre Menſch aber, muß
der nicht ganz dem Staate unterworfen
ſeyn, wenn keine Verwirrung buͤrgerli—
cher Ordnung entſtehen ſoll? Auch ſagt
der Apoſtel: “ jeder ſey der Obrigkeit
unterthan „. Und der heil. Chryſoſtos
mus erlaͤutert dieſe Stelle ſo, daß es
außer allem Zweifel koͤmmt, ob ſie eben⸗
falls Geiſtliche angehe: er bejahet es und
fügt hinzu: “ waͤreſt du auch Apoſtel,
„ Evangeliſt, Wie und wer du auch
im⸗
8 Go 11
„immer ſeyn moͤchteſt; denn dieſe Un⸗
„terwerfung ſchadet der Froͤmmigkeit
„nicht,, ). Eben ſo ſagt der heil. Bern⸗
hard: “ Wenn es jedermann iſt; wie
koͤnnt ihr euch ausnehmen ) 2
Es iſt deſto ſonderbarer, wie man
te auf den Gedanken kommen konnte der
Kirche einige Macht zuzuſchreiben, da ihr
Stifter immer das Gegentheil fagte :
Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt“).
„ Hört jemand meine Worte, und bewah⸗
„ret ſie nicht: ſo richte ich ihn nicht,
„denn ich bin nicht als Richter der Welt
„ gekommen ) — Die Könige der Erde
„ herrſchen, ihr aber nicht ***) So
äußerte ſich immer Chriſtus: und wer
von deſſen Nachfolgern koͤnnte ſich eine
Macht bepmeſſen, die er nicht uͤbte? Auch
waren ſeine Apoſtel weit davon entfernt.
Paulus ſagt zu den Korinthern: “ Wir
haben keine ra 10 euern Glau⸗
| ben
) Chryfoft, Hom. xX II. C. 13. in Ep. ad
Rom.
*) Bernh. Ep 42.
eur) Joh. XVI. 36.
) Joh, XI 47:
er) Luc. XXII. 25.
12 O
ben „ “). Petrus befiehlt die Heerde
Chriſtus zu weiden“ nicht gezwungen,
„ ſondern williglich, nicht als die über
„das Volk herrſchen, ſondern als Vor—
„ bilder der Heerde,, ) — Wir find
„nur Fremdlinge hier auf Erden „ ſagt
der Apoſtel im Sendſchreiben an die He⸗
braͤer **): und was iſt das Aeußerſte,
was Chriſtus und ſein Apoſtel gebieten?
Wegzugehen und den Staub von den Schu=
hen zu ſchuͤtteln — den ketzeriſchen Men⸗
ſchen zu verlaſſen.
Am beſten erlaͤutert der heil. Chry⸗
ſoſtomus das Nichtſeyn der geiſtlichen
Macht. Hier „ fagt er, “ iſt die Kraft
„der Arzney und das Heilungsvermoͤgen
„ nicht in dem Arzt, ſondern im Kranz
„ken: und das wollte jener bewunderns⸗
„ wuͤrdige Paul andeuten, da er zu den
„ Korinthern ſagte: nicht als herrſchten
„ wir über euern Glauben. Den chriſt⸗
„ lichen Prieſtern ziemt es keineswegs, den
„Fall der Sünder mit Gewalt zu ſtrafen;
2 kei⸗
eee .
% K. e .
) Hebr. XI. 13.
och 13
„ keine Gewalt darf man brauchen, nur
„ ermahnen. Auch haben uns die Ge⸗
„ fege nicht erlaubt Verbrecher zu zuͤch⸗
„tigen; und dürften wir es, wir würs
„den keine Gelegenheit finden dieſen
„Zwang, dieſe Macht zu uͤben, da Chri⸗
„ ſtus mit der Ewigkeitkrone beſchenkt
„nicht die Gezwungenen, ſondern die
„mit feſtem ni von der Suͤnde
„entfernt find. Der Gezwungene und
„ gewaltſam Behandelte würde halsſtar—
„rig widerſtehen; denn, das kann er
„ durch ſich ſelbſt; uͤbel wäre es zwar;
y, aber wir koͤnnen keine Gewalt anwen⸗
„den; wider Willen kann Niemand ge⸗
Pr heilt werden. 1295
2.
Wenn es alſo keine geiſtliche Macht
giebt; wenn jeder aͤußre Menſch, mit⸗
hin jedes Mitglied der Kirche dem Staa—
te unterworfen ſeyn muß: fo folgt dar⸗
aus von ſelbſt, daß fie ihrem Aeußer-⸗
lichen nach der weltlichen Obrigkeit un⸗
terworfen, mithin die Kirche im Staate
ſey. Auch ſagt dieß Optatus Milevita⸗
5 nus
9 Chryf- Hom, 23.
14 ch o. =
nus mit den naͤhmlichen Worten; und
das Recht der Natur ſo gut als das goͤtt⸗
liche Geſetz beſtaͤttigen dieſe Wahrheit.
Sobald ſich die Menſchen zu ihrer Si⸗
cherheit und wechſelsweiſen Unterſtuͤtzung
verbinden, ſo iſt jedes einzelne Mitglied
dem Staate unterworfen, und ſo lange
er Buͤrger bleibt, kann er dieſen aus⸗
druͤcklichen oder ſtillſchweigenden Vertrag
nicht brechen. Keine andre Verbindung
kann ihn davon befreyen. Dieſes liegt
in den Urbegriffen jeder menſchlichen Ge⸗
ſellſchaft, entſchieden durch die von einem
Pol zum andern guͤltigen Naturgeſetze.
Bey der chriſtlichen Kirche aber um
deſto gewiſſer, da es dem Befehl des er⸗
ſten Stifters und ſeiner Apoſtel, ſeinem
eigenen Beyſpiel und dem Betragen der
erſten Glaubigen gemaͤß iſt. Man fuͤge
zu dem, was ſchon oben geſagt worden,
die haͤufigen Beweiſe aus den aͤltern Schrift⸗
ſtellern an. Tertullian ſagt unter an⸗
dern ; Man ſoll den Kayſer ehren als
„einen Menſchen, der nur geringer als
sr Gott iſt „ 95
„ Wan⸗
4) Tert. E. ad Scap. C. 2.
oc 15
„Wandelt jemand unter uns von dem
„Wege der Gerechtigkeit ab, ſo kann
„er von dir geſtraft werden „ſagte der
heil. Gregorius von Tours zum Koͤnig
Chilperich.
Aber mehr als alles dieſes iſt das
Beyſpiel Chriſtus, ſeiner Juͤnger und der
erſten Glaubigen: wie iſt nicht Chriſtus
in allem der Obrigkeit unterthan! Wie
iſt fein ganzes Betragen bey feiner Ge⸗
fangennehmung und Verfolgung? Pe—
trus haut mit dem Schwerd; und er ta—
delt ihn darum. Er thut alles, was Pi⸗
latus vermoͤge der von oben erhaltenen
Macht fordern kann. Er unterrichtet ihn
uͤber ſeine Sendung, ſeine Wuͤrde, ſein
Amt, ſein Koͤnigreich. Verſchließt er ſich
hernach in ein majeſtaͤtiſches Stillſchwei⸗
gen; ſo geſchieht es, weil er alles an⸗
gefuͤhrt hat, was zu ſeiner Vertheidigung
diente, mehr als dazu noͤthig war. Pi⸗
latus hoͤrt nicht auf ihm das Zeugniß
der Unſchuld zu geben; und wenn er ihn
ohnerachtet deſſen zum Tode verurtheilt,
und dadurch zu erkennen giebt, daß er
unbillig richte: ſo unterwirft ſich Chriſtus
nicht weniger der weltlichen, auch unges
rech⸗
46 er
rechten Macht, und thut dieſes, wie der
heil. Petrus ſagt:“ um uns ein Beyſpiel
„derjenigen Unterwuͤrfigkeit zu geben,
„welche wir unſrer Obrigkeit ſchuldig
„ ſind.“ |
Man bemerke in der Apoſtelgeſchich⸗
te das Betragen des heil. Pauls gegen
die roͤmiſche Obrigkeit. Mit welchem ein⸗
fachen Weſen giebt er über bloße Reli⸗
gionsgegenſtaͤnde Rechenſchaft! Ja er
appellirt an den Kayſer, ſagt, daß man
ihn dort richten muͤſſe.
In des heil. Juſtinus des Maͤrty⸗
rers Apologie des Chriſtenthums giebt er
den Kayſern Antonin und Marc Aurel
Rechenſchaft von der Lehre, den Ge—
braͤuchen, den Sitten, den Aemtern, den
Verſammlungen und den Gebeten der Kir—
che; ja was noch mehr iſt, das was
den Katechumenen ſelbſt Geheimniß war,
worinn fie nur am Vorabend ihrer Tau
fe unterrichtet wurden, was eigentlich
Myſterien der Religion waren, wie z. B.
die Evchareſtie, entdeckt er ihnen ganz.
Man hoͤre den Tertullian in ſeiner Apo⸗
logie des Chriſtenthums: “Ihr wißt es ,
ſagt er zu den Heyden ſeiner Zeit,“ es
g „ MANS
+> En 17
„mangelt uns weder an Leuten, noch an
„Muth: die Martern und der Tod, den
„ihr uns ſo oft ausſtehen macht, und die
„Standhaftigkeit ſelbſt junger Maͤdchen,
„die ihm, ohne zu erblaſſen, entgegen
„gehen, die moͤgen fuͤr uns zeugen. Bey
„dieſem Muth, bey der ſtets anwach—
„ſenden Anzahl , die gleichſam aus dem
„Blute der Märtyrer hervorwaͤchſt, wäh
„rend wir eure Richterſtuͤhle anfuͤllen,
„einen großen Theil eurer Heere ausma⸗
„chen, bey Hof, ſelbſt im Senat find;
„hat ſich ohngeachtet einer zweyhundert—
„jährigen unverſoͤhnlichen Verfolgung der
„Nahme nur eines einzigen Chriſten bey
„allen jenen Verſchwoͤrungen gefunden?
„Die Menſchen, welche ihr ſo verfolgt,
„wiſſen ihre Ehrfurcht gegen die erſte
„Mafeſtaͤt zu erhalten, ohne ihre Pflich⸗
„ten gegen die zweyte zu vergeffen: fie
„leben ihrem Dienſt und dem Staate. „
In dieſem Geiſte lebten die Chriſten
der erſten Jahrhunderte mitten unter den
grauſamſten Verfolgungen. Ihre Vor—
ſteher hatten nie das geringſte Bedenken
ſelbſt unglaubigen Fuͤrſten jede Rechen⸗
ſchaft zu geben, jeden Gehorſam zu lei⸗
| 3 ſten.
18 ec
ſten. Wenn man in ſpaͤtern Zeiten an⸗
dre Lehren hoͤrte: ſo war es nicht die
Kirche, die ſprach; es waren ſolche Leh⸗
rer des apoſtoliſchen Stuhls, vor wel:
chen Pabſt Pius II, wie wir geſehen ha⸗
ben, warnte. Es war in Zeiten, von
welchen der heil. Bernhard an den Pabſt
Eugen ſchreibt: “ Du ſiehſt, daß aller
Kircheneifer nur allein fuͤr Erhaltung des
Anſehens brennt. Alles der Ehre, der
Heiligkeit nichts oder wenig = = Demuth
halten die Eurialen für Erniedrigung —
Gottesfurcht duͤnkt ihnen Einfalt, um
nicht Thorheit zu ſagen.“ ).
Nie erlangte auch die Kirche das
Recht von der Unterwerfung unter dem
Staate befreyt zu ſeyn; und haͤtten tau⸗
ſend ſchwachſinnige Regenten eine ganze
ohnmaͤchtige Periode die Kirche jener Un⸗
terwuͤrfigkeit entlaſſen: ſo haͤtte doch da⸗
raus kein Recht entſtehen koͤnnen: kein
Geſetz, keine Verjaͤhr ung entkraͤftet das
ewigdaurende Geſetz der Natur, ſchwaͤcht
die Grundpfeiler der Geſellſchaft; vernich⸗
tet die weſentlichen Urvertraͤge der Men:
ſchen: die Kirche bleibt immer im Staa⸗
te. i g.
) S. Bernh. de Conſider. L. IV. c. 2.
Ro „ *
3.
ans folgt, daß, indem ſie einen
Theil des Staats ausmacht, dieſer für
fie ſorget, fie dem allgemeinen Beſten ge⸗
maͤß ordnen muͤſſe; und daß ihm zuſtehe,
für dieſelbe Geſetze zu geben, welche frey-
lich gegen das Weſen der Religion nicht
ſeyn duͤrfen.
Auch uͤbte der Staat dieſe Pflicht aus:
er beſorgte Anfangs die Geſchaͤfte der Kir⸗
che *): ſagte Buß und Bettage an, ſchrieb
Art und Dauer der Faſten vor, und be⸗
ſtrafte nach Gutbefinden fehlende Biſchoͤf⸗
fe: fo ſchickte Otto I. den Erzbiſchof
Friedrich von Maynz in das Kloſter, um
Buße zu thun.
In dieſer Ruͤckſicht ſchrieb einſt der
Trieriſche Erzbiſchoff Hetti an ſeine un⸗
tergebenen Biſchoͤffe, ſie ermahnend, des
Kayſers Befehl wegen der Regel, die er
den Canonicis gegeben, fleißig zu erfuͤl⸗
len, weil der Herr des Befehls daruͤber
unſtreitig Rechenſchaft fordern wuͤrde ).
Am beſten drückt Ludwig der Fromme die
B 2 Vor⸗
) Soerates Hiſt. Eccleſ. L. V. in Præfat.
*) Harzheim Tom, 2. pag. 16.
20° Ba .
Vorſorge des Staats für die Religion
aus, wenn er ſagt, daß ſowohl Biſchoͤf⸗
fe als Grafen jeder einen Theil des koͤ⸗
niglichen Amts zu verwalten haͤtte, die
er alſo alle ermahnen muͤſſe, daß ſie es
treu und fleißig verrichten 9.
1 Capit. A. 823. c. 3. p. 872. Heinece.
II.
cg. 21
| II
Bißthum.
*.
En Bißthum iſt ein Diſtrikt Landes,
in welchem ein Biſchoff ſeine Gewalt uͤbt,
ſo wie eine Pfarrey Diſtrikt des Pfar—
vers iſt. Es fälle in die Augen, daß die
Groͤße oder Kleine eines Bißthums nicht
zum Weſen der Religion gehoͤren koͤnne.
Die Religion fodert nur, daß ihre Lehre
uͤberall verbreitet und erhalten werde, mit⸗
hin daß uͤberall Biſchoͤffe ſeyn. Ob aber
der Umfang in welchem ein Biſchoff ſein
Amt uͤbt, groͤßer oder kleiner ſey, kann
bey gleich guter Beſorgung der Kir—
che gleichguͤltig ſeyn. Die Art des Lan⸗
des, ſeine Bevoͤlkerung und die Sitten
und Lebensart des Volks, ſo wie einige
politiſche und nachbarliche Verhaͤltniße,
beſtimmen die Grenzen eines Bißthums.
2.
Wer aber kann dieſes beſſer und rich⸗
tiger als der Staat beſorgen, da er jene
Beſchaffenheit und Verhaͤltniße des Lan⸗
| B 3 des
22 ch
des am beften wiffen muß? Neue Er:
werbungen oder Abtretungen der Laͤnder,
und das durch Umſtaͤnde ſich aͤndernde
Verhaͤltniß gegen Auswaͤrtige koͤnnen dem
Staat die Grenzen eines Bißthums ſehr
wichtig machen; und wie fo gar von ei⸗
nem jeden Gutsherrn die Ausmeſſung der
Pfarreyen abhaͤngt, ſo ſteht ihm gewiß
auch zu, die uͤber die Pfarreyen geſetzten
Bißthuͤmer zu beſtimmen. Auch erhellt aus
der heil. Schrift, daß weder Chriſtus noch
Petrus, noch die uͤbrigen Apoſtel Grenzen
und Land beſtimmten, wo jeder das Evan⸗
gelium predigen ſollte. Gehet hin in alle
„Welt,, das war die einzige Beſtimmung.
Es kam darauf an, ob die weltliche Macht
ſie dulden wollte; darauf an, wie weit ih⸗
re Krafte reichten, und das beſtimmte ihr
Bißthum. Am wenigſten aber war dieſes
ein Recht, das Petrus ausſchließungs⸗
weiſe hatte: Paulus, die übrigen Apoftel
und ihre Nachfolger errichteten eigenmaͤch⸗
tig Bißthuͤmer im Orient, ſo wie in
ſpaͤtern Zeiten die abendlaͤndiſchen Biſchoͤf⸗
fe das paͤbſtliche Anſehen zu Errichtung
neuer Bißthümer für uͤberfluͤßig hielten.
Wie
c 23
Wie der Codex der afrifanifchen Kirche“)
und der ſardiſche Synodus ), fo wie
das Beyſpiel des heil. Auguſtinus )
und des heil. Remigius *) es beweiſen.
ah.
Nach Erforderniß der Umſtaͤnde errich⸗
tete der Staat ſelbſt von Zeit zu Zeit Biß⸗
thuͤmer und Erzbißthuͤmer; beſonders kom⸗
men davon haͤufige Beyſpiele bey den fraͤn⸗
kiſchen Koͤnigen vor. Dieſer fraͤnkiſchen
Koͤnige Handlungen aber kann man am
wenigſten, nach Bemerkung des Herrn
Schmidts, als eigenmächtige Eingriffe in
die Rechte der Kirche anſehen. Sie wa⸗
ren gut geſinnt, und nahmen die chriſtliche
Religion, ſo wie ſie ihnen geprediget wur⸗
de, auf Treue und Glauben ihrer Lehrer
an. Nichts war bey ihnen weniger moͤg⸗
lich, als durch eigene Einſichten die Gren⸗
zen ihrer und der geiſtlichen Macht zu un⸗
terſcheiden, oder was goͤttlichen oder menſch⸗
lichen Urſprungs, oder was die geiſtlichen
blos menſchlichen Privilegien zu verdanken
B 4 hat⸗
*) Can. 53. et 98.
) Can yı
*#*) Epiſt. 209.
) Hinemarus Remens. Opuſc. 33. C. 16.
*
8
„ sog |
hatten, ſelbſt zu beurtheilen. Man kann
demnach dasjenige, was ſie gethan, nicht
ohne Grund auf Rechnung ihrer erſten
Lehrer ſchreiben. Und es iſt natuͤrlich, daß
ſte dieſes lehrten, weil ſowohl fuͤr den
Staat als die Religion groͤßre Vortheile
daraus entſtehen koͤnnen, wenn die weltli⸗
„che Obrigkeit ihre nothwendige Kenntniß
des Landes anwendet, um die Grenzen der
Bißthuͤmer zu beſtimmen: Der Staat kann
mithin dieſes Recht bald ſelbſt, ns
durch ſeine Viſchs fe üben.
III.
8
cf | 25
III.
Biſchoͤffe.
S?. wie man die Kirche in die ſicht⸗
bare und unſichtbare getheilt hat, ſo iſt
auch das Amt eines Biſchoffs. Geiſtliche
Kraft in die Gemeinſchaft der Glaubigen
aufzunehmen, oder von ihr auszuſchlieſſen
und die Sakramente zu ſpenden: kurz, die
biſchoͤfliche Gewalt, welche das Weſen der
Religion ausmacht, erhaͤlt der Biſchoff
von der Kirche, das heißt: er bekoͤmmt
ſie vom Stifter der Religion mittelbar,
und fortgepflanzt durch die Apoſtel, und
ihre Nachfolger, ſo wie jene ſie unmittel⸗
bar von Chriſtus erhielten. Denn er gab
dieſe Gewalt feinen Apoſteln, “und Fries
„de ſey mit euch, ſprach er “ wie mich
„ der Vater geſandt hat, fo ſende ich euch;
„ und da er das ſagte, bließ er fie an,
„und ſpricht zu ihnen: nehmet hin den
„heiligen Geiſt! welchen ihr die Suͤnden
„ erlaffee, denen find fie erlaſſen, und
„ welchen ihr fie behaltet, denen find fie be⸗
„ halten.
' B 5 Das
26 | cb
Dias iſt alſo Anordnung des Stifters
unſrer Religion; das wurde von den er=
ſten Zeiten der Chriſtenheit bis auf uns
einfoͤrmig beobachtet, daß ein Biſchoff ſei⸗
ne geiſtliche Gewalt von dieſer wiederum
erhielt. g
Aber dieſe geiſtliche Gewalt iſt perſoͤn⸗
lich und abgeſondert von der Faͤhigkeit ſie
uͤben zu koͤnnen. Sie beſteht nicht mehr
oder minder, ob ſie Gelegenheit hat aus⸗
geuͤbt werden zu koͤnnen oder nicht, und
gerade dieſe Ertheilung der Gelegenheit
hängt vom Staate ab. Als das Evange-
lium zuerſt geprediget wurde, ſtand es in
der Willkuͤhr eines jeden Landes, ob es
die Apoſtel aufnehmen wollte, und um ſo
mehr muß vom Staate die Wahl der Per-
ſon abhangen, durch welche dasſelbe ſoll
fortgepflanzt und erhalten werden. Wir
haben gehoͤrt, daß die Kirche im Staate
ſey; haben gehoͤrt, daß jedes Mitglied der
Kirche zugleich Buͤrger und Unterthan ſey;
mithin kann das verſchiedene Verhaͤltniß
dieſer Buͤrger untereinander nicht gleich⸗
gültig ſeyn, und jedes Amt, jede Würde
im Staate muß nur durch ihn erlangt wer⸗
den,
oo 27
den, wenn nicht jede buͤrgerliche Ordnung
erſchuͤttert, und diejenige Macht vereitelt
werden ſoll, die zum Weſen des Staats
gehört, 5
g 3.
Aus dieſen Grundſaͤtzen bal daß
dem Staate die Beſetzung der Bißthuͤmer
zuſtehe. Aber auch nicht minder folgt dar⸗
aus, daß auch der Staat einen Biſchoff
verſetzen, oder auch ihm ſein Bißthum
nehmen koͤnne: denn waͤre dieſes nicht,
fo wuͤrde dieſer Bürger = Bifchoff zugleich
nicht Bürger ſeyn, koͤnnte er wider Willen
des Staats Aemter und Würden in dem⸗
ſelben behalten. |
Zwar wird er die geiftliche Gewalt,
die ihm mitgetheilte Kraft behalten, wenn
ihm ſchon die Gelegenheit ſie zu uͤben be⸗
nommen iſt. Denn dieſe geiſtliche Gewalt,
ſo lange ſie nicht im Staate ausgeuͤbt
wird, ſo lange ſie nicht von der unſicht⸗
baren Kirche in die ſichtbare uͤbergeht, hat
keinen Einfluß in die buͤrgerliche Ordnung,
und ſteht ſo wenig, als die ungeaͤußerten
Gedanken und ri „unter ihrer
Gewalt.
Wenn
28 oh D
Wenn alſo jeder, der von Chriſtus
mittelbar jene geiſtliche Gewalt erhalten
hat, ein Biſchoff iſt; es nichts deſtowe⸗
niger aber vom Staate abhaͤngt, wo und
ob er ihn dieſe Gewalt will uͤben laſſen:
ſo folgt daraus, daß man die biſchoͤffliche
Gewalt haben koͤnne, ohne eine Bißthum
zu beſitzen.
Im Gegentheil aber muß derjenige,
der ein Bißthum hat, auch nothwendig voll—
kommen Biſchoff ſeyn, wenn anders eine
Gemeine nicht ohne geiſtlichen Vorſteher
ſeyn ſoll. Wer alſo vom Staate ein Biß⸗
thum erhaͤlt, auf dem muß auch nothwen⸗
dig durch die Kirche jene von Chriſtus den
Apoſteln gegebene Gewalt fortgepflanzt
werden. |
4.
Dieſe Grundſaͤtze folgen aus dem Be⸗
griff des Staats und der Kirche. Auch
erhellt ihre Anwendung aus der Erfah-
rung hinlaͤnglich. Man kann in der Ges
ſchichte der beſondern Kirchen ſehen, daß
die Koͤnige uͤberall Bißthuͤmer vergaben.
In Markulfs Formularien lieſt man die
Uebergabsurkunde eines Bißthums vom
Koͤnig; und in einem andern iſt die Bitt⸗
ſchrift
> or 29
ſchrift einer Buͤrgerſchaft, welche bittet,
ihnen einen gewiſſen als Biſchoff zu ge⸗
ben ). Koͤnig Theodorich verlieh dem
Biſchoff Quintian, welcher der Gothen
wegen ſeinen Biſchoffsſitz verließ und zu
den Franken fluͤchtete, das Bißthum Cler⸗
mont in Auvergne zur Entſchaͤdigung ).
Der Geſchichtſchreiber ſagt, daß man gleich
die Prieſter und das Volk zufammenberus
fen und ihn auf den biſchoͤfflichen Stuhl
geſetzt habe. Diethmar erzaͤhlt ſogar von
Otto I. daß er ſich vorgenommen, dem-
jenigen Geiſtlichen, der ihm zuerſt begeg—⸗
nen wuͤrde, ein Bißthum zu geben. So
ungezweifelt war das Recht dazu. Auch
ſchreibt Pabſt Johannes X. an Hermann
Erzbiſchoff von Koͤlln, daß dem alten Her—
kommen gemaͤß Niemand ein Bißthum ge⸗
ben duͤrfe, als nur der Koͤnig, dem von Gott
die Scepter anvertraut waͤren *). Faſt
alle Kirchen beſtrebten ſich von dem Lan⸗
des
*) Mark, L. 1. form. 3. & 7.
**) Gregor. Turonen. L. III. cap. 3.
**) Cum prisca confuetudo vigeat, qualiter
nullus alicui clerico episcopatum conferre
debeat, nifirex, cui diu ni us ſceptra col-
Tata ſunt. Ep. Ivann, X. ad Herimannum
Archiep. Colon, ap. Harzheim T. II. p. 596.
30 a
desfuͤrſten die Freyheit zu erhalten ihre
Biſchoͤffe waͤhlen zu duͤrfen; die es aber
erhielten, mußten darum nicht weniger
von demſelben die Wahl beſtaͤttigen laſ⸗
ſen. Aus einem Edikt des Chlothars kann
man dieſes ganze Verhaͤltniß am beſten
einſehen. „ Man beobachte, “ heißt es
dort, „daß nach Abſterben eines Biſchoffs
„ vom Metropoliten den Provincialen,
„dem Clerus und dem Volk ſtatt ſeiner
„lein andrer gewaͤhlt werde. Iſt dieſer
„ wuͤrdig, fo werde er auf Befehl des
„Fuͤrſten ordinirt. Koͤmmt aber feine
„Wahl vom Hof, fo ordinire man ihn
;, feiner. perſoͤnlichen Verdienſte und Ges
„ lehrſamkeit wegen).
5. g
Eben ſo ſind in der Geſchichte haͤu⸗
fige Beyſpiele, daß Biſchoͤffe verſetzt, und
auch ihres Bißthums beraubt wurden,
ohne daß davon die geringſte Meldung nach
Rom geſchahe. a
Der Nutzen, der aus allem dieſem
ſowohl fuͤr den Staat als die Kirche ent⸗
ſteht, iſt deutlich. Wer kann den ver-
; haͤlt⸗
* Edict. Chloth. II. A. 615. cap. 1.
D 31
haͤltnißmaͤßigen Werth jedes Bürgers bef-
ſer kennen als der Staat? Wer iſt faͤhi⸗
ger zu beſtimmen, ob jemand fuͤr dieſe
oder jene Gemeine ſich am beſten ſchicke;
wer durch ſich ſelbſt in der ſichtbaren Kir⸗
che die Wuͤrde am beſten zu behaupten
wiſſe? Und muß die Religion nicht alle⸗
mal durch gute Werkzeuge gewinnen; ſo
wie durch das Gegentheil verliehren? un⸗
ſtreitig zieht die Kirche aus dieſer Verbin⸗
dung mit dem Staate, dieſer wechſelswei—
ſen Unterſtuͤtzung, dieſer Vereinigung des
Zwecks vielen Vortheil. Man macht kei⸗
nem Gutsherrn die Beſetzung der Pfar—
reyen ſtreitig; und der Staat ſollte nicht
die des Bißthums haben ? Man ſieht al⸗
les Ungereimte, das daraus entſtehen wird,
wenn man dieſes der Religion ſo heilſame
Befugniß des Staats in Zweifel ziehen
wollte.
Der Staat hat alſo eben ſo gewiß
als er das Recht hat Bißthuͤmer zu er⸗
richten, das Befugniß Bißthuͤmer zu ver⸗
geben. In welchem Falle dann derjenige,
der das Bißthum erhaͤlt, von der Kirche
die geiſtliche Gewalt bekommen muß, um
vollkommen Biſchoff zu ſeyn. Dieſe Ge⸗
walt
32
walt aber erhaͤlt er durch Beſtaͤttigung und
Weyhe. Wie aber wird dieſe geiſtliche
Gewalt mitgetheilt?
. 6. |
Wir haben oben gefagt daß ſie von
Chriſtus herkomme. Man hat ſchon ſo
oft und ſo gruͤndlich bewieſen, daß jede
biſchoͤffliche Gewalt dieſen Urſprung habe
und gleich ſey. Man hat aus dem Bey⸗
ſpiel der Apoſtel und mit dem Worte der
Kirchenvaͤter dargethan, daß jede Gewalt,
welche der roͤmiſche Biſchoff habe, auch
alle andre haͤtten; daß der Pabſt zwar er⸗
ſter Biſchoff, aber doch nichts weiter als
Biſchoff ſey; ſo daß ich dieſe Saͤtze als
ausgemacht annehmen kann; und hieraus
folgt alſo, daß, ſo wie nicht allein Pe⸗
trus, ſondern auch die übrigen Apoſtel
und ihre Juͤnger dieſe biſchoͤffliche Gewalt
mitgetheilt haben, auch noch jetzt dieſe
Gewalt nicht vom Pabſt allein, ſondern
eben ſo durch die uͤbrigen Biſchoͤffe fortge⸗
pflanzt werden koͤnne. Die Erfahrung vo:
riger Zeiten beweißt dieſes. Der Metro⸗
polit mit ſeinen Suffraganen auf dem ni⸗
caͤiſchen Concilium, fo wie auf dem lao⸗
vicaͤiſchen gaben dieſe biſchoͤffliche Gewalt.
N 33
Auch fehreibt ihnen Liber diurnus rom,
Pontif, dieſes Recht zu ). Man wußte
Anfangs nichts von paͤbſtlicher Beſtaͤtti⸗
gung. Vielmehr ſchreibt Pabſt Leo der
große an Biſchoff Ruſticus von Narbon-
ne, wo er beſtimmt, was dazu gehoͤre,
um daß man jemand fuͤr einen Biſchoff
halte, nichts von paͤbſtlicher Beſtaͤttigung.
Auch dachten ehemals die Paͤbſte ſo wenig
daran bey allem dem, einigen Einfluß ha⸗
ben zu wollen, daß ſich vielmehr Pabſt
Paſchal II. beym Erzbiſchoff Rutard von
Maynz entſchuldigt den Biſchoff Ottard
geweyht zu haben ).
7.
Man findet in der Geſchichte, daß
dieſe Ertheilung der geiſtlichen Gewalt an
Biſchoͤffe gewoͤhnlich durch Provincial⸗Con⸗
cilien geſchahe, von denen wir im Folgen⸗
den das noͤthige ſagen werden.
*) Liber diurnus RR. PP. c. 2.
* Cod. Bamberg. n. 231.
—
34 D D
7
Verhalten des Staats bey
Errichtung eines Bißthums.
I»
|
U. das Bisherige in ein klaͤreres Licht
zu ſtellen, und damit alle Faͤlle vorkom⸗
men, wollen wir annehmen, daß der
Staat ein neues Bißthum errichte, und
ſehen was er dabey nach den feſtgeſetzten
Gruͤnden zu thun habe.
2.
Wenn alſo der Staat udet, daß die |
Bißthuͤmer zu groß find um gut verſorgt
werden zu koͤnnen, oder ihre Einthei—
lung nicht der bürgerlichen Verfaſſung ge=
maͤß iſt: kurz, ſo bald er findet, daß das
Beſte der Religion und des Staats, oder
eines jeden von dieſen eine andre Einrich⸗
tung erfordre, fo beſtimmt er einen ge=
wiſſen Diſtrikt, den er zu einem Bißthum
errichtet. Dann waͤhlt er einen Mann,
von dem er glaubt, daß er die Lehre Chri⸗
ſtus
or 35
ſtus in ihrer Lauterkeit erhalten, und ſich
am beſten für jenen Diſtrikt ſchicken wer:
de. Ferner beruft er ein Concilium ſei⸗
nes Landes von einem Metropoliten und
einigen Biſchoͤffen zuſammen, welchen er,
ſo wie er berechtigt iſt, ihnen die Punkte
der Berathſchlagung vorzulegen, auch
auftraͤgt denjenigen, den er zum Biſchoff
ernannt hat, im Nahmen der Kirche die
geiſtliche Gewalt zu ertheilen. Worauf
er dann auf den biſchoͤfflichen Stuhl ge⸗
fest und vom Metropoliten oder einem
andern Biſchoffe a wird,
Es iſt aa daß von allen dies
ſem dem Pabſte Nachricht gegeben werde,
und daß beſonders der neue Biſchoff es
thue, zum Zeichen derjenigen Ehrfurcht,
welche er dem erſten Biſchoffe ſchuldig
iſt, und vorzuͤglich zur Knuͤpfung jenes
Bandes der Einigkeit, welches zwiſchen
Haupt und Gliedern der Hierarchie or—
dentlich zu beben hat. N
4.
So wie wir geſehen haben, daß abs
les, was bisher geſagt worden iſt, ſich
auf das Zeugniß der Geſchichte gruͤnde;
| C 2 ſo
36 a
fo kann man auch aus diefer beweiſen, daß
dasjenige was hier von beſondern Concilien
geſagt worden, nichts neues ſey. Sie wur⸗
den auf Befehl des Landesfuͤrſten zuſam⸗
menberuffen, und ihnen die Berathſchla⸗
gungspunkte vorgelegt, wie man aus fol⸗
gender Stelle ſehen kann.
„Unſerm Herrn, dem Sohn der ka—
„ tholiſchen Kirche Chlotharius, dem
„ ruhmvolleſten König, alle Prieſter, die
„ du zum Concilium beriefſt. Da du
„ zum Dienſt der katholiſchen Religion
„und aus Sorge für den Glauben, und
„ mit prieſterlichem Geiſte beſeelt, die
„ Prieſter verſammelt haſt, um über noͤ⸗
„thige Gegenſtaͤnde zu handeln, fo ant⸗
„ worten wir nach deinem Willen u. ſ.
„, w.). In dem erſten Kapitular vom
Jahr 813 iſt die Aufſchrift des acht und
zwanzigſten Kapitels „ von Beſtaͤttigung
„ der Conſtitution, welche die Biſchoͤffe
„in dem auf königlichen Befehl neuer⸗
„lich gehaltenen Synode gemacht ha⸗
, ben „: und Karl der Große behielt ſich
ſo gar die Reviſion vor, wenn ein Abbt
oder
) Le Coint Annal. Ecclef, franc. ad ann
811.
oder anderer Geiftlicher mit dem Aus⸗
ſpruch eines Provincial⸗Conciliums nicht
zufrieden war. Auch wurden die Schlüf:
ſe dieſes Conciliums im Nahmen des Re⸗
genten ausgefertigt. So dienet das im
Jahr 742 gehaltene Concilium zum Be
weiß; es heißt dort ſo: „Ich Karl⸗
„ mann, Herzog und Fuͤrſt zu Franken
„habe im Jahr 742 mit Rath der Knech⸗
„te Gottes und der Vornehmſten die
„ Biſchoͤffe meines Reichs zum Concilium
„ und Synod verſammelt; das heißt,
„Bonifaz den Erzbiſchof und Burghard
„ — — und die uͤbrigen Viſchoͤffe mit
„ihren Preßbytern, damit fie mir Rath
„geben, wie das Geſetz Gottes und die
„Reinheit der Kirche, die in den Tagen
„ der vorigen Fuͤrſten litte, wieder koͤnne
„ hergeſtellt und das chriſtliche Volk zum
„ Seelenheil geführt werden, damit, durch
„ falfche Prieſter getaͤuſcht, es nicht zu
„ Grunde gehe.,
5¹
Um aber den hier zu beſtimmenden
Fall wegen Beſetzung eines Bißthums in
der Geſchichte ganz beſtaͤttigt zu finden,
fo leſe man das 5 und te Formular im
C 3 Mars
a: cg D-
Markulf, wo im erſten der Koͤnig den |
Biſchoff ernennt, und im zweyten er ihm
auf die beſchriebene Art die geiſtliche Ger
walt zu geben befiehlt.
. |
Nachſchrift.
Se. gewiß iſt es, daß alles dieſes kei⸗
ne Neuerungen ſind; daß dieſe Rechte der
Staaten unerſchuͤtterlich ſind, und in den
blühenden Zeiten der Kirche nie bezwei⸗
felt worden. Und wek mir ſagen wollte,
daß das Wohl der Kirche erfordere, daß
der Staat ſolchen Rechten entſage, den
wuͤrde ich auf die Geſchichte verweiſen;
ich wuͤrde ihn erinnern, daß fuͤr Kirche
und Religion die herrlichſten Zeiten da
waren, als die Staaten dieſe Rechte un:
unterbrochen ausübten; wuͤrde ihn erin⸗
nern, daß erſt, als die falſchen Dekreta⸗
len aufkamen, und dieſe Rechte ſtrittig
machen wollten, Zwiſt, Unruhe und Spal⸗
tung in der Kirche entſtanden; daß von
daher alle die Ungluͤcksfaͤlle entſproſſen
find, welche zwar 7 das Weſen der
Re⸗
*
c . 39
Religion, das über alles erhaben if,
treffen konnten, aber deſto mehr der ſicht⸗
baren Kirche ſchadeten. Heil uns, daß
wir uns dieſem Jeitpunkte wieder nd=
hern; daß Fuͤrſten desjenigen eingedenk
ſind, was ihnen der heil. Auguſtinus
fagt: „daß fie nicht weniger verbunden
„ ſeyn das Gute zu befehlen und das Boͤ⸗
„ fe zu verhindern, in Dingen, welche
„die goͤttliche Religion betreffen, wie in
„ weltlichen; daß ſie dann Chriſtus die⸗
FR
„ nen, wenn fie für Chriſtus Geſetze ge⸗
e \
Heil uns, daß unſre chriſtliche Kir⸗
che unter einem Oberhirten ſteht welcher
weit entfernt den Staat beſchraͤnken zu
wollen, die Fuͤrſten vielmehr, wie der
heil. Auguſtinus, ermahnen und ermun⸗
tern wird. |
) S. Auguſt. L. III. C. 51. contra Creſeonium.